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German Pages 501 [504] Year 2008
J A H R B U C H FÜR DIE G E S C H I C H T E M I T T E L - UND O S T D E U T S C H L A N D S BAND 54 ( 2 0 0 8 )
J A H R B U C H FÜR DIE G E S C H I C H T E MITTEL- U N D O S T D E U T S C H L A N D S Zeitschrift für vergleichende und preußische Landesgeschichte
Im Auftrage der Historischen und des Brandenburgischen herausgegeben
Kommission zu Berlin Landeshauptarchivs von
KLAUS N E I T M A N N , W O L F G A N G N E U G E B A U E R und MICHAEL SCHOLZ
B A N D 54 ( 2 0 0 8 )
Κ · G · SAUR M Ü N C H E N 2 0 0 8
Redaktion MICHAEL SCHOLZ
Manuskripte sind nach vorheriger Anfrage an die Herausgeber bzw. die Redaktion zu richten: Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer (Aufsätze) Institut für Geschichte der Universität Würzburg Am Hubland, D-97074 Würzburg PD Dr. Klaus Neitmann (Aufsätze) Dr. Michael Scholz (Rezensionen) Brandenburgisches Lancleshauptarchiv An der Orangerie 3, D-14469 Potsdam Redaktionsschluss für Band 55 (2009): 30. Juni 2009
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Bände 1-10 erschienen im Max Niemeyer Verlag, Tübingen Bände 11-20 erschienen im Verlag Walter cle Gruyter, Berlin-New York Bände 21-40 erschienen im Colloquium Verlag, Berlin Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier © 2008 by Κ. G. Saur Verlag, München Hin Imprint der Walter de Gruyter Gmbl I & Co. KG Printed in Germany by Strauss GmbH, Mörlenbach Alle Rechte vorbehalten / All Rights strictly Reserved Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig Satz: Dittebrandt Verlagsservice, Baden-Baden ISBN: 978-3-598-23205-9
INHALT
Α VF SÄ ΤΖΕ Günter P e t e r s : I lamersleben: Die Gmndlierrsehaft eines ostsächsischen Regularkanonikerstifts im 12. und 13. Jahrhundert
1
Joachim M ü l l e r / Lutz P a r t e n h e i m e r : Der 11. Juni 1157 und seine Bedeutung für Stadt und Land Brandenburg. Versuch einer Würdigung zum 850. „Geburtsjahr" der Mark Brandenburg aus archäologischer und historischer Sicht Joachim S t e p h a n : Die Handfesten des Elbinger Komtureibuches Lieselott E n d e r s : Pfarrer, Gemeinde, Patron. Koexistenz und Divergenz in der Altmark während der ersten I Iälfte des 18. Jahrhunderts
71 97
161
FORSCHUNGSBERICHTE Heinz Peter B r o g i a t o / Haik Thomas P o r a d a : Das Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig. Fin geographisches Forschungsinstitut mit Tradition
243
Gerhard K n o l l : Wer ist, wer war Dr. Werner I Iegemann (nicht)? Anmerkungen zur Hegemann-Biographie von Caroline Flick
293
Β
UCHBESPRECHUNGEN
A. Allgemeine und Preußische Geschichte
307
1. Hilfsmittel, Fest- und Sammelschriften, IJberblicksdarstellungen
307
2. Mittelalter
318
3. Frühe Neuzeit
331
i. 19. und 20. Jahrhundert
317
VI
INHALT
Β. Einzelne Gebiete
376
1. Berlin
376
2. Brandenburg
380
3. Provinz Sachsen / Anhalt
400
4. Pommern
434
5. "West- Lind Ostpreußen
139
6. Schlesien / Oberlausitz
445
7. Benachbarte Gebiete
448
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU
FÜR
2007
A. Allgemeines
461
1. Hilfswissenschaften
461
2. Archive und Quellenkunde
163
3. Geschichtsschreibung
466
4. Mittel- und ostdeutsche sowie preußische Geschichte
469
B. Einzelne Gebiete
172
1. Berlin
472
2. Brandenburg
173
3. Provinz Sachsen / Anhalt
176
4. Pommern
478
5. West- und Ostpreußen
179
6. Schlesien
182
INHALT
VII
Register zu den Buchbesprechungen
487
Corrigenda: Register zu den Buchbesprechungen des Jahrbuchs für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 53 (2007)
191
AUFSÄTZE
GÜNTER PETERS
HAMERSLEBEN: DIE GRUNDHERRSCHAFT EINES OSTSÄCHSISCHEN REGULARKANONIKERSTIFTS IM 12. UND 13. JAHRHUNDERT
1. Klosterleben: Fiktion o d e r Betriebswirtschaft?, S. 1 . - 2 . Überlieferung und Entstehung des Urbars, S. 4. - 3. Oie Entwicklung des Güterbesitzes bis ca. 1300, S. 15. - 4. Das G r u n d herrsehaftsgefüge im 13. Jahrhundert: O r d n u n g u n d Mission, Arbeit u n d Erträge, S. 31. 5. Rückschau, S. 55.
1. Klosterleben: Fiktion oder
Betriebswirtschaft?
Klösterliches Leben hat verständlicherweise gerade in den schriftlichen Quellen des Mittelalters einen deutlicheren Niederschlag gefunden als manch andere Lebensform vormoderner Zeiten. Aber auch in den Jahrhunderten, die uns näher stehen, ist es thematisiert worden, freilich nicht mehr in chronikalischen oder der rechten Lebensbzw. Wirtschaftsführung dienenden Aufzeichnungen, sondern vor allem in der „schönen" Literatur. Lag es damals insbesondere daran, dass viele Mönche und Nonnen eben auch die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens beherrschten und somit ihr Wissen und ihre Erfahrungen, aber auch ihren Besitz und ihre Rechte früher schriftlich fixieren konnten als andere - also gar nicht so unmodern waren, wie unserer Tage bisweilen vermutet wird - , so wurde das Sujet Klosterleben etwa in den Erzählungen und Romanen des 19. Jahrhunderts zwar zumeist nur in Nebenhandlungen angedeutet oder ausgemalt, dort jedoch oft in charakteristischen Episoden, die das Bild der heutigen Zeitgenossen vom Kloster durchaus noch prägen. In Eichenclorffs Erzählung „Das Schloss Dürancle" etwa erscheinen Kloster und Nonnen als romantisch-idyllisches Gegenstück zum verderbten vorrevolutionären Paris, die Priorin erweist sich als gute Mutter der familia, die den Kindern bunte Heiligenbilder und ein großes Stück Kuchen schenkt, und „überall grüßten die Bauern ehrerbietig". In Fontanes großem Roman „Der Stechlin" begegnet uns das Kloster Wutz mit seinen vier Stiftsdamen und der Domina, deren freundlich-schrullig-konservative Lebensformen sich bereits im Namen des Konvents widerzuspiegeln scheinen. Ganz anders geht es dann allerdings in der mittelalterlichen Klosterburg an den Hängen des Apennin zu: Mord und Sex, Häresie und Inquisition, aber auch Wissenschaft und
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GÜNTER PETERS
Aufklärung sind die Pole, zwischen denen unser Zeitgenosse Umberto Eco mönchisches Leben sich abspielen lässt1. Ob das ostsächsische Regularkanonikerstift Hamersleben ebenfalls derartig beunruhigend-spannende Zeiten um 1200 erlebt hat oder ob auf den dortigen Konvent eher das metaphorische Diktum vom verschlafenen Kloster Wutz - „Alle Klosteruhren gehen nach. Natürlich." - zutrifft, soll im Folgenden insbesondere anhand der genaueren Ausweitung seines Stiftsurbars untersucht werden. Zuerst allerdings einige wenige Hinweise zum Stift selbst 2 . Es wurde in den Jahren 1108/1112 - mit einer kurzen Vorlaufphase in Osterwieck - auf Initiative Bischof Reinhards von Halberstadt nördlich des Großen Bruchs in der Börde gegründet und vor allem von den beiden adligen Damen Thietburg und Mathilde aus der walbeckisch-bottendorfischen Pfalzgrafenfamilie mit umfangreichem Güterbesitz ausgestattet. Von Anfang an spielte es die führende Rolle in Reinhards Halberstädter Regularkanonikerreform, und es wusste sich auch in den schweren ostsächsischen Auseinandersetzungen unter Kaiser Heinrich V. und später während der Herrschaft Heinrichs des Löwen gut zu behaupten und zu entwickeln. Die Anfertigung seines Stiftsurbars im 13. Jahrhundert war offensichtlich der Versuch, einen besseren und praktikableren Überblick über den bisher gesammelten und durch weitere Erwerbungen angestiegenen Besitz zu erlangen. Obwohl die Gattung der Urbare nicht einheitlich definiert werden kann, versteht man unter ihr doch gemeinhin eine schriftliche Quellengruppe, die aus der Sicht der Herren „das liegende Gut und die Gerechtsame einer Grundherrschaft, vor allem die
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Unter den vielen Ausgaben vgl. etwa Joseph v o n Ε i c h e η d ο r f f : Das Schloß Dürande, in: Joachim H o r n u.a. (Hg.): Deutsche Erzählungen des 19. Jahrhunderts. Von Kleist bis llauptmann. München 2 1982, S. 76-111, Episode und Zitats. 81 ff. - Theodor F o n t a n e : Der Stechlin. Roman. München 1969, S. 80-92 (= Nymphenburger Taschenbuch-Ausgabe, 13), das folgende Zitat S. 80. - Umberto E c o : Der Name der Rose. München 1982. - Ein schönes Beispiel für die Verbindung akkuratester Wissenschaft mit Lesbarkeit und hohem allgemeinen Nutzen abseits poetischer Fiktion bieten neuerdings Heinz-Dieter Η e i m a η η , Klaus N e it m a n n , Winfried S c h i c h (Hg.): Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 2 Bde. Berlin 2007 ( = Brandenburgische Historische Studien, I i).
2
Die Übersiedlung von Osterwieck nach Hamersleben dürfte 1109 stattgefunden haben, das Stift könnte also derzeit sein 900jähriges Jubiläum feiern. - Die bisherige Literatur hat übersichtlich zusammengestellt und in einem knappen Bericht ausgewertet 1 lermann J a k ο b s : Dioeceses Hildesheimensis et Halberstadensis. Göttingen 2005, S. 386-391 (= Germania Pontificia, Vol. V,2, Pars VI), der mit Recht monierte, „desideratur adhuc opus eruditum historiam praeclarae domus regularium canonicomm s. Augustini Ilamerslebensis plane complectens" (S. 387). Zuletzt eine ganze Reihe von lang tradierten Auffassungen korrigierend Günter P e t e r s : Das Augustinerchorherrenstift Hamersleben. Entstehung und soziales Umfeld einer doppelklösterlichen Regularkanonikergemeinschaft im hochmittelalterlichen Ostsachsen, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 52 (2006), S. 1-53, dort auch S. 7 - 1 0 Hinweise zum Übersiedlungszeitpunkt, sowie d e r s . : Bemerkungen zur Datierung der Ilamerslebener Stiftskirche St. Pankratius, in: Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte 2 (2006), S. 201-208.
GRIJNDIIERRSCIIAFT EINES OSTSÄC1ISISCIIEN REG IJ LARKAN ON IKERSTIETS
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Einkünfte u n d A b g a b e n , z.T. a u c h die I n h a b e r der G ü t e r " 3 v e r z e i c h n e t . Darin w e r d e n nicht n u r M e r k m a l e d e r a g r a r i s c h e n Wirtschaftspraxis deutlich, s o n d e r n oft l a s s e n s i c h a u c h w i c h t i g e E i n b l i c k e in die L e b e n s v e r h ä l t n i s s e u n d I n t e r a k t i o n e n aller a n der G r u n d h e r r s c h a f t b e t e i l i g t e n M e n s c h e n g e w i n n e n . Seit l a n g e m g e h ö r t d a h e r a u c h die T h e m a t i k G r u n d h e r r s c h a f t u n d alles, w a s s i c h mit ihr v e r b i n d e n lässt, z u m K e r n b e r e i c h der Mediävistik 4 . D e n n o c h sind n o c h m a n c h e F o r s c h u n g s l ü c k e n zu finden u n d v e r t r a g e n k l ä r e n d e Ergänzungen" 1 . S o gilt bis jetzt g e r a d e der s ä c h s i s c h - n o r d w e s t d e u t s c h e R a u m in d e r Zeit d e s H o c h - u n d Spätmittelalters e h e r als s c h l e c h t e r f o r s c h t 6 . V o n d a h e r lohnt e s sich, das H a m e r s l e b e n e r Stiftsurbar g e n a u e r zu b e t r a c h t e n 7 , u m 3
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5
6
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Zur Definition dieses Begriffs vgl. etwa Enno B i i n z : Urbare und verwandte Quellen zur Wirtschafte- und Sozialgeschichte, in: Michael Μa u r e r (Hg.): Aufriß der historischen Wissenschaften, Bd. 4. Quellen. Stuttgart 2002, S. 168-189, hier S. 169 bzw. Ludolf Κ u c h e n b u c Ii: Grundherrschaft im früheren Mittelalter. Idstein 1991, S. 27-31 (= Historisches Seminar, N.F., 1), der die besondere Vielgestaltigkeit dieser Quellen betont: „jedes Register hat sein eigenes Profil", S. 27. Als Eorschungsüberblicke seien nur genannt Werner R ö s e n e r : Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter. München 1992 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, 13); Ludolf Κ u c h e η b u c h : Potestas und Utilitas. Ein Versuch über Stand und Perspektiven der Forschung zur Grundherrschaft im 9 - 1 3 . Jahrhundert, in: Iiistorische Zeitschrift 265 (1997), S. 117-146 und Hans-Werner G o e t z : Frühmittelalterliche Grundherrschaften und ihre Erforschung im europäischen Vergleich, in: Michael B o r g o l t e (Hg.): Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Berlin 2001, S. 65-87 ( = Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik, 1). Im Rahmen neuer Handbücher, darin aber eher etwas knapp behandelt, Alfred Η a ν e r k a m ρ : Zwölftes Jahrhundert. 1125-1198. Stuttgart 2003, S. 11-16, S. 189 ff. Ο Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 5) bzw. Werner 1 " r ο ß b a c h , Clemens Z i m m e r m a n i i : Die Geschichte des Dorfes. Von den Anfängen im Frankenreich zur bundesdeutschen Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 28 ff. Kürzlich wies Werner R ö s e η e r: Europa im Spätmittelalter: die agrarische Welt. Probleme und Defizite der Forschung, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 93 (2006), S. 322-336 erneut auf diesbezügliche Defizite gerade in der deutschen Mittelalterforschung hin, S. 335 f. Dazu Carl-Hans H a u p t m e y e r : Niedersächsische Wirtschafts- und Sozialgeschichte im hohen und späten Mittelalter (1000-1500), in: Ernst S c h u b e r t : Politik, Verfassung, Wirtschaft vom 9. bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert. Hannover 1997, S. 1053 und 1056 f. (= Geschichte Niedersachsens, 2); Werner R ö s e n e r : Strukturformen der älteren Agrarverfassung im sächsischen Raum, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 52 (1980), S. 107-113, hier S. 107; d e r s . : Einführung in die Agrargeschichte. Darmstadt 1997, S. 115. Diesen Mangel auch für das Spätmittelalter hervorhebend Hartmut H o f f m a n n : Das Braunschweiger Umland in der Agrarkrise des I i. Jahrhunderts, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 37 (1981), S. 162-286, S.162, 253 f. Auf die Ergebnisträchtigkeit einer noch intensiveren Untersuchung kirchlicher Grundherrschaften weist in seinem anregenden Literaturbericht hin K u c h e n b u c h : Potestas und Utilitas (wie Anm. 1), S. 130 f. Leider ist die öfters erwähnte, aber noch immer nicht gedruckte Habilitationsschrift desselben Autors bibliothekarisch kaum greifbar (Ludolf Κ u c h e η b u c h : Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 11. Jahrhundert. TU Berlin 1983). Die Edition hat in seinem grundsoliden Urkundenbuch besorgt Walter Z ö l l n e r : Die Urkunden- und Besitzaufzeichnungen des Stifts Hamersleben (1108-1462). Leipzig 1979,
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GÜNTER PETERS
das Bild der n o c h u n t e r b e l i c h t e t e n Agrarverfassung dieser R e g i o n etwas a u f z u h e l l e n 8 . D a b e i b i e t e n sich a u c h g e l e g e n t l i c h e Vergleiche mit a n d e r e n z e i t n a h e n A u f z e i c h n u n g e n g e i s t l i c h e r G r u n d h e r r s c h a f t e n d i e s e s R a u m e s an, e t w a mit d e n e n d e s Pfalzstifts Goslar, z w i s c h e n 1 1 7 4 / 1 1 9 5 entstanden 1 · 1 , o d e r d e s Klosters St. Liudger v o r H e l m stedt10, angelegt etwa 1150/1160.
2.
Überlieferung
und Entstehung
des
Urbars
D a s u n s v o r l i e g e n d e H a m e r s l e b e n e r Urbar ist l e i d e r w e d e r i m Original a u f u n s g e k o m m e n n o c h a u f a n d e r e W e i s e vollständig überliefert, s o n d e r n n u r in b e s o n d e r s z u m E n d e h i n u n v o l l s t ä n d i g e n A b s c h r i f t e n e i n e s Kopiars, e i n e r i m 13. J a h r h u n d e r t
S. 276-291 (= Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte, 17), im Folgenden zitiert: Urbar; wenn es sich um Hamerslebener Urkunden handelt: LJBHA mit Nummer. Wahrscheinlich bedingt durch die damalige deutsche Teilung fehlen hier allerdings einige Stücke aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die sich im Staatsarchiv 'Wölfenbüttel befinden unter der Signatur 22 Urk. Zöllner gab auch eine erste, knappe Auswertung des Urbars, S. 1111, 10-12, sowie hilfreiche Listen und Register. Eine genauere Untersuchung fehlt noch immer, obwohl bereits Gustav S c h m i d t (Hg.): Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, 1. Tl. Leipzig 1883, S. X (= Publicationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven, 17) (künftig: UBIIII 1) auf das Urbar, allerdings etwas kryptisch, hinwies. In der jüngeren Literatur machte meines Wissens nur Enno Β ü η ζ : Probleme der hochmittelalterlichen Urbarüberlieferung, in: Werner R ö s c n c r (Hg.): Grundherrschaft und bäuerliche Gesellschaft im 1 lochmittelalter. Göttingen 1995, S. 31-75 (= Veröffentlichungen des MaxPlanck-lnstituts für Geschichte, 115 ), hier S. 39, Anm. 31 in Anlehnung an Zöllner auf den Aussagewert des Urbars aufmerksam. 8
Fundstellen für eine Reihe von Besitzverzeichnissen geistlicher Grundherrschaften hat zusammengestellt Martin L a s t : Villikationen geistlicher Grundherren in Nordwestdeutschland in der Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert (Diözesen Osnabrück, Bremen, Verden, Minden, llildesheim), in: llans P a t z e (11g.): Die Grundherrschafit im späten Mittelalter, 1. Sigmaringen 1983, S. 368-150 (= Vorträge und Forschungen, 27), hier S. 116-119 (Anhang III).
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Georg B o d e (Hg.): Urkundenbuch der Stadt Goslar und der in und bei Goslar belegenen geistlichen Stiftungen. Halle 1893, Bd. 1, Nr. 301, S. 320-338 (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 29), künftig: UB Goslar. Die umfängliche Literatur zum Pfalzstift St. Simon und Judas verarbeitet Tilmann L o h s e : Das Goslarer Pfalzstift St. Simon und Judas - Eine Stiftung für die Ewigkeit?, in: 1 larz-Zeitschrift 51/55 (2003/2001), S. 85-106. Rudolf Κ ö t ζ s c h k e (Hg.): Rheinische Urbare. Sammlung von Urbaren und anderen Quellen zur Rheinischen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2: Die Urbare der Abtei Werden an der Ruhr. Bonn 1906 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Cjeschichtskunde, 20), dort die urbariellen Aufzeichnungen zu St. Liudger S. 167-185, künftig: UrbStLiudger. Zur Datierung s.Lutz F e n s k e , Ulrich S c h w a r z : Das Lehnsverzeichnis Graf Heinrichs 1. von Regenstein 1212/1227. Gräfliche Herrschaft, Lehen und niederer Adel am Nordharz. Göttingen 1990, S. 24 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 94) und Werner R ö s e n e r : Das Kloster und die Bauern. Die Grundherrschaft von Werden und Helmstedt im Mittelalter, in: Jan G e r c h o w (Hg.): Das Jahrtausend der Mönche. Kloster Welt Werden 799-1803. Köln 1999, S. 113-118, hier S. 116.
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GRIJNDIIERRSCIIAFT EINES OSTSÄC1ISISCIIEN REG IJ LARKAN ON IKERSTIETS
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angelegten und später immer wieder ergänzten Sammlung von Urkunden 1 1 . Trotz dieser Überlieferungsschwäche ist das Besitzverzeichnis aber inhaltlich offensichtlich korrekt, denn die Überprüfung am vorhandenen Urkundenbestand führt zu keinerlei Widersprüchen 1 2 . Und so sind seine Aussagen über die ökonomischen Verhältnisse des Stifts willkommene Ergänzungen zur Hamerslebener Situation in den ersten zweihundert Jahren seines Bestehens. Was k ö n n e n wir über den Zeitpunkt der Entstehung dieser Quelle in Erfahrung bringen? Ihre Abfassung ist mit Sicherheit in das 13. Jahrhundert zu datieren, ohne dass wir eine genauere Festlegung erhalten. Bei der chronologischen Fixierung geben die im Text oftmals als Bezugspunkte erwähnten Namen der verschiedenen Pröpste eine wertvolle Hilfe, hat sich der Schreiber doch für seine Aufzeichnungen in bedeutendem Maße auf Urkunden des Klosterarchivs, in denen sich diese Namen in der jeweiligen Inscriptio oder in den Zeugenlisten wiederfinden, gestützt. So liegt der späteste Eintrag in der ersten Hälfte des Jahres 1202 l i , was dann auch der wahrscheinliche terminus post quem für die Anfertigung des Besitzverzeichnisses wäre. Allerdings stellt die Unvollständigkeit gerade des Schlussteils der Aufzeichnungen ein gravierendes Hindernis für das Festhalten an diesem präzisen Termin dar 14 , könnten doch in den verloren gegangenen Teilen durchaus spätere Eintragungen gestanden haben. Dennoch stünde unser Urbar auch mit einer weiter gefassten Datierung im
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12 13
Zur komplizierten Hamerslebener Überlieferung vgl. bereits Paul Fridolin K e h r (Hg.): Uric undenbuch des Hochstifts Merseburg, Bd. 1. Halle 1899 (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 36) (künftig UB11M 1) in der Anm. zu Nr. 375 (a. 1271), besonders aber Zöllner (wie Anm. 7), S. 31 und 10 f. Diese Abschriften stammen wiederum aus dem 18. Jahrhundert, und das eigentliche Urbar ist dort z.T. durchsetzt mit Urkundenkopien aus dem Hamerslebener Fundus. Nach Urbar 99 brechen alle Abschriften ab mit dem Hinweis hic illiquid deest (Urbar 92), der ähnlich auch an anderen Stellen erscheint: Hic deest folium (Urbar 40). Die vorliegenden Besitzaufzeichnungen sind also unvollständig, was insbesondere für den Schluss gilt. Der Beginn der Abschriften wirkt vorerst unübersichtlich. Die Absätze Urbar 1-8 scheinen zusammenhanglos zwischen Kopien von Urkunden aus dem 12. Jahrhundert eingestreut. Von Letzteren versichert der Schreiber allerdings mehrfach, er habe sie am Original geprüft und korrigiert: ad originale correctus 1712 die 28 Februarii. a me P.B. Man darf wohl davon ausgehen, dass er auch mit den ihm vorliegenden Urbarnotizen korrekt umging, soweit es ihm möglich war. Als Person ist er nicht genauer zu identifizieren. Die Kopiarabschriften befinden sich im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg (LHASA, MD), unter Rep. Cop. Nr. 716a, 716b. In 716a, das Zöllner zur Grundlage seiner Edition machte, findet sich das Urbar auf toi. 19v, 23r, 25t, 34r, 4()r—46r. - Die aus dieser Quelle übernommenen Belege wurden entsprechend der dortigen Schreibung transkribiert.
Vgl. unten S. 11 f. Urbar 15 und 98 mit inhaltlichem Bezug auf IJB11A 35 (a. 1202) unter Propst Hermann, während die nächste Urkunde, die sich auf mehrere 1 lufenerwerbe bezieht, bereits in die Präpositur Ludolfs fällt und genau datiert ist auf 1202 VII 28 (UBHA 36). 11 Etwas sicherer ist sich Z ö l l n e r : Urkunden (wie Anm. 7), S. 31: „Das Kopiar wurde vermutlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts angelegt und dann allmählich vervollständigt". Vgl. auch unten S. 11 f.
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GÜNTER PETERS
13. Jahrhundert am Beginn eines Trends, ist doch in diesem Zeitraum eine starke Zunahme derartiger Quellen aus geistlichen Grundherrschaften zu verzeichnen, was sicherlich nicht nur auf Überlieferungszufälle zurückzuführen ist1"'. Wie muss man sich das Entstehen der Aufzeichnungen in der praktischen Durchführung vorstellen, denn der Text enthält ja eine Fülle von sachlichen, rechtlichen, personellen und geographischen Einzelheiten, die möglichst hieb- und stichfest fixiert werden mussten, wenn ihre Niederschrift nicht zu fortwährenden Streitigkeiten statt zu mehr Sicherheit führen sollte? Die Urbarforschung hat dazu bereits manche Kenntnisse beigesteuert, vor deren Folie sich das Hamerslebener Beispiel darstellen lässt 10 . Die wichtigste Basis boten dem Schreiber ganz offensichtlich die ihm zugänglichen Stiftsurkunden. Geht man von der Abschrift in Rep.Cop. 746a vom Anfang des 18. Jahrhunderts aus, die auch Zöllner zur Grundlage seiner Edition machte 17 , dann wird dies sehr deutlich. Und anders als dieser meint 18 , lässt sich im Großen und Ganzen auch eine sinnvolle Ordnung in der überlieferten Abschrift erkennen, die zeigt, dass am Beginn der kopialen Aufzeichnungen die Absicht bestanden hatte, ein Arbeitsinstrument zu schaffen, mit dessen Hilfe das Stift seinen Besitz, seine Einkünfte und seine Rechtspositionen besser wahren konnte. Sie beginnen auf Folio 19 mit knappen Bemerkungen eines Magisters Johannes von Poitiers über den Begriff bzw. die Entfremdung kirchlicher Privilegien, an deren Schluss, kaum abgesetzt vom vorigen Text, die urbarielle Notiz folgt: Ea quae supposito not at, quamvis α religiös is coll ata et privileges comprehensa sint, tarnen no η habet EcclesiaV). Dem schließen
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B ü n z : Probleme (wie Anm. 7), S. 56 f., der in seinem gründlichen Bericht über die Forschungen zur hochmittelalterliche Urbarüberlieferung allerdings auch auf die schlechte Quellenlage für die königliche und adlige Grundherrschaft bis zum 14. Jahrhundert hinweist, S. 50. Für unsere Landschaft diesem Mangel etwas abhelfend, siehe die wichtige Edition und Interpretation von F e η s k e / S c h w a r ζ (IIg ): Lehnsverzeichnis (wie Anm. 10). - In einem größeren Kontext gesehen, darf sicher nicht der Hinweis fehlen, dass 1192 der damalige Kämmerer und spätere Papst Cencius/IIonorius III. den sog. Liber Censuum anlegte, „in dem die zinspflichtigen geistlichen Einrichtungen und weltlichen Herrschaften systematisch erfasst werden sollten, ein großer Fortschritt bei der Rationalisierung des päpstlichen Finanzund Steuerwesens", vgl. Michael B o r g o l t e : Europa entdeckt seine Vielfalt. 1050-1250. Stuttgart 2002, S. 83 (= Handbuch der Geschichte Europas, 3).
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B ü n z : Probleme (wie Anm. 7), S. 60 ff.; F e η s k e / S c h w a r ζ : Lehnsverzeichnis (wie Anm. 10), S. 28 ff., S. 87; K u c h e n b u c h : GrundheiTschaft (wie Anm. 3), S. 28 f.: „Und wie sind diese Register entstanden? Darüber weiß man viel zu wenig ...". Z ö l l n e r : Urkunden (wie Anm. 7), legt die nicht völlig zu klärenden kopialen Überlieferungsverhältnisse dar: S. 31-32. So sei es u.a. fraglich, „ob die Abschriften (wenigstens teilweise) unmittelbar auf das Kopiar laus dem frühen 13. Jahrhundert, Vf.l zurückgehen oder ein oder mehrere Zwischenglieder vorhanden gewesen sind". - Vgl. dazu aber unten S. 13 f. die Ausführungen zum Zusammenhang der Abschrift Rep. Cop. Nr. 716a mit dem sogenannten „Registrum". Z ö l l n e r : Urkunden (wie Anm. 7), S. 31 f.: .Die Urkunden sind ohne erkennbare Ordnung aneinandergereiht ... und unterbrechen den Text des Urbars". LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 7 i6a, fol. 19v, wahrscheinlich ein späterer Zusatz, nachdem man sich bereits einen Überblick verschafft hatte, und im Zusammenhang mit dem vorangestell-
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sich die Urkunden 1, 2, 8, 11 an211, die als Stiftungsurkunden für den Konvent bezeichnet werden dürfen (1 und 2), gleichzeitig aber auch die materielle Basis in Gestalt der großen Zahl von Güterübertragungen enthalten, die von den beiden Hauptstifterinnen Thietburg und Mathilde getätigt wurden und deshalb in einem Besitzverzeichnis natürlich an erster Stelle nicht fehlen durften. Auch die Urkunden 8 und 11 verbindet, dass in ihnen strittige Besitzpositionen mit Hilfe Bischof Rudolfs I. von Halberstadt zugunsten Hamerslebens gesichelt w e r d e n konnten. Darauf beziehen sich jetzt die unmittelbar folgenden Urbareinträge 2 und 3, in denen es heißt: Sicut accepimus α majoribus in Osterhuisen duo mansi hocprivilegio comprehensi collati sunt ... 2 1 . Wir erkennen also, dass der urspüngliche Redaktor des Verzeichnisses auf die Originalurkunden zurückgriff und dass er durch deren Abschrift seinem Werk eine größere Legitimationskraft geben wollte, indem er die folgenden eigentlichen Urbareinträge z.T. direkt - duo mansi hoc privilegio comprehensi - auf sie bezog 2 2 . Die sich nun anschließenden Urkunden handeln von der Entvogtung 23 durch Bischof Ulrich von Halberstadt bzw. Kaiser Friedrich Barbarossa, bilden also wiederum eine Einheit, denn sie enthalten eine wesentliche Rechtsgrundlage des Stiftes. Im darauf folgenden Urbareintrag wird gleichsam die zukünftige Vorgehensweise des Urbarschreibers bei seinen Aufzeichnungen angedeutet: In Sequentihus exponitur quanto dUigentius ab Antecessoribus investganpotuit ,.. 2 4 , also der herausgehobene Hinweis auf große Sorgfalt und Spürsinn bei der Befragung der „Vorgänger", und diese Befragung stützte sich insbesondere auf deren nachgelassene Urkunden, wie die enge Verknüpfung von Urbareinträgen und Urkundenabschriften deutlich macht. Aber der damalige Schreiber wusste durch Nachfrage bei Menschen, die als Miterlebende Detailkenntnisse hatten, bisweilen auch mehr, als sein Urkundenbestand hergab. Von zwei Wegerslebener Hufen schreibt er, dass sie vor längerer Zeit, „wie es heißt", im Tausch gegen zwei Mansen in Westrem erworben wurden2"1. Hier, wie auch
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ten Text des französischen kanonisten zu sehen. Die uns hier vorliegende Abschrift enthält allerdings keine derartigen Unterstreichungen, die sich vielleicht in einer früheren Version befanden, auf die der jetzige Schreiber zurückgriff. UBIIA f Ca. 1108), 2 (a. 1112), 8 Ca. 1115), 11 (vor a. 1119). LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 716a, fol. 23r. Ähnlich ein weiterer Hinweis zu Osterhausen: Ut supra inveniespleniits in Osterhusen duo mansi venditi sunt... (LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 716a, fol. 3 lr; = Urbar 7). Der Hinweis auf" die Lundstelle mit dem vollständigen Zusammenhang bezieht sich auf die supra (fol. 23r) abgeschriebene Urkunde UBHA 11 (vor a. 1149). UBHA 21 Ca. 1178), 21 (a. 1181); zum kurzen Intermezzo der Vogtei in Ilamersleben vgl. P e t e r s : Augustinerchorherrenstilt (wie Anm. 2), S. 27 11. LHASA, MD, Rep. Cop., Nr. 746 a, fol. 25t ( = Urbar 4). Urbar 31: His ut fertur ab antiquis additi sunt mansi duo concambio acquisitipro duobus, qui habebantur in Westeren. Letztere sind tatsächlich bereits 1112 belegt (UBIIA 2) und 1178 bestätigt worden (UBHA 21), eine Tauschurkunde ist allerdings nicht vorhanden, daher das ungewisse ut fertur. In einem anderen Lall ging es um den Kaufpreis von Besitzungen in Abbenrode, bei dem der Schreiber gänzlich kapitulierte, denn es lag weder eine Urkunde vor noch gab es einen verlässlichen Zeugen: ... praeter ernptionispretiurn. quoci ignoratur
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in anderen Fällen, lag offensichtlich nichts Schriftliches vor, so dass ihm das Hörensagen genügen musste. Der Rückgriff auf Zeugenwissen wird sehr deutlich bei der Betrachtung der beiden Urkunden, die vom Pfalzgrafen Adalbert von Sommerschenburg ausgestellt wurden. In ihnen bestätigte dieser einige wenige Besitzungen, die zu Zeiten seines Vaters Friedrichs II., Pfalzgrafen von Sommerschenburg, an Hamersleben gingen. Im Urkundentext werden diese Übertragungen als fromme Seelenheilsstiftungen motiviert26, der zwischen diesen Urkunden stehende Urbareintrag sagt dann allerdings in brutaler Offenheit die ganze Wahrheit über die Güterschenkung in Eichenbarleben: Es handelte sich um eine Totschlagssühne für einen Hörigen der Hamerslebener Kirche, den Pfalzgraf Friedrich mit Heugabel und Sporen erschlug, weil dieser ihn nicht über das Große Bmch bei Wegersleben fahren wollte 27 . Die Detailfreude des Schreibers lag wohl daran, dass das Geschlecht der Sommerschenburger jetzt bereits ausgestorben war und diese Pfalzgrafen im Stift in keinem großen Ansehen standen28. Seine Informationen hatte er jedenfalls nicht aus den Urkunden, sondern die beruhten auf dem Wissen der maiores bzw. antecessores, von denen er direkt oder vermittelt gehört haben dürfte, was die wirkliche Ursache der Hufenübertragung in Eichenbarleben gewesen war. Hier hätten wir übrigens ein Indiz dafür, dass der Zeitpunkt dieses Teils der Aufzeichnungen noch in deutlicher Nähe zu dem getadelten Ereignis gestanden haben muss, denn der Autor konnte sie nur mündlich erfahren haben. Schaut man sich die Reihenfolge der übrigen in das Besitzverzeichnis eingefügten Urkundenabschriften an, so lassen sich auch hier im Regelfall sachliche Kombinationen erkennen21·1. Unser bisheriger Eindruck hinsichtlich der Entstehung und der erkennbaren Gliederung ist demnach folgender: Der Redaktor orientierte sich zwar am Rahmen der Chronologie, ordnete darin seine Urkundenabschriften aber nach thematischen Gesichtspunkten, um entsprechende Urbareinträge durch beigegebene Ur(Urbar 94). Genauer informiert als die entsprechende Tauschurkunde (UBHA 30, a. 1197) zeigt sich das Urbar (Nrn. 44, 92) wiederum hinsichtlich der Zinserträge, die die Hufen in Waddekath bzw. Schianstedt brachten. Diese finanziellen Details konnte sein Schreiber nur durch Beteiligte erfahren haben. Zur Befragung von Zeugen bei der Besitzstandsaufnahme vgl. Κ u c h e η b u c h : Grundherrschaft (wie Anm. 3'), S. 28 und Β ü η ζ : Probleme (wie Anm. 7), S. 61 f. - Auf die grundsätzliche Skepsis gegenüber auf Erinnerungen beruhenden Quellenaussagen, wie sie Johannes Fried dezidiert formuliert hat, sei hingewiesen. Der Hamerslebener Urbarredaktor war sich solcher Unsicherheiten wahrscheinlich bewusst, denn er versuchte vor allem auf Urkunden, also schriftliche, „zeitnahe" Erinnerung zurückzugreifen. Auf Nachfragen beruhende, „orale" Erinnerung kennzeichnete er mehrmals als solche. Vgl. Johannes F r i e d : Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik. München 2001, S. 195 („Die Intention bestimmt das Gedächtnis".), besonders auch S. 333 f.
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UBIIA 13 (a. 1162): I mansus in Ekenbardenleve quem pater mens pro remedio emime sue et totius nostre cognationis saneto Pancratio optulit. 17 (a. 1174): pro anime mee remedio. 27 LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 716a, fol. 31· Palati uns Comes Fridericus in palude Wagerslebiensi Eihuiardum quendam ipsum transducere detrectantem calcaribus etfurca occiditpro quo delicto maiisum in Eikenbardenleve hitic Ecclesie contulit (Urbar 5).
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Zum Zusammenhang vgl. P e t e r s : Augustinerchorherrenstift (wie Anm. 2), S. 21, 29 ff. Z.B. vier päpstliche Privilegien (fol. 26r-29v), zwei zu den umstrittenen Besitzungen in Abbenrode (fol. 30), vier die von Hamersleben abhängigen Kirchen ansprechend (fol. 30-31).
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künden belegen bzw. um Informationen zu Sachgesichtspunkten schneller auffinden zu können: etwa zur Entvogtung, zu vom Stift abhängigen Kirchen, zu strittigen Besitzungen, zu den wichtigsten Stiftungsurkunden überhaupt oder zu päpstlichen Bestätigungsurkunden. Dabei diente die Abschrift offensichtlich noch am Beginn des 18. Jahrhunderts als Beweismittel, mit dem gearbeitet werden konnte, denn der Schreiber legte Wert darauf, dass die kopierten wichtigen Schlüsselurkunden wirklich dem „Original" entsprachen. Darauf deuten seine mehrfachen, mit Paraphe abgezeichneten Verweise hin: iuxta originale correcta est: 1709 a P.B.i{>. Die Nähe unseres Urbars zu den Urkunden illustriert also den bekannten Satz des Genter Mönchs, der bereits in der Mitte des 10. Jahrhunderts schrieb: „Wenn du etwas über die Leihegüter oder die zinspflichtigen Ländereien wissen willst, dann lies die Urkunden, dort wkst du alles finden"·''1. Für die Klöster waren die wichtigsten Beweismittel deren Originale, die sie aber in Abschriften oder etwa in knappen Zusammenfassungen für die alltägliche Arbeit nutzbar machten, so auch in Hamersleben. Das, was uns hier an kopialer Überlieferung aus dem frühen 18. Jahrhundert vorliegt, ging ganz offensichtlich in seiner nur scheinbaren Unordnung zurück auf eine Vorlage, die Merkmale „traditions- und kopialbuchhafter, urbarieller oder chronikalischer Kodifizierung des bisher nicht systematisch gebuchten Besitz- und Rechtsstandes" hatte, eine Mischform, wie sie seit dem 11. und 12. Jahrhundert gehäuft vorkam 32 . Dennoch dürften die Urbareinträge zu Vorgängen aus dem Jahr 1202 letztlich keine stringenten Hinweise darauf sein, dass das gesamte Urbar auch zu dieser Zeit zusammengestellt wurde. Sie zeigen nur, dass der Verfasser auch hier Zugriff auf den Urkundenbestand hatte 33 . Die kaum zu erzielende endgültige Klarheit über die Zwischenstufen bis zu unserer Kopie sowie der fehlende Schluss der Aufzeichnungen lassen ebenso die Möglichkeit zu, dass sich darin auch Notizen über spätere Vorgänge befunden haben könnten, Teile des Urbars bzw. die Vorlage unserer Abschrift somit erst zu einem späteren Zeitpunkt niedergeschrieben oder doch ergänzt wurden. In dem vorliegenden Text sind die Abschnitte nach Urbar 47 bis zum unvollständigen Schluss mit Urbar 99 jedenfalls eingerahmt durch die Merseburger Urkunde, in der Bischof Friedrich II. 1271 den Verkauf der merseburgischen Besitzungen in Hamersleben an das dortige Stift bestätigte, und von einer Halberstädter Bischofsurkunde aus dem Jahre 1282 über Zehnt- und Hufenübertragungen an Hamersleben. Und das macht sehr deutlich, dass die Abschrift in Rep. Cop. Nr. 746a jedenfalls auf einer Vorlage beruht, die nach den Hamerslebener Käufen von Merseburg im Jahr 1271 angefertigt wurde. 30
LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 746 a, fol. 2()v, 23v, 25r (jeweils mit Datum Februar 1712); fol. 29r (1709). Mir scheint, dass diese Akzentuierungen darauf hinweisen, dass es sich hier wohl um die jeweiligen Originalurkunden gehandelt hat und nicht etwa um eine frühere Abschrift des Kopiars bzw. das heute verschollene Kopiar vom Anfang des 13. Jahrhunderts.
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Das Zitat und der Hinweis auf den Bezug von Urkunden und Urbar nach K u c h e n b u c h : Grundherrschaft (wie Anm. 3), S. 26, 190, 193: ähnlich l i i i n z : Probleme (wie Anm. 7), S. 63 ff. Das Zitat nach Ε. E. Stengel bei B ü n z : Probleme (wie Anm. 7), S. 61 f. UBHA 35 (a. 1202), auf die sich Urbar 45 und 98 beziehen.
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Wegen dieser Erwerbungen hätte das Stift übrigens einen typischen und auch logischen Anlass für eine grundsätzliche Bestandsaufnahme oder für eine Revision und Ergänzung alter Besitzaufzeichnungen gehabt. Es hatte sich durch die Zukäufe des großen merseburgischen Fundus in und um Hamersleben bzw. Wegersleben, den es in den unterschiedlichsten Rechtsformen erworben hatte, mit einer Summe von 853 Mark freibergisch verschuldet und war schon seit langem dabei, durch die Abstoßung von entferntem Streubesitz ein finanzielles Polster zu bilden, um die nun eingegangenen pekuniären Verpflichtungen zu refinanzieren 34 . Wenn diese „Fusion" sich als gewinnbringend herausstellen sollte, dann wäre also spätestens jetzt ein Besitzverzeichnis zu erstellen bzw. ein altes zu ergänzen gewesen3"'. Zu dieser Überlegung würde es auch gut passen, dass der damalige Redaktor des Urbars seiner Arbeit die oben erwähnten Bemerkungen des Magister Joannes Pictaviensis, Quid sit Privilegium, et linde dicatur, et quae Species einsvoranstellte. Sie enthalten kurze kirchenrechtliche Ausführungen und eine Belegsammlung vor allem päpstlicher Sentenzen zum Begriff und zur Entfremdung von Privilegien sowie zur Verletzung kirchlicher Vorschriften und dürften daher in den wiederkehrenden Auseinandersetzungen um die Besitzrechte als willkommenes juristisches Zitatenreservoir gegolten haben. Bei Magister Joannes Pictaviensis hat es sich mit einiger Sicherheit um den unter seinem geläufigeren Namen Petrus Pictaviensis wohl bekannten Pariser Regularkanoniker in St. Viktor gehandelt, dessen wissenschaftliche Herkunft allerdings in Poitiers lag. Darauf weisen sowohl sein Titel wie auch der Ortsbezug seines Namens hin. Petrus Pictaviensis führte jedoch als zweiten Namen den des Apostels Johannes, unter dem er im o.g. Text im Hamerslebener Kopiar erscheint, was seine Identifizierung erheblich erschwert 37 . Pe-
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UBIIA 60 und 62 Ca. 1271); vgl. unten S. 20 ff. B ü n z : Probleme (wie Anm. 7), S. 57 f., nennt eine Reihe von Anlässen, die zur Erstellung derartiger Verzeichnisse führen konnten: Ausstellung urkundlicher Besitzbestätigungen durch eine höhere Instanz, Reform eines Klosters, ein neuer Leiter, Forderung der Ordensleitung etc. LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 746a, fol. 19r. Für weiterführende Hinweise in dieser Frage danke ich Herrn Martin Ileinzelmann vom Deutschen Historischen Institut, Paris. In den herkömmlichen Fachlexika ist das Lemma Jean/Johannes überreichlich vertreten, einen Johannes Pictaviensis sucht man dort allerdings vergeblich. Genannt sei nur Roger A u b e r t (Hg.): Dictionnaire ddiistoire et de geographie ecclesiastiques. Paris 1997 ff., Bd. 26 und 27, wo das entsprechende Stichwort einen Umfang von 1198 Nummern zuzüglich einer ganzen Reihe von umnummerierten Einträgen in ca. 1250 Spalten aufweist. Nicht weiter hilft auch die Arbeit von Nikolaus Μ. II ä r i n g : Zur Geschichte der Schulen von Poitiers im 12. Jahrhundert, in: Archiv für Kulturgeschichte 17 (1965), S. 23-47, hier S. 30 und 46 f., der zwischen 1148 und 1158 einen Johannes, mag ister scholantm, in den Bischofsurkunden von Poitiers identifiziert, allerdings sehe ich keine Bezugsmöglichkeiten zu unserem Magister Joannes Pictaviensis. Etwas mehr Finderglück hat man erst durch den Rückgriff auf den groiäen Enzyklopädisten Johann Heinrich 7, e d 1 e r : Grosses vollständiges IJniversallexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 27. Leipzig und Halle 1711, Sp. 1031: „Peter Pictaviensis, mit dem Zunamen von St. Johann ...", der allerdings für diese Auskunft leider keine Quelle angibt.
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t r u s / J o h a n n e s starb n a c h 12l6iH. Die Stadt seiner w i s s e n s c h a f t l i c h e n A n f ä n g e galt mit i h r e n b e i d e n b e r ü h m t e n Stifts- b z w . K a t h e d r a l s c h u l e n n o c h bis ins 12. J a h r h u n d e r t h i n e i n als F r a n k r e i c h s „capitale intellectuelle", w u r d e d a n n a b e r v o m G l a n z d e r a u f s t r e b e n d e n Pariser Universität ü b e r s t r a h l t , „qui attire ä lui p r e s q u e e x c l u s i v e m e n t les p r i n c i p a u x m a i t r e s et le p l u s g r a n d n o m b r e d e s eleves", e b e n a u c h u n s e r e n Maitre P i e r r e d e Poitiers 31 · 1 . D e r Rückgriff auf d i e s e n Text zeigt jedenfalls, d a s s H a m e r s l e b e n o f f e n s i c h t l i c h V e r b i n d u n g e n zu b e d e u t e n d e n g e l e h r t e n Z e n t r e n s e i n e r Zeit b e s e s s e n hatte. Vielleicht ist d e r B e z u g auf d e n R e g u l a r k a n o n i k e r P e t r u s / J o h a n n e s Pictaviensis a u s d e m St. Viktor-Stift in Paris a u c h e i n w e i t e r e s I n d i z f ü r d i e N ä h e b z w . H e r k u n f t d e s g r o ß e n Viktoriners H u g o a u s H a m e r s l e b e n 4 l J . So w i r f t d e r Versuch, G e n a u e r e s z u r D a t i e r u n g u n d E n t s t e h u n g u n s e r e s s c h l i c h t e n U r b a r s s a g e n z u k ö n n e n , z w a r e i n k u r z e s Schlaglicht auf d e n i n t e l l e k t u e l l e n Hinterg r u n d d e s Stifts u n d zeigt, d a s s h i e r w e i t m e h r als n u r s c h l i c h t e S c h w e i n e s c h i n k e n u n d K ö r n e r z ä h l e r l e b t e n , in d e r e i g e n t l i c h e n S a c h e m ü s s e n w i r a b e r b e i d e r g r o b e n 38 39
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So Jean L o n g e r c (Hg.): Petrus Pictaviensis (Summa de confessione). Compilatio Praesens. Turnhout 1980, S. VIII (= Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis, 51). Zur Sache Robert Ε a ν r e a u : La ville de Poitiers ä la fin du moyen äge. IJne capitale regionale. Poitiers 1978 (= Memoires de la Societe des antiquaires de Touest, 4), S. 129-131. Beide „Schulen" brachten im 12. Jahrhundert bedeutende Magister hervor, etwa Gilbert de la Porree, Guillaume de Poitiers oder den Regularkanoniker von St. Viktor in Paris, Petrus von Poitiers (Petrus Pictaviensis). Hinsichtlich des nach Frankreich orientierten intellektuellen Milieus, in dem etwa die Skriptorien von Riechenberg, Lamspringe und auch Hamersleben arbeiteten, vgl. besonders Wolfgang Petke: Eine frühe Handschrift der „Glossa Ordinaria" und das Skriptorium des Augustiner-Chorherrenstiftes Riechenberg bei Goslar, in: Joachim D a h l h a u s (11g.): Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift für Hermann Jakobs. Köln 1995, S. 255-296. Für Bezüge von Hamersleben zu Lippoldsberg bzw. zu Hugo von St. Viktor/Paris: P e t e r s : Augustinerchorherrenstift (wie Anm. 2), S. 42 ff. (dort Anm. 158, 183) sowie derselbe, Bemerkungen (wie Anm. 2), S. 201 (dort Anm. 8 und 9) mit entsprechender Literatur. Neuerdings Joachim E h l e r s : Heinrich der Löwe. Eine Biographie. München 2008, S. 278 ff., besonders S. 281: auch Dominique Ρ o i r e l : Hugo Saxo. Les origines germaniques de la pensee d'IIugues de Saint-Victor, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 33,1 (2006), S. 163174, der die Herkunft des Viktoriners in der Familie der Blankenburger Grafen verortet mit naher Verwandtschaft zu Bischof Reinhard von Halberstadt (S. 168). Hugo habe bereits seine Ausbildung in Deutschland erhalten (S. 172 f.). Zur Verbindung der Skriptorien von Lamspringe und Hamersleben vgl. llelmar H ä r t e l : Lamspringe. Ein mittelalterliches Skriptorium in einem Benediktinerinnen-Kloster, in: Nathalie K r u p p a und Jürgen W i l k e (Hg.): Kloster und Bildung im Mittelalter. Göttingen 2006, S. 115-153, hier S. 119 ff., S. 127 ff. (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 218). Die bereits traditionellen Bindungen des sächsischen Raumes seit dem früheren Mittelalter nach Frankreich stellt besonders heraus Hedwig R ö c k e l e i n : Eliten markieren den sächsischen Raum als christlichen: Bremen, Halberstadt und Herford (8.-11. Jahrhundert). Les elites et leurs espaces: mobilite, rayonnement, domination (VIe-XIe s.). Colloque internationale, Göttingen, 3-5 mars 2005, S. 1-12, hier S. 8, 11 (http://lamop.univ-parisl.fr/W3/espaces/). Zum Bildungshintergrund auch Hartmut H o f f m a n n : Die Schulbücher von Hamersleben, in: d e r s . : Handschriftenfunde. Hannover 1997, S. 51-60 (= MGH. Studien und Texte, 18). Ergänzend LIdo K ü h n e : Zum 1 lamerslebener Schulbücher-Verzeichnis, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 53 (1997), S. 563-566.
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Aussage bleiben: entstanden im 13. Jahrhundert. Das geschah allerdings in mehreren Phasen, wobei die ersten Aufzeichnungen, z.B. um Urbar 5 hemm, noch in einer Zeit niedergeschrieben wurden, in der Zeugen der Gewalttat des Pfalzgrafen Friedrich II. von Sommerschenburg ( j vor 1162) an dem Wegerslebener Hörigen Eilard vorhanden waren, während andere große Partien von Urbar 48 bis zum Abbruch unserer Vorlage bei Urbar 99 im Zusammenhang mit den Erwerbungen von Merseburg 1271 korrigiert oder ergänzt worden sein dürften 41 . Wenn auch die vorliegenden Aufzeichnungen sich im wesentlichen auf den Urkundenbestand stützten, gibt es doch manche Hinweise darauf, dass mündliche Überlieferungen, z.B. das o.g. Zeugenwissen, oder auch alte, nicht mehr überlieferte Aufzeichnungen benutzt wurden, um den Hamerslebener Güterfundus zu überblikken und zu sichern. Das dürfte bereits bei der Abfassung der Stiftungsurkunde von Thietburg und Mathilde im Jahre 1112 der Fall gewesen sein, die als Basis aller Erwerbungen in unserem Kopiar erscheint 42 . Hier wurden in 50 verschiedenen Orten, die zu vier unterschiedlichen Grafschaften gehörten, 337,5 Hufen und 29 Morgen Land an das Stift übertragen. Schon weil dieser umfangreiche Besitzwechsel einen erheblichen Eingriff in das Lebens- und Wirtschaftsgefüge der betroffenen Personenverbände bedeutete 4 3 , hinter denen sich ja eine große Zahl von Menschen unterschiedlichsten sozialen Ranges verbarg, vom unbedeutendsten Hörigen mit seiner eigenen Familie über die Stiftsherren und -damen bis zum pfalzgräflichen Familienmitglied, das in die sächsischen Auseinandersetzungen mit Kaiser Heinrich V. verwickelt war 4 4 , musste die Güterübertragung auf verlässlicher Grundlage geschehen, wenn sie nicht ständig angefochten werden sollte. Und deshalb werden gewiss in dieser Phase bereits schriftliche Besitzaufzeichnungen vorhanden gewesen oder zum Zweck der Fixierung dieser Stiftung angefertigt oder ergänzt worden sein, damit sie in der bischöflichen Übertragungsurkunde verankert werden konnten. Die Vorarbeiten für eine Sammlung oder Erstellung von derartigen Traditionsnotizen hätten z.B. in der mindestens einjährigen Osterwiecker Vorlaufphase durch die dortigen Kanoniker bereits stattgefunden haben können 45 . Da außerdem mit Thietburg, Mathilde, Widu11 42 13
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Vgl. den schematischen Liberblick Anhang 1: Übersicht zur Entwicklung der Urbarvorlage bis 1709/1712. LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 746a, fol. 21 (= LJBHA 2, a. 1112). Auf diesen wichtigen Hintergrund weist für das südwestdeutsche Gebiet hin Stefan Weinfurter: Ilerrschaftsbildung in stauhscher Zeit mit Blick auf den unteren Neckar, in: Ilansmartin S c h w a r ζ m a i c r u.a. (Hg.): Das Land am mittleren Neckar zwischen Baden und Württemberg. Ostfildern 2005, S. 95-109, hier S. 96 f. (= Oberrheinische Studien, 21). Zum walbeckisch-bottendorfischen Eamilienhintergrund der beiden Stifterinnen und zum weiteren Kontext vgl. P e t e r s : Augustinerchorherrenstift (wie Anm. 2), S. 12 ff., 43 f. Hans P a t z e : Klostergründung und Klosterchronik, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 113 (1977), S. 89-121, hier S. 93, zeigt, dass sich Gründungsvorgänge „länger" hinzogen. Das dürfte bei den umfangreichen Besitzübertagungen an Hamersleben nur zu verständlich g e w e s e n sein. Auf das wahrscheinliche Vorhandensein älterer Aufzeichnungen bei der Zusammenstellung aktuellerer Güterverzeichnisse weisen z.B. hin B ü n z : Probleme (wie Anm. 7), S. 62 und F c η s k c / S c h w a r ζ : Lehnsverzeichnis (wie Anm. 10), S. 24, 30, 87.
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kind, wahrscheinlich auch mit dem ersten Propst Thietmar die Schenkerinnen und deren Verwandte selbst im Stift lebten oder ihm eng verbunden waren, dürfte deren ständiger prüfender Blick auf die umfänglichen Landübertragungen eigentlich für weitere Besitz- und Einkünftesicherheit gesorgt haben, jedenfalls zu ihren Lebzeiten. Wenden wir uns abschließend einem zusätzlichen, allerdings späteren Hilfsmittel der H a m e r s l e b e n e r G ü t e r v e r w a l t u n g zu, d e m sog. Registrum tum ciragraphorum Necnon
(!) ac certarum
privilegiorum
tyris ordinis
cauonicorum
et aHarum
litte ramm diversarum
regularium
decimarum rerum
in Hamersleve
abbreviatum reddituum
Monasterii
sive
et
sanctipancratii
Halberstadensis
exeip-
proventuum. Diocesis*(\
marEs
handelt sich dabei um ein im Wesentlichen in alphabetischer Reihenfolge geordnetes Verzeichnis der Orte, in denen Stiftsbesitzungen vorhanden waren. Darin sind einesteils regestenartige Verweise mit einer entsprechenden Signatur auf die im Stiftsarchiv dazu vorhandenen Urkunden enthalten, außerdem aber auch Hinweise auf das entsprechende Folium in einem Kopiar, von dem am Beginn und am Ende des Registers ausdrücklich festgehalten wird, dass es sich apudprocuratorem47 befinde. Vergleicht man die Registereinträge mit den Einträgen, die in unserem Urbar stehen, dann ist eine in großen Teilen bemerkenswerte inhaltliche Übereinstimmung festzustellen, nämlich immer dann, wenn es um den frühen Besitzerwerb aus dem 12. Jahrhundert geht 4 8 . Das ist deshalb nicht verwunderlich, weil sowohl der Schreiber des Registrums, wie er immer wieder betonte, aber auch offensichtlich unser früher Urbarredaktor sich auf die Originalurkunden und auf das o.g. Kopiar stützen konnten. Andererseits erscheinen eine ganze Reihe von Orten, in denen im 12. Jahrhundert Besitz vorhanden war, zwar im Registrum mit der ursprünglichen Urkunden- und Kopiarfundstelle, jedoch nicht mehr im Urbar, eben weil sie dem Stift bei dessen Abfassung nicht mehr zur Verfügung standen 49 . Der Urbarschreiber wies auch in manchen Fällen auf Gütertausch, Besitzwechsel oder Verluste hin, er bemühte sich also ganz offensichtlich um Aktualität 59 , die im grundherrschaftlichen Alltag nötig war, während
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LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 746, fol. 3r-10v LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 746, fol. 3r und 10v: Copie (intern iittercirum autiquarum babeutur in quodam alio registro apudprocuratorem existente. LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 746. Man vergleiche die folgenden Beispiele. Wecierstede et Gatersieve 3 mansi. Uli clati sunt in concambium pro 4 mansis in Rodenvorde ... (fol. 1 Ov mit Urbar 11); Brandesslere 2 mansi... (fol. Ir mit Urbar 59 und 60); Bekendoip vinea cum 1 inanso etsilra cum 2 iitgeribus ... (fol. ir mit Urbar 25); Daiheym una mansio VCi) iugera et lums panstal... (fol. 4v mit Urbar 81). Vgl. u.a. die beiden Abbildungen aus dem Anhang 5 ): Registrum. Zum bis Anfang des 13. Jahrhunderts aufgegebenen Besitz s. die Tabelle Hamerslebener Streubesitz, unten S. 18 f. So etwa auf die gewaltsame Entfremdung einer Hufe durch einen gewissen Wichard: per eum fratris oblationem rioienter irritavit ( Urbar 8) oder auf den Verlust zweier Hufen in Remlingen (bei Wolfenbüttel), quos non habet ecciesia (Urbar 11). Ebenso auf Tausch: Concambium factum est inter nos et Ilseiiburgenses (Urbar 3). Im Urbar 55 und 56 werden z.B. auch die Abmachungen, die zwischen dem 1 lalberstädter Domkapitel und dem 1 lamerslebener Stift getroffen wurden wegen der Rechte, die beide Kirchen an den jeweiligen Hörigen hatten, ausgeführt, die andererseits im Regist nun nur knapp - allerdings mit dem Hinweis
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das Registrum mit archivarischer Genauigkeit anhand der Urkunden die einstmals vorhandenen Besitzungen nur als solche registrierte. Abschließend können wir also feststellen, dass auch die Vorlage unserer Urbarabschrift aus dem 18. Jahrhundert sich ebenso wie das Registrum direkt auf die frühen Urkunden bzw. das Kopiar stützen konnte, das sich beim Hamerslebener Prokurator noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts befand 51 . So verfeinerten sich offenbar in langen Jahren grundherrschaftlicher Praxis die Methoden, um einen einigermaßen sicheren Blick auf Besitz und laufende Einkünfte zu erlangen: Von der ersten Aufzeichnung des Güterbesitzes der Stifterinnen Thietburg und Mathilde, die sich in der Stiftungsurkunde von 1112 manifestierte, zu päpstlichen, bischöflichen und kaiserlichen Bestätigungsurkunden im 12. Jahrhundert, die sich auf diesen Vorgänger bezogen, dann zu urbariellen Aufzeichnungen seit etwa dem Beginn des 13- Jahrhunderts, mit ständigen Ergänzungen dieser Notizen vor allem wegen großer Zuerwerbungen wie die des Merseburger Fundus im Jahre 127P 2 . Die Urkunden bildeten bei alledem jeweils die Beweisbasis, aber für den praktischen und täglichen Gebrauch wurde auf Urbar- und Kopiarabschriften zurückgegriffen, die man wiederum registerartig erschloss, um ohne umständliches Suchen den großen Besitzfundus fester im Blick zu behalten. Wir dürfen also kein fertiges „Ur"-Urbar erwarten, das es zu finden gäbe, sondern im Laufe der Zeiten und in ständigem Gebrauch wurde das Besitzverzeichnis immer wieder korrigiert und ergänzt, und diese Bearbeitungen fanden ihren Niederschlag in den späteren Abschriften5-^. Der Vergleich des Registrum mit dem Urbar zeigt uns schließlich, dass der dort aufgezeichnete Besitz den Zustand um 1202 offensichtlich so gut wie vollständig dokumentierte. Allerdings fehlen dennoch ehemals vorhandene Eintragungen, wie der späte Kopist aus dem 18. Jahrhundert mehrmals angab. Hierbei scheint es sich um solche zu handeln, die zeitgebundene Auswertungen enthielten, etwa erwirtschaftete Mengen bzw. Einkünfte, die selbstverständlich im Laufe der Jahre veränderlich waren und späteren Schreibern und
51
52 53
auf die Fundstelle mit deren genauerem Inhalt - angedeutet werden: Item servitium et iusticiam litomim. Neciioii iusticiam inter Hamerslei'ensem et Haiberstadensem ecciesias fo. 41 ... (LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 716, fol. 7r); Urbar 56: Iusticia inter nos et Haiberstadensem ecciesiam .... Anhand der in dem Registrum benannten Stiftsurkunden lässt es sich auch datieren, denn die späteste Urkunde, auf die verwiesen wird, stammt aus dem Jahre 1113 (LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 716, fol. 8r, entspricht IJBI1A 96, a. 1113). Der nächstfolgende Themenkomplex beginnt 1505: Inceptum anno clomini MCCCCCV. Sequitur de decimis ... (LHASA, MD, Rep. Cop. Nr. 716, fol. l l r ) . Die Schrift weist ebenfalls in das 15. Jahrhundert. Auch die Funktion eines „Prokurators" wurde in I lamersleben zum ersten Mal nach der Reform des Stifts in den Jahren 1458/59 sichtbar (U15HA 117, a. 1458; 118, ca. 1459). Vgl. die folgenden Urkundenbeispiele: UBIIA 2, a. 1112; 3, a. 1116; 21, a. 1178; 21, a. 1181; 60-62, a. 1271. Diese „Instabilität" der allermeisten Urbaraufzeichnungen hebt sehr deutlich hervor Ludolf K u c h e n b u c h : Rund ums Jubiläum: 1100 Jahre Prümer Urbar von 893, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 61 (1997), S. 287-297, hier S. 291 f., insbesondere unter Verweis auf die Forschungen von Yoshiki Morimoto zu Prüm.
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Verwaltern deshalb wohl als nicht unbedingt überlieferungswürdig galten, was wir Heutigen nur bedauern können.
3- Die Entwicklung
des Güterbesitzes
bis ca.
1300
Schaut man sich die Entwicklung des Stiftsbesitzes bis zum Einschnitt des Jahres 1271 an, so wird man drei Hauptphasen erkennen können. Am Anfang lag die Initiative Bischof Reinhards von Halberstadt, der 1108 in Osteiwieck den dortigen Brüdern, in eodem loco cleo militantes sub regula sancti: AugustinP4, eine Reihe von Gütern überließ. Diese stammten zum Teil aus dem Eigentum einer clomina Gerburga, waren derzeit verlehnt an den Propst Gerhard und sollten nach dessen Tod dem Halberstädter Dom zufallen. Hinzu kamen der Zehnt des Herrenhofes in Osterwieck und der dortige Teich, die Reinhard cum consensu et consilio cleri etpopuli übertrug. Es handelte sich demnach wohl ebenfalls um Dombesitz. Die anderen Übertragungen scheinen Reinhards eigene Güter gewesen zu sein: eine Mühle in und einen Wald bei Osterwieck sowie Besitz und Nutzbarkeiten in Ottleben in vorerst ungenannter Größe: bona, que habemus in villa Otenleva, cum mancipiis utriusque sexus, cum ciecima eiusdem villae et cum omni utillitate, que indeprovenirepotest^. Das zukünftige Regularkanonikerstift hatte also bisher eine relativ schmale Ausstattung mit zwei voneinander weit entfernten Schwerpunkten erhalten: Osterwieck/Langeln im nördlichen Vorharzgebiet und Ottleben jenseits des Großen Braches an dessen östlichem Rand 50 . Das sollte sich schlagartig und grundsätzlich mit Beginn der zweiten Phase ändern durch die Zustiftungen der beiden Damen Thietburg und Mathilde aus dem Walbeckisch-Bottendorfer Familienkreis, die dem nun nach Hamersleben übergesiedelten 54 55
56
UBHA 1 (a. 1108); zu Reinhard, den weiteren Stiftern und /um Gesamtzusanimenhang s. P e t e r s : Augustinerchorherrenstift (wie Anm. 2), S. 7, 12 ff. IJBI1A 2 (a. 1112) weist allerdings vier Jahre später ihren beträchtlichen Umfang mit 28,5 Hufen und weiteren Rechten aus. Dass geistliche Eunktionsträger ihren eigenen Besitz in ihre Stiftungen bzw. Bistümer einbrachten, war nicht nur eine fromme Tat des jeweiligen Stifters, für die man sich die Memoria der späteren Nutznießer erwarten durfte, sondern oft sogar eine Art „simonistischer" Vorbedingung für einen Amtserwerb. Dies ist im 11. Jahrhundert mit bedeutenden Beispielen zu belegen, z.B. mit Thietmar von Merseburg, der seinem Bistum große 'teile seines allodialen Besitzes, z.T. in der Itamerslebener Gegend, überließ und wohl u.a. auch deshalb Bischof wurde. Zur Sache Rudolf S c h i e f f e r: Geistliches Amt und schnöder Mammon. Zur Bewertung der Simonie im hohen Mittelalter, in: Jürgen P e t e r s o h n (11g.): Mediaevalia Augiensia. Forschungen zur Geschichte des Mittelalters. Stuttgart 2001, S. 360-371, S. 362 ff. (= Vorträge und Forschungen, 51) sowie P e t e r s : Augustinerchorherrenstift (wie Anm. 2), S. 19 f. - Zu Stifterwillen und Stiftungswirklichkeit vgl. die wegweisenden Arbeiten von Michael Β ο r g ο 11 e und seinen Schülern. Zusammenfassend dessen Artikel „Stiftungen", in: Theologische Realenzyklopädie 32. Berlin 2001, S. 167 ff. mit weiterer Literatur. - Zur Walbecker Erbschaft s. "Werner T r i l l m i c h (Hg.): Thietmar von Merseburg. Chronik. Darmstadt 2002, VI, 10, I i , S. 292 (= l'reiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, 9 ) . " Zum Güterbesitz 1108/1112 vgl. die Karte im Anhang.
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Stift 1112 umfangreichen Güterbesitz überschrieben 5 7 , dessen Schwerpunkte einerseits um Hamersleben, Wegersleben, Warsleben, also dicht beim schon vorhandenen Fundus in Ottleben lagen, dazu einen großen Komplex in der Gegend östlich Wolfenbüttel bei Ahlum, die andererseits aber auch bedeutende Besitzungen nahe dem Lappwald, bis weit in die Altmark hinein und südwestlich von Salzwedel umfassten. Trotz des Kerns in der Hamerslebener Gegend waren sie jedoch in einem nicht unbeträchtlichen Umfang Streubesitz, was z.T. auch für die Übertragungen im Raum östlich von Wolfenbüttel galt. Alles in allem hatten sich die Schwerpunkte aber deutlich von jenseits des Großen Bruches verlagert und konzentriert auf den Hamerslebener Umkreis. Daraus sollte sich die zukünftige Handlungsstrategie der neuen geistlichen Grundherren aus Hamersleben ergeben, die von ihnen dann mit großer Konsequenz verfolgt wurde: Der Besitz war zu festigen und zu arrondieren, weil er sonst nur umständlich zu bewirtschaften und zu kontrollieren gewesen wäre. Immerhin beträgt z.B. die Entfernung vom Stift bis in die Altmark ca. 90 km Luftlinie. Diese Tendenz der Abrundung und Sicherung lässt sich bereits im 12. Jahrhundert in einer Reihe von Fällen durchaus beobachten und geht etwa bis in die letzten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts, in denen nach der endgültigen Niederlage Heinrichs des Löwen und dem Ende der damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen auch für das Stift eine Beruhigung eintrat. Mit Beginn der dritten Phase etwa seit 1200, in der die Urbaraufzeichnungen begannen, waren die wesentlichen Besitzungen des Stifts bereits erworben und konsolidiert, trotz einiger neuer Ergänzungs- und Tauschgeschäfte bzw. Zustiftungen durch eintretende Konventualen. Einen ganz wichtigen Einschnitt stellte sodann der Zeitraum um 1271 dar, als bereits große Teile des übrigen entfernten Streubesitzes verkauft worden waren, um die beträchtlichen Zukäufe der Merseburger Villikationen in Hamersleben und Wegersleben zu finanzieren. Als der Autor unseres Urbars rückblickend eine Art von Programm für den Gütererwerb formulierte, schrieb er: „Im Folgenden wird dargestellt, ... welche Güter der Kirche hier eingetauscht oder durch Tausch übertragen oder welche von w e m und für w e n eingebracht bzw. welche von uns oder von anderen durch Kauf erworben worden sind" 5 8 . Wie dies in die Tat umgesetzt werden konnte, soll jetzt in einigen Fällen überprüft werden. Dazu bietet sich u.a. der Umgang mit dem Besitz in Waddekath nahe dem heutigen Wittingen in der östlichen Lüneburger Heide an. Die dort von Mathilde übertragenen Güter hatten 1112 einen Umfang von 10 Hufen 5 9 , lagen allerdings in gerader Linie etwa 80 km von Hamersleben entfernt und dann auch noch trans miricam, also
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U15HA 2 (a. 1112): 337,5 Hufen, 29 Morgen in 50 Ortschaften. LllASA, MI), Rep. Cop. Nr. 716a, fol. 25r C = Urbar i): In sequentibus exponitur, ... quae praedia ecclesiae hie commutata vel concambio transmutata vet quae a quibus et pro quibus oblata vel quae a nostris mit ab atiis emptione comparata sunt. Die folgend genannten Beispiele könnten leicht mit weiteren Belegen ergänzt werden. Zum Vorgang in Waddekath bzw. Schianstedt: UBIIA 2 Ca. 1112); 21 Ca. 1178); 30 Ca. 1197); 31 (ca. 1197); Urbar 44 und 92.
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„jenseits der Heide", was wohl ihre Erreichbarkeit zusätzlich erschwerte. Vor 1178 scheint bereits die Hälfte dieser Güter abgestoßen worden zu sein, denn in der großen Bestätigungsurkunde Bischof Ulrichs ist nur noch von fünf Mansen die Rede, und diese wurden mit einer dazugehörigen Wiese unter Propst Hermann 1197 eingetauscht gegen eine Hufe cum fundo sito in Schianstedt. Zwar hatte man sich dadurch der Sorgen um diese weit entfernten Ländereien entledigt, aber der Tausch war - numerisch betrachtet - auch mit einem Wertverlust verbunden. Die fünf Waddekather Mansen einschließlich der Wiese mit einem jährlichen Zinsertrag von 12 Salzwedeler Schillingen wurden gegen nur eine Hufe eingetauscht, die man zwar cum area et advocatia et omni iure erwarb, aber unter ziemlich komplizierten lehnsrechtlichen Bedingungen. Das scheint wegen der relativen Nähe und besseren Erreichbarkeit Schönstedts 0 0 , aber auch wegen der höheren Güte des dortigen Bördebodens gegenüber der des abgegebenen Heidelandes dennoch ein sinnvoller Tausch gewesen zu sein, w e n n auch die mit dieser einen Hufe verbundenen Zinserträge in Höhe von einer halben Mark Silber deutlich geringer waren als die der fünf in Waddekath. Andererseits wogen aber für die Hamerslebener „Betriebswirte" Erreichbarkeit, Bodengüte und der bei einer Hufe wesentlich geringere Arbeitseinsatz offensichtlich dieses Manko auf 0 1 . Auch der Austausch der Güter in Wichenrode (wüst bei Osterwieck) und Hodal (wüst bei Papstdorf, südlich Großes Bruch) zugunsten von Hufenbesitz in Ottleben ist in seinen Einzelheiten charakteristisch für die bisweilen widrigen Umstände, mit denen Hamersleben beim Erwerb, der Erhaltung und der Arrondierung seines umfänglichen, aber z.T. weit gestreuten Güterbesitzes umzugehen hatte 02 . Die Regularkanoniker stießen hier in den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts ihre von Bischof Reinhard übertragenen Osterwiecker Besitzungen im entfernten Vorharzgebiet an Kloster Ilsenburg ab und erhielten dafür von diesem drei Hufen im direkt benachbarten Ottleben. Die Ilsenburger verlangten aber noch eine weitere Manse, nämlich in Wichenrode, die wiederum von einem Hamerslebener Konversen eingebracht wurde, an der letztlich auch die Hufe in Hodal hing. Der etwas verwirrende Tausch stieß aber offenbar nicht auf die Zustimmung der Erben bzw. Miteigentümer des frommen Schenkers frater Frichericus, denn diese stellten Geld- und lehnsrecht60
61
62
Bischof Rudolf I. von Halberstadt hatte die Verbindung von seiner Cathedra zur Hamerslebener Gegend nördlich des Grofäcn Bruchs durch Baumaßnahmen erkennbar intensiviert, wie sie sich in der Errichtung der Kirchen in Wegersleben und Gunsleben (IJBIIA 6, a. 1110; 7, a. 1111), der Fertigstellung der Stiftskirche in Hamersleben sowie der Wiederherstellung des Übergangs über das Bruch nördlich Schianstedt zeigte, so dass der Pöhlder Annalist in der Rückschau auf Rudolfs Wirken sagen konnte: Via trans pahidem pene depravata erat, cuius insistens meliorationi, circa manentes ad hoc opus incitavit. Georg Heinrich Ρ e rt ζ : Annales Palidenses. Hannover 1859, S. 84 (= MG Η SS XVI). Vgl. dazu auch P e t e r s : Bemerkungen (wie Anm. 2), S. 207 f. Die o.g. Relation ergibt sich aus I l a u p t m e y e r : Niedersächsische Wirtschafts- und Sozialgeschichte (wie Anm. 6), S. 1188, dort Anm. 61, der folgende Ausmünzungen nennt: „eine Mark zu 231 g wurde in Lübeck als 16 Schillinge, ... in Westfalen als 12 Schillinge und in Braunschweig als 20 Schillinge gerechnet." Vgl. Urbar 3, 42 bzw. UBHA 11 ( ca. 1149); 21 (a. 1178).
18
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liehe Forderungen, so dass schließlich Bischof Rudolf von Halberstadt mit seinem eigenen Geld u.a. diese Hufen mit „50 Pfund" für Hamersleben zurückkaufte 6 ^. Dadurch konnte der Gütertausch dann vollzogen werden. Vergleicht man die am Anfang des 13- Jahrhunderts begonnenen urbariellen Aufzeichnungen mit den Besitzungen, die in den Stiftungs- und Bestätigungsurkunden von 1112 bzw. 1178 niedergelegt worden waren, dann erkennt man, dass bis zu diesem Zeitpunkt in einer ganzen Reihe von Orten früherer Besitz entweder verkleinert bzw. abgestoßen, vielleicht aber auch schlicht „entfremdet" wurde. Auf derlei Güter findet sich im Urbar im Anschluss an die Ausführungen des Magisters Johannes von Portiers bereits ein Hinweis 64 , und wie die vielen Leerstellen in der folgenden Tabelle andeuten, war die Anzahl der Besitzveränderungen nicht unerheblich, wenn sie wohl auch in den meisten Fällen rechtmäßig zustande kamen. Deutlich genug wird allerdings, dass die immer wieder anzutreffenden Schutz- und Poenformeln mit ihren Bann- und Strafandrohungen, die sich auch in den Hamerslebener Urkunden sehr häufig finden lassen, nicht nur rhetorisches Beiwerk, sondern notwendige Mahnungen, gerichtet an die robuste und offensichtlich trickreiche ostsächsische Adelswelt, waren6"1, jedoch ohne verlässliche Wirkung in der dortigen Realität. Abstoßung des Hamerslebener Oit Ahlum (ö. Wittingen), Eiern Andorf (w. Salzwedel), Annenthotph Ardoip ? Atzum (nö. Wolfenbüttel), Etbleveshem Ballesto)p ?
Streubesitzes bis 1202 1112 7 m. 1 m.
1178 /
1202 Urbar /
1 m.
1 m.
4 m. 8 iu.
/ 4 m. 8 iu.
1 m.
1 m.
Bartensieben (ö. Helmstedt)
2 m.
2 m.
Bonesdorp ? Bntcdorp ? Diesdorf (sw. Salzwedel), Distoip Dodendorf, Dntendoip ( | n. Seehausen)
2 m.
2 m.
/ / / / / /
1 m.
„per totum' / 5 m. 1 m.
7 m. 1 m.
5 m.
/
63 UBHA 11 (ca. 1149): Ego Rudolphits ... memorials esse roleus, qnod Hamersievense monasterium cum suis possessionibus ab iniusta quorundam postuiatione partim pecunia, partim beneficio de redditibus meis assumpto redemerim. 64 65
Vgl. oben bei Anm. 19. Bereits in der ersten Urkunde Bischof Reinhards für das Stift (UB1IA 1, a. 1108) drohte dieser
demjenigen, der hec predict ...collata occassione, arte vei ctliquo malo ingenio aitferre ... temptciverit, den immerwährenden Kirchenbann und die Gefahr der ewigen Verdammnis an. Auch die Urkunden IJB11A 2, a. 1112 und 3, a. 1116 sprechen vergleichbare Mahnungen aus, die offenbar wenig fruchteten, denn als z.B. Bischof Rudolf 1. von llalberstadt 1119 dem Stift verlustig gegangene Besitzungen zurückkaufte, tat er dies aufgrund iuinsta quorundam postuiatione. und er drohte erneut mit Bann und Ausschluss aus der Gemeinschaft der Kirche (IJB11A 11). Zum Hamerslebener Hintergrund in dieser Hinsicht vgl. Ρ e t e r s : Augustinerchorherrenstift (wie Anm. 2), S. 43 f. (mit Anm. 163, 164).
GRIJNDIIERRSCIIAET EINES OSTSÄC1ISISCIIEN REG IJ LARKAN ON IKERSTIETS Ort
19
1112
1178
1202 Urb a t
ί m.
/
/
5 m. 1 m.
5 m. 1. m.
/
Heise (bei Fimersleben, sw. Haldensleben), Heisiii
2 m.
llillersleben (sö. Haldensleben)
1 m.
/ 1 m.
4 m.
2 m.
/ 2 m.
3,5 m.
/ 1 m.
/ 1 m.
1,5 m.
/
/ 1 m. 3 iu.
/
9 m. 8 m.
9 m.
/
/
/
9 m. 10 m.
7 m.
7 m.
Durnidoip
?
Fahrendorf ( sw. Sal/.wedel), Glüsig (s. Haldensleben),
Varendorb
Glusinge
Hohenböddenstedt (sw. Salzwedel),
Biitenstedi
Langeln (s. Osterwieck) Langenbeck (ö. Wittingen),
Langenbesci
Rottmersleben ('s. Haldensleben), Schäpingen (w. Salzwedel),
Ratmersleve
Scepingen
Stenbere ? Tadesdoip
5 m. 1 m. ί m. 1 m. 3 iu.
(f bei Groppendorf/IIakenstedt)
Thotesbutli ? Tylsen (sw. Salzwedel), Dllsili Waddekath (ö. Wittingen),
Watencoten
5 m. /
/
2 m.
5 m. 2 m.
/
West rem ("f nö. Wolfenbüttel) Wicbendoip
2 m.
2 m.
/
(t sw. Haldensleben)
/
Wistedt (sw. Salzwedel), Villinisteti
„per totunr 10 m.
/
Wreninge (f nö. Walbeck)
1 m.
1 m.
/
8 m.
/
/
Wundsbüttel (| sw. Diesdorf),
Winebutli
f wüst; ? Lage unbekannt Identifikation der Orte mit Hilfe der regionalen Urkundenbücher bzw. mit Z ö l l n e r (wie Anm. 7, S. 51 ff.) sowie Hermann K l e i n a u : Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, Bde. 1-3. Hildesheim 1967/68 . Bei den Getreideabgaben handelte es um drei Sorten: um Sommerweizen (triticum), Winterweizen (siligo) und Hafer (avena). Gerste wurde nur einmal im Zusammenhang mit der Möglichkeit für die Ahlumer Liten genannt, die sich selbst ein „Getränk" bereiten sollten. Offensichtlich fehlten Roggen, auch Dinkel und Hirse, die sich mit anspruchsloseren Böden zufriedengeben 224 . Dies war in dem engeren Hamerslebener Besitzumfeld, in einem typischen Teil der Magdeburger Börde liegend, nicht der Fall, so dass im Urbar und auch sonst nur die genannten Getreidesorten erwähnt wurden. Wir konnten bereits feststellen, dass die entsprechenden Abgabeleistungen der Liten durchaus unterschiedlich hoch waren. Manchmal durfte gewählt 220 Urbar 89. Mit dem „großen" Scheffel dürfte der Helmstedter, mit dem „anderen" der Hamerslebener gemeint worden sein. 221 Die bekannten Schwierigkeiten im Begriffsumfeld „Messen und Wiegen" werden auch deutlich bei einem Blick in Fritz V e r d e n h a l v e n : Alte Maiä- und Währungssysteme aus dem deutschen Sprachgebiet. Neustadt/Aisch 1998 mit Beispielen u.a. aus der Braunschweiger, Hildesheimer, Hannoveraner Gegend, S. 72. Das Verhältnis Malter/Scheffel wird hier, allerdings für das 18. Jahrhundert, mit ungefähr 1 : 3 angegeben. 222 Vgl. die o.g. Stellen Urbar 54, 89 sowie 16: Um das Maltratum abzuholen, erschien der Ott-
lebener pmeco, misso de domicilii piaustro certum modium praecone afferente .... Ähnlich geschah es in Hamersleben (Lirbar 38). 223 Dazu Ludolf Κ u c h e n b u c h : Vom Dienst zum Zins? Bemerkungen über agrarische Transformationen in Europa vom späteren 11. zum beginnenden I i. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziogie 51 (2003), S. 11-29, hier S. 19. 224 Zu den üblichen mittelalterlichen Nutzpflanzen des Ackers vgl. überblickend H e n n i n g : Deutsche Agrargeschichte (wie Aniii. 110), S. 93-96. Henning meint allerdings, auch auf den Bördeböden sei „eigenartigerweise" nur wenig Weizen angebaut worden. Für Hamersleben traf das offensichtlich nicht zu. - Die gebräuchlichen Wörterbücher, etwa Pons, Heinichen, Georges, weisen siiigo, -inis und dessen Ableitungen als „feines Weizenmehl" bzw. „sehr hellen Winterweizen" o.ä. aus. Niermeier gibt jedoch die Bedeutung „Roggen". Ich plädiere aufgrund der dortigen Bodengüte für (Winter-)weizen.
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werden, ob Sommer- oder Winterweizen abzugeben war. Entschied sich der Lite für Winterweizen, dann erhöhte sich die Abgabemenge deutlich, was auch der höheren Ertragsfähigkeit dieser Getreidealt entsprach 2 2 5 . Die Ottlebener Mansenbesitzer hatten vergleichsweise hohe Getreideabgaben zu liefern, denn hier musste jeder Lite, auch wenn er nicht zur stiftischen Familia gehörte, noch weitere Scheffel Weizen und Hafer als Zehnt abgeben 2 2 6 . Das Ahlumer dominicalium schien ganz auf Hafer spezialisiert zu sein. Über die verlangten drei Scheffel Winterweizen hinaus gab jeder Hörige als sogenanntes braciam nur Hafer ab, immerhin die erwähnten 195 Scheffel, die ausdrücklich als „Pferdefutter" bezeichnet wurden. Dieser Abgabeschwerpunkt war umso nötiger, als man um 1200 auf den zum Stift gehörenden Haupthöfen, aber auch bei deren Liten wahrscheinlich nur noch mit Pferden arbeitete, jedenfalls wurden keine anderen Zugtiere genannt. Das ist erstaunlich, denn seit dem 11. Jahrhundert waren die Vorteile einer Pferdebespannung in der Landwirtschaft zwar durchaus bekannt, der wirkliche Wandlungsprozess vom Ochsen- zum Pferdegespann soll aber erst im späten Mittelalter eingesetzt haben 2 2 7 . Auch das scheint in der stiftischen Umgebung anders gewesen zu sein. Als Zugtiere für Lastwagen, bei Holzfahrten und auch für das Pflügen wurden immer nur Pferde erwähnt. So gab es Streit wegen einer in Ottleben gelegenen Pferdeweide. Außerdem bestand die Vorschrift, dass die vier abwechselnd zum Pflügen der Felder des Herrenhofes eingesetzten Pferde zwar auf der gemeinsamen Wiese in der Frühstückspause weiden durften, allerdings nur mit gefesselten Beinen. Sie wurden übrigens in das Kummet geschirrt 2 2 8 . Ebenfalls als Schutz gegen das Zerstören der Wiese durch Pferde und Wagen existierten Regelungen, wie man in das Feld ein- und auszufahren hatte. Holztransporte von Hörsingen (nö. Helmstedt) zu den zentralen Stiftsdominica225 Urbar 16: 5 Scheffel Sommerweizen bzw. 8 Winterweizen; außerdem als bmclum 7 weitere Scheffel Sommerweizen (Ottleben); Urbar 38: 4 bzw. 5 Scheffel der gewählten Sorte (Hamersleben). Statt der in Hamersleben geringeren Getreideabgaben zahlte man hier aber eine Art Grundrente von 15 solicits (Urbar 30). 226 Urbar I i. 227 H e n n i n g : Deutsche Agrargeschichte (wie Anm. 140), S. 104—106 (mit Bezug auf W. Abel) sowie B o r g o l t e : Vielfalt (wie Anm. 15), S. 319 f., 331. Die Vorteile des Pferdegespanns bestanden in seiner höheren Leistungsfähigkeit von bis zu 30% gegenüber dem Ochsengespann, die Nachteile in der komplizierteren Fütterung, zu der auch größere Mengen Hafer nötig waren, die daher auch ein Zeichen des Einsatzes von Pferden als Zugtieren sind. Urbar 85, 89: Braciam clant tres litoues ... qui dicuntur pabulum equontm. Es handelte sich also eindeutig um keine Braugetreideabgabe, wie der Begriff suggerieren könnte. Vielleicht ging er aber auf eine solche zurück. 228 Urbar 10 enthält den Hinweis für die Ottlebener Liten, sie dürften mit ihrem von zwei Pferden gezogenen Fuhrwerk auf die Wiese und mit am Kummet befestigter Deichsel und "Wagen umherfahren (... licet de domicilii cumplaustro ditobuspaiefridis recto intrare, acpendente firmiter temone plaustroque sequente licet caballis per gramen ire quolibet...). Ein Ochsengespann hätte den Wagen vom Stirnjoch aus gezogen, also nicht mit „hängender Deichsel". Zur Technik vgl. Dieter I l ä g e r m a n n , Helmut S c h n e i d e r : Landbau und Handwerk. 750 ν Chr. bis 1000 n. Chr. Berlin 1991 (= Propyläen Technikgeschichte, 1), S. 399 f. mit entsprechenden Abbildungen.
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lia wurden mit Pferdegespannen gemacht, und falls dabei ein Tier zu Schaden kam, erhielt der Besitzer sogar einen finanziellen Ersatz. Man ging offensichtlich auch davon aus, dass jeder zum Fuhrdienst verpflichtete Lite ein Pferd besaß, denn der Urbarschreiber klagte, für die Fahrt nach Bardowick würde das Stift vom Wagen über dessen Inhalt bis zur Ausrüstung der Fuhrleute alles zur Verfügung stellen, die Liten müssten nur ihre Pferde anspannen221·1. Diese offenbar grundsätzliche Entscheidung für Pferdebespannung war nur möglich, wenn es genügend Weidegründe sowie eine einigermaßen sichere Hafer- und Heuversorgung auch in der Winterzeit gab. Dazu bedurfte es grundherrlicher Planungen und ertragreicher Böden, die in der Börde natürlich vorhanden waren. Außerdem konnten in der Wegerslebener Gegend die dortigen Feuchtgebiete vermehrt als Wiesen und Weiden genutzt werden, auf denen man auch Heu machen ließ. Insofern zeigte sich in dieser fiühen „modernen" Bespannungsart, dass die Regularkanoniker durchaus auch als Grundherren agrarökonomischen Fortschritt praktizierten. Abschließend soll noch knapp auf die vom Stift eingeforderten Hand- und Spanndienste eingegangen werden, mit denen ein wesentlicher Teil der Erträge erwirtschaftet und die Grundherrschaft instand gehalten wurde. Man verlangte sie in Abhängigkeit von saisonalen Erfordernissen, also in wiederkehrender Regelmäßigkeit. Es gab z.B. die Holz- und Baufuhren nach Hörsingen oder, die Ottlebener zusätzlich betreffend, zweimal jährliche Fuhren inter Albiam et Alemm2ii). Das waren mindestens Tagesfahrten, um Holz für die Küchen und Bäder der Herrenhöfe zu holen 2 ^ 1 . Die Ottlebener waren somit jährlich von wenigstens drei Tagesfahrten betroffen. Diese Pflichten wurden nur gering entschädigt2;>2. Unkosten entstanden dem Stift jedoch für die weiten Bardowickfahrten: Die jeweils vier Wagen und deren Inhalt stellte das dominicalium, die Pferde brachten die Liten mit. Jeder Kutscher erhielt Mütze, Mantel, Handschuhe, Gamaschen, außerdem wurden Pferdefutter und Speisen fällig. So verwundert es nicht, wenn der Schreiber klagte, haec aiitemprofectio impensa grandifiebat, und man die Ottlebener Verpflichtungen insgesamt mit 4, die Hamerslebener mit 5 solidis ablösen ließ2-^. Zudem hatte zwar der Fernmarkt in Bardowick Bedeu229 H e n n i n g : Deutsche Agrargeschichte (wie Anm. 140), S. 101—106 und Β ο rg ο 11 e : Vielfalt (wie Anm. 15), S. 319 f., 331: Urbar 9 (Streit um Pferdekoppel): Urbar 10 (Befahrung der Wiesen; Weideerlaubnis nur mit gefesselten Beinen; Pflügen mit Pferden; Kummet: mit hängender Deichsel); Urbar 12 (I lolzfahrten, Schadenersatz bei Verletzung des Pferdes, in Kriegszeiten: 10 so//rf//Pferd); Urbar 17 (Bardowickfahrt: litones ... sitos soturnrnodo palefridos adiiiugebaut)·. Urbar 35. 230 Urbar 22. 231 Urbar 12, 35. 232 Es sollte Schadensersatz vom Stift geleistet werden beim Unfall des Pferdes bzw. belli tempore für erlittene Beraubungen (Urbar 35). Weil die Hamerslebener Liten die Bäume auch fällten, durften sie die zwei kleinsten Stämme behalten. 233 Urbar 17: Profectionern Barduic annualim qitatitor litones in online suo quatuor solidis redimunt qui eo mense quatuor plaustratis seivitii siipportantur. Haec autem profectio impensa grandiflebat... (Ottleben); Urbar 39: redimunt quisque diiobus denariis, qui fient, item quinque solidi (Hamersleben).
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tung als Austauschort für Korn und Fischprodukte und für den Handel zwischen Slawen und Deutschen, er dürfte aber nach seiner Zerstörung durch Heinrich den Löwen im Jahre 1189, von der er sich kaum mehr erholte, für Hamersleben an Interesse verloren haben2-''4. Deshalb wird man auch hier die rund 59 unkostenträchtigen Fuhren kritischer bewertet und eingeschränkt haben 2 '' 5 . Dennoch waren die Fahrten zu den entfernteren Arbeitseinsätzen, zu anderen Villikationshöfen, zu den Märkten in Helmstedt oder Bardowick sicherlich die Gelegenheiten, wo man zu Geld kam, weil man dabei eben auch eigene, auf der Manse erarbeitete Produkte verkaufen konnte, denn die für die Dienste bisweilen gewählten Entlohnungen waren Naturallöhne. Nicht unterschätzt werden sollte auch die Horizonterweiterung selbst der bäuerlichen Bevölkerung, die durch solche Transporte Erfahrungen" machte, die deutlich über die oft vermutete Kirchturmsperspektive hinausgingen. Bei den sogenannten Handdiensten fällt ins Auge, dass auf den fünf dominicalia der Wiesenschnitt und das Heumachen ein wichtiger, von allen Liten beanspruchter Dienst war. Der Arbeitsumfang belief sich auf fünf Tage pro messione prati, es dürften aber mehrere Heuernten möglich gewesen sein. Die gleichfalls geforderte Bearbeitung eines halben Tagwerkes bezog sich wahrscheinlich auf den Umbruch der Wiesen, wenn sie im Rahmen der Dreifelderwirtschaft oder nach längerer Beweidung gepflügt wurden. Praeco bzw. villicus schienen mit den Besitzern der areae zusätzliche Arbeiten verrichtet zu haben, etwa mähen, Heu wenden und einbringen2-''0. Umfängliche Dienste gab es besonders im Zusammenhang mit dem Getreideanbau. Im Herbst und im Frühjahr pflügte jeder Lite ein Tagwerk und bereitete es für die Saat vor. Hier wird klar, dass sich spätestens am Ende des 12. Jahrhunderts im 234 Vgl. oben wie Anm. 208 und J. E h l e r s : Heinrich der Löwe (wie Anm. 40), S. 380. 235 Hamersleben, Wegersleben, Ottleben, Warsleben besaßen laut Urbar 59 Liten. Jeder Lite hatte eigentlich die jährliche Fahrtverpflichtung. Wenn die Konvois, wie verlangt, zu viert auf den Weg geschickt wurden, durfte man mit etwa 15 derartigen Fahrten jährlich in den ca. 110 km entfernten Ort rechnen. Dahinter verbarg sich ein beachtliches Austauschvolumen, immerhin fast 60 Fuhren. 236 Die Wiesen- und Feldarbeiten wurden unter dem Verbum „bracant" zusammengefasst. Vgl. im Einzelnen zu Hamersleben/Wegersleben: Urbar 27, 30, 32-37, 39; zu Ottleben/Warsleben: Lirbar 9-13, 15, 17, 19, 21, 22, 71; zu Ahlum: Lirbar 80, 83, 84, 88. Dort befinden sich auch die entsprechenden Belege zur Feld- und Erntearbeit sowie zu den Fuhrdiensten. Zum praeco und zu den Areabesitzern: Praeco foenum dispergit fundos iiihabitantes colligunt in aceri'os (Ottleben, Lirbar 12). L a s t : Villikationencn (wie Anm. 8), S, 405, vermutet für seinen Untersuchungsraum wohl nicht zu Unrecht, dass es sich bei diesen a ream in tenentes oder possessores fuiidorum um Lohnarbeiter gehandelt haben könnte, die von den Liten abgelöste Arbeiten gegen Lohn oder ein kleineres Stück Land verrichteten. In Ottleben hieß es z.B.: Si iitssi fueriut singulis ricibits braciandi fundos incolentes bini et bini adesse debebitnt, qui sunt interim melioribus eibariisprocurandi (Urbar 21). Die Ilamerslebener fundormn possessores luden das Heu in der Scheune auf die entsprechenden Gestelle, und die areas tenentes mussten vier Tage in der Ernte mähen (Urbar 36). - In Ottleben gab es 43 areas ( Urbar 9), in Hamersleben 22, von denen 3 vakant waren ( Urbar 30), in Wegersleben 32 (Urbar 32); Ahlum besaß bei 15 Mansen 51 urease (Urbar 80). Es standen mithin ca. 115 Dienstleister aus der Gruppe der areas tenentes zur Verfügung.
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Hamerslebener Umkreis die Dreifelderwirtschaft2-^7 durchgesetzt hatte, worauf auch die hauptsächlichen Getreidesorten hinwiesen: Sommerweizen und Winterweizen. Wie wir sahen, schaffte auch die nur einmalige Haferernte eine wichtige Futtergrundlage für die Pferde. Verlangt wurden in diesem Zusammenhang zwei Tage Hafermahd, drei Tage Weizenmahd, jedoch konnten diese Arbeiten z.T. bereits mit Geld abgelöst werden. Das durfte bei der Haferernte in Hamersleben geschehen, aber auch bei Arbeiten in der Ottlebener Getreideernte, die als Dienste gänzlich aufgegeben wurden, weil deren Unkosten zu hoch waren. In Allium war es ebenfalls erlaubt, diese Verpflichtung durch Geld zu ersetzen2^8. Die fast völlige Ablösung der genannten Litendienste bedingte, dass genügend andere Arbeitskräfte vorhanden waren, die diese Arbeit kostengünstiger verrichten konnten. Dabei scheint es sich um die bereits genannten ancillae, servi, fundos bzw. areas tenentes gehandelt zu haben. Deren „Löhne", wie auch die der Liten, wurden übrigens noch immer allein in Naturalien gezahlt. Man ahnt, dass diese Kosten nicht zu vernachlässigen waren. Wenn nur alle 30 Hamerslebener Liten ihre fünf Pflichttage, die eigentlich nur halbe Arbeitstage waren, in der Getreideernte abgeleistet hätten, dann wären immerhin mindestens 60 Brote und 120 Stück Speck bzw. 60 vollständige Käse als Verköstigung fällig gewesen und auch für das Einfahren des Weizens zusätzlich nochmals zwei manipuli Korn2;>9. Und auf die Kosten schauten die Stiftsherren!
5.
Rückschau
Nach diesem Gang durch die Hamerslebener Grundherrschaft erkennen wir, dass unsere Rückschau nicht so romantisch-idyllisierend ausfallen kann, wie wir sie uns anfangs, dem Dichtermund glaubend, vielleicht vorgestellt hatten. Die bäuerliche familia wurde von den Stiftsherren und ihren Verwaltern beaufsichtigt und kontrolliert, so gut es an der Wende zum 13- Jahrhundert eben ging. Die im Urbar überlie237 B o r g o l t e : Vielfalt (wie Anm. 15), S. 319 f., weist auf den engen technischen Zusammenhang mit dem Räderpflug hin, aber auch auf die Notwendigkeiten, genügend Nachfrage nach Getreide sowie auf eine fortgeschrittene Verdorfung haben zu müssen. Die organisatorischen Voraussetzungen wurden in Hamersleben gewiss von den Stiftsverantwortlichen herbeigeführt, die auch darauf achteten, dass sich die Liten für Transport- oder Feldarbeiten in zweier oder Vierergruppen zusammenschlossen und etwa in bestimmter Weise in die Felder einführen, z.B. Urbar 10, 21, 35. 238 Urbar 13: In messe domicalis sata qiiatnor diebus metere deberent, pro quo tales sumpft is exigit eorum iustitia, quod omnibus annis omlttltur de consilio (Ottleben); Hamersleben: duobus (dies) incidunt avenam, quos, si placuerit, duobus denariis singuli redimunt... (Urbar 36). In Ahlum konnte jeder Lite seine Erntearbeiten für das Dominicalium mit 6 denarios ablösen (Urbar 83). 239 Urbar 36: Zwei 'Lage müssten sie llafer, drei 'Lage Weizen mähen. Alane orto sole ineipilint, meridie desistunt... Primo die integrum panem de certa mensura etpondere confection cum duobus lardispro debito duorum dierum singuli pereipiunt. Si avenam biduo metunt, eiusdem mensurae ac ponderis integrum panem cum caseo integro primo die pro debito duorum dierum consequentur.
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ferten Vorschriften, Abgaben- und Aufgabenbestimmungen waren dazu da, die Hufeninhaber und die dominicalia unter agrarökonomischen Gesichtspunkten vernünftig zu organisieren. Streu- und Fernbesitz wurden dazu seit dem 12. Jahrhundert konsequent abgestoßen zugunsten einer Arrondierung, die dann 1271 in der Übernahme wesentlicher Teile der Merseburger Güter in und um Hamersleben ihren sichtbaren Ausdruck fand. Die Besitzkerne wurden dabei tendenziell betriebsgrundherrschaftlich weitergeführt, allerdings durch den Erwerb von Zehntrechten auch von grundherrlichen Verpflichtungen entlastet. Soweit erkennbar, wirtschaftete man für damalige Verhältnisse bereits „modern": Die Pferdebespannung scheint das Ochsengespann bei allen Feld- und Transportarbeiten ganz verdrängt zu haben, die Dreifelderwirtschaft mit den Wechseln von Sommergetreide, Wintergetreide, (Wiesen-)Brache war das im Urbar erkennbare Feldbausystem. Die vorherrschenden Sorten Sommerweizen, Winterweizen und Hafer waren Ausdruck der damit einhergehenden „Vergetreidung". Daneben gab es in bedeutendem Ausmaß bei allen Hufeninhabern Schweine- und auch Schafhaltung. Die häufigen Fuhrdienste nach Bardowick, aber wohl auch zum Helmstedter Markt, in dessen Nähe der Hamerslebener Güterkomplex Ahlum lag, zeigen an, dass man nicht nur zur Selbstversorgung produzierte. Wo sollte auch das Geld für die geistlichen Aufgaben herkommen? Wenn man feststellte, dass sich bisherige Regelungen „betriebswirtschaftlich" nicht mehr rentierten, änderte man diese. Hier wären als Beispiele die Ablösung von bäuerlichen Arbeitsdiensten zu nennen, die dem Stift wegen der dabei anfallenden besonderen Naturalversorgung als zu teuer erschienen. Bei aller ökonomischen Konsequenz dürfte jedoch die Strenge gegenüber den „Mancipien" der familia nicht gänzlich übertrieben worden sein. Es gibt eine Reihe von Hinweisen darauf, dass man die Liten nicht überfordern wollte: Fuhrpflichten sollten nicht angeordnet werden in Monaten, in denen bereits Holzfällarbeiten stattfanden, oder sie sollten nicht über die Aller hinausgehen; die Weizenmahd durfte nicht an Fasttagen, auch nicht an zwei aufeinander folgenden Tagen verlangt werden; sie war begrenzt auf die Zeit von Sonnenaufgang bis mittags; es bestand die Verpflichtung des Stifts, während dieser Arbeiten für angemessene Verpflegung zu sorgen, die ihm offensichtlich auch teuer zu stehen kam 24IJ . Dass es dennoch immer wieder zu Spannungen kommen konnte bis hin zum Totschlag, bezeugt das Schicksal des Wegerslebener Hörigen Eilard, und zwischen den Zeilen konnten wir auch vom Einfluss der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Endzeit Heinrichs des Löwen lesen, die wohl bis in den Hamerslebener Umkreis hineinreichten 241 . Nur andeutungsweise haben
240 Hinweise auf Tendenzen, die ein Entgegenkommen des Stifts andeuten: Urbar 13, 21, 22, 36, 88.
2 il Urbar 12, 35: Belli tempore in setvitiispergentes, si equis, restibus, gladiis coeterisque utensilibus spoliantur, buius detriment! subsidio non destituentur. Auch in einer Urkunde Bischof Dietrichs von llalberstadt für llamersleben heißt es in der Corroboratio (a. 1186, UBIIA 29),
quia dies mall et tempora instantpericulosa ... . Das war sicher nicht nur eine formelhafte Zitierung von 2 Tim 3, 1.
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wir bei unserem Rundgang etwas erfahren über die geistlichen Bemühungen der Chorherren und die intellektuellen Bezüge, in denen das Stift stand. Aber der Bau seiner Stiftskirche, seine Bibliothek, besonders sein Skriptorium und wohl auch sein bedeutendster Novize, der spätere Hugo von St. Viktor, zeigen uns die beträchtlich über den regionalen Umkreis hinausreichende Bedeutung des Augustinerchorherrenstifts St. Pankratius zu Hamersleben u m 120 0 242 . Und die feste Basis für diesen anspruchsvollen Überbau war die oben beschriebene Grundherrschaft. Das eingangs zitierte Bild Theodor Fontanes über das schläfrige märkische Kloster WutZ: „Alle Klosteruhren gehen nach", müsste auf Hamersleben bezogen ins Gegenteil gewendet werden: „Natürlich nicht"!
242 Vgl. die oben bei Anm. 2 bzw. Anm. 40 gegebenen Hinweise.
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GÜNTER PETERS
ANHÄNGE Anhang 1: Hufenbesitz, Münzen, Maße Grundsätzlich problematisch ist es natürlich, mittelalterliche Maße, Münzen etc. in heutige Werte umzurechnen. Die hier genannten Zahlen können daher nur unsere Vorstellung etwas erleichtern und nicht wirklich zufriedenstellen. 1112 (UBHA 2) 337,5 mansi/H\iien\ 29 iugera/Morgen; in 50 Orten und 4 Grafschaften24^ 1178 (UBHA 21) 395 mansi; 29 iugera·, in 59 Orten 1202 (Urbar) 385,5 mansi; 12 iugera; 142 areae/curtes/Hofstellen; in 57 Orten 1202-1271 Abgestoßener Besitz: ca. 129 mansi in 39 Orten Vergleichszahlen 244 liegen vor für die Besitzungen der beiden Regensteiner Grafen (je ca. 1000 Hufen), die Klöster Nienburg/Saale (ca. 1600 Hufen), St. Liudger/Helmstedt (ca. 1000 Hufen), die Stifte St. Simon und Juclas/Goslar (ca. 1000 Hufen), Gernrode und Walbeck (je ca. 400 Hufen). 1 1 1 1
mansus « ca. 7 ha- 15 ; 1 mansits « 30 iugera2l6; 1 iugerum « ca. 0,25 ha bzw. Morgen iornalis = 1 iugerum (im Sinne einer als Dienst zu bearbeitenden Fläche) 2 ' 7 area: bäuerliche Wirtschaftseinheit, kleiner als 1 mansus1 '8
1 Mark24'·1 » 1,5 Talent/Pfuncl » 20 solidi/Schilling
» 240 denarii;
1 solidiis = 12
dena-
1 nummiis (vulgo misterippen)25IJ » ca. 1 denarius 1 Pfercl (caballiis, palefridiis)251 wurde im Falle eines Unfalls mit 10 so/Ze// ersetzt. 1 maltratuin/M-Atei » ca. 6,5 ;«o3
i f t i S . ä & i k i u i ^ n
auf&iZirfu}
Beginn des „Registrums" aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit dem Hinweis auf ein weiteres „Registrum" beim Prokurator des Stifts (LHASA, MD, Rep. Cop., Nr. 746, fol. 3r.).
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.
Orts- und Manseneinträge im „Registrum", fol. 4r, mit entsprechenden Hinweisen auf weitere Belege im anfangs erwähnten „Registrum", z.B.: Et in registrofo. 44. Et infra A XXXII (= alte Hamerslebener Archivsignatur).
JOACHIM MÜLLER / LUTZ PARI TNI ILIMER
DER 11. JUNI 1157 UND SEINE BEDEUTUNG FÜR STADT UND LAND BRANDENBURG. VERSUCH EINER WÜRDIGUNG ZUM 850. „GEBURTSJAHR" DER MARK BRANDENBURG AUS ARCHÄOLOGISCHER UND HISTORISCHER SICHT
Die Überlieferang historischer Fakten, Daten und Personen ist gerade im Hinblick auf unsere Gegend, also das Land östlich der Elbe, für das frühe und hohe Mittelalter eher dürftig. Die westslawischen Stämme entstanden durch Siedlergrappen, die seit dem 7./8. Jahrhundert in mehreren Wellen aus dem heutigen Polen und dem späteren Böhmen in die zuvor im Zuge der Völkerwanderung von germanischen Verbänden bis zum 5-/6. Jahrhundert weitgehend verlassenen Gebiete zwischen Elbe/Saale und Oder/Neiße eingewandert waren. Die Westslawen haben keine eigenen Schriftzeugnisse hinterlassen. Das meiste, was von ihnen bekannt ist, weiß man aus einigen Reiseberichten und Chroniken sowie durch seltene schlaglichtartige Eiwähnungen einzelner Personen oder Vorgänge in Urkunden. Bei der Lektüre muss man sich darüber im Klaren sein, dass mittelalterliche Chroniken weniger der objektiven Berichterstattung dienten, sondern häufig mit bestimmten Absichten vergefasst wurden. Da die Slawen den Chronisten (damals fast ausnahmslos Geistlichen) als Heiden - demnach minderwertige Menschen - galten, sind die wenigen überlieferten Berichte über sie in der Regel auch entsprechend gefärbt. Über die einzelnen Völkerschaften, ihre politische Gliederung, Religion und Kultur sind wir nur in sehr groben Zügen unterrichtet. Die gleichzeitigen Ereignisse auf der Seite des westlich von Elbe und Saale gelegenen ostfränkisch-deutschen Reiches erschließen sich ebenfalls aus Chroniken. Dazu kommen weitere Quellen, vor allem Urkunden, die nicht nur punktuell rechtliche Vorgänge belegen, sondern häufig auch Informationen über den Ort der Abfassung sowie die handelnden Personen und Zeugen beinhalten. Aber es ist klar, dass sehr viele Ereignisse zwischen den schlaglichtartigen Nennungen nicht überliefert worden sind. Die historische Wissenschaft muss daher mit Hypothesen arbeiten, um die bekannten Vorgänge in sinnvolle Zusammenhänge bringen und möglichst plausible Erklärungen liefern zu können. Brandenburg tritt zum ersten Mal aus dem Dunkel hervor, als die gleichnamige Burg - an der Stelle des heutigen Brandenburger Domes - vom ostfränkischen König Heinrich I. belagert und erobert wurde. Dieses Ereignis gehört wahrscheinlich in den Winter 928/29 und ist von dem Mönch Widukincl aus dem Kloster Corvey an der
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W e s e r in s e i n e r S a c h s e n g e s c h i c h t e überliefert w o r d e n , d e r e n erste F a s s u n g a n s c h e i n e n d 9 6 8 a b g e s c h l o s s e n w a r 1 . A u f der B r a n d e n b u r g e r D o m i n s e l s a ß e n S l a w e n n a c h d e n derzeitigen a r c h ä o l o g i s c h e n E r g e b n i s s e n v e r m u t l i c h seit e t w a d e r Zeit u m 7 3 0 2 . W o h l z w i s c h e n 8 5 0 u n d 8 7 0 entstand dort e i n e Burg, die der Fürstensitz der „Heveller" ( „ H a v e l l e u t e " ) w u r d e . S o b e z e i c h n e t e n die s ä c h s i s c h e n C h r o n i s t e n die a n d e r H a v e l s i e d e l n d e n S l a w e n , die sich selbst „ S t o d o r a n e n " n a n n t e n . D i e B u r g h e i ß t in d e n Q u e l l e n d e s 10. J a h r h u n d e r t s m e i s t „ B r e n n a b u r g " o d e r „ B r e n d a n b u r g " , s p ä t e r häufig „ B r a n d e b u r g " . N a c h m e h r e r e n I n f o r m a t i o n e n v e r s c h i e d e n e r S c h r i f t z e u g n i s s e d e s 10. J a h r h u n d e r t s b e s a ß e n die H a v e l f e s t e u n d das v o n ihr aus b e h e r r s c h t e Hevellerfürstentum damals eine herausragende B e d e u t u n g im Raum zwischen Elbe und O d e r 3 . D i e E i n n a h m e d e r B r a n d e n b u r g d u r c h H e i n r i c h I. u n d e i n a n s c h l i e ß e n d e r F e l d z u g g e g e n die S l a w e n im R a u m M e i ß e n u n d d a n n bis n a c h Prag sollten w o h l in erster Linie dazu d i e n e n , die O s t g r e n z e n s e i n e s Staates v o r d e n U n g a r n zu s c h ü t z e n , die in j e n e r Zeit i m m e r w i e d e r d u r c h die w e s t s l a w i s c h e n G e b i e t e z o g e n , u m ins R e i c h einzufallen. A n s o n s t e n b e g n ü g t e s i c h d e r K ö n i g j e d o c h mit e i n e r l o c k e r e n O b e r h o h e i t ü b e r die b e s i e g t e n S t ä m m e , die als Z e i c h e n ihrer U n t e r w e r f u n g T r i b u t e leisten m u s s t e n .
1
Widukindi monachi Corbeiensis rerum gestarum Saxonicarum libri tres (Die Sachsengcschichte des Widukind von Korvey), in Verbindung mit Ilans-Eberhard L o h m a n n neu bearb. v. Paul H i r s c h . 5. Aufl. Hannover 1935 (= Monuments Germanise historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi [künftig: MG SS rer. Germ.J, [601); Widukindi res gestae Saxonicae (Widukinds Sachsengeschichte), neu bearb. v. Albert Β a u e r / Reinhold R a u , mit einem Nachtrag v. Bele F r e u d e η b e r g , in: Fontes ad historiam aevi Saxonici illustrandam (Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit). 5. Aufl. Darmstadt 2002, S. 1-183, 615-621, 1. Buch, 35. Kapitel (I, 35) (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters [Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, künftig: FSGAJ, 8); Lutz Ρ a r t e η h e i m e r : Die Entstehung der Mark Brandenburg. Mit einem lateinischdeutschen Quellenanhang. Köln/Weimar/Wien 2007, Quellenanhang (künftig: QA) 1
2
Felix B i e r m a n n / S t e f a n D a l i t z / K a i - l J w e I l e u ß n e r : Der Brunnen von Schmerzke, Stadt Brandenburg an der Havel, und die absolute Chronologie der frühslawischen Besiedlung im nordostdeutschen Raum, in: Prähistorische Zeitschrift 71 (1999), S. 219-213. Widukind (wie Anm. 1), 11, 21 (wahrscheinlich zum Jahre 910); Ρ a r t e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 2; Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Martina G i e . s e . Hannover 2001, S. 192 f. (zu 997) (= MG SS rer. Germ., 72); Ρ a rt e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 12. Zur Brandenburg Klaus G r e b e : Nr. 80: Stadt Brandenburg, in: Joachim II e r r m a η η /Peter D ο η a t (Hg. ): Corpus archäologischer Quellen zur Frühgeschichte auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik (7—12. Jahrhundert), 3. Lieferung, Textband. Berlin 1979; Klaus G r e b e : Brandenburg (Havel), in: Joachim H e r r m a n n (Hg.): Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik. Denkmale und Funde, Band 2: Fundorte und Funde. Leipzig/Jena/Berlin (auch: Stuttgart) 1989, S. 665-668; Klaus G r e b e : Die Brandenburg vor eintausend Jahren. Potsdam 1991; Klaus G r e b e : Brandenburg an der Havel - Dominsel, in: Potsdam, Brandenburg und das Havelland. Stuttgart 2000, S. 225-229 (= Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 37); Klaus G r e b e : Brandenburg an der Havel, in: Alfred W i e c ζ ο r e k/1lans-Martin H i n z (Hg.): Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie, Band 1. Stuttgart 2000, S. 274-277.
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DER 11. JUNI 1157 UND SEINE BEDEUTUNG EÜR BRANDENBURG
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Abb. 1: Rekonstruktion der Brandenburg in ihrer fünften Bauphase zu Beginn des 10. Jh. (um 928/29) nach Klaus Grebe 937 ü b e r e i g n e t e s e i n S o h n u n d N a c h f o l g e r O t t o I. d e m v o n i h m in d e m J a h r g e g r ü n d e t e n M a u r i t i u s k l o s t e r in M a g d e b u r g G ü t e r u n d E i n k ü n f t e , u.a. a u s „ H e u e l d u n " , also d e m H a v e l l a n d , d a s d a b e i z u m e r s t e n Mal g e n a n n t w i r d 4 . Er w o l l t e d i e o s t e l b i s c h e n G e b i e t e f e s t e r ins Reich e i n b e z i e h e n . 9 4 8 b z w . 9 6 5 - d a s D a t u m ist seit 1998 u n t e r Historikern umstritten5 - g r ü n d e t e der Herrscher deshalb die b e i d e n Bistümer Bran1
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Urkundenbuch des Erzstifts Magdeburg. Teil 1 (937-1192), bearb. v. Friedrich I s r a e l unter Mitwirkung v. "Walter M ö l l e n b e r g . Magdeburg 1937 (künftig: UBM), Nr. 1 (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt. Neue Reihe, 18). Die Neudatierung der Gründung der Bistümer Ilavelberg und Brandenburg bei Clemens B e r g s t e d t : Die Havelberger Stiftungsurkunde und die Datierung der Gründung des Bistums Ilavelberg, in: Jahrbuch für Beriin-Brandenburgische Kirchengeschichte 61 (1997), S. 61-88; d e r s . : Zur Echtheit der sogenannten Ilavelberger Stiftungsurkunde, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 47/48 (2001/2002), S. 9-46, und Helmut A s s i η g : Wurde das Bistum Brandenburg wirklich 918 gegründet? in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte (künftig: JBLG) 19 (1998), S. 7-18. - Die die traditionelle Auffassung zur Entstehung der Brandenburger Diözese verteidigende Stellungnahme von Dietrich K u r z e : Otto I. und die Gründung des Bistums Brandenburg: 918, 919 oder 965? in: JBLG 50 (1999), S. 12-30 (erneut abgedruckt in: d e r s . : Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte im Mittelalter. Neun ausgewählte Beiträge, hg. v. Marie-Luise H e c k m a η η /
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JOACHIM MÜLLER / LUTZ PARTENIIEIMER
denburg 0 und Havelberg 7 , von deren Sitzen aus das Slawenland missioniert werden sollte. Der Brandenburger Bischof erhielt aus Königsgut die Nordhälfte der Burg und eine Ausstattung mit Landbesitz. Die genaue Lage des ersten Domes aus dem 10. Jahrhundert ist trotz intensiver Grabungen bis heute nicht bekannt. Der Raum zwischen Elbe/Saale und Oder/Neiße wurde zudem sog. Markgrafen („Grenzgrafen") unterstellt, die die Herrschaft des Reiches über die westslawischen Stämme behaupten und festigen sollten. Für das Brandenburger Gebiet - und weitere Landschaften - war zunächst Markgraf Gero verantwortlich, nach seinem Tode (965) kam die Region zur Nordmark, deren Grenzen vermutlich Elbe, Eide, Peene, Oder und Fläming bildeten. 983 erhoben sich die Unterworfenen in einem großen Aufstand, der wahrscheinlich von Rethra aus gesteuert wurde. Dieses Heiligtum des Stammesbundes der Lutizen suchen die Archäologen meist zwischen der Müritz und dem Tollensesee bei Neubrandenburg. Die Slawen stürmten die Bischofssitze Havelberg und Brandenburg. Soweit es ihnen noch möglich war, flohen die deutschen Besatzungen außer Landes. Die kirchlichen Stätten wurden verwüstet. Diese Informationen verdanken wir vor allem der Chronik des 1018 gestorbenen Bischofs Thietmar von Merseburg 8 . Deutsche Rückeroberungsversuche, die immer wieder die Brandenburg zum Ziel hatten, waren nur vorübergehend erfolgreich und wurden um 1000 eingestellt 9 . Vor dem Hintergrund dieser Kämpfe tauchen 993 Potsdam 1 IJ und 997 Beelitz (oder Susanne J e n k s/Stuart J e n k s . Berlin 2002, S. 1 4 1 - 1 6 3 (= Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 9), gegen H. Assing führte da/u, dass dieser in seiner Antwort den neuen Ansatz noch stärker untermauerte: Helmut A s s i n g : Das Bistum Brandenburg wurde wahrscheinlich doch erst 965 gegründet, in: JBLG 51 (2000), S. 7 - 2 9 . Zu dem Beitrag von Thomas L u d w i g : Die Gründungsurkunde für das Bistum Brandenburg: Zur Methode der Urkundenkritik, in: J B L G 53 (2002), S. 9 - 2 8 , vgl. Helmut A s s i n g : Zum Streit um die Gründungsurkunde des Bistums Brandenburg, in: 12. Jahresbericht ( 2 0 0 2 - 2 0 0 3 ) des Historischen Vereins Brandenburg (Havel), S. 17-29. Außerdem n o c h da/u: Peter N e u m e i s t e r : Die Brandenburg im 10. Jahrhundert - Überlegungen zur Bistumsgründung von 918, in: J B L G 51 (2003), S. 5 1 - 9 0 . 6
MG, Die Urkunden der Könige und Kaiser Deutschlands, Bd. 1: Die Urkunden Konrads L, Heinrichs I. und Ottos L, hg. v. T h e o d o r v . S i c k e l . Hannover 1 8 7 9 - 1 8 8 1 (Nachdruck [künftig: ND1 München 1997), Nr. 105; Ρ a r t e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA i.
7 8
Ebd., Nr. 76 bzw. QA 3. Thietmari Merseburgensis episcopi chronicon (Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung), hg. v. Robert I l o l t z m a n n . Berlin 1935 (ND München 1996) (= MG SS rer. Germ., nova series, 9) (http://www.mgh-bibliothek.de/digilib/ thietmar.html); Thietmari Merseburgensis episcopi chronicon (Thietmar von Merseburg: Chronik), neu übertr. u. erl. v. Werner T r i 11 m i c h , mit einem Nachtrag v. Steffen P a t / o l d . 8. Aufl. Darmstadt 2002, 3. Buch, Kapitel 1 6 - 1 9 , 24 (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters ITSCTAI, 9); Ρ a r t e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 5.
9 10
P a r t e η h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 6 - 1 2 . Helmut A s s i n g : Die Rätsel der ersten Potsdamer Urkunde, in: Helmut A s s i n g : Brandenburg, Anhalt und Thüringen im Mittelalter. Askanier und Ludowinger beim Autbau fürstlicher Territorialherrschaften. Zum 65. Geburtstag des Autors hg. v. Tilo K ö h n / L u t z P a r t e n -
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Beizig?) 11 erstmals in den schriftlichen Quellen auf. Das deutsche Reich hielt aber an dem Anspruch auf die westslawischen Gebiete fest. Die Posten des Markgrafen der Nordmark und des Brandenburger sowie Havelberger Bischofs wurden fortlaufend wieder besetzt, wenn die betreffenden Amtsinhaber ihren eigentlichen Zuständigkeitsbereich auch nicht betreten konnten. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts verschlechterten sich die Bedingungen für die Selbständigkeit der Westslawen erneut. Dafür waren vor allem zwei Bruderkriege innerhalb des Lutizenbundes verantwortlich. Bei den westlich von ihm lebenden Obodriten im Raum Kiel-Lübeck-Schwerin erlangten Fürsten die Macht, die das Christentum annahmen und die Unterstützung des Sachsenherzogs suchten. Die Wiederbelebung einer aktiven Slawenpolitik erfolgte diesmal aber nicht in erster Linie durch das deutsche Königtum (wie im 10. Jahrhundert), das jetzt zunehmend in Kämpfe mit den Fürsten und dem Papst verwickelt wurde. Nun richteten hauptsächlich ostsächsische Machthaber den Blick auf die ostelbischen Gebiete. Darunter befanden sich vor allem die Grafen von Stade (bei Hamburg), die seit 1056 der Nordmark vorstanden, die Grafen von Ballenstedt (am Harz) und die Erzbischöfe von Magdeburg. Die deutschen Bischöfe waren seit Otto I. im Rahmen des Reichskirchensystems von den Königen mit Gütern und Rechten als Stütze der Krone gegen Rebellionen der Herzöge und Markgrafen ausgestattet worden. Etwa ab der Mitte des 11. Jahrhunderts begannen sie wie die weltlichen Fürsten damit, ihre Besitzungen im Kampf mit benachbarten Rivalen und dem Herrscher zu eiweitern und zu festigen. So setzte der Landesausbau mit der Gründung von Burgen, Klöstern, Dörfern sowie Städten, mit Rodung und Bergbau ein. Auch Kriege, Fehden, Morde, geschickte Heirats- und Erbverträge spielten in dem Zusammenhang eine Rolle. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die ostsächsischen Fürsten sich wieder der benachbarten Slawengebiete entsannen, die nach wie vor vom deutschen Reich beansprucht wurden. Hier konnte man Verdienste bei der Ausbreitung des Christentums unter den immer noch mehrheitlich im Heidentum verharrenden Stämmen und obendrein zusätzliche Herrschaftsgebiete erringen. Nun hören wir nach rund 100 Jahren auch wieder etwas von der Brandenburg. Vielleicht hatte die Eroberung Jerusalems, das sich seit dem 7. Jahrhundert in muslimischer Hand befand, durch das Heer des ersten Kreuzzuges im Jahre 1099 den Anstoß für das folgende Ereignis gegeben: Wahrscheinlich im Winter 1100/1101 nahm Graf Udo III. von Stade, Markgraf der Nordmark, die Hevellerresidenz nach viermonatiger Belagemng ein 1 2 . Lange scheint die Brandenburg aber auch diesmal nicht
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h c i m e r / Uwe Z i e t m a n n . Köln/Weimar/Wien 1997, S. 7 7 - 1 0 2 (zuerst: JBLG 44 LI 9931, S. 11-33). Tilo Κ ö h η / L u t z P a r t e n h e i m e r : Beelitz und Beizig im Streit um eine Tausendjahrfeier. Ein Beitrag zur Ostpolitik Kaiser Ottos TIT. im J a h r e 997. Potsdam/Fichtenwalde 1996. Annales llildesheimenses, hg. v. Georg W a i t z . Hannover 1878 (ND Hannover 1990), S. 50 (= MG SS rer. Germ., 8); Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. v. Klaus Ν a ß . Hannover 2006, S. 499 f., 503 ( = MG SS, 37); P a r t e η h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 13.
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unter deutscher Herrschaft geblieben zu sein. 1108 übernahm dann ein Aufruf sächsischer Bischöfe und Fürsten an ihre „Kollegen" in den anderen Teilen Sachsens sowie in Flandern und Lothringen (damals zumindest teilweise zum Reich gehörenden Gebieten) die Kreuzzugsidee tatsächlich für die westslawischen Regionen. Da - grässlich ausgemalte - Slaweneinfälle, so heißt es im Text, für die Christen eine ständige furchtbare Bedrohung darstellten, müsste das Heidentum östlich der Elbe mit Gewalt ausgerottet werden, wobei sich dort auch noch bestes Siedelland gewinnen lasse 13 . Mit dem nach der Quelle in den westslawischen Gefilden liegenden Jerusalem, das es zu befreien gälte, könnte die Brandenburg gemeint gewesen sein. Die entscheidenden Schritte zur Übernahme des stodoranischen Fürstensitzes leitete der um 1100 geborene Markgraf Albrecht der Bär ein 14 . Eigentlich hieß er Adalbert, doch spätestens seit d e m 19- Jahrhundert kennt man ihn unter der Kurzform seines Namens. „Der Bär" wurde er allerdings schon zu Lebzeiten genannt. Vielleicht wollte man ihn auf diese Weise seinem großen Rivalen Heinrich dem Löwen gegenüberstellen. Albrecht entstammte einer seit 1036 erwähnten Dynastie, deren Angehörigen man nach Aschersleben als „Askanier" 15 , nach ihrer Burg Anhalt am Harzer Selketal südlich von Ballenstedt auch als „Anhaltiner" bezeichnet. Der Name seines Vaters, des Grafen Otto von Ballenstedt, steht unter dem erwähnten Aufruf zum Slawenkreuzzug. Otto dehnte wahrscheinlich u m 1110 den askanischen Einfluß vom Raum Bernburg über die Elbe hinweg in Richtung auf das Hevellerfürstentum aus, dessen Grenze vermutlich bei Görzke im Fläming verlief 16 . Etwa gleichzeitig begann der Bischof von Brandenburg mit den ersten Schritten zur Wiederherstellung seines Bistums, indem er in Leitzkau südöstlich von Magdeburg Götzenbilder zerstören und eine Maria geweihte Kirche errichten ließ. Dort befand sich zu Beginn des 11. Jahrhunderts ein Hof, der den Brandenburger Bischöfen gehörte 17 . 1123 wurde Albrecht der Bär Graf von Ballenstedt. Sofort strebte er den Aufstieg in einen reichsfürstlichen Rang und die Weiterführung des von seinem in dem Jahr
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UBM, Nr. 193; Diplomata et chronica historiam locationis Teutonicorum illustrantia (Urkunden und erzählende Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter), hg. v. Herbert Η e l b i g / L o r e n z W e i n r i c h . Erster Teil: Mittel- und Norddeutschland, Ostseeküste. 3. Aufl. Darmstadt 1981, Nr. 19 (= Ausgewählte Quellen zur deutsehen Geschichte des Mittelalters [FSGAJ, 26 a); Ρ a r t c n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 14. Lutz Ρ a r t e η h e i m e r : Albrecht der Bär. Gründer der Mark Brandenburg und des Fürstentums Anhalt. Köln/Weimar/Wien 2001 (2. Aufl. 2003). Michael H e c h t : Die Erfindung der Askanier. Dynastische Erinnerungsstiftung der Fürsten von Anhalt an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Zeitschrift für Iiistorische Forschung 33 (2006), S. 1-31. Helmut A s s i η g : Die Anfänge askanischer Herrschaft in den Gebieten östlich der Elbe, in: Friedrich B e c k / K l a u s N e i t m a n n (Hg.): Brandenburgische Landesgeschichte und Archivwissenschaft. Festschrift für Lieselott Enders zum 70. Geburtstag. "Weimar 1997, S. 21-35 (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 34). Hans-Dietrich K a h l : Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des zwölften Jahrhunderts. Die letzten Jahrzehnte des Landes Stodor, 2 Ilalbbde. Köln/Ciraz 1964, S. 108-116 (= Mitteldeutsche Forschungen [künftig: MDFJ, 30,1,2).
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gestorbenen Vater eröffneten Expansionsstranges in Richtung auf die Brandenburg an. Über die Verhältnisse auf der Havelfeste zu dieser Zeit ist nur wenig bekannt. Sie muss aber wohl eine bedeutende Burg und das Zentrum einer ausgedehnten Herrschaft gewesen sein. Auf dem stodoranischen Fürstenthron saß damals ein gewisser Meinfried, anscheinend ein getaufter Angehöriger der Hevellerdynastie. Offenbar wollte aber Pribislaw-Heinrich die Herrschaft auf der Brandenburg an sich reißen. Der gehörte ebenfalls dem Fürstenhaus der Havelslawen an, war auch Christ und möglicherweise Meinfrieds jüngerer Bruder 1 8 . Vermutlich suchte Pribislaw-Heinrich zur Verwirklichung seiner Umsturzpläne nach Verbündeten. Der für das Hevellerfürstentum zuständige deutsche Fürst, Markgraf Heinrich von der Nordmark aus dem Hause der Grafen von Stade, kam nicht in Betracht, da er wohl Meinfried stützte11·1. So wandte sich Pribislaw-Heinrich an Albrecht den Bären, der mit Hilfe Herzog Lothars von Sachsen gegen den Willen Kaiser Heinrichs V. in den Jahren 1123-1125 das Amt des Markgrafen der (Nieder-)Lausitz errungen hatte. Die Verhandlungen fühlten vermutlich im gleichen Zeitraum zu zwei wichtigen Vorentscheidungen: PribislawHeinrich bestimmte für den Fall seines Todes Albrecht zum Erben der Brandenburg und des Stodoranenreichs und gab dessen damals geborenem ältesten Sohn Otto als Patengeschenk die Landschaft Zauche 2IJ . Nun war nur noch Meinfried zu beseitigen, der dann auch 1127 umgebracht wurde. Den oder die Mörder nennen die Quellen allerdings nicht 21 . Noch im gleichen Jahr oder spätestens bald darauf übernahm Pribislaw-Heim'ich als letzter Fürst der Heveller die Herrschaft auf der Brandenburg. Ende 1128 starb Markgraf Heinrich von der Nordmark, der mit der Schwester Albrechts des Bären verheiratet war, ohne einen Solln zu hinterlassen. Im nächsten Jahr griff der Askanier zu den Waffen, wohl um Anspruch auf die Nordmark anzumelden. Als seine Mannen dabei einen Vetter Heinrichs erschlugen, der auch für das Amt in Frage kam, schritt Herzog Lothar ein, der 1125 deutscher König geworden war. Albrecht bekam die Nordmark nicht und verlor 1131 sogar die Lausitz. Doch der von Lothar ernannte neue Markgraf der Nordmark fiel auf dem Zug, den der König 1132/33 zur Kaiserkrönung nach Rom unternahm, während sich der Askanier dabei auszeichnete. Dafür belehnte der Kaiser Albrecht den Bären 1134 doch mit der Nordmark. 1138 erhob Lothars Nachfolger den Askanier auch noch zum Herzog von Sachsen. Aber mehrere sächsische Fürsten waren mit dieser Entscheidung König Konrads III. nicht einverstanden und verwickelten Albrecht in verlustreiche Kämpfe. 1140 zer-
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Ebd., S. 595, Anm. 4; S. 605, Anm. 20. Ebd., S. 18-25. Quellentext siehe S. 85, Abschnitt 2. Zur Rekonstruktion der Zusammenhänge Helmut Α s s i n g : Albrecht der Bär als marchio de Brandenburg und marchio Brandenburgensis. "Werdegang und Hintergründe einer Titeländerung, in: A s s i η g : Brandenburg, Anhalt und Thüringen ( wie Anm. 10), S. 133-176 (zuerst: J B I G 46 [1995J, S. 7-45), hier S. 139-141, 143-151, 167 1., 170, 176. Annalista Saxo (wie Anm. 12), S. 590; Annales Magdeburgenses, hg. v. Georg Heinrich P e r t z , in: MG SS 16. Hannover 1859 (ND Stuttgart 1994), S. 183; Ρ a rt e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 16.
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Abb. 2: Münze des Fürsten Pribislaw-Heinrich von Brandenburg und seiner Gemahlin Petrissa (http://'wwwxihmxie/saniriilungen/gifs/saniiiilungen/kunst2/numismatik/n0()02325. jpg).
störten sie sogar seine Burg Anhalt über dem Harzer Selketal, die in dem Zusammenhang erstmals in den schriftlichen Quellen erscheint. Vermutlich im gleichen Jahr begann die königliche Kanzlei, den Askanier in von ihr ausgestellten Urkunden manchmal „Markgraf von Brandenburg" zu nennen. Möglicherweise wollte Konracl III. damit zum Ausdruck bringen, dass Albrecht auch nach clem Tode PribislawHeinrichs die Macht in Brandenburg und clem Stocloranenreich nur im Auftrag der deutschen Krone ausüben würde. Aber Albrecht der Bär - den Johannes Schultze als eine „... energische, nach Macht unci Einfluß strebende und zur Erreichung seiner Ziele auch Gewalttat nicht scheuende Persönlichkeit ..." charakterisiert 22 - plante anscheinend, das Hevellerfürstentum zum Kern einer weitgehend unabhängigen Herrschaft zu machen. Jedenfalls übernahm er den neuen Titel nicht2;>. Während Herzog Albrecht von Sachsen mit seinen Gegnern kämpfte, erfolgten weitere, wichtige Schritte zur Wiederherstellung des Bistums Brandenburg. Bischof Wigger erweiterte 1138/39 die erwähnte Marienkirche in Leitzkau und gründete dort ein Stift für Prämonstratenser. Wigger war zuvor Propst des Stiftes Unser Lieben Frauen in Magdeburg. An clem zu Beginn des 11. Jahrhunderts errichteten Kloster hatte Erzbischof Norbert von Magdeburg, der Gründer des Prämonstratenserorclens, dessen Statuten 1129 eingefühlt. Wigger verlieh clem Leitzkauer Konvent den Status eines provisorischen Domkapitels, weihte die neue Einrichtung 1140 Petrus, clem Schutzheiligen des Bistums Brandenburg, und besetzte sie mit Ordensbrüdern aus clem Magdeburger Stift 24 . Die Vogtei, also die Schutzherrschaft sowie die Ausübung der 22
Johannes S c h u l t z e : Die Mark Brandenburg. 1. Bd.: Entstehung und Entwicklung unter den askanischen Markgrafen (bis 1319). Berlin 1961 (3. Aufl. Berlin 2 0 0 i ) , S. 63.
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A s s i η g : Albrecht der Bär als marchio (wie Anm. 20), S. 157-166. K a h l : Slawen und Deutsche (wie Anm. 17), S. 112 f., 147, 155, 160.
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Gerichtsbarkeit, übernahm Albrecht der Bär, der auch Vogt des Mutterkonvents war. Offensichtlich standen auch dem provisorischen Domkapitel bereits nicht unbedeutende Mittel zur Verfügung, und man knüpfte große Erwartungen daran. Das darf man wohl beim Anblick der immer noch imposanten Reste des Neubaus der Stiftskirche in Leitzkau in einiger Entfernung von St. Peter vermuten, der von Bischof Wigger um 1142/45 begonnen und schon 1155 der Gottesmutter Maria geweiht wurde 25 . Inzwischen hatte Albrecht der Bär angesichts der Stärke seiner Gegner auf das Herzogtum Sachsen verzichten müssen, mit dem Konrad III. 1142 Heinrich den Löwen aus dem Geschlecht der Weifen belehnte. Der Graf von Ballenstedt behielt die Nordmark. Auf der Brandenburg residierte immer noch Pribislaw-Heinrich, dessen Stellung der Askanier auch nicht antastete. Er übernahm die Vogt ei der Prämonstra tenserniederlassung Jerichow gegenüber von Tangermünde, die der letzte Graf von Stade, ein Geistlicher, 1144 gegründet hatte. Auch dieser Konvent wurde mit Ordensangehörigen besetzt, die aus dem Stift Unser Lieben Frauen in Magdeburg kamen. Vermutlich erhielt Jerichow den Status eines provisorischen Domkapitels des Bistums Havelberg. Wohl um das Hevellerfürstentum vor dem Wendenkreuzzug zu bewahren, berief Pribislaw-Heinrich anscheinend spätestens kurz vor dem Aufbruch des Kreuzfahrerheeres 1147 neun Prämonstratenser aus Leitzkau nach Brandenburg. Vielleicht war er dazu auch von Bischof Wigger und Markgraf Albrecht gedrängt worden. Die Chorherren nahmen ihren Sitz an der Kirche St. Gotthardt in Parduin vor der Brandenburg 20 . Dieses Gotteshaus bestand entweder schon und war dann möglicherweise von deutschen Kaufleuten erbaut oder zumindest begonnen worden, die sich unter dem Schutz Pribislaw-Heinrichs bereits in Parduin niedergelassen hatten 27 , oder ver25
Ebd., S. 257, 170; Matthias S p r i n g e r : Die Bedeutung leitzkaus vom 10. bis 12. Jahrhundert, in: Boje E. Hans S c h m u h l in Verbindung mit Konrad B r e i t e n b o r n (Hg.): Schloß Leitzkau. Halle an der Saale 2005, S. 13-28 (= Schriftenreihe der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, 3); Jörg R i c h t e r : Prämonstratenser-Chorherren in Leitzkau und Brandenburg, in: ebd., S. 29-52. Zu den Baulichkeiten der Kirche St. Peter und der Klosteranlage St. Maria Christian S c h o l l : Die ehemalige Prämonstratenserstiltskirche St. Marien in Leitzkau, in: Matthias Ρ u h i e / R e n a t e H a g e d o r n (Hg.): Premontre des Ostens. Das Kloster Unser Lieben Erauen Magdeburg vom 11. bis 17. Jahrhundert. Oschersleben 1996, S. 57-61; Christian S c h o l l : Die ehemalige Prämonstratenserkirche St. Marien in Leitzkau. Gestalt und Deutung. Ein Beitrag zur mitteldeutschen Architektur des 12. Jahrhunderts. Berlin 1999; Reinhard S c h m i t t : Das Prämonstratenserstift Leitzkau. Beiträge zur Baugeschichte, in: Historische Bauforschung in Sachsen-Anhalt, Petersberg 2007, S. 62-121 (= Arbeitsberichte des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, 6).
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Siehe S. 85, Nr. 3. So "Wolfgang H. F r i t z e : Hildesheim - Brandenburg - Posen. Godehard-Kult und Fernhandelsverkehr im 12. Jahrhundert, in: Winfried S c h i c h (IIg ): Beiträge zur Entstehung und Entwicklung der Stadt Brandenburg im Mittelalter. Berlin/New York 1993, S. 103-130, hier S. 110-115 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 84); Joachim Μ t i l l e r : Klöster und Stifte in der Stadt Brandenburg, in: Manfred S c h n e i d e r (Hg.): Klöster und monastische Kultur in Hansestädten. Beiträge des 1. wissenschaftlichen Kolloquiums Stralsund 12. bis 15. Dezember 2001. Rahden/Westf. 2003, S. 313-334 (= Stralsunder Beiträge
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Abb. 3: Brandenburg an der Havel, Pfarrkirche St. Gotthardt in der Altstadt, Baubeginn u m oder nach 1150 (Autor: Müller).
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dankt seine Errichtung erst den nun vor der Havelfeste eintreffenden Prämonstratensern. Gotthard war Bischof von Hildesheim (1022-1038). 1131 sprach ihn der Papst heilig. Der maßgeblich von Albrecht dem Bären geführte Wendenkreuzzug 28 verschonte jedenfalls das Hevellerfürstentum, denn auch der Askanier wollte natürlich verhindern, dass sein Erbe verwüstet oder gar von anderen sächsischen Fürsten als Kreuzzugsbeute besetzt wurde. 1150 starb Pribislaw-Heinrich. Seine Gemahlin Petrissa hielt den Tod drei Tage geheim und benachrichtigte den Markgrafen. Der erschien auf der Brandenburg, ließ den Fürsten feierlich beisetzen und „Räuber und Götzendiener" aus der Feste werfen. Mit diesen Ausdrücken bezeichneten die damaligen Chronisten manchmal Slawen, die sich der deutschen Herrschaft widersetzten. Völlig problemlos vollzog sich der Machtwechsel also anscheinend nicht, von Blutvergießen ist aber keine Rede. Und es muss betont werden, dass Albrecht rund 25 Jahre auf den Erbfall gewartet hatte, ohne die Zeit gewaltsam zu verkürzen. Sicher ließ er das heidnische Triglaw-Heiligtum der Stodoranen auf dem Harlunger Berg beseitigen21·1, an dessen Stelle einige Jahre später - wohl zwischen 1157 und 1161 - der Bau der 1166 erstmals erwähnten Marienkirche^·1 begann. Bevor der Askanier die Brandenburg wieder verließ, übertrug er ihre Bewachung einer aus deutschen und slawischen Kriegern bestehenden Besatzung 31 . Den Titel „Markgraf von Brandenburg" legte er sich allerdings auch nach der Übernahme des Hevellerfürstentums nicht zu. Doch noch immer sollte die Reihe der Herrschaftswechsel auf der Brandenburg nicht beendet sein. Jaxa, ein polnischer Fürst und Verwandter Pribislaw-Heinrichs, betrachtete die Brandenburg als sein Erbe und wollte sie Albrecht dem Bären entreißen. Er bestach die von dem Askanier auf der Havelfeste zurückgelassene Mannschaft, die ihm eines Nachts die Tore öffnete, woraufhin Jaxa „mit einem großen Polenheer" in die Stodoranenresidenz einzog. Die Krieger des Markgrafen, die ihren Herrn hinter dessen Rücken verraten hatten, wurden scheinbar als Gefangene nach Polen abgeführt'' 2 .
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zur Archäologie, Geschichte, Kunst und Volkskunde in Vorpommern, 4); Heinz-Dieter I l e i m a n n / K l a u s Ν e i t m a η η / Winfried S c h i c h mit Martin B a u c h / E l l e n F r a n k e / Christian G a h l b e c k / Christian P o p p / Peter R i e d e l (I Ig..): Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 2 Bde. Berlin 2007, S. 274 (= Brandenburgische Historische Studien, 14). P a r t e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 19. K a h l : Slawen und Deutsche (wie Anm. 17), S. 345. Regesten der Urkunden und Aulzeichnungen im Domstiftsarchiv Brandenburg. Teil 1: 9 4 8 1487, bearb. v. Wolfgang S c h ö ß l e r . Weimar 1998 (künftig: S c h ö ß l e r ), Nr. 5 Ο Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 36). Zum Baubeginn der Marienkirche K a h l : Slawen und Deutsche (wie Anm. 17), S. 348 f.; Brandenburgisches Klosterbuch (wie Anm. 27), S. 307 f. Siehe S. 85, Nr. 5-7. Siehe S. 86, Nr. 8.
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Von Jaxa ist über den Quellentext hinausgehend so gut wie nichts bekannt, weder die Herkunft noch das weitere Schicksal. Wann sein Husarenstreich erfolgte, ist auch unklar. In Frage kommt der Zeitraum zwischen 1150 und 1157. Hans-Dietrich Kahl vermutete dafür das Jahr 1153, wahrscheinlicher ist jedoch, dass der polnische Magnat die Brandenburg im Frühjahr 1157 besetzte^. Meist wird er mit einem Herrscher identifiziert, der sich auf den Umschriften seiner Münzen „IACZO de COPNIC" oder ähnlich nennt. Manchmal steht auch das slawische Wort „KNES" Abb. i: Münze des Jaxa von Köpenick, oder „CNES" (Fürst) dabei 3 4 . Vermutlich (http ://d e. wikipedia. org/ w / index. saß Jaxa damals auf der Burg Köpenick php?title=Bild:BrakteatJaxa.JPG&filetimesta mp=20010601205551). und stand unter polnischer Hoheit dem Slawenstamm der Spreewanen vor. Nun sammelte Albrecht mit Unterstützung Erzbischof Wichmanns von Magdeburg und anderer sächsischer Fürsten und Edlen ein Heer, das er dann zur Brandenburg führte. Von drei Seiten aus belagerte man die Feste, allerdings nicht die Heveller, deren rechtmäßiger Herr der Markgraf 1150 durch die Entscheidung ihres letzten Fürsten im Erbgang geworden war, sondern die polnische Besatzung, die ihm sein Eigentum entrissen hatte. Es kam zu blutigen Kämpfen, in denen auch ein Neffe Albrechts in einem Kahn hei - die Angriffe mussten ja über die Havel bzw. die Burggräben vorgetragen werden. Schließlich erkannten die Eingeschlossenen die Sinnlosigkeit weiteren Widerstandes und handelten Kapitulationsbedingungen aus. Am 11. Juni 1157 konnte Albrecht der Bär wieder in die Brandenburg einziehen, wo er befahl, ein Siegesbanner aufzupflanzen 35 . Nun erst, nachdem er Erbe und - erzwungenermaßen - Eroberer zugleich war, begann der Askanier, seinen Titel mit dem alten Fürstensitz der Stodoranen zu verbinden, während die königliche Kanzlei das unter dem Nachfolger Konrads III., Friedrich Barbarossa, 1152 eingestellt hatte. In einer im Original nicht mehr erhaltenen Urkunde, die Albrecht der Bär am 3- Oktober 1157 in Werben an der Elbe in der 33
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K a h l : Slawen und Deutsche (wie Anm. 17), S. 358-368; vgl. aber dazu Lutz P a r t e n h e i m e r : Albrecht der Bär, Jaxa von Köpenick und der Kampf um die Brandenburg in der Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Neue Eolge (künftig: EBPG, Ν Ε) 1 (1991), S. 151-193, und Ρ a r t e n h e i m e r : Albrecht der Bär (wie Anm. I i), S. 1 3 2 - 1 3 1 Jürgen Μ ü l l c r : Zur Regionalgeschichte Köpenicks und Münzprägung Jakzas im 12. Jahrhundert, in: Münzen & Papiergeld. Zeitschrift für Münzen, Medaillen und Papiergeld 1 (2000), S. 19-22. Siehe S. 86, Nr. 9.
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Altmark ausfertigen ließ, nennt er sich erstmals „Markgraf in Brandenburg", wobei das „in" nur eine Marotte des Schreibers zu sein scheint, da er auch den als Zeugen auftretenden Geistlichen Walo als „Bischof in Havelberg" erwähnt·''0. In der folgenden Zeit benutzte der Askanier diese Eigenbezeichnung in der Form „Brandenburgischer Markgraf" oder „Markgraf von Brandenburg" immer häufiger, während die Nordmark aus den Quellen verschwand. Unter Albrechts Nachfolgern, Otto I. (1170-1184) und Otto II. (1184-1205), wird die besondere Bedeutung der alten Stodoranenresidenz geradezu auffallend betont. 1170 heißt es, dass sie alle anderen Landesburgen als königliche Burg, kaiserliche Kammer und Bischofssitz an Berühmtheit überrage'' 7 ; 1179 bezeichnet sie Otto I. als „Unsere Burg" 38 , 1197 Otto II. sogar als „Haupt Unserer Mark"''1·'. Wegen der endgültigen Übernahme der Havelfeste am 11. Juni 1157 und der erstmals für den 3· Oktober des Jahres überlieferten Führung des ursprünglich in Königsurkunden für ihn verwandten Titels „Markgraf von Brandenburg" durch Albrecht selbst gilt der 11. Juni 1157 als Geburtstag eines neuen deutschen Fürstentums, der Mark Brandenburg. Allerdings musste sich der Askanier die Macht in Brandenburg zunächst mit anderen teilen. Vermutlich 1158 ernannte Kaiser Friedrich Barbarossa einen „Burggrafen von Brandenburg", der wohl darauf achten sollte, dass Albrecht die Rechte des Reiches an der alten Hevellerresidenz respektierte 40 . Und am 8. September 1165 zog Bischof Wilmar von Brandenburg, der den Prämonstratenserkonvent an der St.-Gotthardt-Kirche 1161 an Stelle des Leitzkauer Stiftes zum Domkapitel erhoben hatte, mit diesem feierlich auf die Brandenburg, deren nördliche Hälfte seinen Vorgängern vom Königtum im 10. Jahrhundert eingeräumt worden war. Dort legte er am 11. Oktober des Jahres den Grundstein des heutigen Brandenburger Domes 41 . Über diese einzelnen Phasen des endgültigen Übergangs der Brandenburg unter deutsche Herrschaft im 12. Jahrhundert gibt vor allem eine Chronik Auskunft. Den „Tractatus de urbe Brandenburg" schrieb Heinrich von Antwerpen, ein um 1230 gestorbener Brandenburger Domherr (Mitglied des Domkapitels), der entweder sogar noch als (jugendlicher) Zeitgenosse einen Teil der geschilderten Vorgänge miterlebt oder doch wenigstens aus erster Hand gehört hatte. Der Text ist nicht im Original erhalten, sondern mit anderen Quellen zur sog. „Fundatio Letzkensis" zusammengestellt worden. Mit dieser vermutlich um 1295 im Stift Leitzkau verfassten Gründungsgeschichte der Leitzkauer Kirche sollten deren ältere Rechte - z.B. bei Bischofswahlen - gegenüber dem Brandenburger Domkapitel nachgewiesen werden. Auch die 36 37 38
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P a r t e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 2 1 Ebd., QA 32. ... in urbe nostra Brandeburg ... (Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem llause, bearb. v. Hermann K r a b b o , 2. Lieferung. Leipzig 1911, Nr. 130 1= Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg]). ... urbs Brandenburg, que est caput march ie nostre ... (ebd., Nr. 191). A s s i n g : Albrecht der Bär als march ίο (wie Anm. 20), S. 170 f. mit Anm. 227 f., 173. Siehe S. 86 f., Nr. 13; Brandenburgisches Klosterbuch (wie Anm. 27), S. 230.
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„Fundatio" ist nur noch in einer (zudem fehlerhaften) Abschrift aus dem Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts überliefert, die im Landeshauptarchiv SachsenAnhalts in Magdeburg liegt. Den eigenständigen Wert und die große Bedeutung des Berichts Heinrichs von Antwerpen für die brandenburgische Frühgeschichte erkannten die Forscher erst um I860. Der Traktat gilt im Wesentlichen als zuverlässig, da seine Angaben durch andere Quellen zumindest teilweise bestätigt werden. Das sind aus dem 12. Jahrhundert die um 1180 entstandenen Annalen (Jahrbücher) des Prämonstratenserstiftes Pöhlde am Südwestharz und die bis 1163 reichende Fortsetzung der Chronik des 1112 gestorbenen Sigebert von Gembloux (Kloster zwischen Brüssel und Namur), die vor 1189 in der Abtei Afflighem (zwischen Brüssel und Gent) verfasst wurde. Allerdings scheint man bei der Aufnahme des Berichts Heinrichs von Antwerpen in die Gründungsgeschichte des Leitzkauer Stiftes dessen Rolle als Ursprung des Brandenburger Domkapitels an mehreren Stellen hervorgehoben zu haben. Ein Motiv des Brandenburger Domherrn könnte auch in der Betonung der Leistungen Albrechts des Bären bestanden haben. Der Text ist nach der Edition von Georg Sello (1888) 42 vor einigen Jahren von Tilo Köhn wissenschaftlich kommentiert und mit einer Übersetzung von Lutz Partenheimer im Internet veröffentlicht worden4-^. Eine erneute Publikation des lateinischen Wortlautes nach der Abschrift im Magdeburger Archiv mit der Übertragung ins Deutsche findet sich jetzt im Quellenanhang des Buches „Die Entstehung der Mark Brandenburg" von Lutz Partenheimer. Nur vier Ereignisse werden bei Heinrich von Antwerpen mit einem Tagesdatum übermittelt. Das sind der Tod Bischof Wiggers, der Umzug des Domkapitels, die Grundsteinlegung des Domes und die Wiedereinnahme der Brandenburg durch Albrecht den Bären. Die Erwähnung dieses Tages zeigt wohl, dass die endgültige Eroberung des alten Fürstensitzes der Heveller für den Chronisten auch geraume Zeit später noch eine große Bedeutung besaß und der Nachwelt als wichtiges Datum überliefert werden sollte. Post annorum transitum spe [ S E L L O : sepe 1 nascitur questiopreteritorum, si res ipsa non fuerit scribentis testimonio confirmata. Henricus itaque clictus de Antwerpe, sub Alvricoprepositoprior in Brandenburg, qualiter urbs Brandenburg, primum expulsis in de Sclavis, modo teneatur α Christianis, et quod San eti [ S E L L O : S J Petri ecclesia eiusdem urbis sit filia Sancte [ S E L L O : S J Marie in Liezeka, sicut cunctis legentibus in sequent! patet pagina, cum esset ephebus, dictavit ita scribens:
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lleinrici de Antwerpe, Can. Brandenburg., Tractatus de urbe Brandenburg, neu hg. u. erläutert v. Georg S e l l o , in: 22. Jahresbericht, lieft 1, des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel. Magdeburg 1888, S. 3-35; danach auch (mit Übersetzung) bei Winfried S c h i c h / Jerzy S t r z e l c z y k : Slawen und Deutsche an Havel und Spree. Zu den Anfängen der Mark Brandenburg. Hannover 1997, S. 34—41 (= Studien zur internationalen Schulbuchforschung. Schriftenreihe des Georg-Fxkert-Tnstituts 82/B IV: Deutsche und Polen - Geschichte einer Nachbarschaft. Handbuch für Geschichtslehrer. Teil B/IV).
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http://golm.rz.uni-potsdam.de/hva/edition.html.
D E R 11. J U N I 1 1 5 7 UND SEINE B E D E U T U N G EÜR B R A N D E N B U R G
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1. Innumeris annorum circulis ab urbe Brandenburg condita temporibus paganorumprincipum misere sub paganissimo [SELLO: paganismo] evolutis, Henricus, qui sclavitie [SELLO: sclavice1 Pribeszlaus, Christiani nominis cultor, ex legittima parentele sue successione hiiius urbis ac tocius terre adiacentis tandem deo annuente sortitus est principatum. In qua urbe idolum detestabile tribus capitibus honoratum a deceptis hominibus quasi pro deo celebratur [SELLO: celebrabatur1. 2. Princeps itaque Henricus populum suum spurcissimo Idolatrie ritui deditum summe detestans omnimodis ad deum convertere studuit· et cum [SELLO: E i n s c h u b von ..non"1 haberet heredem, marchionem Adelbertum sui principatus instituit successorem, filiumque eins Ottonem de sacro baptismatis fonte suscipiens totam Zcucham, terrain videlicet meridionalem Obule, morepatrini ei tradidit. 3. Procedente vero tempore multis sibi Teutonicis principibus in amicicia fidel iter copulatis, idolatriis repressis et latronibus aliquantulum extinctis, cum haberet requiem per circuitum, cum Patrissa sua filia [SELLO: Petrissa sua1 coniuge optatapace deo devote militavit. Illustris itaque rex Heinricus ecclesie Beati [SELLO: b.J Petri, apostolorum principis, canonicos ordinis Premonstratensis in villa Liezeke con stit litis ( n i c h t : constituti, w i e S e l l o l a s ) [SELLO: constitutosl videlicet Wigger um [SELLO: Wigbertum], Walterum, Geranium, Johannem, Fliquinum [SELLO: Riquinum], Sigerum, Hilderadum, Moisen et Marti mim, assumptis secum libris de Liezeka et preparamentis, calicibus, apparatu esc arum et summa pecunie ad faciendum conventum in Brandenburg, auxilio et consilio, hortatu et opere domini Wiggeri episcopi Brandenburgensis, fundatoris ecclesie Beate [SELLO: FEJ Marie virgin is in monte Liezeka, de villa Liezeka primum vocavit, eosque in ecclesia Sancti [SELLO: Godehardt in suburbio Brandenburg collocavit, ipsisque ad quottidianum victum in [SELLO: eß vestitum ex habundancia sua largepredia tradidit. 5 . Cum iam vero, senio confectus, deficere inciperet, iixorem suam, [SELLO: E i n schub von ..quod "1 march ioni Adelberto urbem Brandenburg post mortem suam promiserat, fideliter commonuit. Porro febribus aliquamdiu correptus etpregravatus, fidel iter, lit speramus, in domino obdormivit. 6 . Vidua igitur ipsius, non immemor monitis et novissimis [SELLO: moniti novissimi. dann Einschub von „et malleus"1. cum sciretpopulum terre ad colenda iclolaprontim, Teutonicis terrain tradere, quam prophano idolorum ciiltui ultra consentire, sapientibus usa consiliis maritum suum iam triduo mortuum ntillo scientepreferfamiliarissimos suos inhumatum observavit, et marchionem Adelbertum, quem sibi heredem instituerat, lit urbem suscepturus veniret, rem gestam indicans advocavit. 7. Qui festin ans in manu valida armatorum iuxta condictum veniens, urbem Brandenburg velut hereditaria successione possedit, et prefati defined exequias multorum nobilium obsequio iuxta magnificenciam principis honorifice celebravit. Ldeo march io Aclelbertus libera re mm suarum disponendarum facilitate potius [SELLO: potitus], paganorum scelere latrocinii notatos et immun die ie idolatrie infectos urbe expulit ac bellicosis viris Teutonicis et Sclavis, quibusplurimum confidebat, custodiendam commisit.
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8. Ubi autem huiusmodi fama, qua nullum malum velocius, in auribus Saxzonis Jaczonis] in Polonia tunc principantis. avunculi supradicti nobilis sepulti, percrepuit. permaxime de morte nepotis sui doluit, et quia proximo linea consanguinitatis defuncto iunctus erat, petpetuo se de urbe exhereditatum considerans miserabiliter ingemuit. Verum tempore brevi elapso inhabitantibus urbempecunia comiptisproditain ab eis nocturno silencio cum magno exercitu Polonorum, reseratis amicabiliter portis castri, intravit et homines marchionis, qui urbem tradiderant, in Poloniam ducens simulatorie captivavit. 9. Quo audita marchio Adelbertus, α iuventute sua in hello strennue exercitatus, quid facto opus esset, extemplo consideravit, et expedicionem edice η us (oder: editenus) [SELLO: edicens1 ope et industria do mini Wichmanni, in Magdeburg tunc metropolitan7, in. [SELLO : eß aliorumprincipum ac nobilium copiosum exercitum congregavit, et die conclicto fortium pugnatorum vallatus auxilio ad urbem Brandenburg sibi [SELLO: Einschub von „a"] Sackzone [SELLO: Jaczone1 supplantatam quantocius [SELLO: Einschub v o n ..duxit" 1 ac tribus in locis circa earn dividens longo tempore propter municionem loci earn obsedit, sedpost hine inde sanguinis effusionem, cum hie, qui in urbe erant, cernerent se nimis angustiatos, nee posse evndere manus adversancium, condicionefirmata dextris sibi datis marchioni coacti reddiderunt. Anno igitur dominice incarnacionis MCLVIII TSELLO: 11571. III. idus Junii (11. Juni), predictus march io divina favente clemencia urbem Brandenburg victoriosissime reeepit, ac cum multo comitatu letus introiens erecto in eminenciori loco triumphali vexillo, deo laudes, qui sibi victoriam de hostibus contulerat, meritopersoh'it. [SKLLO:
12. Hinc est quod post reeepeionem supradicte urbis annis octo inde elapsis Wiltnarus, XIII. [SELLO: tercius deeimus] Brandenburgensis episcopus. omnimodis sedem cathedralem exaltare et urbem contra insidias inimicorum munire desiderans, prolixa deliberacione propria et coepiscoporum suorum neenon et Adelberti marchionis filiorumque eins consilio canonicos ordinis Premonstratensis ab ecclesia Sa η eti [SELLO: S J Petri, apostolorumprineipis, in liezeka transmissos, qui in ecclesia Sancti [SELLO: S J Godehardt in suburbia Brandenburg in diebus Ulis obeclienter et religiose neenon conformiter matri sue, ecclesie Beate [SELLO: bj Marie virginis in liezeka, degebant. unde originem assumpserant. cleri solemni processione populique prosecucione in supradictam urbem ex consensu matris sue liezeka transponens in sedem episcopii su i VI. idus Septembris (8. September 1165) satis provide collocavit, eisque villas Gorzelicz, [SELLO: Einschub v o n ..Bultiz"1.Muselticz. Bukowe. Gorne. Rytz [SELLO: Kic\ ut benivolos ad transmeandum faceret, contulit, quatenus elimatis [SELLO: eliminatis1 idolorum spurciciis deo laudes inibi incessanter agerentur, ubi an tea per multa annorum milia inutiliter [SELLO: Einschub v o n ..demoniis"1 serviebatur. (Bis auf Gorne liegen diese Dörfer - und die Wüstung Bultiz bei Garlitz - nördlich v o n Brandenburg, südlich v o n Nennhausen, das sich östlich v o n Rathenow befindet.). 13. Eodem siquidem annoprefatus episcopus Wilmarus. bonum ineeptum meliori fine consumare [SELLO: consummare1 disponens, basilic am Beati [SELLO: b_J Petri apos-
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toli, fundamento XXIIII [SELLO: 24\ pedum supposito, V. idus Octobris ill. Oktober 1165), in nomine domini nostri Jhesu Christi devotusfundavit. Explicit tractus [SELLO: tractatus1 de urbe Brandenburg, qualiter de gentilitate ad Christianitateni converse, est, acpostmodum a Sackone [SELLO: /aczonel principe Polonie nocturno [SELLO: Einschub von ..silencio"1 supplantata, sed tandem a marchione Adelberto dintina obsidione requisita. Betrachtet man die blutrünstigen Schilderungen im Aufruf zum Slawenkreuzzug von 1108 44 oder die Berichte über die Verwüstungen während des dann tatsächlich unternommenen Wendenkreuzzuges im Jahre 11474"\ gewinnt man den Eindruck einer äußerst aufgeheizten und gewalttätigen Atmosphäre. Es wurde aber bereits darauf hingewiesen, dass das Hevellergebiet davon verschont blieb. Offenbar sorgte die Erbvereinbarung zwischen Albrecht dem Bären und Pribislaw-Heinrich dafür, dass die letzten Jahrzehnte stodoranischer Eigenständigkeit relativ friedlich verliefen, wenn man von der durch den polnischen Magnaten erzwungenen Belagerung 1157 absieht. Obwohl die unter Markgraf Udo III. von der Nordmark 1100/01 eroberte Havelfeste 46 wohl bald darauf wieder in slawische Hand gefallen war - und trotz der Ermordung Meinfrieds 1127 47 - , scheint es vermutlich nicht lange nach 1100 ein eher friedliches Nebeneinander von Slawen und Deutschen nicht nur auf der politischen Ebene gegeben zu haben. Darauf deuten zahlreiche Indizien hin, z.B. die Beherrschung des heidnischen Volkes durch zwar einheimische, aber bereits getaufte Fürsten. Schon im 11. Jahrhundert hatten die Stodoranen offenbar christliche Beerdigungssitten übernommen: So fanden sich Körperbestattungen ohne Beigaben in Reihengräberfeldern, wobei die Verstorbenen mit Blick gen Osten beigesetzt worden waren. Außerdem ist die Anwesenheit deutscher Siedler bei der Brandenburg über mindestens zwei Generationen vor 1150 und die kontinuierliche Weiternutzung slawischer Siedlungen zu verzeichnen. Im engeren Raum um den Fürstensitz auf der heutigen Dominsel gab es bereits unter dem letzten Hevellerherrscher einige von deutschen Einwanderern bewohnte Flächen. Dabei handelte es sich zum einen um die Vorburgsiedlung (Alt) Parduin (in der späteren Brandenburger Altstadt), die mit St. Gotthardt immerhin schon eine Kirche besaß - falls deren Bau nicht erst durch die spätestens kurz vor dem Wendenkreuzzug von 1147 aus Leitzkau gekommenen Prämonstratenser begonnen wurde. Südlich dieses Gotteshauses erstreckte sich die Siedlung mit wohl teilweise kaufmännischem Charakter zum Havelufer hin. Eine weitere Anlage war das „Deutsche Dorf" in der heutigen Brandenburger Neustadt. In deren Gebiet gibt es außerdem noch für den Raum nördlich und östlich der Katharinenkirche einige archäologische Anhaltspunkte für eine eventuelle Anwesenheit deutscher Siedler bereits vor 1150.
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Siehe Anm. 13.
15 16 47
Siehe Anm. 28. Siehe Anm. 12. Siehe Anm. 21.
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Abb. 5: Brandenburg an der Havel, D o m St. Peter und Paul, Grundsteinlegung 1165 (Autor: Müller).
Für den Bereich alltäglicher Gebrauchsgegenstände, z.B. der Keramik, zeigen die Fundstücke ebenfalls eine gewisse Annäherung ' 8 . In der archäologischen Forschung häufen sich solche Ergebnisse in den letzten Jahren derart, dass Sebastian Brather in seinem Grundsatzwerk über die Slawen kürzlich so weit gegangen ist, die Thesen von Spannungen zwischen Slawen und Deutschen sowie von einer Verdrängung der Einheimischen durch die Neuankömmlinge völlig abzulehnen ' 9 .
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Joachim M ü l l e r : Das Dorf in der Stadt - vom Dorf zur Stadt. Erühe deutsche Agrarsiedlungen als Vorgänger der Altstadt und Neustadt Brandenburg, in: Historischer Verein Brandenburg (Havel): 14. Jahresbericht ( 2 0 0 4 - 2 0 0 5 ) . Brandenburg an der Havel 2005, S. 3 6 - 5 1 ; auch in: Eelix Β i e r m a η η / Günter M a n g e l s d o r f (Hg.): Die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters in Nordostdeutschland. Untersuchungen zum Landesausbau des 12. bis I i. Jahrhunderts im ländlichen Raum. Beiträge einer interdisziplinären Tagung des Lehrstuhls für Ur- und Frühgeschichte der Universität Greifswald, 16. und 17. April 2001. Frankfurt am Main 2005, S. 2 1 3 - 2 5 1 (= Greifswalder Mitteilungen. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie, 7).
19
Sebastian B r a t h e r : Archäologie der westlichen Slawen. Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im früh- und hochmittelalteiiichen Ostmitteleuropa. Berlin/New York 2001 ( = Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Ergänzungsbd. 30). Vgl. da/u aber die Hinweise der schriftlichen Quellen, aus denen hervorgeht, dass Slawen im 12./13. J h . teilweise doch „vertrieben oder in Gebiete abgedrängt (wurden), die den Siedlungswünschen deutscher Bauern nicht entsprachen." (Helmut A s s i n g : Zu den Beziehungen zwischen Slawen und
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Im Bereich der ehemaligen Havelfeste und ihrer Umgebung erfolgten nach der endgültigen Übernahme der Brandenburg durch den Markgrafen, der Einsetzung des Burggrafen und der Rückkehr des Bischofs umfassende Strukturveränderungen. Das betrifft einerseits die erneute Abtrennung der Domimmunität. Andererseits hat man Kietze angelegt und wohl slawische Bewohner in diese Dienstsiedlungen umgesetzt. Abgesehen von der Petrikapelle vor dem Dom, die anscheinend an der Stelle der alten Burgkapelle Pribislaw-Heinrichs steht, ist vom Aussehen der markgräflichen Burg in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts trotz zahlreicher Grabungen fast nichts bekannt. Vermutlich zwischen 1157 und 1161 hatten wohl Bischof Wigger von Brandenburg und Markgraf Albrecht an der Stelle des wahrscheinlich von diesem 1150 zerstörten slawischen Triglaw-Heiligtums auf dem Harlunger Berg mit der Errichtung der 1166 erstmals erwähnten Marienkirche beginnen lassen 5 ", eine übliche Maßnahme, um einen heidnischen Ort christlich umzuwidmen. Hier entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten eine rege Wallfahrt. Um 1170 gründete offenbar der Markgraf die Siedlung Luckenberg, deren anspruchsvolle Nikolaikirche darauf hindeutet, dass dort möglicherweise eine Stadt entstehen sollte 51 . Der Bau gehört zu den frühesten Backsteinkirchen der Mark, die heute - mehr als 700 Jahre nach der Auflassung Luckenbergs (1295) - vor dem südwestlichen Tor der Altstadt liegt",2. Der nähere Bereich um die Brandenburg besaß somit bereits gegen 1170 mindestens fünf steinerne Gotteshäuser, die mit Ausnahme der Marienkirche alle noch stehen. Das sind (in der Reihenfolge des vermutlichen Baubeginns) die Petrikapelle, St. Gotthardt, St. Marien, der Dom und St. Nikolai.
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Deutschen in der frühen Mark Brandenburg 112./13. Jahrhundert!. Gedanken nach der Lektüre des Buches „Das Havelland im Mittelalter", in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus [künftig: JGFJ 14 11990], S. 181-209, hier S. 194-202, das Zitat S. 202). S. Anm. 30. Winfried S c h i c h : Zur Genese der Stadtanlage der Altstadt und Neustadt Brandenburg, in: d e r s . (11g.): Beiträge (wie Anm. 27), S. 51-101, hier S. 86; Helmut A s s i n g : Die Anfänge der Neustadt und ihre Eingliederung in die frühdeutschen Siedlungsveränderungen in Brandenburg, in: 1196-1996. 800 Jahre Neustadt Brandenburg a. d. II. Festschrift. Zum SOOjährigen Jubiläum der Neustadt Brandenburg an der Havel, hg. v. der Stadt Brandenburg an der Havel und dem Historischen Verein Brandenburg (Havel). Brandenburg an der Havel 1996, S. 10-29, hier S. 18, 21. Thomas D r a c h e n b e r g : Die Nikolaikirche zu Brandenburg: Baugeschichtliche, stilistische Einordnung und die Frage nach dem Ursprung des märkischen Backsteinbaus. Diplomarbeit (Manuskript), Humboldt-Universität zu Berlin, Sektion Kunstwissenschaften, Bereich Kunstgeschichte. Berlin 1989; Joachim M ü l l e r : Wege ins Mittelalter. Die mittelalterliche Kirchenlandschaft der Stadt Brandenburg an der Havel, in: Gott und die Welt. Kirchen in den historischen Stadtkernen, hg. v. der Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen" des Landes Brandenburg. Berlin 2005, S. 58-67; Joachim M ü l l e r : Die mittelalterlichen Pfarrkirchen der Stadt Brandenburg an der Havel, in: Felix Β i c r m a η η / Manfred S c h η e i d e r / Thomas T e r b e r g e r (Hg.): Pfarrkirchen in den Städten des Ilanseraums. Beiträge eines Kolloquiums vom 10. bis 13. Dezember 2003 in der Hansestadt Stralsund. Rahden/Westf. 2006, S. 253-274 (= Archäologie und Geschichte im Ostseeraum, 1).
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Überhaupt vermitteln sowohl der historische als auch der archäologische Befund für die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts das Bild einer äußerst dynamischen Entwicklung: Der vermutlich 1158 von Kaiser Friedrich Barbarossa eingesetzte Burggraf von Brandenburg 5 3 gründete bald darauf die Siedlung (Neu) Parduin als Marktort. Den baute er um 1170 zur Stadt aus, wahrscheinlich verbunden mit der Erweiterung der Siedlungsfläche um den späteren Altstädtischen Markt. Bestrebungen des Markgrafen, auf diesen Prozess Einfluss zu nehmen, hatten zunächst wenig Erfolg. Daher beantwortete er die Erhebung Neu Parduins zur Stadt durch seinen Konkurrenten mit der Gegengründung Luckenberg. Nordwestlich des „Deutschen Dorfes" errichtete anscheinend Markgraf Otto II. wohl zwischen 1184 und 1196 die Neustadt Brandenburg, deren Name und Ausrichtung zunächst einen Bezug auf die Burg vermuten lassen, da die Bezeichnung „Altstadt Brandenburg" erst einige Jahrzehnte nach der Errichtung der 1196 zuerst erwähnten Neustadt auftaucht 54 . Um 1200 sind Alt- und Neustadt vermutlich gleichzeitig großzügig und planmäßig neu angelegt worden. Zu dieser Zeit war offenbar auch die Altstadt endgültig von der burggräflichen Herrschaft unter die Hoheit des Markgrafen geraten, denn die Kraft zu solchen, für mittelalterliche Verhältnisse gewaltigen Siedlungsveränderungen dürfte wohl nur der Landes- als Stadtherr besessen haben 5 5 . Ein großer Teil der Gestalt beider Städte geht auf diese Maßnahmen zurück: äußerst geräumige Marktplätze, Straßen, Großparzellen entlang der Hauptstraße und Marktplätze, zentrale Pfarrkirche und Kirchhof, eine auf großen Zuwachs angelegte Stadtbefestigung, nicht zuletzt auch äußerst umfangreiche Maßnahmen zum Ausbau der Verkehrsverbindungen, Anlage des Mühlenstaus u.a.m. Wie man das aus anderen Städten kennt, muss es auch in den beiden Städten Brandenburg eine regelrechte Gründungsphase gegeben ha53 54
S. Anm. iO. Siehe die unter Anm. 51 genannten Arbeiten, da/u Helmut A s s i n g : Neue Überlegungen zur Entstehung der Altstadt Brandenburg, in: d e r s . : Brandenburg, Anhalt und Thüringen (wie Anm. 10), S. 63-76 (zuerst: Evamaria E n g e l / K o n r a d Ε r it ζ e / J o h a n n e s S c h i l d h a u e r illg.l: Hansische Stadtgeschichte - Brandenburgische Landesgeschichte. Eckhard Müller-Mertens zum 65. Geburtstag. Weimar 1989, S. 15-28 (= Hansische Studien, 8; Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, 261; Joachim M ü l l e r : Brandenburg an der Havel. Das mittelalterliche Straßennetz der Altstadt und der Neustadt Brandenburg, in: "Warentransport im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Transportwege - Transportmittel - Infrastruktur (Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit [künftig: MDGAMNl 11 120031), S. 97-106; Joachim M ü l l e r : Auf der Suche nach der geplanten Stadt. Untersuchungen zum Grundstücksnetz der Altstadt und Neustadt Brandenburg, in: Die vermessene Stadt. Mittelalterliche Stadtplanung zwischen Mythos und Befund (MDGAMN 15 [20011), S. 82-90; Joachim M ü l l e r : Die deutsche Machtübernahme 1150/57 auf der Brandenburg im Spiegel der Siedlungstopografie des 12. Jahrhunderts. Historisches Ereignis und archäologischer Befund, in: Historisches Ereignis und archäologischer Befund (MDGAMN 16 L2005D, S. 120-127.
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S c h i c h : Zur Genese (wie Anm. 51), S. 82, meint hingegen, dass die Markgrafen erst nach dem Verschwinden des Brandenburger Burggrafen in den dreißger Jahren des 13. Jh. „in den vierziger Jahren Maßnahmen zur Förderung der in ihrer Entwicklung stagnierenden Altstadt" einleiteten.
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Abb. 6: Brandenburg an der Havel, Luftbild der Neustadt mit Katharinenkirche v o n Südwesten. Im Hintergrund links die Altstadt mit Kirche St. Gotthardt, im Hintergrund Mitte der D o m (Autor: Jürgen l l o h m u t h / zeitort.de).
ben, in der ein Lokator im Auftrage des Stadtherrn erhebliche Vorleistungen bei den Bauten und der Infrastruktur organisierte. Offenbar wurden die neuen Bewohner der sich ausdehnenden Siedlungen aus westlichen Gegenden angeworben. Indizien weisen auf Nordwestdeutschland und Flandern. Direkte historische Nachrichten zu diesen Vorgängen fehlen zwar, doch die verblüffende Ähnlichkeit beider Städte und die Ergebnisse zahlreicher archäologischer Grabungen lassen kaum eine andere Deutung Was hier gegen 1200 regelrecht „aus dem Boden gestampft" wurde, waren zwei mittelalterliche Musterstädte, die nach den Maßstäben ihrer Zeit hochmodern und mit anderen prosperierenden Städten in Westfalen oder z.B. auch mit Lübeck durchaus zu vergleichen sind. Die Doppelstadt Brandenburg, dabei die Neustadt zunehmend dominierend, bildete das ganze Mittelalter hindurch den wichtigsten städtischen Kern der Mark Brandenburg. Im 13. Jahrhundert erfolgte eine ganze Welle von Stadtgründungen an strategisch günstigen, meist schon zuvor besiedelten Stellen. Die Errichtung einer Kirche, eines Marktes sowie eines mehr oder weniger regelmäßigen Straßen- und Parzellennetzes gehörte ebenso zur Grundausstattung wie die Stadtbefestigung. Sicherlich geschah dies nicht selten nach dem Muster der beiden Städte Brandenburg, deren Stadtrecht auch Berlin erhielt. Als zentrale technische Einrichtungen der Infrastruktur baute man
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in sehr großem Umfang u.a. Mühlendämme und Brücken, in Brandenburg z.B. die Vorgänger von Grillendamm und Hohmeyenbrücke. Der Markgraf der nach Geros Tod (965) von Kaiser Otto I. geschaffenen Nordmark verwaltete das Gebiet im Auftrag des deutschen Königs. Infolge des Wendenaufstandes von 983 ging den Sachsen diese zum allergrößten Teil östlich der Elbe liegende westslawische Region verloren. Tatsächlich unter der Gewalt des Markgrafen blieben vermutlich nur die Reichsburgen in der Altmark, wie Werben, Arneburg, Tangermünde, Kalbe, Osterburg und die Hildagesburg 50 . Auch Albrecht der Bär, seit 1134 (letzter) Markgraf der Nordmark, konnte sie in ihrer im 10. Jahrhundert festgelegten Ausdehnung weder mit dem Wendenkreuzzug von 1147 noch durch die Übernahme der Brandenburg und des von ihr beherrschten Hevellerfürstentumes 1150 bzw. 1157 wiederherstellen. Östlich der Elbe befanden sich selbst jetzt nur Gebiete um Havelberg und Brandenburg sowie die Zauche unter seiner Kontrolle. Darüber hinaus hatte Albrecht beim Wendenkreuzzug neben dem Havelberger Raum vermutlich das Retschanenland um Gransee, Zehdenick, Lychen und Templin besetzen können"' 7 . Da die Brandenburg ungeachtet des Erbfalls von 1150 seit dem 10. Jahrhundert als Reichsburg galt, deren nördliche Hälfte von der Krone zudem dem Brandenburger Bischof eingeräumt worden war, musste der Markgraf dort die Macht auch noch mit dem wohl 1158 vom Kaiser eingesetzten königlichen Burggrafen und dem 1165 zurückgekehrten Bischof teilen. Die Zauche als Patengeschenk des letzten Hevellerfürsten an Albrechts ältesten Sohn Otto betrachteten die Askanier allerdings als Eigengut (Allod). Um die Helfer bei der Wiedereroberung der alten Havelfeste im Jahre 1157 zu belohnen, war der Markgraf außerdem gezwungen, zunächst selbst Abschnitte seines Erbes zu opfern. So erhielt Erzbischof Wichmann von Magdeburg vermutlich die östlichsten Burgen des Stodoranenreiches, Spandau und Potsdam 58 . Inzwischen hatten sich in verschiedenen Gebieten der alten Nordmark auch noch kleinere deutsche Adelsgewalten - offenbar teilweise während des Wendenkreuzzuges 59 - und größere Konkurrenten wie die Fürsten von Mecklenburg und die von Pommern, die Herzöge
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Wolfgang Ρ ο d e h 1: Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg. Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung von Altmark, Neumark und Havelland. Köln/Wien 1975, S. 2 6 - 2 9 (= MDL', 76). Lieselott Ε η d e r s : Hochmittelalterliche Herrschaftsbildung im Norden der Mark Brandenburg, in: JOE 9 (1985), S. 19-52, hier S. 29-50; d i e s . : Die Uckermark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Weimar 1992, S. 3 1 - 3 1 ^ V e r ö f fentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, 28). Zum Wendenkreuzzug jetzt Ρ a rt e n h e i m e r : Albrecht der Bär (wie Anm. I i), S. 102-107. Helmut A s s i n g : Die Anfänge deutscher Herrschaft und Siedlung im Raum Spandau-Potsdam-Berlin während des 12. und 13· Jahrhunderts, in: d e r s . : Brandenburg, Anhalt und Thüringen (wie Anm. 10), S. 103-131 (zuerst: EBPG, NE 3 Γ19931, S. 1 - 3 1 ) . Die entsprechenden Literaturangaben bei P a r t e n h e i m e r : Albrecht der Bär (wie Anm. 14), Endnoten 753, 755-760, 897, 906.
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von Polen und die wettinischen Markgrafen von Meißen und der Lausitz festgesetzt. Die junge Mark Brandenburg ging also nur aus Teilen der Nordmark hervor. Mit dem Wechsel des Titels (aber erst nach der Wiedereroberung) wollte Albrecht der Bär offenbar zum Ausdruck bringen, dass er sein neues, ererbtes und dann - erzwungenermaßen (!) - zurückgewonnenes Fürstentum nicht mehr als Amtsträger des Königs, sondern aus eigener Machtvollkommenheit zu regieren beabsichtigte 0 0 . Das Jahr 1157 bildet demnach als Geburtsjahr der Mark Brandenburg tatsächlich das markante Ausgangsdatum für die Bildung eines so bisher nicht bestehenden, in der Folge aber sehr stabilen Territoriums. Das neue Fürstentum kristallisierte sich aus der Menge aller von Albrecht dem Bären beherrschten Lande allerdings erst nach dessen Tod am 18. November 1170 deutlicher heraus. Am 16. August dieses Jahres hatte der alte Markgraf noch an der Weihe des Havelberger Domes teilgenommen 6 1 . Beigesetzt ist er wahrscheinlich neben seiner l l 6 0 verstorbenen Gemahlin Sophia, die vermutlich aus dem Hause der Grafen von Winzenburg (bei Hildesheim) stammte. Beide ruhen im erhaltenen Westbau der verschwundenen Klosterkirche auf dem Schlossberg zu Ballenstedt im Harz. Noch Albrecht der Bär hatte begonnen, neue B e w o h n e r in die meist nur dünn besiedelten slawischen Lande zu holen. Sie kamen aus der Altmark, den askanischen Stammbesitzungen zwischen Harz und Mulde, Niedersachsen, aber auch vom Rhein, aus Holland und Flandern, damals zumindest teilweise zum deutschen Königreich gehörenden Gebieten. Holländer kehrten ihrer von heftigen Sturmfluten geplagten Heimat den Rücken und siedelten sich noch zu Lebzeiten Albrechts des Bären im Havelberger Raum an, w o sie ihre neuen Wohnstätten durch Deiche an Elbe und Havel schützten 02 . Beim Tode des Askaniers erhielt der älteste Sohn Otto I. 1170 die Mark Brandenburg, während seinen Brüdern die anderen Besitzungen der Dynastie zufielen: Hermann bekam als Graf von Weimar-Orlamünde die thüringischen Güter des Vaters. Bernhard, der jüngste, wurde Graf von Aschersleben und von Anhalt und empfing damit die askanischen Stammlande zwischen Harz und Mulde. Ab 1172 nannte die königliche Kanzlei Otto I. und dessen Nachfolger wieder - und nun immer - „Markgraf von Brandenburg" oder „Brandenburgischer Markgraf", so dass die junge Mark auch reichsrechtlich als ein neues Fürstentum im Lehnsverband des deutschen Reiches anerkannt war. Im Jahre 1180 gründete Markgraf Otto I. mit Lehnin das älteste Kloster der Mark, denn Ballenstedt mit dem bisherigen Hauskloster der Askanier lag ja in den seinem Bruder Bernhard zugewiesenen Teilen der Hinterlassenschaft ihres Vaters. Der Markgraf wählte hierfür Mönche des Zisterzienserordens, wie es Erzbischof Wichmann von Magdeburg 1170 im Falle des Klosters Zinna bei Jüterbog getan hatte. Die häufig an entlegenen Stellen errichteten Klöster bildeten nicht nur Vorposten der Christiani60 61 62
A s s i n g : Albrecht der Bär als march ίο (wie Anm. 20), S. 172-175. P a r t e n h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 30. Ebd., QA 30 1.
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sierung und Kirchenorganisation, sondern auch Herrschaftsstützpunkte ihrer Stifter und Vögte in bislang noch ungesicherten Grenzregionen und waren in gewissem allerdings oft überschätztem - Maße „Musterbetriebe" in der Intensivierung der Landwirtschaft, vor allem beim gewinnbringenden Fernhandel mit Getreide 63 . Nach einer ersten Phase des deutschen Siedlungsbeginns in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts entstand ab etwa 1200 ein flächendeckendes Netz von Dörfern, z.B. auf den Hochflächen des Teltow und des Barnim. Neueste Grabungen zeigten, dass sie systematisch parzelliert und vielfach sogar von einer Befestigung umgeben waren. Fast jeder Ort erhielt eine Feldsteinkirche. Die durch Rodung angelegten Ackerfluren brachten infolge der Dreifelderwirtschaft und der Streifenfluren einen gegenüber der slawischen Wirtschaftsweise deutlich gesteigerten Ertrag 04 . Die einheimische Bevölkerung wurde dabei gelegentlich verdrängt, meist aber unter deutscher Führung in den Landesausbau einbezogen. Die Leitung solcher Prozesse oblag vielfach sogenannten Ministerialen, ursprünglich unfreien Dienstmannen der Askanier - häufig aus der Altmark - , von denen nicht wenige im 13- Jahrhundert durch die erfolgreiche Wahrname der genannten Aufgaben als Ritter in die unterste Adelsschicht aufsteigen konnten. Zu ihren in oder neben den Dörfern angelegten Höfen gehörten etwa vier bis sechs Hufen abgabenfreies Ackerland. Der Markgraf stützte sich auf das Aufgebot der adligen Vasallen sowie der Ministerialen und setzte meist aus der Menge der Dienstmannen stammende Vögte zur Landesverwaltung ein. In den Siedlungen standen Schulzen an der Spitze, die in der Regel im Falle der Städte aus der Bürgerschaft, bei den Dörfern aus der Gemeinde der Bauern kamen. Nach der Mitte des 13- Jahrhunderts in den Quellen erscheinende Räte als Gremien der Selbstverwaltung begannen die Rechte der Vögte und Schulzen in den Städten einzuschränken. Die deutschen Bauern waren in der Regel persönlich frei. Sie hatten nur geringe, häufig gar keine Arbeitsdienste für ihren Grundherrn zu leisten. Das war der Markgraf oder ein Ritter, der das Dorf ganz bzw. teilweise von den Askaniern zu Lehen trug. Auch Bischöfe, Domkapitel und Klöster gehörten zu den Grundherren. Diese erhielten von ihren Bauern Abgaben. Das war in erster Linie der Grundzins. Außerdem mussten die Bauern den Zehnten an die Kirche entrichten. Davon bekam der Bischof zwei, der Dorfpfarrer ein Drittel. Bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts
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Brandenburgisches Klosterbuch (wie Anm. 27). Helmut A s s i η g : Herrschaftsbildung und Siedlungspolitik in Teltow und Barnim während des 12. und 13. Jahrhunderts. Ein Diskussionsbeitrag, in: d e r s . : Brandenburg, Anhalt und Thüringen (wie Anm. 10), S. 5-31 (zuerst: JGE 9 119851, S. 53-80); Ellen Ε r a η k e / Winfried S c h i c h : Die Besiedlung des Barnim im 13. Jh. auf der Grundlage verschiedener Quellengattungen, in: B i e r m a n n / M a n g e l s d o r f (1 Ig.): Die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters (wie Anm. 18), S. 227-212; Sebastian B r a t h e r : Ilochmittelalterliche Siedlungsentwicklung und ethnische Identitäten - Slawen und Deutsche östlich der Elbe in archäologischer und siedlungsgeographischer Perspektive, in: ebd., S. 29-38; Eelix B i e r m a n n : Das geplante Dorf - Ortsbefestigungen und Parzellierungen in Dörfern der Ostsiedlungszeit, in: ebd., S. 91-120.
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machten die Askanier den Bischöfen von Brandenburg aber in den östlichen Regionen der sich ausdehnenden Mark den Zehnten streitig. 1237 endete der Zwist durch den im folgenden Jahre beurkundeten Merseburger Vertrag mit einem Kompromiss 05 . Zu Zins und Zehnt trat noch die Bede, eine von den Markgrafen bei besonderem Geldbedarf „erbetene" Steuer. Meist besaßen die deutschen Bauern ihre Höfe mit einer Hufe oder zwei Hufen nach Erbrecht. Die vielfach rechtlich schlechter gestellten Slawen lebten häufig in „Kietzen" genannten Dienstsiedlungen bei den Burgen oder als sog. „Kossäten" mit etwas Gartenland ohne eigene Hufen in den Dörfern, w o sie vielleicht zusätzlich als Tagelöhner bei Adel oder Bauern arbeiteten. Otto I. und seine Nachfolger Otto II. (1184-1205), Albrecht II. (1205-1220), vor allem aber dessen Söhne Johann I. (1220-1266) und Otto III. (1220-1267) erweiterten und festigten die junge Mark Brandenburg. Sie schalteten den Burggrafen aus, beschränkten die Macht der eigentlich auch als Reichsfürsten geltenden Brandenburger Bischöfe, beseitigten die Selbständigkeit kleinerer Adelsgeschlechter, drängten Magdeburger, Mecklenburger, Pommern und Wettiner zurück und überschritten um 1250 die Oder, auf deren östlicher Seite die Errichtung der Neumark begann. Außerdem ließen sie Dörfer, Städte und Burgen anlegen oder ausbauen 6 0 . In der zweiten Hälfte des 13- Jahrhunderts umfasste die Mark Brandenburg neben der Altmark und d e m Havelland vor allem die Landschaften Teltow, Barnim, Prignitz, Uckermark und Neumark. Seit den dreißiger Jahren des 13- Jahrhunderts besaßen die Askanier als Mitgift einer von Otto III. geheirateten böhmischen Königstochter pfandweise die oberlausitzschen Lande Bautzen und Görlitz, die 1262 böhmische Lehen der Markgrafen von Brandenburg wurden. So hatten die Askanier die Mark schon bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts zu einem der größten und stärksten Fürstentümer des Reiches ausgebaut. Allerdings zeigten sich bald danach auch schon die ersten Zeichen einer Schwächung ihrer Gewalt. Die von 1258 bis 1317 währende Aufspaltung in zwei markgräfliche Linien - was u.a. zur Gründung des Klosters Chorin führte - , häufige Kriege mit Nachbarfürsten und ein zunehmendes Repräsentationsbedürfnis überstiegen die bisherigen Einnahmen der Askanier aus Grundzinsen, Steuern und angeeigneten Kirchenzehnten immer öfter. Um mehr Geld zu bekommen, verpfändeten oder verkauften sie daher zunehmend Rechte und Einkünfte an Adlige, Geistliche, Klöster oder reiche Bürger. So schwanden die Befugnisse der Vögte als markgräfliche Beauftragte auch auf dem Lande. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts nahmen die Markgrafen den Wettinern durch Kriege die Niederlausitz ab. Bevor die brandenburgischen Askanier 1319/20 ausstarben, hatten sie d e m Markgrafen von Brandenburg einen Platz unter den 1356 durch die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. bestätigten sieben Kurfürsten gesichert, denen die Wahl des deutschen Königs oblag. Fazit: Der 11. Juni 1157 ist kein Tag, an dem durch einen absichtlichen Willensakt etwas Neues erschaffen wurde. Er unterscheidet sich insofern z.B. von einer Stadtgründung oder einer Grundsteinlegung. Er tritt vielmehr schon in der zeitgenössi65 66
S c h ö ß 1 e r (wie Anm. 30), Nr. Β 7 - Β 10. P a r t e η h e i m e r : Entstehung (wie Anm. 1), QA 33.
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sehen Wahrnehmung, stärker noch in der historischen Rückschau auf eine lange Reihe historischer Ereignisse als markanter Wendepunkt hervor. Dieser Tag ist der Beginn der städtischen Entwicklung Brandenburgs an der Havel und als solcher selbstverständlich ein herausragendes Stadtjubiläum. Mehr noch ist er aber der Ausgangspunkt für ein bis dahin so nicht existierendes, im Folgenden aber beachtenswert stabiles Territorium, die Mark Brandenburg. Das Land Brandenburg geht über die preußische Provinz Brandenburg historisch und territorial auf die Mark Brandenburg zurück und gehört so zu den deutschen Bundesländern mit der längsten Kontinuität. Und der 11. Juni 1157 ist der Geburtstag der Mark Brandenburg!
JOACHIM STEPHAN
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOMTUREIBUCHES
Im ehemaligen Archiv der Stadt Elbing ist ein 268 Seiten zählender Foliant überliefert, der in der Literatur meist als Elbinger Komtureibuch bezeichnet wird 1 . Das Elbinger Komtureibuch ist der Forschung schon lange bekannt und wurde von den Herausgebern des Preußischen Urkundenbuches und des Codex diplomaticus Warmiensis herangezogen 2 . Nach dem 2. Weltkrieg galt der Band kurzzeitig als verloren, im dritten Band des Preußischen Urkundenbuches findet sich der Hinweis, dass das Elbinger Komtureibuch nach Mitteilung der Naczelna Dyrekcja Archiwow Panstwowych in Warschau durch Kriegseinwirkung verloren sei (die Herausgeber konnten jedoch auf Photographien zurückgreifen)^, doch bereits bei der Edition des vierten Bandes I 9 6 0 war der Foliant wieder aufgetaucht. In seiner umfassenden Arbeit von 1970 über die Siedlungsentwicklung der nach 1466 beim Orden verbliebenen Ämter der ehemaligen Komturei Elbing nutzte Peter Germershausen den Folianten allerdings nicht'. Heute befindet sich das Elbinger Komtureibuch unter der Signatur 369,1/2077 im Staatsarchiv in Danzig (Archiwum Panstwowe w Gdansku); Photographien des Folianten befinden sich unter der Signatur OF 127 im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Das Elbinger Komtureibuch enthält nach Kammerämtern gegliedert insgesamt 133 Handfesten (darunter drei Transsumpte) aus dem Gebiet der ehemaligen Komturei Elbing ohne das Gebiet Orteisburg. Von diesen 133 Handfesten wurden 78 bereits im Preußischen Urkundenbuch und im Codex diplomaticus Warmiensis gedruckt, 20 wurden als meist sehr kurze Regesten veröffentlicht, 37 Handfesten waren bisher ungedruckt. Die älteste Handfeste stammt vom 6. Juni 1263, die jüngste vom 5. Dezember 1452. Zwischen den einzelnen Handfesten ist nur wenig Platz frei gelassen, in den 1 2
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Danken möchte ich Herrn Dr. Klaus Neitmann, der mir wertvolle Hinweise für die Analyse des Elbinger Komtureibuches gab. Preußisches Urkundenbuch, 6 Bde. Königsberg und Marburg 1882-2000 (im Folgenden: PrlJB); Codex diplomaticus Warmiensis oder Regesten und Urkunden zur Geschichte Ermlands, 4 Bde. Mainz, Braunsberg 1860-1935 (im Folgenden: CDW). Vgl. PrUB 3, 466. Peter G e r m e r s h a u s e n : Siedlungsentwicklung der Preußischen Ämter Holland, Liebstadt und Mohmngen vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Marburg (Lahn) 1970 (= Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas, 87).
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meist mit roter Farbe die Überschrift der Handfeste eingetragen ist. Die fehlenden Leerräume und die Tatsache, dass die jüngsten Handfesten offensichtlich nicht nachgetragen wurden, sondern zusammen mit den übrigen Handfesten nach räumlichen Kriterien angeordnet sind, deutet darauf hin, dass der Foliant in einem Stück entstand. Die Handschrift ist damit frühestens am 5. Dezember 1452 beendet worden. Die Entstehungszeit kann allerdings noch näher eingegrenzt werden, denn das Elbinger Komtureibuch ist nicht im Ordensarchiv überliefert, sondern im Archiv der Stadt Elbing. Und dorthin gelangte es mit Sicherheit beim Sturm des Ordensschlosses durch die Gemeinde Elbing am 12. Februar 1454 5 . Daraus ergibt sich, dass das Elbinger Komtureibuch zwischen Ende 1452 und Anfang 1454 angelegt wurde. Das Schriftbild deutet ebenfalls darauf, dass die Handfestensammlung Mitte des 15. Jahrhunderts von wahrscheinlich einem, evtl. zwei Schreibern niedergeschrieben wurde. Die Datierung führt zur nächsten Frage: Wer legte das Buch wozu an? Als treibende Kraft darf man sicherlich Heinrich Reuß von Plauen vermuten, der von 1441 bis 1467 Komtur in Elbing war und dann bis zu seinem Tod 1470 das Hochmeisteramt bekleidete. Warum wurde aber eine neue Handfestensammlung angelegt, wo doch noch heute im Ordensarchiv im Ordensfolianten 91 zwei Versionen der Handfestensammlung der Komturei Elbing aus dem Ende des 14. Jahrhunderts erhalten sind? Das Elbinger Komtureibuch greift zumindest teilweise auf ältere Kanzleiregister zurück, so steht vor den Handfesten des Kammeramtes Bordehnen die Bemerkung, dass die folgenden Handfesten 1435 auf Befehl von Heinrich Reuß von Plauen (ein Verwandter des späteren Komturs) abgeschrieben wurden. Diese Sammlung von Handfesten war aber offensichtlich nicht sehr umfangreich und umfasste höchstens 26 Handfesten, denn bereits die 27. Handfeste nach diesem Vermerk - immer noch aus dem Kammeramt Bordehnen - stammt aus dem Jahre 1444. Auch die Zeugenliste der Urkunde Nr. 85 von 1367, die mit ut supra abgekürzt wurde, legt nahe, dass auf in der Kanzlei befindliche Register zurückgegriffen wurde. Die nächstliegende Vermutung, dass die im Ordensfolianten 91 überlieferten Handfestenbücher der Komturei Elbing aus dem Ende des 14. Jahrhunderts zur Anlage des Elbinger Komtureibuches dienten, bestätigt eine - allerdings kursorische - Durchsicht des Ordensfolianten 91 überraschenderweise nicht. Die Ordnung der Handfesten in beiden Handfestensammlungen ist völlig unterschiedlich 6 . Auch das ebenfalls im Stadtarchiv Elbing
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Edward C a r s t c η η : G e s c h i c h t e der Hansestadt Elbing. Elbing 1937, S. 246; Historia Elbl^ga, Bd. 1, hg. v. Stanislaw G i e r s z e w s k i und Andrzej G r ο t h . Dan/ig 1993, S. 2 5 2 - 2 6 2 .
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D e r Ol·' 9 1 w u r d e im 16. J a h r h u n d e r t aus m e h r e r e n I l a n d f e s t e n s a m m l u n g e n k o m p o n i e r t , w o b e i ein 2 4 Folio umfassendes Inhaltsverzeichnis vorgeheftet wurde. Von Folio 25 bis Folio 103 b e f i n d e n sich Abschriften v o n 142 H a n d f e s t e n der Komturei Elbing ( O F 91a ), die n a c h e i n e r Notiz auf Folio 2 5 1 3 9 3 angelegt w u r d e n . D i e jüngste Handfeste stammt v o m Margaretentag (20. J u l i ) 1392. D a n n f o l g e n H a n d f e s t e n der Komturei Danzig. Mit Folio 152 b e g i n n t e i n e weitere H a n d f e s t e n s a m m l u n g der Komturei Elbing ( O F 9 1 b ) . D i e s e enthält 172 Handfesten. D i e g r ö ß e r e Zahl erklärt sich teilweise dadurch, dass sich hier a u c h die H a n d f e s t e n des CTebietes Oertelsburg finden, die in O F 9 1 a fehlen. A u ß e r d e m w u r d e n a u c h Handfesten nachgetragen, die jüngste datiert v o m J a n u a r 1399. O F 91a war sicherlich das E x e m p l a r der
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überliefert Zinsbuch der Komturei Elbing aus dem Jahre 1448 7 , das ebenso wie das Elbinger Komtureibuch auffällig sorgfältig geschrieben wurde, fühlt die Dienste in einer Reihenfolge auf, die keinen Zusammenhang mit der Reihenfolge der Dienstgüter im Elbinger Komtureibuch erkennen lässt. So scheint es, dass die Anlage des neuen Handfestenbuches nicht nur mit Hilfe von Kanzleiregistern erfolgte, sondern dass wie bei der Anlage der ältesten Handfestenbücher Ende des 14. Jahrhunderts die Besitzer der Dienstgüter ihre Handfesten vorlegten, die dann von den Ordensschreibern kopiert wurden. Die Anlage des Elbinger Komtureibuchs fällt in die Zeit der Auseinandersetzung des Deutschen Ordens mit dem Preußischen Bund. Heinrich Reuß von Plauen, der in diesem Konflikt einer der wichtigsten Akteure war, ist als konsequenter Gegner der Bundesbestrebungen bekannt 8 . So kann man vermuten, dass das Elbinger Komtureibuch nicht allein als Verwaltungsinstrument, sondern auch als Mittel in der ideologischen Auseinandersetzung um die Legitimität der Ordensherrschaft dienen sollte, indem den Freien mit einem „repräsentativen" Handfestenbuch demonstriert wurde, dass dem Orden die Wahrung ihres Rechts am Herzen lag1·1. Dass die Handfestenbücher tatsächlich auch der Rechtssicherung dienten, zeigen die häufigen Handfestenerneuerungen, bei denen der Orden seinen Dienstgutbesitzern verlorene oder verderbte Handfesten anhand der Kopialüberlieferung in den Handfestenbüchern erneuerte1 (J.
Handschriftenbeschreibung Das Elbinger Komtureibuch zählt 268 paginierte Seiten, von denen die ersten 263 Seiten beschrieben sind; die Seiten 264—268 sind leer. Der Foliant besteht aus 14 Heften, von denen die ersten 13 jeweils zehn Blatt Pergament im Format von ca. 36 χ 27 cm zählen. Das letzte Heft (S. 261-268) besteht aus vier Blatt im selben Format. Das
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Zentralverwaltung auf der Marienburg. Bei Ol·' 91b könnte es sich dagegen um das Handexemplar des Elbinger Komturs handeln, das sich vielleicht beim Sturm der Burg Elbing 1454 auf einer anderen Burg der Komturei Elbing befand. Auf Folio 216-219 finden sich Abschriften diverser Urkunden aus dem 16. Jahrhundert. Eine weitere Beschäftigung mit dem Ol· 91 ist vorgesehen. Staatsarchiv Dan/ig 369,1/2104. Vgl. Michael B u r l e i g h : Prussian Society and the German Order. An Aristocratic Corporation in Crisis c. 1410-1466. Cambridge u.a. 1984, S. 142-173. Zu den Strömungen im Orden, die die Rechtsstellung der Freien verschlechtern wollten, vgl. 1 lartmut B o o c k m a n n : Zu den politischen Zielen des Deutschen Ordens in seiner Auseinandersetzung mit den preussischen Ständen, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 15 (1966), S. 57-104. Fr weist allerdings die Vermutung Carstenns zurück, dass Heinrich Reuß von Plauen der Verfasser der Denkschrift war, ebd., S. 92. Klaus Ν e i t m a η η : Ilandfestenbücher und 1 landfestenemeuemngen des Deutschen Ordens im 15. Jahrhundert, in: Preußenland 40 (2002), S. 44-74.
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erste Blatt des zehnten Heftes ('S. 181 f.) ist unregelmäßig beschnitten, oben rechts fehlt ein unregelmäßiges Stück von ca. 3 x 8 cm. Im elften Heft ist als viertes Blatt (S. 207 f., S. 213 f.) ein etwas kleineres Pergament eingebunden, das dünner ist als das ansonsten verwendete Pergament. Auf diesen Seiten ist die Tinte stark verblasst und die Handfesten sind nur fragmentarisch oder gar nicht lesbar. Das Elbinger Komtureibuch wurde im Januar 1929 gebunden, vorher lagen die Hefte lose in einem alten Pergamentumschlag in einem schweinsledernen Umschlag. Auf der Vorderseite trug der Pergamentumschlag die Aufschrift „Convent-Sammlung", auf dem Rücken des Pergamentumschlags stand ebenfalls in einer Schrift des 19. Jahrhundert „Copiebuch der Verschreibungen im Comtureibezirk Elbing 15 saec." Auf der Vorderseite des schweinsledernen Umschlages war in einer Schrift des 17. Jahrhunderts „Lit. Β" geschrieben, auf der Rückseite „Handfesten Buch". Wohl bereits bei der Anlage des Handfestenbuches war die Bindung der Hefte vorgesehen, alle Hefte sind auf der Rückseite des letzten Blattes unten rechts mit römischen Ziffern von I— XIIII durchnumeriert. Das Handfestenbuch wurde sehr sorgfältig angelegt und erinnert vom Äußeren eher an eine Handschrift als an Verwaltungsschriftgut. Alle Seiten sind an den Rändern mit Linien versehen, der Abstand zum Seitenrand beträgt links knapp 4 cm, rechts knapp 5 cm. Am oberen Rand befinden sich zwei parallele Linien, die ca. 4 und 5 cm Abstand zum oberen Rand haben, am unteren Rand ebenfalls zwei parallele Linien, die zum unteren Rand ca. 7 und 8 cm Abstand haben. Die Schrift ist eine sehr sorgfältige Buchschrift aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, die gut lesbar ist. Die Buchstaben u und η sind deutlich unterschieden, der Buchstabe i ist oft durch einen Strich gekennzeichnet, und die Buchstaben c und t sind ebenfalls unterschieden, allerdings gibt es gelegentlich beim c Oberlänge des Schafts, die zu Zweifelsfällen führt. Die Handfesten sind mit schwarzer Tinte geschrieben, nur die Initiale wurde in roter Tinte gefertigt. Mit roten Strichen wurden außerdem im Text gewisse Buchstaben hervorgehoben oder der Beginn eines neuen Abschnittes markiert. Allerdings war dem Bearbeiter der Sinn dieser Gliederung nicht immer einsichtig. In die Zwischenräume zwischen den Handfesten wurde mit roter Tinte die Überschrift eingetragen. Diese finden sich allerdings teilweise am unteren Seitenende vor der Seite, auf der der Text der betreffenden Handfeste folgt. Die Handfesten sind innerhalb des Folianten nach Kammerämtern gegliedert. Die Kammerämter wurden mit römischen Ziffern durchnumeriert. Innerhalb der Kammerämter wurden die einzelnen Handfesten mit arabischen Ziffern numeriert.
Ed it iο ι isrich tl in iei ι Da der Bearbeiter der Auffassung ist, dass nicht nur die einzelnen Handfesten einen Wert als historische Quelle besitzen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie überliefert wurden, werden sie im folgenden in der Reihenfolge wiedergegeben, in
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der sie im Elbinger Komtureibuch erscheinen. Um die Benutzung zu erleichtern, wurden nicht nur die bislang unbekannten Handfesten als Regest gegeben, sondern auch in stark verkürzter Form die bereits gedruckten Handfesten 11 . Dabei wurden die Regesten in Anlehnung an die Publikation der Regesten aus dem Ordensfolianten 95 folgendermaßen gestaltet 12 : In der ersten Zeile des Regestes finden sich Angaben über das Ausstellungsdatum, den Ausstellungsort, die Seite, auf der die Handfeste im Komtureibuch zu finden ist, sowie die laufende Nummer der Handfeste. Nach der fett gedruckten Nummer der Handfeste, die vom Bearbeiter vergeben wurde, folgt in normaler Schrift nach einem Schrägstrich die Nummer, die die Handfeste im Handfestenbuch trägt. Darauf folgt das eigentliche Vollregest, die Wiedergabe des Rechtsinhaltes der Handfeste. Bis auf die Namen von Ordensgebietigern, deren Schreibweise in der Literatur standardisiert wurde, werden alle Namen in der originalen Schreibweise des Komtureibuches wiedergeben, was durch Kursivdruck kenntlich gemacht wurde. Die ebenfalls kursiv gesetzten originalen Ortsnamen wurden nach Möglichkeit identifiziert und in Klammern hinzugefügt, falls nötig auch durch Fußnoten erläutert. Bei den Währungsangaben wurden die in der Handschrift durchgehend in der Form kulmische bzw. kolmische Pfennige erscheinenden Pfennige als kulmische Pfennige wiedergegeben, obwohl es sich sachlich richtig um kölnische Pfennige handelt. Auf den Rechtsinhalt folgen die formalen Urkundenteile. Die Ankündigung des Siegels des Ausstellers im Urkundentext wird vermerkt. In der nächsten Zeile wurde die Datumszeile im originalen Wortlaut aufgeführt, mit Ausnahme der Jahreszahlen, die mit arabischen Ziffern wiedergegeben wurden. Korrigierte Datumsangaben wurden in eckige Klammern gesetzt. Darauf folgt die Zeugenreihe, in der die Zeugen in der originalen Schreibweise angeführt werden. Die häufigsten Amtsbezeichnungen wurden folgendermaßen abgekürzt:
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Vgl. Klaus N e i t m a n n : Überlegungen zur archivalischen Erschlieläung von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Amtsbuchüberlieferungen, in: Archive und Forschung. Referate des 73. Deutschen Archivtags 2002 in 'Frier. Siegburg 2003, S. 7 1 - 9 0 (= Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen, Beiband 8). Für eine chronologische Ordnung der Handfesten bei einer eventuellen Fortsetzung des Preußischen IJrkundenbuches plädiert dagegen: Bernhart J ä h η i g : Möglichkeiten zur Fortführung des Preußischen IJrkundenbuches, in: Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Winfried I r g a n g und Norbert K e r s t e n . Marburg 1998 (= Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung, 6), S. 2 9 - 3 7 .
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Klaus Ν e i t m a η η : Handfesten des Hochmeisters Michael Küchmeister im Ordensfolianten 95 aus den Jahren 1117 bis 1120, in: Altpreußische Geschlechterkunde. Neue Folge. Blätter des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen 38 (1990), S. 1 0 3 - 1 3 0 , hier S. 403 f.
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Gk. Großkomtur HM Hochmeister Ktr. Komtur LM Landmeister OM. Oberster Marschall OSp. Oberster Spittler OTr. Oberster Trappier Tressler Tr. Anschließend folgt wörtlich die Überschrift, unter der die Handfeste in das Komtureibuch eingetragen wurde. Schließlich folgt gegebenenfalls die Angabe, wo die Handfeste bereits gedruckt oder als Regest gegeben wurde. Falls die Handfeste bereits im Preußischen Urkundenbuch gedruckt wurde, wurde das Regest stark verkürzt und Eigennamen in der originalen Schreibweise des Elbinger Komtureibuches wiedergegeben. Auf den erneuten Abdruck der Zeugenreihe und der Datumszeile wurde in diesem Falle verzichtet. Die Handfesten des Elbinger Komtureibuches in chronologischer Reihenfolge:
Datum 1263 1267 1267 1276 1276 1277 1279 1280 1281 1281 1285 1287 1289 1290 1296 1303 1305 1305 1306 1308 1312 1315 1315
Juni 6. April o.T. April o.T. Februar 17. o.T. Februar 19. Februar 20. August 1. Juni 20. Juni 20. April 23. Januar 1. Juni 2 (?). Februar 24. September 18. März 7. August 13. September 20. Februar 27. März 12. Oktober 1. August 3August 3-
Ort
Seiten
Elbing o.O. Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Elbing Marienburg Elbing Preußisch-Holland o.O. Preußisch-Holland Preußisch-Holland o.O. Elbing Elbing
(136-139) (123-126) (97-99) (174-175) (81-82) (89-91) (80-81) (91-93) (20-21) (26-27) (67-68) (54-57) (101-104) (131 f.) (175-177) (11-13) (154-157) (76-77) (37-39) (9-11) (18-20) (140-145) (160-166)
Nr. 79 73 62 93 52 58 51 59 10 15 42 33 64 76 94 6 87 48 22 5 9 81 89
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Datum 1316 1317 1318 1318 1320 1321 1323 1325 [1325] 1327 1328 1329 1331 1332 1333 1335 1337 1339 1339 1342 1344 1346 1347 1348 1348 1348 1349 1349 1349 1349 1350 1352 1352 1354 1354 1358 1358 1359 1361 13 63 1364
Oktober 9September 8. Juli 1. November 1. August 25. August 6. Oktober 26. Juli 24. Juli 24. Februar 14. Februar 23. Dezember 27. April 23. Oktober 27. September 29. April 8. September 30. Januar 7. August 2. Juni 27. April 7. März 12. oder 19. Mai 18. April 3 Juni 11. Juni 11. Juli 25. Juli 25. Juni 2. Mai 12. Juli 24. Februar 24. Juli 4. Juni 15. September 14. April 23. August 22. September 24. Februar 17. März 22. August 24.
Ort
Seiten
Elbing Preußisch-Holland Preußisch-Holland Marienburg o.O. Elbing o.O. Elbing Elbing Actum Elbing, Datum Marienburg Elbing Elbing Elbing Elbing Marienburg Marienburg Elbing Marienburg Preußisch-Holland Preußisch-Holland Elbing Preußisch-Holland Marienburg o.O. Marienburg Marienburg o.O. Preußisch-Holland Marienburg Marienburg Borclehnen Mohrungen Preußisch-Holland o.O. Auf dem Schilling Borclehnen Marienburg Orteisburg Preußisch-Holland Elbing Marienburg
(114-115) (40-41) (36-37) (82-84) (58-59) (53-54) (184-187) (178-180) (210-212) (146-149) (33-34) (3-5) (128-131) (250-254) (16-18) (64-65) (245-247) (190-193) (43-46) (93-94) (79-80) (238-241) (217-219) (41-42;) (219-221) (232-234) (42-43) (21) (68-70;) (225-227) (172-174) (234-235) (230-232) (70-71;) (227-228) (85-86;) (139-140) (215-217) (49-50;) (22-23) (25-26;)
103
Nr. 68 24 21 53 35 32 98 95 110 82 19 2 75 130 8 40 128 101 27 60 50 125 114 25 115 122 26 11 43 118 92 123 121 44 119 55 80 113 29 12 14
104
JOACHIM STEPHAN
Datum
Ort
Seiten
Nr.
1364 1367 1367 1367 1367 1374 1377 1377 1377 1377 1378 1378 1378 1378 1383 1383 1384 1384 1384 1385 1385 1386 1387 1388 1389 1391 1392 1393 1394 1394 1394 1395 1395 1396 1397 1398 1398 1403 1405 1407 1408
Marienburg Mohrungen Mohrungen Mohrungen Mohrungen Preußisch-Holland Elbing Preußisch-Holland Preußisch-Holland Preußisch-Holland Preußisch-Holland Preußisch-Holland Mohrungen Preußisch-Holland Elbing Marienburg Preußisch-Holland Preußisch-Holland o.O. Elbing Pomenen Marienburg Marienburg Marienburg Preußisch-Holland Marienburg o.O. Marienburg Osterode Einsiedel Brandenburg Marienburg Mohrungen Marienburg Marienburg Locken Locken Liebstadt Preußisch-Holland Borclehnen Preußisch-Holland
(206-207) (149-150) (150-152)
108 83 84 85 86 69 91 30 36 34 13 45 104
Dezember 3Mai 30. Mai 30. Mai 30. Mai 30. Februar 19. April 19. August 2. August 2. August 7. Januar 12. Januar 6. März 12. Juni 14. März 26. Oktober 11. März 13. März 13. August 23. Februar 7. Juli 18. Oktober 8. Januar 17. Dezember 1. Juni l6. November 4. Mai 3. Juni 1. April 6. Juli 26. Juli 27. Dezember 2. Juli 20. April 5. November 1. Juli 29. Juli 29. November 20. Januar 4. September 24. Juni 22.
(152-153) (153-154) (116-117) (170-172) (50-51) (59-60) (57-58) (23-25) (71-71) (200-201) (51-53) (131-133) (39-40)
(61-62;)
(62-64;) (189-190) (5-7)
(60-61;)
(250-254) (214-215) (34-36;) (88-89) (204-206) (84-85;) (201-202) (202-204) (126-128) (247-250) (77-79;) (235-238) (259-261) (99-101) (221-222) (228-230) (187-189) (29-31) (95-97) (75-76;)
31 77 23 38 39 100 3 37 130 112 20 57 107 54 105 106 74 129 49 124 132 63 116 120 99 17 61 47
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
105
Datum
Ort
Seiten
Nr.
1413 April 11. [1412--1416] 1417 November 29. 1419 April 16. 1419 Mai 28. 1420 Januar 11. 1423 April 21. 1424 Juli 5. 1424 März 15. 1425 Mai 31. 1426 Februar 27. 1426 Oktober 13. 1428 März 27. 1428 Juni 18. 1428 Juli 6. o.D. [1416-1428] 1429 Juli 13. 1430 Januar 16. 1431 April 8. 1432 November 13. 1435 März 12. 1435 März 17. 1435 Juni 23. 1441 Januar 22. 1444 April 16. 1445 Juli 15. 1445 Juli 15. 1450 Juli 10. 1451 Oktober 1. 1452 Dezember 5.
Marienburg
(104-107) (212) (243-245) (222-224) (72-74) (107-110) (31-33) (166-170) (119-121) (7-9) (117-119) (207-210) (1-3) (86-87) (121-123) (184-187) (65-67) (157-160) (27-29) (254-259) (180-181) (181-184) (13-16) (261-263) (110-113) (193-195) (46-49) (133-136) (195-200) (241-243)
65 111 127 117 46 66 18 90 71 4 70 109 1 56 72 98 41 88 16 131 96 97 7 133 67 102 28 78 103 126
Marienburg Elbing Marienburg Preußisch-Holland Preußisch-Holland Mohrungen Bordehnen Bordehnen Bordehnen Preußisch-Holland Elbing Preußisch-Holland Preußisch-Holland o.O. Preußisch-Holland Preußisch-Holland Preußisch-Holland Elbing Liebstadt Liebstadt Borclehnen Preußisch-Holland Marienburg Preußisch-Holland Preußisch-Holland Tolkemit Preußisch-Holland Mohrungen
106 I
JOACHIM STEPHAN
Camerampt
zcn Hollant
(1)
1 4 2 8 März 27.
(1-3) 1/1
Elbing
HM Paul von Russdorf verleiht mit Willen und Zustimmung seiner Mitgebietiger dem Lazarus Zelesslaw erblich 10 Hufen in Dargaw (Dargau) im Kammeramt Holland zu prußischem Recht frei von Scharwerk. Davon soll er einen redlichen Dienst mit Pferden und Harnisch und beim Burgenbau leisten sowie Pflugkorn geben. Alte Handfesten über diese 10 Hufen sollen ungültig sein. Sein Wergelcl beträgt 16 Mark gewöhnlicher preußischer Münze. Siegelankündigung. Gegeben uff unszerm huwszeElbinge ampalmobend ... 1428. Zeugen: Merten Kenmenather, Gk.; Hinrieb Hold, OSp. und Ktr. von Elbing; Lorentcz, Kaplan des HMs.; Johann Gobertshayn, Hannos von Schonenwert, Kumpane des HMs.; Hinricus, Nieolaus, Schreiber des HMs. Überschrift: Dy gutter von
Dargaw.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 158. 1329 Dezember 27.
(3-5) 2/2
Elbing
HM Werner von Orseln verleiht Conrado
von Oppyn zu kulmischem Recht das Feld
Cudynli. Überschrift: Hantfeste
obir dy glitter zeit
Codin.
Druck: PrUB 2, 6691 3 8 5 Februar 7.
( 5 - 7 ) 3/3
Elbing
HM Konrad Zöllner von Rothenstein verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger dem getreuen Jocob Scholim 16 Hufen zu Worgalin (Skollmen) innerhalb angewiesener Grenzen als Dienstgut zu kulmischem Recht. Davon soll er einen Platendienst in Heerfahrten und Burgenbau leisten, von jedem Pflug 1 Scheffel Korn und 1 Scheffel Weizen, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn geben und als Rekognitionszins 1 Krampfund Wachs, 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige zu Martini leisten. Sollten die Prußen des Ordens Klagen gegen ihn oder seine Erben haben, so sollen diese vor dem Ktr. im Richthof entschieden werden, so dass die Prußen bei ihrem Recht bleiben und sie bei ihrem Recht. Die 16 Hufen sollen in nicht mehr als zwei Teile geteilt werden. Siegelankündigung. Gegeben zeum Elbinge ... 1385 am neesten dinstage
13
noch Dorothee
Das Feld Cudyn lag vermutlich in der Nähe von Rogehnen.
virginis.
107
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Zeugen: Rune von Libensteyn, Gk.; Conrad von Wallenrode, OM.; Syfrid Walpode von Bassenheim, OSp. und Ktr. zu Elbing; Hynrich Gans, OTr.; Ulrich Hachenberg, Tr.; Mertin, Kaplan des HMs.; Karll von Lichtensteyn, Werner von Tetingen, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste
obir sechczen
hüben zeit
Wargalin.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 353. 1 4 2 5 Mai 31.
(7-9) 4/4
Bordehnen
HM Paul von Russdorf verleiht dem getreuen Konrad von Tauwer mit Rat, Willen und Zustimmung seiner Mitgebietiger erblich ψ/ι Hufen im Feld zu Koytyn (Komturhof) im Kammeramt Holland gelegen zu magdeburgischem Recht in den Grenzen, in denen er sie vorher besessen hat. Er erhält außerdem Hoch- und Niedergericht über seine Leute innerhalb der Grenzen des Gutes mit Ausnahme des Straßengerichts, das sich der Aussteller vorbehält, sowie freie Fischerei in den Seen Loszdorff [, Samraden (Samrodter See) und Asegewciyde (Sigeswald See) mit kleinem Gerät zu Eigenbedarf. Dafür soll er einen redlichen Dienst mit Pferden und Harnisch nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten, 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig sowie von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Korn, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn zu Martini geben. Siegelankündigung. Gegeben uff unszerm
hofe Burdeyn
Zeugen: Merthen Kemenothe,
am Dornrstage
Gk.; Hynrich Holt, OSp. und Ktr. zu Elbing;
litze, OTr. und Ktr. zu Christburg; Lorentcz, Job an Stocheym,
vor trinitatis ... 1425.
Kaplan des HMs.·,Johannes
Niclisfar-
Ponikaw
und
Kumpane des HMs.; Hin rieh und Niel aus, Schreiber des HMs.
Überschrift: Hantfeste
obir dy glitter zeit
Koytin.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 235. 1 3 0 8 März 12.
Preußisch-Holland
(9-11)5/5
LM Heinrich von Plotzke erneuert clem Gerke von Paslok und seiner Schwester Cristinen die Verschreibung des LMs. Hartmut von Grumbach über 5IV2 Hufen kulmisch, indem er ihnen 32 Hufen verleiht 15 . Überschrift: Hantfeste
obir drissigk linde ander
halbe.
Druck: PrUB 1.2, 887.
14
Der See Lochsdorf lag bei Maldeuten, evtl. im Gebiet des Flusses Sorge. Maria B i o l i k : Zuflüsse zur Ostsee zwischen unterer Weichsel und Pregel. Stuttgart 1989 (= Ilydronimia Europaea, 5), S. 91.
15
Nach der Überschrift im OF 91a handelt es sich um das Gut Krossen.
108
JOACHIM STEPHAN
Elbing
1303 März 7.
(11-13) 6/6
LM Konrad Sack erneuert dem Ditterich von Marwitz die einst dem Johannes
von der
Marwitz gegebene Handfeste über 15 Hufen in Marwitz (Groß Marwitz). Überschrift: Hantfeste
der gutter von
Marwicz.
Druck: PrUB 1.2, 793(13-16) 7/7
Bordehnen
1 4 3 5 J u n i 23.
HM Paul von Russdorf verleiht clem getreuen Jocob von Pynnow mit Rat, Willen unci Zustimmung seiner Mitgebietiger erblich 9 Hufen in Awayken (Awecken) in angewiesenen Grenzen zu magdeburgischem Recht zu beiden Künnen im Tausch gegen das Gut Leyszen (Lägs) unci 18 Hufen zu Drulyten (Draulitten) im Gebiet Elbing unci Kammeramt Holland zu kulmischem Recht mit großem unci kleinem Gericht über seine Leute innerhalb cler Grenzen cles Gutes ohne clas Straßengericht, das sich der Aussteller vorbehält. Sollte bei einer Nachmessung der Güter zu Awayken unci Drulyten Über- oder Untermaß festgestellt werden, so ist es weder vom Orden nachzubessern noch von ihm zurückzugeben. Dafür soll er einen redlichen Dienst mit Pferden unci Harnisch in Heerfahrten unci Burgenbau leisten, als Rekognitionszins 1 Krampfund Wachs unci 1 kulmischen oder 5 preußische Pfennige zahlen unci vom Pflug 1 Scheffel Weizen unci 1 Scheffel Korn, vom Haken 1 Scheffel Weizen jährlich zu Martini geben. Sollten die Prußen des Ordens gegen ihn Klage haben, so soll das vor clem Ktr. im Richthof des Ordens geschehen, so class clie Prußen bei ihrem unci er bei seinem Recht bleibe. Ältere Briefe über clas Gut sollen ungültig sein. Siegelankündigung. Gegeben
... uff u nser m hoffe Burdeyn,
Zeugen: Walter Kuszkop,
Caspar, Kaplan cles HMs.; Ffrederich HMs.; Andreas,
am obende sente Johannis
baptiste ... 1435.
Gk.; Hinrich Rewsze von Plan wen, OSp. unci Ktr. zu Elbing; Troschwitcz,
Johan
von Brobel,
Kumpane cles
Mart in us, Schreiber des HMs.
Überschrift: Hantfeste
obir dy gutter zeit
Awayken.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 137. 1333 September 29.
Marienburg
( I 6 - I 8 ) 8/8
HM Luther von Braunschweig verleiht Iomen, Thormis Sohn, 12 Hufen im Feld Awayken (Awecken) im Lande Pewselank
(Paslok) zu kulmischem Recht unci zu clem
Recht der Ritter im Kulmerlancle sowie freie Fischerei in den Seen Luwisdorffö clem See Sambraden Überschrift: Hantfeste
(Samrodter See). obir dy gutter czu
Druck: PrUB 2, Nr. 810.
16
Siehe Nr. 2.
Awayken.
unci
109
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
1312 Oktober 1.
o.O.
(18-20) 9 / 9
HM Karl von Trier verleiht den Sudauern Abdangen, Zohe, Melius, Molodins, Dirkot und ihren Brüdern die Felder Marw (Groß Marwitz), Utek.in, Wadekin und Smansfelden und bestätigt den Verkauf von Marwicz an Eberhardo, Pfarrer zu Hirszevelde (Hirschfeld). Überschrift: Hantfeste
obir gutter Marw, IJtekin, Wadekin linde
Smansfelden.
Druck: PrUB 2, 85. 1281 J u n i 20.
Elbing
(20-21) 10/10
LM Mangold verleiht den Brüdern Poschanchen, Dienstgut. Überschrift: Hantfeste
Geritten und Glanden
3 Haken als
der gutter zcu Cleyne Qiiitteyn ( Klein Quittainen).
Druck: PrUB 1.2, 386. 1 3 4 9 Juli 25. Preußisch-Holland (21-22) 11/11 HM Heinrich Dusemer verleiht den Pmßen Waytin und seinen rechten Erben, Geydebut und seinen Brüdern, Ditterich und seinen Brüdern sowie Byant und ihren rechten Erben insgesamt 15 Hufen im Felde Kaukone (Wackelsdorf) in Teilgütern von je 5 Hufen als Dienstgut mit einem Wergelcl von 30 Mark. Überschrift: Hantfeste der gutter Kaukeyne. Druck: PrUB 4, 432. 1 3 6 3 März 22.
Elbing
(22-23) 12/12
HM Winrich von Kniprode verleiht Pauwil erblich 6 Hufen bei Haynauw
(Hagenau)
in angewiesenen Grenzen. Überschrift: Hantfeste der gutter vom Reberge
(Rehberg).
Druck: PrUB 6, 138. 1 3 7 8 J a n u a r 12.
Preußisch-Holland
(23-25) 13/13
Der OSp. und Ktr. von Elbing Ulrich Fricke beurkundet, dass er mit Kirsten Wanalgen die 2 Hufen, die dieser im Schulzenamt zu Haynaw (Hagenau) besaß, gegen 2 Hufen zu Reberge (Rehberg) vertauscht und ihm dazu noch 2 Hufen verkauft hat, so class er 4 Hufen zu Reberge bei Haynaw frei von bäuerlicher Arbeit erblich besitzen soll. Dafür soll er mit Hengsten, Brünne und Helm in Heerfahrten und Burgenbau dienen und dasselbe Wergeid wie seine Vettern, die Wanalgynen, haben. Gegeben zcu Hollant... 1378 am dinstage noch epyphanie. Zeugen: Walter Hundelin, Hauskomtur zu Holland; Reinke von Hermansgrune, Kumpan des Ktrs.; Michel, Pfarrer zu Haynaw, focob Scholims, Kämmerer zu Holland; Tljomas von Globnnynne, Tolk des Ktrs. Überschrift: Hantfeste
obir vier hüben zcum Reberge bey
Haynaw.
110
JOACHIM STEPHAN
1 3 6 4 August 24.
(25-26) 14/14
Marienburg
HM Winrich von Kniprode verleiht den Brüdern Demekym, Pawiln, Jocob und Helmig erblich 6 Hufen von clem Sambrade (Samrodt) in angewiesenen Grenzen als Dienstgut. Überschrift: Hantfeste
der gutter von
Sambrade.
Druck: PrUB 6, 307. 1281 J u n i 20.
(26-27) 15/15
Elbing
LM Mangold verleiht den Brüdern Tusthero und Queriam wie sie mit 4 Haken bebauen können.
soviel Land als Dienstgut,
Überschrift: Hantfeste der gutter Cleyne Cupien (Kopiehnen). Druck: PrlJB 1.2, 387. 1431 April 8.
Preußisch-Holland
( 27-29) 16/16
Der OSp. und Ktr. von Elbing Konrad von Belclersheim beurkundet, class sein Vorgänger Hinrich Holt (1416-1428) mit dem Pecze, Lubans Sohn zu Grosze Quitteyn (Groß Quittainen), 3 Hufen in Groß Quittainen gegen einen Teil seines Erbes zu Pley η (Plehnen) vertauscht und ihm dazu in Groß Quittainen 1 Hufe seinem Dienst zu Hilfe verkauft hatte, ohne ihm darüber eine Urkunde auszustellen. Auf dessen Bitte verschreibt er ihm mit Rat der ältesten Brüder die 4 Hufen erblich zu prußischem Recht, für die er einen redlichen Dienst mit einem Pferd und Waffen und Burgenbauclienst nach Landesgewohnheit leisten und jährlich zu Martini von jedem Pflug oder was er an Pfluges Stelle benutze, sei es Haken oder Nargen, 1 Scheffel Weizen unci 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn und 1 Lot als Wartgeld geben soll. Siegelankündigung. Gegeben zeit Hollantyn modo geniti.
unserm
bitsze
... 1431 am sontage
so kirche singet
Quasi
Zeugen: Frederich Kaldeborn, Hauskomtur zu Elbing; Postur, Unterspittler zu Elbing; Nichts Berger. Mühlmeister; Stockheym, Fischmeister; Conrad Wedemer, Kellermeister zu Holland; Nichts Beler, Kumpan des Ktrs. Überschrift: Hantfeste 1 4 0 5 J a n u a r 4.
der gutter von Cleyne Quetteyn (Klein Quittainen ). Preußisch-Holland
( 29-31) 17/17
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Werner von Tettingen beurkundet, dass er mit Willen und Rat der ältesten Biüder dem getreuen Hermanno Starust zu Mulsen (Königsdorf) 6 Hufen von den 8 Hufen, die vormals Roten gehörten und einst dem Dorf Rolnaw (Rollnau) abgemessen wurden, verkauft hat. 2 Hufen Wald von den genannten 8 Hufen, die bei dem Ordenswald Goltbach (Goldbach) liegen, behält der Orden. Außerdem verkauft er ihm lVi Hufen bäuerliches Erbe, auf dem er wohnt. Diese IV2
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
111
Hufen verkauft und verleiht er dem genannten Hermann und seinen Erben mit den genannten 6 Hufen frei erblich zu prußischem Recht. Dafür soll er mit gewöhnlichen Waffen einen Dienst in Landwehren und Heerfahrten sowie Burgenbau leisten und jährlich zu Martini 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn geben. Siegelankündigung. Gegeben zeit Hollant am sontage vor epyphania domini ... 1405. Zeugen: Job an von Redern, Hauskomtur zu Elbing; Karl von Waltersbusen, Hauskomtur zu Holland; Wilhelm von Friddingen, Kumpan des Ktrs.; Johannes, Kaplan des Ktrs.; German, Tolk des Ktrs. Überschrift: Hantfeste der gutter zeit Noriten'17. 1423 April 21.
(31-33) 18/18
Preußisch-Holland
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Hinrich Holt erneuert mit Wissen, Rat und Zustimmung der ältesten Brüder clem getreuen Materne zeu Noriten seine Handfeste über 3 Hufen daselbst auf dem Berge, da die alte, die ihm Konrad Sack (1302-1306) gegeben hatte, clem gemeinen Heerschilde des Landes entfremdet wurde. Er soll die 3 Hufen zu prußischem Recht besitzen und dafür Dienst mit Pferden unci Harnisch in Heerfahrten unci Burgenbau leisten sowie jährlich zu Martini 1 Scheffel Weizen unci 1 Scheffel Korn von jedem Pflug unci 1 Lot Wartgeld gewöhnlicher Münze geben. Siegelankündigung. Gegeben in iinserm huszeHolland an der mittenwoche vorGeorgii ... 1423. Zeugen: Fredrich Schotte, Hauskomtur zu Elbing; Scheffel, Fischmeister zu Elbing; Michel Tussenfeldei: Mühlmeister zu Elbing; Peter Landenberg, Pfleger zu Orteisburg; Hinrich Rewse von Plauwen, Bruder des Ktrs.; Baltaser Putkauy, Kellermeister zu Hollland. Überschrift: Hantfeste obir dry hüben zeu Noriten. 1328 Februar 23.
(33-34) 19/19
Elbing
HM Werner von Orseln verleiht clem Spendeno Llechewano
3 Haken im Feld Kelme-
nick (Köllming) als Dienstgut zum Recht der prußischen Freien. Überschrift: Hantfeste der gutter Kol men ig. Druck: PrLIB 2, 603. 1388 Dezember 1.
Marienburg
(34-36) 20/20
HM Konrad Zöllner von Rothenstein verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger dem getreuen Luban von Swendekendorff 6 Hufen weniger 9 Morgen im Feld Falpti17
Evtl. mit dem im 16. J h . erwähnten Gut Narren bei Kanthen identisch. Vgl. G e r m e r s h a u s e n (wie Anm. 4), S. 282.
112
JOACHIM STEPHAN
ten (Talpitten) erblich zu kulmischem Recht, die ihm einst der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke mit Zustimmung Konrads in angewiesenen Grenzen gegeben hatte. Dafür soll er einen Dienst nach Landesgewohnheit in allen Heerfahrten und im Burgenbau leisten sowie von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Korn, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn und als Rekognitionszins 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige jährlich zu Martini geSiegelankündigung. Gegeben uff unserm huwszeMarienburg des apostels tag.
... 1388 am dinstage neest noch sinte Andree
Zeugen: Conradt von Wolrode, GK; Syfrid Walpode von Bassenheym, OSp. und Ktr. zu Elbing; Johan Marschalk von Vrohurg, OTr. und Ktr. zu Christburg; Ulrich Hachenherger, Tr.; Mertin, Kaplan des HMs.; Kkuntcze von Lichtensteyn, Johan von Kielern, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter Talptiten. Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 368. 1318 Juli 1.
Preußisch-Holland
(36-37) 21/21
LM Friedrich von Wildenberg bestätigt die Verleihung einer Hufe mit einer Hofstätte im Feld des Dorfes Rudyn18 durch Carito an Santirmo. Überschrift: Hantfeste obir eyne hübe zeit Rudyn. Druck: PrUB 2, 218. 1306 Februar 27.
Preußisch-Holland
(37-39) 22/22
LM Konrad Sack verleiht dem Prußen Wanalgen 4 Hufen im Felde Noritins als DienstÜberschrift: Hantfeste der gutter Noriten. Druck: PrUB 1.2, 855. 1383 Oktober 11.
Marienburg
(39-40) 23/23
HM Konrad von Rothenstein verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger clem getreuen Hertewig Bedeken 11 Hufen 9 Morgen zu Hanisdorff (Hansdorf) in angewiesenen Grenzen erblich zu kulmischem Recht mit freier Fischerei zu Eigenbedarf im Drusim (Drausensee) mit allerlei Gerät, ausgenommen ewathen. Außerdem verleiht er ihm das Recht, Mühlen auf seinem Gut zu errichten. Dafür soll er mit einem Mann und einem Pferd dienen sowie 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige geben. 18
Das wüste Dorf Rudyn kann nicht näher lokalisiert werden.
113
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Siegelankündigung. Gegeben
uff unserm
Zeugen: Rune bing; Hinrich
... 1383 am sontage
husze Marienburg
i'on Lybusteyn,
Gk.; Conrad
Walroder,
Dyonisy. Ktr. zu El-
Gans, Ktr. zu Christburg.
Überschrift: Hantfeste
der gutter von
1 3 1 7 S e p t e m b e r 8.
Hansdorff19. ( 4 0 - 4 1 ) 24/24
Preußisch-Holland
LM Friedrich von Wildenberg verleiht dem Powile Sudaw Wangenck
noch
OM.; Ulrich Fricke,
3 Hufen 10 Morgen im Feld
(Weinings) als Dienstgut mit einem Wergelcl von 30 Mark.
Überschrift: Hantfeste
der gutter von
Wangenck.
Druck: PrUB 2, 1931 3 4 8 April 3-
( 4 1 - 4 2 ) 25/25
o.O.
HM Heinrich Dusemer verleiht dem Normten
3 Hufen auf dem Felde Tiimpit
(Tom-
pitten) als Dienstgut. Er hat die Verpflichtung, die Urkunde zurückzugeben, falls er nach Priigen
im Gebiet Insterburg zurückversetzt wird, w o er vorher gesessen hatte.
Überschrift: Hantfeste
der gutter zcu
Tumpiten.
Druck: PrUB 4, 311. 1349 Juli 25.
( 4 2 - 4 3 ) 26/26
o.O.
HM Heinrich Dusemer verleiht seinen getreuen Schildens lich 2 Hufen im Felde Kelmenyku
(Köllming) als Dienstgut.
Überschrift: Hantfeste
Kelmenigk.
der gutter
und Kanti,
Brüdern, erb-
Druck: PrUB 4, 433. 1421 Februar 15.
Preußisch-Holland
( 4 3 - 4 6 ) 27/27
HM Michael Küchmeister erneuert mit Rat, Willen und Zustimmung seiner Mitgebietiger seinem Getreuen Tydeman von Cupiyeyn seine verbrannte Handfeste vom 2. August 1339 über 3 Haken zu Cupiyeyn (Kopiehnen) folgenden Inhalts: HM Dietrich von Altenburg verleiht den Brüdern Petro und Conrado erblich 3 Haken im Felde Cupiyeyn als Dienstgut. Sie sollen anstatt dieser 3 Haken 6 Haken im Felde Barden erhalten, falls der Orden die Litauer unterwirft21-1. HM Michael Küchmeister verfügt außerdem, dass Tyclemann 1 Scheffel "Weizen unci 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn jährlich zu Martini geben soll.
19
20
An der Seite steht links folgende Anmerkung: Noch deser hantfeste
acht hübe czn Wolffdorff, hingenan geschreben (Nr. 133). PrUB 4, 261.
folget eyne hantfeste
obir
114
JOACHIM STEPHAN
Siegelankündigung. Gegeben uff unserm huwse Hollant am sonnobende vor reminiscere ... 1421. Zeugen: Hinrich von Nickeritz, Gk.; Merten Kempnathe·, Paulus Ransdorff, OTr. und Ktr. zu Christburg; Hinrich Holt, OSp. und Ktr. zu Elbing; Conrad Beldersheym, Tr.; Gregoriiis, Kaplan des H M s J o r g e Seckendorf}', Benhusen, Kumpane des HMs.; Hinricus und Andreas, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter Cupiyeyn. 1 4 4 5 Juli 15.
Preußisch-Holland
(46-49) 28/28
HM Konrad von Erlichhausen bekundet, dass vor ihn der ehrsame und tüchtige Hans Osterrich, Spittler des Spitals zu Elbing, gekommen ist und ihn bat, den armen Kranken um ihrer Notdurft willen etwas zu geben. Daraufhin verleiht der HM dem Spital 17 Morgen innerhalb angewiesener Grenzen beim Rossgarten des Ordens, wenn man von Holland nach Elbing geht, rechter Hand an der Weysken (Weeske) gelegen. Sollten bei einer Nachmessung weniger als 17 Morgen gefunden werden, soll er nicht pflichtig sein, das nachzubessern. Dazu gibt er dem Spital 6 Morgen Wiesenwachs beim Rossgarten, der zum Weiskenhoffe (Weeskenhof) gehört, an der Elsichen (Elske) gelegen. Außerdem erhält das Spital eine freie Hofstatt zum Aldenhoffe ( Althof) am Drawsen (Drausensee) gelegen, die der Spittler bebauen und einen Fischer darauf halten möge, der dem Spital so viele Fische geben soll, wie die Fischer des vorgenannten Komturs verpflichtet sind, auf das Ordenshaus Elbing zu geben. Alle diese Besitzungen und Rechte erhält das Spital frei, ewiglich und ohne jegliche Last. Siegelankündigung. Gegeben ... uff iinserm hawsse Hollant am tage division is apostolorum ... 1445. Zeugen: Hans vom Remchingen, Gk.; Hinrich Rewsse von Plauwen, OSp. und Ktr. zu Elbing; Silvester, Kaplan des HMs.; Wilhelm von Hundenborn, Egloff von Rosenberg, Kumpane des HMs.; Johannes vicarius, Schreiber des HMs. Überschrift: Des spittalei"s hantfeste wachs.
II Camerampt
zcu Hollant
Wekelitcz adtr Pomeyn
1361 Februar 17.
obir sebenczehen
morgen
wese-
(49)
Preußisch-Holland
(49-50) 2 9 / 1
HM Winrich von Kniprode verleiht 6 Hufen 21 zwischen den Dörfern Pruschemarkte (Preußisch Mark), Wekelitcze (Wöklitz), Rogauw (Rogau) und Pomereudotff(Pomehrenclorf) an die treuen Diener Buntiken, Dywon, Adam und Girdune, Brüder, als Dienstgut. 21
Es handelt sich um das spätere Limburger- oder Schuhmachers Feld.
115
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Überschrift: Hantfeste gerurth.
obir sechs hüben gelegen czwuschen
den dorffern
neden
Druck: PrUB 5, 9591377 August 2. Preußisch-Holland ( 50-51)30/2 Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke verleiht dem Joe ob von Wekelich erblich 3 Haken im Feld Wekelitcz (Wöklitz). Dafür soll er dem Orden mit Hengsten und Brünnen in Heerfahrten und Burgenbau Dienst leisten sowie jährlich zu Martini von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn geben. Gegeben zeit Hollant... 1377 am sontage noch sunte Peters tage ad vinculo, genant. Zeugen: Walter Hnndelin, Hauskomtur zu Holland; Eberhart von Rosenauw. Renkeke von Hermansgruyne. Kumpane des Ktrs. Überschrift: Hantfeste der gutter
Wekelitcz.
Druck: CDW 3, 39. 1378 Juni 14. Preußisch-Holland (51-53) 31/3 Der OSp. und Ktr. von Elbing Ulrich Fricke verleiht mit Rat seiner Brüder den Brüdern Monten, Tloomas, Günsen und Glabitne 3 Haken Ackerland, die eine Hälfte do nedene bey iinsern ivesen (bei den Drausenwiesen) und die andere Hälfte im Dorf und im Feld des Dorfes Wekelitcz (Wöklitz) gelegen, erblich frei von Zehnt und Scharwerk. Dafür sollen sie mit Pferden und Waffen in Heerfahrten und Burgenbau Dienst leisten sowie jährlich zu Martini von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn geben. Ihr Wergelcl wird auf 16 Mark festgesetzt. Gegeben zeu Hollant ... 1378 in dem montage noch der heiligen dreyvaldik.eit. Zeugen: Walter Hnndelin, Hauskomtur zu Holland; Bertold von Fletteη, Kumpan des Ktrs.\ Jocob, Kämmerer zu Pomenen; Thomas von Glabonynen, Tolk des Ktrs. Überschrift: Hantfeste der gutter Wekelitcz. Druck: CDW 3, 55. 1321 August 6.
Elbing
(53-54) 32/4
LM Friedrich von Wildenberg verleiht dem Prußen Kuno 2 Haken als Dienst gut im Feld, das einst Panschaiesten
genannt wurde.
Überschrift: Hantfeste der glitter Wekelitz ( Wöklitz ). Druck: PrUB 2, 358. 128[7] Januar 1.
Elbing
(54-57)33/5
LM Konrad von Tierberg beurkundet, dass Johannes Struwe und seine Erben 23 Hufen zu Czrepyn (Serpin) vom Elbinger Bürger Girwyn von Sussel gekauft haben, der Kauf nach Landesgewohnheit den Brüdern angezeigt wurde und Girivin die Güter
116
JOACHIM STEPHAN
aufgelassen hat. Johannes Struive und seine Erben sollen die Hufen zu kulmischem Recht besitzen und mit einem Pferd und geringen Waffen gegen die Feinde des Ordens dienen und als Rekognitionszins 1 kulmischen oder 5 preußische Pfennige, 2 Markpfund Wachs und von jedem deutschen Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen und von jedem polnischen Haken 1 Scheffel Weizen geben. Siegelankündigung. Gegeben ... 1285. Zeugen: Ditterich von Spire, Ktr. von Elbing; Conrad Swobe, Hauskomtur in Elbing; Wolff·, Herman Döring sowie die Elbinger Bürger Albrecht Collen; Hinrich Collen; Reynolt. Ratmann; Helmuth und Gothschalk, Brüder; Hermann, Schulze zu Elbing. Überschrift: Hantfeste der gutter von Czrepeyn. Druck: CDW 1, 74. 137[7] August 7.
Preußisch-Holland
(57-58) 34/6
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke verkauft den Einwohnern des Dorfes Wekelitcz (Wöklitz) 2 Hufen Bruch und Wiesen, die zwischen! ihrem Feld und dem Bruch des Ordens gelegen sind, damit sie dem Orden besser dienen können. Die Hufen sind gleich unter Freie und Bauern nach Hakenzahl zu teilen. Sollte ein Bauer von seinem Gut fortziehen, so kann er seinen Anteil an dieser Hufe demjenigen verkaufen, der nach ihm auf sein Erbe kommt. Siegelankündigung. Gegeben uff deine huwsze zcu Hollant... 1370 (sie!) am freitage noch ad vineula PeÜberschrift: Hantfeste obir czwu wesen zcu
Wekelitcz.
Druck: CDW 1, 40. 1320 August 25.
(58-59) 35/7
o.O.
Der OSp. und Ktr. von Elbing Heinrich von Isenburg bestätigt den Kauf des Kruges durch Eckart von [Heinrich], Pfründner am Heiliggeisthospital. Überschrift: Hantfeste obir den creczeme
zcu
Wekelitcz.
Druck: PrlJB 2, 292. 1377 August 2.
Preußisch-Holland
(59-60) 36/8
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke verkauft den Einwohnern des Dorfes Bartkay in (Baltkamm) eine Hufe Bruchland zwischen ihrem Feld und dem Bruch des Ordens, damit sie dem Orden besser dienen können. Die Hufe soll entsprechend der Anzahl der Haken unter den Bauern geteilt werden. Sollte ein Bauer von seinem Gut fortziehen, so kann er seinen Anteil an dieser Hufe demjenigen verkaufen, der nach ihm auf sein Erbe kommt.
117
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Gegeben vincula.
uff dem hawsze
zcu Hollant
... 1377 am sontage
Zeugen: Walter, Hauskomtur zu Holland; Eberhart mansgrune,
noch sinte Peters tage
von Rosenau'.
Renike
ad
von Her-
Kumpane des HMs.
Überschrift: Hantfeste
obir die wesen zcu
Bartkaym.
Druck: CDW 3, 38. 1 3 8 5 Juli 18.
( 6 0 - 6 l ) 37/9
Pomenen
Der OSp und Ktr. zu Elbing Siegried Walpode von Bassenheim verschreibt seinen Leuten zu Bartkaym (Bartkamm) erblich eine Hufe Wiesenwachs zu Luxiote Dempno (Luxethen im Tal) frei zu kulmischem Recht. Von jedem Morgen sollen sie 2 Scot Pfennige gewöhnlicher Münze zu Martini Zinsen. Siegelankündigung. Gegeben
... in unserm hoffe zcu Pomenen
... 1385 am dinstage
vor Marien
Magdale-
Zeugen: Walter von Tiralt, Hauskomtur zu Elbing; Johann von Redern, Hauskomtur zu Holland; Wilhelm von Wencheym, Kumpan des Ktrs.; Jocob, Kämmerer zu PomeÜberschrift: Hantfeste
obir wesen czu
Bartkaym.
Druck: CDW 3, 185. 1 3 8 4 März 13.
Preußisch-Holland
(61-62) 38/10
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke verleiht Hans, kretczemer von Wekelitcz, Wissemire, Jocoben und Hancke Hoendorff dortselbst sowie Hansz, molner von Bartkaym, eine Hufe Wiesenwachs zu Lanxioto Dempno (Luxethen im Tal) erblich zu kulmischem Recht. Dafür sollen sie jährlich zu Martini 3 Mark Pfennige Zinsen und frei von Diensten, Scharwerk und Beschatzung sein. Sie haben das Recht, um die Hufe einen 8 Schuh breiten Graben zu ziehen. Auch dürfen sie einen Weg zu der Hufe halten, ohne den Leuten zu schaden. Siegelankündigung. Gegeben zeit Hollandt...
1384 am sontage oculi
mei.
Zeugen: Walter Hundelin, Hauskomtur zu Elbing; Rotcher Ußooltczer, Fischmeister zu Elbing; Walter von Tiralt, Hauskomtur zu Holland; Wilhem (!) von Wenkheym, Kumpan des Ktrs. Überschrift: Wekelitcz hantfeste Druck: CDW 3, 168.
obir eyne hübe
wesenwachs.
118
JOACHIM STEPHAN
1 3 8 4 März 13.
Preußisch-Holland
(62-64) 39/11
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke verleiht Hausse, Wyssamire,
Jocoben
und Hanke
Hoendorff'dortselbst
kay n, eine Hufe Wiesenwachs in Lauxioto
Dompno
kretczemer
und Hansse,
van
Molner
Wekelitz, von
Bart-
(Luxethen im Tal) zu kulmischem
Recht. Dafür sollen sie jährlich zu Martini 3 Mark Pfenige Zinsen und frei von Diensten, Scharwerk und Beschatzung sein. Sie haben das Recht, um die Hufe einen 8 Schuh breiten Graben zu ziehen. Auch dürfen sie einen Weg zu der Hufe halten, ohne den Leuten zu schaden. Siegelankündigung. Gegeben
zcu Hollandt...
1384 am deme sontage
oculi
mei.
Zeugen: Walter Hundelin, Hauskomtur zu Elbing; Rotther von Ufholcz, Fischmeister zu Elbing; Walter von Tieralt, Hauskomtur zu Holland; Willam von Wenkheim, Kumpan des Ktrs. Überschrift: Eyne hübe wesewachs
zcu Wekelticz
( Wöklitz).
Druck: CDW 3, 168. Disze noch geschreben hantfesten hat laszen beschreben bruder Heinrich Rewsze von Plauwen, kumpthur zcum Elbinge, in der jorczal Cristi tusent vierhundert linde im vumjf unde drissigesten iar angehaben am tage Dorothee virginis (1435 Februar 6). (64)
III
Camerampt
Burdeyn
(64)
1 3 3 5 April 8 .
Marienburg
(64-65) 40/1
HM Luther von Braunschweig bestätigt den Söhnen des Herman der Güter Paskaynen
(Peiskam) und die Güter Angliten
ken) sowie einen Teil der Güter Bonusdorff
(Briensdorf)
Boiyn
die Hälfte
(Angnitten) und Koke
(Ko-
und in anderen Orten des
Elbinger Gebiets zu kulmischem Recht. Überschrift: Paskaynen.
Angliten.
Koke,
Bomisdorff12.
Druck: PrUB 2, 878. 1 4 2 9 Juli 13
Preußisch-Holland
(65-67) 41/2
Der OSp und Ktr. zu Elbing Konrad von Beldersheim beurkundet, dass sein Vorgänger Heinrich Hold ( 1 4 2 6 - 1 4 2 8 ) seinem Diener Petrasschen
6 Hufen zu
Warnikaym
(Warnikam) verliehen hatte, wie sie von alters her angewiesen sind, ohne ihm darü-
22
Am linken Rand mit schwarzer Tinte und kleinerer, späterer Schrift nachgetragen.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
119
ber eine Verschreibung auszustellen. Dies erfolgt nun auf Bitten des Petrasschen mit Zustimmung des HMs. Paul von Rusdorf frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit zu prußischem Recht. Dafür soll er nach Landesgewohnheit einen Dienst mit einem Pferd und Waffen sowie beim Burgenbau leisten. Zu Martini soll er jährlich auf das Haus Elbing von jedem Pflug oder was er anstelle eines Pfluges führt je 1 Scheffel Weizen und Roggen als Pflugkorn und 1 Lot Wartgeld geben. Siegelankündigung. Gegeben ... zeit Hollant in unserm hiiwsze ... 1429 am tage Margarethe virginis. Zeugen: Pfreclerich Kaiciehorn, Hauskomtur zu Elbing; Poster, Unterspittler; Niclos Berger, Mühlenmeister; Stocheym, Fischmeister. Überschrift: Hantfeste der gutter zeit Warnikaym. 12[8]5 April 23. Elbing (67-68) 42/3 LM Konracl von Thierberg verleiht den Prußen Gecliten und Cantym und ihren Erben einen Teil des Feldes Lantosede als Dienstgut. Gegeben ... 1295 in sinte Jurgins tage. Überschrift: Hantfeste der guttir zeit Golbiten (Golbitten). Druck: PrUB 1.2, 466. 13[4]9 Juni 2. Marienburg (68-70) 43/4 HM Heinrich Dusemer verleiht clem Johann So my η 5 Hufen 6 Morgen im Feld Slobiten (Schlobitten) und 3 Morgen Wiesen bei der Wiese des Hauses Elbing als DienstGegeben ... 1359 am dinstage an denpfingstheiligen
tagen.
Überschrift: Hantfeste ohir dy gutter zeit Slohiten. Druck: PrLIB 4, 419. 1354 Juni 15.
o.O.
(70-71) 44/5
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ortulf von Trier verleiht dem Hanike Seme zu einer Hufe in Slobiten (Schlobitten), die er vom Sohn des Claus Knysteyken gekauft hat, eine weitere Hufe. Überschrift: Hantfeste ohir sehen hüben im de sechs morgen. Druck: PrLIB 5, 250. 1378 Januar 6.
Preußisch-Holland
(71-71) 45/6
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke verleiht dem Hanken Somen erblich 2 Hufen Acker im Feld des Dorfes Slobiten (Schlobitten) seinem Dienst zu Hilfe zum selben Recht, wie er die anderen Hufen besitzt.
120 Gegeben
JOACHIM STEPHAN
zeit Hollant...
1378 am tage Epyphanie,
Zeugen: Walter Hundelin,
das ist am tage der dryer
Hauskomtur zu Holland; Ebirhart
von Hernia nsgruyne;
Thomas, Tolk des Ktrs.
Überschrift: Hantfeste
obir czwue hüben
am velde zeit
konighe.
von Rosenauw;
Renike
Slobiten.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 334. 1 4 1 9 Mai 28.
(72-74) 46/7
Marienburg
HM Michael Küchmeister verleiht mit Rat und Zustimmung seiner Mitgebietiger dem getreuen Jon von der Ploe 12 Hufen in angewiesenen Grenzen zu Kybeken im Kammeramt Bordehnen erblich zu magdeburgischem Recht mit kleinem und großen Gericht über ihre Leute innerhalb der Grenzen des Gutes mit Ausnahme des Straßengerichts, das sich der Orden vorbehält. Dafür soll er einen redlichen Platendienst in Heerfahrten und Burgenbau leisten und von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn, als Rekognitionszins 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige jährlich zu Martini geben. Ältere Briefe über diese 12 Hufen sollen durch diesen Brief ungültig werden. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm h use Marienburg melvart... 1419.
am Heesten sontage
von unsers herren
hym-
Zeugen: Hinrich Nyckeriez, Gk.; Mertin Kem noter, OM; Hynrich Holt, OSp. und Ktr. zu Elbing; Pavel Rusdorff OTr. und Ktr. zu Christburg; Walter von Merheym, Tr.; Gregoriiis, Kaplan des HMs.; Conrad Baldirsheym und forge Seckendorff Kumpane des HMs.; Hinricus und Andreas, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zeit Slobiten (Schlobitten). 1 4 0 8 J u n i 22.
Preußisch-Holland
(75-76) 47/8
HM Ulrich von Jungingen verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger dem getreuen Reniken Beneken 2 Hufen zu Goren (Guhren), die Renike von Frederich von Gory η gekauft hat, erblich zu prußischem Recht in angewiesenen Grenzen. Dafür soll er nach Landesgewohnheit mit Pferden und Waffen in Heerfahrten und Burgenbau dienen. Die Handfeste über die 2 Hufen ist seit geraumer Zeit verloren, sollte sie gefunden werden, soll sie keine Gültigkeit mehr haben. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm tagk ... 1408.
h use Hollant
am nesten freitage
vor sinte Johannis
baptisten
Zeugen: Kuncze vom Lichtensteyne, Gk.; Ffrederich von Wallenrod, OM.; Wernher von Tetingen, OSp. und Ktr. zu Elbing; Burgkart von Wobeke, OTr. und Ktr. zu Christburg; Thomas von Merheym, Tr.; Berhaiih, Kaplan des HMs.; Arnolt von Baden und BeymuntBrendel, Kumpane des HMs.; Nicolaus und Gregoriiis, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zeum Goryn.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
1 3 0 5 September 20.
o.O.
121
(76-77) 4 8 / 9
LM Konrad Sack verleiht dem Reuden lichwano
1 Haken im Feld Lekelancken (Niko-
laiken) als Dienstgut. Überschrift: Hantfeste der gutter
Lekelanken.
Druck: PrUB 1.2, 839. 1 3 9 5 Dezember 2.
Marienburg
(77-79) 4 9 / 1 0
HM Konracl von Jungingen verleiht mit Willen und Rat seiner Mitgebietiger den getreuen Caspar und nomas, den bnidern von Arwayden, erblich 4 Haken zu Leckelanken (Nikolaiken) in angewiesenen Grenzen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür sollen sie mit Pferden und Waffen in Heerfahrten und Burgenbau dienen und jährlich zu Martini von jedem Pflug 1 Scheffel Korn und 1 Scheffel Weizen, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn geben. Siegelankündigung. Gegeben uff unserm husze zcu Marienburg heiligen tzwelffboten ... 1395.
am neesten dornstage noch Andree
des
Zeugen: Wilhelm von Helffensteyn, Gk.; Syfrid Walpod von Bassenheim, OSp. und Ktr. zu Elbing; If reder ich von Wedel, Tr.; Niclos Holland, Kaplan des HMs .\fohan von Pforten, Eberhart von Wallenfels, Kumpane des HMs.; Mathias und Hewke, Schreiber des HMs. Überschrift: Item hantfeste der gutter zcu 1 3 4 4 April 7.
leckelanken.
Elbing
(79-80)50/11
HM Ludolf König verleiht seinem getreuen Thomas von Panyn erblich 4 Hufen als Dienstgut, die an die Grenze der Dörfer Herendorff
(Herrendoii),
Jonakayn
(Joni-
kam) und Slohiten (Schlobitten) stoßen. Überschrift: Hantfeste der guter zcu
Ramotinhoff1^.
Druck: PrUB 3, 643. 127[9] Februar 20.
Elbing
(80-81) 51/12
LM Konrad von Thierberg verleiht clem Prußen Pakoke als Dienstgut soviel Acker, wie er bebauen kann. Gegeben ... 1272 decimo kalendas
marcii.
Überschrift: Hantfeste der gutter Gritsien (Grossainen). Druck: PrLIB 1.2, 369.
23
Der spätere Wildgarten östlich von Jonikam.
JOACHIM STEPHAN
12 2
1 2 7 6 o.T.
Elbing
(81-82) 52/13
LM Konrad von Thierberg verleiht dem Prußen Redechin auf seinem Acker Freiheit von Zehnt und Scharwerk und verpflichtet ihn zu Dienst in Heerfahrten und BurgenÜberschrift: Item der gutter von Grusien (Grossainen). Druck: PrUB 1.2, 350. 1 3 1 8 November 1.
Marienburg
Gk. Friedrich von Wildenberg verleiht dem Wisteionen
(82-84) 53/14 4 Haken im Feld
Schillchen
(Spitzen) zu prußischem Recht als Dienstgut. Überschrift: Hanfeste
(sie!) der gutter zeit Wistelen (Wistein).
Druck: PrUB 2, 224. 1392 Mai 3.
o.O.
(84-85) 54/15
Der OSp. und Ktr. von Elbing Siegfried Walpod von Bassenheim bezeugt, dass Hinrich Wolff\ Kämmerer seines Vorgängers zu Borclehnen, und Wilke von Rob itin vor ihn gekommen sind und öffentlich bekannten, dass sein Vorgänger [Ulrich Fricke (1372-1384)] den Brüdern Hanken und Peter von Wistoln eine Hufe Übermaß im Dorf Wistoln und eine halbe Hufe im Dorf Coppln (Koppeln) ihrem Gut Scholccen (Spitzen) zu Hilfe verkauft hat. Dieses Gut von 4 Haken erhielten sie von Gk. Friedrich von Wildenberg, und der Komtur zu Elbing Ortulf von Trier verlieh ihnen weitere 2 Hufen in dem genannten Gut Schulcken. Siegelankündigung. Gegeben ... 1392 am dritten tage maii. 1 3 5 8 April 23.
Bordehnen
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ortulf von Trier verleiht clem Hanke seinem Bruder Peter 2 Hufen zu Schiilcin
(85-86) 55/16 Waystullinen
und
(Spitzen) ihrem Gut zu Hilfe.
Druck: PrUB 5, 643. 1 4 2 8 J u n i 18.
Preußisch-Holland
(86-87) 56/17
Der OSp. und Ktr. von Elbing Heimich Hold verleiht mit Rat der ältesten Brüder dem Tloomas Peyleg für 2 Hufen, die er besaß, 3 andere in Lipseyden2 i und eine zu Rohlfen (Robitten) erblich zu prußischem Recht frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit.
21
Das prußische Ilakendorf Liepsein fiel nach 1118 wüst. Vgl. G e r m e r s h a u s e n Anm. 4), S. 252.
(wie
123
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Davon soll er Dienst mit Pferden und Waffen in Heerfahrten und Burgenbau leisten und jährlich zu Martini von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn und 1 Lot Wartgeld geben. Gegeben lindegeschreben zcu Holland yn unserm huwse ... 1328 (sie!) am noch Viti unde Modesti der inerterer.
freytage
Zeugen: Fredrich Kaldeborn, Hauskomtur zu Elbing; Poster, Unterspittler; Hans Hirsberg, Mühlmeister; Michel Tussenfelder, Fischmeister; Conrad Wedemer, Kellermeister; Niehls Beler, Kumpan des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zcu Lipseyn. 1389 J u n i 16.
Preußisch-Holland
(88-89) 57/18
HM Konracl Zöllner von Rothenstein verleiht mit Willen und Rat seiner Mitgebietiger clem getreuen Haniken Littauiven erblich 2 Haken auf clem Feld Lypseyde in angewiesenen Grenzen frei von Zehnt unci bäuerlicher Arbeit. Dafür soll er Dienst mit Pferden unci "Waffen in Heerfahrten unci Burgenbau leisten unci jährlich zu Martini von jedem Pflug 1 Scheffel Korn unci 1 Scheffel "Weizen als Pfluggeld geben. Sein Wergelcl wird auf 30 Mark festgesetzt. Siegelankündigung. Gegeben zcu Hollant ... 1389 an des heiligen leichenams obende. Zeugen: Conrad von Wallenrode, Gk.; Syfrid Walpode von Bassenheim, Ktr. zu Elbing; Mertin, Kaplan des HMs. \Johan von Redern, Johan von Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter
OSp. unci Lichtensteyn,
Leypseyde.
1277 Februar 19-
Elbing
(89-91) 58/19
Der Marschall des Deutschordens in Preußen Konracl von Thierberg verleiht an Pygant, Waysell, Schone, Naschom
unci ihre Erben 36 Hufen im Feld Leysem (Lägs) unci
zwar Pygant 12 Hufen, clen anderen je 8 Hufen. Überschrift: Hantfeste
der gutter zciir Leysse.
Druck: PrUB 1.2, 3531280 August 1.
Elbing
LM Mangold verschreibt clem Mawdio
unci seinem Bruder Salach
(91-93) 59/20 8 Hufen auf clem
Feld Pcinien (Spanden) unci gibt ihnen Amnestie für clen Abfall vom Glauben. Überschrift: Hantfeste der gutter von Druck: PrUB 1.2, 381.
Panien.
124
JOACHIM STEPHAN
Preußisch-Holland
(93-94) 60/21
HM Ludolf König verleiht seinem Getreuen Stalgune
ein Dienstgut von 2 Hufen im
1342 J u n i 27. Feld Panien Überschrift:
(Spanden) und setzt sein Wergeid auf 30 Mark fest. Panien25.
Druck: PrUB 3, 466. 1[4]07 September 24.
Bordehnen
(95 97) 61/22
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Werner von Tettingen bezeugt, dass sein Vorgänger Konracl, Graf von Kyburg (1396-1402), den Brüdern Stanlig und Jekel von Panien eine Hufe von den Hufen, die von ihrem Vetter Mertin von Panien erblich angestorben waren, ihrem Gut zu Hilfe verkauft hat, ohne ihnen eine Verschreibung darüber auszustellen. Auch sein Vorgänger Konracl von Lichtenstein hat ihnen 2 wüste Hufen, die lange Zeit wüst lagen und von denen nicht gedient wurde, ihrem Gut zu Hilfe gegeben, was ebenfalls nicht verbrieft wurde. Werner von Tettingen erfüllt ihre Bitte, diese Verleihungen zu beurkunden, und gibt 10 Morgen von diesen 2 Hufen der Mühle in Panien. Auch haben Stalge und Jekel eine Hufe von Merneken von Panien gekauft, der ein Vormund von Niclis und Urban, Kindern des Rqffalelis von Panien, ist, denen diese Hufe gehört hatte. Die genannten 4 Hufen weniger 10 Morgen verleiht er mit Wissen und Gunst der ältesten Brüder dem Stalge und clem Jekel, damit sie besser dienen mögen, zum selben Recht wie ihr sonstiges Gut, über welches sie einen Brief über 8 Hufen haben. Siegelanküncligung. Gegeben ... 1307 (sie!) am sonobende deyn.
noch Mathie Apostoli im ruchthqfje
zeit
Bur-
Zeugen: Kuntcze Kimseck, Hauskomtur zu Elbing; Peter von Gundilsheym, llnterspittler; Karl von Walterhusen, Hauskomtur zu Holland; Kunteze Krusstel, Waldmeister; Gybold Lebe, Gartenmeister; Wilhelm von Priddingen, Kumpan des Ktrs.; Johannes, Kaplan des Ktrs. Überschrift: Hantfeste
obir hüben zeu
1267 [April] o.T.
Panien. (97-99) 62/23
Elbing
LM Ludwig verleiht clem Marlis unci seinen Brüdern Stortcz, Kunot, Menant, Postreiyde unci Steinaus 48 Hufen vom Feld Pani (Panien) bis an den Fluss Serie (Pasarge) als Dienstgut. Gegeben
... 1267 mensis
Überschrift: Hantfeste
may.
obir dy gutter Schloydien
Druck: PrUB 1.2, 262.
25
Spätere Schrift mit schwarzer Tinte.
(Schlodien) unde
Panien.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
1397 November 1.
Marienburg
125 (99-101) 63/24
HM Konrad von Jungingen verleiht mit Willen und Rat seiner Mitgebietiger dem Nickis Nermede erblich 4 Hufen im Feld zu Merkyn1(' in angewiesenen Grenzen zu kulmischem Recht. Dafür soll er Dienst in Heerfahrten und Burgenbau leisten und jährlich zu Martini von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Korn und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn sowie als Rekognitionszins 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige zahlen. Sollten die Prußen des Ordens wider ihn oder seine Erben klagen, so soll das vor dem Komtur im Richthof geschehen, so dass sie bei ihrem Recht und die Prußen bei ihrem Recht bleiben. Die 4 Hufen sollen in nicht mehr als 2 Teile geteilt werden. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm husze zcu Marienburg ... 1397 an aller heiligen tage. Zeugen: Wilhelm von Helffinstein, Gk.; grove Conrad von Kyburg, OSp. und Ktr. zu Elbing; Borckart von Wobeke, Tr.; Arnolt Stapyl, Kaplan des HMs.; Bertolt von Truchburg, Ebirhart von Wallenfilsz, Kumpane des HMs.; Mathias linde Heweke, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zcu
Merkynen.
1289 IJuni 2 (?)]. Elbing (101-104) 64/25 LM Meinhard von Querfurt verleiht den Brüdern Sampolto und Canoto und ihren Erben Güter zu kulmischem Recht, deren Grenzen genauer bestimmt werden. Gegeben ... 1289 Nonas Januarii. Überschrift: Hantfeste der gutter von Burgkartsdorff
(Borchertsdorf).
Druck: PrUB 1.2, 538. 1413 April 11. Marienburg (104-107) 65/26 HM Heinrich von Plauen verleiht mit Rat seiner Gebietiger seinem getreuen Schreiber Hans Lichtenwald für seine treuen Dienste die Güter Sopoythen (Seepothen) und Kagenaw (Kagenau) mit der Mühle und dem Mühlenteich im Gebiet Elbing in angewiesenen Grenzen erblich zu magdeburgischem Recht. Aus besonderer Gnade erhalten seine Töchter, falls er nur solche hinterlassen sollte, das Recht, vom Orden mit clem Gut oder aus dem Gut aus clem Erbe abgefunden zu werden oder eine Mitgift zu erhalten. Außerdem erhält er Hoch- unci Niedergericht innerhalb der Grenzen der Güter, ausgenommen das Straßengericht, das sich der Aussteller vorbehält. Aus sonderlicher Gnade muss er nirgends außer im Richthof vor clem Ktr. zu Elbing vor Gericht stehen. Dafür soll er einen redlichen Platenclienst in Heerfahrten und Burgenbau
26
Wüst, lag bei Spanden und Schlodien und ist wohl in der Gemarkung Schlodien zu suchen. G e r m e r s h a u s e η (wie Anm. 4), S. 271.
126
JOACHIM STEPHAN
leisten. Den Platendienst sollen er und seine Erben selbst leisten und nicht von Schulzen oder anderen geringen Leuten leisten lassen. Jährlich zu Martini soll er von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn und als Rekognitionszins 1 Krampfund Wachs, 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige geben. Der Orden behält sich das Recht auf Erz und alles, was der Herrschaft gehört, vor sowie das Recht, in den Grenzen der Güter Wege, Stege und Wasser zu leiten. Siegelankündigung. Gegeben tage.
... u f f u nserm huwsze Marieburg
... 1413 am dinstage
neest vor dem pal me
Zeugen: Gr o f f e Frederich von Czolner, Gk.; Michel Kochmeister, OM.; Herman Gans, OSp. und Ktr. zu Elbing; Frederich von Wellen, OTr. und Ktr. zu Christburg; Bymund Brendil, Tr Johannes, Kaplan des HMs.; Hi η rieh Marschalk. Jost Gen wolf , Kumpane des HMs.; Bernhardus, Rolandus, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zeit Sopoythen. 1 4 2 0 J a n u a r 11.
Preußisch-Holland
(107-110) 66/27
HM Michael Küchmeister verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger dem Ditterich Grunefeld, der ihm zwei Verschreibungen über seine Güter ohne Angabe des Rechts vorgewiesen und um eine Verschreibung auch für seine Ehefrau gebeten hat, erblich wegen seiner getreuen Dienste 8 Hufen 10 Morgen sowie eine Hufe Moosbruch zu Schardenithen27 und 20 Morgen Wald bei Bucbwitcz gutte gelegen2^ in angewiesenen Grenzen zu magdeburgischem Recht. Nach Dittericbs Tod sollen seine Güter an Lewkart, seine Ehefrau, an Barbara, beider eheliche Tochter, und an andere eheliche Erben fallen. Ferner verleiht ihm der Aussteller das große und kleine Gericht über ihre Leute in den Grenzen des Gutes, ausgenommen das Straßengericht, das sich der Aussteller vorbehält. Dafür sollen die Gutsinhaber einen redlichen Dienst mit Pferden und Harnisch nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten, jährlich 1 Markpfund Wachs und 1 kulmischen oder 5 preußische Pfennige als Rekognitionszins zahlen und von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn zu Martini entrichten. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm koninge tage ... 1420.
huwse Hollandt
Zeugen: Hinrich Neckeritcze, Ktr. zu Elbing; Paul Rosdorff,
27 28
am neesten dornstage
nach der heiligen
dry-
Gk.; Mertin Kemenater, OM.; Hinrich Holt, OSp. und OTr. und Ktr. zu Christburg; Walter von Merheim, Tr.;
Die wüsten Dörfer Groß und Klein Scharnitten lagen in der Gemarkung des Dorfes Karwinden. G e r m e r s h a u s e n (wie Anm. i), S. 332 f. Das wüste Gut Buchwis, vermutlich bei Scharnitten gelegen. G e r m e r s h a u s e n (wie Anm. 4), S. 155.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Gregohus, HMs.
Kaplan des HMs.; Konrad
Überschrift: Hantfeste der glitter zeit
Baldersheym,
127
Jorge Seckendorf/,
Kumpane d.
Schardynyten.
Regest: Neitmann: Michael Küchmeister (wie Anm. 12), Nr. 60. 1 4 4 4 April 16.
Marienburg
(110-113)67/28
HM Konrad von Erlichshausen bestätigt, dass die getreuen Gunther von Panyen und Helwick von Merkyn vor ihn gekommen sind, um einen Kauf anzuzeigen. Gunter von Panyen, der 9 Hufen in Panyen (Panien) und Merkyn29 zu magdeburgischem Recht hatte, hat Helivik zu Merkyn 4 Hufen zu demselben Recht verkauft. Gunter besitzt nun 5 Hufen im Gebiet Elbing und im Kammeramt Bordehnen. Sie sind sich einig geworden, dass Helwigk den Dienst leisten soll, den Gunter von den 9 Hufen zu leisten hatte. Gunter wiederum soll den Dienst leisten, den Helwigk von den 4 Hufen zu kulmischem Rechte im Feld Merkyn pflichtig war. Der HM entspricht mit Rat, Willen und Zustimmung seiner Mitgebietiger ihrer Bitte und vertauscht die beiden Dienste. Er verbrieft Gunther von Panyen 5 Hufen zu Panyen im Gebiet Elbing und im Kammeramt Bordehnen in angewiesenen Grenzen zu magdeburgischem Recht. Er soll Dienst in Heerfahrten und Burgenbau leisten und jährlich zu Martini von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn und 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen oder 5 preußische Pfennige zu Martini als Rekognitionszins geben. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm huusze Marienburg Quasi modo geniti... 1444.
am neessten donnerstage
vor dem
sontage
Zeugen: Hannus von Remchingen, Gk; Hinrich Rewsze von Plauwen, OSp. und Ktr. zu Elbing; Ulrich Isenhof er, Tr.; Silvester, Kaplan des HMs.; Helffrich von Gewolt, Wilhelm von Hundenhurn, Kumpane des HMs.; Martinus, Johannes, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste
der gutter von
Panyen.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 290. 1 3 1 6 Oktober 9.
Elbing
(114-115)68/29
LM Karl von Trier belehnt den Wylkynum mit der Hälfte der Güter, die einst Woysseten besessen hatte, als Dienstgut zu prußischem Recht. Überschrift: Hantfeste Druck: PrUB 2, 164.
29
Siehe Nr. 4.
der gutter
Woyseten.
128
JOACHIM STEPHAN
1 3 7 4 Februar 19-
(116-117) 69/30
Preußisch-Holland
HM Winrich von Kniprode verleiht dem getreuen Hänchen von Golbiten erblich 3 Hufen in Golbyten (Golbitten) in angewiesenen Grenzen zehnt- und scharwerkfrei gegen einen Dienst mit Pferden und Waffen in Heerfahrten und Burgenbau. Jährlich zu Martini soll er 1 Scheffel Roggen und 1 Scheffel Weizen vom Pflug und 1 Scheffel Weizen vom Haken als Pflugkorn geben. Siegelankündigung. Gegeben
zcu Holland
... 1374 am sontage
Zeugen: Wolf era m von Baldensheym, Konrad
Czolner,
Invocavit.
GK.; Ulrich Fricke,
OSp. und Ktr. zu Elbing;
OTr. und Ktr. zu Christburg; Niclos, Kaplan des HMs.
Überschrift: Hantfeste
der gutter
Golbyten.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 188. 1 4 2 6 Februar 27.
(117-119)70/31
Bordehnen
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Holdt beurkundet, dass Reinike zcu Galmenhoff vor ihn in den Richthof zu Bordehnen gekommen ist und ihn gebeten hat, ihm Hufen daselbst, die er von Hintcziken Galmen und dessen Sohn Jacob gekauft hat, die ihre Handfeste darüber verloren hatten, zu verschreiben. Obwohl der Komtur in seinen Büchern keine Abschrift finden konnte, entspricht er mit Rat der ältesten Brüder ihrer Bitte und verleiht Reyneken und seinen Erben die 3ιΔ Hufen in von alters her angewiesenen Grenzen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit zu Erbrecht. Dafür soll er dem Orden einen redlichen Dienst mit Pferden und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten. Von jedem Pflug soll er dem Haus Elbing zu Martini 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn und 1 Lot als Wartgeld geben. Sein Wergeid wird auf 30 Mark festgesetzt. Siegelankündigung. Gegeben
zcu Burdeyn
... 1426 am Mitwoch
Zeugen: Hans Grunrode, Überschrift: Hantfeste 1 4 2 4 März 15.
zcu
noch
Reminiscere.
Hauskomtur zu Elbing; Alleph, Spittler; Scheffel,
Fischmeis-
Galmengutlß{). Bordehnen
(119-121)71/32
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Holt beurkundet, class er den Brüdern Jorge und Hans zcu Galmen ungefähr 3Vi Hufen daselbst in angewiesenen Grenzen verkauft hat, die ihm angestorben waren. Die beiden Brüder baten ihn um eine erneute Verschreibung, da die alte Handfeste verloren gegangen war und man auch nicht mehr wusste, von wem sie gegeben worden war. Er entspricht mit Rat der ältesten 30
Das -wüste Dorf Galm lag im Südteil der Gemarkung Guhren. G e r m e r s h a u s e n Anm. 4), S. 177f.
(wie
129
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Brüder ihrer Bitte und verschreibt ihnen die 3Vi Hufen zu Gähnen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit erblich zu prußischem Recht. Dafür sollen sie einen Dienst mit Pferden und Harnisch nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten. Von jedem Pflug sollen sie dem Haus Elbing jährlich zu Martini 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Korn als Pflugkorn und 1 Lot als Wartgeld geben. Gegeben zcu Burdeyn in unserm richthoffe ... 1424 an der mitwoch noch Gregorii. Zeugen: Hans Grunrode, Hauskomtur zu Elbing; Scheffel, Fischmeister zu Elbing. Überschrift: Hantfeste der gutter Galmenhoff. 1 4 2 8 Juli 6.
Preußisch-Holland
(121-123) 72/33
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Holt beurkundet, dass Pauwl zcu Scoypen (Stöpen) den Brüdern Jocob und Peter 4 Hufen daselbst für 60 Mark gewöhnlicher Münze zu Erbrecht verkauft hat. Da er keine Handfeste über die Hufen vorweisen konnte, baten sie den Komtur um eine Verschreibung. Der Komtur entspricht mit Rat der ältesten Brüder dieser Bitte und verleiht ihnen die 4 Hufen zu Scoypen erblich in von alters her angewiesenen Grenzen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür sollen sie einen redlichen Dienst mit Waffen und Pferden nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten, von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn und 1 Lot als Wartgeld jährlich zu Martini entrichten. Ihr Wergeid wird auf 30 Mark festgesetzt. Siegelankündigung. Gegeben in unserm huwsse Holland ... 1428 am dinstage noch VisitationisMarie. Zeugen: Frederich Kaldeborne, Hauskomtur zu Elbing; Poster, Unterspittler; Hanniis Hirczberg, Mühlmeister. Überschrift: Hantfester der glitte Scopen. 1267 April o.T.
Elbing
LM Ludwig verleiht den Prußen Santyrmes, de
Woczeslon und Buchelo
(123-126) 73/34 ein Feld im Lan-
Paslach.
Überschrift: Hantfeste
der gutter zeit
Peyleifh
Druck: PrUB 2.1, 2631 3 9 4 Juli 26. Einsiedel (126-128) 74/35 HM Konrad von Jungingen verleiht Frederich von Kantyten und Niclos von Natangyn erblich 6 Hufen auf dem Feld Kantyten (Kanditten) in angewiesenen Grenzen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür sollen sie Dienst in Heerfahrten und Burgenbau leisten und von jedem Pflug 1 Scheffel Roggen und 1 Scheffel Weizen, von 31
Eventuell handelt es sich um das Gut Peiskam. Vgl. G e r m e r s h a u s e n S. 293 f.
(wie Anm. I),
130
JOACHIM STEPHAN
jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn jährlich zu Martini entrichten. Ihr Wergeid wird auf 30 Mark festgesetzt. Siegelankündigung. Gegeben
zcinn Eynsedel
am sontage
Zeugen: Wilhelm von Helfensteyn, ter; Kaplan des HMs. Überschrift: Hantfesten
noch Jacobi
... 1394.
Gk.; Syfrid Walpode,
der gutter zeit
1 3 3 1 April 23.
OSp. und Ktr. zu Elbing; Pe-
Kantyten. (128-131) 75/36
Elbing
HM Luther von Braunschweig erneuert die dem Prußen Litbene
über das Feld Redi-
ten (Wolfs)^2 von LM Ludwig verliehene Handfeste, die vernichtet wurde. Überschrift: Hantfeste
der gutter zeit
Rediten.
Druck: PrUB 2, 732. 1 2 9 0 Februar 24. Feld Playmen
(131 f.) 76/37
Elbing
LM Meinhard von Querfurt verleiht den Prußen Queyren
und Kaymen
2 Haken im
(Plehnen).
Überschrift: Hantfeste
der gutter Kaymyn
(Kaymen).
Druck: PrlJB 1.2, 559. 1 3 8 3 März 26.
Elbing
(131-133) 77/38
HM Konrad Zöllner von Rothenstein verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger clem getreuen Hinrich von Gnatynne 10 Hufen in den Feldern Redithen (Wolfs) und Grusiene (Grossainen) in angewiesenen Grenzen erblich zu magdeburgischem Recht als Dienstgut. Dafür soll er mit Pferden und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau dienen und von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Korn und von jedem Haken 1 Scheffel "Weizen jährlich zu Martini entrichten. Ihr Wergeid wird auf 30 Mark festgesetzt. Siegelankündigung. Gegeben uff unser m huivse Elbing ... 1383 am dornstage noch ostern. Zeugen: Rutgher von Einer, Gk.; von Wallenrode, OM.; Ulrich Fricke, OSp. und Ktr. zu Elbing; Hinrich Gans, OTr. und Ktr. zu Christburg; Ulrich Hachenberger, Tr.; Merten, Kaplan des HMs.; Karl vom Lichtensteyn, Gerhard von Visthiig, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste
der gutter
Redithen.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 392. 32
Das Dorf lag zwischen Nauten, Grossainen und Groß Thierbach und ist in der Gemarkung von Groß Thierbach aufgegangen. G e r m e r s h a u s e η (wie Anm. 4), S. 392.
131
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
1450 Juli 10.
(133-136) 78/39
Tolkemit
HM Ludwig von Erlichshausen verleiht mit Willen und Zustimmung seiner Mitgebietiger dem Ffredrich Luckwen erblich das Dorf Schonenflisz (Schönfließ) im Gebiet Elbing und im Waldamt Mühlhausen mit iAVi Hufen in angewiesenen Grenzen zu magdeburgischem Recht einschließlich hoher und niederer Gerichtsbarkeit mit Ausnahme des Straßengerichts, das sich der Aussteller vorbehält. Sollte bei einer Nachmessung weniger gefunden werden, so ist der Orden nicht verpflichtet, dies a b z u gleichen. Dafür soll er einen redlichen Dienst mit Pferden und Harnischen in Heerfahrten und Burgenbau leisten und 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige als Rekognitionszins sowie 1 Scheffel Korn und 1 Scheffel Weizen vom Pflug jährlich zu Martini als Pflugkorn geben. Die Bauern und Einwohner des Dorfes sollen dem Orden Wartgeld und Schalwenkorn geben wie die anderen Dörfer und Bauern im Gebiet Elbing. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unser m hoffe Tolkemite am freitage juncfrauwen ... 1450. Zeugen: Hinrieb
Solt van Richtenberg,
neest vor Margarethe
Gk.; Hinrich
der
Rews von Plauwen,
Komtur zu Elbing; Andris, Kaplan des HMs; Hinrich Rouffleyn
heiligen
OSp. und
von Richtenberg
und
Hinrich Nothaft, Kumpane des H M s J o h a n e s und Steffeln us, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zeu
Schonenflisz.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 343.
IV Camerampt
Libenstad
(136)
1263 J u n i 6.
Elbing
(136-139) 79/1
Johann von Wegeleben, Gebietiger der Brüder des Deutschen Hauses in Preußen, verleiht den Prußen Preibotoni,
Slanotoni
und seinen Brüdern das Dorf Syreyn
(Sorrehnen) mit seinem Feld und die Hälfte des Dorfes Ylien (Gillgehnen). Überschrift: Hantfeste
der gutter Syreyn und Mien.
Druck: PrLIB 1.2, 204. 1 3 5 8 August 22.
Marienburg
HM Winrich von Kniprode verleiht dem Hans Brunchin Feld Baldeyn
(Hartwich) erblich zu kulmischem Recht.
Überschrift: Hantfeste Druck: PrUB 5, 676.
der gutter
Baldeyn.
(139-140) 80/2 10 Hufen 6 Morgen auf dem
132
JOACHIM STEPHAN
1 3 1 5 August 3.
(140-145) 81/3
Elbing
HM Karl von Trier verleiht eingedenk der Dienste, die einst die Brüder Waysen, Wilcanten und Wyniginten dem Orden geleistet haben, Stonkoythen, und Tolniswagen,
den Söhnen des genannten Waysymen,
Dörgen,
Sangawen
Felder in
Pogyzonia
(Pogesanien)^ als Dienst gut zu prußischem Recht. Überschrift: Hantfeste
der gutter zeit
Pogyzonia.
Druck: PrUB 2, 134. 1327 Februar 14.
Actum Elbing, Datum Marienburg
HM Werner von Orseln gibt den Brüdern Noyden und Jodechen
(146-149) 82/4 im Austausch gegen
Koythen (Komthurhof) das Feld Wobryn Überschrift: Hantfeste
der gutter
Woberyn.
Druck: PrUB 2, 581. 1367 Mai 30.
(149-150) 83/5
Mohrungen
HM Winrich von Kniprode verleiht den Brüdern Jakob
und Nocke erblich AV2 Hufen
auf clem Feld Sparteyn (Sporthenen) in angewiesenen Grenzen. Überschrift: Hantfeste der gutter
Sporteyn.
Druck: PrUB 6, 565. 1367 Mai 30.
(150-152) 84/6
Mohrungen
HM Winrich von Kniprode verleiht dem Smoyedro
4 Hufen auf dem Feld Sparteyn
(Sporthenen) in angewiesenen Grenzen. Überschrift: Hantfeste gutter
Sporteyn.
Druck: PrUB 6, 566. 1367 Mai 30.
Mohrungen
HM Winrich von Kniprode verleiht Hänchen
(152-153) 85/7
unci Adam 3 Hufen 4 Morgen auf clem
Feld Sporteyn (Sporthenen) in angewiesenen Grenzen. Überschrift: Hantfeste der gutter
Sparteyn.
Druck: PrUB 6, 567.
33 31
Aus anderen Abschriften ergibt sich, dass die Handfeste Gillwalde betrifft. Die Herausgeber des Preußischen Urkundenbuches vermuten das Feld W. in der Gegend von Lomp.
133
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOMTIJREIBIJCIIES
1367 Mai 30.
(153-154) 86/8
Mohrungen
HM Winrich von Kniprode verleiht dem Woyade erblich 3 Hufen 4 Morgen auf dem Feld Sparteyn (Sporthenen) in angewiesenen Grenzen. Überschrift: Hantfeste
der gutter
Sporteyn.
Druck: PrUB 6, 564. 1 3 0 5 August 13.
LM Konracl Sack verleiht clem Stanno das Feld Überschrift: Hantfeste
(154-157) 87/9
Preußisch-Holland der gutter zeit
Koytebrickyten^.
Koytebrikyte.
Druck: PrUB 1.2, 836. 1430 J a n u a r 16.
(157-160) 88/10
Preußisch-Holland
HM Paul von Russdorf beurkundet, dass Arnold von Wuszen vor ihn mit der Bitte gekommen ist, ihm die verlorene Handfeste über das Gut Myken36 zu erneuern. Da seine Angaben der Wahrheit entsprachen und die Handfeste im Handfestenbuch des Komturs zu Elbing gefunden wurde, entspricht er der Bitte. Er verleiht mit Rat und Zustimmung seiner Mitgebietiger clem Arnold 16 Hufen weniger 5 Morgen im Gut Myken im Gebiet Elbing und im Kammeramt Liebenstadt gelegen in angewiesenen Grenzen erblich zu magdeburgischem Recht. Sollte bei einer Nachmessung weniger gefunden werden, so soll der Orden nicht verpflichtet sein, dies nachzubessern. Dafür soll Arnold einen redlichen Dienst mit Pferden unci Harnisch nach Lanclesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten und von jedem Pflug 1 Scheffel Roggen unci 1 Scheffel "Weizen und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn jährlich zu Martini entrichten. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm huwse Holland wen tage ... 1430.
am montage
vor Prisce der heiligen
junefro-
Zeugen: Erasmus Viscbborne, Gk.; Conrad Beldersheym, OSp. und Ktr. zu Elbing; Niclis, Kaplan des HMs.; Rutcher von Schonewerd, Wetczel von \X>ladecheym, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter
Myken.
Druck: Neitmann: Hanclfestenerneuerungen (wie Anm. 10), S. 73 f. 1 3 1 5 August 3.
Elbing
( I6O-I66) 8 9 / 1 1
HM Karl von Trier verleiht eingedenk der Dienste, die einst die Prußen Wiltauten 35 36
und Woginten,
Brüder, dem Orden geleistet haben, Stankoyten,
Wysseym, Dörgen,
Seraphim vermutete, dass das Eeld K. mit Prägsden identisch sei. Wüst, lag im Nordteil der Gemarkung Paulken. G e r m e r s h a u s e η (wie Anm. 4), S. 272.
134
JOACHIM STEPHAN
Stanguwden und Tolewaysen, den Söhnen des Wisseym, Felder in Pogzania nien) als Dienstgut zu prußischem Recht''7.
(Pogesa-
Überschrift: Der Clawegemsche hantfeste ist vordeutschet. Druck: PrlJB 2, 134. 1424 Juli 5.
Mohrungen
(166-170) 90/12
HM Paul von Russdorf verleiht mit Rat und Zustimmung seiner Mitgebietiger dem Steffeln Kawnythe das Dorf Pawlyn (Paulken) und den Hof Tusyeyn (Dusseinen) mit zusammen 30 Hufen in angewiesenen Grenzen im Gebiet Elbing und im Kammeramt Liebstadt erblich zu magdeburgischem Recht mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit innerhalb der Grenzen des Gutes mit Ausnahme des Straßengerichts, das sich der Aussteller vorbehält. Er besitzt freie Fischerei im Mühlteich zu Ryttheyn (Maulfritzen) zu Eigenbedarf ohne Schädigung der Rechte des Müllers daselbst. Dafür soll er einen redlichen Dienst mit Pferden und Harnisch in Heerfahrten und Burgenbau leisten, als Rekognitionszins jährlich 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige zahlen und vom gesamten Gut 2 Scheffel Weizen und 2 Scheffel Roggen als Pflugkorn zu Martini entrichten. Sollten bei einer Nachmessung weniger als 30 Hufen gefunden werden, so soll der Orden nicht verpflichtet sein, dies nachzubessern. Sollten Handfesten oder Briefe über das Gut gefunden werden, so sollen diese ungültig sein. Siegelankündigung. Gegeben uff iinserm huwse Morunghe am mittewoche noch visitacionis Marie ... 1424. Zeugen: Walrahe von Hunspach, Gk.; Lodwig von Lausche, OM.; Hinrich Holt, OSp. und Ktr. zu Elbing; Niclis Jorlicz, OTr. und Ktr. zu Christburg; Jost Strupperger, Tr.; Andres, Kaplan des HMs.; Johann Pomersheym, Hannos Ponnekaw, Kumpane des HMs.; Hinricus, Nicolaus, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter Pawlyn uncle Tusyeyn. Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 157. 1377 April 19-
Elbing
(170-172) 91/13
HM Winrich von Kniprocle verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger Hanken, Peter und Wirketheden, Brüdern, und Ymeten, ihrem Vetter, genannt zu den acht Hufen, 4 Hufen, die bei ihren 8 Hufen (Achthuben) in angewiesenen Grenzen gelegen sind, erblich frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür sollen sie einen Dienst mit Pferden und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten. Die 4 Hufen sollen immer ungeteilt bleiben. Sie erhalten ebenfalls Fischerei im
37
Siehe Nr. 81
135
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
See Milde (Milden See) mit kleinem Gerät zu Eigenbedarf. Von jedem Pflug sollen sie 1 Scheffel Korn und 1 Scheffel Weizen, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn entrichten. Siegelankündigung. Gegeben zcum Elbing am sontage vor Georgii ... 1377. Zeugen: Rutger ΙΌ Η Ein ir, Gk.; Gotfrid von Linden, OM.; Ulrich Bricke (sie!), OSp. und Ktr. zu Elbing; Conrad Czolner, OTr. und Ktr. zu Christburg; Baldeweyn vom Frankenhofe, Tr.; Ka[\e]munt, Ktr. zu Thorn; Dietrich von Elnir, Ktr. zu Balga; Inger von Honsteyn, Ktr. zu Brandenburg; Niclis, Kaplan des HMs.; Kkame von Lihensteyn, Job an Schonefelt, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste ohir vier hüben. Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 1331350 Juli 24.
Bordehnen
(172-174) 92/14
Der Ktr. von Elbing Ortlof von Trier bestätigt den Kauf von 4 Hufen Acker zwischen Liebenstadt (Liebstadt) und Herczogeswalde (Herzogswalde) am See Milde (Milden See) durch Llamike von Peylen und seine Brüder Tolleke, Bande, Brune, Jude und Niclos von Philippo von Hennenberg und verleiht sie ihnen als Dienstgut zu prußischem Recht. Überschrift: Hantfeste obir vier hüben. Druck: PrUB 4, 600. 1276 Februar 17.
Elbing
(174-175) 93/15
LM Konrad von Thierberg verleiht dem Prußen Padangen und seinem Bruder Naquitin2'8 für ihre Güter die Freiheit von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür sollen sie mit Schild und Schwert dienen. Überschrift: Hantfeste obir eygen gutter. Druck: PrUB 1.2, 3431296 September 18.
Marienburg
(175-177) 94/16
LM Meinhard von Querfurt verleiht dem Gederik.es Pogezan erblich das Feld Tuseinie (Dusseinen) als Dienstgut. Überschrift: Hantfeste obir das gefilde
Tuseinie.
Druck: PrUB 1, 2, 669.
38
Aus der Überschrift in OF 91a ergibt sich, dass die U r k u n d e Nektainen betrifft.
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JOACHIM STEPHAN
1325 Juli 24.
(178-180) 95/17
Elbing
HM Werner von Orseln verleiht Tustir und dessen Brüdern Nermot, Wysselyn, Perwyssin und Coglandyn
12 Haken zwischen den Dörfern Rogin (Royen) und
Ponarmne
(Schillings) und dem See Nauperyn zum Recht der prußischen Freien. Überschrift: Hantfeste der guttir Pnopen (Schillings). Druck: PrlJB 2, 520. 1435 März 12.
(180-181) 96/18
Liebstadt
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Reuß von Plauen verleiht mit Willen des Hochmeisters und Rat der ältesten Brüder dem getreuen Michaeli Rittaw 10 Hufen im Feld zu Cledeyn frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit erblich zu prußischem Recht. Sollten bei einer Nachmessung weniger als 10 Hufen gefunden werden, so ist der Orden nicht verpflichtet, dies nachzubessern. Dafür soll er einen redlichen Dienst mit Pferden und Harnisch nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten, von jedem Pflug 2 Scheffel Korn und von jedem Haken 1 Scheffel Korn als Pflugkorn und 1 Lot Pfennige als Wartgeld jährlich zu Martini geben. Siegelankündigung. Gegeben cznrLibenstadt...
1435 am tage Gregorii des heiligen.
Zeugen: Hans Mittelburg, Hauskomtur zu Elbing; Hertman von Wynthuwsen, Unterspittler zu Elbing; Johann Krug, Fischmeister; Johann von Grussen, Kumpan des Ktrs.; Johannes, Kaplan des Ktrs. Überschrift: Hantfeste der gutter Cledeyn. 1435 März 17.
(181-184) 97/19
Liebstadt
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Reuß von Plauen beurkundet, dass er mit Willen, "Wissen und Rat der ältesten Brüder von Niclis, Gregor, Silvester und Austyn Santtoppendorff 5 Hufen in Santtoppendorff erhalten hat, wofür er ihnen 4Vi zu Neaiiwdelawken (Näglack) erblich und frei verleiht, die vorher bäuerlich waren. Dafür sollen sie mit Pferden und "Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau dienen, von jedem Pflug sollen sie 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn unci 1 Lot als Wartgelcl zu Martini entrichten. Er verleiht ihnen das Recht, im See Langesee^ bei Santtoppendorff zu Eigenbedarf mit Klebenetzen, Stocknetzen und Angeln zu fischen. Siegelankündigung. Gegeben zcur Libenstadt...
39
1435 am tage sunte
Gerdrudis.
Vermutlich der Lange See bei Groß Hermenau. B i o l i k (wie Anm. 14).
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
137
Zeugen: Hans Mittelburger, Hauskomtur zu Elbing; Hannan von Wynthuwsze, Unterspittler; Job an Krug, Fischmeister zu Elbing; Llutolt von Schadras, Mühlmeister zu Elbing; Hans von Grusen, Kumpan des Ktrs.; Johannes Neuweman, Kaplan des Ktrs.; Johannes Wedeler, Schreiber des Ktrs. Überschrift: Hantfeste der gutter Neydelanwken. o.D. [1416-1428]
o.O.
(184-187) 98/20
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Hinrich Holt beurkundet, dass er auf Befehl des HMs. Paul von Russdorf und mit Wissen der ältesten Brüder auf Bitten der getreuen Jost, Andres, Brosian und Pauls zu Wu.xtenig die Handfeste, die einst LM Friedrich austeilte, erneuert: LM Friedrich von Wildenberg bestätigt dem Byanten und seinen Brüdern den Tausch von ihren Äckern im Feld Wiixtenig (Wuchsnig) gegen das Feld Gartelpu nge (Gartenpungel) 4lJ . Überschrift: Hantfeste der gutter Prewisseyn11. 1403 November 20.
Liebstadt
(187-189) 99/21
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Konrad von Lichtenstein beurkundet, dass er mit Willen des HMs. und Zustimmung der ältesten Brüder dem getreuen Millegedden und seinen Söhnen Haniken, Ditterich, Niclos und Pauwl von Santoppendorf 4 Hufen zu Naudelaivcken (Näglack) in angewiesenen Grenzen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit erblich verliehen hat. Zwei Jahre nach Ausstellung der Handfeste sollen sie Freiheit haben, dann sollen sie mit einem Pferd und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau dienen, von jedem Pflug sollen sie 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Korn und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn zu Martini entrichten. Sie erhalten freie Fischerei im See Kley η Tuschen12 mit kleinem Gerät zu Eigenbedarf. Siegelankündigung. Gegeben ... czur Ilbenstadt... 1403 am dinstage noch Elizabeth. Zeugen: Johan von Redern, Hauskomtur zu Elbing; Peter von Gundelsheym, Unterspittler; Conrodt Seneler, Fischmeister; Karl von Waltirshuwszen, Hauskomtur zu Holland; Hinrich Potendorff, Waldmeister; Wilhelm von Fredingen, Kumpan des Ktrs.; Andres, Kaplan des Komturs. Überschrift: Hantfeste der gutter Neydelawken.
10 41 12
Handfeste vom 26. Oktober 1323, gedruckt in: PrlJB 2, 117. Wüst, 1427 und 1448 mit 6 Hufen genannt. G e r m e r s h a u s e η (wie Anm. 4), S. 306. Der nicht sicher zu lokalisierende See Thusegeyn lag in der Nähe von Mohmngen, Biolik, S. 122. Evtl. ist er mit dem Ortsnamen Dusseinen in der Gemarkung Karneyen zu verbinden.
138
JOACHIM STEPHAN
1 3 8 4 August 23.
(189-190) 100/22
o.O.
Der OSp.und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke beurkundet, dass Sander von der Wickerauwe 2 Hufen zu Podangen (Podangen) neben seinen Grenzen gelegen vom Kämmerer Luban gekauft hat, und verleiht es ihm seinem väterlichen Erbe in Wickem u we (Klein Wickerau) zu Hilfe zum selben Dienst und zum selben Recht, damit er besser dienen kann. Siegelankündigung. Gegeben
... 1384 an sunte Bartholome!
Überschrift: Haut feste der gutter
obend
des heiligen
apostels.
Wickeraw.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 384. 1 3 3 9 J a n u a r 7.
Marienburg
(190-193) 101/23
HM Dietrich von Altenburg verleiht den Brüdern Nikolao und Santermen, genannt Wickerauw 14 Hufen in Luxetin (Luxethen) und I8V2 Hufen in Gemiten (Gemitten/ Döbern) zum Recht der Freien. Überschrift: Hantfeste
der gutter zeit Luxetin li nde Gem iten .
Druck: PrUB 3, 215. [14]45 Juli 15.
Preußisch-Holland
(193-195) 102/24
HM Konrad von Erlichhausen verschreibt mit Willen, Rat und Zustimmung seiner Mitgebietiger dem Steffan Caunyten erblich 4 Hufen in den Grenzen des Dorfes Sporteyn (Sporthenen) im Kammeramt Liebenstadt im Gebiete Elbing in angewiesenen Grenzen seinem Dienstgut zu Hilfe und zum selben Recht, wie sein Brief über das Dorf Pawkyn (Paulken) und Tusteyn (Dusseinen) im selben Gebiet besagt, damit er besser dienen kann. Vom Pflug soll er 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen als Pflugkorn zu Martini geben. Sollten bei einer Nachmessung weniger als 4 Hufen gefunden werden, so muss der Orden das nicht nachbessern. Siegelankündigung. Gegeben
uff unserm
Überschrift: Hantfeste
huwsze Hollant am tagte division is apostorum obir die gutter
... [14]45.
Sporteyn.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 362.
V Cameramptb 1 4 5 1 Oktober 1.
Morung
(195) Preußisch-Holland
(195-200) 103/1
HM Ludwig von Erlichshausen gibt dem getreuen Nicklos Sperling das Dorf Czegenberg (Schönhausen) im Gebiet Elbing und Kammeramt Locken im Tausch gegen 12 Hufen, die er im Dorf (Schwöllmen) und 8 Hufen, die er im Dorf for-
139
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
genial (Georgenthal) im Gebiet Elbing im Kammeramt Mohrungen hatte. Das Dorf Czegenberg soll 23 Hufen in angewiesenen Grenzen umfassen und wird Niclis Sperling erblich zu magdeburgischem Recht verliehen. Außerdem erhält er 7 Hufen vom Vorwerk vor der Stadt Mohrungen, die zum Haus Mohrungen gehölt haben, und 2 Hufen vor der Stadt im Dorf, in dem die Bürger das Scharwerk haben, zum selben Recht wie das Dorf Czegenberg. Von den 2 Hufen soll er aber wie die anderen Einwohner den Bürgern Scharwerk leisten. Er erhält das Hoch- und Niedergericht über seine Leute in den Grenzen des Dorfes mit Ausnahme des Straßengerichts, das sich der Aussteller vorbehält, und freie Fischerei im See Scherting (Scherting See) mit kleinem Gerät zu Eigenbedarf. Er erhält die besondere Gnade, dass falls er nur Töchter und keine Söhne hinterlasse, die Töchter das vorgenannte Gut erben sollen. Dafür soll er einen redlichen Dienst mit Pferden und Harnisch nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten, 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig oder 5 prußische Pfennige als Rekognitionszins und von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn zu Martini entrichten. Sollten bei einer Nachmessung der Hufen zu Czegenberge oder zu Morlinge weniger Hufen gefunden werden, so muss der Orden das nicht nachbessern. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm huwsze Holland chels des heiligen erczengils ... 1451.
am freitage
nebest noch dem tage smite Mi-
Zeugen: Ulrich von Eisenhofen, Gk.; Kylian von Exclorf OM.; Hin rieh Rewsze von Plauwen, OSp. und Ktr. zu Elbing; Hinrich Soler von Richtenberg, OTr. und Ktr. zu Christburg; Leonhard Parsberger, Tr.; Albrecht Kalb, Ktr. zu Thorn; Andris, Kaplan des HMs.; Hinrich Roufflyn von Richtenberg, Hinrich Nothaft, Kumpane des HMs.; Steffanus, Augustinus, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter Czegenberg. 1 3 7 8 März 12.
(200-201) 104/2
Mohrungen
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Ulrich Fricke hat den Bauern von Hansdorff (.Katzendorf) 20 Hufen erblich verliehen. Von der Hufe sollen sie eine halbe Mark Zins zu Martini und Wartgeld geben. Gegeben zeit Morlinge Zeugen: Reynike rich von Clemente,
... 1378 in sunte Gregorien
Hin-
Pfarrer zu Mohrungen.
Überschrift: Des dorffes hantfeste zeu 1393 J u n i 1.
taghe.
Kumpan des Ktrs.; Bartolt von Siechten;
von Hermansgruffe,
Hansdorff.
Marienburg
(201-202) 105/3
HM Konrad von Wallenrode verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger dem getreuen Moncke erblich 4 Hufen im Feld Pelisten (Rranthau) in angewiesenen Grenzen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür soll er mit Pferden und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau dienen, von jedem Pflug 1 Schef-
140
JOACHIM STEPHAN
fei Weizen und 1 Scheffel Korn und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn jährlich zu Martini entrichten. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unsermhuwszeMarienburg am sontage trinitatis ... 1393. Zeugen: Wilhelm von Hellfinsteyn, Gk.; Syfrid Walpod von Bassenheym, OSp. und Ktr. zu Elbing; Conrad von Gingingen, Tr.; Peter, Kaplan des HMs.; Pauwel Rulman von Sinczinch, Kumpan des HMs. Überschrift: Camera mpt Morung. Hantfeste 1 3 9 4 April 6.
der gutter Pelisten bey
Knauthen. (202-204) 106/4
Osterode
HM Konracl von Jungingen verleiht mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger den getreuen Lorencz, Wopin und Wygel, Brüdern, erblich 4 Hufen bei clem Narigen (Narien See) in angewiesenen Grenzen frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür sollen sie mit Pferden unci Waffen nach Lanclesgewohnheit in Heerfahrten unci Burgenbau dienen, von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen unci 1 Scheffel Korn unci von jedem Haken 1 Scheffel Weizen jährlich zu Martini entrichten4^. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm huwse Ostirrode ... 1394 am Heesten montage der vasten.
noch Iudica
in
Zeugen: Wilhelm von Helffensteyn, Gk.; Siff rid Wolpod von Bassenheym, OSp. und Ktr. zu Elbing; Frederich von Wenden, Tr.; Gerlach Mönch, Ktr. zu Osterode; Peter, Kaplan des HMs.·, Johann Pfitien, Eberhard von Wallenfels, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste ober vier hüben gelegen bey dem Nargen. 1391 November 4.
Marienburg
(204-206) 107/5
HM Konracl von Wallenrocle verleiht mit Willen unci Rat seiner Mitgebietiger clem getreuen Gerken von der Wese erblich 8 Hufen bey der Wesen** in angewiesenen Grenzen frei von Zehnt unci bäuerlicher Arbeit. Dafür soll er mit Pferden unci Waffen nach Lanclesgewohnheit in Heerfahrten unci Burgenbau dienen unci von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen unci Scheffel Korn, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn jährlich zu Martini geben. Siegelankündigung. Gegeben uff unserm huwsze Marienburg gen tage.
43 Ii
... 1391 am sonobende
noch alle got is heili-
Die Urkunde betrifft vermutlich das Gut Klein Lu/einen, das 1448 4 Hufen umfasste und von einem Wigil besessen wurde. Vgl. G e r m e r s h a u s e η (wie Anm. i), S. 260. Das wüste Gut Montken bei Neuhof, das vermutlich in der Ciemarkung von Georgenthal zu suchen ist. G e r m e r s h a u s e η (wie Anm. 4), S. 276.
141
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Zeugen: Wilhelm von Helffensteyn, Gk.; Sifrid Walpode von Bassenheym, OSp. und Ktr. zu Elbing; Konrad von Jungingen, Tr.; Wolff von Czolnhard, Ktr. zu Thorn; Ppeter, [Kaplan] des HMs.; Pauwel Rulman von Synczayn, Ulrich von Jungingen, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter
Montke.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 386. 1 3 6 4 Dezember 3.
( 206-207) 108/6
Marienburg
HM Winrich von Kniprode verleiht dem Nickel erblich 5 Hufen und 5 Morgen zwischen Eckertsdorff
(Eckersdorf) und Goldenhorn
(Horn) zehnt- und scharwerkfrei als
Dienstgut mit der Fischerei im See zu Moringe (Mahrung-See). Überschrift: Hantfeste linde
obir vumff hüben
wide vumff morgen czwuschin
Eckartsdorff
Goldenhorn1''.
Druck: PrUB 6, 325. 1 4 2 6 Oktober 13.
(207-210) 109/7
Preußisch-Holland
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Holt verleiht 7 Haken bei dem Dorf Goldynboden (Güldenboden) und dem Nargensee (Narien See ) dem forge Milucken und seinem Sohn Symon ^. Dafür soll er mit Pferden und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau dienen und von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen, von jedem Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn und 1 Lot als Wartgeld jährlich zu Martini geben. Siegelankündigung. Gegeben zcu Holland am sontage vor Galli in unserm huwse ... 1426. Zeugen: Hans Grunrede, Hauskomtur zu Elbing; Hinrich Pustrat, Unterspittler; Conrad Scheffll, Fischmeister; Hans Hirczwerg, Mühlenmeister; forge Egliner, Pfleger zu Orteisburg; Kiincze Wedemer, Kellermeister zu Holland; Hinrich Rewsze von Plauwen, Kumpan des HMs. Überschrift: Hantfeste
obir sehen hocken
[1325] Juli 24.
bey dem dorffe
Goldynbodem. ( 210-212) 110/8
Elbing
HM Werner von Orseln verleiht den Brüdern Coglanden
und Bogussdo
6 Hufen im
Feld Werythin (Woritten) als Dienstgut und Fischerei mit kleinem Gerät zu Eigenbedarf im See Narigen (Narien See). Überschrift: Handfeste
der gutter
Werichin.
Druck: PrUB 2, 521. 15 46
Die Urkunde betrifft das Gut Schwoiken. Vgl. G e r m e r s h a u s e n Der Anfang der Urkunde ist stark verblasst, Lesung unsicher.
(wie Anm. i), S. 318.
142
JOACHIM STEPHAN
(212) 111/9
[1416-1428]
'7,
Der Komtur von Elbing Heinrich Holt beurkundet, dass Hermann Gans einst Komtur zu Elbing, dem Mertin Cayot 7 Haken Acker auf dem Feld MarungeiH in angewiesenen Grenzen erblich zu prußischem Recht verliehen hat, ohne ihm das zu verbriefen. Auf Bitten des Mertin verschreibt er ihm die 7 Haken erblich zu prußischem Recht 19 . Zeugen: ... Beter, Kellermeister zu Holland; Hans Koch inester, Kumpan des Ktrs. Überschrift: Hantfeste der glitter 1387 J a n u a r 17.
Marung. Marienburg
( 214-215) 112/10
HM Konracl Zöllner von Rotenstein verleiht dem Narwis Littaw erblich 5 Haken Acker auf clem Feld Minautendorf (Mahrau) zehnt- und scharwerkfrei. Dafür soll er einen Dienst mit Pferd und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau leisten. Von jedem Pflug soll er 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Korn, vom Haken 1 Scheffel Weizen als Pflugkorn zu Martini leisten 5 ". Siegelankündigung. Gegeben uff unserm huosze Marienburg ... 1387 an sunte Anthonii des apts tag. Zeugen: Cuno von Libensteyn, Gk.; Hinrieb Gans, OTr.; Ulrich von Hachenberg, Tr.; Mertin, Kaplan des HMs.; Wernher von Tettingen, Cuntze vom Lichtensteyn, Kumpane des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter
Mynauboten.
Regest: Germershausen (wie Anm. 4), S. 263.
VI Camerampt
Luden
(215)
1359 September 24.
Orteisburg
(215-217) 113/1
HM Willrich von Kniprode verleiht dem Gydyte erblich 6 Hufen auf dem Felde Woysyn (Magergut) als Dienstgut. Er erhält Fischerei im Morlingesßisse
(Magergut) mit
kleinem Gerät zum Eigenbedarf. Überschrift: Hantfeste
der gutter
Woysyn.
Druck: PrUB 5, 768.
17 18
Vom 23.11.1112 bis zum 11.11.1116 als Ktr. zu Elbing bezeugt. Möglicherweise handelt es sich um das Gut vor der Stadt Mohrungen, das 1118 7 Hufen umfasste.
19 50
Der Rest der Urkunde bis zum Ende der Zeugenliste ist stark verblasst und unlesbar. Der Anfang der Urkunde ist stark verblasst und unlesbar, der Inhalt wird hier aufgrund des Regestes von Germershausen gegeben.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
143
1347 Mai 18. Marienburg (217-219) 114/2 HM Heinrich Dusemer verleiht dem Ditterich 6 Hufen in Ditrichswnlde (Magergut) als Dienstgut. Überschrift: Hantfeste obir sechs hüben zcu
Ditrichswalde.
Druck: PrUB 4, 182. 1348 Juni 11. Marienburg (219-221) 115/3 HM Heinrich Dusemer verleiht den Prußen Tolneken, Dywole, Pansude und Sanketen 9 Hufen im Feld Kenrs (KoiclenP 1 als Dienstgut. Überschrift: Hantfeste obir nimm hüben uff dem felde Kenrs
genant.
Druck: PrUB 4, 336. 1398 Juli 29.
Locken
(221-222) 116/4
Der OSp. und Ktr. von Elbing Konracl von Kyburg gewährt mit Zustimmung des HMs. Konracl von Jungingen den getreuen Ffredriche Girlache und Merten von Coyden und ihren wahren Erben, dass sie von den 11 Hufen zu Koyden (Koiden), von denen sie nach Aussage ihrer Briefe 4 Dienste pflichtig waren, weil sie ein so kleines Erbe haben, nur noch 2 Dienste leisten sollen. Siegelankündigung. Gegeben ... in unserm richthoffe zcum Lackten in derjarzal unsers herren Cristi ... 1398 am montage noch Jacobi apostoli. Zeugen: Gotfrid von der Kulen, Hauskomtur zu Elbing; Peter von Gundilsbeym, Unterspittler; Hertwig Gustette, Fischmeister; Thomas von Merheym, Hauskomtur zu Holland; Hinrieb Potendorff Waldmeister und Kumpan des Ktrs.; Johannes, Kaplan des Ktrs. Überschrift: Desse tzwene brieffe hören obir eyn guth. 1419 April 16. Elbing (222-224) 117/5 Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Holt verleiht mit Willen und Rat der ältesten Brüder dem getreuen Sander 5 Hufen im Feld Tirwoten52 in von alters her angewiesenen Grenzen erblich zu pmßischem Recht frei von bäuerlicher Arbeit. Dafür soll er clem Komtur unci clem Haus Elbing mit Pferden und Harnisch nach Lanclesgewohnheit in Heerfahrten unci Burgenbau dienen, von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen unci 1 Scheffel Roggen und von jedem Haken 1 Scheffel "Weizen als Pflugkorn und einen
51 52
Germershausen bezieht die Urkunde auf Räbers, aus der folgenden Urkunde ergibt sich aber, dass sie Koiden betrifft. Vgl. G e r m e r s h a u s e n (wie Anm. i), S. 215. Wüst, lag vermutlich zwischen Brückendorf und Gallinden und ist in der Gemarkung Brückendorf aufgegangen. G e r m e r s h a u s e η (wie Anm. 4), S. 373.
144
JOACHIM STEPHAN
halben Vierdung gewöhnlicher Münze als Wartgeld jährlich zu Martini entrichten. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unser m biliöse Elbinge am heiligen ostirtage ... 1419. Zeugen: Hans Spigel, Hauskomtur zu Elbing; von Konstetyn, denberg,
Pfleger zu Orteisburg; Niclis Wendorff
bach, Mühlmeister; Ciintcze Überschrift: Hantfeste 1349 Mai 12.
Vrouhouer,
der gutter
Hirz-
Kumpan; Niclis, Kaplan des Ktrs.
Tirwoythen. (225-227) 118/6
Marienburg
HM Heinrich Dusemer verleiht den Brüdern Thomas Dyman bei Syfridisdorff
Unterspittler; Peter Lau-
Fischmeister zu Elbing; von
und Kirstan
10 Hufen
(Seubersdorf) und clem Gut des Wyrchyn Tolken (Falkenstein) als
Dienstgut mit einem Wergelcl von 30 Mark. Überschrift: Hantfeste der gutter Peyllekayn
(Pilkaim) 53 .
Druck: PrlJB 4, 406. 1 3 5 4 September 14.
( 227-228) 119/7
Auf dem Schilling
HM Winrich von Kniprode verleiht Baryin,
Bogirnis,
Tills und Poysant
16 Hufen
beim See [esing (Eissing See) erblich als Dienstgut gegen 4 Dienste. Überschrift: Hantfeste
der gutter von Warnlyn (Worleinen).
Druck: PrlJB 5, 265. 1[3]98 Juli 29.
Locken
(228-230) 120/8
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Konrad von Kyburg beurkundet, dass mit Willen des HMs. Konrad von Jungingen die getreuen Hinrich, Glanden und Opin von Warnelyn von den 3 Diensten, die sie laut ihrer Briefe von ihrem Erbe in Warnelyn (Worleinen) leisten sollten, nur noch 1 Dienst leisten müssen, da sie ein kleines Erbe haben und die 3 Dienste nicht leisten können. Siegelankündigung. Gegeben (sie!)
... uff u nserm hoffe zciim Lüchten am montage
noch Jacob i apostoli
... 1498
Zeugen: Gotfrid von der Killen, Hauskomtur zu Elbing; Petir Gundelsheym, Unterspittler; Helii'ig Gustethe, Fischmeister; Tfjomas von Merheim, Hauskomtur zu Holland; Wygant Kalbe, Pfleger zu Orteisburg; Hinrich Potendorff, Waldmeister und Kumpan des Ktrs.·, Johannes, Kaplan des Ktrs. Überschrift: Disse czwene brieffe boren obireyn guth.
53
Das wüste Gut Pilkeim lag zwischen koiden und 'i'rukeinen. G e r m e r s h a u s e η Anm. 4), S. 296.
(wie
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
1352 Juli 4.
Preußisch-Holland
145 (230-232) 121/9
HM Winrich von Kniprode verleiht den getreuen Joe ob, Peter, Grasym und Claweken, Brüdern, 11 freie Hufen als Dienstgut mit 6 Freijahren. Außerdem erhalten sie Fischerei mit kleinem Gerät zum Eigenbedarf im großen See Melnik (Nielnick See). Überschrift: Hantfeste der gutter Grasyin (Grasnitz). Druck: PrUB 5, 691348 Juni 11.
Marienburg
(232-234) 122/10
HM Heinrich Dusemer verleiht Swayprotte, Sautop, Narim, Globune sowie Noyke und Bandule, den beiden letztgenannten gemeinsam, je 5 Hufen [insgesamt 25] im Wald Smagars als Dienstgut. Überschrift: Hantfeste der gutter Grosze Gelynden (Gallinden). Druck: PrUB 4, 337. 1352 Februar 24.
Mohrungen
(234-235) 123/11
HM Winrich von Kniprode verleiht clem Tungemyr erblich 15 Hufen an der Passerien (Passarge) bei Langen gutte (Langgut) als Dienstgut, von clem 3 pmßische Dienste zu leisten sind. Er erhält 30 Mark Wergelcl und Fischerei mit kleinem Gerät im Ordensteil der Passerien (Pasarge) innerhalb der Grenzen des Gutes. Überschrift: Hantfeste der gutter Tungamerin (Thomareinen). Druck: PrUB 5, 24. 1395 Juli 20. Mohrungen (235-238) 124/12 Der OSp. und Ktr. zu Elbing Siegfried Walpocle von Bassenheim beurkundet, class Kuno von Liebenstein, einst Komtur zu Osterode [1380-1383], in der Zeit, als das Haus Orteisburg mit clem Kammeramt Locken zur Komturei Osterode befohlen war, den Brüdern Hinrich unci Herman zu Tungamerin 3 Hufen Übermaß im Gut Tungamerin (Thomareinen) zu den 2Vi Hufen, die sie vorher in clem Gut Tungamerin besaßen, verliehen hatte. Von diesen 2Vi Hufen dienten sie, und Kuno von Liebenstein gab ihnen die 3 Hufen Übermaß zu ihrem Erbe, was Ditterich, der ehemalige Kämmerer zu Locken, unci andere ehrbare Leute bezeugt haben. Die Verleihung blieb unverbrieft, und wegen der Zeugenaussagen verleiht Siegfried clem genannten Hinrich unci seinem Bruder Herman von Tungamerin erblich die 3 Hufen Übermaß in angewiesenen Grenzen zu den 2Vi Hufen als Dienstgut frei von Zehnt und bäuerlicher Arbeit. Dafür sollen sie mit Hengsten und Waffen nach Landesgewohnheit in Heerfahrten und Burgenbau dienen, von jedem Pflug 1 Scheffel Korn unci 1 Scheffel Weizen unci von jedem Haken 1 Scheffel Weizen jährlich zu Martini als Pflugkorn auf das Haus Mohrungen entrichten. Siegelankündigung.
146 Gegeben
JOACHIM STEPHAN
... uff unserm husze Mo rung ... 1395 am dinstage
vor Marie
Zeugen: Syfrid von der Cule, Hauskomtur zu Elbing; Tyle von Lorch,
Unterspittler;
Fischmeister; Gerwig Gustetis, Hauskomtur zu Holland;
Hinrich Potendorff
Waltmeister; Bygant Culbe, Kumpan des Ktrs.·, fohannes, Überschrift: Hantfeste
der gutter
1 3 4 6 März 12. oder 19.
Sondere,
Kaplan des Ktrs.
Tungameryn. (238-241) 125/13
Preußisch-Holland
HM Heinrich Dusemer verleiht den Brüdern Johanni din, 20 Hufen im Feld Henkynwald See Hirmmelingen
Magdalene.
und Sangauw,
genannt Myle-
zwischen dem See Lobin (Lobbe See) und dem
(Langguter See) zu magdeburgischem Recht als Dienstgut.
Gegeben ... 1346 am sontage so man singet Überschrift: Hantfeste
der gutter Lobekayme
Reminiscere. (Lopkeim).
Druck: PrlJB 4, 12. 1452 Dezember 5.
Mehrungen
( 241-243) 126/14
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich Reuß von Plauen verleiht 4 Hufen bei der Passerie (Pasarge), die Salmonszgut (Eisings-Mühle) genannt werden und ihm angestorben sind, mit Wissen des HMs. Ludwig von Erlichhausen den getreuen focob Kontcz, Casper Kontcze und Niclus Kontcze, Brüdern, in angewiesenen Grenzen frei und erblich zu prußischem Recht. Dafür sollen sie mit einem Pferd und prußischen Waffen nach Landesgewohnheit dienen, von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen unci 1 Lot für das Wartgeld entrichten. Ihr Wergeid wird auf 30 Mark festgesetzt. Siegelankündigung. Gegeben ... in unserm hiuvsze Morlinge ... 1452 am obende Nicolai confessoris. Zeugen: Peter Stemwer, Hauskomtur zu Elbing; Niehls von Nickeriez, Unterspittler; foban von Grewszen, Hauskomtur zu Holland; Grosse Harth man, Kumpan des Ktrs.; Georgius Schonesee und Ambrosius Wühlender, Kaplane des Ktrs. Überschrift: Hantfeste der gutter Salmonszguth.
[Kammeramt Tolkemit] 1417 November 29.
Marienburg
( 243-245) 127/15
HM Michael Küchmeister beurkundet, dass vor ihn die getreuen Hartwigk Strauwe und Hans fegher von der Ncutiz gekommen sind und anzeigten, dass sie 6 Hufen von Batioldt von der Naritiz gekauft hatten, die ihm und den seinen verschrieben waren und zwischen ihren Besitzungen lagen. Sie baten, die Hälfe der 6 Hufen dem alten Gut zu Hilfe zu verschreiben, was der HM gewählt. Er verschreibt dem Hertwig Strawben frei und erblich 3 Hufen seinem Dienstgut zu Hilfe zum selben Recht, wie
147
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
sein Gut. Sollten von den 3 Hufen 2 oder 3 Morgen mehr gefunden werden, so sollen sie dem Hertwige Strowbe zustehen 54 . Siegelankündigung. Gegeben 1417.
... uff unser m bwse Marienburg
am obende Andree
des heiligen
apostels ...
Zeugen: Pavel Ruszdorjf Gk.; Merten von der Kemenath, OM.; Hinrich Holt, OSp. und Ktr. zu Elbing; Johan Selbach, OTr. und Ktr. zu Mewe; Hinrich Nickeritcz, Tr.; Gregorius, Kaplan des HMs.; Hinrich vom Rode, Conradt von Erlichszhuwsen, Kumpane des HMs.; Bernhardus, Jacobus, Hinricus, Andreas, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zeit Nartiz (Narz). 1337 September 30.
Elbing
HM Dietrich von Altenburg verleiht dem Wernikoni lendorffiNiii'z),
( 245-247) 128/16 7 Hufen 6 Morgen im Feld Sami-
die Tlyymeko besessen hatte, zum Recht der Freien.
Überschrift: Hantfeste der gutte Ncmtsz
Tolkemite.
Druck: PrUB 3, 132. 1 3 9 4 Juli 27.
Brandenburg
( 247-250) 129/17
HM Konrad von Jungingen verbrieft mit Rat und Willen seiner Mitgebietiger dem getreuen Claus Brun von derNarusz sein Erbe von 5Vi Hufen im Dorf Narusz (Narz), das einst Werner von Orseln (1315-1317) dem Henneken von Helpede verliehen hatte, wie der HM es in dem alten Brief gesehen hat. Deswegen verleiht er ihm die 5Vi Hufen und dazu 40 Morgen Wiesen und Brüche und ein Seil in Richtung des Berges und des Braches gelegen, die durch Kauf an das Gut gekommen sind, erblich zu kulmischem Recht. Der HM bestimmt weiterhin, dass die Haupthandfeste des Dorfes Narusz (Narz), in der die besagten 5Vi Hufen enthalten sind, dem aktuellen Brief nicht schädlich sein soll, und verleiht Fischerei mit kleinem Gerät im Habe (Haff). Dafür soll er mit einem Hengst und einem gewöhnlichen Harnisch dienen, wie es im Kulmerland üblich ist, und von jedem Pflug 1 Scheffel Korn und 1 Scheffel Weizen als Zehnt zu Martini entrichten. Nach Ausweisung des alten Briefs beginnen die 5Vi Hufen am Wasser Narusz (Narz), von dann entlang bis zum Grund eines Tales, wo ein Fließ einfließt und dasselbe Gut sich mit der Grenze des Guts des HMs. teilt. Die andere Seite der Hufen soll bis an dy Havene (Haff) gehen, wo sich das Gut des HMs. und das der Herren von Frauenburg scheidet. Siegelankündigung.
51
Vgl. das Privileg des IIMs. für Hans Geyr v o m selben Tag, das abschriftlich im Archiv des Domkapitels Frauenburg erhalten ist. CDW 3, 524.
148
JOACHIM STEPHAN
Gegeben uff unserm huwse Brandenburg Zeugen: Wilhelm von Helffensteyn, Ktr. zu Elbing; Johann Johann
am montage
tag ... 1394. OSp. und
von Stryffen, Ktr. zu Brandenburg; Peter, Kaplan des HMs.;
von Pfridt, Kumpan des HMs.; Andreas,
Überschrift: Hantfeste
noch sinte Jocobs
Gk.; Sif rid λΧ-'οΙροΜ von Bassenheim,
der gutter zciir
Mathias, Schreiber des HMs.
Narusz.
Druck: CDW 3, 291. 1 3 8 6 Oktober 8.
( 250-254) 130/18
Marienburg
HM Zöllner von Rothenstein erneuert wegen des zerbrochenen Siegels eine Handfeste, die von Luther, Herzog von Braunschweig, clem Hynrich von Horden gegeben wurde. Es folgt clie Urk. vom 27. Oktober 1332 des HMs. Luther von Braunschweig, in der er das Gut Wogenap (Wogenap) des verstorbenen Petrus, Sohn cles Hinrich von Horden, zwischen Lluperto Brunsberg einerseits und den Geschwistern des Peters andererseits, teilt55. Siegelanküncligung. Gegeben
in unserm huwse Marienburg
Zeugen: Cuno von Libensteyn, Elbing; Hinrich
... 1386 im achten tage des mondes
Gk.; Sifrid Walpocl von Bassenheym,
Gans, OTr.; Ulrich Hattenberger,
Tr.; Martinus
des HMs.; Wernher von Tetingen, Contcze von Lichtensteyn, Überschrift: Hantfeste der gutter
octobris.
OSp. und Ktr. zu von Lynow,
Kaplan
Kumpane des HMs.
Wogenap.
Druck: CDW 3, 201. 1432 November 13-
Elbing
(254-259) 131/19
In gotis namen, amen. Es czemet is linde dy redelichkeit der vornumft heischeit es, dciz eyn itczlicher wol vordieneter mit merglicher begnodunge belonet werde, uff das man die vorderlinge irer erheben woltadt irkennen möge unde andirdo von czcuflissigen di listen und erUchin wolteten in czukiiiiftigeri czeiten mitfleissiger bestedikeith czu trawen unde eren geresset werden. Deswegen verleiht HM Paul von Russdorf clem her Hansz von Baysen für die fleißigen Dienste, die er ihm unci clem Orden geleistet hat unci damit er unci seine Erben in den kommenden Zeiten ihm unci clem Orden umso mehr zu dienen verpflichtet seien, mit Rat, Willen unci Zustimmung seiner Mitgebietiger den Hof unci das Gut Ciiddyn (Kaclienen) in angewiesenen Grenzen mit 20 Hufen. Dazu verleiht er ihm 8 Hufen unci eine prußische Hufe dabei bei Schaiffenberge (Scharfenberg) gelegen unci das Dorf Reberg (Rehberg) mit 40 Hufen unci die Mühle zu Hazelaw (Haselau) mit clem zugehörigen Teich, das alles im Gebiet Elbing gelegen ist, erblich zu magdeburgischem Recht unci verfügt aus besonderer Gnade, class falls Herr Hans keinen Sohn, sondern nur Töchter hätte, die genann-
55
Druck: PrUB 2, 767.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
149
ten Güter an diese und ihre Kinder fallen sollen, die dann das Gut zu magdeburgischem Recht besitzen sollen. Außerdem verleiht er ihm das große und kleine Gericht in den Grenzen der Güter mit Ausnahme des Straßengerichts, das sich der Aussteller vorbehält, und die freie Fischerei mit kleinem Gerät und einem halben Garn im Habe (Haff) zu Eigenbedarf. Dafür soll er einen redlichen Dienst in Heerfahrten und Burgenbau leisten, 1 Krampfund Wachs und 1 kulmischen Pfennig oder 5 preußische Pfennige als Rekognitionszins zu Martini leisten. Das Pflugkorn wird ihm aus besonderer Gnade zu Lebzeiten erlassen, seine Erben sollen dann von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen und von jedem Haken 1 Scheffel Weizen zu Martini entrichten. Sollte das Gut Cuddyn vermessen werden, so darf das Übermaß behalten werden, Untermaß muss der Orden nicht ausgleichen"'0. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unser m huwsze Elbinge am donnerstage gen bischofs tag ... 1432.
noch synte Merten des heili-
Zeugen: Conrad von Erlingishuivszen, Gk.; Jost Struberge, OM.; Hynrich der Rewsse von Plan wen, OSp. und Ktr. zu Elbing; Conrad Beldersheym, OTr. und Ktr. zu Christburg; Job an Behenhewser, Tr.; Johann Bomersheym zu Thorn, Erasmus Fischborn zu Balga, fohan Zelbach zu Brandenburg, Wolff Samesheim zu Osterode, Walter Kirskotp zu Danzig, Komture; Niclos, Kaplan des HMs.; Wentczel, Wilhelm von Helffensteyn, Kumpane des HMs.; Mattin us und Andreas, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste obir Cody η. Erwähnt: C. E. Rhode: Der Elbinger Kreis in topographischer, historischer und statistischer Hinsicht. Danzig 1871, S. 48. 1 3 9 6 April 5.
Marienburg
( 259-261) 132/20
HM Konrad von Jungingen verleiht mit Willen und Rat seiner Mitgebietiger dem getreuen Drutyn und seinen Söhnen Lorentcz, Steffan, Clauken und Tloomas und ihren rechten Erben beiderlei Geschlechts 7 Hufen im Feld Cot in (Kadienen) in angewiesenen Grenzen zu magdeburgischem Recht frei von bäuerlicher Arbeit, ausgenommen Pflugkorn und Wartgeld, das sie gleich den anderen Freien geben sollen. Dafür sollen sie einen Dienst in Heerfahrten und Burgenbau leisten. Sie haben das Recht, das Gut zu verkaufen, allerdings nur Leuten, die dem Orden genehm sind, und das Gut ihrer Bauern und Gärtner zu nehmen, die ohne Erben versterben. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm huwsze Marienburgk tagen ... 1396.
56
Vgl. CDW 4, 362.
an der mittewochen
in den
osterheiligen
150
JOACHIM STEPHAN
Zeugen: Wilhelm von Helfensteyn, Gk.; Frederich van Bassenheym, OSp. und Ktr. zu Elbing; Ffrederich von Wenden, Tr.; Niclos Hollandt, Kaplan des HMs.; Bertolt von Trochhach, Eherhardt von Wallenfeld, Kumpane des HMs.; Mathias, Hoike, Schreiber des HMs. Überschrift: Hantfeste der gutter zcu Coddyn Cot in. 1441 J a n u a r 22.
(261-263) 133/1
Preußisch-Holland
Der OSp. und Ktr. zu Elbing Heinrich von Rabenstein beurkundet, class die getreuen Pauwel Cromteich und sein Schwager Albrecht vor ihn gekommen sind unci ihn baten, die Handfeste über 8 Hufen zu Wolffsdorff (Wolfsdorf) zu einem kulmischen Dienst, die Pauls Vater verloren hat, zu erneuern. Der HM entspricht ihrer Bitte unci verschreibt ihnen diese 8 Hufen zu Wolffsdorff erblich zu kulmischem Recht. Dafür sollen sie einen redlichen Dienst nach Landesgewohnheit mit Harnisch unci Pfercl leisten, von jedem Pflug 1 Scheffel Weizen unci 1 Scheffel Korn jährlich zu Martini unci 1 Krampfund Wachs unci 5 Pfennige am selben Tag als Rekognitionszins entrichten. Ebenso bestimmt der Ktr., class sie ein gutes Lot vom Pflug als Wartgelcl geben unci Burgenbauclienst leisten sollen. Siegelankündigung. Gegeben ... uff unserm hiuvsze Holland am tage Vincencii... [14]41. Zeugen: Ewerhart von der Wathe, Hauskomtur zu Holland; Wilhelm von Schonnenbiirg, Kumpan cles Ktrs.; Job an, Kaplan cles Ktrs.; Martin unci Alber von Dirsaw, Schreiber des Ktrs. Überschrift: Disse hantfeste folget noch der hantfeste Hollant unde ist obir acht hübe zcu Wolfsdorff.
von Hansdorff
ym
Camerampt
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Topographischer
Index
Achthuben 92.
Aidenbqffe (Althof) 28.
Hanisdorff, Hansdorff (Wernsdorf) 23, 133 >
Angliten (Angnitten) 40.
siehe auch Katzendorf. Hartwicli 80.
Awayken (Awecken) 7, 8.
Härene > Haff. Haynaiiw (Hagenau) 12, 13.
Asegewayde > Sigeswald See. Baldeyn > I Iartwich.
Barden 27. Bartkaym
(Bartkamm) 36-39·
Bonusdorff > Briensdorf. Β orehertsd ort" 6 4. Briensdorf" 40.
Bitcbwitczglitte 66. Burgkartsdorff
> Borchertsdorf.
C > siehe Κ
Dargaw (Dargau) 1. Ditrichswalde
> Magergut.
Drausenwiesen 31. Drausensee 23, 28.
Hazeiaw (I laselau) 131. Henkynwald 125. Herczogeswalde (I Ierzogswalde) 93. Here) idorff (Herrendorf) 50. Hirmmeiingen > Langguter See. Hirszereide (Hirschfeld) 9. Horn 108.
Jesing > Eissing See. Jonakayn (Jonikam) 50. Jorgental > Georgenthal. Kadienen 131, 132.
Kagenaw (Kagenau) 65. Kantyten (Kanclitten) 74.
Drawsen > Drausensee. Druiyten (Draulitten) 7. Drusini > Drausensee.
Kaiikone
Dusseinen 91, 91, 102.
Kelmenick (Köllming) 19, 26.
Eckertsdorff (Uckersdorf) 108.
Katzendorf' 104.
> Wackelsdorf.
Kay my n (Kaymen) 76.
Elsicben (Elske) 28.
Kenrs > Koiden. Ciedeyn 96. Kleyn Tuschen 99. Knautben 105.
Falkenstein 118. Galinden 122.
Koke (Koken) 40.
Eisings-Mühle 126. Eissing See 118.
Gähnen, Gcilmenhoff, Galmengutb 70, 71. Garteipunge (Gartenpungel) 98. Grosze Gelynden > Gallinden. Gemiten (Gemitten/Eiöbern) 101. Georgenthal 103.
Giiigehnen 79. Golbiten, Goibyten (Golbitten) 42, 69. Goldenborn > I lorn. Goldynboden (Güldenboden) 109. Goltbach (Goldbach) 17.
Goren (Guliren) 47.
Grasyin (Grasnitz) 120. Grusien (Grossainen) 51, 52, 77.
Habe > Haff.
Haff 129, 131.
151
Koiden 115, 116. Komthurhof 4, 82. Königsdorf 17.
Cleyne Cupien > Kopiehnen. Kopiehnen 15, 27.
Coppln (Koppeln) 54. Cotin, Coddyn > Kadienen. Koyden > Koiden.
Koytebrichyten 87. Koythen > Komthurhof".
Ciidyn 2.
Kranthau 105. Krossen 5.
Cuddyn > Kadienen. Kupeyn, Cupiyeyn > Kopiehnen. Kybeken 46.
152
JOACHIM STEPHAN
Czegenberg > Schönhauser!. Czrepyn > Serpin. Langen glitte (Langgut) 123. Langesee (Lange See) 97. Langguter See 125. Lantosede 12. Lanxioto Dempno, Lu.xioto Dempno > Luxethen im Tal. Leckelanken (Nikolaiken) 18, 19. Leysem (Lägs) 7, 58. Liebenstadt (Liebstadt) 93. Limburger Feld 29. Lipseyde, Lipseyn 56, 57. Lobekay ine (Lopkeim) 125. Lobin (Lobbe See) 125. Loszdorjf, Liiit'isdorff (Lochdorf See) 1, 8. Luxethen im Tal 37-39. Luxetin (Luxethen) 101. Magergut 113, 114. Mahrau 112. Morlinge, Gut 111. Mariingesflisse > Magergut. Marw, Marwicz (Groß Marwitz) 6, 9. Maulfritzen 91. Melnik > Nielnick See. Merkyn 63, 67. Milde (Milden See) 92. Minautendorf, Mynauboten > Mahrau. Mohrungen, Vorwerk vor der Stadt 103. Montke 107. Moringe (Mahlungen See) 108. Mulsen > Königsdorf. Myken 88. Näglack 97, 99. Narigen, Nargensee (Narien See) 106, 109, 110.
Nartiz, NarusziNarz) 127, 128, 129. Narusz (Narz, Fließ) 129. Naudelawcken (Näglack) 99. Nauperyn (See bei Schillings) 95. Neauwdelawken > Näglack. Nektainen 93. Nielnick See 120. Noriten 17, 18, 22. Panien, Pani > Spanden. Panschaiesten 32. Paskaynen (Peiskam) 40.
Paslach, Pewselank (Land Paslok) 8,73. Passerie (Pasarge) 62, 123, 126. Pawlyn, Pawkyn (Paulken) 90, 102. Pelisten > Kranthau. Peylen 73. Peyllekayn (Pilkaim) 118. Playmen, Pleyn (Plehnen) 16, 76. Pnopen (Schillings) 95. Podangen (Podangen) 100. Pogyzoni, Pogzania (Pogesanien) 81, 89. Pomerendorff (¥omc\vcendorf) 29. Ponarmne > Schillings. Prewisseyn 98. Prugeiι 25. Pruscbemarkte (Preußisch Mark) 29. Grosze Quitteyn (Groß Quittainen) 16. Cleyne Quitteyn (Klein Quittainen) 10. Ramotinboff 50. Reberg (Rehberg) 12, 13, 131. Rechten 75, 77. Robiten (Robitten) 56. Rogaitw (Rogau) 29. Rogin (Royen) 95. Rolnaw (Rollnau) 17. Roßgarten bei Flbing 28. Ritdyn 21. Ryttbeyn > Maulfritzen. Salmonszgut > Eisings-Mühle. Sambrade (Samrodt) I i. Sambraden, Samraden (Samrodter See) 1, 8. Saiiiilendorff(N'drz) 128. Santtoppei idorff 97. Scbardenithen 66. Scharffenberge (Scharfenberg) 131. Schütting (Scherting See) 103. Schillings 95. Scbloydien (Schloclien) 62. Scbolccen, Scbulcben (Spitzen) 53-55. Schonenflisz (Schönfließ) 78. Schönhausen 103. Schuhmachers Feld 29. Schwoiken 108. Sch Wöllmen 103. Scoypen, Sc open > Stöpen. Serie > Pasarge. Serpin 33. Seubersdorl 118.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES Sigeswald See 4. Skollmen 3. Slobiten (Schlobitten) 43-45, 50. Smagars > Gallinden. Smansfelden 9. Sopoythen (Seepotlien) 65. Spanden 59, 60, 61, 62, 67. Sparteyn, Sporteyn (Sportlienen) 83, 84, 85, 86, 102.
Spitzen 53-55. Stöpen 72. Swyrmendorff > Schwöllmen. Syfridisdorff > Seubersdorf. Syreyn (Sorrehnen) 79· Talptiten (Talpitten) 20. Tirwoten, Tirwoythen 117. Tumpit (Tompitten) 25. Tungamerin (Thomareinen) 123, 124. Tusteyn, Tusyeyu > Dusseinen. Utekin 9.
153
Weickelsdorf 11. Wadekin 9. WaIlgenck (Weinings) 2 1 Waruikaym (Warnikam) il. Warnlyn (Worleinen) 118, 119. Weiskenhoffe (Weeskenhof) 28. Wekelitcz (Wöklitz) 29, 30, 31, 32, 34, 35, 38, 39. Weiythin, Werichin ("Woritten) 110. Weysken (Weeske) 28. Wickerauwe (Klein Wiekerau) 100. Wistelen, Wistohi (Wistein) 53, 54. Wobryn 82. Wogenap (Wogenap) 130. Wolffsdorff (Wolfsdorf) 133. Worgctlin > Skollmen. Woyseten 68. Wöisi'H > Magergut. Wuxtenig (Wuehsnig) 98. Ylien > Gillgehnen.
154
JOACHIM STEPHAN
Personenregister
Abdange, Sudauer 9. Adam 29, 85. Albert > Dirsaw. Albrecht 133 > Collen, Kalb. Alleph, Spittler 70. Altenburg, Dietrich v., UM, 27, 101, 128. Ambrosius > Witlilender. Andreas, Schreiber des HMs. 7, 27, 16, 127, 129, 131. Andres 98, A. Kaplan des Ktrs. 99, Α., Kaplan des IIiVls. 78, 90, 103. Arnold > Baden, Stapyl, Wuszen. Arwayden, Caspar und Thomas, Brüder v. 19. Augustinus, Schreiber des HMs. 103. Austin > Santoppendorf. Baden, Arnold v., Kumpan des 11Ms. 47. Baldeweyn > Frankenhofe. Baltaser > Putkauy. Bande 92. Bandule 122. Barym 119. Bassenheim, Siegfried Walpode v., OSp und Ktr. zu Plbing 3, 20, 37, 49, 54, 57, 74, 105, 106, 107, 121, 129, 130, 132, Friedrich > Siegfried. Bedeken, Hertwig 23. Beenhausen, Johann, IT. 131. Behenhewser > Beenhausen Belclersheim, Konrad, Kumpan des IIMs. 46, 66, Tr. 27., OSp. und Ktr. zu Elbing 16, 11, 88, OTr. und Ktr. zu Christburg 131, Ludwig, LM 62, 73, 75, Wolfram v. Gk. 69. Beler, Kellermeister zu I Iolland 111, B., Nikolaus, Kumpan des IIMs. 16, 56. Beneke, Reinike 17. Benhusen, Kumpan des HMs. 27. Berger, Nikolaus, Mühlenmeister 16, 11. Berharth, Kaplan des IIMs. 47. Bernhard, Schreiber des IIMs. 65, 127. Bertold > Pletten, Nartiz, Siechten. Bogirne 119. Bogussdo 110. Bomersheym > Pommersheim. Boryn, I Iermanns Söhne 40.
Braunschweig, Luther v., ILM 8, 40, 75, 130. Brendel, Bymund, Kumpan des IIMs. 47, Tr. 65. Blicke > Fricke. Brobel, Johann v., Kumpan des HMs. 7. Brosian 98. Brun, Klaus v. der Narusz 129. Brunchin, I Ians 80. Brune 92. Brunsberg, Lupert 130. Buchelo 73. Buntike 29. Byant 11, 98 > Culbe. Bymund > Brendel. Canoto 61. Canto 21. Cantym 12. Caspar, Kaplan des IIMs. 7 > Arwayden, Kontcze. Caunyten, Stefan 90, 102. Cayot, Martin 111. Christine > Paslok. Clauke > Drutyn. Claweke 121. demente, I Ieinrich v., Pfarrer zu Mohrungen 104. Coglande 95, 110. (Collen, Albrecht und Heinrich 33. Coyclen, Martin v. 116. Cromteich, Paul und sein Schwager Albrecht 133. Culbe, Bygant, Kumpan des Ktrs. 121. Cupiyeyn, Tiedemann 27. (Kölner > Rotenstein. Demeke 14. Dietrich 11, 99, 114, D., Kämmerer zu Locken 124 > Altenburg, Plnir, Grunenfeld, Marwitz, Speyer. Dirkot, Sudauerin 9. Dirsaw, Albert v., Schreiber des Ktrs. 133. Dorge 81, 89. Döring, I Ierrmann 33. Drutyn und seine Söhne Lorentz, Stefan, Clauke und Thomas 132.
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Dusemer, Heinrich v., UM 11, 25, 26, 43, 114, 115, 118, 122, 125. Dyman, Thomas und Kirstan, Brüder 118. Dywole 115. Dywon 29. Eberhard, Pfarrer zu Hirschfeld 9 > Rosenauw, Wallenfels, Watlie. Eckart 35. Egliner, Jorge, Pfleger zu Ottelsburg 109. Egloff > Rosenberg. Elnir, Dietrich v., Ktr. zu Balga 91, Rotger v., Gk. 77, 91. Erasmus > Fischborn. Frlichshausen, Konrad v., Kumpan des IIiYls. 127, Gk. 131, HM 28, 67, 102, Ludwig v., HM 78, 103, 126. Exdorf, Kilian v., OM. 103. Fischborn, Erasmus, Ktr. zu Balga 131, Gk. 88.
Fletten, Bertold v., Kumpan des Ktrs. 31. Frankenhofe, Baldeweyn v., Tr. 91. Fredingen, Wilhelm, Kumpan des Ktrs. 17, 61, 99. I'ricke, Ulrich, OSp. und Ktr. zu Elbing 13, 20, 23, 30, 31, 34, 36, 38, 39, 45, 69, 77, 91, 100, 1 0 1 Friedrich > Bassenheim, Girlaclie, Goryn, Kaldeborn, Kantyten, Luckwen, Schotte, Troschwitcz, Wallenrode, Weiden, Wildenberg, Zöllner. Galmen, I Iintczike und sein Sohn Jacob 70, Jorge und Hans, Brüder 71. Gans, Heinrich, OTr. und Ktr. zu Christburg 3, 23, 77, 112, 130, Herman, OSp. und Ktr. zu Elbing 65, I I I . Gedenke > Pogezan. Gedite 12. Genwolf, Jost, Kumpan des HMs. 65. Georgius > Schonesee. Gerhard (Gerke) > Paslok, Visthug, Wese. Gerlach > Mönch. German, 10, G., Tolk, des Ktrs. 17. Gerwig > Gustetis. Gewolt, Helfrich v., Kumpan des HMs. 67. Gey debut 11. Girclune 29. Girlaclie, Friedrich 116.
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Girwyn > Sussel. Glabonynen, Thomas v., Tolk des Ktrs. 13, 31. Glabune 3 h 122. Glande 10 > Warnelyn. Günsen 31. Gnatynne, Heinrich v. 77. Gobertshayn, Johann, Kumpan des HMs. 1. Golbitten, I Iancke v. 69. Goryn, Friedrich v. 47. Gothschalk 33. Gottfried > Kulen, Linden. Grasym 121. Gregor > Santoppendorf. Gregorius, Kaplan des IIiVls. 27, 46, 66, 127, G., Schreiber des II Ms. 47. Grewszen, Johann v., Hauskomtur zu Holland 126. Grumbach, Hartmut v., LM 5. Grunefeld, Dietrich und seine Frau Lewkart 66. Grunrode, I Ians, I Iauskomtur zu Elbing 70, 71, 109. Grusen, Hans, Kumpan des Ktrs. 97. Grussen, Johann v., Kumpan des Ktrs. 96. Gundelsheim, Peter v., Unterspittler 61, 99, 116, 120. Gunther > Panien. Gustethe, Hertwig (Helwig, Gerwig) Fischmeister 116, 120, Hauskomtur zu I Iollancl 124. Gybolcl > Lebe. Gyclyte 113. Hachenberg, Ulrich, Tr. 3, 20, 77, 112, 130. Hancke 85, 91, 99 > Golbitten, Hoendorff, Littauwen, Seme, Waystullinen. I Ians (I Iannus) Krüger in Wöcklitz 38, 39, IL, Müller in Bartkamm 38, 39 > Baysen, Brunchin, Galmen, Grundrode, Grusen, Hirczberg, Kochmester, Lichtenwald, Mittelburg, Österlich, Ponnekaw, Remchingen, Schonenwert, Spigel. I Ians > Galmen. Ilartmann, grosse, Kumpan des Ktrs. 126 > Wynthuwsze. Haitmut > Grumbach. Hartwigk > Strauwe.
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JOACHIM STEPHAN
I Ieinrich, Pfründner am I Ieiliggeisthospital 35, II., Schreiber des IIMs. 1, 4, 27, 46, 90, 127 > demente, Collen, Dusemer, Gans, Gnatynne, Hold, Horden, Isenberg, Marschalk, Nickeritz, Nothaft, Planen, Potendorff, Plötzkau, Pustrat, Riclitenberg, Rode, Rouffleyn, Solt, Tungamerin, Warnelyn, Wolff. Helfenstein, Wilhelm v., Kumpan des HMs. 131, Gk. 19, 63, 71, 195, 1 Gewolt. I leimig 14. I Ielmuth 33. Helpede, Henneke v. 129. Helwig > Gustehte, Merkyn. Henneke > Helpede. I Iennenberg, Philipp v. 92. I Iermann, Schulze zu Flbing 33 > Boryn, Döring, Gans, Starust, Tungamerin. Hermansgrune, Reinike v., Kumpan des Ktrs. 13, 30, 36, 15, 1 0 1 I Iertwig > Bedeken, Gustette. Ileweke (Iloike), Schreiber des IIMs. 49, 63, 132. Hintczike > Galmen. Hirczberg, Hans, Mühlmeister 56, 72, 199. Hoendorff, Hancke 38, 39. Hold, Heinrich, OSp. und Ktr. v. Flbing 1, 4, 16, 18, 27, 41, 46, 56, 66, 70, 71, 72, 90, 98, 109, 111, 117, 127. Holland, Nikolaus, Kaplan des HMs. 19, 132. Honsteyn, Inger v., Ktr. zu Brandenburg 91. Horden, Petrus, Sohn des Heinrich 139. I Iundelin, Walter, Ilauskomtur zu Flbing 13, 30, 31, 38, 39, 45. Hundenborn, Wilhelm v., Kumpan des HMs. 28, 67. Hunsbacli, Walbrabe, Gk. 99. Ilurzbach, Mühlmeister 117. Inger > I Ionsteyn. Iome, Thormis Sohn 8. Isenburg, Heinrich, OSp. und Ktr. v. Elbing 35. Isenliofer, Ulrich, Tr. 67, Gk. 103. Jakob 14, 38, 39, 72, 83, J., Schreiber des IIMs. 127, J., Kämmerer zu Pomenen 37 >
Galmen, Kontcz, Pynnow, Scholim, Wekelicli. Jarlitz, Nikolaus, OTr. und Ktr. zu Christburg 4, 90. Jeger, I Ians 27. Jekel > Panien. Jodeche 82. Johann, Kaplan des Ktrs. 17, 61, 65, 67, 96, 116, 120, 123, 133, J., Schreiber des IIMs. 78 > Beenhausen, Brobel, Gobertshayn, Grewszen, Krug, Lichtenstein, Marwitz, Neuweman, Pforten, Pfridt, Pommersheim, Ponikaw, Redern, Sclionefelt, Selbach, Somyn, Streifen, Struwe, Vroburg, Wedeler, Wegeleben, Stocheym. Jon > Ploe. Jorge > Egliner, Galmen, Milucken, Seckendorf. Jost 98 > Genwolf, Struppberg. Jude 92. Jungingen, Konrad v., Tr. 105, 107, UM 49, 63, 74, 106, 116, 120, 129 132, Ulrich v., Kumpan des HMs. 107. Kallelmunt, Ktr. zu Thorn 91. Kalb, Albrecht, Ktr. zu Thorn 103. Kalbe, Wigant, Pfleger zu Oertelsburg 120. Kaldeborn, Friedrich, I Iauskomtur zu Elbing 16, 11, 56, 72. Käme > Liebenstein. Kanti 26. Kantyten, Friedrich v. 74. Karl > Lichtenstein, Trier, Waltershusen. Kayme 76. Kemnater, Martin 27, Gk. 1, 1 OM 16, 66, 127. Keuden > Lichwano. Kilian > Fxdorf. Kirskorf, Walter, Komtur zu Danzig 131. Kirstan > Dyman, Wanalgen. Klaus, Knysteyken Sohn 44 > Brun. Kniprode, Willrich v., HM 12, 11, 29, 69, 80, 83-86, 91, 108, 113, 119, 121, 123. König, Ludolf I IM 50, 60. Konrad (Kuntcze, Kuno) 27 > Baldersheim, Erlichhausen, Jungingen, Kimseck, Krustell, Kyburg, Lichtenstein, Oppin, Rotenstein, Sack, Scheffl, Seneler, Swobe,
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES
Tauwer, Thierberg, Vrouliouer, Wallenrode, Wedemer, Zöllner. Konstetyn, Unterspittler 117. Kontcze, Jakob, Casper und Nikolaus, Brüder 126. Krug, Johann, Fischmeister zu Elbing 96, 97. Küchmeister, Hans, Kumpan des Ktrs. 111, Michael OM 65, UM 27, 46, 66, 127. Kulen, Gottfried v. der, Hauskomtur zu Elbing 116, 120, Siegfried v. d., Hauskomtur zu Elbing 121. Kuncze > Konrad. Kuno 32 > liebenstein. Kunot 62. Kuszkop, Walter 7. Kyburg, Graf Konrad v., OSp. und Ktr. zu Elbing 61, 63, 116, 120. Lamike > Peylen. Landenberg, Peter, Pfleger zu Orteisburg 18, 117. Landsee, Ludwig v., OM. 90. Lansclie > Landsee. Lazarus > Xelesslaw. Lebe, Gybolcl, Gartenmeister 61. Lechewano, Spenclo 19. Leonhard >Parsberger. Lewkart > Grunefeld. Lichtenstein, Johann v., Kumpan des HMs. 57, Karl, Kumpan des ILVls. 3, 20, 77, Konracl v., Kumpan des IIMs. 112, 130, OSp. und Ktr. zu Elbing 61, 99, Gk. 47. Lichtenwald, Hans, Schreiber des HMs. 65. Lichwano, Keuden 18. Liebenstein, Kuno, Kumpan des HMs. 91, Gk. 3, 23, 112, 130, Ktr. zu Osterode 124. Linden, Gottfried v. OM. 91. Littauwen, Hancke 57. Littaw, Narwis f f 2 . Lorch, Tyle v., Unterspittler 121. Lorentz 106, L., Kaplan des IIMs. 1, 4 > Drutyn. Luban 16, 75, L., Kämmerer 100 > Swendekendorf. Luckwen, Friedrich 78. Ludolf > König. Ludwig > Belclersheim, Landsee, Elliehausen. Lupert > Brunsberg.
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Luther > Braunschweig. Lutolt > Schadras. Lynow, Martin v., Kaplan des I IMs. 130. Mangold > Sternberg. Marschalk, Heinrich, Kumpan des IIMs. 65. Martin, Schreiber des Ktrs. f33, M., Schreiber des HMs., 7, 67, 131, M„ Kaplan des HMs. 3, 20, 57, 77, 112 > Cayot, Coyden, Kemnater, Lynow, Panien. Marus 62. Marwitz, Dietrich v. 6, Johann v. d. 6. Materne 18. Matthias, Schreiber des HMs. 19, 63, 129, 132. Mawclio 59. Meinhard > Querfurt. Melins, Sudauer 9. Menant 62. Merheim, Thomas, Hauskomtur zu Holland 116, 120, Tr. 47, Walter v., Tr. 46, 66. Merkyn, I Ielwig v. 67. Merneke > Panien. Michael, Pfarrer zu Hagenau 13, M., Fischmeister 56 > Küchmeister, Rittaw, Tussenfelder. Millegedclen 99. Milucken, Jorge und sein Sellin Simon 109· Mittelburg, Hans, Hauskomtur zu Elbing 96, 97. Molodins, Sudauer 9. Mönch, Gerlach, Ktr. zu Osterode 106. Moncke 105. Monte 31. Myledin, Johann und Sangauw 125. Naquitin 93. Narim 122. Nartz , Bertold v. d. 127. Narwis > Littaw. Naschom 58. Natangen, Nikolaus 71. Nermede, Nikolaus 63. Nermot 95. Neuweman, Johann, Kaplan des Ktrs. 97. Nickeritz, Heinrich, 'l'r. 127, Gk. 27, 46, 66, Nikolaus, Unterspittler 126. Nikolaus (Nickel, Nicklos) 92, 99, 101, 108, N. Schreiber des HMs. 1, 1 17, 90, N.,
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JOACHIM STEPHAN
Kaplan des IIiVls. 69, 88, 91, 117, 131 > Beler, Berger, I Iollancl, Jarlitz, Kontcze, Natangen, Nermede, Nickeritz, Panien, Santoppendorf, Sperling, Wenddorf.
Thorn 131. Ponikaw, J o h a n n (Hannus), Kumpan des IIMs. 4, 90. Poschanche 10.
Nocke 83. Norune 25.
Poster, Unterspittler 16, 41, 56, 72. Postreiyde 62.
Nothaft, I Iinricli, Kumpan des IIiVls. 78, 103. Noycle 82. Noyke 122.
Potendorff, Hinricli Fischmeister 121, Waldmeister 99, Waldmeister und Kumpan des Ktrs. 116, 120.
Opin > Warnelyn.
Powile > Suclaw.
Oppin, Konrad v. 2. Orseln, Werner v., UM 2, 19, 82, 95, 110.
Poysant 119. Preiboto 79.
Österlich, I Ians, Spittler des Spitals zu Elbing
Pustrat, Hinrich, Unterspittler 109.
28.
Padange 93. Pakoke 51. Panien, Gunther v. 67, J e k e l v. 61, Martin v. 61, Merneke v. 61, Nikolaus v. 61, Raffael v. 61, Stanlig v. 61, Thomas v. 50, Urban 61.
Pansude 115. Parsberger, Leonhard, Tr. 103.
Putkauy, Baltaser, Kellermeister zu I Iollland 18.
Pygant 58. Pynnow, J a k o b v. 7. Querfurt, Meinhard v., LM 61, 76, 9 1 Queriam 15. Queyre 76. Rabenstein, I Ieinrich v., OSp. und Ktr. zu Elbing 133.
Paslok, Gcrkc v. und seine Schwester Cristine 5.
Raffalel > Panien.
Paul (Pavel) 12, 14, 72, 98 > Cromteich, Russdorf, Santoppendorf, Sinczinch.
Redern, J o h a n n v., Hauskomtur zu Holland 37, Ilauskomtur zu Elbing 17, 99, Kumpan des IIMs. 20, 57.
Pecze, Lubans Sohn 16. Perwyssin 95. Peter 27, 72, 91, 121, P., Kaplan des IIMs. 74, 105, 106, 107, 129 > Gunclelsheim, I Iorden, Landenberg, Stemwer, Wistoln. Petrassche 11. Petra 27.
Redechin 52.
Reinike 70 > Hermansgrune, B e n e k e n . Reinolt, Ratmann in Elbing 33. Remchingen, Hans v., Gk 28, 67. Richtenberg, Hinrich Soler v., Gk. 78, OTr. und Ktr. zu Christburg 103, Heinrich Rouffleyn v., Kumpan des I IMs. 78, 103.
Peyleg, Thomas 56.
Rittaw, Michael 96.
Peylen, Lamike 92.
Robiten, Wilke v. 51.
Phrten (Pforten), J o h a n n , Kumpan des IIMs.,
Rode, Heinrich v., Kumpan des HMs. 127.
19, 106.
Pfridt, J o h a n n v., Kumpan des HMs. 129. Philipp > Hennenberg. Plauen, Heinrich Reuß v., Bruder des Ktrs. 18, Kumpan des IIMs. 109, OSp. und Komtur zu Elbing 7, 28, 39a, 65, 67, 78, 96, 97, 103, 126, 113. Ploe, J o e n 16. Plötzkau, Heinrich v., LM 5. Pogezan, G e d e n k e 94. Pommersheim, Kumpan des IIMs. 90, Ktr. zu
Roland, Schreiber des IIMs. 65. Rosenauw, Eberhard v., Kumpan des Ktrs. 30, 36, 45. Rosenberg, Egloff v., Kumpan des HMs. 28. Rote 17. Rotenstein, Konrad Zöllner v., OTr. und Ktr. zu Christburg 69, 91, 99, I IM 3, 20, 23, 57, 77, 112, 130. Rotger > Elnir, Sclionewerd, Ufliolz. Russdorf, Paul OTr. und Ktr. zu Christburg 27, 16, 66, Gk. 127, HM 1, 1 7, 11, 17, 88,
DIE HANDFESTEN DES ELBINGER KOiYlTlJREIBlJClIES 90, 98, 131. Sack, Konrad, LM 6, 18, 22, 48, 87. Salucli 59. Samesheim, > Saunsheim. Sampolto 6 1 Sander 117, S. Waldmeister 121 > Wickerau. Sangaw 81 > Myledin. Sankete 115. Santirmo 21, 73 > Wickerau. Santoppendorf, Nikolaus, Gregor, Silvester und Austin 97, Paul v. 99. Saunsheim, Wolf, Ktr. zu Osterode 131. Sautop 122. Schadras, Lutolt, Mühlmeister zu Elbing 97. Scheffel, Konrad, Fischmeister 18, 70, 71, 109. Scholim, Jakob 3, Kämmerer zu Holland 13. Schonefelt, Johann, Kumpan des IIMs. 91. Schönem 58. Schonenburg, Wilhelm, Kumpan des Ktrs. 133. Schonenwert, Hannus v., Kumpan des HMs. 1, Rotger v., Kumpan des I IiVls. 88. Schonesee, Georgius, Kaplan des Ktrs. 126. Schotte, Friedrich, Ilauskomtur zu Elbing 18. Schude 26. Seckendorf, Jorge, Kumpan d. HMs. 27, 16, 66.
Selbach, Johann, OTr. und Ktr. zu Mewe 127, Ktr. zu Brandenburg 131. Seme (Some), I Iancke 44, 45. Seneler, Konrad, Fischmeister 99. Siegfried > Bassenheim, Cule. Silvester, Kaplan des HMs. 28, 67 > Santoppendorf. Simon > Milucken. Sinczinch, Paul Rulman v., Kumpan des HMs. 105, 107. Siechten, Bertold v. Siechten 1 0 1 Smoyeclro 84. Somyn, Johann 43. Speier, Dietrich v., Ktr. v. Elbing 33. Spendo > Lechewano. Sperling, Nikolaus 103. Spigel, Hans, Hauskomtur zu Elbing 117. Stalgune 60. Stanguwcle 89.
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Stankoyte (Stonkoythe) 81,89. Stanlig > Panien. Stanno 87. Stapyl, Arnold, Kaplan des IIiVls. 63. Starust, Hermann 17. Stefan, Schreiber des HMs. 78, 103 > Caunyten, Drutyn. Stemans 62. Stemwer, Peter, Ilauskomtur zu Elbing 126. Sternberg, Mangold, LM 10, 15, 59. Stocheym, Fischmeister 16, 41, Johann, Kumpan des HMs. 1 Stortcz 62. Strauwe, Ilartwigk 127. Streifen, Johann, Ktr. zu Brandenburg 129. Strupperg, Jost, Tr. 90, OM. 131. Struwe, Johann 33. Stryffen > Streifen. Sudaw, Powile 2 1 Sussel, Girwyn v. 33· Swayprotte 122. Swendekendorf 20. Swobe, Konrad, Hauskomtur in Elbing 33. Tauwer, Konrad v. 1 Tettingen, "Werner v., Kumpan des HMs. 3, 112, 130, OSp. und Ktr. zu Elbing 17, 47, 61. Thierberg, Konrad v., LM 12, 33, 51, 52, 58, 93. Thomas 31, T., Tolk des Ktrs. 15 > Arwayden, Drutyn, Dyman, Glabonynen, Merheim, Panien, Peyleg. Thyme ko 128. Tiedemann > Cupieyn. Tiralt, Walter v., Hauskomtur zu Holland 36, 38, 39, Hauskomtur zu Elbing 37. Tolewaysen 81, 89. Tolleke 92. Tolneke 115. Trier, Ortulf v., OSp. und Ktr. zu Elbing I i, 5 1 55, 92, Karl v., LM 68, HM 9, 81, 89. Troschwitcz, Friedrich, Kumpan des IIMs. 7. Truchburg (Trochbach), Bertold v., Kumpan des IIMs. 63, 132. Tuls 119. Tungamerin, Heinrich und Hermann, Brüder 121
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JOACHIM STEPHAN
Tungemyr 123. Tustir 15, 95. Tyle > Lorch. Ufliolz, Rotger, Fischmeister zu Elbing 38, 39. Ulrich > Fricke, Hachenberg, Isenhofer, Jungingen. Urban > Panien. Vitalins, Johann, Schreiber des HMs. 28. Visthug, Gerhard v., Kumpan des HMs. 77. Vroburg, J o h a n n Marschall v., OTr. und Ktr. zu Christburg 20. Vrouhouer, Cuntcze, Kumpan des OSP. 117. Wallenfels, Eberhard v., Kumpan des II Ms. 19, 63, 132. Wallenrode, Friedrich v., OM. 17, 77, Konrad v., Gk. 20, 57, OM. 3, 23, HM 105, 107. Walrabe > I Iunspach. Walter > I Iuncllin, Kirskorf, Kuszkop, Merheim, 'liralt. Walterhusen, Karl v., Hauskomtur zu Holland 17, 61, 99. Wanalge 13, 22. Wanalgen, Kirsten 13. Warnelyn, I Ieinrich, Glanden und Opin v. 120.
Wathe, Eberhard v. der, Hauskomtur zu Holland 133. Wayse 81. Waysell 58. Waytin 11. Wedeler, Johann, Schreiber des Ktrs. 97. Wedemer, Konrad, Kellermeister zu Holland 16, 56, 109. Wegeleben, Johann, Gebietiger 79. Wekelich, J a k o b v. 30. Weiden (Wedel, Wellen, Wenden), Friedrich v., Tr. 19, 106, 132, OTr. und Ktr. zu Christburg 65. Wenddorf, Nikolaus, Fischmeister zu Elbing 117.
Wese, Gerke v. d. 107. Wickerau, Sander v. d. 100, Santirmo 101. Wigant > Kalbe. Wilcante 81. Wildenberg, Friedrich v., EM 21, 24, 32, 98, Gk. 53, 51. Wilhelm (WilkeJ 68 > Fredingen, Helfenstein, Hundenborn, Robiten, Schonenburg, Wenckheim. Wiltaute 89. Winrich > Kniprocle. Wirketliede 91. Wissemir 38. Wistelo 53. Wistoln (Waystulline), I Iancke und Peter, Brüder 54, 55. Witlilender, Ambrosius, Kaplan des Ktrs. 126. Wladecheym, Wentzel v., Kumpan des HMs. 88.
Wobeke, Burckard v. Tr. 63, OTr. und Ktr. zu Christburg 47. Woczeslo 73. Woginte 89. Wolf 33 > Saunsheim, Zolnard. Wolff, Heinrich, Kämmerer zu Bordelinen 54. Wolfram > Baldensheim. Wopin 106. Woyade 86. Woyssete 68. Wuszen, Arnold v. 88. Wygel 106. Wyniginte 81. Wynthuwsen, Hartman v., Unterspittler 96, 97. Wyrcliyn, Tolk 118. Wyssamir 39· Wysselny 95. Wysseym 89. Y m e t e 91. Zelesslaw, Lazarus 1.
Wenkheim, Wilhelm v., Kumpan des Ktrs. 37, 38, 39.
Zohe, Sudauer 9. Zollern, Graf Friedrich v., Gk. 65.
Wentzel, Kumpan des HMs. 131 > Wladcheym.
Zolnliart, Wolf v., Ktr. zu Tliorn 107.
Werner 128 > Orscln, Tetingen.
Zöllner > Rotenstein.
LIESELOTT ENDERS PFARRER, G E M E I N D E , PATRON. K O E X I S T E N Z U N D D I V E R G E N Z IN D E R ALTMARK W Ä H R E N D D E R ERSTEN HÄLFTE D E S 18. J A H R H U N D E R T S
I. Die Verhältnisse in der Altmark und die kirchengeschichtliche Situation in der Mark Brandenburg, S. 165. - IL Aussagen der Visitationsberichte: Inspektion Stendal, S. 170. - Inspektion Osterburg, S. 181. - Inspektion Werben, S. 188. - Inspektion Alt-Salzwedel, S. 195. - Inspektion Apenburg, S. 203. - Inspektion Kalbe/M., S. 206. - Inspektion Gardelegen, S. 208. - Inspektion Tangermünde, S. 210. - Inspektion Seehausen, S. 214. - III. Ergänzendes und Ergebnisse, S. 223. - Patrone, S. 223. - Pastoren, S. 229. - Gemeinde, S. 232. - Vergleiche, S. 238. D i e K i r c h e n - unci R e l i g i o n s g e s c h i c h t s s c h r e i b u n g ü b e r clie F r ü h e Neuzeit entwirft ein differenziertes Bild der n a c h r e f o r m a t o r i s c h e n E n t w i c k l u n g in D e u t s c h l a n d , ihrer K o n flikte unci V e r s ö h n u n g s v e r s u c h e unci ihr Verhältnis zu Gesellschaft unci Staat 1 . Für das G e b i e t cler Mark B r a n d e n b u r g s t e h e n clie e i n s c h l ä g i g e n Kapitel cles W e r k s „Tausend J a h r e K i r c h e in B e r l i n - B r a n d e n b u r g " 2 . Ältere unci j ü n g e r e A b h a n d l u n g e n w a n d t e n sich speziellen T h e m e n zu, nicht zuletzt in n e u e r e r Zeit mit n e u e n D e n k a n s ä t z e n u n d W e r t u n g e n der B e d e u t u n g u n d W i r k u n g s m a c h t d e s Pietismus u n d s e i n e r Protagonisten, in B r a n d e n b u r g - P r e u ß e n v o r allem Philipp J a c o b S p e n e r s u n d August H e r m a n n Franckes3. 1 2
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Vgl. Überblick und Forschungsstand bei Michael M a u r e r : Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert, München 1999 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, 51). Zum Untersuchungszeitraum vgl. Thomas K l i n g e b i e l : Pietismus und Orthodoxie. Die Landeskirche unter den Kurfürsten und Königen Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. (1688 bis 1710), in: Gerd II e i n r i c hClIrsg.): Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg. Berlin 1999, S. 293-324. Vgl. im Überblick Hans-Jürgen G o e r t z : Religiöse Bewegungen in der Frühen Neuzeit. München 1993, S. 41 ff., 100 ff. (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, 20). - Verwiesen wird auswahlweise auf Carl H i n r i c h s : Preufäentum und Pietismus. Der Pietismus in Brandenburg-Preußen als religiös-soziale Reformbewegung. Göttingen 1971. - llartmut L e h m a n n : Der Pietismus im Alten Reich, in: d e r s . : Religion und Religiosität in der Neuzeit. Iiistorische Beiträge, hrsg. von Manfred J a k u b o w s k i - T i e s s e n/Otto U l b r i c h t . Göttingen 1996, S. 38-51. Erstdruck in: Iiistorische Zeitschrift 211 (1972), S. 58-95. - llartmut L e h m a n n : „Absonderung" und „Gemeinschaft" im frühen Pietismus. Allgemeinhistorische und sozialpsychologische Überlegungen zur Entstehung und Entwicklung des Pietismus, in: d e r s . : Religion und Religiosität (wie vor), S. 111-113. Erstdruck in: Pietismus und Neuzeit 1 (1979), S. 51-82. - Peter S c h i c k e t a η ζ : Pietismus in Berlin-Brandenburg. Versuch eines Forschungsberichtes, in: Pietismus und Neuzeit 13 (1987), S. 115-134.
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Von besonderem Interesse erscheint das Verhältnis der konfessionellen Strömungen zueinander, vor allem das Wirken der lutherischen Orthodoxie, des Pietismus und des Kalvinismus im Untersuchungszeitraum und ihr Widerhall in Staat und Gesellschaft. Doch so reichhaltig die bisherigen Forschungserträge sind, auf die hier im einzelnen nicht weiter einzugehen ist, so sehr kennzeichnet sie doch ihre Konzentration auf die Herrschaftsebene, Kirche, Staat und Geistlichkeit (vor allem führende Theologen) und deren Willensbildung, Zielstellung und Normgebung. Die gelebte Wirklichkeit des Kirchenvolks, der „Zuhörer" 4 im Gottesdienst, und ihre geistlichen Anspräche werden bestenfalls angedeutet, nicht aber eigens thematisiert oder nur als die einer anonymen, unverständigen Masse. Demgegenüber wandten sich Historiker und Volkskundler, dezidiert z.B. Richard van Dülmen, der Volksreligion, dem Volksglauben zu und machten wichtige Beobachtungen 5 . Von der Herrschaftskirche getrennte bzw. abweichende Phänomene werden nicht a priori abgewertet, sondern zeitlich, konfessionell und lebensweltlich eingeordnet oder konfrontiert. Daneben stellt er die „Stände" (offenbar mit der gebildeten Gesellschaftsschicht gleichgesetzt), die die Frömmigkeit für sich vereinnahmten, und zwar als Instrument von Herrschaft und Sozialprestige. Allerdings spricht van Dülmen stereotyp vom „einfachen Volk" oder den „einfachen Leuten", ohne zu definieren bzw. zu qualifizieren, außer hinsichtlich ihrer Ungelehrtheit. Doch davor warnte schon Heide Wunder, u.a. 1982 mit ihren Überlegungen am Beispiel „Bauer und Religion" 0 . Und geradezu exemplarisch deckt Rainer Beck anhand archivalischer Quellen die „gegenseitige Verschränkung religiöser und materieller Belange" im Verhältnis von Pfarrer und Gemeinde auf und mißt der Gemeinde überzeugend einen eigenen Stellenwert zu 7 . 1
„Zuhörer" war der Terminus technicus für Kirchgänger, geprägt in der Visitationsordnung von 1573, § 12, ed. Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung von Anno 1573 samt einem kurtzen jedoch vollständigen Auszug der nachher emanirten Königl. Preuss. und Chur-Brandenburgischen Edicten und Verordnungen . . . . Berlin 1761. - Der Terminus „Pfarrkinder" (vgl. Burkhard v o n B o n i n : Entscheidungen des Cöllnischen Konsistoriums 1511— 1704. "Weimar 1926, S. 669) wurde in der Altmark noch in der ersten Hallte des 18. Jahrhunderts kaum verwendet, nur im Patronatsbereich der Universität Eranklürt/O. seit Mitte des 17. Jahrhunderts (Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam [BLIIA1, Rep. 86 Universität Frankfurt/O. Nr. 1541, toi. 5 ff.).
5
Richard v a n D ü l m e n : Volksfrömmigkeit und konfessionelles Christentum im 16. und 17. Jahrhundert, in: d e r s . : Religion und Gesellschaft. Beiträge zu einer Religionsgeschichte der Neuzeit. Frankfurt am Main 1989, S. 5 0 - 6 9 (= Fischer tb, 6644). Heide W u n d e r : Sozialer und kultureller Wandel in der ländlichen Welt des 18. Jahrhunderts - Überlegungen am Beispiel „Bauer und Religion", in: Ernst l l i n r i c h s / G ü n t e r W i e g e 1 m a η η (Hrsg.): Sozialer und kultureller Wandel in der ländlichen Welt des 18. Jahrhunderts. Wolfenbüttel 1982, S. 1 3 - 6 3 (= Wolfenbütteler Forschungen, 19).
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7
Rainer B e c k : Der Pfarrer und das Dorf. Konformismus und Eigensinn im katholischen Bayern des 17./18. Jahrhunderts, in: Richard v a n D ü l m e n (Hrsg.): Armut, Liebe, Ehre. Studien zur historischen Kulturforschung. Frankfurt/M. 1988, S. 1 0 7 - 1 1 3 , hier S. 121. - E b e n s o lässt z.B. Norbert S c h i n d l e r : Die Prinzipien des Hörensagens. Predigt und Publikum in der Frühen Neuzeit, in: Historische Anthropologie 1 (1993), S. 3 5 9 - 3 9 3 , dem Kirchenvolk
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Ein dritter Aspekt erscheint mir wichtig: die Unterscheidung von abstrakter bzw. rationaler Kirchenlehre einerseits, gefühlter und gelebter Frömmigkeit andererseits, wie sie z.B. Johannes Wallmann thematisiert 8 . Er differenziert nicht primär nach sozialen Klassen und Schichten, nach offizieller Kirche und Laien, sondern nach unterschiedlicher Haltung und Glaubensauffassung der Theologen und dem Verständnis ihres Auftrags als Seelsorger des gesamten Kirchenvolks. Das handelt er überzeugend einmal am Beispiel des Pfarrers Philipp Nicolai und seines „Freudenspiegel" von 1599 ab, der sich als Tröster in irdischer Not und Vertröster auf das Himmelreich verstand, zum anderen an Johann Arndts Schrift „Wahres Christentum" von 1605, in der er „die große Unbußfertigkeit" der Leute anprangerte, u m die Frömmigkeit auf Erden zu fördern. Soviel in aller Knappheit zunächst zu einigen Forschungsaspekten, auf deren Hintergrund sich mein Thema versteht: das Verhältnis von Pfarrer, Gemeinde und Patron im Mit- und Gegeneinander. Literatur über Pfarrer ist reichlich vorhanden und naturgemäß auch in der Regel mit Blick auf Gemeinde und Patronat1·1, darunter von Hermann Werdermann über die märkischen Pfarrer im Zeitalter der Orthodoxie 1 ", Walter Wendland über die pietistischen Landgeistlichen u m 1700 11 , der auch die Altmark berührt, und Paul Pflanz über altmärkische Pfarrer in der Aufklärungszeit 12 . Charakteristisch ist auch für diese älteren Titel, ähnlich wie einschlägige Arbeiten z.B. von Moritz Riemer über das südlich an die Altmark grenzende Herzogtum Magdeburg und besonders den Holzkreis 13 , das Kirchenvolk als undifferenzierte, stupide Masse
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Gerechtigkeit widerfahren, i n d e m er das G e b a r e n u n d die Vermittlungsprobleme der Prediger und die Reaktion der Predigthörer scharfsinnig analysiert und deutet. - In diesen Zusamm e n h a n g gehört auch die Erkenntnis v o m „lebhaften Austausch" zwischen der sog. Elitereligion u n d der Volksreligion, die Wolfgang R e i n h a r d : Lebensformen Europas. Eine historische Kulturanthropologie. M ü n c h e n 2004, S. 551 f., ü b e r z e u g e n d b e g r ü n d e t u n d „für die selbständige mikrohistorische Frage n a c h d e m realen religiösen Ucwußtscin der Menschen" forschungsleitend sein sollte. J o h a n n e s W a l l m a n n : Reflexionen u n d B e m e r k u n g e n zur Frömmigkeitskrise des 17. Jahrhunderts, in: Manfred J a k u b o w s k i - T i e s s e η (Hrsg.): Krisen des 17. Jahrhunderts. Interdisziplinäre Perspektiven. Göttingen 1999, S. 25-12 (= Sammlung Vandenhoeck). Zum Patronat vgl. Wolfgang G. Κ r ο g e 1: Grundlinien des neuzeitlichen Kirchenpatronats in der Mark Brandenburg, in: J a h r b u c h für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 64 (2003), S. 67-85. H e r m a n n W e r d e r m a n n : Pfarrerstand u n d Pfarramt im Zeitalter der O r t h o d o x i e in der Mark Brandenburg, in: J a h r b u c h f ü r Brandenburgische Kirchengeschichte 22 (1927), S. 5 3 133. Walter W e n d l a n d : Der pietistische Landgeistliche in Brandenburg u m 1700, in: J a h r b u c h für Brandenburgische Kirchengeschichte 29 (1934), S. 76-102. Paul P f l a n z : Altmärkische Pfarrer in der Aufklärungszeit, in: 53. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins f ü r vaterländische Geschichte zu Salzwedel (1939), S. 28-3 1. Moritz R i c 111 e r : Zur Vorgeschichte des Pietismus im Herzogtum Magdeburg, in: GeschichtsBlätter f ü r Stadt u n d Land Magdeburg 19/50(1911/15), S. 251-289. - D e r s . : Die Generalu n d Lokal-Kirchenvisitation im H e r z o g t u m M a g d e b u r g w ä h r e n d des 18. Jahrhunderts, in: ebd., S. 1-50.
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zu betrachten und sich und anderen dadurch den Blick zu verstellen. Nur Hermann Werdermann wägt, da anhand der Entscheidungen des Cöllnischen Konsistoriums 1541-1704 1 4 zwangsläufig anders an die Wirklichkeit herangeführt, zurückhaltender ab. Und für seine Zeit erstaunlich differenziert urteilt auch Hans Georg Schmidt, um 1900 Pfarrer in Kallehne 15 . Doch selten thematisiert auch die neuere Literatur die Kirchengemeinde als eigenständige, gleichgewichtige Größe, wie bereits in den obigen drei Aspekten kritisch bemerkt. Erst einige jüngere, räumlich und zeitlich begrenzte Abhandlungen fassen die genannte Dreiheit ins Auge und gehen ihr anhand konkreter Quellen nach. Im Bereich der Mark Brandenburg nenne ich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Arbeiten von Jan Peters 10 , Ulrike Gleixner 17 und Balthasar Haußmann 18 . Die Thematik ist außerdem als integrierter Teil in den Regionalgeschichten der Uckermark, Prignitz und Altmark zu finden 19 , quellengestützt, aber nicht erschöpfend abgehandelt. Am Beispiel märkischer Regionen eiweisen diese jüngeren Arbeiten, wie unhaltbar Pauschalisierungen sind, sozial unter der Rubrik „einfaches Volk", zeitlich und räumlich, z.B. innerhalb eines Herrschaftsterritoriums und selbst innerhalb kleinerer historischer Einheiten. Erst deren Erforschung anhand zeitgenössischer Quellen ermöglicht und rechtfertigt vorsichtige Verallgemeinerung und Abstraktion zwecks Überwindung der genannten Mängel und Vorurteile. Ii 15 16
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Β ο η i η : Entscheidungen (wie Anm. i). Hans Georg S c h m i d t : Die evangelische Kirche der Altmark, ihre Geschichte, ihre Arbeit und ihr Einfluss. Halle a. S. 1908. Jan P e t e r s : Das laute Kirchenleben und die leisen Seelensorgen, in: Richard v a n D ü 1 m e η (Hrsg.): Arbeit, Erömmigkeit und Eigensinn. Studien zur historischen Kulturforschung TT. Frankfurt am Main 1990, S. 75-105 (= Fischer tb, 4430'). - O e r s . : Wilsnack nach dem Wunderblut - Nachreformatorisches Kirchenleben in einer märkischen Mediatstadt, in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 61 (1997), S. 124—150. Ulrike G l e i x n e r : Die „Ordnung des Saufens" und „das Sündliche erkennen". Pfingst- und llütebiere als gemeindliche Rechtskultur und Gegenstand pietistischer Mission (Altmark 17. und 18. Jahrhundert), in: Jan P e t e r s (Hrsg.): Konflikt und Kontrolle in Gutsherrschaftsgesellschaften. Über Resistenz- und Herrschaftsverhalten in ländlichen Sozialgebilden der Frühen Neuzeit, Güttingen 1995, S. 13-53 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 120). Balthasar H a u ß m a n n : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung. Kurmärkische Landprediger in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Diss. Berlin 1999; URN: urn:nbn:de:kobv: 517-0000226; URL: http.//opus.kobv.de/ubp/volltexte/20()5/13/ Potsdam 2005. Lieselott Ε n d c r s : Die Uckermark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Weimar 1992, S. 126 ff., 537 ff. (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 28). - D i e s . : Die Prignitz. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Berlin 2000, S. 582 ff., 840 ff., 1138 ff. (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 38). - D i e s . : Die Altmark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft in der Erühneuzeit (Ende des 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts). Berlin 2008, S. 1174 ff. (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 56). - Vgl. auch Jan P e t e r s : Märkische Lebenswelten. Gesellschaftsgeschichte der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack, Prignitz 1550-1800. Berlin 2007, S. 157 ff., 279 ff., 491 ff. (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 53).
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Freilich ist die Quellenlage nicht unproblematisch. Verständlicherweise haben Editionen stets Vorzug, reichen aber bei weitem nicht aus. Andererseits gibt es in der Überlieferung große Lücken. Flächendeckende, aussagekräftige Quellen wie die Kirchenvisitationsprotokolle und -berichte sind nur z.T. veröffentlicht, z.T. gar nicht oder nur verstreut erhalten geblieben. Für die Altmark sind die Matrikeln des 16. Jahrhunderts ediert, wenn auch weniger intensiv erschlossen als z.B. die der Prignitz 2 ". Altmärkische Visitationsrezesse von 1646-1649 sowie Kirchenvisitationsberichte aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind nicht publiziert. Die vorliegende Abhandlung konzentriert sich auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, die in der Mark Brandenburg, wie erwähnt, im Zeichen der Auseinandersetzungen zwischen Orthodoxie, Kalvinismus und Pietismus stand und geschichtlich durchaus erforscht, aber eben vornehmlich auf der Ebene von Landesherrschaft und Gelehrsamkeit, während das Kirchenvolk, besonders das ländliche, unterbelichtet bleibt und das dritte Element, der Patronat, vornehmlich im ländlichen Raum, selten auf die reale Praxis abgeklopft wird. Im Nachfolgenden wird zunächst (I) der allgemeine Hintergrund skizziert, d.h. vor allem die politischen, sozialökonomischen, demographischen und verfassungsmäßigen Verhältnisse in der Altmark, sodann die theologisch-kirchengeschichtliche Situation in der Mark Brandenburg und speziell in der Altmark, soweit bekannt. Im Abschnitt II wird das eigentliche Thema anhand der Quellen dergestalt abgehandelt, dass jede der drei Komponenten für sich und in ihrem Bezug zu den beiden anderen betrachtet wird, und zwar möglichst jeweils aus ihrer Eigensicht. Im Abschnitt III werden Schlussfolgerungen aus dem differenzierten Befund gezogen und kurz Gegebenheiten in anderen Regionen gegenübergestellt.
/ Die Altmark, der einzige westelbische Landesteil der Mark Brandenburg, war seit dem Spätmittelalter einer ihrer Hauptkreise (mit dem Landeshauptmann an der Spitze); dieser gliederte sich in sechs Landreitereien oder Unterkreise mit den Zentren Salzwedel, Stendal, Arendsee, Seehausen, Arneburg und Tangermünde. Nach dem Dreißigjährigen Krieg bildete sich aus dem kriegsbedingt entstandenen Kriegs- oder Kreiskommissariat das Altmärkische Kreisdirektorium heraus, dem vier Landräte
20
Julius M ü l l e r /Adolf Ρ a r i s i u s (Hrsg.): Die Abschiede der in den Jahren 1540—1542 in der Altmark gehaltenen ersten General-Kirchen-Visitation mit Berücksichtigung der in den Jahren 1551, 1578-79 und 1600 gehaltenen Visitationen, Bd. I und IL Magdeburg u. Salzwedel 1889-1929. - Victor Η e r ο 1 d (Hrsg.): Die Brandenburgischen Kirchenvisitations-Abschiede und -Register des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Bd. 1: Die Prignitz. Berlin 1928-1931 (= Veröffentlichungen der Iiistorischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin, IV).
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angehölten 2 1 , aus der Kommissariatstätigkeit in den Städten das Institut des Kriegsund Steuerrats in Stendal als regionale staatliche Aufsichtsbehörde der Städte. Während dieser Behördenaufbau dem in den anderen märkischen Kreisen entsprach, hielt sich eine davon abweichende teilautonome Justizhierarchie in Gestalt des Hof- und Landgerichts in Tangermünde und des Quartalgerichts in Stendal. Beide verschmolzen 1716 zum Altmärkischen Obergericht, dessen Kompetenz nur wenig der des Kurmärkischen Hof- und Kammergerichts in Berlin nachstand. Außerdem existierte bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts das eigens für die im Hochmittelalter in der Elbwische angesiedelten Holländer, Seeländer und Flamen konstituierte Boddingund Lodding-Gericht. Die Kirchenaufsichtsbehörden waren seit der Reformation die dem Kurmärkischen Konsistorium unterstellten geistlichen Inspektionen (später Superintendenturen genannt). In der Altmark trat als Besonderheit eine Generalsuperintendentur mit Sitz in Stendal hinzu, die seit 1664 auch für die im Nordosten jenseits der Elbe angrenzende Prignitz zuständig war. Eine weitere Besonderheit waren die von den beiden größten Adelsgeschlechtern v. d. Schulenburg und v. Alvensleben durchgesetzten eigenen Inspektionen in Apenburg und Kalbe/M., eine Ausnahme auch in der übrigen Kurmark. Wirtschaftlich und kulturell im weitesten Sinne unterhielt die aus einer ostsächsischen Grenzregion hervorgegangene Altmark auch in der Frühneuzeit enge Beziehungen zu den sie umgebenden Gebieten der Herzogtümer Magdeburg (nebst Fürstentum Halberstadt), Braunschweig und Lüneburg samt Wendland. Die schlossgesessenen Adelsgeschlechter in der westlichen und südlichen Altmark waren per Mehrfachvasallität diesen und anderen Fürstenhäusern verpflichtet, die Städte und Bürger auch nach dem Ende der Hanse mit zahlreichen Städten ökonomisch und verwandtschaftlich verquickt, und auch Bauern war großer und kleiner Grenzverkehr seit alters vertraut. In der frühneuzeitlichen Altmark wirkten schließlich noch Merkmale und Eigenheiten fort, die sie ihrer Zugehörigkeit zu den beiden sächsischen Diözesen Halberstadt und Verden verdankte. Deren Grenze verlief bis zur Reformation quer durch die Altmark von Calvörde im Südwesten bis Werben im Nordosten. Dazu gehölten die alten Großparochien im Bistum Verden wie die vorherrschenden Kleinparochien im Bistum Halberstadt, dem auch im Großen und Ganzen der Kirchbau entsprach. Dazu gehörten des Weiteren die unterschiedlichen Pfarr- und Küsterintraden, im Bereich des Bistums Verden als Sangkorn und Sanggeld bezeichnet, im dem des Bistums Halberstadt als Messkorn und Messgeld. Zu nennen sind außerdem als altmärkische Besonderheit im Vergleich zum ostelbischen Landesausbau- und Missionsgebiet die Patrozinien der Dorfkirchen in beiden Diözesen 2 2 .
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Vgl. Wilhelm R o h r : Zur Geschichte des Landratsamtes in der Altmark, in: Sachsen und Anhalt i (1928), S. 167-207. Vgl. E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 1167 ff., 1184 ff., 1196 ff., 1205 ff.
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Noch Ende des 17. Jahrhunderts war die Altmark von den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges gezeichnet. Dörfer und Städte wiesen in ihrer Bebauung, z.T. noch weit ins 18. Jahrhundert hinein, mehr oder weniger große Lücken auf. Auch die Schäden an den geistlichen Gebäuden waren noch längst nicht behoben, die Kirchenkassen noch nicht wieder gefüllt, zumal es seit Jahrzehnten Außenstände gab, die z.T. als verloren gelten mussten. Die Ansiedlung von Kolonisten kam nur schleppend in Gang, von Holländern, Hugenotten und anderen Reformierten nur vereinzelt im Domanialbereich; daher wurden auch nur wenige reformierte Gemeinden konstituiert 2 ^. Um 1700 waren 71 %, um 1800 knapp drei Viertel der rund 500 Dörfer in der Altmark gutsfrei. Vorwiegend adlige Güter bestanden z.T. sehr dicht in der fruchtbaren Wische, verbreitet auch in der östlichen und mittleren Altmark, während in den großen, waldreichen Kreisen Salzwedel im Westen und Arendsee im Norden mit Böden oft minderer Bonität außer großen Klöstern bzw. Ämtern einige wenige Adelsfamilien, sog. Schlossgesessene, mit ihren Burgen, Herren- und Wirtschaftshöfen und zahlreichen gutsfreien Dörfern vorherrschten. Der Anteil der Landesherrschaft am Grundbesitz erweiterte sich maßgeblich infolge der Säkularisation im 16. Jahrhundert, durch Ankauf, Melioration und Kolonisation vor allem im 18. Jahrhundert, so dass, abgesehen von den Städten, auch die Patronatsrechte am Ende der Frühneuzeit zu etwa 20 % beim Landesherrn lagen. Über den weit größeren Anteil verfügten die adligen und z.T. bürgerlichen Grundherren durch Belehnung seit dem Spätmittelalter 24 . Die bäuerliche Bevölkerung war seit dem mittelalterlichen Landesausbau persönlich frei und blieb es auch. Der Hof- und Grundbesitz basierte auf dem alten Erbzinsrecht, das auch nach dem Dreißigjährigen Krieg fortbestand, punktuell ausgehöhlt durch Bauernlegen, gestützt andererseits durch das verbreitete Besitzrecht als Lehen ganzer Höfe (Lehnbauern) oder Teillehen (Bauerlehen) 2 5 . Das Schulzengericht war teils erbliches Lehen, teils Freigericht; es breitete sich aber auch das Institut des Setzschulzen aus 26 . Immerhin wirkte seit dem Mittelalter eine starke Dorfgemeinde, die über den Fortbestand kommunaler Rechte und Gerechtigkeiten wachte, auch als Kern der Kirchengemeinde ernst zu nehmen war 27 . Gestützt von den Ständen, besonders der Ritterschaft, verteidigte die orthodoxe Geistlichkeit ihre Dominanz gegenüber allem Reformierten. Im 17. Jahrhundert ver-
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Vgl. Lieselott E n d e r s : Das Siedlungsbild der Altmark in der Frühneuzeit, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 50 (200 i), S. 19-99, hier S. 80 ff. - D i e s .: Die Altmark (wie Anm. 19), S. 74 ff., 84, 89 f., 98 ff. E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 609 ff., 639 ff. Vgl. Lieselott E n d e r s : Die Besitz- und Rechtsverhältnisse der altmärkischen Bauern in der Frühneuzeit, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, N.F. 13 (2003), S. 1-59. - D i e s . : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 260 ff., 287 ff. Vgl. Lieselott E n d e r s : „Wir, 31 Dorfschulzen des Kreises Stendal, klagen ...". Glanz und Elend des Schulzenamtes in der Altmark (13.-18. Jahrhundert), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 18 (2002), S. 219-268. - D i e s . : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 512 ff. E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 557 ff.
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mochten Vertreter reformierten Glaubens in der Altmark kaum Fuß zu fassen; jeder Verdacht wurde aufs schärfste bekämpft. Auf dem Lande amtierten lutherische Geistliche und bemühten sich gemäß der Kirchenordnung um die Bildung der Gemeindeglieder durch Katechisation. Visitation und Examina fanden wohl selten statt, sind jedenfalls nur spärlich belegt, vornehmlich in den Dörfern der Universität Frankfurt/O., so 1633 und 1647 28 . Um diese Zeit war, erstmals wieder nach l600, eine allgemeine Kirchenvisitation in der Altmark angeordnet worden und fand 1646 bis 1649 statt21·1. Vorrangig ging es jetzt gegen Kriegsende um die Bestandssicherung der geistlichen Güter, Vermögen und Einkünfte. Gleichlautende Auflagen wurden schriftlich erteilt, an die Schulzen und Gemeinden der visitierten Dörfer u.a. zum Kirchgang und Sakrament des Abendmahls sowie zu christlichem Verhalten überhaupt, an die Patrone und Obrigkeiten, die Untertanen an Sonn- und Bettagen nicht zu zitieren und zu Herrendiensten zu gebrauchen, an die Pfarrer zu regelmäßiger Katechisation, Examinierung und Schulaufsicht sowie Bestrafung grober Sünden gemäß der Hl. Schrift^. Es verging wieder ein halbes Jahrhundert, ehe die nächste allgemeine Kirchenvisitation anberaumt wurde. Indessen festigten sich aber die Kirchengemeinden, wurden vakante Predigerstellen bis auf wenige wie z.B. Lindenberg wieder besetzt oder die Pfarren als Filiae anderen zugelegt wie Döllnitz, Goldbeck, Rrumke, Solpke, Storkau, Wahrburg und Wittenmoor^1. Doch drang nun der reformierte Landesherr auf mehr Toleranz unter den evangelischen Widersachern und untersagte 1662 seinen Landeskindern in allen seinen Territorien bei Strafe des Berufsverbots das Studium der Theologie oder Philosophie in Wittenberg, dem Hort der lutherischen Orthodoxie. I69O erneuerte Kurfürst Friedrich III. das Edikt, um den orthodox-lutherischen Pfarrerstand durch gemäßigtere Geistliche zu ersetzen'' 2 . 1691 berief der Fürst den Pietisten Jacob Philipp Spener, der 1675 mit seiner Schrift „Pia desideria" die „theologische Grundposition des Pietismus, über eine vertiefte Frömmigkeit mit strenger Sittlichkeit zu tätiger Nächstenliebe zu gelangen", formuliert hattet, zum Propst an St. Nikolai in Berlin. Damit öffnete er dieser Erneuerungs-
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BLIIA, Rep. 86, Nr. 1539 zu 1633, Nr. 1511 zu 1617. BLHA, Rep. 40 Α Kurmärkisches Konsistorium, ab Nr. 109. Wie Anm. 29, passim. Vgl. Uwe C ζ u b a t y η s k i : Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark. Biographische Daten und Quellennachweise als Hilfsmittel zur kirchlichen Ortsgeschichte der Mark Brandenburg und der Provinz Sachsen, Halle 2000 ( = Beiträge zur Regional- und Landeskultur SachsenAnhalts, 18), 2., erweiterte Auflage (elektronische Ressource), Rühstädt 2006, passim. Vgl. Ulrich N i g g e m a η η : Kurfürst Friedrich III. und die lutherische Kirche. Das Verbot des Studiums in Wittenberg und seine praktische Umsetzung 1690 bis 1702, in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 65 (2005), S. 63-83. - I n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 1247. Heinz D u c h a r d t : Das Zeitalter des Absolutismus, 3. Überarb. Aufl. München 1998, S. 83 (= Oldenbourg Grundriß der Geschichte, 11). - Zur Würdigung Speners vgl. auch L e h m a η η : Der Pietismus im Alten Reich (wie Anm. 3), S. 94 ff.
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bewegung offiziell die Tore seiner Residenz als Gegenpol zur Orthodoxie und im Geiste der Toleranz gegenüber dem Kalvinismus. Mit der Berufung August Hermann Franckes zum Professor an die 1694 in Halle/S. gegründete Universität sicherte er dem Pietismus ein wichtiges Wirkungsfeld zur Heranbildung Geistlicher 34 , und es sollte sich zeigen, dass sich tatsächlich ein Großteil der künftigen Pastoren in Halle immatrikulieren ließ 3 5 . Die Mehrzahl der Patrone blieb allerdings wohl lutherischorthodox 3 0 , und die Kirchengemeinden hatten ganz andere Sorgen, Interessen und Bedürfnisse als Lust am theologischen Streit um das wahre Christentum. Sie erwarteten Trost und Erbauung, Beistand und Ermutigung und als Zeichen der Versöhnung mit Gott und der Welt das hl. Abendmahl. In der Altmark sind bisher nur wenige Pietisten bekannt. Dazu gehörte Dr. Johann Christoph Meurer, Pfarrer am Dom St. Nikolai in Stendal und Generalsuperintendent der Altmark. Der gebürtige Württemberger hatte in Tübingen studiert, Christian Thomasius in Halle gehört und war dort zum Dr. theol. promoviert worden 3 7 . Er fand einen Förderer in Jacob Spener; denn dieser schrieb im Oktober 1700 seinem Freund Friedrich Breckling in Holland, nachdem er sich zuvor kritisch über einen Kollegen geäußert hatte: „Dieses aber halte vor einen herrlichen Sieg, daß Gott H. D. Meurer zur Adjunktur des alten Generalsuperintendenten in der Altmark gebracht, welches ein Mann von gründlichen Studien, guten Gaben und rechtschaffenem Eifer, von dem ich deswegen hoffe, dass in göttlichem Segen er in der Altmark das Kirchenwesen in guten Stand bringen werde" 3 8 . Meurer blieb in seinem Stendaler Amt bis zu seinem Tode 1740. Vor seiner endgültigen Berufung hatte er von 1705-1708 noch als Inspektor in Tangermünde gewirkt. Ihm folgte auf diesem Posten der Pietist Christoph Matthäus Seidel, den der gleichgesinnte Kirchenpatron Carl Hildebrand Frhr. von Canstein 1700 nach Schönberg (Inspektion Seehausen) voziert hatte. Er verließ die Altmark aber schon 1715 und wurde 1717 Adjunkt des Pietisten Johann Porst, Propst an St. Nikolai in Berlin31·1. Auch ihm war Spener wohlgesonnen; an Breckling schrieb er im Oktober 1700: „Es kommt auch nächst in solche Provinz [Altmark] ein rechtschaffener Prediger aus Sachsen, H. 31
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Vgl. L e h m a n n : Der Pietismus im Alten Reich (wie Anm. 3), S. 105 ff. - Gerd H e i n r i c h : Amtsträgerschaft und Geistlichkeit. Zur Problematik der sekundären Eühmngsschichten in Brandenburg-Preußen 1450-1786, in: Günter F r a n / (Hrsg.): Beamtentum und Pfarrerstand 1100-1800. Büdinger Vorträge 1967. Limburg 1972, S. 179-238, hier S. 207 ff. - M a u r e r : Kirche, Staat und Gesellschaft (wie Anm. 1), S. 26 f. Vgl. H a u ß m a n n : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung (wie Anm. 18), S. 89 ff., Tabellen S. 256. - l i n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 12 18 zu Anm. 582. Vgl. l l i n r i c h s : Preußentum und Pietismus (wie Anm. 3), S. 179 f. C 7, u b a t y η s k i : Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark (wie Anm. 31 λ 2000, S. 237. Theodor W o t s c h k e : Der märkische Freundeskreis Brecklings, in: Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte 23 (1928), S. 187. Vgl.We η d 1 a η d : Der pietistische Landgeistliche in Brandenburg um 1700 (wie Anm. 11), S. 77 ff. zu Seidel und Porst; Peter S c h i c k e t a n z (Hrsg.): Christoph Matthäus Seidel: Pietistischer Gemeindeaulbau in Schönberg/Altmark 1700-1708. Leipzig 2005, S. 93 ff. (= Kleine Texte des Pietismus, 10).
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Μ. Seidel, der Luther so inne hat, als ich keinen anderen kenne, welches sein so genannter Lutherus redivivus veranlasset in dem er der Wittenberger Schrift gegen mich ex toto Luthero refutiert, wie auch voriges Jahr aus ihm den ganzen Beichtstreit ausgeführt" 411 . Ein weiterer Geistlicher, der Spener nahe stand, Gottfried Arnold, ein „scharfer Kritiker des landesherrlichen Kirchenregiments", der mit seiner 1699/1700 erschienenen Schrift „Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie" berühmt wurde 4 1 , weilte nur wenige Jahre in der Altmark: 1705-1707 als Inspektor in Werben, danach bis zu sein e m Tode 1714 als Superintendent in Perleberg (Prignitz). Er war der „bekannteste radikale Pietist" 42 . Wieweit der schon 1694 verstorbene Inspektor Christian Gedicke in Gardelegen dem Pietismus zugeneigt war, bleibt offen. Sein 1683 geborener Sohn Lampert Gedicke wurde 1703 als stud, theol. in Halle immatrikuliert, war Schüler des hochverehrten August Hermann Francke, ein Jahr Lehrer an seinem Pädagogium und 1709 Feldprediger. Erhalten sind zahlreiche Briefe an Frhr. von Canstein und Francke4-^. Und pietistisch gesonnen war sicher auch der 1686 in Stendal geborene Johann Conrad Ebert, der nach seinem Studium in Halle zunächst am dortigen Waisenhaus unterrichtete, ehe er später Pfarrer in Kremkau wurde 4 4 . Immerhin hinterließen doch in den entscheidenden ersten Jahrzehnten der religiösen Erneuerungsbewegung in der Mark Brandenburg bedeutende Persönlichkeiten ihre Spuren, wenn auch ihre und anderer Breitenwirkung in der Altmark wahrscheinlich eingeschränkt war. Einigen Aufschluss geben die Visitationsberichte aus dieser Zeit.
II Generalsuperintendent Dr. Meurer fühlte in seiner Eigenschaft als Haupt der I n s p e k t i o n S t e n d a l die 1715 angeordnete Lokalkirchenvisitation in den Sommermon a t e n j u n i und Juli der Jahre 1715 und 1716 in den 26 Pfarren seiner Diözese durch. Erfahrungen hatte er bereits 1702, als er noch Adjunkt seines Amtsvorgängers Daniel Bernhardi war, gesammelt. Er berichtete, dass in den meisten Orten die Edikte über
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W o t s c h k e : Der märkische Freundeskreis Brecklings (wie Anm. 38), S. 187. - Zum Berliner Beichtstuhlstreit vgl. K l i n g e b i e l : Pietismus und Orthodoxie (wie Anm. 2), S. 302 ff. Μ a u r c r : Kirche, Staat und Gesellschaft (wie Anm. 1), S. 29. G o e r t z : Religiöse Bewegungen in der Frühen Neuzeit (wie Anm. 3Λ S. 18. - Kurzbiographien bei C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 112; Friedrich 15 e c k /Eckart Η c η η i η g (Hrsg.): Brandenburgisches Biographisches Lexikon - BBL - . Potsdam 2002, S. 29. Vgl. Karl W e i s k e : Pietistische Stimmen aus der Mark Brandenburg. Auszüge aus Briefen der Handschriftensammlung der Hauptbibliothek in den Franckeschen Stiftungen zu Halle, in: Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte 21 (1929), S. 178-211, hier S. 201 ff. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Magdeburg (LHASA MD), Rep. A 12 Generalia Nr. 2519, Protokoll vom 8. Juli 1751.
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die Feier des Sabbats und die Erhaltung der inneren und äußeren Armen nicht gebührend observiert würden und dass die Hilten und Pferdejungen nicht den Sonntagsgottesdienst besuchten. Er habe deshalb den Obrigkeiten und Patronen jeden Orts entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen. Auch die Verordnung, bei Ausleihe von mehr als 50 Taler Kirchengeld um die Konfirmation des Konsistoriums zu ersuchen, werde wenig observiert. Der Zustand der Schulen auf dem Lande sei sehr elend, welchem durch Verordnung am sichersten und schleunigsten abzuhelfen wäre, wie es im Herzogtum Magdeburg geschehen sei. Bei den Hochzeiten und Kindtaufen, so rügte er weiter, gingen excessive Unordnungen vor mit vielen Freßen und Sa uffe η, dass mancher darüber verarmen oder sich in Schulden setzen müsse. So würden auch die Phngstbiere Schnur stracks dem Edikt vom 20. März 1655 zuwider fast überall noch aufgelegt und gezecht, auch an dem Tag der sog. Hagel-Feyer viel Saufens, Spielens und Tanzens vorgenommen, so dass nötig sei, dass das Edikt eingeschärft werde. Crügers Gesangbuch 45 sei durchgehende gebräuchlich. Was den Katechismus betraf, sei an allen Orten Luthers in Gebrauch, und wo ein anderer gewesen, seien die Pastoren dazu angewiesen. Alles in der Visitation Protokollierte sei öffentlich in Gegenwart der Patrone, Pastoren und Gemeinden verlesen worden, obschon die wenigsten von den Patronen subsigniret worden seien, weil sie sich dazu nicht entschließen konnten. Meurer endete, und die Entrüstung bebte noch nach: An keinem Orte sei ihm mit mehr importunite und bösen Worten begegnet worden als in Moringen; hier habe der Schulenburgsche Amtmann ihn mit unverantwortlichen Worten und Grobheit tractiret, den verordneten halben Taler verweigert und bis jetzt nicht gereicht 40 . Es war Meurers Aufgabe, Mängel aufzudecken und davon zu berichten, damit sie, notfalls auch mit dem Nachdruck des Konsistoriums, abgestellt werden. Er schien aber ebenso unvoreingenommen wie kritisch, wog ab, lobte, wo es etwas zu loben gab, und wies Wege zur Überwindung von Schwächen, auch bei seinen Amtsbrüdern. Die Pastoren hielten vor der eigentlichen Visitation eine Predigt nach einem ihnen vom Inspektor vorgegebenen Bibeltext. Daran schlossen sich das sog. Examen, d.h. die Befragung der Zuhörer, Alten und Jungen, nach dem Inhalt der Predigt und die Katechisation der Erwachsenen und Jugend an. Meurer notierte Herkunft, Alter, Studienorte und -dauer sowie Amtsantritt der Prediger, und es ergab sich, dass auch von den Jüngeren nur wenige ausschließlich in Halle studiert hatten 47 . Bevorzugt war
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Vgl. Christian B u n n e r s : Der Berliner Musiker Johann Crüger (1598-1662). Seine Wege, Werke und Wirkungen im europäischen Zusammenhang, in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 62 (1999), S. 63-75, hier S. 69 II. /um Gesangbuch von 1640, 1617 erweitert ediert unter dem Titel „Praxis pietatis melica" (Erömmigkeitspraxis in Liedern) und viele Jahrzehnte lang immer wieder neu aufgelegt. BLHA, Rep. 40 A, Nr. 125, fol. 2 ff. Johann Göhl zu Arneburg, Georg Christoph Schräder zu Grassau, Christian Christopher Wolff zu Grofä Schwechten, einige dort und in Jena oder Leipzig (ebd., passim; auch für das Folgende).
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immer noch Helmstedt 48 , gefragt bei Märkern und Nichtmärkern auch Leipzig41·1 und Jena "''λ Zwei hatten in Wittenberg studiert (der Sachse Christophems Coppius, Pfarrer in Badingen, und der Pommer Petrus Bilang, nun zu Klinke), ein Osterwiecker in Königsberg/Pr. und Rostock (Conrad Rappmund zu Arensberg) 51 . Die persönliche Studiendauer betrug ein bis fünf Jahre. Viele der kontrollierten Pastoren predigten erbaulich und verstanden sich auch gut auf die Katechisation, d.h. die Unterweisung der Gemeinde im Katechismus und in der Hl. Schrift, allerdings unterschiedlich intensiv und häufig, je nachdem wie viele Orte zu ihrem Kirchspiel gehörten. Warm lobte Meurer z.B. den Pastor Michael Beuvius in Könnigde, Nachfolger seines Vaters und nun auch schon 35 Jahre im Amt, als einen exemplarischen, gewissenhaften, christlichen Prediger und aufrichtigen Mann, der in seinem Predigtamt vieles erfahren und darin von Gott sonderlich geführt und geschützt worden ist. Umso mehr beklagte er, dass er eine sehr elende Pfarrwohnung, auch geringes Pfarreinkommen habe und dabei wiedersinnige und viel Gottlose Zuhörer52. Missfällig nahm der Visitator wahr, dass Pastor Petrus Bilang, der seit 1684 in Klinke amtierte, einen Schüler, Paul Hennings aus Döllnitz, an seiner Statt hatte predigen lassen, was er ihm verwies; und statt des Frankfurter Katechismus sollte er künftig Luthers traktieren und mit Sprüchen der Hl. Schrift erklären"'3. Das galt auch für Pastor Christoph Sydow in Schinne und Georg Wilhelm Glumert in Schorstedt, die bisher „Höfers Himmelsweg" benutzten 54 . Sebald Zacharias Muhl in Rindtorf, der klagte, dass er mit dem mal ο Hypochondriaco beschwert sei, befand Meurer exiguorum studiorum und auch im Predigen schlecht, habe freilich auch eine sehr geringe Pfarre und könne schwerlich dabei auskommen 5 5 . Keine sonderliche Studia, auch sehr geringe Gaben, in specie im Predigen bescheinigte Meurer dem Pastor Johannes Lehmann in Klein Schwechten. Demzufolge: Stehet nicht allzuwohl in diesen Gemeinen, weil in mater selten katechisiert wurde, ingleichen in d&ußliis und in Petersmark der Prediger öfter nur den Küster ablesen lässt"'0.
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Die Altmärker Johann Franciscus Winter in Borstel, Barthold Joachim Lüdecke in Büste, Michael Beuvius in Könnigde, Levin Friedrich Richter zu Groß Moringen, Friedrich Christoph llindenburg zu Neuendorf am Speck, Johann Christoph Berlin zu Uenglingen, der llelmstedtcr Henning Andreas Koch zu Jarchau und Johann Christoph Grumbach aus dem magdeburgischen Ohrekreis, Pfarrer in Föritz. 19 Christoph Georg llindenburg in Bertkow, Georg Meidinger in Lichstedt, Johann Gottfridt Oswald in Garlipp, Henning Gartz zu Rochau, Michael Friedrich Spicker zu Sanne b. Arneburg. 50 Andreas Erdmann Schultze in Baben, Laurentius Andreas Oswaldt zu Schernikau b. Stendal, Georg Wilhelm Glumert zu Schorstedt, Johannes Lehmann zu Klein Schwechten. 51 Zum Universitätsbesuch der Altmärker vgl. E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 1215 ff. 52 BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 125, fol. 39 f., 23. Juni 1716. 53 Ebd., fol. 33 f., 19. Juli 1715. 51 Ebd., fol. 57 ff., 17. Juni 1715. 55 Ebd., fol. 16, 15. Juli 1716. 56 Ebd., fol. 63 f., 19. Juli 1716.
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Das beanstandete Meurer auch bei Arnold Heinrich Roth, Pastor in Staffelde, und noch einiges mehr: Ist von geringen Studiis, habe auch, obschon ich es verlangte, kein Buch von ihm zu sehen bekommen, hat mir keine Dispositiones seiner Predigten kommuniziert [wie es verlangt war]. Er sollte jeden Sonntag in drei Orten predigen und alle 14 Tage im vierten. Das geschehe aber nicht oft, sondern lasse meistens an den anderen Orten den Küster ablesen, besonders einige Wochen hintereinander in Bindfelde, halte auch keine gewisse Zeit zum Predigen ein, daher die Gemeinden anderer Orten nicht wüssten, wann er käme. Überdem hielt er keine Kirchenregister oder Kirchenbücher, sondern schrieb die Getauften, Kopulierten und Begrabenen in seinen Kalender 57 . Waren dies mehr administrative Angelegenheiten, die den Pfarrern oblagen, so berührten die Bemerkungen zum Gebrauch des Katechismus die Lehre selbst. Obwohl Luthers Kleiner Katechismus vorgeschrieben war, benutzte man daneben oder stattdessen immer noch andere, wie sich auch in anderen Inspektionen zeigen sollte 58 , und auch verschiedene Rituale. So war z.B. der Exorzismus [Austreibung böser Geister] vor der Taufe noch gebräuchlich, durchgehend in Eichstedt. Hier waltete seit 1704 Pastor Georg Meidinger, aus Schlitz in Buchonia gebürtig, der vier Jahre in Leipzig und ein Jahr in Halle studiert hatte. Er war ein gelehrter, unverdrossener, fleißiger Mann, in Sprachen und Historie- wohl versiret, hatte eine ordentlich gefaßte und sehr erbauliche Predigt gehalten, war im Leben unsträflich und ließ sich die Information der Kinder wohl angelegen sein 59 . Der Pastor in Bertkow, Christoph Georg Hindenburg, zwei Jahre Student in Leipzig und seit sechs Jahren im Amt, dem Meurer das Zeugnis Probus, Pius, Doctus, moderatus gab, hatte den Exorzismus einmal angewandt. Meurer hielt das nur im Protokoll und ohne Kommentar fest. Die Entscheidung stand den Eltern frei6lJ. Dass und wie die Geistlichen auf die Einhaltung christlicher Moral ihrer Gemeindeglieder zu achten hatten, war alte lutherische Tradition, untermauert durch immer häufigere staatliche Gesetze und Verordnungen wie über die Heiligung von Sonnund Feiertagen, zu Hochzeits- und Kindtauffeiern, zur Abschaffung des Pfingstbiers und anderer beliebter Gelage, zu Mißbrauch der Hagelfeiern 61 durch Volksvergnü57 58
Ebd., fol. 65 f., 5. Juli 1715. Gleiches stellten die Visitatoren im Herzogtum Magdeburg fest (R i e m c r : Die General- und Lokal-Kirchenvisitation im Herzogtum Magdeburg während des 18. Jahrhunderts [wie Anm. 131, S. 13). - In der Kurmark sollte schon 1683 der sog. Erankfurtische Katechismus abgeschafft und ausschließlich Luthers gebraucht werden (Churmärckische Visitations- und Con-
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BL1IA, Rep. 10 A, Nr. 125, fol. 26 f., 11. Juli 1715. Ebd., fol. 20 f., 1. Juni 1715. - Die Prediger wurden 1664 zur Taufe berechtigt, wenn jemand begehrte, dass sein Kind ohne Exorzismus getauft werde (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung [wie Anm. 11, S. 116). - Vgl. auch K l i n g e b i e l : Pietismus und Orthodoxie (wie Anm. 2), S. 306 f. Gottesdienste oder Andachten betroffener Gemeinden im Gedenken an Unwetterschäden, vgl. E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19.), S. 1300. - Das war ein weitverbreiteter Brauch, z.B. auch im benachbarten Herzogtum Magdeburg (vgl. Moritz R i e m e r : Die Generalkir-
sistorial-Ordnung [wie Anm. 11, S. 120 zu Catechisation).
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gen, zu Armenpflege und Schulaufsicht im Interesse der Heranbildung junger Christen. Darin waren sich alle Geistlichen im Prinzip einig, ob Orthodoxe oder Pietisten, und die Pfarrer vor Ort nahmen das je nach eigenem Engagement und Eifer (Studiis) ernst. Ermahnungen verhallten aber meist. Sonst gewahrte Meurer auf seiner Visitationsreise 1715/16 hinsichtlich religiöser Abwegigkeiten in der Stendaler Inspektion kaum etwas Auffälliges außer in der kleinen, aber sehr regen Hafen- und Transitstadt Arneburg am hohen Elbufer 62 . Die ersten Eindrücke waren recht positiv. Nach einer ordentlichen, deutlich vorgetragenen und erbaulichen Predigt aus der Epistel an die Römer 13 und deren Wiederholung durch Frage und Antwort sowie der Katechisation wurde die Visitation öffentlich in der Kirche vorgenommen. Der 35-jährige Pastor Johann Göhl aus Oberkotzau im Bayreuthschen hatte drei Jahre in Halle studiert, war seit 1707 im Amt, seit 1712 in Arneburg, ein Kränklicher (Valetudinarius), der aber sein Amt treulich und mit allem Ernst führte und exemplarisch war. Die Katechisierung geschehe alle 14 Tage, die Predigt nicht nur am Sonntagvormittag über die ordentlichen Evangelien, sondern auch donnerstags über die arhitrair Texte [freie Texte], am Freitag eine Betstunde. Das hl. Abendmahl werde alle 14 Tage administriert. So weit, so gut. Das Problem aber waren einige Leute in der Stadt, die sich laut Meurers Protokoll des öffentlichen Gottesdienstes und des Sakraments enthielten. Es seien teils unwissende und rüde Menschen, teils aber solche, die zwar sonsten eingezogen lebten, dennoch aber in diesem Stück ärgerlich und dem separatismo ergeben. Erstere waren der Ackerknecht Güßow, der gar nicht zur Kirche komme, der Fischer Heinrich Peters mit Frau und Sohn, der Tagelöhner Mattheus Wöh auf der Burg und Christian Englers Frau. Diese kämen doch noch bisweilen, wiewohl kaum alle viertel oder halbe Jahr und ein- oder zweimal jährlich zum Abendmahl. Die anderen waren Anna Blanckenburgs, eine ganz blinde ledige Weihsperson·, Margaretha Wernstedts, ledige Tochter des Schneiders Christoph Wernstedt, und Schneider Holtzens Frau; diese gingen weder zur Kirche noch zum Abendmahl. Die Schneider Andreas Holtz und Christoph Wernstedt gingen zwar zur Kirche, aber nicht zum Abendmahl. Dieser anderen Leute Vorwand, so Meurers Bericht, bestünde überhaupt im Folgenden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
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Weil es heißet, geht aus von Ihnen etc. Weil die Christenheit zu ein Babylon geworden sey. Weil man sich sonsten ihrer Sünden theilhafftig mache. Sie hätten ihre Kirche im Hertzen und brauchten keiner andern. Ihr Lehrer sey Christus, an dem hätten sie genug. Christus habe sie erlöset von allen äußerlichen Menschen-Satzungen. Unwißende Lenthe hätten zwar dergleichen nöthig, alleine etc. Das Abendmahl hielten sie immer mit Christo.
chenvisitation v o m J a h r e 1650/51 im Ilolzkreise, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 11 [19061, S. 9 1 - 1 2 2 , 3 5 1 - 3 6 1 , hier S. 356; 12 [19071, S. 2 1 3 - 2 2 9 , hier S. 219). BLHA, Rep. 40 A, Nr. 125, fol. 5 If., 11. Juli 1716; auch für das Folgende.
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9. Die heutige böse Rotte der sogenandten Christen hätte nicht des Herrn Abendmahl, wie der Apostel von denen Corinthiern sagte. 10. Mit einen Gottlosen oder verkehrten Menschen solte man nicht einmahl Eßen, geschweige dann das Abendmahl halten. 11. Lutherus selbß habe kein Geboth daraus gemacht, sondern es denen Christen frey gestellet. 12. Es sey nun einmahl wieder ihr Gewißen, darilmb könnten sie nicht hingehen. Der Pastor habe solche Separatisten oftmals ermahnt und flehentlich gebeten, doch sie niemals in Predigten erwähnt, damit sie nicht sagen, manprostituire sie; sie seien aber stets auf ihrer Meinung geblieben. Ja, er selbst [Meurer] als Visitator habe Annen Blanckenburgs und Holtzens Frau, als die vor anderen vermeinen, Ursache zu haben, sich des öffentlichen Gottesdienstes und Abendmahls zu enthalten, in die Pfarre gefordert und ihnen deshalb mit gebührender Snnfftmuth und auch Ernst zugesetzet, ihre Ungriinde gehölt und widerlegt, sie aber von ihrem Eigensinn und Halßstarrigem Wesen nicht befreien können. Er sei auch gewahr geworden, dass sie durch Lesung hin und wieder fliegenden chartequen vom Separatismo oder Kinder-Tauffe, Neuen Offenbarungen auf solche Gedanken gebracht worden seien und darin unterhalten würden. Eine so deutlich artikulierte Abkehr von der offiziellen Kirche war dem Generalsuperintendenten sonst in seiner Inspektion nicht begegnet. Und auch in Arneburg hatte der Separatismus wohl keine Breitenwirkung erzielt; aber Gedanken- und Glaubensgut des radikalen Pietismus hatte mittels entsprechender Schriften unter Handwerkern und Lohnarbeitern, Männern und Frauen Fuß gefasst, zur partiellen oder totalen Separation von der Kirchengemeinde geführt 03 und wurde beharrlich gelebt. Auf den Dörfern erfuhren die Geistlichen zwar hier und da individuellen Verdruss, Missbehagen bis hin zu Feindschaft; aber gerade der Pietismus stieß eher auf Ablehnung, zumal seine Verfechter noch rigider in kirchliche wie weltliche Traditionen der Gemeinden eingreifen wollten, als es Staat und Kirche ohnehin schon taten und immer wieder versuchten. Ein Beispiel dafür überlieferte der schon erwähnte Pietist Christoph Matthäus Seidel, der 1700-1708 Pfarrer im Wischedorf Schönberg (Inspektion Seehausen) war 64 . Er warf dem Landvolk vor „1. Geiz und ängstliche Nahrangssorge; 2. Schwelgen, Spielen, Tanzen, besonders am Sonntag nach dem Gottesdienst die ganze Nacht
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Vgl. L e h m a n n : „Absonderung" und „Gemeinschaft" im frühen Pietismus (wie Anm. 3). M a u r e r : Kirche, Staat und Gesellschaft (wie Anm. 1), S. 28. - Vgl. auch die Eallstudie von Barbara H o f f m a n n : „Weil man uns anderswo nicht hat dulden wollen". Radikalpietistische Frauen in Wittgenstein, in: Heide W u n d e r / C h r i s t i n a V a n j a (Hrsg.): Weiber, Menscher, Frauenzimmer. Frauen in der ländlichen Gesellschaft 1 5 0 0 - 1 8 0 0 . Göttingen 1996, S. 2 3 7 - 2 5 3 (=Sammlung Vandenhoeck). Siehe o b e n zu Anm. 39 und 40.
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hindurch. 3- Schreckliche Hurerei und Unzucht. 4. Unkenntnis Gottes, usw." 65 Das malte er eingehend aus und zählte im Gegenzug zahlreiche Einwände der Bauern auf, darunter: Es sei Landesgebrauch oder Gewohnheit [eine auch bei Obrigkeiten beliebte Wendung], Man werde ja vorher auch ein Christ gewesen sein. Das Herz sei doch gut und habe Jesu darinnen, wenn gleich das Maul ein bißgen frey wäre. Es gehe ja einem wohl, darum müsste es nicht Sünde sein; wenn's böse wäre, hätte es Gott längst gestraft. Wenn es Unrecht wäre, würde es der vorige Prediger auch gesagt haben. Es sei auch in der ganzen Altmark kein Prediger, der es so haben wollte. Es leben auch die meisten Prediger ebenso wie sie, und: Große Herren machten es auch nicht anders, und schließlich: Warum würden denn in den Leichenpredigten alle selig gesprochen? 06 Alle Bekehrungs- und Diszipliniemngsversuche schlugen offenbar in dem Maße fehl, wie der gelehrte Seidel mit missionarischem Eifer fast pausenlos in seine Gemeinde und jeden Einzelnen drang. Er provozierte eher Ablehnung und Unwillen und hatte seinerseits offenbar keinerlei Verständnis für ihre Lebenserfahrung und Glaubenswelt und ihren Anspruch auf weltliche Lustbarkeit gleich den „großen Herren". Das ist freilich noch ein Einzelfall, der Verallgemeinerungen verbietet, sowohl hinsichtlich der Pfarrer als auch der Gemeinde. Die Gemeinden aber, und das war die Regel, erwarteten von ihrem Geistlichen nicht nur erbauliche und lebensnahe Predigten, sondern auch ein offenes, unvoreingenommenes Ohr bei der Beichte 67 in Vorbereitung auf das Abendmahl. Meurer notierte durchaus bei vielen Gemeinden im Stendaler Distrikt, dass sie mit ihrem Prediger zufrieden waren, z.T. auch vice versa 68 . In Rochau freilich verwunderte ihn, dass Pastor und Gemeinde nichts Widriges übereinander aussagten, obwohl nach seiner Information viel Mißvergnügen zwischen ihnen herrschte 69 . Da hat man eher den Eindruck, dass das beide Seiten nicht hochspielen, sondern unter sich ausmachen wollten. Einwände und Wünsche gab es seitens Gemeinden meist nur in praktischen Dingen, vor allem mit Rücksicht auf Alte und Kranke die genauere Bestimmung und Einhaltung der Predigtzeiten in den Filialdörfern, wo sie oft stundenlang in der Kirche ausharren mussten, bis der Pfarrer aus der Mutterkirche kam, wie z.B. in Staffel-
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W e n d l a n d : D e r pietistische Landgeistliche in Brandenburg um 1700 (wie Anm. 11), S. 81. S c h i c k e t a n z : Christoph Matthäus Seidel (wie Anm. 39), S. 11 ff. - Vgl. auch G l e i x n e r : Die „Ordnung des Saufens" und „das Sündliche erkennen" (wie Anm. 17), S. 12 f., 17; H a u f ä m a n n : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung (wie Anm. 18), S. 196. Die Einzelbeichte war als Voraussetzung zur Zulassung zum Abendmahl Pflicht (Churmärckisclie Visitations- und Consistorial-Ordnung Iwie Anm. 11, S. 120 ff., Ordnungen von 1660, 1698 und 1743). - Vgl. S c h m i d t : Die Evangelische Kirche der Altmark (wie Anm. 15), S. 86 ff. So war es z.B. 1715/16 in Arensberg, Baben, Bertkow, Neuendorf am Speck, Schernikau bei Stendal (BL1IA, Rep. i() A, Nr. 125, passim). BLHA, Rep. 40 A, Nr. 125, fol. 47 f., 17. Juni 1715.
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de 7 ". Dagegen beklagten sich viele Pfarrer mehr oder weniger heftig über Vergehen ganzer Gemeinden oder einzelner Glieder, wie sie Meurer schon in seinem Resümee benannt hatte. Der Pfarrer im Städtchen Arneburg hatte nicht nur seine Not mit den Separatisten, sondern auch mit der übrigen Gemeinde. Er äußerte zahlreiche Wünsche 71 . Am allermeisten aber beklagte Meurer, dass die Edikte betr. das Armenwesen gantz und gar nicht im Schwange sind, und dieses desto mehr, weil Arneburg gleichsam ein Pass sei, und zwar für die von auswärts über die Elbe kommenden Armen, die sich dann in der ganzen Altmark verbreiteten. Hinsichtlich der Schule nannte er Mittel und Wege, die Mängel zu beheben. Angesichts der über 120 Bürger und der zahlreichen Jugend müsste aber zur Entlastung des Pastors ein Diakon mit einem ausreichenden Salarium voziert werden, was der Rat befürwortete. Und schließlich sei es höchstnötig, dass die ordentliche Pfarrwohnung endlich einmal repariert werde, damit der Prediger in sein Amtshaus einziehen könne 7 2 . Die letzten beiden Punkte beschäftigten alle Visitatoren: das Problem der Armenfürsorge überhaupt und speziell die Instandhaltung der geistlichen Bauten, ein Dauerkonflikt zwischen Pfarrer, Gemeinde und Patron, bei dem ersterer oft erstaunlichen Langmut übte, wenn es ihm primär um den Frieden in seinem Amtsbezirk ging, letztere sich dagegen oft genug in Kompetenzgerangel verstrickten 7 ^. Klagen vernahm der Visitator 1715/16 vor allem in Badingen, wo nicht alle Patrone mit beisteuerten und die Gemeinde so lange die Fuhr- und Handdienste verweigerte, in Grassau, w o der Zustand von Pfarrhaus, Scheune und Stall für Menschen und Tiere schon lebensgefährlich war, sich aber die eingepfarrten Gemeinden nicht einigen konnten, sowie
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Siehe oben zu Anm. 57. 1. die Abschaffung jahrmarktsähnlicher Gebräuche am dritten Oster- und Pfingstfeiertag auf der Sperlings-Burg, Würfel- und andere Spiele um die Gabe Gottes, Eluchen, Schwören und allerhand Bosheit. 2. die Verlegung der sog. Fröde (Gerichtstag der Ackerleute) auf einen anderen Tag zwecks Vermeidung von Zank und Streit, auch Trinken, worüber viele die Nachmittagspredigt oder das Examen versäumen und das vormittags Gehörte wiederum verderben. 3· Visitation der Brauhäuser, in welchen Sonntags die Handwerksburschen, auch einige Bürger und Ackerknechte oft bis in die späte Nacht trinken und Toback schmauchen, durch den Rat und Bestrafung der Übertreter gemäß Verordnung. 4. Festsetzung bestimmter Zeiten bei Hochzeiten und Kindtaufen, weil es sich sonst oft bis gegen Abend verzögert. 5. Bestrafung der I lochzeitgeber, die ihre I lochzeitleute oft bis in den hellen Morgen tanzen lassen. 6. Verbot des Setzens von Branntweingästen Sonntags vor der Predigt und des Verkaufs von Branntwein über die Straße, außer im Notfall; denn die Branntwein-Säuffer verschlaffen das Wort Gottes. 7. Bau genügender Kirchstände, damit einige nicht unter solchem Vorwand entweder draußen bleiben oder unter dem Turm, wo sie plaudern gehen möchten. 8. Verordnung, dass Eltern und Hausherren Kinder und Gesinde fleißig ins Examen schicken, damit man sie zur Erkenntnis Gottes bringen möchte. BL1LA, Rep. 10 A, Nr. 125, fol. 5 ff., 11. Juni 1716. Die Pflichten von Patronen und Gemeinden waren in der Visitationsordnung von 1573 geregelt worden und wurden 1699 und 1711 präzisiert (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung von 1573 [wie Anm. 41, §§ 13 und 25; S. 118 ff. zu 1699 ff.). - Vgl. auch S c h m i d t : Die evangelische Kirche der Altmark (wie Anm. 15), S. 71 ff.
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in Könnigde, wo Pastor Michael Beuvius eine sehr elende Pfarrwohnung und geringes Pfarreinkommen, dafür aber wiedersinnige und viel Gottlose Zuhörer hatte; und auch in Schernikau bei Stendal stritten sich Mutter- und Tochtergemeinde wegen der Baulast 74 . Meurer drang auf ein allgemeines Reglement. Ein Indiz für die aktive Teilnahme einer Gemeinde an Gottesdienst und Katechisation war der Besitz geistlicher Bücher, am Anfang des 18. Jahrhunderts noch keine Selbstverständlichkeit. Zu Arensberg bemerkte Meurer 1716, er habe mit Freuden wahrgenommen, dass alle Zuhörer in matre undfilia [Hohenwulsch], groß und klein, Mann und Weib, Knechte, Mägde und Kinder ohne Ausnahme das Neue Testament (NT) besaßen und fertig aufschlagen konnten, auch ziemliche Erkenntniß im Christentum erlangt hatten. Einige besaßen auch die Bibel selbst, so dass er kaum noch etliche Prediger in dieser Inspektion gefunden habe, die ihre Zuhörer so fleißig auf die hl. Schrift wiesen und sie darin übten 75 . In Bertkow hatten die meisten Gemeindeglieder das NT, in Goldbeck und Platz besaßen alle Ackerleute und Kossäten die Bibel; die hatte der [1705] verstorbene Geheime Rat [Samuel] v. Chwalkowsky allen Höfen geschenkt 76 , einer der „leidenschaftlichsten Förderer der frühpietistischen Bewegung" 77 . In Badingen dagegen wünschte der Visitator, mehr Bibeln und NT gefunden zu haben, ähnlich in Baben, Büste, Garlipp und Rindtorf78. In Schernikau bei Stendal wurden, weil es an Bibeln und NT mangelte, alle Ackerleute und Kossäten eigens erinnert, derlei für sich oder die Ihrigen anzuschaffen 79 , und ähnlich in Schorstedt. Hier war auch zu lügen, dass die Leute die Kinder nicht lange genug in die Schule gehen ließen, die Weiber die Gesangbücher nicht mit in die Kirche nähmen, nicht in der Kirche sängen und die Alten nicht fleißig in die Katechismuslehre kämen 80 . In Groß Schwechten gab es in der Gemeinde überhaupt keine Bibeln, und die Zuhörer kamen des Pastors Klage zufolge nachmittags unfleißig in die Kirche 81 . Gesangbücher aber hatten wohl alle, und zwar, wie Meurer in der lobenswerten Gemeinde Arensberg notierte, Crügers Gesangbücher wie durchgehends in der ganzen AltmarkP2. Hoffte der Inspektor vorab auf Besserung mittels sanften Mahnens, musste er dort strengere Töne anschlagen, wo der Pfarrer auf die Frage nach dem Zustand der Ge-
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BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 125, fol. 17 ff., 16. Juli 1716 (Badingen), fol. 30 f., 19. Juni 1715 (Grassau), fol. 39, 23. Juni 1716 (Könnigde), fol. 53 f., 15. Juli 1715 (Schernikau). Ebd., fol. 13 f., 21. Juni 1715. Ebd., fol. 21, 1. Juni 1715. H e i n r i c h : Amtsträgerschaft und Geistlichkeit (wie Anm. 31), S. 202. BLHA, Rep. 40 A, Nr. 125, fol. 17 ff., 16. Juli 1716 (Badingen), fol. 16, 30. Juni 1715 (Baben), fol. 25, 23. Juni 1715 (Büste), fol. 29, 21. Juni 1716 (Garlipp), fol. 16, 15. Juli 1716 (Rindtorf). Ebd., fol. 55, 15. Juli 1715. Ebd., fol. 59 f., 20. Juni 1715. Ebd., fol. 61 f., 12. Juli 1716. Ebd., fol. 14, 21. Juni 1715.
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meinde (ecclesia) z.B. in Borstel unumwunden äußerte, es seien darin böse und ungehorsame Zuhörer, lebten in großem Hass gegen ihren Seelsorger, seien auch etliche grobe Laster im Schwange, vornehmlich Saufen und Entheiligung des Sabbats8;>, in Eichstedt: Seien viele putrida membra [faule, schlaffe Glieder] daselbst 84 , in Grassau: Ist eine sehr zerrüttete und Gottlose Gemeine, der Sabbat werde sehr entheiligt, die Hagelfeier mit vielem Freßen, Sauffen, Spielen, Tantzen p. gehalten, die Bauern lebten in steten Zänkereien und Prozessen; hinzufügend: des Predigers Simonis hinterlassene Tochter halte sich hier auf, ganz blind, arm und unvermögend, müsse auch schier Hungers sterben und erlange von der Gemeinde nichts. Er ersuchte um eine Verordnung, dass sie gemäß dem Edikt von der Gemeinde notdürftig versorgt werde 85 . In Grassau verdichtete sich noch die Kritik. Den jungen Pastor Georg Christoph Schräder aus Könnern, der einige Jahre in Halle studiert hatte und 1714 ordiniert worden war, lobte Meurer als von exemplarischem Wandel, guten Prediger und sehr guten Katecheten; er erlitte aber sehr viel Tort von den groben und ungezogenen Bauren, die weder der Obrigkeit und Patronen noch ihm schuldige Folge leisteten 80 . Allerdings fragte der Visitator nicht nach den Gründen der gemeindlichen Renitenz, die sie auch im Pfarrbau an den Tag legte. Da schien der Konflikt doch wohl tiefer zu liegen. Lob und Tadel wechselten von Dorf zu Dorf. In Neuendorf am Speck nebst filia Peulingen fand Meurer den Status ecclesiae ebenso wie bei der ersten Visitation 1701: Die Gemeinden seien wohl unterwiesen und können feine Antwort aus dem Katechismus geben; ein Ehebrecher hatte sich mit der Kirchengemeinde versöhnt, nur ein anderer, der ein ärgerliches Leben führte, hatte sich vom Gottesdienst entfernt 87 . In Poritz bemängelte Meurer, dass die Kinder nicht fleißig in die Kirche und Schule geschickt [eine häufige Klage] und die Laster von der Obrigkeit nicht genugsam bestraft würden; in specie sei ein gewisser Nobilis, der in Poritz wohne, den er aber jetzt nicht nennen wolle, weil er Besserung versprochen habe 88 . Im großen Dorf Schinne schließlich wurde der Zustand der Kirchengemeinde als sehr verderbt befunden; sind viele Ärgerniße und Laster daselbst, wie denn die Prediger darüber seufzen und sehr geklagt haben, dass viele in der Erziehung ihrer Kinder gar nachlässig und durch keine Ermahnung dazu zu bringen seien, sie zu rechter Zeit und fleißig in die Schule zu schicken, sondern lassen sie immerdar hingehen und gleich ihrem Vieh aufwachsen. Die ordentlichen Betstunden und Kinderlehre würden über die Maßen sparsam besucht, von Alten und Jungen. Die Entheiligung des Sonntags sei besonders groß bei den Krügern, so dass nach Zeugnis der Prediger wohl
83 81 85 86 87 88
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd. Ebd., Ebd.,
fol. 22, 28. Juni 1715. fol. 26, I L Juli 1715. fol. 30 f., 19. Juni 1715. fol. I i, 16. Juni 1715. fol. 45, 22. Juni 1715.
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kein Sonntag hingehe, dass nicht Biergäste gesetzt und dabei Karten- und Kegelspielen und Tanzen mit aller Mutwilligkeit ausgeübt würden. Der Krüger Johann Lohmann halte sogar eine Hure in seinem Haus, was ihm von der Obrigkeit untersagt werden solle®·'. Es war wohl vornehmlich die unverdrossene Feierfreudigkeit, die den geistlichen Zorn erregte, weil sie sich vermeintlich nicht mit Frömmigkeit vertrug. So wurde auch dem an sich tüchtigen Küster in Borstel, Schneider Adam Heinrich Buße, ausdrücklich geboten, das Aufspielen bei Hochzeiten oder sonsten zu lassen, weil es mit dem Küsterdienst nicht barmouireß'K Es mag aber auch das noch jugendliche Alter manches Predigers einem vertrauensvollen Verhältnis im Wege gestanden haben. In den vier Dörfern, über die am heftigsten geklagt wurde, Borstel, Grassau, Kläden und Schinne1·11, waren die Pastoren nur wenig über 30 Jahre alt. Da nahmen ältere, lebenserfahrene Bauern in der Gemeinde den womöglich Autorität herauskehrenden Geistlichen nicht für voll und versagten sich ihm. Zwiespältig war aber auch das Verhältnis zwischen Prediger und Patron. Viele Patronatsherren hielten es nicht für nötig, an der Visitation teilzunehmen oder sich durch Beauftragte vertreten zu lassen, wiewohl sie sonst sehr schnell zur Stelle waren, wenn sie ihre Privilegien gefährdet meinten. In der Stendaler Inspektion trugen sie aber wohl der Tatsache Rechnung, dass der Generalsuperintendent der Altmark die Visitation selber bestritt und die Dörfer bereiste. Die wenigen, die fehlten, hatten Gründe und entschuldigten sich. Nur der Direktor v. Bismarck zu Krevese, Patron des Kirchspiels Groß Schwechten mit Häsewig und Ziegenhagen, war weder selbst zugegen noch jemand in seinem Auftrag1·12. Das traf auch für den Amtmann von Tangermünde zu, der wegen des königlichen Patronats in Arneburg, Hassel und Tornau hätte erscheinen müssen9;>. Die Patronin der Pfarrkirche von Groß Moringen, Rat Samuel Hoyer Reinhardts Witwe in Vormundschaft ihrer Söhne [alle reformierter Konfession] 94 , war zwar am Ort, aber nicht zur Visitation gekommen, noch hatte sie sich vertreten lassen. Patronin der Filia Klein Moringen war die verwitwete Freifrau v. d. Schulenburg zu Beetzendorf in Vormundschaft ihres Sohns; in deren Namen erschien Amtmann Hichtel 89 90 91 92 93 94
Ebd., fol. 58, 17. Juni 1715. Ebd., fol. 22, 28. Juni 1715. Ebd., fol. 22 f., 28. Juni 1715 (Borstel), fol. 30 f., 19. Juni 1715 (Grassau), fol. 37, 2. Juli 1716 (Kläden), fol. 57 f., 17. Juni 1715 (Schinne). Ebd., fol. 61, 12. Juli 1716. Ebd., fol. 5, 11. Juni 1716 (Arneburg), fol. 51, 10. Juli 1716 (Hassel, filia von Sanne), fol. 67, 1. Juni 1716 (Tornau, filia von Uenglingen). Dorothea Bergius war Tochter des reformierten Oberhofpredigers Dr. theol. Georg Conrad Bergius in Berlin, ihr Ehemann Samuel Iloyer (von) Reinhardt Rat und Ämterkommissar, Erbsasse zu Groß Moringen, Dachritz und Merkewitz (letztere nördlich Ilalle/S.); der jüngere Sohn Georg Wilhelm v. Reinhard, geboren in Groß Moringen, wurde in der deutsch-reformierten Gemeinde zu Stendal getauft (BLIIA, Rep. 78 Kurmärkische Lehnskanzlei, VII 116 Bd. 2, Ehepakt von 1683; VII 117, 26. Jan. 1721, Attest des Predigers Bartholomäus Oestrich aus dem Taufbuch der deutsch-reformierten Kirche zu Stendal).
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aus Beetzendorf. Doch mit diesem kam es zu dem schon eingangs genannten Eklat. Zuerst hatte er der Gemeinde zu Klein Moringen strikt verboten, in matre bei der Visitation zu erscheinen, endlich aber solches zugelassen. Dann, so Meurers Protokoll, hat er mich in des Pastors Hause sehr schnöde und impotiun mit Worten angefahren, so gar daß es wenig gefehlet hätte, daß es nicht zur bösen That ausgehrochen wäre. Wenn dergleichen bei ferneren Visitationen geschehen sollte, würde den Visitatoren besonderer Schutz geleistet werden müssen. Hichtel verbot sogar verordnungswidrig, dass ihm der zur Visitation assignierte halbe Taler aus der Kirche in Klein Moringen gereicht werde; er bekam ihn auch später nicht. Meurer stellte anheim, wie dazu zu gelangen sei, damit nicht andere solchem schnöden Exempel nachfolgen mögen 95 . Dieses Verhalten war eine Ausnahme, jedenfalls in der Stendaler Inspektion. Der Generalsuperintendent, der sicher auch Einblick in die Verhältnisse der anderen altmärkischen Inspektionen hatte, konnte die Präsenz der meisten Patronatsherren bei seiner Visitation registrieren und auch relativ wenige Missstände, wie sie sich anderswo z.T. häuften, vor allem in Sachen des Kirchenvermögens und der Kirchenrechnung. Zu beanstanden waren nur langjährig ausstehende Anleihen Adliger, die sie weder zurückgezahlt noch verzinst hatten, die von den Patronen und Kirchenvorstehern aber hätten eingefordert werden müssen, z.B. in Schäplitz (dazu Meurer: Es ist bisher übel administriert worden), Klinke und Könnigde90. Die meisten Kirchenrechnungen waren ordentlich abgenommen worden. In Groß Schwechten konnte sie wegen Abwesenheit des Patrons nicht vorgelegt werden97. In zwei Dörfern der Universität Frankfurt/Oder aber gab es Probleme besonderer Art: Die Kirchenrechnungen von Staffelde waren 1664 im Hause des damaligen Quästors Joachim Schönhausen in Stendal alle mitverbrannt; seit 1668 aber hatte der gegenwärtige Quästor Johann Peter Dölle alle Rechnungen richtig fortgesetzt. Doch wegen der filia Bindfelde (Patron: v. Bismarck) wurde nichts vorgelegt98. In Röxe waren die Kirchengelder, die der Schulze und Kirchenvorsteher Hans Danneberg in seinem Haus verwahrte, als sein Sohn an einem Sonntag während der Predigt erschlagen wurde, seinen Angaben nach gestohlen worden". Damit waren zwei neuralgische Punkte angesprochen, die es fast überall zu beanstanden gab: die ordnungswidrige Aufbewahrung und Ablegung der Kirchenrechnung und die Verwahrung der Kirchengelder. 1687 und erneut 1715 war verordnet worden, dass die Patrone bei Verlust ihres Patronatsrechts die Kirchenrechnung jährlich abnehmen und die Pastoren sie bei Strafe der Amtsenthebung ablegen sollten. Die Flecken-, Dorf- und Ackerordnung von 1702 legte den Modus im Einzelnen fest
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BL1IA, Rep. 10 A, Nr. 125, fol. 11 f., 17. Juli 1715. Ebd., fol. 29, 21. Juni 1716 (Garlipp), fol. 33 f., 19. Juli 1715 (Klinke), fol. 39 f., 23. Juni 1716 (Könnigde). Ebd., fol. 61 f., 12. Juli 1716. Ebd., fol. 65 f., 5. Juli 1715. Ebd., fol. 49 f., 21. Mai 1716.
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und bezog die Kirchenvorsteher (Gotteshausleute) als Gewährleister mit ein; zur Gotteshauslade sollten Pfarrer und Vorsteher je einen Schlüssel haben11-"-1. Kirchengelder sollten zinsbar ausgetan werden, Summen unter 50 Taler nicht ohne Wissen des Inspektors, über 50 Taler nicht ohne Konsens des Konsistoriums (1693). Nicht zinsbar ausgeliehene Kirchengelder sollten nicht in Privathäusern, sondern entweder beim Kirchenvorsteher oder in loco publico in einem wohlverwahrten Kasten mit zwei Schlössern stehen, zu denen die Vorsteher die Schlüssel verwahren 1111 . Zu Kirchenvorstehern sollten „fein ehrliche, gottesfürchtige, redliche und geschickte Leute den Kirchen und Kasten zum besten erwählet werden", die von allen Einnahmen und Ausgaben richtige Register hielten und davon Rechenschaft geben könnten 1112 . Ansonsten schien das Klima in der Stendaler Inspektion um diese Zeit relativ ausgeglichen. Streit gab es öfter in Badingen zwischen dem Pastor, mehreren Herren v. Retzdorf, v. Rundstedt und v. Klöden. Christopher Coppius, 1673 in Pömmelte bei Barby geboren, ein Saxo, der zwei Jahre in Wittenberg studiert hatte, 1695 zum Feldprediger berufen wurde, dann zwei Jahre in Arensberg amtierte und seit 1700 in Badingen, hatte zwar vor der Visitation wohl und erbaulich gepredigt, war aber von hitziger Natur (fetvidiocris ingenit)wi. Der Visitator bemühte sich immer wieder um ein sachliches Urteil über Patrone und Prediger. Dass er den Bauern weniger Verständnis entgegenbrachte, lag wahrscheinlich auch daran, dass ihm als gelehrtem Städter die bäuerliche Welt von Hause aus fremd war. Als Meurer ordnungsgemäß drei Jahre später die Visitation wiederholte, fand er wenig verändert, so dass er fast alle Ermahnungen wiederholen musste 1 lj4. Während z.B. in der Parochie Grassau mit Grünenwulsch und Bülitz der Pastor sein Amt treulich und von gantzem Hertzen verrichte, seien die Gemeinden böse und fahren in ihrem Gottlosen Wesen immerfort. So habe sich in der öffentlichen Visitation in Gegenwart der Patrone und des Pastors der Schulze zu Grassau, Erdmann Christoph Kannenberg, auch gegen seine Obrigkeit, den Obrist v. Jeetze, sehr ungebührlich bezeigt, und als der Obrist zu ihm sagte: Du magst so fleißig nicht in die Kirchen kommen!, trotzig und mit Ungestüm geantwortet: Ich komme, wenn ich komme!, was wohl einer exemplarischen Rügung bedürfte. Doch hinsichtlich der Pfarrgebäude erklärte sich die Gemeinde in allen drei Orten bereit, vor dem Winter das Haus zu be werfen, innen auszuweißen, das Dach zu befestigen und im Frühjahr die Scheune neu zu bauen 1115 . Dagegen, so Meurer resignierend, würde wohl der nötige Pfarr-
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Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung (wie Anm. 4), S. 165. Ebd., S. 163. Ebd., S. 166 f. aus der Konsistorialordnung. BLHA, Rep. 40 A, Nr. 125, fol. 17 ff., 16. Juli 1716. - Zum karrierefördernden Stand des Feldpredigers vgl. Η a u ß m a η η : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung (wie Anm. 18), S. 112 ff
101 BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 126, fol. 3, Bericht vom 20. Dez. 1719. 105 Ebd., fol. 6, Protokoll vom 9. Sept. 1718.
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hausbau in Kläden (Kr. Stendal) nicht ohne ordentlichen Prozess zwischen Gemeinden und Patronen vollführt werden können 1 " 6 . Auch aus Groß Moringen war nicht viel Gutes zu hören. Der seinerzeit so ausfällige Schulenburgsche Amtmann Eusebius Christian Hichtel aus Beetzendorf war diesmal gar nicht erst zur Visitation gekommen und hatte die 12 Groschen Visitationsgebühr wieder nicht entrichten wollen. Die jungen Leute und Knechte aber hatten zu Fastnacht und Pfingsten vier Tonnen Bier eingelegt, dabei vier Tage getanzt und im Dorf bey hellem lichten Tage herum geschwärmet, wie denn leider die Pfingstbiere an mehreren Orten wider Edikt vom 20. März 1655 in vollem Schwange gehenwl. Und der in Poritz w o h n e n d e Nohilis, ein v. Borstel, hatte sich auch nicht gebessert 1 " 8 . Allgemein war die Teilnahme der Patrone an dieser Visitation weniger löblich. Einige entzogen sich ganz wie z.B. in Sanne (bei Arneburg) und Rochau; in Rindtorf war zwar der v. Rindtorfsche Justitiar zugegen, hatte aber keine Order, so dass nichts vorgenommen werden konnte 1 " 9 . Auch in Groß Schwechten wurde die Kirchenrechnung wieder nicht vorgelegt; die Kirchenvorsteher hatten sie nicht und wussten nur von der Ausgabe etwas. Und auch die Armenfürsorge ließ zu wünschen übrig. Des verstorbenen Küsters Witwe und Sohn lebten in höchster Armut und Dürftigkeit und wurden von der Gemeinde neglegiret-, Meurer wünschte deshalb eine expresse Verordnung, weil ohnedem ziemlich vermögende Leute im Dorfe seien 11 ". Im Kirchspiel Klein Schwechten mit Möllendorf und Petersmark fand es Meurer in statu priori elend. Die Akzidenzien des Pastors, vor allem den Anspruch auf die sog. Brautsuppe 1 1 1 , die hier in acht Pfund Fleisch, acht kleinen Broten, einer Semmel und etwas Bier oder stattdessen zwölf Groschen bestand, bestritt die Gemeinde trotz erwiesener Possession, und der Patron v. Bülow enthielt dem Küster die ihm zustehenden drei Scheffel Roggen vor 112 . Nur im Kirchspiel Staffelde mit Bindfelde, Storkau und Arnim gab es kleine Fortschritte. Der Pastor hatte nun die Getauften, Kopulierten und Verstorbenen in ein ordentliches Buch eingeschrieben und auch einige eigene Bücher vorgezeigt. Doch war durchgehend wie in fast allen Orten keine Sommerschule zuwege zu bringen und auch sonst alles im vorigen Zustand 113 . Das Ergebnis der diesjährigen Visitation war eher niederschlagend. Fast zwei Jahrzehnte später, 1736/37, wusste Inspektor Meurer nach der Visitation der Pfarren über die alten und neuen Pastoren fast nur Gutes zu berichten. Die meisten predigten und katechisierten ordentlich, gründlich oder deutlich und erbaulich, 106 107 108 109 110 111
Ebd., fol. 7 f., 17. Juli 1719. Ebd., fol. 8, 8. Sept. 1719. Ebd., fol. 9, 2. Sept. 1719. Ebd., fol. 9 f., 12. Sept. 1718 (Sanne), 20. Juli 1719 (Rochau), 11. Sept. 1719 (Rindtorf). Ebd., fol. 10 f., 13. Juli 1719. Nach Β ο η i η : Entscheidungen (wie Amu 4), S. 447, bedeutete die Brautsuppe den Anspruch des Pfarrers auf einen Anteil an „allen Speisen, die sie auff der Hochzeit haben". 112 BL1IA, Rep. 10 A, Nr. 126, fol. 11, 7. Sept. 1718. 113 Ebd., fol. 11,7. Sept. 1719.
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waren im Leben unsträflich, im Wandel exemplarisch. Nur Christian Philipp Köhler in Grassau, 47-jährig, hatte im Predigen und Katechisieren mecliocres Gaben, während sein Namensvetter Johann Joachim Köhler in Staffelde, 36 Jahre alt und Nachfolger des weniger lobenswerten Α. H. Roth, im Predigen und Katechisieren munter und aufgeweckt war 114 . Dem 1740 verstorbenen Dr. Meurer folgte als Inspektor und Visitator der aus Timmerlah bei Braunschweig gebürtige Johann Rudolph Noltenius, der zuvor Inspektor in Gardelegen gewesen war, im Amt 115 . Nach der Visitation seiner Diözese 1750 berichtete er resümierend, dass keine besonderen Klagen vorgefallen seien. Nur über den unfleißigen Besuch der Schulen zur Sommerszeit gab es fast in allen Orten Beschwerden. Doch vermochte man trotz aller Bemühung wenig auszurichten, weil die Obrigkeiten es an den gehörigen Zwangsmitteln mangeln ließen 110 . Die Gemeinde in Borstel erklärte, dass sie die Kinder zum Viehhüten brauchten; sie wollten sie aber donnerstags, samstags und sonntags von 11 bis 1 Uhr zur Schule schicken. Der Pastor wollte ggf. unterrichten. In Peulingen aber gab es kein Schulhaus; der Schulmeister musste, ähnlich den Reiheschulen, von Haus zu Haus ziehen und hatte mensam ambulatoriam^1. Verschiedene Klagen wurden über den Küster in Büste laut, u.a. Vernachlässigung des Unterrichts; auch sollte er im Streit geäußert haben, daß die Juden so woI seel. würden als die Christen, worüber sich die Anwesenden sehr geärgert hätten. Die Formulierung bestritt er, blieb aber dabei, dass er die Juden nicht verdammen könne 118 . Sein Augenmerk hatte der Inspektor auch auf die Wartung des Seidenbaus zu richten; doch fehlte es noch an der gehörigen Zahl der Maulbeerbäume. Verbessert hatte sich aber offenbar das Kirchenkassenwesen; die Kirchenrechnungen wurden vielerorts richtig abgenommen111·'. Ein Jahr später jedoch zeigte sich Noltenius mit dem Zustand seiner Gemeinden unzufrieden: Aus den Visitationsprotokollen erhelle, dass, ob es zwar in dem wahren Christenthum an einigen Orthen noch sehr finster ausstehet, dennoch in Baben die größte Unwissenheit herrsche. Der Prediger katechisiere wenig, die Schule werde schlecht besucht, im Leben und Wandel sehr anstößig 12 ". Wie in der Inspektion Stendal fanden 1715 anderweitig Visitationen statt, in der I n s p e k t i o n O s t e r b u r g durch den dortigen Amtsträger Johann Heinrich Lentz. Der fünfzigjährige promovierte Theologe hatte das altmärkische Amt 1708 angetreten, nachdem er erst Konrektor in Potsdam, dann Feldprediger daselbst und schließlich 114 LHASA MD, Rep. A 12 Generalia Nr. 2645, toi. 10 f. (Grassau), S. 12 (Staffelde). 115 C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 218. Der 1691 geborene Pfarrerssohn war nach dem Studium in Helmstedt Hauslehrer in Wolfenbüttel, seit 1715 Rektor in Gardelegen, dann Geistlicher und seit 1734 Inspektor. 116 LHASA MD, Rep. A 12 Generalia Nr. 2615, fol. 17 ff. 117 Ebd., fol. 19 f. - Zur Reiheschule vgl. l i n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 1238 ff. 118 LHASA MD, Rep. A 12 Generalia Nr. 2645, fol. 22. 119 Ebd., fol. 19 f. (Borstel, Neuendorf am Speck), fol. 21 ff. (Arensberg, Schernikau, Rochau, Groß Schwechten). 120 Ebd., fol. 61 ff., Bericht vom 23. De/. 1751.
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Pfarrer in Fehrbellin gewesen war; 1714 heiratete er in zweiter Ehe die Osterburger Bürgermeisterstochter Dorothea Elisabeth Berndis 121 . Seine Inspektion umfaßte 16 Parochien. Hier erschien, den Protokollen zufolge, die Atmosphäre ausgeglichener. Patrone, soweit zugegen, und Gemeinden waren mit ihrem Pastor zufrieden und umgekehrt, gaben sich gegenseitig ein gutes Zeugnis und hatten kaum Klagen außer bezüglich schadhafter Pfarr- und z.T. Küstergebäude 122 . Besonders gediegen nahm sich dagegen das Pfarrhaus in Meßdorf aus, weil es von allen Bartenslebenschen Untertanen gebaut und unterhalten wurde. Denn es wurde zugleich als Gerichtshaus genutzt, in dem das jährliche Vogtgedinge stattfand 123 . Die Rührigkeit der Gemeindeglieder und Jugend zeigte sich im Examen. In Meßdorf samt Filia Biesenthal waren sie, weil es früher nicht gebräuchlich war, die Alten zu fragen, etwas blöde [schwach, zaghaft]; die Jugend konnte aber ziemlich antworten 124 . Ähnlich war es in Späningen mit Natterheide, in Schmersau mit Orpensdorf und in Erxleben mit Polkau, wo die Jugend den Katechismus fertig hersagen konnte, in Düsedau, Meseberg, Gladigau mit Einwinkel und in Groß und Klein Rossau. In Groß Ballerstedt hatten die meisten die Bibel bei sich, konnten nachschlagen und die Spräche ordentlich hersagen; die Jugend wußte ebenfalls gut zu antworten, auch in Dobberkau, Schönebeck, Lichtenhagen und Krevese mit Schliecksdorf. So wird es auch in Zedau, Tochterkirche von Osterburg, gewesen sein, w o der Inspektor zugleich Dorfherr, Patron und Prediger war (der einzige Fall einer solchen Pfarr-dos in der Altmark). Allein in Storbeck mit Filia Grävenitz antwortete die Gemeinde nur blöde125. Zu beanstanden war in dieser Inspektion außer baulichen Mängeln, die die Gemeinden aber zu beheben versprachen 126 , die Abwesenheit einiger Patronatsherren, vorwiegend die der Filialkirchen. Das war auch hier der Amtmann zu Tangermünde hinsichtlich der Kirchen königlichen Patronats (Polkau, Dobberkau mit Möllenbeck) bzw. Amt Neuendorf (Wollenrade), betraf Natterheide (Patron v. Kannenberg), Meseberg (v. Meseberg, v. Redern), Einwinkel (v. Lüderitz) und Klein Ballerstedt. Hier waren die Patrone, v. d. Schulenburg zu Apenburg und die Goldbeck, zerstritten, weil erstere letztere verdrängen wollten; anwesend war nur Friedrich Goldbeck. Zwei Herren waren entschuldigt, andere ließen sich wenigstens vertreten 127 .
121 C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anrn. 31), 2000, S. 22 L 122 In Späningen, Liessau, Groß Ballerstedt, Dobberkau, Schönebeck, Düsedau, Meseberg, Gladigau, Groß Rossau und Krevese (15LHA, Rep. 40 A, Nr. I l l , passim). 123 Ebd., l'ol. 3, 19. Juni 1715. - Die v. Bartensleben zu Wolfsburg hatten für ihre weitgestreuten altmärkischen Besitzungen drei Vogteigerichte konstituiert, in Meßdorf, Rohrberg und Steimke; alle drei Dörfer waren gutsfrei. 12 i Ebd. 125 Ebd., fol. 5 ff., Juni/Juli 1715. 126 Ausgenommen die Parochie Gladigau, wo die Tochtergemeinde Einwinkel nichts beitragen wollte, und Groß Rossau, w o sich die Gemeinde nicht zu einer Zusage verstand, weil die Obrigkeit nicht zugegen war (ebd., fol. 19 f., 16. Juli 1715). 127 Ebd., passim.
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Alles in allem war die Bilanz positiv und zufriedenstellender als in der Inspektion Stendal. Und ebenso lautete das Ergebnis der Visitation, die Dr. Lentz elf Jahre später in den Dörfern königlichen Patronats seiner Diözese wiederholte. Die Pastoren predigten erbaulich und katechisierten gut, die Gemeinden gingen gut mit und legten über ihren Geistlichen ein gutes Zeugnis ab. In den Schulen taten die Küster und Schulmeister das Ihre, und die Prediger hatten gute Achtung darauf 128 . Es klang fast ein wenig zu glatt. Der nunmehr 66-jährige Inspektor hatte vermutlich wohltuend auf die Verhältnisse in seinem Verantwortungsbereich eingewirkt und milde über menschliche Schwächen hinweggeblickt. Aber das Positive überwog eben auch und machte deutlich, wie unterschiedlich das Niveau in den ländlichen Kirchengemeinden war. 1738 wurden die Pfarren adligen Patronats visitiert. Inspektor war seit drei Jahren der Seehäuser Johannes Held. Er hatte in Halle studiert, war danach Pastor am Friedrichshospital in Berlin und seit 1721 Diakon in Osterburg 1 2 9 . Seine Niederschriften wirkten wie die des älteren Lentz, in dessen Amtszeit sein Diakonat begonnen hatte, sehr glatt; die Prediger der zwölf Pfarren predigten und katechisierten gut, die Gemeinden gaben ihnen ein gutes Zeugnis, dgl. den Küstern. Die Patrone traten nicht in Erscheinung 1 ^ 1 . Unzufrieden war Held nur mit der Situation in Einwinkel, vormals Tochtergemeinde von Gladigau, seit fünf Jahren vom Prediger in Kleinau versorgt. Held erfuhr, dass nicht wohl gepredigt und katechisiert werde und dass es auch mit der Schule schlecht stehe; daher wünschte er, dass Einwinkel wieder Gladigau zugelegt werde 1 ^ 1 . 1744 berichtete Inspektor Held, er habe die Kirchenlokalvisitation durchgefühlt (außer im abgebrannten Meseberg) und bei den Predigern noch alles in ziemlich gutem Zustand gefunden. An keinem Ort habe die Gemeinde wider ihren Prediger etwas Erhebliches zu klagen vorgebracht, außer dass einige Pastoren Alters und Schwachheit halber ihr Amt nicht mit solchem rigore führen könnten, wie zu wünschen wäre. Doch sei von ihnen noch nichts versäumt worden, und die Zuhörer seien mit ihnen zufrieden. Streit in einigen Orten w e g e n der Akzidenzien sei ans Konsistorium verwiesen worden, w e n n sie sich nicht in Güte verglichen. Der größte Mangel finde sich bei der Sommerschule; in den wenigsten Orten werde der Verordnung nachgelebt. Einige Gemeinden hätten mit Handschlag Besserung versprochen, andere sich aber hartnäckig mit der Unmöglichkeit entschuldigt. Es kam dem Inspektor so vor, als w e n n der Adel ihnen den Rücken hält und dem Prediger nicht gehörige Assistenz leiste 1 ^ 2 . Auch drei Jahre später erschien dem visitierenden Inspektor das Verhältnis zwischen Pfarrer und Gemeinden friedlich. Es gab keine Klagen über die Prediger, außer dass sich die Gemeinde in Storbeck über das harte und strenge Verfahren ihres Pas-
128 129 130 131 132
BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 133, Bericht v o n 1726. C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 3 D , 2000, S. 183. BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 131, Nr. 1-12, Jan. bis März 1738. Ebd., Nr. 13, 13. März 1738. BLHA, Rep. 40 A, Nr. 135, Bericht v o m 27. Okt. 1744.
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tors [Gottfried Leberecht] Wollmar in Predigt und Katechisation beschwerte; Held ermahnte ihn deshalb zu Liebe und Sanftmut. Allerdings fand er die Jugend in fast allen Orten im Lesen und Katechismus schlecht. Die Prediger führten das auf den schlechten Schulbesuch zurück: im Winter wenig, im Sommer gar nicht. Die Eltern hatten also ihrer Zusage drei Jahre zuvor nicht nachgelebt. Und es gab viele Klagen wegen der Pfarr- und Küstergebäude, die fast überall in sehr schlechtem Stande waren. Mit den Patronen wurde zwar wegen der Reparatur gesprochen, aber sie stellten sich seh r kaltsinn ig^. Diese Situation war 1750 unverändert. Die geistlichen Gebäude waren fast durchgehende, wenige ausgenommen, in einem erbarmungswürdigen Zustand, und es sah mit den Reparaturen weitläufig aus, weil weder Patrone noch Gemeinden sich der Sache recht annehmen wollten. Nirgends gab es Klagen der Gemeinden über ihren Prediger, wohl aber dieser über jene, besonders wegen des nachlässigen Schulegehens der Kinder. Die Eltern ließen sie wie wilde Bäume im Walde aufwachsen. Daher traf Held bei Alt und Jung auf große Unwissenheit im Katechismus, Lesen und Aufschlagen der Bibel. In Krevese beschwerte sich der Prediger [Friedrich Wilhelm] Supert über die jungen Leute, dass sie weder mit Bitten noch Drohen dahin zu bringen seien, sich alter Gewohnheit nach vorm Altar zum Examen einzuhnden; ihren obstinaten Sinn gaben sie am Tag der Visitation damit zu erkennen, dass sie der Kirche fernblieben, um nicht eine gute Ermahnung anhören oder sich vorm Altar hinstellen zu müssen 134 . Auch in der Inspektion Osterburg trat deutlich zutage, dass das Zusammenleben in der Kirchengemeinde Licht- und Schattenseiten hatte. Es schien harmonisch, solange keine materiellen Anforderungen der einen oder der anderen Seite erhoben wurden. Die Geistlichen waren nach wie vor auf Gemeinden und Patrone angewiesen, und wenn diese sich verschlossen, fühlten sie einen bitteren und entwürdigenden Kampf oder resignierten. Die Schulverhältnisse stagnierten und damit auch die (religiöse) Weiterbildung. Aber es kam der geistlichen wie der weltlichen Obrigkeit auch nicht in den Sinn, Anreize zu schaffen. Mit Härte und Strenge wurde eher das Gegenteil erreicht wie z.B. in Storbeck, und der Protest der jungen Leute in Krevese wurde auch nicht als Zeichen verstanden, dass die öffentliche Abfragemethode und Bloßstellung ihr Selbstwertgefühl verletzte. Dem waren Visitatoren auch in anderen Inspektionen begegnet, ohne darüber zu reflektieren. Eine Analyse der überlieferten Predigttexte 135 würde überdies aufdecken können, in welcher Weise die Prediger ihre Zuhörer anzusprechen vermochten oder nicht 1 '' 0 . 133 Ebd., Bericht v o m 31. Mai 1718 über die Visitation von 1717. 134 Ebd., Bericht vom 12. Okt. 1750. 135 Predigttexte als Anlagen zu den Visitationsberichten enthalten z.B. die Akten der Inspektion Werben CBLIIA, Rep. 10 A, Nr. 127, fol. 33 11. zu 1715, fol. 81 1. zu 1732), Osterburg (Nr. 133 zu 1726, Nr. 134 zu 1737, Nr. 135 zu 1744, 1747 und 1750) und Stendal (LHASA MD, Rep. A 12 Generalia Nr. 2615, fol. 28 11.). 136 1711 wurde verordnet, dass die Predigten, außer Gesang und Gebet, niemals länger als eine Stunde dauern sollten, bei 2 Taler Strafe, die unter Aufsicht der Kirchenvorsteher der Kirche
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In der I n s p e k t i o n Werben, mit acht Parochien die kleinste altmärkische Diözese, führte 1715 Joachim Rauw (Raue, Rhau) die Lokalvisitation durch. Der 1642 als Pastorssohn in Schönberg bei Seehausen Geborene wirkte als Diakon in Perleberg, bis er 1707 in der Nachfolge Gottfried Arnolds zum Inspektor in Werben berufen wurde137. Er hatte in Wittenberg, wo er 1664, und Frankfurt/O., wo er 1665 immatrikuliert war, studiert138. In seinem kurzen Bericht von 1715 bemängelte Rauw, dass jeder Küster einen besonderen Katechismus habe, was bei der einfältigen Jugend, die nicht beständig an einem Ort bliebe, Verwirrung gäbe. In Krusemark, Niedergörne, Rengerslage und Räbel hielten die Bauern den Kirchen- und Priesteracker für ihr Eigentum, prozessierten deswegen hier und andernorts Kirchen und Prediger mit verdrießlichen Unkosten. Auch der Patron zu Dalchau werde vom Pastor des Ortes belangt. Die Ursache sei wohl, dass kein schriftlicher Kontrakt für jeweils sechs Jahre aufgerichtet werde; daher sei Verordnung nötig 139 . Ansonsten fand Rauw sehr Unterschiedliches vor. Besonders ragte die Parochie Walsleben heraus, der die Filialkirche Calberwisch zugehörte und die vormalige Mutterkirche Rohrbeck inkorporiert war14". Nach der Predigt hielt der Pastor Examen ab, wobei die Jugend wohl bestand; jeder hatte eine Bibel und war im Aufschlagen fertig. Der Prediger Johann Gottfried Zur Linden aus Lüchow im Lüneburgischen, 38 Jahre alt und seit zehn Jahren im Amt, hatte in Rostock, Helmstedt und Leipzig studiert, war ein gelarrtes und geschicktes Suhjectum, in Lehre und Leben richtig und meritiret, so Rauw, einer größeren Gemeinde zu dienen. Auf Befragung bezeugte die Gemeinde einhellig, dass sie mit ihm wohl zufrieden sei, weil er sein Amt treulich verrichte, im Wandel exemplarisch sei, die Kranken besuche und auch nachts auf die Filiae reise, wenn Kranke es verlangten. Der Pastor bezeugte auch seiner Gemeinde, dass er mit ihr zufrieden sein könne. Nur seine Intraden seien unvollständig; er habe aber bisher aus Liebe zum Frieden nicht prozessieren wollen. Probleme gab es z.T. mit den Küstern. Die Gemeinde zu Walsleben war mit dem ihrigen zufrieden, die zu Calberwisch klagte, dass ihr Küster zu Kruge gehe und sich wohl auch herumschlage. Der Schulmeister in Rohrbeck war gar nicht erschienen; Einladung und Klagen hatte er verlacht, und die Gemeinde gab an, dass er ihrem Pastor viel Verdruss mache. Im Übrigen war statt des Patrons der Schulenburgsche Amtmann zu Beetzendorf, Eusebius Christian Füchtel, zugegen, der sich hier wohl zurückhielt, während er einen Monat später in Groß Moringen den Stendaler Inspektor provozierte. zufließen sollten (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung iwie Anm. 11, S. 1 8 1 - Auf erbaulichen Inhalt achteten die Inspektoren. 137 C /, u b a t y η s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 3 D , 2000, S. 264. 138 Fritz J u η t k e (Bearb.): Album Academiae Vitebergensis, J ü n g e r e Reihe Teil 2. Ilalle 1952, hier 11/278 (= Arbeiten aus der Universitäts- und Landesbibliothek Halle a. d. Saale, 5). Ernst F r i e d l a e n d e r (Hrsg.): Aeltcrc Universitäts-Matrikeln, I Universität Frankfurt/O., Bd. 1 - 3 . Leipzig 1 8 8 7 - 1 8 9 1 , hier 11/107. 139 BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 127, fol. 1, 2 1 Aug. 1715. 140 Ebd., fol. 8 ff., 11. Juni 1715; auch für das Folgende.
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Auch in Hindenburg, das unter dem Patronat der Johanniterkomturei Werben stand, herrschte zwischen Prediger, Patron und Gemeinde Harmonie. Johann David Solbrig hielt nach guter Predigt Examen mit der Jugend ab, so auch zum guten Vergnügen geschehen. Nach ihrem Prediger befragt, antworteten Patron und Gemeinde lino ore, dass er im Leben sich bisher unsträflich gehalten habe und sie nichts wider ihn hätten. Dagegen beschwerte sich der Pastor öffentlich über Ludolph Elias v. Hitzacker auf Gethlingen, Filial von Hindenburg, dass er sich dem Fluchen und der Völlerei ergeben habe und keine Ermahnungen annehmen wolle. Vielmehr habe er ihm angekündigt, samt seiner Familie nicht mehr bei ihm zu beichten noch zu kommunizieren, womit Solbrig zufrieden war. Außerdem gab der Pastor zwei Zuhörer an, die sich als rechte Epicureer aufführten, in beständiger bestialischer Völlerey lebten und es auf alle Ermahnungen des Predigers hin nur noch ärger machten. Sie waren nicht anwesend 141 . Spannungen gab es auch in der Parochie Niedergörne. Der junge Pastor Johann Georg Arnold predigte kurz und gut, und weil die Gemeinde klein und keine Jugend vorhanden war, habe er, so Rauw, mit besonderer Freundlichkeit die Alten examiniert und konnte mit den Antworten zufrieden sein. Laut Patron v. Görne lebte er exemplarisch, ein anderer Patron aber, Bürgermeister Kenckel zu Arneburg, ließ seinen Widerwillen merken, als er Rauw die Fuhre zur Heimfahrt abschlug. Ursache war, dass der Pastor seinen Acker zurückforderte, den Kenckel unterm Pflug hatte 142 . Geiz und Habgier, die man gern den Bauern vorwarf, waren auch Patronen nicht fremd. In Polkritz (mit Käcklitz), wo sich Patrone und Pastor hinsichtlich ihres Grundbesitzes arrangiert hatten, erfreute sich der Prediger Valentin Abel eines neuen Wohnhauses nebst Scheune, und er selbst hatte einen schönen Garten rings um die Pfarrgebäude angelegt. Das Katechismusexamen ging gut vonstatten. Patrone und Zuhörer waren mit ihm wohl zufrieden. Die Gemeinde, so Rauw, habe ziemliche Furcht vor ihm, denn er den Bösen ziemlich scharf fällt, daher er auch anfangs viel Verdruss von den Bösen hatte. Die Folge war aber wohl auch, dass in Polkritz und Käcklitz eine gute Schulzucht herrschte. Die Schule wurde winters und sommers gehalten um diese Zeit Höchststandard. Ein Kind, das Lesen lernte, gab sechs Pfennig, die anderen, die Rechnen und Schreiben lernten, einen Groschen wöchentlich, und das musste wöchentlich bar eingebracht werden14;>. In Krusemark, Pfarrdorf mit den eingepfarrten kirchlosen Dörfern Groß und Klein Ellingen und Hohenberg, amtierte Martin Christian Hübener, ein gelartes Subjectum·, er hatte in Halle studiert und war dort auch ein Jahr und zwei Monate Prediger. Er
111 Ebd., fol. 18 ff., 30. Juni 1715. - Zur Bekämpfung des Epicurismus durch orthodoxe Geistliche vgl. Ilans-Christoph Ru b 1 a c k : „Der wohlgeplagte Priester". Vom Selbstverständnis lutherischer Geistlichkeit im Zeitalter der Orthodoxie, in: Zeitschrift für historische Forschung 16 (1989), S. 1-30, hier S. 5 f. und S. 29 Anm. 116. 112 BL1IA, Rep. 10 A, Nr. 127, fol. 39 ff., 8. Juni 1715. 143 Ebd., fol. 2 ff., 52, 21. Juli 1715.
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hielt eine gute Predigt. Das Examen galt dem Thema Buße und Bekehrung des armen Sünders zu Gott. Das klang pietistisch. Danach ermahnte der Inspektor Alte und Junge wie in allen Kirchen. Der Patron Adam Andreas v. Krusemark und die Gemeinde waren mit dem Prediger voll zufrieden. Der Pastor seinerseits aber sagte von der Gemeinde, es gebe leider viele, die nach Gottes Wort nicht fragten, und mehr denn zu viele, die mit Segen sprechen umgingen, trotz aller Ermahnungen. Ihre Kinder ließen die Eltern durchgehende in Unwissenheit aufwachsen. Ungeratene Kinder waren ihm aber nicht bewusst 1 4 4 . In Iden nebst Filialkirche Rengerslage, wo die Patrone durch ihre Justitiare vertreten waren, predigte anstelle des alten kranken Pastors Andreas Bäumichen der ihm adjungierte Christian Gabriel Baucke und hielt mit der Jugend das Katechismusexamen ab. Beides, so der Inspektor, Predigt und Examen, gingen sehr blöde ah. Dafür gab es hier beiderseits keine Beschwerden 1 4 5 . Auch in Berge war der Patron vertreten, der Prediger Johann Georg Gretz ( Grätsch) erst vor wenigen Wochen introduziert worden. Doch das Predigen ging etwas besser ab als in Iden, und das Examen war itntade!igur\ Der Werbener Inspektor sah noch ein breites Betätigungsfeld vor sich. Auch ihm bestätigte sich, wie viel in jeder Gemeinde von der Persönlichkeit des Geistlichen und seiner Arbeit abhing. Sein Nachfolger im Amt, Paschasius Marggraff, 1673 als Pastorssohn in Groß Ballerstedt in der Altmark geboren 1 4 7 , hatte zunächst in Rostock studiert, dann mit kurfürstlichem Stipendium in Frankfurt/O. und zuletzt in Halle/S. Nach einem Pastorat in der Löbenschen Herrschaft Schenkendorf im Teltow seit 1715 Diakon in Werben und seit 1721 Inspektor 148 , visitierte er seine Diözese erstmals 1723 149 · Marggraff hörte und schaute genau hin. Pastor und Gemeinde in Walsleben machten, wie schon 1715 auf Joachim Rauw, einen guten Eindruck. Bei der Katechisation fanden sich viele Alte und Junge männlichen und weiblichen Geschlechts, die wohl antworteten und fertig die Spräche der Hl. Schrift aufschlagen konnten; die meisten hatten Handbibeln und NT sowie Krügers Gesangbuch in Händen 15 ". Auch in Berge bei Werben und Iden mit Rengerslage bemerkte der Inspektor Erwachsene mit Handbibeln und viele Kinder mit dem NT und Fortschritte in der Katechisation im Vergleich zu 1715 151 . Fast überall waren die Gemeinden mit ihrem Prel l · ! Ebd., fol. 27 ff., 7. Juli 1715. - Segen sprechen,
böten, besprechen u.ä. Mittel der weißen
Magie erinnerten an die noch bis Ende des 17. Jahrhunderts in der Altmark währende Hexenverfolgung; Magie war unterdrückt, aber weiter tradiert worden (vgl. l i n d e r s : Die Altmark [wie Anin. 191, S. 1255 ff., 1266 ff., 1276 ff. und passim). 145 116 117 148 119 150 151
BLHA, Rep. 40 A, Nr. 127, fol. 44 ff., 14. Juli 1715. Ebd., fol. 53, 15. Juni 1715. C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anin. 31), 2000, S. 233. BLHA, Rep. 40 A, Nr. 127, fol. 120, Conduitenliste von 1736. Ebd., fol. 60 ff., April bis Juni 1723. Ebd., fol. 61 f., f2. April 1723. Ebd., fol. 71 ff., 20. Juni 1723.
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diger zufrieden und lobten besonders Krankenbesuche. Fast überall aber klagten die Geistlichen über Sabbathschänder, Säufer und Flucher, die in Uneinigkeit und Zank lebten (Walsleben) 152 , Störrige, Unversöhnliche und Trunkenbolde (Krusemark) 153 , Fastnachtsaufen in Hindenburg im Hause Jacob Frahms, u.a. mit enrollierten Soldaten, denen niemand etwas zu sagen habe (Frahms wurde mit dem Ausschluss vom Abendmahl bestraft), Ballspiele der Dirnen am Palmsonntag mit vielen Greueln dabei. Und in der Filia Gethlingen war es auf dem Verwalterhof Brauch, dass, wenn der Erntekranz gebracht wurde, die Leute sich toll und voll saufen. Und dies, so der Pastor zürnend, geschehe am Sonnabend, da mache man die Präparation auf den Sonntag, und solches soll der Dank sein für den in der Ernte gespendeten Segen! 154 Die Profanation des Sabbats fand auch in Berge statt, oft ebenfalls durch Enrollierte, die sich ihre Sünden nicht vorhalten lassen wollten. Zudem hielten einige Eltern ihre Kinder schlecht zur Kirche und Schule und ließen sie aufwachsen wie das Vieh, so der erzürnte Prediger mit der gängigen Wendung 155 . Gleiches klagte der Pastor über Eltern in Iden und die Entheiligung des Sonntags: Das junge Volk gehe nach 4 Uhr zum Kruge, versammele sich beim Kegelspielen und treibe es oft bis in die späte Nacht hin 156 . Rauws Nachfolger im Amt erkannte durchaus, ungeachtet mangelnden Schulbesuchs, Erfolge in der religiösen Unterweisung seitens der Pastoren und im Besitz und Gebrauch geistlicher Bücher sowie in der Vorbereitung der Jugend auf die erste Kommunion. Aber dem stand die Hartnäckigkeit gegenüber, mit denen Erwachsene wie Junge auf ihren weltlichen Freuden und Gebräuchen, allen Edikten zuwider, beharrten. Das eine schloss für sie das andere nicht aus, und niemand vermochte sie vom Gegenteil zu überzeugen. Verwunderung löste der profane Umgang des Patronatsherrn von Berge, Friedrich Wilhelm Frhr. v. Kannenbergs, mit dem Gotteshaus aus. Zwar in Berge präsent, wohnte er aber dem Gottesdienst nicht bei, sondern ließ sich von seinem Justitiar vertreten. Kannenberg hatte vor einigen Jahren den Kirchboden zum Kornboden aptieren und von außen eine Winde anbauen lassen; es war unbekannt, ob es mit Konsens des Konsistoriums und auf Kirchenkosten geschehen war. Das Fazit des Inspektors: Mit dem Bergeschen Kirchenwesen steht es wie mit dem Pfarrwesen z.T. in vieler Unrichtigkeit1"'7. Und das änderte sich nicht, eher im Gegenteil, wie Marggraff 1732. feststellen musste. Weder Kannenberg noch sein Justitiar waren zugegen. Der Patron kümmerte sich um das Kirchenwesen kaum, und zwischen Prediger und Patron herrschten etliche Misshelligkeiten, da keiner mit des anderen Conduite zufrieden war. Außerdem
152 Ebd., fol. 61 f., 12. April 1723. 153 154 155 156 157
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
fol. fol. fol. fol. fol.
65 67 71 73 71
f., 25. April 1723. f., 6. April 1723. ff., 20. Juni 1723. f., 28. Juni 1723. f., 20. Juni 1723.
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klagte der Prediger, dass ihm vieles an Pfarrgut entzogen sei, der Patron sich aber in Güte zu nichts verstehen wollte, und zwar mit dem seltsamen Vorwand, dass Matrikel und Observanz sehr differierten1"'8. Gleichermaßen dauerte das Zerwürfnis zwischen dem Pfarrer zu Krusemark und dem Patron, Landrat und Hauptmann Adam Andreas v. Krusemark, fort. Zur Visitation 1732 war dieser nicht erschienen, obwohl zu Hause. Er kam seit Jahr und Tag nicht mehr zur Kirche in Krusemark, sondern hatte einen anderen Prediger zum Beichtvater gemacht, angeblich mit Konzession des Konsistoriums. Und dem Pastor zum Tort, so empfand es dieser jedenfalls, hatte er dem Küster, den der Pastor Vernachlässigung der Schule zieh, das Prädikat eines Kantors zugelegt. Der Küster prätendierte nun, dass der Pastor ihn als Kantor respektiere. Der Inspektor wollte Patron und Pastor versöhnen; aber Bitterkeit und Widerwille Krusemarks gegen den Pastor waren so groß, dass er wenig auszurichten vermochte 159 . In Hindenburg und Gethlingen dagegen gab es keine Klagen mehr. Pastor [Johann] David Solbrig, 22 Jahre im Amt und nunmehr Senior in dieser Diözese, war ein fleißiger und redlicher Mann, in Lehre und Leben unsträflich. Er predigte erbaulich und katechisierte mit den jungen Leuten fleißig, so dass die Jugend wohl u nterrichtet war. Die Gemeinde war mit dem Prediger wohl zufrieden^. In Iden nebst Rengerslage und dem nach Iden eingepfarrten Ort Busch war 1732 weder der Patron v. Kannenberg, der der Universität Frankfurt/O. den Patronat über Rengerslage abgehandelt hatte, noch ein Vertreter zur Visitation erschienen. Der Pastor M. Benjamin Scheele, seit 1721 introduziert, war mit dem Patron u.a. wegen Ackerlands streitig. In der Pfarrkirche Iden aber fielen dem aufmerksamen Inspektor einige Misslichkeiten auf: Es waren nicht nur Reparaturen sehr nötig, sondern er fand sie auch zu finster, so dass die Leute im Winter nichts sehen, Gesänge, Sprüche und Bibel nicht aufschlagen könnten; die Chöre seien übel angelegt und die Kirche inwendig mit Spinn wehe η sehr garstig bezogen1^1. 1737 fand Inspektor Marggraff manches verbessert vor, manches verändert, mancherorts neue Probleme. Dem kirchenpolitischen Programm König Friedrich Wilhelms I. von 1733, „katholische Traditionsreste" in der Liturgie abzuschaffen, darunter Kasein und Chorröcke 162 , war Genüge getan. Chorröcke und Kasein, notierte Marggraff bei der Visitation in Berge, seien hier wie in der ganzen Diözese auf dem Lande nirgend mehr in Gebrauch gewesen 1 Doch im Wischedorf Berge nahe der Elbe waren 1737 nicht nur Pastor und Patron weiterhin zerstritten, sondern es gab auch Klagen der Gemeinde über den Prediger. Johann Dietrich Schöne aus Havelberg, 45 Jahre alt und 15 Jahre im Amt, hatte drei
158 159 160 161 162 163
Ebd., fol. 99 ff., 8. Juli 1732. Ebd., fol. 80, 17. Juni 1732. Ebd., fol. 91 ff., 20. Juni 1732. Ebd., fol. 77 ff., 15. Juni 1732. K l i n g e b i e l : Pietismus u n d Orthodoxie (wie Anm. 2), S. 31 i. BLHA, Rep. 40 A, Nr. 127, fol. 115, 24. Februar 1737.
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Kirchen zu besorgen, die sehr weit auseinander lagen; bei nassem Wetter war der Weg sehr unpassabel. In Predigt und Katechisation sonst fleißig und ordentlich, konnte er nur wegen des Weges nicht allemal kommen. Das war entschuldbar, erklärte allerdings auch hier und andernorts den schlechten Schulbesuch der Kinder. Die Gemeinde beanstandete außerdem, dass er mehr Akzidenzien begehrte, als gebräuchlich sei. Das betraf aber die Vergütung der ihm zustehenden Mahlzeiten, wenn er sie nicht in natura wahrnehmen konnte. Weiter klagten sie, dass er in seinen Bestrafungen Hals über Kopf (praecipitant) verfahre; er schelte, schimpfe und schmähe mit den allerbittersten Worten, daher die Gemüter der Zuhörer sehr abgewandt würden 164 . In der Konduitenliste vom August 1737 charakterisierte der Inspektor den Pastor in Berge seinem Temperament nach als sanguineo cholericus; Jachzorn und praecipitantia seien wohl die Hauptfehler, aus denen die Übereilungen in Bestrafung der Zuhörer entstünden. Schöne, vom Inspektor darauf angesprochen, gelobte Sanftmütigkeit. Die Bauern als seine Zuhörer aber, fügte Marggraff hinzu, seien zum Teil auch sehr impertinent, u. da gehets nach dem gemeinen Sprichwort: das zwene harte Steine kein gut Mehl machen^". Die unwegsamen, weiten Entfernungen innerhalb einer Parochie waren auch Gegenstand der Visitationsgespräche in Polkritz nebst Käcklitz, letzteres ein Wischedorf. Patron, Prediger und Gemeinde harmonierten; die Kirchenrechnungen wurden jährlich richtig gehalten, die Kirchenbücher waren in Ordnung. In Kirche und Schule wurde Luthers Katechismus benutzt, und zwar nach der in Berlin gedruckten Erläuterung des sei. Propstes [Johann] Porst. Aber die Kirchengemeinde sollicitiret unanimiter inständig wegen der Lichter auf dem Altar, weil es ein so alter Gebrauch und Observanz sei 100 . Klagen kamen nur von Pfarrer und Küster wegen des unregelmäßigen Schulbesuchs der Kinder. Der Küster Daniel Rittner hatte beste Voraussetzungen; denn zuvor war er Konrektor an der Schule in Perleberg, musste aber krankheitshalber sein Amt niederlegen. Der Prediger bezeugte ihm fleißige Information der Jugend und gute Gaben und Geschick zum Katechisieren. Die Gemeinde, ermahnt, sagte, dass ihre Ackerhöfe über eine halbe Meile von Kirche und Küsterwohnung entfernt seien, wohin sie die Kinder bei nassem Wetter und im Winter wegen des tiefen Wischer Weges nirgends durchbringen könnten. Man habe deshalb aus der Not eine Tugend machen müssen: Die Gemeinde im eingepfarrten Dorf Altenzaun habe eine Frau angenommen, die die kleinen Kinder unterrichte, die in Polkritz habe einen Schulmeister, der gut lesen und buchstabieren könne 1 6 7 . 161 Ebd., fol. I i i ff., 21. Febr. 1737. 165 Ebd., fol. 122, Konduitenliste vom 29. Sept. 1736 zu Berge. 166 Unter die anbefohlene Abschaffung alter Ceremonieti fiel auch die Anzündung der Lichter auf den Altären beim Abendmahl. Das wurde mit KO vom 3. Juli 1710 wieder aufgehoben und wenig später den Predigern freigestellt, „nach den Umständen ihrer Gemeinden sich solcher wiederum zu bedienen" (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung iwie
Anm. 11, S. 121 zu Ceremonien). 167 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 127, fol. 116, 25. Febr. 1737.
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Die Lösung, die man in Niedergörne nebst Filia Dalchau suchte, befriedigte gar nicht. Man hatte endlich ein neues Küsterhäuschen gebaut, aber für die Schulkinder viel zu eng; es müsste wenigstens noch ein Verbind angebaut werden, was 3 bis 4 Taler kosten würde. Weil aber der Patron abwesend und die Gemeinde sehr schwach war, blieb alles liegen. Der Küster lamentierte auch sehr wegen des ihm vom Patron ohne Ersatzleistung entzogenen Kohlgartens. Er unterwies die Kinder mit Fleiß und Treue, so dass auch die Gemeinde zufrieden war; aber der allzu enge Raum im Schulhäuschen und die Entlegenheit des Filials Dalchau behinderten sehr die Schulordnung 1 6 8 . In Krusemark war die Gemeinde voll zufrieden, aber der Streit zwischen Patron und Pastor, obwohl von der Appellationsinstanz entschieden, kontinuierte, weil dem Urteil vonseiten des Patrons nicht Genüge getan wurde. Es ging um mehrere Dinge: 1. erhielt der Prediger noch keinen Schlüssel zum Gotteskasten, wie das überall sonst gebräuchlich und der Verordnung gemäß war. 2. bestellte der Patron unter Umgehung des Pastors Kirchenvorsteher allein nach seinem Gefallen. 3- waren noch keine Kirchenstühle gebaut, so dass der größte Teil der Männer und Frauen auf Brettern in der Kirche sitzen musste, worüber sie sich sehr beschwerten. 4. war dem Küster immer noch das Prädikat Kantor beigelegt, obgleich das Konsistorium es untersagt hatte. 5. wurden die Toten noch u m 3 Uhr morgens beläutet, obwohl es u m 12 Uhr mittags geschehen sollte. 6. wurden die Pfarrgebäude nicht repariert, sondern waren größtenteils sehr elend, dach- und fachlos Wind und Wetter ausgesetzt, auch diebischen Händen. Auf Zureden des Inspektors nahm die Gemeinde die Gebäude in Augenschein und versprach, alles Mögliche zu tun, vermeinte aber, dass der Patron die Baumaterialien, zumal Holz, stellen müsse, das er reichlich habe, die Bauern dagegen nichts. 7. gab der Patron seit 1730, als er nebst den Seinen einen anderen Beichtvater wählte, nicht mehr das Beichtakzidenz, obwohl darauf erkannt worden sei"». In Iden nebst Rengerslage stieß sich Inspektor Marggraff diesmal an der wenig effektiven Katechisation durch Pastor M. Benjamin Scheele. Sie wurde mit den Kindern anhand des sog. Himmelsweg, eines Formular des Katechismus, betrieben; es gehe aber meistens so nach der alten Leyer, daß man auswendig lernen läßt, was im Buche steht, und so bleibt es alles auswendig, ins Herz kommt nichts. Gott beßere es! So das Protokoll. Dem fügte Marggraff in der Konduitenliste vom August 1737 hinzu, dass Scheele inzwischen ins Stift Halberstadt gezogen sei. Er wünschte, Gott gebe, dass mit der Ortsveränderung auch der Grund des Hertzens bey dem Manne möge heylsahm geändert werden, und: Gott schenke der Kirchengemeinde ein solches subjectum, welches durch heylsahme Lehre u. göttliches Leben die Mängel des antecessors beßere™.
168 Ebd., fol. 116 f., 27. Eebr. 1737. 169 Ebd., fol. 118, 6. März 1737. 170 Ebd., fol. 119, Protokoll v o m 7. März 1737; fol. 123, Konduitenliste v o m 20. Aug. 1737.
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Das Haupt der Inspektion Werben war mit den Verhältnissen und vor allem mit den Menschen seiner kleinen Inspektion offenbar sehr vertraut, urteilte nicht kurzatmig nach äußeren Eindrücken, sondern nahm alle Gesprächspartner ernst und ging auf sie ein. Das weckte Vertrauen, so dass sich auch die Gemeinden freimütig äußerten, Wünsche und Beschwerden vortrugen und Ratschläge annahmen. Und w o er Schwächen und Fehler erkannte, suchte er nach den Ursachen ohne einseitige Schuldzuweisung. Er wurde am ehesten auch den Bauern gerecht, redete Patronatsherren nicht nach dem Mund und wirkte sanft, aber beharrlich auf seine Amtsbrüder ein, w o es Not tat. Der Konduitenliste zufolge, die Marggraff nach der Visitation 1737 einreichen musste 171 , hatten alle Pastoren allein oder auch in Halle studiert. Das war inzwischen unabdingbar geworden. Die Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms I. hatte sich auch in dieser Beziehung durchgesetzt, wonach die Theologiestudenten verpflichtet waren, die pietistisch geprägte Universität Halle zu besuchen 172 . In der I n s p e k t i o n A l t - S a l z w e d e l im Westen der Altmark, die 31 Parochien umfaßte, waltete seit 1713 Stephan Schultze. 1662 in Neustadt Salzwedel geboren, hatte er 1686-1689 in Leipzig studiert, danach als Feldprediger gedient und von 1695 an in Salzwedel die geistliche Stufenleiter bis zum Inspektorat erklommen 1 7 i . 1715 berichtete er von der Visitation einiger Pfarren 174 : Die meisten Kirchen waren äußerlich noch in gutem Stand; Schadhaftes wollten die Gemeinden reparieren lassen. In Groß Chüden waren jetzt die v. d. Schulenburg zu Apendorf Dorf- und vermutlich auch Patronatsherren, was zu klären war; in der Filia Klein Chüden gehörte dem König der Patronat. Doch der Schulenburgsche Amtmann [wahrscheinlich Hichtel] hatte sich der Visitation widersetzt. Und der Kirchenuntertan Matthias Jäger beschwerte sich, dass er ihn unverschuldet einen ganzen Tag incarceriret, als er wegen der ihm zugemuteten Pfändung Nachricht geben wollte; der Amtmann ließ ihn bei der Entlassung Urfehde schwören, dass er weder beim Landeshauptmann noch beim Oberforstmeister und beim Inspektor klage. Die Frage war, ob der Amtmann den Patronat allein exerzieren sollte oder der Amtmann zu Arendsee Martin Falcke zu adjungieren sei. Viele Predigten hatten nur schlechte Dispositionen. Die Examen hielt der Inspektor überall selbst mit und fand diesmal nur bei Jübar, Neulingen und Heiligenfelde, dass die Arbeit mit den Katechismusübungen wohl geführet sei, wobei Jübar den Ruhm vor allen anderen behielt. Die Erklärungen des Katechismus waren aber nicht überall gleich; einige gebrauchten den Frankfurtschen, andere den Lüneburgischen, 171 Ebd., fol. 121 ff., 20. Aug. 1737. 172 K l i n g e b i e l : Pietismus und Orthodoxie (wie Anm. 2), S. 318. - Mehrere Edikte und Verordnungen dazu siehe in: Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung (wie Anm. 1), S. 119 f. von 1727 ff. zu Candidati, S. 206 ff. zu Studiosi Theol. 173 C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 29.3. 171 Diesdorf, Jübar, Hilmsen, Osterwohle, Altensalzwedel, Henningen, Immekath, Gischau, Binde, Neulingen, Schernikau, Ileiligenfelde, Chüden (BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 116, fol. 3 ff., 3. Sept. 1715).'
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wieder andere den Dannenbergischen Katechismus. Ebenso unterschiedlich waren die Gesangbücher; einige benutzten Crügers, andere das Goslarsche und die Grenzdörfer das Lüneburgische. Dann befragte der Visitator überall in Abwesenheit des Pastors die Gemeinden über diesen mit der Aufforderung, frei die Wahrheit zu bekennen, fand aber keine Gemeinde zu negativen Äußerungen bereit. Nur die Kirchenvorsteher in Binde sagten, dass ihr Pfarrer David Winterfeld unlängst bei der Taufe eines Hurenkindes sieben Gevatter zugelassen hätte 175 . Der Patron Thomas Heinrich v. d. Knesebeck gab an, dass die unverheiratete Nichte der Pastorsfrau, Maria Fischer, im Pfarrhaus entbunden, ihr Kind aber nicht an der Nabelschnur versorgt habe, wie sich befand, als man es aus dem Häckerling hervorzog, weshalb das Kind crepiren musste. Der Pastor habe das nicht beim Gericht gemeldet, sondern das Kind ohne Besichtigung beigesetzt und die Hure weggehen lassen, als des Pastors Sohn wegen der Schwängerung in Verdacht geriet. Der Pastor wollte jedoch eiweisen, dass er dies alles dem Patron gemeldet habe. Die Gemeinde zu Neulingen beschwerte sich über ihren Patron (den Amtmann zu Arendsee im Auftrag des Königs), weil er ihnen die Wetter Feyer=Predigten abgenommen hätte. Laut Aussage des Pastors war das geschehen, weil die Gemeinde ihm das Akzidenz dafür, drei Scheffel Rauhhafer, versagt hätte; bei dessen Restitution gingen auch wieder die Predigten an. Es handelte sich um eine Spielart der schon erwähnten, in der Altmark seit alters gebräuchlichen Hagelfeier. Ihren Zuhörern gaben die Pastoren überall ein gutes Zeugnis; es wurden nur Klagen gegen einzelne Gemeindeglieder vorgebracht. Der Pastor zu Osterwohle zeigte an, dass der Müller zu Groß Grabenstedt, Frantz Müller, sich als ein Verächter des öffentlichen Gottesdienstes und der hl. Sakramente und dabei grob und unverantwortlich aufführe. Bei der Visitation nicht erschienen, wurde die Angelegenheit dem zuständigen Amtmann zu Dambeck übergeben, der dem Müller den Nacken zu beugen übernahm 176 . Die visitierten Wohnhäuser der Prediger auf dem Lande waren meistenteils in schlechtem Zustand, besonders schlecht aber in Immekath, Altensalzwedel, Chüden und Schernikau. Die Einkünfte und Akzidenzien der Pfarrer waren an einigen Orten zulänglich, an anderen aber ganz unzulänglich; dort mussten sie sich mit dem mühsamen Ackerbau und wenigen Akzidenzien behelfen. Schule wurde nur zur Winterszeit, und zwar an einigen Orten sehr kümmerlich, gehalten. Vorschläge des Inspektors zur Sommerschule fanden kaum Gehör; daher bemühte er sich darum, dass die Küster die Jugend am Sonntag den Katechismus
175 Laut Verordnung vom 17. Juli 1685 sollten, bei 1 Taler Strafe, nicht mehr als fünf Gevatter gebeten werden (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung [wie Anm. il, S. 152 f.). 176 1692 wurde Versäumnis der Katechisation unter weltliche Strafe gestellt: "Wenn gütliche Ermahnungen nicht verfingen, sollten die „gottlosen Verächter" entweder mit Geld oder aber mit Leibesstrafe zu ihrer Schuldigkeit angehalten werden (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung [wie Anm. 4J, S. 120).
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und christliche Lieder beten ließen. An den Orten, w o keine Küster seien, würden Schulmeister angenommen; aber es fände sich selten, dass die Gemeinden sich darüber einigten. Auch die Küsterwohnhäuser waren in den meisten Orten schlecht. Besonders klagte der Kantor zu Diesdorf über sein unbequemes und schlechtes Haus; er habe darin nicht einmal eine Stube, in der die Schulkinder ohne Verletzung ihrer Gesundheit sitzen könnten. Auch der Küster in Altensalzwedel klagte. Und überdies hatten die Küster durchgehend schlechtes Gehalt. Der Bericht machte deutlich, dass es auch in der Inspektion Alt-Salzwedel Probleme weltlicher wie geistlicher Natur gab und die Grenzlage zu Braunschweig-Lüneburg noch dazu die Vielfalt der Unterrichtsmittel begünstigte, die als nachteilig erachtet wurde. 1719 brachte Inspektor Stephan Schultze in seinem Visitationsbericht andere Vorgänge zur Sprache, an denen er Anstoß nahm und seiner Funktion gemäß nehmen musste 177 . Zum einen war es, wie auch in anderen Inspektionen der Altmark, das Pfingstbier, welches die gantze Andacht in der Wochen verdirbet, indem bis zum Sonntag continuiret werde. Man wünschte, es entweder ganz abzustellen wie an vielen anderen Orten oder dass es auf gewisse Zeit, Maß und Ordnung restringiret würde. Zum anderen waren es die Bettler, besonders die Invaliden, die entgegen königlicher Verordnung im Lande ohne Maße, Ordnung und Aufsicht herumliefen, ohne Gottesdienst lebten, sich mit Weihes Bildern behängen, sich auf das Betteln verließen und die Sünden des Landes häuften; Verordnung sei erwünscht. Zum dritten war von den Kirchenvorstehern geklagt worden, dass sie ebenso wie einige Prediger von den Kirchengeldern und deren Administration nichts wüssten. Den Beamten und Patronen möge bedeutet werden, dass sie überall den Pastoren und Kirchenvätern die Kirchenintraden und den übrigen Zustand bekannt machen sollen. Zudem hatte der Inspektor zwischen einigen Pastoren und ihren Gemeinden einiges Mißverständnis bemerkt, weil sie sich wegen der Unkosten nicht verständigen konnten, die zu Probepredigt, Ordination, Introduktion und Transport des Kandidaten erforderlich waren. Das bekam er dann selber zu spüren, als er zwecks Introduktion eines Pastors nach Heiligenfelde kam: Die Mater Heiligenfelde wie auch die Filia Dessau haben mich sitzen lassen und niemand mich wieder hereinfahren wollen. Da musste er seine Rückreise ä drei Meilen mit einem Taler aus eigenen Mitteln besorgen und sogar seine Akzidenzien aus Dessau zurücklassen. Und ebenso war er bei der Visitation in Neulingen sitzengeblieben. Er bat um Klärung des Vorfalls. Das war freilich für den Inspektor hart. Der Grund oder die Ursache des Verhaltens dieser Kirchengemeinden wird nicht genannt; vermutlich waren noch ganz andere Faktoren im Spiel. Als Stephan Schultze zehn Jahre später einige Orte um Arendsee bereiste, fand er bei den meisten Pfarren alles in stahl, aber bei der extraordinären Visitation in [Klein] Gartz den 84jährigen Pastor [Christoph] Praetorius [Schulze] nunmehr in solchem Unvermögen, dass er seinem Amt nicht mehr in allem
177 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 119, Bericht v o m 13. Nov. 1719.
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vollkommen Genüge leisten könnte. Katechisation fand nicht mehr statt; bei der Gemeinde traf der Inspektor nur auf Unwissenheit. Er hatte den Patron um einen Adjunkten ersucht, aber es war noch nichts geschehen 178 . In diesem Amt war der alte Herr schon seit 1676, also 53 Jahre lang. Er starb am 6. Juni 1730. Ein Nachfolger wurde erst 1731 eingeführt179. 1736 führte Johann David Solbrig, Sohn des Seehäuser Inspektors David Solbrig, bisher Pastor in Hindenburg und nun als Inspektor nach Salzwedel berufen18IJ, die Visitation durch und berichtete über Besonderheiten und Mängel, die ihm als Zugereistem aus der östlichen Inspektion Werben aufgefallen waren, zunächst in den Amtsdörfern. In einigen Orten hatten die Leute noch keine Bibeln und NT. Da diese jetzt aber wohlfeil zu haben waren, sollte befohlen werden, dass wenigstens die Kinder, die zum hl. Abendmahl vorbereitet werden wollten, mit Bibeln oder NT versehen seien. Das Katechismusexamen besuchte die Jugend in einigen Orten, besonders im Sommer, sehr selten; die Kinder müssten beim Vieh liegen, wie vornehmlich der Pastor in Binde beklagte. Eine Sommerschule fand der Inspektor an keinem Ort; die königliche Verordnung von 23- Oktober 1717 werde also gar nicht observiret. Die Bauern nähmen oft, wider den Willen ihrer Prediger, Schulmeister, insgemein liederliche Leute, die selber den Katechismus nicht verstünden und ein gottloses Leben führten, wodurch die Jugend desto mehr verderbet würde. Hierüber hatte besonders der Pastor zu Sanne (bei Arendsee) geklagt. Begrüßenswert fand Solbrig daher die schöne Veranstaltung in den Diesdorfer Gemeinden: Schulgeldzwang für alle Kinder über sechs Jahre, sie gingen zur Schule oder nicht, so dass die Eltern forciret würden, sie zur Schule zu senden. Das sähe er gern so in allen Orten. In Kläden (bei Arendsee), wo kein Küster war, wünschte der Pastor, dass ein ständiger Schulmeister konstituiert werden möge 181 . Doch es gab auch Lobenswertes. In eben diesem Kläden, dessen Pastor Christoph Dietrich Schultze zugleich Diakon in Arendsee war, fand nicht nur seine Predigt Beifall, sondern auch seine intensive Arbeit mit der Jugend. Es waren viele Kinder im Examen zugegen, die meistens Bibeln und NT gut aufschlagen und fertig antworten konnten, und die Gemeinde gab ihrem Prediger ein sehr gutes Zeugnis182. Ebenso war es im Kirchspiel Amt Salzwedel (Hl. Geist in der Vorstadt Perver). Der Prediger Matthias Lüssow wünschte aber, dass dem Krüger Heinrich Friedrich Quest befohlen werde, seinen allzunah der Kirche gelegenen Kegelplatz zu verlegen oder wenigstens während des Gottesdienstes nicht darauf spielen zu lassen. In Ritze möge ein ständiger Schulmeister gehalten werden. Hier beklagte er drei unbußfertige Personen und
178 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 120, Bericht vom 17. Nov. 1729. 179 C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 295 (Christoph Schulze), S. 273 (Nachfolger Eranz Anton Friedrich Roth). 180 Ebd., S. 303 f. Der 1688 in Mittenwalde g e b o r e n e Solbrig hatte in Leipzig und Rostock studiert. 181 BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 112, Bericht v o m 13. Dez. 1736. 182 Ebd., Protokoll vom 22. Nov. 1736.
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das gottlose Pfingstbier-Sauffen. Die Ritzer hätten ihm aber Mann für Mann in die Hand gelobt, nie wieder Pfingstbier aufzulegen 183 . Auch in Gieseritz, wo das Pfingstbier noch gebräuchlich war, gelobten sie auf ernstes Zureden hin mit Handschlag, von nun an diese Gottlosigkeit abzuschaffen 184 . Fast alle Pfarrer der Amtsdörfer fanden mit Predigt und Katechisation den Beifall des Inspektors, ebenso das Wissen der Examinierten. Nur in Heiligenfelde beanstandete er, dass der Pastor im Katechismusexamen selbst zu viel redete und zu wenig fragte. Solbrig katechetisierte deshalb hier wie auch in den übrigen Gemeinden selbst, um dadurch Methodum an die Hand zu geben 185 . Der sehr tüchtige und angesehene Pastor Adam Höppener in Mehmke grämte sich nur über einige Unversöhnliche: Hans Carriths Ehefrau hält ihren Mann verächtlich, hat sich von ihm gebettet und versaget ihre Ehel. Pflicht. Außerdem waren sie und ihre Mutter mit der Schulzenfamilie so zerstritten, dass vor Gericht kein Vergleich zustande kam. Der Pastor habe danach aber zwei Tage hintereinander an ihnen gearbeitet, schließlich Frau Carrith zum Einlenken als Ehefrau gebracht und die Streitenden miteinander versöhnt 186 . Auch bei der Visitation der adligen Pfarrdörfer 1736/37 fiel Inspektor Solbrig das gottlose Pfingstbier-sauffen auf, das noch in sehr vielen Orten leider üblich sei wie auch das silndl. Fastnach-halten und das sündliche Sontags-Kegeln. Die Jugend war nicht überall mit Bibeln und NT versehen. An einigen Orten schämten sich die Knechte und Mägde, zum Katechismusexamen hervorzutreten; doch mit den kleinen Kindern allein sei nichts auszurichten. In etlichen Gemeinden nähmen die Bauern Schulmeister wider der Prediger Wissen und Willen an. Der Pastor zu Bombeck hatte Vorschläge zur Verbesserung des Schulwesens in seiner Gemeinde eingereicht, die Bauern ihrerseits um Verwendung eines nutzlosen Hirtenhauses im Chein-Holz für ein ordentliches Schulhaus in Seeben und Darsekau ersucht 187 . Der Inspektor engagierte sich auch in diesen Dörfern für gutes Katechisieren durch Vorbildwirkung; denn in einigen redeten die Pastoren selber zu viel und fragten zu wenig. Öfter noch als in den Amtsdörfern prangerte er vor Ort die weltlichen Bräuche an; besonders schlimm erschien ihm der Zustand der Gemeinde in Altensalzwedel, wo der Pastor Johann Samuel Belitz sterbenskrank war. Es sei eine gar verwilderte Gemeinde und insonderheit auf den Filiae noch das gottlose Pfingstbiersaufen. Auf ernstliches Zureden wandten sie ein, das meiste Gesinde seien Soldaten, und die ließen sich nicht zwingen. Doch auch auf weiteres Zureden, es wenigstens für ihre Person und ihre Familie zu unterlassen, blieben sie unbewegt: es stehe nicht zu ändern, einer verführe den anderen.
183 184 185 186 187
Ebd., Protokoll Ebd., Protokoll Ebd., Protokoll Ebd., Protokoll BLHA, Rep. 40
v o m 25. Nov. 1736. vom 26. Nov. 1736. v o m 5. Dez. 1736. v o m [27./30.1 Nov. 1736. A, Nr. 113, Bericht vom April 1737.
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Solbrig grollte, dass das Pfingstbier oft bei den Hauswirten reihum gehalten werde, und den die Reihe beträfe, müsste schlachten und anrichten lassen wie zu einer Hochzeit. Alsdann kämen sie zusammen, freßen, sauffen, tcmtzen und haben Musikanten, was einige Tage lang hintereinander dauerte, da sie wohl meistens toll und voll sein werden, wie denn auch hin und wieder viel Hurerei dabei vorgegangen sein soll usf. Einige Obrigkeiten hätten wohl die betreffenden Wirte nachdrücklich gestraft und die Instrumente der Musikanten entzweischlagen lassen, an welchen Orten sich dann diese Gottlosigkeit gelegt habe 188 . Auch in den Gemeinden Wallstawe, den Filiae Kricheldorf und Brewitz des St. Georg-Hospitals vor Salzwedel, in allen vier Dörfern der Pfarre Pretzier und in Klein Gartz war das Pfingstbiersaufen und Fastnachthalten noch gebräuchlich; in den Filiae von Bombeck sollte es heimlich geschehen sein181·1. Im Übrigen traten nur wenige Patrone in Erscheinung und die weltlichen Obrigkeiten immer nur dann, wenn ihre eigenen Interessen berührt wurden. Hier herrschten Großparochien vor, die ihr Eigenleben führten und wo sich bestimmte Kirchenordnungen gar nicht durchsetzen ließen, wie z.B. in Henningen bei Osterwohle. Das Katechismusexamen sollte an sich am Sonntagnachmittag gehalten werden; doch da die sieben oder acht Dörfer nicht am Vormittag zur Predigt und dann nochmal am Nachmittag zusammenkommen wollten, hielt der Pastor das Examen gleich nach der Predigt ab 190 . Zudem stießen hier die liturgischen Neuerungen, die Friedrich Wilhelm I. wünschte, eher auf Hürden als in der östlichen Altmark. Im Filial Köbbelitz der Pfarre Immekath war bisher noch ein Chorrock statt des Mantels in Gebrauch gewesen. Die Frage war, ob die Gemeinde nicht, wie bisher den Chorrock, nun auch den Mantel anschaffen müsste; denn aus dem Chorrock konnte kein Mantel gemacht werden 191 . In den Filiae Maxdorf und Hagen der Parochie Altensalzwedel waren noch statt der vorgeschriebenen Mäntel schwarze Röcke ohne Hemd in Gebrauch. Das Konsistorium sollte entscheiden, ob es dabei bleiben sollte, da es ja keine Chorröcke waren 192 . Das Verhältnis von Pfarrer und Gemeinde schien in den meisten Kirchspielen ausgeglichen; sie stellten sich gegenseitig ein gutes Zeugnis aus. Klagen gab es nur wie überall über die unzureichenden Schulverhältnisse und den schlechten Schulbesuch. Und in Binde beschwerte sich der Pastor Johann Christian Wendeborn über einen Ackermann in der Filia, Christoph Preuß, der ihm von seiner Wiese vieles abgepflügt, ihn auch mit Injurien belästigt und u.a. gesagt hätte: Das habe er wohl gehört, daß die Hölle mit Priester-Köpffen gepflastert sei. Dieser Mann weigerte sich auch, zu ihm zu kommen, wenn er ihn Amts halber sprechen wollte. Er fehlte auch jetzt19^. 1737 188 Ebd., Protokoll vom 9. Febr. 1737. 189 Ebd., Protokoll vom 19. Febr. 1737 (Wallstawe), 20. Febr. 1737 (St. Georg-Gosptal), 23. Febr. 1737 (Pretzer), 21. Febr. 1737 (Klein Gartz), 17. Febr. 1737 (Bombeck). - Vgl. auch G l e i x n e r : Die „Ordnung des Saufens" und „das Sündliche erkennen" (wie Anm. 17), S. I i ff. 190 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 113, Protokoll vom 16. Febr. 1737. 191 Ebd., Protokoll vom 11. Febr. 1737. 192 Ebd., Protokoll vom 9. Febr. 1737. 193 Ebd., Protokoll vom 23. Nov. 1736.
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reichte Solbrig die Konduitenliste der Prediger und Küster ein. Die Geistlichen hatten meist in Halle und Helmstedt studiert194. Im Ergebnis der Bereisungen 1739/40 bemängelte Solbrig vor allem, dass sich die Zuhörer zu den Visitationen sehr unfleißig einstellten, weshalb nicht alles observiert werden konnte. Trotz königlicher Verordnung würden nicht nur die Alten in den allerwenigsten Orten examiniert, sondern auch das Gesinde und die erwachsenen Kinder; denn sie schämten sich, hervorzutreten. Andererseits gab es Beschwerden wegen der Dienste, die sie vom Sonntags- und Festtagsgottesdienst abhielten: die der Untertanen des Amtes Dambeck über Kornführen nach Lüneburg, die sie sonntags antreten müssten, anderer unter v. d. Knesebeck zu Tylsen und v. d. Schulenburg zu Apenburg und Winterfeld über bis fünf Meilen und mehr entfernte Hofdienste; um Montags früh um 6 Uhr dort zu sein, müssten sie am Sonntag hingehen und also den Gottesdienst versäumen 195 . Das war kaum übertrieben; denn die Bauern des Joachimsthalschen Schulamts Dambeck waren am höchsten von allen Amtsbauern der Altmark mit Diensten belastet, und vergleichbar standen sich Dörfer der Schulenburgschen Herrschaften Beetzendorf und Apenburg, die ungemessen dienen mussten11·10. Im Einzelnen stellte sich die Situation in den Kirchspielen teils ähnlich, teils verschieden dar. Singular erscheint der Vorwurf des Pastors Adam Friedrich Alex in Diesdorf, einige in der Gemeinde hätten sich bei Krankheiten Rat von katholischen Pfaffen in Peine geholt, dgl. die Klage des Pastors Achatz Johann Trustedt in Neulingen über Leute, die deswegen Zauberer befragten 197 . Hexenverfolgung war passe, Zauberei aber nicht und daher anstößig. Ein wunder Punkt, und das durchaus nicht singulär, war auch in der Inspektion AltSalzwedel der selbstherrliche Umgang der Patronatsherren mit dem Kirchenvermögen. Bei den Visitationen waren sie kaum zugegen, verwahrten die Rechnungen und Gelder bei sich und ließen sich auch nicht von den Pastoren, geschweige den Kirchenvorstehern, wenn es sie denn gab, in die Karten gucken 198 . Dieses Problem blieb auf der Tagesordnung. 1746 klagte Solbrig: Einige Patrone, auch außer Landes wohnende, hätten Kirchenkapitalien ohne Konsens des Konsistoriums an sich gebracht. An den wenigsten Orten wüßten die Kirchenvorsteher etwas vom Kirchenbestand199. Zäh hielten auch nicht wenige Gemeinden an ihren Biergelagen zu Pfingsten und Fastnacht fest. 1744 wurde das gottlose Pfingsthiersaufen ganz enorm in Riebau ge-
191 Ebd., Conduitenliste von 1737. 195 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 114, Bericht vom 10. Mai 1741, fol. 21 ff. Protokolle vom 15. und 16. Sept. 1739, fol. 29 dgl. vom 10. Juli 1710. - Vgl. auch G l e i x n e r : Die „Ordnung des Saufens" und „das Sündliche erkennen" (wie Anm. 17), S. 19 f. 196 Vgl. Lieselott F, η d e r s : Frondienst in der Altmark - Analyse und Vergleich (16.-18. Jahrhundert), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 19 (2003), S. 83-117, hier S. 128 (Amt Dambeck) und 130 (v. d. Schulenburg). 197 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 114, fol. 16 f. Protokoll vom 8. Sept. 1739 (Diesdorf), fol. 30 Protokoll vom 12. Juli 1710 (Neulingen). 198 Vgl. II a u ß m a n n : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung (wie Anm. 18), S. 163 f. 199 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 115, Bericht vom 24. Jan. 1746.
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halten; laut Bericht zu 1745 riss es in etlichen Orten wieder ein, kontinuierte in Klein Gartz, Kerkau und in der Pfarre Zum Hl. Geist auf dem Amt Salzwedel. Besonders Offenbahre, muthwillige und freche Sünder seien in Binde, Kläden, Sanne und Ritze namhaft gemacht. Ein erbarmungswürdiger Zustand aber sei in Heiligenfelde. Hier gereichte das Leben des Predigers und seiner Frau zum großen Ärgernis nicht nur der Gemeinde, sondern der ganzen umliegenden Gegend 2IJU . Dem Ersuchen der Gemeinde um einen anderen Seelenhirten wurde aber nicht entsprochen. Das Konsistorium war immer u m Kompromisse bemüht, so wohl auch hier; denn der Pastor amtierte noch bis 17782IJ1. Im Ergebnis der Visitation von 1748 monierte Inspektor Solbrig, dass viele Pastoren ihre Predigt nicht konzipierten und diese bei den Examen nicht überall, besonders in Immekath, catechisandi repetiert würden. In Benkendorf hatte keiner der Jugend einen Katechismus bei sich, und die Knechte blieben auf dem Chor stehen, so dass der alte Pastor immer von der Erden hinan fragen musste. Der Inspektor ließ sie herunter kommen, und das sollten sie beim Examen immer tun, wozu sie aber noch nicht Lust bezeigten. Dagegen waren die Katechisationen in Rohrberg, Steimke, Diesdorf, Groß Chüden und Mechau wesentlich geschickter und erfolgreicher 202 . Beklagt wurde auch, dass es in einigen Gemeinden hin und wieder unversöhnliche wie auch Verdichter des heil. Abendmahls gebe, so in Dambeck, Rohrberg, Immekath und Mechau. In Jübar nahmen die Patrone noch immer das Kirchengeld und die Dokumente der Kirche mit sich außer Landes. Und vielerorts, z.B. in Steimke und Rittleben, wurden dem Inspektor die Kirchenrechnungen wieder nicht vorgelegt. Sehr unterschiedlich verhielt es sich außerdem mit dem Schulwesen. Winterschule wurde fast überall gehalten, Sommerschule in Steimke und Diesdorf, damit der Anfang gemacht war in Jübar, gar nicht zustande zu bringen z.B. in Mehmke und Mechau, und in der Amtsstadt Arendsee nahmen infolge Uneinigkeit der Schulkollegen die Winkelschulen immer mehr zu. Amtsrat und Pastor sollten mit Zuziehung der Viertelsleute und des Magistrats nochmals eine Schulordnung machen und der junge Pastor die Schule visitieren. 1749 rügte der Inspektor erneut das gottlose, so oft verbotene PfingstSanffen, und auch das Fastnachtsaufen reiße z.T. wieder ein, in diesem Jahr besonders in Kerkau, Heiligenfelde und Neulingen. Sommerschule fand fast nirgends statt. 1750 konstatierte Solbrig sogar, dass an einigen Orten die Kinder fast gar nicht zur Schule geschickt wurden, der Schulze in Riebau aber laut Klage des Pastors nach Belieben, ohne Vorwissen des Predigers, Schulmeister annahm. Im Pfarrdorf Kuhfelde war über Jahr und Tag keine Schule gehalten worden; nun hatten die Vitzker einen eigenen Schulmeister angenommen, was die Schule in Kuhfelde beeinträchtigte, weil es dort zu wenige
200 Ebd., Bericht vom 10. Dez. 1744, 24. Jan. und 26. De/. 1746 und Protokoll. 201 C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 181. 202 LHASA MI), Rep. A 12 Generalia Nr. 2617, Bericht vom 13. Jan. 1719 und beigefügte Protokolle; auch für das Folgende.
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Kinder gab. Die Patrone zu Osterwohle wiederum verursachten durch wechselseitige Prozesse, dass der Prediger die Dörfer, auf die er noch nicht voziert war, nicht gebührend versehen konnte 2IJ3 . Fortschritt, Stagnation oder gar Rückfall in überwunden geglaubte Verhältnisse wechselten auch jetzt noch allzu oft. Benachbart der Inspektion Salzwedel im Westen der Altmark war die I n s p e k t i o n A p e n b u r g . Sie stand zwar unter dem Schulenburgschen Patronat, unterlag aber der Kontrolle des Konsistoriums wie die nichtadligen Inspektionen. Dazu gehörten 20 Parochien. Inspektor war 1737 der in Hilmsen gebürtige Pastorssohn Georg Friedrich Lütkemüller, nach seiner Feldpredigerzeit seit 1718 Pastor in Beetzendorf und Inspektor 2lj4 . Die meisten Prediger waren Altmärker, je einer stammte aus Thüringen, Salzungen in Franken, Reichenbach in der Oberlausitz und aus dem Braunschweigischen. Fast alle hatten in Halle studiert, je einer auch in Helmstedt bzw. Jena, je einer nur in Helmstedt bzw. Jena 2IJ5 . Der Braunschweiger, Diakon Johann Ludowig Meyer in Beetzendorf, hatte sieben Jahre vor seinem Studium in Halle die Information im Waisenhaus genossen2(\ war also von Jugend an umfassend im pietistischen Geist erzogen worden. Er hatte schnell das Vertrauen des Inspektors gewonnen und wurde 1741 dessen Nachfolger im Inspektorat. Im Verlaufe der Visitation wurden Gemeindebeschwerden nur über einen Prediger laut, und zwar in der Großparochie Jeeben über Johann Jacob Böhm wegen zu ungewisser Predigt- und langer Wartezeiten. Ursache sei, dass schon der vorige Prediger noch eine Frühpredigt in Bandau übernommen habe und der jetzige überdem noch dergleichen in Poppau und also allemal erst zwei Frühpredigten vor der Hauptpredigt in matre verrichtete, als welches nur Gewinns halben geschähe und eigenmächtig angefangen worden. Der Prediger gestand das von Poppau zu; er erhielte dafür 13 Scheffel Roggen zu seiner Verbesserung und verwaltete dabei das Singen lieber selbst, als dem Küster etwas abzugeben. Er habe vom Generalmajor und Reichsgrafen v. d. Schulenburg die Konzession, und es müssten die Gemeinden Peertz und Hohentramm die Zeit so genau nicht nehmen2{)1. Damit ließen es die Kirchenoberen aber nicht bewenden. Diese Poppauschen, pflichtete der Inspektor den Beschwerden bei, und seit zehn Jahren ohne Konzession in Bandau gehaltene Predigten verrücken allerdings die bisherigen guten Kirchenordnungen und besonders die Nachmittagskatechisation2IJ8. Böhm verteidigte sich: Das Kirchspiel sei zerstreut in sechs Dorfgemeinden, die meist nur klein seien, aber eigene Kirchen hätten, in denen gepredigt und das Abendmahl gehalten werde. Er müsse daher oft an einem Sonntag mehrere Predigten tun. Das war in den kurzen, kalten und finsteren Wintertagen besonders schwierig. Daher, so Böhm, könne er in matre
203 Ebd., Visitationsberichte von 1719 und 1750. 20 i C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 230. 205 206 207 208
BLHA, Rep. 40 A, Nr. 110, fol. 3 ff., Protokolle vom Febr. und Marz 1737. Ebd., fol. 11, 2 1 März 1737. Ebd., fol. 6 f., Protokoll v o m 2 1 Eebr. 1737. Ebd., fol. 6 f., Bericht vom 14. Okt. 1737.
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nicht morgens um 9 Uhr predigen, worauf sie aber bestünden, nur um etwas wieder mich oder mehr Zeit zu haben, ihren Trunck Geselschäfften nachzugehen. Sein Vorgänger habe in matre nicht vor 11 bis 12 Uhr den Gottesdienst angehen lassen. Der Erbauung gehe davon nichts ab. Er müsse seinerseits öfter wohl eine halbe Stunde und länger auf die Gemeinde warten. Auch kämen sie nicht regelmäßig zur Katechisation. Die 13 Scheffel Roggen aber brauche er, zumal er sich dadurch eigene Pferde leisten könne und nicht zu Fuß nach den Filiae gehen müsse wie meistens sein Vorgänger2"1·'. Das Konsistorium gebot dem Inspektor, weiter Acht zu haben und den Gottesdienst in den betreffenden Orten zu ordnen 21 IJ. Tatsächlich war die wirtschaftliche Lage mancher Pfarrer misslich, die des Predigers Gottlob Gvilielmus Engelmann in Ipse unübersehbar. Er hatte vier Jahre in Halle studiert, aber schlechte Gaben zu katechisieren. Indessen, so der Inspektor, halte er den öffentlichen Gottesdienst und die Examen ordentlich, fange auch an, ordentlicher und vorsichtiger zu leben, und leydet seine leibliche große Dürftigkeit, weßwegen Ersieh auch nicht ein Buch anzuschaffen vermögend ist, mit guter Gedult, und hoffet auf einen iinvermutheten Seegen zur Erschwindung der berlinischen geliehenen Reyse-Kosten2n. Über letztere stöhnten auch viele andere Amtsbrüder. Das Urteil über die Gemeinden fiel unterschiedlicher aus. Gelobt wurde die in Kallehne, die fast durchgehend Bibeln besaß, darin sie öffentlich nachschlage und die Lehre mit Sprüchen der Hl. Schrift fein bestärcket212. In Kleinau hatten Alte und Junge in der Gemeinde auf alle vorgelegten Fragen nicht nur wohl geantwortet, sondern auch jeder die Bibel fertig nachschlagen und daraus den Grund ihres Glaubens behaupten können2^ In Winterfeld fanden sich verschiedene Gemeindeglieder, die die Bibel fein nachschlagen konnten und in den Hauptstücken der christlichen Lehre nicht ungeübt waren 214 . Und in Ahlum hatte der Pastor Achatz Dieterich Wendeborn nicht nur erbaulich gepredigt, sondern auch mit vieler Erbauung und in lieblicher Ordnung chatechisiret. Dementsprechend seien die jungen Leute in der Gemeinde in geseegneter Bewegung, den Weg des Heyls gründlich zu erkennen, und dieser Lehrer hat Lust und Gaben von Gott zu arbeiten, leuchtet auch mit seinem guten Wandel der Gemeinde und benachbahrten Amtsbrüdern wohl />or215.
209 Ebd., fol. 12 ff., Beilage vom 10. April 1737. 210 Ebd., fol. 18. 211 Ebd., fol. 10, Protokoll vom 11. März 1737. - Bis Ende 1736 mussten sieh sämtliche Prediger in den Städten und auf dem Lande bei den beiden Präsidenten des Konsistoriums in Berlin melden, damit diese künftig auf Erfordern des Geistlichen Departements über jeden referieren könnten (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung [wie Anm. 11, S. 183, Befehl vom 5. Okt. 1736). 212 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 110, fol. 4, 12. Febr. 1737. 213 Ebd., fol. 5, 13. Febr. 1737. 211 Ebd., fol. 8, 28. Febr. 1737. 215 Ebd., fol. 10, 15. Mär/ 1737.
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Anders sah es in Ristedt aus. Über den Prediger Andreas Balthasar Kläden aus Jeeben wusste zwar der Inspektor zu berichten, dass er seine Predigten ordentlich und erbaulich abfasse, vor anderen gut und fleißig katechisiere und wandelt exemplarisch. Aber in der kleinen Gemeinde habe der Satann viel Unkraut ausgestreuet, und auch der Küster habe große Ärgernisse angerichtet 216 . Er habe, so der Pastor im Schreiben an den Inspektor, ein sehr lasterhaftes und ärgerliches Leben geführet, indem er trotz aller Warnungen oft zum Krug gegangen, alda gesoffen una' gespielet, wie er in den Kirchen die WeibesPersonen angelachet, auch sonst durch unzuläßigen Umgang mit denenselben der Leichtfertigkeit sich verdächtig gemacht, und endlich in die gräuliche Sünde des Ehebruchs gerathen217. Auch in Neuendorf b. Apenburg hatte der Prediger, Christian Petri aus Kerkau, erbaulich gepredigt und gut katechisiert. Aber die Gemeinde war dem Kirchen Schlaff sehr ergehen, und will sich der Prediger bemühen, ohne Zerrüttung seiner Andacht die Schlaffenden zu erwecken, und die nötigen Hausvisitationen nicht versäumen 218 . Gegensätzlich fielen die Aussagen in Breitenfeld aus. Der Prediger Samuel Christian Oldekop hatte mit guter Erbauung gepredigt und auch gut katechisiert. Die Gemeinde, die z.T. lüneburgische Untertanen waren, bezeugte freiwillig, dass sie zu der Zeit, als ihnen ein lüneburgischer Prediger vorgesetzt war, den öffentlichen Gottesdienst nie so ordentlich wie jetzt und wenn sie sonst brandenburgische Prediger gehabt hätten. Das enthob sie allerdings nicht der Kritik des Inspektors, dass in der Gemeinde ein schlechtes Erkanntniß vom Wege des Lehens und hißher eine schlechte Schulanstalt daselbst gewesen sei. Er aber arbeitet inzwischen auf Hoffnung und gehet ihnen mit gutem Wandel vor2V). Von Patronen war nicht die Rede. Der Inspektor wird sie bei Bedarf informiert haben. Die Verhältnisse schienen sich, abgesehen vom subjektiven Faktor und seinen Unwägbarkeiten, zu stabilisieren. Jahrzehnte später, 1761, berichtete Inspektor Johann Heinrich Schwerdt zu Apenburg von der diesjährigen Lokalkirchenvisitation zu Winterfeld, Stappenbeck, Kallehne, Kleinau und Thüritz. In allen Orten sei der öffentliche Gottesdienst ordentlich gehalten worden, Prediger und Küster hätten Amt und Dienst fleißig abgewartet; die Kirchenbücher seien in Ordnung 22 ". Ein Jahr später befand er auch in Neuendorf [bei Apenburg], Jeeben, Ristedt, Ahlum, Siedenlangenbeck und Saalfeld alles in Ordnung, keine Klagen der Prediger und Gemeinden, die Kirchenbücher in Ordnung. Nur Pastor Brückmann in Jeeben zufolge war in vielen Jahren in Bandau keine Kirchenrechnung gehalten worden; die Kirche habe eine Reparatur nötig, er wisse aber nicht, was sie im Vermögen habe. Prompt wies das
216 Ebd., fol. 6, 22. Febr. 1737. 217 Ebd., fol. 15 f., Schreiben vom 9. Mai 1737. 218 Ebd., fol. 9, Protokoll v o m 6. März 1737. 219 Ebd., fol. 9, 10. März 1737. 220 LHASA MD, Rep. A 12 Generalis Nr. 2508, S. 1.
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Konsistorium den Patron v. Koven an, bei Verlust des Patronatsrechts dafür zu sorgen, dass es binnen vier Wochen geschehe im Beisein des Pastors 221 . In der anderen adligen Kirchenaufsichtsbehörde der Altmark, der I n s p e k t i o n K a l b e / M . unter den v. Alvensleben (15 Parochien), gab sich der hier seit 1672 amtierende Inspektor Johann Christoph Henrici 1716 verhalten optimistisch. Er meldete, dass die im Vorjahr erstmals gehaltene Visitation nicht wenig gefruchtet habe, indem er sich über mehrem Fleiße sowohl bei Lehrenden als Lernenden zu erfreuen gehabt, wiewohl mit Unterschied, zumal die vormals bestens rekommandierten Prediger M. Stephan Heinrich Müller zu Engersen und Joachim Friedrich Wernich in Jeetze, jetzt in Zichtau, den Vorzug behielten; letzterer habe die Herzen durchs Wort des Herrn ziemlich gewonnen. Doch seien auch andere, die sich, dem nachzufolgen, ernstlich bemühten. Aber auch Rückschläge befürchtend, wollte er nicht hoffen, dass das ins episcopale dem iuri patronatus weichen werde - wohl eine Anspielung auf patronatsherrliche Willkür. In drei Orten fehlte es noch an Richtigkeit der Rechnungen, obwohl man's bei der ersten Visitation versprach. Ebenso hielten fast überall die Klagen der Prediger und Küster über den Schulbesuch an, im Sommer gar nicht, im Winter einige etwa gegen Martini oder die Adventszeit; wird es Holtzwinter, währt's mit solchem Schulegehen nicht lange. Und auch mit den Armenkassen stand es schlecht. Sie waren zwar angeordnet; da aber unzählige Leute, die in Sachsen und im Lüneburgischen nicht eingelassen wurden, in der Altmark mit großer Importunität, Gewalttätigkeit, Schelten, Fluchen und harten Drohungen bettelten, mit dem, was aus der Kasse gegeben werde, nicht vergnüget seien und sich nicht abweisen ließen, hätten die Landleute fast allenthalben die Kassen aufgehoben; denn sie wollten nicht doppelt geben. Ex online politico sei ihnen bisher noch niemand zu Hilfe gekommen. Ansonsten, so der Inspektor, nehme die Missetat der Hurerey und des Ehebruches gar sehr zu. Und sie sagten gar, wenn sie der Obrigkeit ihre Strafe entrichteten, der Kerl oder gar Junge 20 Gulden, das Weihes-Stück zehn, sei alles gut. Bei diesen wolle der Meineid leider sehr überhand nehmen, und hat der Satan einige so bezaubert, daß sie ungeachtet alles Wiederspruchs ans Gottes Wort anffihre reservata mentis sich steiff und feste verlaßen, als wenn nemlich, ob sie gleich mit dem Munde schwilhren, in ihren Gedancken aber die böse That gestünden und Gott bekenneten, derselbe sie nicht straffen würde, und also sicher für der Welt einen Eyd ablegen könten. Von dem mehr als bestialischen Saujfen in den Krügen, wo zuweilen Knechte, Mägde und Jungen (der Alten jetzt nicht zu gedenken) Geld zusammenlegten, um bei solchem Gesöffe und Geschwärme ihre üppige Täntze und andere Bosheit zu treiben, sei zu berichten. Er habe sich auch zu beschweren über Ungehorsam, ja gar Verachtung, da die Leute an etlichen Orten spahrsahm zur Kirche kämen, an andern am Visitationstag durch die Ackervögte zum Herrendienst angetrieben und von der Kirchenversammlung abgehalten, unnötige Reisen vorgenommen würden, oder sie blieben auch
221 Ebd., S. 3 ff.
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wohl während des Gottesdienstes bey der Leire [Leier] im Kruge sitzen. Zu geschweigen, was ihm sonst von hochfliegenden und trotzigen begegnet sei, wollte es aber verschmerzen, da es wohl angesichts seines hohen Alters seine letzte Visitation sei. Darin täuschte sich Henrici. Dem ca. 1643 geborenen Geistlichen war diese Erleichterung noch etliche Jahre versagt 222 . Als er 1717 die Lokalvisitation in seiner Inspektion, die 15 Landpfarren umfasste, vornahm, konstatierte er aber bei Lehrern und Zuhörern eine weit bessere Beschaffenheit als beim ersten Mal, beklagte nur wieder das schlechte Dorfschulwesen. Die weltliche Obrigkeit halte ihre Untertanen auch nicht in gebührlichem Ernst dazu an, zur Visitation zu erscheinen. Einige würden dann wohl zum Hofdienst gezogen, einige Nebendörfer blieben wohl ganz weg. An drei Orten hatte er die Spezifikation der Kirchenintraden noch immer nicht erhalten, trotz vieler Erinnerungen. Wie seine Amtskollegen forderte er auch statt des Verwirrung stiftenden Gebrauchs verschiedener geistlicher Bücher, Postillen wie Möllers und anderer, Krügers oder Lüneburgischer Gesangbücher, gehäufften verschiedenen Catechismußen (an einem Orte Sötheflesches kurtze Analysis, am anderen Speners kurze Anleitung, am dritten Ort der Frankfurtsche Katechismus) die Einführung eines generellen Katechismus. Außerdem klagte er über mangelhafte Einkünfte: Von den Vorwerken der v. Alvensleben würde ihm der Vierzeitenpfennig nicht gereicht, was ihm, weil derer vier an der Zahl, sensible sei, und es gebe Streitigkeiten wegen der Größe und Länge der Würste, Brote, Eier etc. 223 Dem 81-jährig verstorbenen Inspektor Henrici folgte 1724 Johann Christian Goclenius im Amt. 1680 in Magdeburg geboren, hatte er nach dem Studium in Helmstedt seit 1708 die Pfarre in Neuendorf bei Klötze kuriert 224 . Anfang 1737 berichtete er auf die Anfrage, ob die Kasein, Chorröcke, Messgewand und Altarlichter abgeschafft seien, Chorröcke, Kasein und Messgewand seien bei Menschengedenken in der ganzen Inspektion nicht gebräuchlich gewesen, sondern es sei diese Diözese von diesen Päbstlichen reliquien rein geblieben. Die Altarlichter seien sogleich und zwar dergestalt zurückgesetzt, nicht weniger das Absingen der Collecte, des Segens und der verbonim institutionis Sacra Coena unterlassen worden, dass niemandem in der Gemeinde der geringste Anstoß daraus erwachse. Er habe auch bei der letzten Lokalvisitation den Predigern geboten, ihre Gemeinden auf das wahre Wesen des Christentums zu führen 22 "\ Wenig später reichte er die Protokolle der Generalvisitation ein. Den Pfarrern, die überwiegend in Halle, z.T. auch in Helmstedt, je einer auch in Jena und Rostock studiert hatten, gaben ihre Gemeinden und, soweit anwesend, auch die Patrone durchweg ein gutes Zeugnis, und auch die Schulmeister wurden allesamt gelobt, ausgenommen der obstinate Kantor im Städtchen Bismark. Die fünf Schulmeister in der großen Parochie Berge mit den Filiae Solpke, Jerchel, Potzehne und Sachau be-
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Czubatynski: LHASA MD, Rep. Czubatynski: LHASA MD, Rep.
Evangelisches A 12 Generalia Evangelisches A 12 Generalia
Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 186. Nr. 2519, zu 1716, 1717 u n d o.D. Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 166. Nr. 2519, 6. Jan. 1737.
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schwelten sich ihrerseits, dass sie im Sommer Hilten abgeben, auch wachen und andere Dienste in der Gemeinde tun sollten, widrigenfalls sollten sie keine Wohnungen haben. Das wurde den Gemeinden verwiesen 226 . Insgesamt konnte der Inspektor bezeugen, dass er allenthalben im Gottesdienst sehi' gute Ordnung vorgefunden hatte. In den Katechisationen waren die Kinder und die Alten sehr wohl geübet, und in aller Händen fand er die Bibel mit der fertigsten Übung, die Sprüche nachzuschlagen. Von den Predigern sei bis dato gottlob nicht das geringste unanständige bekannt geworden. Zu erinnern wäre aber, dass den Schulmeistern auf den Filialen gewisse Schulhäuser gebaut, die Schulmeister allein von den Predigern und nicht von der Gemeinde allein erwählt und auch von gemeinen oneribus und Diensten freigestellt würden, außerdem die Eltern allen Ernstes zum Schulbesuch der Kinder anzuhalten. Im Übrigen gebe es in allen Orten unheilbare, die ihnen [sich] nicht wollen helffen laßen. 1750 fiel die Bewertung der Pfarrer gleichermaßen günstig aus, z.B. in Groß Engersen, wo von der Conduite des Predigers nichts als rühmliches und friedfertiges mit Patronen und Gemeinen zu melden war, und in Zichtau, wo anwesende Patrone und Gemeinden ihre Liebe gegen selbigen öeffentlich bezeuget haben. Ebenso schnitten die Schulmeister allesamt gut ab, Katechisation und Bibelgebrauch. Zufrieden konnte der Inspektor abschließend resümieren, dass sich seine Arbeit ausgezahlt habe, wie auch endlich erreicht war, dass auf allen Filialdörfern ständige Schulmeister bestellt und ihnen auch eigene Wohnungen gebaut wurden227. Mitte des 18. Jahrhunderts bestätigte sich, in welchem Maße Erfolg nicht nur von der individuellen Wirksamkeit der Verantwortlichen, sondern auch von der Interaktion zwischen Geistlichen, Gemeinden und Patronen abhing. Das bestätigte sich, wenn auch nicht nur von der positiven Seite her, in der Ins p e k t i o n G a r d e l e g e n , die 20 Landparochien umfasste228. Johann Rudolph Noltemus221·1 hatte 1736 einen überwiegend guten Eindruck von den Predigten und Katechisationen der sieben Pfarrer königlichen Patronats, musste aber zugleich in die allgemeine Klage einstimmen, dass die Kinder auf dem Lande nicht zur Schule gingen oder z.T. nur drei bis vier Wochen im Jahr. Die Eltern kehrten sich nicht an das Edikt von 1717, und auch einige Prediger seien zu nachsichtig und nähmen Kinder, obgleich noch nicht tüchtig genug, zum Tisch des Herrn an2;iu. Der Nachfolger im Amt, Inspektor Thomas Christian Busse, aus Prenzlau gebürtig, zuerst Feldprediger in Berlin, seit 1741 in Gardelegen231, befand nach der Kirchenvisitation 1743 die meisten Gemeinden in guter Ordnung; doch gab es auch Mängel. In
226 Ebd., S. 1 ff. Schreiben vom 9. April 1737 und Protokolle; auch für das Folgende. 227 Ebd., Schreiben v o m 10. Eebr. 1751 und Protokolle der im Sommer 1750 gehaltenen Lokalkirchenvisitation nebst konduitenliste. 228 B o n i n : Entscheidungen (wie Anm. 4), S. 593. 229 Siehe Anm. 115. 230 LHASA MD, Rep. A 12 Generalia Nr. 2518, 13. Dez. 1736. 231 C'/.u b a t y η s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 3 D , 2000, S. 135.
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Roxförde sei die Ursache des betrüblichen Zustands der Gemeinde wohl großenteils, dass der 67-jährige Prediger das Amt nicht mit der gehörigen Munterkeit versehen könnte, ungeachtet er, der Verordnung zuwider, lange, aber auch sachte gnug [laut Protokoll lange und kraftlos] predigte. Die Gemeinden könnten sich nicht über den höchstnötigen Bau der Küsterei einigen. In Bregenstedt schickten die Eltern ihre unwissenden und z.T. ganz unverständigen Kinder nicht zur Schule, und wenn sie dort nicht zum Abendmahl angenommen werden, ließen sie sich im benachbarten Helmstedt annehmen. Das wollte sich auch woanders einschleichen, und habe bisher nichts dagegen geholfen2^2. In Kassieck, so der Inspektor weiter, habe man mit dem Bau einer neuen Kirche samt Turm angefangen. Nachdem aber der schon halb aufgeführte Turm eingefallen war, habe der Entrepreneur des Baus, der Holzschreiber Conradi in Trüstedt, das Werk nun schon über Jahr und Tag unter seinem Schutt liegen lassen, 1744 hinzufügend, dass der in der Kirche angetragene Kalk schon abzufallen begann. Überdies war die Kirche schon seit etlichen Jahren ohne Einnahme von ihren Ländereien, weil die Dorfgemeinde als deren Pächter nicht mehr bieten wollte, als die Ländereien tragen könnten. Der Oberamtmann aber hatte sie noch nicht, wie angeordnet, neu taxiert. In Karritz waren seit zwölf Jahren keine Kirchenrechnungen gehalten worden. Die Entschuldigungsgründe des Patrons v. Treskow waren nicht stichhaltig. Gerügt wurde auch, dass der Schulmeister trotz Verbots und versprochener Besserung in den Schulstunden sein Schneiderhandwerk fortsetzte. Ein besonders starkes Hindernis in der Erkenntnis der evangelischen Lehre sah auch dieser Inspektor darin, dass fast jeder Prediger einen anderen Katechismus, ja mancher wohl einen doppelten den Leuten an die Hand gebe, ein anderer sich wiederum einen eigenen zusammenschrieb, den hernach der Schulmeister den Schulkindern vorbeten und ohne Verstand einbläuen musste. Lichtblicke erkannte Busse aber besonders in Bülstringen, wo Pastor Conrad Tobias Schreck in Gegenwart des Patrons eine wolahgefaßte Predigt hielt. Das erwachsene Volk, welches er sehr ordentlich katechisierte, wie auch die Schuljugend waren zur Erkenntnis göttlicher Lehre wol angefiihret. In Flechtingen hatte Pastor Gottlieb Christoph Delbrück mit vieler Erbauung gepredigt, danach das Gesinde beiderlei Geschlechts katechisiert, das recht gut antworten konnte. Nicht weniger war auch die Schuljugend zum Lesen und Lernen des Katechismus wo! angefiihret. In Hörsingen wiederum fand Busse Johann George Bocks Predigt zwar ziemlich verworren, schien aber doch nicht ohne Erweckung bei dem Auditorium zu sein, wie denn auch sonst das Amt des Predigers gesegnet sei und durch seine anderweitige Treue ersetzt werde, was am Vortrag fehlte. Mit der evangelischen Erkenntnis des erwachsenen Volkes war er zufrieden, wie auch die Schuljugend wohl unterrichtet war.
232 LHASA MD, Rep. A 12 Generalia Nr. 2518, Bericht vom 1. August 1715 und Protokolle von 1743, 1744 und 1745; auch für das Folgende.
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Auf fruchtbaren Boden waren auch die geistlichen Bemühungen in Eimersleben, Uhrsleben, wo das junge Volk bei der Katechisation eine reiche Erkenntnis der göttlichen Lehren bezeigte und auch die Schuljugend zu einer guten Fertigkeit im Lesen und Katechismus gekommen war, sowie in Erxleben gefallen. Hier katechisierte der Pastor das junge Volk so gut, daß man sich teils über sein schönes donum catechisancli, teils über die fertige Antworten des Volckes freuen muste. Die Schuljugend, die hier von drei Lehrern in drei Klassen informiert wurde, war gut unteiwiesen. In der Gemeinde sei deutlich zu merken, dass der Prediger mit seinem Amt guten Eingang fände. In der Kritik stand fast allenthalben der mangelhafte Besuch der Sommerschule; teils lenkten die Gemeinden ein, teils wollten die Patrone dem abhelfen. In Wustrewe und Winkelstedt nahmen die Hausväter, weil ein ständiger Schulmeister fehlte, Privatschulmeister an, wegen der Kosten aber nur auf Zeit. In Jeggau klagten ihrerseits Gemeinde und Prediger über den Küster, dass er die Schule versäume, mit der Frauen spatzieren gienge und inzwischen sein kleines Mädchen von etwa zwölf Jahren Schule halten lasse. In Staats predigte der Pastor zwar sehr trocken und verworren; doch hatte er das erwachsene Volk und die Schuljugend (weil er in matre zugleich Schulmeister war) zu einer schönen Erkenntnis sehr wohl gefühlt. Beide Teile waren zufrieden. Nur der Schulmeister in Börgitz setzte sein Schneiderhandwerk in den Schulstunden fort und wollte seine Schule nicht visitieren lassen. In Burgstall wiederum hielt Pastor Erasmus Carstede eine ordentliche und erbauliche Predigt. Die Schuljugend war gut geführt, nur in Burgstall durch Nachlässigkeit des Küsters versäumt. Zur Verbesserang genehmigte die Gemeinde den Vorschlag, dass zur Errichtung einer Armenschule von jedem Hof monatlich vier bis sechs Pfennige aufzubringen seien; zwei bis drei davon sollten wöchentlich für jedes arme Kind, das sonst wegen Armut der Eltern auf der Straßen läge, Schulgeld gegeben werden. Der Amtmann wollte noch Strafgelder hinzulegen. Auch wegen Abnahme der Kirchenrechnungen gab es in der Gardelegenschen Inspektion in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts weniger Beanstandungen als anderswo, so in Wegenstedt, nur dass mangels eines Kirchenkastens die Gelder bei einem der Patrone seien; in Flechtingen dagegen war der Geldbestand bei den Kirchenvorstehern deponiert. In allen sechs Erxlebenschen Gerichtsdörfern wurden die Rechnungen ordentlich gehalten, nur über die der Kirchenkapelle innerhalb der Ringmauern des Schlosses zu Erxleben, die reichlich dotiert war, nahmen die v. Alvensleben sich selbst die Rechnung ab und ließen keinem anderen etwas davon zu Gesichte kommen. In dieser Herrschaft war es aber seit langem iuris, dass die Pfarrhäuser und Küstereien aus dem Kirchenaerarium gebaut und in baulichen Würden erhalten wurden. Infolgedessen war selten ein Geldbestand vorhanden; war er aber da, wurde er auf den Pfarren verwahrt. In der I n s p e k t i o n T a n g e r m ü n d e , die für 22 Landpfarren zuständig war, begegnen wir nochmals dem Pietisten Christoph Matthäus Seidel233. 1668 in Weißenfels
233 Siehe oben zu Anm. 39, 40 und 64.
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geboren, war er nach dem Studium in Leipzig erst in Marbach bei Dresden tätig, 1700-1708 als Pastor im altmärkischen Schönberg am Damm und von 1708-1715 Inspektor in Tangermünde. In seinem letzten Amtsjahr visitierte er seine Diözese und berichtete darüber in aller denkbaren Gründlichkeit2-^4. Bis auf drei Fälle war alles ordentlich zugegangen. Die Prediger händigten ihm die Konzepte oder Dispositionen ihrer Predigten ein; einige hatten keine, oder es ging doch bei ihnen confus zu. Danach fragte der Pastor die Zuhörer, was sie sich aus der Predigt gemerkt hätten und wie sie solches im Christentum anwenden wollten; dann ließ er die Kinder, auch Knechte und Mägde die Worte des Katechismus Lutheri herzitieren. Seidel erstaunte in den meisten Orten große Unwissenheit, besonders dass Knechte und Mägde den Katechismus fast ganz vergessen hatten. Deshalb habe er ihnen die Größe dieser Sünden beweglich zugemüthe geführet, die Mittel, sich davon zu befreien, gezeigt und sie ermahnt, sich die Bibel anzuschaffen. Nach Ankündigung, dass nun nach dem Leben und Wandel gefragt werde und sie die Wahrheit sagen müssten, sowie Gebet und Gesang wurde das Weihsvolck dimittiret. Auch in dieser Inspektion wurden unterschiedliche geistliche Bücher benutzt, ob Katechismus (Luthers, der kleine Frankfurter, Himmelsweg Höfer, Gesenii, Stöteßeets), Gesangbücher (Krügers und Magdeburger) oder Postillen (Lutheri, Crivers, Job. Gogas, Arndts Christentum, Mölleri, Spangenberg, Speneri, Glaubenslehre Molieri und Botsacci, Nicolai Meyers). In Abwesenheit des Pfarrers wurden Patrone und Gemeinde nach dessen Amt und Leben befragt, und Seidel vernahm überwiegend Gutes. Etwaige Klagen betrafen wie auch andernorts Zeit und Häufigkeit der Predigt, was sich aber aus Überlastung des Pfarrers mit zwei oder drei Filialkirchen erklärte. Auf den Vorwurf z.B. in Väthen, dass am dritten Feiertag keine Predigt und die Katechisation nur in der Mater stattfände, entgegnete der Pastor, es sei unmöglich, er habe die zwei Tage zuvor achtmal predigen müssen. Der Beschwerde in Käthen, dass er zuweilen ihrer zwei zugleich Beichte höre, wich der Pastor dahingehend aus, dass er doch zuvor ihnen allen eine Bußvermahnung halte. Streit um Ländereien und Gebühren waren im Konsistorium anhängig. Die ihrerseits nach den Zuhörern befragten Prediger klagten insgemein, dass das Fluchen, die Entheiligung des Sonntags, die Abhaltung von der Schule und Kinderlehre, sauffen, Spielen und dgl. sehr gemein seien. Speziell führte der Prediger in Lüderitz an, dass Christoph Voigt in Schleuß seine leibliche Mutter geschlagen und sich noch nicht mit ihr versöhnt habe. Seidel redete mit ihm, bis er öffentlich bereute und Besserung gelobte. Der Wassermüller in Nahrstedt komme sehr unfleißig zur Kirche, habe am Fastelabend mit Sauffen, Tanzen und Spielen viel Üppigkeit verübet, und auch der Sonntag werde, besonders von Soldaten, sehr entheiligt. Unfleißiger Besuch der Betstunden wurde in Grieben, Entheiligung des Sonntags in Bittkau moniert. In Buch machten sie bei Viehsterben noch das sog. Nothfeuer, brächten sonntags das Lohnkorn zusammen, und durch die Bauerställe, wo sie gleich nach der
234 LHASA MD, Rep. A 12 Generalis Nr. 2648, fol. 1 ff.; auch für das Folgende.
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Predigt die Bauersachen abhandelten, werde die Betrachtung göttlichen Worts sehr gehindert. Andere versäumten Kirchgang und Abendmahl u.a.m. Seidel berichtete sehr indigniert, dass auch andernorts wie z.B. in Klein Schwarzlosen die Trunkenheit sehr gemein sei, der Sonntag entheiligt, hinterm Krug bis in die finstere Nacht gespielt werde, Zusammenkünfte des Sonntags beim Schulzen, der zugleich Krüger war, stattfanden, was Anlass zu Gesöff bot. In Bellingen war das sog. Böthen, wo sie über dem Kranken etwas hermurmelten, noch allgemein 235 ; doch besserten sie sich. In Elversdorf schliefen sie in der Kirche, während der Sonntag durch Kegeln und andere Spiele vor und nach dem Gottesdienst entheiligt werde. Ähnliches trug sich in Insel zu, was aber wegen vielerlei Obrigkeiten nur schwerlich verwehrt werden könne. In Hämerten hatte einer seine leibliche Mutter zweimal geschlagen, und der Krüger im Filial lebte sehr übel, hielt Huren und war der Dieberei verdächtig. In Käthen klagte der Pastor, dass sie sonntags unnötige Reisen anstellten, zwei Frauen sich in der Kirche wegen der Ober-Stelle gezankt und noch nicht versöhnt hätten, besonders aber im Kruge der Deetzer Warte der Sonntag sehr entheiligt und viel Böses betrieben werde. Die Bösen waren aber nicht erschienen, so dass man, an ihnen zu arbeiten, keine Gelegenheit hatte. Darüber hinaus waren die geistlichen Einkünfte nicht ordentlich fixiert und wurden die wenigsten Kirchenrechnungen vorgezeigt, und zwar unter dem Vorwand, man habe nicht davon gewusst. Nach der Besichtigung der geistlichen Gebäude wurde die Reparatur der baufälligen injungiret und überall zugesagt; doch die Prediger klagten, dass es bei den Worten bleibe. Seidel wünschte abschließend, dass man alle heilsamen Edikte in einem Buch beisammen hätte; denn viele Prediger und Inspektoren wüssten nichts davon, wenn sie neu an einen Ort kämen. In Miltern z.B. gebrauche man noch das Röhrchen, mit dem die Kommunikanten den Wein saugten, was doch 1696 verboten wurde. Prediger schickten ihre Kinder nach Wittenberg auf die Universität und sagten, es sei erlaubt. Die meisten Filialen wollten eigene Schulmeister, damit die Kinder besser zur Gottesfurcht erzogen würden, aber den Küstern in matre das ihnen Verordnete entziehen. Alle Prediger wünschten Predigerwitwenhäuser, damit die Witwen und Waisen nicht elendiglich leben und von den Leuten verstoßen würden, u.a.m. 1719 berichtete M. Johann Ebeling, Nachfolger Seidels im Amt 230 , über die von ihm durchgeführte Lokalvisitation. Allgemein war zu beklagen, dass die Verordnung von 1717 wegen der Winter- und Sommerschule an keinem Ort auf dem Lande observiert wurde. Positives fand er in Käthen, Lüderitz, Dahlen, Gohre, Buchholz, Insel, Mahlwinkel und Bellingen, wo die Gemeinden dem Prediger ein gutes oder sehr gutes Zeugnis gaben, und auch der Inspektor zollte einigen Amtskollegen besondere
235 Zu Böten, Segnen u.ä. siehe o b e n zu Anm. 144. 236 1676 in Iladmersleben geboren, nach dem Studium in Helmstedt Lektor im Kloster Marienthal, 1 7 0 1 - 1 7 0 1 in Salzwedel Rektor, dann Pfarrer an St. Katharinen (C z u b a t y η s k i : Evangelisches Pfarrerbuch Lwie Anm. 3U, 2000, S. 149).
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Anerkennung für fleißige Katechisation von Jung und Alt (Dahlen) und sehr erbauliche Predigt (Gohre)2;>7. Kritik übte Ebeling hingegen an manchen Gemeinden: In der Parochie Lüderitz sei alles schlecht bestellt, wenig Leute versammelt, und die hätten wenig Erkenntnis von Gott und noch weniger Übung in der wahren Gottseeligkeit. Aus den Filiae Schleuß und Wittenmoor war niemand zugegen; denn ein v. Lüderitz als Obrigkeit von Wittenmoor habe seinen Untertanen bei 10 Taler Strafe verboten, zur Visitation zu erscheinen. Daselbst waren auch seit 22 Jahren keine Kirchenrechnungen abgenommen worden, der Kirchhof nicht eingehegt, dgl. in Lüderitz schlecht verwählt. Nirgendwo waren Maulbeerbäume gepflanzt, hingegen die Pfarr- und Schulgebäude baufällig. In Gohre rügte der Pastor einige junge Leute wegen üppiger Zusammenkunft an den Sonntagen und die adligen Höfe, die nichts zur nötigen Kirchenreparatur beitragen wollten. In Buchholz war die Jugend nicht fleißig bei der Katechisation und zeigte wenig Geschick im Nachschlagen der Bibel; die Eltern versprachen bessere Hausübung. In Väthen aber hieß es: In dieser Gemeinde ist ein ruchloses und wüstes Wesen. Sie rühmten zwar ihres Pastors Fleiß, doch man finde, so Ebeling, wenig Erkenntnis und fast gar keine Ordnung. Wenn der Prediger strafen wollte, drohten sie ihm, ihn zur Rede zu setzen . Die meisten waren nicht da, aus Mahlpfuhl nur einzelne, niemand aus Birkholz und Briest. Dementsprechend resümierte Ebeling nicht ohne Strenge, in manchen Orten seien manche Boßhafftige. in Haß und andern wercken des Fleisches lebende Zuhörer. Der gemeinste Irrthum und Fehler der Leute sei, dass sie Auf den Bloßen opere operato des Kirchen-gehens und communicirens bestehen und es einigen Pastoren an gottseligem Eifer fehle. Nur wenn sie beichteten und dann zum Abendmahl gingen, sei eine feine äußerliche Zucht an den Zuhörern zu spüren. Weniger Tadel wurde an den Schulmeistern laut, und es gab Dorfgemeinden, die sich für den Schulbetrieb engagierten. In Groß Schwarzlosen, wo gute Ordnung herrschte, war nur die Küsterei baufällig, weil die Filiae Stegelitz und Schernbeck eigene Schulmeister hielten, aus eigenen Mitteln Schulhäuser gebaut und sich also im Interesse ihrer Kinder verselbständigt hatten. Dementsprechend wollten sie nichts mehr für den Hauptort geben und auch den Schwarzloser Küster nicht mehr zum Gottesdienst haben, weil ihr Schulmeister im Lesen und Singen ebensogut sei. Weniger Klagen als andernorts gab es auch wegen der Führung der Kirchenkassen und Rechnungsabnahme sowie der Kirchenregister. Sie wurden z.B. in den Parochien Käthen, Groß Schwarzlosen, Dahlen, Buchholz, Insel (ausgenommen ein Schuldposten der Witwe v. Treffenfeld) und Bellingen (außer in Hüselitz) für richtig befunden, und in Väthen sollte die Kirche gebaut werden; den Barbestand des Kirchenfonds von 140 Talern verwahrte der Patron v. Bismarck zu Briest. Wo die Patrone aber nachlässig waren oder sich verweigerten, wurden sie nun vom Konsistorium an ihre Pflicht ermahnt.
237 LHASA MD, Rep. A 12 Generalia Nr. 2648, fol. 71 ff.; auch für das Folgende.
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Im Dezember 1736 und April 1737 reichte Inspektor Ebeling die Protokolle der Generalvisitation der Prediger ein2;>8. Allgemein war sein Eindruck und Urteil positiv, im Einzelnen naturgemäß differenziert. Dem jungen Pastor David Friedrich Sauberzweig sah er nach, dass er im Katechisieren nicht geübt war, da erst sechs Monate im Amt. Der erfahrenere Joachim Daniel Lüdecke in Lüderitz katechisierte nicht ohne Erweckung der Jugend, und Johann Vorberg in Mahlwinkel predigte und katechisierte deutlich und erbaulich. Dagegen erschien ihm Prediger Joachim Gollau in Buchholz fast schlecht in Predigt und Katechisation. Wilhelm Grunge in Gohre wiederum bezeigte schlechte Gaben im Predigen, aber mehr Tüchtigkeit im Katechisieren. Die Entwicklung bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ist für den Bereich der Inspektion Tangermünde nicht nachzuvollziehen, da Nachrichten über weitere Visitationen erst ab 1758 vorliegen 2 ®. Dementsprechend zurückhaltend muss das Urteil über die Verhältnisse zwischen Pfarrer, Gemeinde und Patron in dieser Region und im Vergleich mit anderen altmärkischen Regionen ausfallen. Der Kreis der Betrachtung kirchlicher Visitationsergebnisse schließt sich mit der I n s p e k t i o n S e e h a u s e n , zu der Teile der Wische gehörten, insgesamt 17 Parochien. Hier waltete im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts Valentin Schnackenburg. Er hatte in Halle und Leipzig studiert, war einige Jahre Feldprediger und wurde 1730, erst dreißigjährig, Pastor und Inspektor in Seehausen 24IJ . Auf die Frage, ob die Kasein, Chorröcke und Lichter sowie das Absingen der Collecten abgestellt wurden, versicherte er 1736, sowohl in der Stadt Seehausen als auch in der Inspektion sei der königlichen Intention nachgelebt worden; nur der Prediger in Groß Beuster habe nicht geantwortet 241 . Im Verlaufe der Lokalvisitation242 stellte der Inspektor fest, dass die Prediger im Predigen und Katechisieren meistenteils gar wohl bestanden hätten; ihr Lebenswandel sei nicht anstößig und nachteilig. An einigen Orten war die Katechisation sehr erfolgreich, z.B. in Wendemark nebst Filia Lichterfelde; die Jugend hatte im Examen gut antworten können. Doch auch der Seehäuser Inspektor beanstandete als Haupthindernis, dass die Jugend einen rechten Begriff von Gott und seinem Willen erlange, den uneinheitlichen Katechismus. Wenn Kinder aus einer Gemeinde in eine andere kämen, wo ein anderer Katechismus gelte, würden sie ganz confus und irrig. In keinem Ort waren die Patrone, obwohl vier Wochen vorher angezeigt, bei der Visitation dabei, noch hatten sie einen Vertreter geschickt, ausgenommen v. Redern in Königsmark. Dabei waren bestimmte Fragen nur mit ihnen zusammen zu klären. In der Kirche zu Groß Beuster besaß Baron von Putlitz zum Eickhof laut Aussage von Prediger und Gemeinde ein Chor neben dem Altar und zwei Kirchstühle zu je sechs
238 239 240 211 212
Ebd., fol. 91 ff., 98 ff.; auch für das Eolgende. Ebd., zu 1758 ff. C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 3D, 2000, S. 285. BLIIA, Rep. 10 A, Nr. 121, fol. 1, Berieht vom 17. Dez. 1736. Ebd., fol. 1 ff., Bericht vom 17. Dez. 1736, fol. 11 ff., Bericht vom 11. April 1737; auch für das Folgende.
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bis acht Sitzen. Doch er und die Seinen wollten sich nicht mehr cid sacra daselbst einfinden, noch zur Kirche und Pfarre das Ihre beitragen, wie es vor alters ihre Vorfahren getan hätten. Sie müssten sich entweder wie Eingepfarrte erweisen oder ihre Plätze in der Kirche aufgeben, damit sie der Gemeinde zugute kämen, zumal viele wegen Raummangels Kinder und Gesinde zurücklassen müssten und sie deshalb nicht fleißiger ins Examen schicken könnten. Hierauf befahl das Konsistorium dem Patron zu Groß Beuster, dass er die nötigen Kirchstühle ohne Anstand anfertigen lasse oder vorschlage, woher der Raum hierzu genommen werden könne, außerdem zu berichten, ob sie wirklich in dieser Kirche eingesessen und wie sie zu den vielen Kirchensitzen gelangt seien. Als Eingepfarrte aber müssten sie zum Kirchenbau usw. beitragen. Ein anderes Problem war die Verwaltung des Kirchenvermögens und die regelmäßige Rechnungslegung. In Dewitz wurde die Kirchenrechnung trotz vorheriger Ermahnung nicht vorgelegt. Im Filial Wohlenberg mag es damit nicht zum Besten stehen, mutmaßte der Inspektor; denn allein der Patron oder dessen Schreiber sollte die Rechnung in Händen haben, weder Prediger noch Kirchenvorsteher wüssten das geringste davon. Niemand erführe, was und wieviel vorhanden sei. Und so gehe es bei mehreren Kirchen und Kirchenrechnungen. Als es um die für den Schulbau in Preußen aufzubringenden Prozentgelder ging, hörte der Prediger in Deutsch vom Patron, sie, die Patrone, müssten dafür ein immediates Ausschreiben erhalten, weil es contra ordinem sei, dass ihre Prediger ihnen regium mandatum insinuierten. In Falkenberg nebst Ferchlipp konnten die Kirchenrechnungen gleichfalls nicht vorgelegt und examiniert werden. Aus dem Extrakt des Predigers war aber zu erkennen, dass viele Kapitalien ohne Konsens des Konsistoriums ausgetan waren, unbekannt, ob hinreichende Hypotheken vorhanden waren usw. Zu den Kirchenrechnungen verlangte das Konsistorium nähere Angaben, damit es eine Verordnung treffen könne. In Schönberg hatte der Amtmann die Kirchenrechnungen in Verwahrung, war aber nicht zu Hause. In Neukirchen meldeten Prediger und Kirchenvorsteher, dass die Kirchenrechnungen auf dem adligen Hof verschlossen lägen und das Gut noch nicht wieder einen eigentlichen Patron habe. Die Besitzverhältnisse waren wohl noch unklar. Wenigstens in Dobbrun hatte es mit der Kirchenrechnung, die bis 1736 abgenommen war, seine gute Richtigkeit. Ein Exemplar hatte immer der Prediger, das andere der Amtmann in Verwahrung. Aber in Behrend, eine mater combinata (von Dobbrun), müsste es diesbezüglich sehr confus aussehen. Seit sechs Jahren war keine Rechnungslegung gewesen, Prediger und Kirchenvorsteher wussten nichts über das Kapital. Selbst wenn Rechnungslegung gehalten wurde, mussten sie nur ihre Einkünfte aufzählen und dann wieder ihrer Wege gehen. Kirchenrechnungen würden wohl gar nicht geführt. Als sie bei jetziger Visitation den Justitiar nach Kirchenbuch und Rechnungen fragten, antwortete er, er wisse von keinem Buch, das möchte wohl verloren gegangen sein, und an den Prediger habe er geschrieben, es sei nicht nötig, dass solche dem Inspektor vorgelegt werden. Solches Gebaren verleidete den Kirchenvorstehern ihr Amt; sie wollten es los sein, damit sie außer Verantwortung seien.
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Als Untertanen ihrer Obrigkeit (v. J a g o w zu Gehrhof) dürften sie ohnehin nicht viel dazu sagen; es wäre besser, wenn aus ihrer Gemeinde einer dazu genommen würde, der nicht deren Untertan sei. Eben diese Unrichtigkeiten, so der Inspektor, verursachten, dass manche Patrone der Kirchenvisitation Hindernisse machten. So verlangten einige Herren v. Jagow, dass er w e g e n des Termins erst mit ihnen concertiren sollte, und seien nicht damit zufrieden, dass er es ihnen gemäß Visitationsinstruktion durch die Prediger beizeiten notifiziere. Da aber der Patrone öfter bei einem einzigen Dorf unzählige seien und unterschiedliche Termine verlangten, komme man niemals zum Schluss. Wieder ergingen seitens des Konsistoriums Schreiben an die Patrone, die Kirchenrechnungen vorzulegen. Pfarrer und Kirchenvorsteher sahen sich also oft in unerfreulicher Lage; denn von der nötigen Kooperation vor allem in Kirchenvermögenssachen waren selbstherrliche und nicht selten auch eigennützige Patrone weit entfernt, und die Kompetenzen von Pfarrer und Kirchenvorstehern wurden einfach ignoriert. Sperrig konnten sich auch Gemeinden erweisen, w e n n es um lästige Pflichten ging. Aber sie waren andererseits auf friedlichen Umgang bedacht und äußerten sich auch in der Inspektion Seehausen überwiegend freundlich über ihren Prediger. Im Filial Ferchlipp baten sie nur mit Rücksicht auf die alten Leute, dass der Pastor, w e n n Abendmahl sei, zuerst zu ihnen komme. Das Konsistorium hatte das zwar zugunsten der Mater Falkenberg abgelehnt; doch aus Liebe wollte der Pastor dann und wann zuerst zu ihnen kommen. In Dewitz beklagte die Gemeinde, dass der Prediger die sog. Hagels-Feyer-Predigt nicht mehr, wie gebräuchlich, halten wollte, obwohl dieser Tag jederzeit von ihnen als Bußtag gefeiert wurde. Der Prediger erwiderte, es seien an diesem Tag viele Unordnungen vorgegangen; auch sei überall gebräuchlich, dass die Gemeinde an solchem Tage dem Prediger opfere. Wenn sie das tun wollten, werde er die Feier wieder halten. Der Inspektor bedeutete ihm, dass er, da sie bisher gebräuchlich war und die Gemeinde erklärt hätte, an diesem Tag nicht mehr im Kruge zusammenzukommen u.a.m, solches propria auctoritate nicht hätte abschaffen können. Die Gemeinde ließ er wissen, sie möge ihm wie in anderen Orten aus Erkenntlichkeit und Liebe opfern. Doch dazu wollte sie sich nicht verstehen. Die scheinbare Nachlässigkeit der Gemeinde des Arendseer Amtsdorfs Gagel, Filia von Höwisch, aber konnte nicht ihr zur Last gelegt werden. Zur Visitation waren nur vier Hauswirte erschienen. Sie erklärten, dass die anderen auch gern gekommen wären; sie waren aber wider ihren Willen vom Amtmann mit Kornfuhren beschwert worden. Problematisch waren wie oft auch anderswo die Baulichkeiten. In Krüden war die Pfarrwohnung in so schlechtem Zustand, daß er darin seines Lebens Nicht sicher ist, also daß wohl keine Bauer Kate elender aussehen kan. Die Gemeinden wurden schon vor etlichen Jahren zu einem Neubau bewogen, der vor zwei Jahren gerichtet wurde. Weil aber die Gemeinde dann in Prozess geriet, geschah nichts mehr. Der Prediger sei dabei zwar sehr gelassen und wolle nicht antreiben. Da es aber unverantwortlich
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sei, dass das Gebäude, wozu der König das Holz gegeben hatte, im Sturm und Regen verfault, möge der Bau dem Amtmann oder einem anderen aufgetragen und die Kosten solange von der Kirche genommen werden. Außerdem hatte die Kirche keinen Boden, so dass bei Schnee und nassem Wetter die Zuhörer nicht trocken sitzen konnten. Dem vorigen Amtmann, Kriegsrat Falke, waren dafür Geld und Bretter geliefert worden; es sei aber doch nichts gemacht. Auch in Dewitz war die Pfarrwohnung überaus schlecht und ganz baufällig. Die Gemeinde war zum Bau bereit, wenn der Patron die Materialien dazu gebe. Sie legte einen Vergleich des Landeshauptmanns Achaz v. d. Schulenburg von 1664 vor, wonach der damalige Patron Balzer Veit v. Einbeck, Land- und Hofrichter der Altmark, und die Gemeinde zum Pfarrbau je zur Hälfte beitragen wollten. In Falkenberg hatte das Pfarrgebäude keinen Schornstein, sondern nur eine Röhre, die bis an den Boden ging, wo Holz und Stroh herumhingen, also Feuersgefahr drohte. Patron und Gemeinde lagen aber ebenfalls wegen der Baumaterialien im Streit. In Schönberg wiederum klagten Prediger und Kirchenvorsteher, dass man, weil die Gemeinde zum Pfarrbau nichts beitragen wollte, das Geld immer aus der Kirche nehmen müsse. Nach Ansicht der Gemeinde liege die Schuld einzig und allein bei den eingepfarrten Freisassen, die sich ihren Pflichten immer entziehen wollten. So habe der v. Katte, an dem die Reihe zu fahren war, nicht einmal die Visitationsfuhre tun wollen, daher auch diese aus der Kirche bezahlt werden musste. Unzufrieden waren die Prediger mit den Schulverhältnissen. Es ist fast eine allgemeine Klage, notierte der Inspektor, dass viele Eltern, zumal wenn sie selbst in der Jugend nichts gelernt haben, ihre Kinder nicht zur Schule noch zur Katechisation schicken wollen, sondern sie öfter wie das Vieh aufwachsen lassen. Dem abzuhelfen, sollten die Verordnungen vom 27. Februar 1692 und 23- Oktober 1717 aufs schärfste renoviert und die Eltern bestraft werden. Für die Strafgelder könnten die Armen frei zur Schule gehen. Und wer nicht zum Examen komme, sollte auch nicht zum Abendmahl zugelassen werden. Hinsichtlich der Erwachsenen wünschte der Inspektor, dass sich, wie bei den Reformierten, diejenigen, die zum Abendmahl gehen wollten, einige Tage vorher anmeldeten. Das würde zum einen die Gemüter mehr ermuntern, beizeiten an die Wichtigkeit solchen Werks zu denken; zum anderen würde es eine Gelegenheit sein, die Wochenpredigten fleißiger zu besuchen, so dass man nicht ledigen Stühlen und Bänken predigen dürfte [müsste]. Zum dritten hätte der Prediger bei einem oder anderen etwas zu erinnern, könnte er solchen zu sich bescheiden und mit ihm vom Zustand seiner Seele reden, was unmöglich sei, wenn man sogleich im Beichtstuhl überlaufen wird. Im Sommer 1739 berichtete der Seehäuser Inspektor Schnackenburg über die diesjährige Lokalvisitation2 W. Diesmal trug die Gemeinde Schönberg ein ganzes Bündel Klagen über ihren Prediger Samuel Lüdecke vor: Er katechisiere mit den Kindern
243 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 122, fol. 1 ff.; auch für das Folgende.
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nicht mehr wie sonst am Sonntagnachmittag von 1 bis 2 Uhr; er habe im vorigen Jahr zur Fastenzeit keine Kinder zum Abendmahl präparieren wollen, weshalb einige aus der Gemeinde genötigt wurden, ihre Catechumenos zu benachbarten Predigern zu schicken. Er weise die Leute öfter vom Beichtstuhl und vom Abendmahl ab ohne rechtmäßige Ursache, z.B. einen Knecht, weil er mal gekegelt habe, verweigerte dem schwerkranken Hans Jürgen Ilte das Abendmahl mit den Worten: er habe als eine Sau gelebet, werde auch wohl als eine Sau fahren. Als Ilte drei Tage später starb und beerdigt werden sollte, habe der Prediger nur einen Platz am Zaun bewilligt, wo die Bettler ihre Stellen bekämen; man durfte ihn auch nicht beläuten. Dadurch waren überdies der Kirche Einnahmen entgangen. Weitere Vorwürfe betrafen überhöhte Gebühren und Verweigerung der Taufe, wenn die Gevatter nicht präzise um den Glockenschlag da seien, sowie 50 Taler Kirchgelder, die er an sich genommen habe und nicht zurückgeben wolle. Zu diesen Gravamina sagte der Prediger: Wenn keine Kommunion gehalten werde, fänden sich nur wenige Leute in der Kirche ein. Die Katechisation von 1 bis 2 Uhr wolle er wieder halten, wenn sie sich nur fleißiger einfinden wollten. Zur Vorbereitung der Katechumenen habe er einen anderen Termin angesetzt; er habe ja keine Verordnung, dass er jährlich präparieren müsse. Der Knecht habe das Kegelspielen im Beichtstuhl geleugnet; daher habe er ihn nicht bußfertig gefunden und also abweisen müssen. Der Mensch aber [Ilte] habe vordem ein sehr unordentliches Leben geführt; seine Beerdigung sei mit Rat und Vorwissen der Obrigkeit geschehen [Kommentar des Inspektors: Es ist aber dieselbe z.Z. des Predigers Bruder, der Bülowsche Amtmann], Die genannten Gebühren bekämen auch andere Prediger. Die Taufzeugen blieben öfter zu lange aus, so dass ihm die Zeit wohl lang werden müsse. Die 50 Taler, die er von der Kirche habe, sei die Gemeinde zu erstatten schuldig, weil er solche auf die Zäune und andere Meliorationen bei der Pfarre verwandt habe. Der Inspektor hielt dem Prediger ex officio vor, was sein Amt erfordere und mit sich bringe, und dass die angegebenen Ursachen z.T. keinen Stich hielten. Doch das schien bei ihm wenig zu verfangen; denn bei allem wollte er noch immer recht haben. Wie der schwerwiegende Konflikt gelöst wurde, bleibt offen. Einige Jahre später amtierte in Schönberg statt Lüdecke ein anderer. Sonst herrschte in den Dörfern der Inspektion Seehausen zwischen Prediger und Gemeinde im allgemeinen Einvernehmen. Nur in der Filia Wolterslage wiederholten die Bewohner ihren Wunsch, dass der Prediger aus Königsmark im Falle der Kommunion den Gottesdienst zuerst bei ihnen angehen lasse, weil die Alten und Schwachen nicht so lange aushalten könnten. Arnold Pohlmann sagte, er habe es, wie bei voriger Visitation erklärt, dann und wann getan. Allemal aber, besonders zur Winterszeit, sei ihm das nicht möglich, und entgehe ihm auch dadurch die Mahlzeit, die er sonst auf dem adligen Hof daselbst habe- 1 1 . Unerfüllt war auch der Wunsch der Gemeinde Dewitz nach der Hagelfeierpredigt. Da der Prediger aber demnächst weg-
244 Ebd., fol. 4 f.
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ziehe, hoffte sie, dass sein Successor sie wieder halte 245 . Seitens der Prediger gab es nur Klagen wegen schlechten Schulbesuchs 246 . Weit schwieriger gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Patronen, vornehmlich wieder oder noch immer in Bezug auf das Kirchenvermögen. Die Kirchenrechnungen wurden nur selten vorgelegt. Die von Deutsch verwahrte Direktor v. Jagow, der sich aber in Berlin aufhielt 247 . In Neukirchen schickte der Inspektor den Küster zum adligen Hof, um sie abzufordern. Doch ein Fräulein v. Jagow gab ihm zur Antwort, der Hauptmann v. Grävenitz sei nicht zu Hause. Sie wisse zwar von der Kirchenvisitation; ob sie aber deswegen schuldig sei, die Kirchenrechnungen vorlegen zu lassen, wisse sie nicht 248 . Ebenso wenig konnten die Kirchenrechnungen in Wendemark, Vielbaum, Behrend und Kossebau (trotz Strafandrohung) geprüft werden 249 . In Falkenberg wurden sie durch den Justitiar vorgezeigt; was aber die übrigen Gravamina betraf, waren die Konsistorialverordnungen an die dortigen Kirchenpatrone noch nicht befolgt und daher von der Gemeinde wiederholt worden2"'9. In Dewitz lag die Kirchenrechnung diesmal vor, doch fand sich in der Kasse nicht die volle Summe. Man vermutete, da der Patron selbst die Rechnung geführt hatte, einen error in calcitlo. Auch im Filial Wohlenberg zeigte v. Bismarck für diesmal die Rechnungen vor, aber nur für 1735 bis 1738. Er führte die Rechnung allein, hatte auch den Barbestand, 208 Taler, bei sich, ohne allerdings der Kirche dafür Zinsen zufließen zu lassen. Ohne Konsens des Konsistoriums veranlasste er einen neuen Turmbau, ließ dazu Bauholz von seinem Holz schlagen und machte sich von diesen Kirchgeldern bezahlt, so dass dann die andere Last wieder auf die Gemeinde fallen würde. Außerdem enthielten die Kirchenrechnungen noch viele für den Pfarrbau in Dewitz vorgeschossene und noch nicht restituierte Summen. Die Patrone wollten sich nicht dazu verstehen, doch die Gemeinde berief sich auf die Verordnung und den Abschied von 1664. Nachdem das Konsistorium daraufhin dem Patron Auflagen erteilt hatte, entgegnete Georg Achaz v. Bismarck im Dezember 1739, es sei uralte Observanz bei der Kirche in Wohlenberg gewesen, dass seine Vorfahren als Patrone die Kirchenlade bei sich in Verwahrung hatten, und hier weit besser als beim Prediger und Kirchenvorsteher. Der Inspektor kenne offenbar auch nicht die hiesige Observanz betreffend den Kirchturmbau, die Kosten dafür aus der Kirchenkasse zu nehmen, und berief sich auch auf die Visitations- und Konsistorialordnung von 157 3 251 , ohne jüngere Verordnungen zu beachten.
245 216 217 248 219 250 251
Ebd., So in Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
fol. 9. Ilöwisch und Kossebau (ebd., fol. 39 f.). fol. 3. fol. 4. fol. ι ff., 39 f. (Kossebau). fol. i. fol. 9 und 29 ff.
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Laut Kirchenrechnung von Höwisch standen einige Kapitalien bei einigen v. Jagow aus, wovon seit vielen Jahren nicht gezinst und keine Versicherang gegeben wurde. Bei der Visitation im Jahre 1737 waren die Obligationen noch vorhanden; jetzt fehlten sie2"'2. In einigen Dörfern der v. Jagow sah sich der Inspektor besonders gravierenden Behinderungen ausgesetzt. In Lindenberg widersetzten sich die Patrone dem Termin, und zwar mit nichtigen Ausflüchten. Sie schickten auch keine Vertreter, so dass die Visitation in Bömenzien, Wanzer und Lindenberg nicht durchgefühlt werden konnte und in Gagel unterbrochen werden musste 253 . In Groß Garz aber boykottierten die Patrone die Visitation geradezu massiv. Dem Bericht des Inspektors zufolge ließ ihm, als er mit dem Prediger die Kirche betreten wollte und der Gottesdienst anfangen sollte, der Amtshauptmann v. Jagow durch seinen Schreiber vermelden, dass er zur Kirchenvisitation nicht kommen könne, weil er folgenden Tags nach Berlin reisen werde; es könnte indes wohl gepredigt werden, weiter aber sollte die Kirchenvisitation nicht gehen. Schnackenburg gab zurück, dass er sich nach der königlichen Verordnung richten werde. Sie gingen darauf in die Kirche hinein, wo sich auch die Zuhörer einstellten. Nach Predigt und Katechismus hielt der Inspektor eine Erweckungsrede und führte ihnen allen ihre Pflichten zu Gemüte. Danach wurden die Hauswirte ins Pfarrhaus beschieden, um auf weitere Visitationsfragen Rede und Antwort zu stehen. Sie ließen ihm aber durch ihre Deputierten anzeigen, dass der Amtshauptmann ihnen befehlen ließ, vor dem Inspektor nicht zu erscheinen und ihm auch keine Pferde zur Rückreise zu geben. Solche Prozeduren, so der tief verstimmte Inspektor, seien ganz unverantwortlich; man widersetze sich dabei dem König, da ja der Inspektor nur als Kommissar zu consideriren sei. Die Kirchenvisitation sei also unterbrochen worden, und es frage sich, ob sie nicht nochmal und auf wessen Kosten zu halten sei. Die Kirchenvorsteher sorgten sich indes, wie sie die Kirchenkapitalien, die bei v. Jagow standen und bei denen sich die Zinsen schon sehr hoch beliefen, wieder einkriegen könnten, da sie jetzt zur Kirchenreparatur höchst nötig seien. Abschließend bat der Inspektor um Verordnung und Schutz gegen alle Attentat» und intendirte Prostitution2^. Bei seiner nächsten Visitation 1743/44 boten sich Schnackenburg wenig Veränderungen zum Besseren. Angehörige der Familie v. Jagow legten dem Inspektor wieder Steine in den Weg. In der Pfarrkirche zu Dobbrun war von der Gemeinde und Jugend der Filia Behrend niemand erschienen, weil Direktor v. Jagow und der v. Jagow zu Gehrhof dem Prediger untersagten, der Gemeinde die vom Inspektor angesetzte Kirchenvisitation bekannt zu machen. Hernach in der Pfarrwohnung fanden sich nur die beiden Kirchenvorsteher ein. Doch die Kirchenrechnungen und -gelder hatten nach wie vor alle v. Jagow in Händen; ob Rechnungen da waren, wussten die Vor-
252 Ebd., fol. 39. 253 Ebd., fol. 38 f. 254 Ebd., fol. 45.
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Steher nicht. Die Kirche müsste im Bestand 80 Taler haben; sie bekämen davon, trotz verschiedener Verordnungen, nichts in die Hände und keine Bescheinigung. Nur die vorgelegte Dobbrunsche Kirchenrechnung war in Ordnung 255 (Patron v. Bartensieben, seit 1742 v. d. Schulenburg zu Wolfsburg). In Bretsch (Patron v. Einbeck), wo Caspar Bannehr eine erbauliche Predigt und gute Katechisation gehalten und die Jugend gut geantwortet hatte, die Gemeinde mit ihrem Prediger wohl zufrieden war und auch den Küster Christian Albrecht lobte, gab es Differenzen in Bausachen. Gemeinde und Kirchenvorsteher zeigten den Plan eines neuen Kirchenbodens an, der vermutlich zum Kornboden aptiert werden sollte, obwohl die Kirche kein Korn aufzuschütten habe und der alte Kirchenboden sonst noch recht gut sei. Es würde ihnen dadurch eine unnötige Last aufgebürdet. Bei der Kirche seien schon 50 Taler für Holz und Eisen ausgegeben. Dagegen beschwerte sich der Prediger wegen seiner elenden und engen Pfarrwohnung. Die Gemeinde erkannte das an, disputierte aber, wer das Material dazu hergeben sollte2"'6. In Neukirchen war der Streit wegen der Materialien zur Reparatur der Pfarrwohnung, um die der Prediger aufs Neue bat, inzwischen zum Prozess gediehen 257 . In Falkenberg klagte der Prediger, dass der Stall, in dem sein Knecht schlafe und das Vieh sei, einzufallen drohe; doch die Gemeinde berief sich darauf, dass die Patrone die Baumaterialien stellen müssten. Und auch in Dobbrun klagte der Prediger über die den Einfalt drohende Wohnung258. Sonst gab es wenig Differenzen zwischen den Pfarrern und ihren Gemeinden, ausgenommen in Klein Beuster, wo sich nach Predigt und Examen in der Kirche niemand aus der Gemeinde in der Pfarrwohnung, wohin zur Fortsetzung der Visitation beschieden worden war, eingefunden hatte; daher war keine weitere Untersuchung möglich. Ursache war, dass Prediger und Gemeinde derzeit miteinander prozessierten2"'9. Fortschritte in der Katechisation der Kinder bemerkte der Inspektor in Bretsch wie schon 1739 26ij , in Losse, Neukirchen und Wendemark (hier auch schon früher)201. In Falkenberg hatten sich Große und Kleine im Examen gut gehalten. Die Gemeinde war mit dem Prediger zufrieden, außer dass er einen geschriebenen Katechismus eingeführt hatte, was der Jugend beschwerlich fiele, weil sie nicht alle schreiben und geschriebene Schrift lesen könnten. Der Prediger erklärte dazu, er habe das zur Erleichterung der Küster getan, damit sie die Kinder in der Schule besser präparierten 202 . Der Gemeinde lag also durchaus an der Kirchenlehre; deshalb wünschte sie
255 256 257 258 259 260 261 262
BLILA, Rep. i() A, Nr. 123, Ebd., fol. 7 f. Ebd., fol. 13. Ebd., fol. I i (Ealkenberg), Ebd., fol. 12. Ebd., fol. 7 f. zu 1713; Nr. BLILA, Rep. 10 A, Nr. 123, Ebd., fol. 14.
fol. 16.
fol. 16 (Dobbrun). 122, fol. 10 zu 1739. fol. 8 (Losse), fol. 13 (Neukirchen, Wendemark).
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den unterschiedlichen Bildungsgrad der Kinder zu berücksichtigen. Nicht schreiben, aber Gedrucktes lesen konnten offenbar alle. 1750 bestritt wiederum Valentin Schnackenburg, nunmehr 20 Jahre Inspektor in Seehausen, die Visitation seiner Parochien263. Mit den Predigten und Katechisationen war er zufrieden. Zwischen Predigern und Gemeinden herrschte weiterhin in den meisten Dörfern Einvernehmen; in einigen gab es Beschwerden und Wünsche vor allem wegen der Gottesdienstzeiten. Die Gemeinde Harpe, Filia von Bömenzien, beschwerte sich über zu hohe Belastung beim Pfarrbau und zu späten Beginn des Gottesdienstes, wenn bei ihnen Kommunion gehalten werde. Der Prediger wollte nach Möglichkeit darauf eingehen 264 . Die Pfarrgemeinde Lindenberg wünschte, dass der Gottesdienst etwas eher beendet werde, weil sonst das Gesinde, das danach das Vieh besorgen müsste, davon abgehalten würde. Der Prediger versprach, soviel Alters halber möglich, etwas früher zu beginnen 205 . In Bretsch fiel dem aufmerksamen Inspektor der Nachteil auf, der aus der seit 1745 währenden Vakanz der Pfarre Dewitz mit Filia Wohlenberg erwachsen war. Auf Verlangen der Patrone waren die Dewitzer und Wohlenberger zur Visitation nach Bretsch beschieden worden, dessen Prediger Caspar Bannehr sich mit einem Amtskollegen in die Versorgung der beiden Gemeinden teilte. Bei der Katechisation, so der Inspektor, war leicht zu merken, dass die Dewitzer und Wohlenberger ziemlich versäumt und nicht so gut seien wie vormals, als sie ihren eigenen Prediger hatten. Die Gemeinden zeigten ihrerseits Unordnung an; sie wüssten niemals, wann der Gottesdienst angehen soll, und bekämen höchstens alle 14 Tage eine Predigt. Die beiden amtierenden Pfarrer könnten sich auch niemals wegen des Küsters, der singen soll, einigen. Das wurde jetzt reguliert200, die Pfarre in Dewitz allerdings nicht wieder besetzt. Dewitz wurde Tochterkirche von Bretsch, Wohlenberg von Gladigau207. Nur in Klein Beuster fand sich wiederum, obwohl informiert, niemand in der Pfarre ein außer den beiden Freisassen Johann Andreas Jagel [Gagel in Wegenitz] und Hans Joachim Elffreich [Gagels Schwiegersohn], die sich wegen mangelnder Kirchstühle beschwerten. Nach dem Neubau der Kirche hätten sie nicht so viele Stände wiederbekommen wie in der alten Kirche, damals an die 14 von ihnen gekaufte Sitze. Jetzt hätten sie auf dem Chor nur halb so viel Sitze, aber etliche 30 Personen auf ihren Höfen, die gern in die Kirche gehen wollten, doch mangels Plätzen zurückbleiben müssten. Wenn nichts geschehe, müssten sie sich zu einer anderen Kirche halten208. 263 261 265 266 267
BLHA, Rep. 40 A, Nr. 124, fol. 1 ff. Ebd., fol. 5. Ebd., fol. 6. Ebd., fol. 6 f. Friedrich Wilhelm August B r a t r i n g : Statistisch-topographische Beschreibung der gesammten Mark Brandenburg, Bd. I, Berlin 1801, S. 310 (Dewitz), 319 (Wohlenberg). - Die beiden Wohlenberg bei B o n i n : Entscheidungen (wie Anm. 4), S. 594, und demzufolge bei C z u b a t y n s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 389 (2006, S. 267 korrigiert), sind identisch, die Quelle, das undatierte Verzeichnis der Inspektionen, irreführend. 268 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 124, fol. 2.
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Einsichtnahme in die Kirchenrechnungen seitens des Inspektors hatten nun einige Patrone gewährt, einige die Rechnungen mit dem Prediger zusammen abgelegt, so in Groß Garz, Höwisch und Losse 269 , während der Inspektor z.B. die von Behrend noch niemals gesehen hatte. Sie waren auch seit vielen Jahren nicht abgenommen worden; die Gelder hielt v. Jagow zu Gehrhof in Händen 279 . Und in Ferchlipp erinnerte die Gemeinde daran, dass sie nur einen Kirchenvorsteher hätten; sie baten um einen zweiten, zumal der jetzige ein Untertan des Patrons sei und sich in allem nach demselben richten müsse 271 . In keiner anderen Inspektion wurde der Druck, den Patrone auf Kirchenvorsteher ausübten, so deutlich und oft artikuliert wie in der Seehäuser, wo vornehmlich die v. Jagow Macht demonstrierten. Massivem Widerstand seitens der Patrone begegnete der Inspektor diesmal besonders in Krüden. Der Prediger Carl Ludwig Müller und die Gemeinde bezeugten beiderseitiges Einvernehmen, nur dass sich ersterer wegen des unvollendeten Stallbaus beschwerte. Die Gemeinde wies die Schuld daran allein dem v. Jagow in Krüden zu. Und viele Klagen gab es wegen des Kirchenwesens und der Kirchengelder, besonders dass die v. Jagow mit den Vielbaumschen Kirchengeldern übel gewirtschaftet hätten; die zu Krüden hätten dem Küster in Vielbaum für seinen Prozess wider die Bauern 10 Taler aus der Kirchenkasse geschenkt, und zwar ohne Konsens des Konsistoriums. Die Gemeinde wollte daher zur Kirche nichts mehr beitragen, wenn damit nicht besser umgegangen würde. Ingleichen hatte v. Jagow seine Prozessgelder im Kirchstuhlstreit mit v. Voß aus der Kirchenkasse genommen, obwohl er sie laut Urteil ex proprio zu bezahlen hatte. Als er die bei der Visitation abgeforderten Kirchenrechnungen nicht extracliren wollte, der Inspektor Kirchenvorsteher und Küster zu ihm schickte und ihm die königliche Verordnung bekannt machen ließ, dass im Weigerungsfall die Rechnungen durch den Landreiter abgefordert würden, blieb v. Jagow dabei, dass er sie nicht extradieren wolle 2 7 2 . - Absolutismus in einer Kleinstregion.
III
Nicht alle P a t r o n e erstarrten in Selbstherrlichkeit und ignorierten Gesetz und Rechte anderer. Es gab auch kooperative, einsichtige und hilfreiche, die Eigennutz nicht über Pflicht und Verantwortung stellten und ihre Privilegien nicht missbrauchten. Aber es muss dennoch konstatiert werden, dass sich das Engagement der kraft Lehns-
269 270 271 272
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,
fol. fol. fol. fol.
5 ff. i. 3. 4.
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rechts beauftragten Schirmherren von Kirche und Geistlichkeit zu deren Nutzen und Frommen arg in Grenzen hielt 2 7 λ Das hatte eine lange Tradition. Aneignung von Pfarr- und Kirchenland wurde schon vor der Reformation ruchbar, weshalb der Kurfürst bereits 1536 in der Uckermark, 1538 allgemein und dann mit Hilfe der seit 1540 aufgenommenen Visitationsprotokolle und -matrikel Bestandssichemng befahl 2 7 4 . Schon dabei ergaben sich zahlreiche Defizite, die auf das Konto der Patronatsherren gingen 2 7 5 . Doch trotz der reformationszeitlichen Festschreibungen bedienten sich unersättliche Grundherren weiter fremden Eigentums, entzogen sich oft den Restitutionsanordnungen des Konsistoriums und griffen erneut in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges zu 2 7 0 . Auch der Umgang mit den Geistlichen ließ oft zu wünschen übrig, wie aus etlichen Visitationsberichten aufschien, ohne dass der Inspektor das immer so artikulierte. Die Verbote, an Gemeinde und Pastor gerichtet im Zusammenhang mit den Visitationen, die gar nicht patronatsherrlicher Kompetenz unterlagen, waren rechtswidrig. Das nahmen sich allerdings auch nur größere, einst schlossgesessene Familien wie die v. Jagow heraus. Und nur wenigen war es gelungen, ihren Einfluss in nachreformatorischer Zeit auch institutionell zu verfestigen, indem sie eigene Inspektionen konstituierten und gegen den Widerstand der direkt vom Konsistorium ressortierenden Inspektionen durchsetzten wie in der Altmark die v. d. Schulenburg zu Beetzendorf und Apenburg die Inspektion Apenburg mit 20 und die v. Alvensleben die Inspektion Kalbe/M. mit 15 Parochien 2 7 7 . Aber Zugriff auf Kirchen-, Pfarr- und Küstergut war auch kleineren Adelsfamilien nicht fremd. Ein Beispiel stehe für viele. Im Juni 1581 schrieb der Pfarrer zu Iden an die Visitatoren, seine Junker, die v. Rindtorf zu Iden, hätten sich 1573 bei seinem Amtsantritt Pfarreinkünfte für den Fall vorbehalten, dass ihre Söhne Lust zu studieren 273 Vgl. W e r d e r m a n n : Pfarrerstand und Pfarramt (wie Anm. 10), S. 65 ff., mit Fällen aus der Kurmark. - S c h m i d t : Die Evangelische Kirche der Altmark (wie Anm. 15), S. 73 ff. - Ζu „herrischer Willkür" der Patrone im benachbarten Herzogtum Magdeburg gegen Ende des 17. Jahrhunderts vgl. R i e m e r : Zur Vorgeschichte des Pietismus im Herzogtum Magdeburg (wie Anm. 13), S. 260 f. 271 E n d e r s : Die Uckermark (wie Anm. 19), S. 162 zu 1536 und 1538: Μ ü 11 e r /P a r i s i u s : Die Abschiede (wie Anm. 20), ab 1510. 275 Vgl. E n d e r s: Die Altmark (wie Anm. 19), S. 1168, 1188 ff. 276 Aufschluss für die Altmark geben die Kontributionskataster von 1686/93. - Zu Vorkommnissen in der Kurmark vgl. W e r d e r m a n n : Pfarrerstand und Pfarramt (wie Anm. 10), S. 61 ff. - Doch „der ungehemmte Zugriff des Adels auf das in der Reformation säkularisierte Kirchengut" fand auch in anderen protestantischen Ländern Europas statt (Ronald G. A s c h : Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 165 [= UTB 30861), und war auch katholischen Ländern nicht fremd (ebd., S. 167 f.). 277 Vgl. das Inspektionsverzeichnis bei B o n i n : Entscheidungen (wie Anm. i), S. 595 f. - Zum Patronat und „Kirchenregiment" der v. Alvensleben nach dem Dreißigjährigen Krieg bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts vgl. Peter-Michael Η a h η : Fürstliche Territorialhoheit und lokale Adelsgewalt. Die herrschaftliche Durchdringung des ländlichen Raumes zwischen Elbe und Aller (1300-1700). Berlin/New York 1989, S. 353 ff. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 72).
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hätten und ihre Studien auf Universitäten kontinuieren wollten. Alsdann sollte der Pastor den Zehnten vom Land dreier Bauernhöfe in Wendemark fünf Jahre lang und abermals, wenn ein anderer danach auch studieren wollte, noch fünf weitere Jahre missen und fallen lassen. Laut Visitations-Ordnung sollte aber kein Patron, viel weniger ein Pfarrer Macht haben, dasjenige, was seit alters zu Kirche und Gottesdienst gestiftet wurde, herauszunehmen und nach seinem Gefallen damit zu procediren. Er bat um Befehl an die Junker, besonders die Vettern Claus und Peter v. Rindtorf, die in ganz kurzer Frist ihre Söhne auf Universitäten senden würden, dass sie der Pfarre den Zehnten nicht entziehen und die Söhne nicht von Pfarreinkünften studieren ließen2™. Laut Konsistorialordnung von 1646 sollten die Inspektoren, die nun an die Stelle der Superintendenten traten, auf verbotene Handlungen der Patrone „fleißig Kundschaft legen". Diesen war bei schwerer Strafe untersagt, ehe sie Pfarrer präsentierten, ihnen Äcker, Wiesen, Dienste, Pächte und anderes Pfarreinkommen abzuhandeln, sich die Pfarrgüter zu eigen zu machen und den Pfarrern ein Gelübde abzunehmen, dass sie solches nicht klagen würden271·1. Die Konsistorialräte wussten also aus langer Erfahrung um die Gefährdung des geistlichen Eigentums und um die Problematik des Patronats. Nicolaus Conrad Breuning, altmärkischer Kommissariatsfiskal, deckte Ende 1718 die Situation in der Altmark drastisch auf28IJ: Die Pflege der Pia coipora, die den Patronen anvertraut ist, sei hier hin und wieder nicht nur schlecht; denn es werde nichts zu deren Aufnehmen bewirkt, sondern vielmehr zu deren Ruin und Nachteil empfindlich eingegriffen. Das ergebe schon eine Aufstellung über den Dom in Stendal, die schon vor seiner Zeit gemacht wurde. Es stünden auch 1.200 Taler der Kirche in Tangermünde in Gefahr, die der eine Kirchenvorsteher nicht werde ersetzen können, 100 Taler der Kirche in Arneburg und 800 Taler einiger Kirchen unter dem Amt Tangermünde. Letztere hatten die Kirchen im baren Bestand; der verstorbene Amtmann Striepe aber als Patron habe sich das poiwoir angemaßt, selbige an sich zu nehmen. Dabei dürfe ohne des Konsistoriums Wissen nichts über 50 Taler ausgetan oder müsse allenfalls von den Vorstehern ersetzt werden. Das Problem sah Breuning in der Macht bzw. dem Machtmißbrauch der Patrone. Wenn, fuhr er fort, der Patron, sei es ein Edelmann, Magistrat oder Amtmann, einen Eingriff tendiere, dürfe der Vorsteher aus furcht schon nicht wiedersprechen, da der Patron tausend Gelegenheiten habe, Ihnen [sie] es wieder genießen zu laßen, so dass solch armer Mensch darüber seine eigene Verantwortung vergisst. Mit den Predigern habe es keine andere Bewandtnis. Denn außer dem, dass sie ihre Salarien z.T. aus den Piis cotporihus mit zu erhalten haben und solches von den Obrigkeiten mit dirigiret werden könne, so sei es gar nicht eines Predigers Tun, dergleichen Ding zu unternehmen; denn wollte er dem steuern und denunzierte es dem Konsistorium mit 278 BL1IA, Rep. 10 A, Nr. 880, Fragment. 279 Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung (wie Anm. i), S. 176 f. 280 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 92, fol. 1 ff.
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dem nötigen Effekt, so verfället Er in wiederwillen Bey der Obrigkeit. Und wenn dann auch noch Prediger und Obrigkeit an einem Ort leben und die Verdrießlichkeiten in allerhand Animositäten und öfter auch Tätlichkeiten ausbrechen, dann sei der Prediger in Führung seines Amtes dergestalt inutil gemacht, dass, statt dass die Gemeinde ein Exempel haben sollte, wie die Obrigkeit und der Prediger sich liebreich, stille und ruhig miteinander betragen, hingegen nichts als lauter Ärgernis wahrgenommen werde. Es sei dem Prediger also nicht zu verdenken, wenn er alle Collisiones mit der Obrigkeit vermeidet. Daher komme es, dass die Pia corpora darunter litten und öfter ganz ruiniert würden. Demnach, so Breuning schlussfolgernd, scheine es unumgänglich, dass 1. die Vorsteher nicht von den Patronen allein dependiren, sondern vom Konsistorium, so wie es laut Visitations-Ordnung und -Rezessen vormals observiert worden und nur nach und nach zum Nachteil des Konsistoriums in desuetudinem gekommen sei. 2. würde es unvermeidlich nötig sein, dass das Konsistorium in den Provinzen jemanden hätte, der die Jura consistorialia daselbst beobachte; derselbe würde nun a) schlechterdings vom Konsistorium dependiren, b) im Stande sein müssen, dass er die Jura consistorii samt dem Konsistorialprozess vollkommen inne- und weder Schaden noch Vorteil von den Patronen in der Provinz zu gewartet! habe. Dieser Konsistorialbeauftragte würde selber den Lokalvisitationen beiwohnen oder wenigstens die Berichte darüber annehmen und durchgehen usw. Er selbst sei erbötig, dieses Werk in der Altmark zu übernehmen, und zwar ohne Salarierung, es sei denn, aus seinen Diensten erwachse den Piis cotporibus ein handgreiflicher beträchtlicher Vorteil. Das Konsistorium billigte Breunings Vorschlag als solchen. Doch er hatte offenbar nicht nur Freunde unter den Räten. J. C. Rieselmann zufolge war Breuning in der Altmark als ein Zänker bekannt und hatte viele Misshelligkeiten mit den Magistraten und Advokaten, daher für das von ihm vorgeschlagene Amt nicht geeignet. Und das Votum von Johann Porst lautete: Da bereits Goldbeck für das Konsistorium tätig ist, sollte man ihn auch damit beauftragen. Demgemäß trug das Konsistorium die Funktion zunächst dem Konsistorialkommissar Goldbeck auf, der gerade die Pia Cotpora in Stendal untersuchte; Breuning sollte die Instruktion für ihn entwerfen 2 8 1 . Die Problematik des Privatpatronats erkannten auch andere Zeitgenossen. Aber außer den unmittelbar davon Betroffenen, Ortsgeistlichen und Kirchengemeinden, und den übergeordneten Inspektoren waren es eben die die geistliche Gerichtsbarkeit ausübenden Konsistorialräte, die sich in vielen Prozessen auch damit beschäftigen mussten 2 8 2 . Hinzukam ja noch die sonst den Gemeinden und Einzelnen zur Last gelegte Entheiligung des Sonntags, der sich Patrone nicht weniger schuldig machten,
281 Ebd., fol. 6 und 17. - Breuning hatte sich bei den Magistraten, besonders dem Stendaler, unbeliebt gemacht, weil er im Zuge der Städtcrcform bei Tiefenprüfungen des Rathaus- und Kämmereiwesens zahlreiche Missstände aufgedeckt hatte (vgl. E n d e r s : Die Altmark iwie Anm. 191, S. 1098 ff.). 282 Vgl. B o n i n : Entscheidungen (wie Anm. 4), passim.
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w e n n sie ihren Untertanen sonntags Hof- und Fuhrdienste autbürden wollten und sie oder ihr Gesinde dadurch auch vom Gottesdienst abhielten. Im 18. Jahrhundert kamen einige Maßnahmen zum Tragen, die Machtmissbräuche einschränken sollten. Im Bereich der Kirchen königlichen Patronats wurde mit der 1723 erfolgten Gründung des Kurmärkischen Amtskirchenrevenuendirektoriums eine Aufsichts- und Kontrollbehörde zur Verwaltung der Einkünfte und des Vermögens der lutherischen Kirchen in den kurmärkischen Ämtern tätig. Doch der adlige und sonstige Patronatsbereich blieb davon unberührt und dadurch weiter Vermögenseinbußen ausgesetzt. Nur einem vermeintlichen Entsetzungsrecht der Patrone über ihre Prediger wurde seitens des Landesherrn ein Riegel vorgeschoben 2 8 3 . Die Visitationsberichte und -protokolle altmärkischer Inspektoren aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermitteln auch etwas über das Selbstverständnis der Patrone in dieser Dignität. Eins der Kriterien ist ihre Haltung zum Institut der Visitation durch den Superintendenten, also, sieht man von den adligen Inspektionen ab, durch einen von ihnen völlig unabhängigen kirchlichen Amtsträger. Eine Reihe von Ortsprotokollen weist ihre Anwesenheit aus, auch ihre Mitwirkung bei der Befragung über den Prediger, und nicht selten stimmten sie mit der Gemeinde überein, dass sie mit ihm zufrieden oder gar sehr zufrieden seien. In diesen Fällen gab es auch keine Probleme mit der Vorlage der Kirchenrechnungen und der Auskunft über das Kirchenvermögen, keine Klagen von Pfarrern und Kirchenvorstehern über den Ausschluss von der Rechnungslegung und andere gezielte, widerrechtliche und sie kränkende Ignoranz. Zu den aufgeschlossenen, auch ihrer Pflicht sich bewussten Patronatsherren sind auch diejenigen zu zählen, die trotz rechtzeitiger Ankündigung der Visitation zwar nicht daran teilnahmen, sich aber entweder entschuldigten oder einen Vertreter schickten, den sie mit gewissen Vollmachten versahen. Darauf kam es an, damit der Inspektor die Visitation ungehindert durchführen konnte; Präsenz allein bedeutete nicht viel. Wer aber nicht kam, sich auch nicht entschuldigte oder vertreten ließ, gleich ob er im Ort anwesend oder verreist war, bekundete nicht nur Nachlässigkeit; es geschah oft auch aus Missachtung der Visitation und damit aus Überhebung über diesen von König und Konsistorium befohlenen Akt. Auf die Spitze trieben es diejenigen, die die Visitation vorsätzlich verhindern oder beeinträchtigen wollten, teils weil sie sich nicht in die Karten blicken lassen, teils weil sie in ihrem lokalen Machtbereich keine Kontrollinstanz über sich dulden wollten.
283 Vgl. I l a u ß m a n n : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung (wie Anm. 18), S. 157 ff. zum Wegfall des Entsetzungsrechts und Schutz der Pfarreinkünfte im 18. Jahrhundert, S. 161 ff. zur staatlichen Kontrolle der Kirchenkassen. - Zum konfliktgeladenen Patronatsrecht in anderen protestantischen Regionen vgl. z.B. Luise S c h o r n - S c h ü t t e : Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit. Deren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft. Dargestellt am Beispiel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Braunschweig. Gütersloh 1996, S. 391 ( = Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, 62 ).
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Letztere waren wohl in der Minderheit, aber doch störend genug; denn sie machten öffentlich Affront und reizten dadurch andere zur Nachahmung. Außerdem untergruben sie die Autorität der Geistlichen, ihrer eigenen Pfarrer wie auch des Inspektors, und es bedurfte schon eines festen Charakters und Selbstbewußtseins der geistlichen Herren, damit so umzugehen, dass ihre Würde unbeschädigt blieb und sie sich die Achtung und den Respekt der Gemeinde bewahrten, die derlei Vorgänge hellhörig wahrnahm. Treffende Beispiele dafür finden sich in dieser Zeit z.B. auch in der Prignitz, wo Inspektoren der Saldernschen Herrschaft Plattenburg-Wilsnack imperiösem Herrschaftsgebaren ausgesetzt waren und je nach Persönlichkeit reagierten284. Ein weiteres Kriterium für die Geisteshaltung eines Patrons ist seine Sorge um das Kirchenvermögen und das Kirchen- und Pfarrbauwesen (und zwar in Kooperation mit Pfarrer und Kirchenvorstehern). Beides oblag ihm pflichtgemäß, war Voraussetzung für die Gewährleistung von Privilegien wie abgesonderte Plätze in der Kirche, Fürbitte, Geläut u.a.m. Es wäre unbillig, wollte man aus diesbezüglichen Verfehlungen vieler Patrone auf alle schließen. Aber es lässt aufhorchen, wenn Werner Christoph Miri, Pfarrer des Städtchens Bismark, das zur Alvenslebenschen Inspektion Kalbe/M. gehörte, 1743 in einer externen Umfrage Baumaßnahmen an der Kirche von 1721 erwähnte und die v. Alvensleben wegen ihrer Beteiligung als Patrone rühmte, und zwar, wie er schrieb, im Gegensatz zu vielen hohen und berühmten Geschlechtern, die von ihren Gütern nichts zur Erhaltung von Kirche und Schule verwandt, sondern nur in allem auf sich selber und ihr vermeintes Interesse gesehen haben28"'. Zu letzteren wären auch einige v. Alvensleben auf Isenschnibbe und Erxleben zu rechnen, die den Armen im Großen Heiliggeist-Hospital zu Gardelegen seit alters jährlich sechs Gulden Zins von der wüsten Feldmark Neuferchau gezahlt hatten, bis Friedrich Adam v. Alvensleben 1695 die Zahlung verbot und dabei blieb, obwohl ihm die Zahlung 1697 verordnet wurde. Der Vorsteher des Armenhauses klagte, 1703 erneut, und das Konsistorium gebot Alvensleben, die Leute bei Vermeidung der Exekution zufrieden zu stellen. Bis Ende 1729 geschah aber nichts; die schuldige Summe war inzwischen auf 180 Taler angeschwollen. Hauptmann Gebhard Friedrich v. Alvensleben zu Erxleben, dem nun Isenschnibbe gehörte, ließ es auf einen Prozess ankommen. Im März 1730 appellierte er gegen die Sentenz des Konsistoriums, die Schulden zu begleichen, sofern er nicht beweisen könne, dass die Feldmark Neuferchau nicht zu seinem Gut gehöre. Denn rechtens sei der Kläger den Beweis schuldig; im Übrigen herrsche Unklarheit, seit wann die Schuld bestehe. Der Hospitalvorsteher kämpfte unentwegt, doch um dem Hospital teure Prozesskosten zu ersparen, ging er schließlich auf das Angebot Alvenslebens ein, die kurrenten Zinsen zu zahlen, und das Konsistorium stimmte zu 286 . Das Armenhaus hatte jahrzehntelang lebenswichtigen Unterhalt eingebüßt; die Patronatsfamilie errang einen fragwürdigen Sieg. 2 8 r P e t e r s : Märkische Lebenswelten (wie Anm. 19), S. 696 ff. 285 LHASA MD, Standort Wernigerode, Rep. II Kalbe/M. Nr. 196, fol. 3 ff. 286 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 358.
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Hinzukam das endlose Gerangel zwischen Patronen und Kirchengemeinden um ihren jeweiligen Anteil an der Baulast. Es fällt nicht nur auf die Gemeinden zurück, sondern ebenso, wenn nicht stärker, auf den Patron. Da waren diejenigen unter ihnen, die sich etwa als Stifter hervortaten, eine verschwindende Minderheit. Seltener erfährt man etwas über Glaubensbekenntnis und Religiosität der Patrone und ihrer Ausstrahlung 287 . Das Beispiel des pietistischen Pastors Seidel in Schönberg und seines gleichgesinnten Patrons Frhr. v. Canstein ist eher die Ausnahme. Die sonstigen Verhaltensweisen vieler Patrone lassen auch weniger auf tiefe Frömmigkeit schließen, die ja eher mit Demut gepaart sein sollte als mit Hoffart. Es war wohl häufig mehr das Ritual kirchlicher Feiern und die Gelegenheit zur Selbstdarstellung und herrschaftlichen Abgrenzung, die sich der Patronatsfamilie dabei bot, sowohl vor der Gemeinde als auch gegenüber dem Pfarrer, sichtbar überall dort, wo die Patronatsloge so hoch angebracht war, dass die Herrschaften auf Pastor und Altar hinabblicken konnten. Wie dem auch sei, pauschale Verdammung ist sicher so unangemessen wie Verklärung. Das trifft auch auf Urteile über die gesellschaftliche Bedeutung der P a s t o r e n zu 288 . Sie entstammten nicht selten Pfarrfamilien, hatten eine mehr oder weniger sorgfältige Erziehung genossen 2 8 9 , um diese Zeit mindestens ein bis zwei, öfter drei bis vier Jahre Theologie studiert und also ausbildungsmäßig die benötigten Voraussetzungen für ihr Amt erworben. Engagement und Stildia [Eifer] waren charakterbedingt. Das beobachteten und notierten die visitierenden Inspektoren aufmerksam und, wo es Not tat, freundlich nachhelfend oder ermahnend, meist taktvoll im individuellen Gespräch, nur selten vor der Gemeinde. Bemerkenswert war vielerorts das pfarrherrliche Bemühen um eine mehr als formale Katechisation der Jugend und die Aufsicht auf Küster und Schule. Engagierte und einsichtige Pastoren wußten um die Wirkungslosigkeit der alten Leyer des bloßen Auswendiglernens, wie es der Inspektor in Iden kritisierte. Wer hingegen mit vieler Erbauung und in lieblicher Ordnung chatechisiret wie der Pastor in Ahlum, bewegte 287 Auf die Möglichkeiten und Grenzen der Aussagekraft gedruckter Leichenpredigten wird nur pauschal verwiesen, ebenso auf Korrespondenzen amtlicher und privater Natur. - Zur Problematik im überregionalen Rahmen vgl. A s c h : Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit (wie Anm. 276), S. 163 ff. 288 Vgl. die kritische Sicht auf soziale Stellung, Ansehen und Bedeutung besonders der Landpfarrer im 18. Jahrhundert in Brandenburg-Preußen bei H e i n r i c h : Amtsträgerschaft und Geistlichkeit (wie Anm. 34), S. 210 ff., gestützt auf Literatur und mit Hinweisen auf Forschungsbedarf. - 11 a u ß m a η η : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung ( wie Anm. 18), anhand archivalischer Quellen über die Situation in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit gelegentlichen Rückgriffen auf die Zeit davor. 289 Vgl. z.B. die Lebensbeschreibung des Pastorssohns Georg Friedrich Lütkemüller d.J. aus Beetzendorf, seit 1750 Pastor in Erxleben/Kr. Stendal, ed. IJwe C z u b a t y n s k i : Der Lebenslauf des Pfarrers Georg Friedrich Lütkemüller, in: 74. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für Vaterländische Geschichte zu Salzwedel (2002), S. 57-61; Neudruck in: d e r s . : Kirchengeschichte und Landesgeschichte. Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1991 bis 2003, 2., erweiterte Aufl., Nordhausen 2005, S. 176-181.
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auch etwas im Gemüt, das haften blieb. Wenn dann auch noch die Eltern mitzogen, konnten Pfarrer und Küster bzw. Schulmeister über die katechetische Belehrung hinaus gute Ergebnisse in der Lese- und Schreibfähigkeit der Schüler erzielen 2 ". Weniger Anklang fanden ungewohnt eifernde Pastoren, die ihre Zuhörer nicht nur im Gottesdienst, sondern auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit bedrängten, neuartige Forderungen an sie stellten und bei Ablehnung straften. Seelsorgerische Krankenbesuche waren willkommen und wurden auch erwartet, aber um Seelentrost zu spenden und den Angehörigen beizustehen, nicht um sie zu indoktrinieren. Am wenigsten hatten die Gemeindeglieder ein offenes Ohr, wenn es um ihre Traditionen und Gebräuche ging. Pfingstbier und Fastnacht waren zwar seit langem staatlicherseits verpönt, aber nicht wirklich zu eliminieren. „Die Dämonisierung des Pfingstund Hütebier-Saufens prallte an der Logik des Dorfes ab" 2 9 1 . Auffällig ist, dass dieses sonst oft berührte Thema kaum in den Diözesen Gardelegen, Seehausen und Osterburg zur Sprache kam21·0. Dass die Pastoren immer mehr mit weltlichen Aufgaben und Bürokratie belastet wurden, empfanden sie selber eher als lästig und unziemlich29·^. Und es ging gar nicht mehr nur um das Abkündigen von der Kanzel 294 , solange die Lesefähigkeit der Dorfbewohner ungenügend war. Es sollten ja auch Vorkommnisse im Dorf gemeldet werden, die gegen die Moralgesetze verstießen, und das war schon an der Grenze zur Polizei- und Gerichtsfunktion. Und auch die örtliche Obrigkeit scheute sich nicht, Geistliche für ihre Herrschaftsinteressen einzuspannen. In Iden z.B. sollte der Ortspre-
290 Im Rahmen dieses Aufsatzes konnten die Schulverhältnisse nicht eingehend thematisiert, sondern nur mit berührt werden. Vgl. die einschlägigen Ausführungen bei E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), Kap. D.II.l.b) Dorfschulwesen, S. 1235 ff. für das Ende des 17. und das 18. Jahrhundert. 291 G l e i x n e r : Die „Ordnung des Saufens" und „das Sündliche erkennen" (wie Anm. 17), S. 53. 292 Im Ealle der Inspektionen Gardelegen und Seehausen ist aber zu beachten, dass die Überlieferung später einsetzt als in anderen Inspektionen. Zu erinnern ist an die extrem ausgeprägte und gepredigte Abstinenz weltlicher Freuden seitens des Pietisten Seidel am Anfang des 18. Jahrhunderts in Schönberg/Inspektion Seehausen CS c h i c k e t a η ζ : Christoph Matthäus Seidel: Pietistischer Gemeindeautbau in Schönberg/Altmark 1700-1708 [wie Anm. 391, passim; zu Seidels dementsprechenden Veröffentlichungen ebd., S. 94 f.). 293 Vgl. S c h m i d t : Die Evangelische Kirche der Altmark (wie Anm. 15), S. 76 f., 81 f. - Verständlich der Abscheu des strengen Pietisten Seidel, vgl. S c h i c k e t a n z : Christoph Matthäus Seidel (wie Anm. 39), S. 26. 29 i 1711 wurde befohlen, dass nur noch Edikte, die Ecclesiastics betreffen, von der Kanzel abzulesen seien, alle anderen in den Städten im Rathaus, auf den Dörfern durch den Küster vor dem Kirchturm, 1716 dahin abgewandelt, dass der Küster die Prof ana vor Beginn des Gottesdienstes vor der Kanzel verliest (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung fwie Anm. dl, S. 103), 1721, dass der Küster sie nach der Predigt je nach Zeit und Witterung auf dem Kirchhof oder in der Kirche vorliest, dass sie aber auch an den Kirchtüren oder, je nach Herkommen, im Krug angeschlagen werden. Die verschärften Desertions- und Kindsmordedikte waren aber von den Kanzeln abzulesen und so oft wie möglich zu wiederholen (ebd., S. 189).
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diger 1730 die zäh widerstrebende Gemeinde dahingehend beeinflussen, dass sie der für sie nachteiligen Separation mit dem Gutsherrn v. Kannenberg zustimme 2 9 5 . Das war eine Zumutung besonderer Art, aber sicher kein Einzelfall 296 . Andererseits sollten die Pfarrer aber auch möglichst viel Zeit in ihrer Studierstube verbringen, sich theologisch weiterbilden und sehr gründlich auf die Predigt vorbereiten. Was viele Pastoren bedrängte und von ihrer geistlichen Arbeit abhielt, waren die materiellen Sorgen 297 . Die Pfarren waren, wie schon die reformationszeitlichen Matrikeln auswiesen 2 9 8 , sehr ungleich dotiert. Die Inspektoren sahen es nicht gern, w e n n die Geistlichen selbst ihr Pfarrland bestellten und dadurch Zeit für ihre Studien und seelsorgerische Arbeit versäumten. Sie sollten es, möglichst günstig, verpachten. Aber auch den Zehnten zu erheben und sich u m verschleppte Abgaben und Akzidenzien zu kümmern, kostete Zeit und schaffte unerwünschte Reibungsflächen mit der Gemeinde oder einzelnen Gemeindegliedern, und nicht immer war dem Pastor der Beistand des Patrons und der Gerichtsobrigkeit gewiss. Ebenso misslich waren die Auseinandersetzungen u m die Baulast, teils zwischen Patron und Gemeinde, teils der Gemeinden untereinander. Der Pastor stand immer zwischen Baum und Borke, und der Zustand der Pfarrgehöfte war bisweilen katastrophal, auch mitten in Friedenszeiten 299 . Da bedurfte es oft wiederholter Ermahnungen seitens des visitierenden Inspektors und strikter Auflagen des Konsistoriums, ehe sich etwas bewegte, und da verwundert dann auch nicht irgendwann laut werdende Ungeduld des Pfarrers, eher schon dessen oft enorme Langmut um des lieben Friedens willen. Demgegenüber erklang der Vorwurf überzogener Ansprüche der Pfarrfamilie wesentlich seltener. Aber die Gemeinden wachten stets aufmerksam darüber, dass das, was gefordert wurde, auch dem Herkommen entsprach. Auf dem Hintergrund all dieser Alltagssorgen und -reibereien ist es erstaunlich, dass der Visitator in vielen Dörfern ein gutes oder zufriedenstellendes Einvernehmen zwischen Pfarrer und Gemeinde registrieren konnte. Nicht immer traute er dem Frieden, aber häufig stimmte es; denn beide Seiten wünschten Friedfertigkeit. Und die war auch geboten. Gemeinden konnten nicht abgelöst werden, und Pastoren wurden nur in schweren Konfliktfällen versetzt. Das heißt, sie blieben oft ihr Leben lang an
295 E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 149. 296 Vgl. W e r d e r m a n n : Pfarrerstand und Pfarramt (wie Anm. 10), S. 109 f. mit Beispielen aus der Kurmark. - Ähnliches wie in der Altmark vgl. im nordwestlich angrenzenden Wendland bei Klaus Ν i ρ ρ e r t: Nachbarschaft der Obrigkeiten. Zur Bedeutung frühneuzeitlicher Herrschaftsvielfalt am Beispiel des Hannoverschen Wendlands im 16. und 17. Jahrhundert, Hannover 2000, S. 113 ff. mit zahlreichen Beispielen (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, 196). 297 Vgl. W e r d e r m a n n : Pfarrerstand und Pfarramt (wie Anm. 10), S. 70 ff. zur Situation in der Kurmark. 298 Μ ü l l e r / P a r i s i u s (Hrsg.): Die Abschiede (wie Anm. 20), passim. 299 Vgl. l i n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 1178 ff. - Zu teils verheerenden Zuständen in Nachbarterritorien vgl. z.B. R i e m e r : Zur Vorgeschichte des Pietismus im Herzogtum Magdeburg (wie Anm. 13), S. 285 f.
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einem Ort im Amt, und das konnte Jahrzehnte, bisweilen länger als ein halbes Jahrhundert lang sein3'-"-'. Allenfalls gab ihnen das Konsistorium einen Adjunkten bei. War aber das beiderseitige Verhältnis gut oder gar herzlich, kam die Gemeinde dem Pastor auch entgegen. In Neuendorf am Speck bat der Prediger Christophorus Hindenburg 1698 u m ein Stück Wiese. Er wusste, dass eine Wiese in der Aaskuhle unter den zehn Bauern reihum ging und jährlich immer zwei Bauern sie nutzten, und zwar gegen eine halbe Tonne Bier für die anderen. Der Pfarrer bat, als elfter hineingenommen zu werden, und versprach, sein Quantum, wenn die Reihe an ihn käme, zu erlegen. Die Gemeinde bewilligte es, weil sie mit dem Pfarrer zufrieden seien, doch (sich absichernd) nur auf Lebenszeit, ohne Konsequenzen für die Nachfolger-^ 1 . Das war ein autonomer Akt der politischen G e m e i n d e . Sie bildete zwar den Kern der Kirchengemeinde, war aber mit dieser nicht identisch. Letztere hatte scheinbar eher einen passiven Status und vor allem materielle Pflichten gegenüber Pfarre und Kirche zu erfüllen, zwar gegen das Recht auf Seelsorge, aber auch diese hatte ja Disziplinierungsfunktion. Doch in der Wirklichkeit kam es vielmehr darauf an, wie stark sich die Gemeinde selbst für das Wohl und Wehe der geistlichen Institutionen engagierte. Bis auf wenige Außenseiter bestand der Wunsch nach regelmäßigem Gottesdienst, Abendmahl und den geistlichen Riten der hohen Familienfeste. Da wollten sie erbaut werden und ihren Seelenfrieden finden, wollten Vertrauen haben können, Verständnis und Achtung finden, sich nicht schurigeln oder wie unmündige Kinder behandeln lassen 3 " 2 . Dass es also auf ein gedeihliches Klima in der Kirchengemeinde ankam, wussten auch einsichtige Obrigkeiten. Es bestand zwar in der Mark Brandenburg kein Recht der Gemeinden auf Pfarrerwahl 303 , aber es hatte sich gewohnheitsrechtlich eingebür300 Vgl. C ζ u b a t y η s k i : Evangelisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), 2000, S. 18 ff., Verzeichnis der Pfarrstellen, passim. 301 BLHA, Rep. 86, Nr. 1542, fol. 40 ff. 302 Vgl. z.B. auch R u b l a c k : „Der wohlgeplagte Priester" (wie Anm. I ii), S. 8 f. zur Ablehnung der Bußpredigten und „Schärfe der Zucht" durch württembergische Gemeinden im 18. Jahrhundert, S. 10 zur Erwartung der Gemeinden, dass der Geistliche tröste, nicht strafe, S. 29 zur Ablehnung der „Lebenskontrolle": „Denn die Laien erwarteten von Religion die Lösung der Probleme ihres Lebens, während die Ermahnung Probleme schuf und steigerte". Für Bayern vgl. Β e c k : Der Pfarrer und das Dorf (wie Anm. 7), S. 136 ff. zur Renitenz der Dorfbewohner dort, „wo ein allzu eifriger Pfarrer darauf insistierte, die dörflichen Sitten nach den Maßstäben der Moralisten umzugestalten", u.a. - Vgl. auch Heide W u n d e r : Im Angesichte Gottes. Öffentlichkeit in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Dirk Β r i e t ζ k e/Norbert F i s c h e r / A r n o II e r z i g (Hrsg.): Hamburg und sein norddeutsches Umland. Aspekte des Wandels seit der Frühen Neuzeit. Festschrift für Franklin Kopitzsch. Hamburg 2007, S. 36—45, hier S. 44 (= Beiträge zur Hamburgischen Geschichte, 3). 303 Vgl. Dietrich K u r z e : Die kirchliche Gemeinde. Kontinuität und Wandel - Am Beispiel der Pfarrerwahlen - , in: Joseph S z ö v e r f f (Hrsg.): Mittelalterliche Komponenten des europäischen Bewußtseins. Mittelalterliches Kolloquium im Wissenschaftskolleg. Berlin 1983, S. 20-33 (= Medieval Classics: Texts and Studies, 17); Neudruck in: d e r s . : Klerus, Ketzer, Kriege und Prophetien. Gesammelte Aufsätze, hrsg. von Jürgen S a r η ο w s k y/Marie-Luise H e c k m a n n / S t u a r t J c n k s unter Mitwirkung von Mario G l a u e r t . Warendorf 1996,
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gert, dass die Gemeinde bei der Probepredigt eines Pfarramtskandidaten nicht nur anwesend war, sondern auch nach ihrer Meinung gefragt wurde 304 . So war es z.B. im Pfarrdorf Perver vor Salzwedel, zur Inspektion Alt-Salzwedel gehörig. An der Kirche Zum Hl. Geist amtierte zur Zeit der Visitation von 1718 Pastor Thomas Lüdicke, voziert 1683; bei dessen Probepredigt waren auch die Einwohner in Perver befragt worden, wie sie mit seinen Gaben zufrieden wären-^5. Geschah das nicht, klagten übergangene Kirchengemeinden ihr Recht ein, so z.B. in Hindenburg. Das Dorf gehörte größtenteils zum Amt Tangermünde, das Patronatsrecht aber der Johanniterkomturei Werben. Ende August 1739 protestierten Schulze und Gemeinde zu Hindenburg beim Konsistorium. Am Sonntag habe ein cand. theol. Cracau [Johann Christian Kracko] hier gepredigt, jedoch so, daß wir so gut aus der Kirche wieder heraus als hineingegangen, da kaum einer hören oder verstehen konnte, was er aus seinem Concept hergelesen. Wir wären hesser zu Hause gebliehen und hätten unsere Postillen gelesen^6. Die Komturei zu Werben, Patron der Kirche, verfahre mit ihnen bei Setzung eines Predigers ganz irregulair und wolle ihnen wie das vorige Mal einen Prediger obtrudiren, zu dem sie unmöglich Vertrauen fassen und sich von ihm erbauen lassen könnten. Er soll schon ein halbes Jahr die Vokation haben, und ihnen wurde die Predigt nicht als Probepredigt angekündigt, noch konnten sie danach den Kandidaten befragen. Auch war er nur allein aufgestellt, nicht noch ein zweiter oder dritter. Sie baten, dem Komtur das Verfahren zu verweisen und noch zwei Kandidaten zur Probepredigt aufstellen zu lassen, die sie dann im Beisein ihres Amtmanns zu Tangermünde nach der Predigt gehörig vernehmen könnten. Das Konsistorium gab ihnen hinsichtlich des Verfahrens recht, der Kandidat protestierte, der Inspektor und der Komtur drängten auf Introduktion ihres Gewährsmanns. Kracko hatte nicht nur die Nomination des Herrenmeisters Markgraf Carl auf das vakante Pastorat, sondern auch ein Attest dreier Geistlicher an St. Petri in Cölln, wo er nach erfolgter Vokation seine drei Probepredigten gehalten hatte. Inzwischen ehelichte er die Witwe seines Vorgängers in Hindenburg, Schwiegertochter des Inspektors Paschasius Marggraff, erfreute sich also einiger Protektion. Die Gemeinde aber erreichte mittels Immediatbeschwerde ein Mandat des Konsistoriums vom April 1740, die Introduktion aufzuschieben, weil die Gemeinde mit ihrem Widerspruch erst gehört werden müsse, und der Komtur sicherte zu, dass sie künftig wieder vor der Vokation gefragt werden soll. S. 3 7 - 4 6 , bes. S. 45 f. mit der auf Europa b e z o g e n e n Aussage, dass „Pfarrerwahlen und andere Eormen zentraler Mitbestimmung kirchlicher Gemeinden ... im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit eher die Ausnahme als die Regel" sind, nicht zuletzt deshalb, „weil die Schwierigkeiten ihrer Durchsetzung sowohl g e g e n ü b e r der Kirche als Institution als auch gegenüber den vorherrschenden weltlichen Machtträgern enorm groß waren". 30 i Ein Kandidat wurde nach der Probepredigt, sofern zwei Drittel der künftigen Gemeinde gegen dessen Leben, Lehre und "Wandel nichts einzuwenden hatten, ordiniert (S c h m i d t : Die evangelische Kirche der Altmark [wie Anm. 151, S. 65). 305 BL1IA, Rep. i() A, Nr. 676, Protokoll v o m 22. Mai 1718. 306 BLHA, Rep. 40 A, Nr. 407; auch für das Folgende.
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In Buchholz gingen Schulze und Gemeinde noch einen Schritt weiter, indem sie sich im Juli 1747 nach dem Tod des Predigers Joachim Gollovius beim Patron, der Universität Frankfurt/O., für den Katecheten Burchard Georg Müller in Stendal einsetzten und ihn quasi nominierten: Er habe bei seinen Predigten in Stendal und Buchholz ihre Herzen dergestalt gerührt, dass sie aus dessen Predigten ihr sündliches Leben und verderbten Zustand hätten erkennen lernen, und seien von seinen Predigten dermaßen erbaut, dass sie von dessen Gaben und Geschick sattsam überzeugt seien und ihr Vertrauen in ihn gesetzt hätten, dass sie mit ihm in völliger Einigkeit leben würden. Sie baten daher, ihn nach Buchholz zu vozieren. Der Universitätsquästor in Stendal, Hofrat Christian Friedrich Schroeck, stellte sich mit Verleumdungen dem Wunschkandidaten der Gemeinde entgegen, die Universität aber lud ihn, obwohl sie schon drei Kandidaten hatte, zur Probepredigt nach Frankfurt ein. Die bestand er so glänzend, dass er tatsächlich die Vokation erhielt. Die Gemeinde freute sich und bedankte sich eigens dafür 307 . Die Gemeinde des Universitätsdorfs Düsedau wiederum erreichte mit ihren vielen Beschwerden über den Pfarrer Mag. Georg Wilhelm Zepernick, der 1746 die Pfarrstelle übernommen hatte, dass eine Kommission alle streitigen Punkte untersuchte und Zepernick, der dem Patron auch wegen überzogener Ansprüche nachteilig aufgefallen war, schließlich 1751 nach Staffelde versetzt wurde. Mit dem neuen Pastor Johann Friedrich Ungnade waren nach Aussage der Düsedauer keine Misshelligkeiten zu besorgen, da die streitigen Punkte vom Konsistorium behoben worden waren. Die Gemeinde bat vielmehr darum, ihr den neuen Pastor nicht wieder zu nehmen, da sie mit ihm sehr wohl zufrieden sei und in guter Innigkeit zu leben hoffe 3 0 8 . Was ländlichen Kirchengemeinden recht war, war städtischen billig. Die Bürgerschaft zu Tangermünde hatte im Ergebnis ihrer zahlreichen Gravamina über den Rat erreicht, dass im neuen „Rathäuslichen Reglement" von 1693 unter Punkt 83 auch ihr Gesuch berücksichtigt wurde, bei Vakanz einer Predigerstelle, wie es vormals in Tangermünde und an anderen Orten üblich gewesen sei, den Bürgern die Probepredigt anzukündigen und ihre Meinung darüber zu vernehmen 31 ^. Zwiespältig wurde in den Kirchengemeinden verschiedener Inspektionen das sonntägliche Examen nach dem Gottesdienst aufgenommen. In der Kurmark waren im 17. Jahrhundert auf Grund von Kirchenordnungen das Vorlesen des Katechismus, Katechismuspredigten und -examen aufgekommen 31IJ . Als Dr. Gregorius Franck, derzeit Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Frankfurt/O., und der Universitätssyndikus D. Elias Rewald im Februar 1633 die altmärkischen Universitätsdörfer bereisten, die Kriegsschäden registrierten und das Vogtgedinge hielten, wurden die
307 BLIIA, Rep. 86, Nr. 1310; vgl. auch E n d e r s : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 1191. 308 BLIIA, Rep. 86, Nr. 1517, fol. 15 ff. 309 BLHA, Rep. 2, S.7839, 1. Sept. 1693. - Das Anhörungsrecht war also keineswegs „rein formal", wie II a u ß m a η η : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung (wie Anm. 18), S. 180 meint. 310 Vgl. W e r d e r m a n n : Pfarrerstand und Pfarramt (wie Anm. 10), S. 116 ff.
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Leute auch im Katechismus examiniert. In Schleuß, Buchholz, Röxe und Düsedau hatten sie ziemlich, in Garlipp und Neuendorf am Speck wohl bestanden. Nur in Staffelde bestanden sie das Examen nicht so, wie sie gesollt hätten, weil sie von andern Orten zugezogen waren. Sie wurden zur Anhörung göttlichen Worts und fleißiger Betrachtung des Katechismus ermahnt 311 . Demnach war die Katechisation in Dörfern anderer Grundherrschaften und Patronate nicht so erfolgreich gewesen. In den Universitätsdörfern aber wurde offenbar schon in Vorkriegszeiten regelmäßig katechisiert und examiniert, und zwar auf einem Niveau, das den Erwartungen der gelehrten Herren aus Frankfurt/O. in etwa entsprach. Diese Tradition wurde nach dem Kriege wieder aufgenommen. l698 stellten die Abgesandten der Universität wieder gute Ergebnisse im Katechismusexamen fest, in Röxe, wo das der Stendaler Domprediger Grattenauer den Sommer über besorgte, auch bei den Alten. Er bemängelte nur, dass diese nicht gern Bücher in die Kirche nehmen wollten. Das wurde ihnen nun ernstlich anbefohlen. In Buchholz bestanden sowohl die Alten als auch die Kinder wohl, ebenso in Schleuß die Alten und die etwas erwachsenen Kinder, die Kleineren aber gar nicht, konnten z.T. mangels Schule nicht recht beten. Die Untertanen versprachen, es zu verbessern, hätten auch jetzt einen Schulmeister angenommen, dem sie von Martini bis Ostern sechs Taler, freie Wohnung und jeden Sonntag eine Mahlzeit gäben. Wer seine Kinder nicht zur Schule schickte, sollte dennoch dem Schulmeister sein Quotum zu den sechs Talern erlegen, wöchentlich für jedes zu Hause gelassene Kind sechs Pfennig. In Düsedau konnten die Alten den Katechismus ziemlich hersagen, die Ältesten besser als die Jüngeren, die laut Klage des Pfarrers unfleißig zum Katechismusexamen kämen. Der Küster examinierte die Jungen, die in großer Menge erschienen waren. Sie bestanden ziemlich im Katechismus, die Kleinen in allerlei Gebeten; sie wurden gerühmt, dass sie die Gesänge in der Kirche und bei den Begräbnissen wohl singen können. Doch nicht überall zeigten sich gleiche Erfolge. In Beesewege bestanden die Alten z.T. ziemlich, teils nicht; der Küster und die Kleinen waren gar nicht erschienen und könnten auch nichts. In Garlipp brachten die Alten im Examen ihre Sachen ganz confus vor und bestanden mehrerenteils übel, die Kleinen etwas besser. In Staffelde wiederum bestanden die Alten ziemlich, aber die neu angekommenen nicht; sie sollten künftig das Katechismusexamen fleißig besuchen. Die Kinder schnitten auch ziemlich ab bis auf die ganz Kleinen, denen es noch am Beten mangelte. Die Eltern lasteten die Mängel z.T. den Schulmeistern an 312 . Das vergleichsweise mittelmäßige bis gute Niveau der religiösen Bildung war um diese Zeit, erinnert man sich an das Ergebnis der Visitationen von 1715 und später, in den Universitätsdörfern beachtlich, der Besitz geistlicher Bücher offenbar selbstverständlich; denn in Röxe wurde 1698 nur kritisiert, dass sie sie nicht mit in die Kirche brachten. Und selbstverständlich, weil seit alters gewohnt, war alten wie jungen
311 BL1IA, Rep. 86, Nr. 1539, fol. 2 ff. und passim. 312 BLHA, Rep. 86, Nr. 1542, fol. 17 ff. und passim.
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Kirchgängern das wöchentliche Examen, d.h. die regelmäßige Schulung und Befragung. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie es als peinlich empfanden. Die Visitationsberichte aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts machten dagegen deutlich, dass das öffentliche Examen in der Kirche für viele Gemeinden ein Novum war, für das sie wenig Lust und Verständnis aufbrachten, da ja viele als Kinder mehr oder weniger lange die Schule besucht und beim Küster auch Katechismusunterricht gehabt hatten. Das wurde von der Geistlichkeit aber wohl als unzureichend geweitet; sie griff nun selbst in die Kirchenlehre ein, und zwar nicht nur zur Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die Erstkommunion, sondern auch zur nachhaltigeren Bildung der Erwachsenen. So wurde es üblich, dass der Pfarrer nach der Predigt mit seinen Zuhörern den Predigttext durchging und dabei prüfte, was aufgenommen und verstanden worden war. Daran schloss sich das Katechismusexamen der Alten und Jungen. Die Reaktion war vielfach, dass sich die Alten verschlossen, wenn sie sich unsicher fühlten und genierten, auch ob des Ungewohnten gehemmt waren und beim Visitator einen schwachen (blöden) Eindruck hinterließen. Es schreckte nicht selten von der Teilnahme am Gottesdienst ab 313 . Die erwachsenen Jugendlichen aber weigerten sich, wie Schulkinder vor den Altar treten und sich abfragen lassen zu müssen. Oft musste der Inspektor, um die Aufforderung des Predigers durchzusetzen, ihnen ernstlich zureden, bis sie sich seiner Autorität beugten. Die Autoritäten waren offenbar so sehr von ihrer Aufgabe überzeugt, das religiöse Grundwissen zu vermitteln, zu festigen und zu vertiefen, dass sie für die Empfindungen der älteren und jüngeren Erwachsenen kein Gespür hatten und daher auch keinerlei Bedenken gegen diese Methode hegten. Immerhin konnten, ja sollten Kinder und Erwachsene nicht nur beim Kirchgang ein Gesangbuch sowie die Bibel oder doch das Neue Testament bei sich haben. Pfarrer Seidel notierte aus seiner Amtszeit in Schönberg (1700-1708), dass die Kinder zum Katechismusexamen die Bibel mitzubringen hatten, die Beweisstellen aufschlugen und lasen·''14. In Goldbeck und Plätz hatte der Patron allen Ackerleuten und Kossäten eine Bibel geschenkt''15. Andere schafften sie sich selbst an, wozu Prediger und Inspektoren auch drängten310.
313 Ähnliche Reaktionen beobachteten die Visitatoren im magdeburgischen Ilolzkreis südlich der Altmark 1650/51. Von der Gemeinde zu Hohendodeleben hieß es z.B., „sie achten es für den größten Schimpf, wenn sie sollen examiniert werden" ( R i e m e r : Die Generalkirchenvisitation vom Jahre 1650/51 im llolzkreise iwie Anm. 611, 11 [19061, S. 112 ff., Zitat S. 113). - Zur Reaktion in der prignitzschen Kleinstadt Wilsnack vgl. auch P e t e r s : Wilsnack nach dem Wunderblut (wie Anm. 16), S. 137. 311 W e η d 1 a η d : Der pietistische Landgeistliche in Brandenburg um 1700 (wie Anm. 11), S. 89. 315 Siehe oben zu Anm. 76. 316 Laut Verordnung von 1719 sollten armen Kindern Katechismus, Gesangbuch und NT aus Kirchenmitteln gekauft werden (Churmärckische Visitations- und Consistorial-Ordnung Iwie Anm. 41, S. 117).
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Das setzte Lesefertigkeit voraus, und die war offenbar stärker verbreitet, als gemeinhin angenommen wird. Der Alphabetisierungsgrad der ländlichen Bevölkerung wird vorrangig an ihrer Schreibfähigkeit gemessen, weil diese anhand von Unterschriften eher fassbar ist. Selbst wenn Kinder sie in der Schulzeit erwarben, verloren sie sie oft wieder, sofern sie nicht öfter zum Schreiben Anlass hatten und sich dadurch immer wieder im Schreiben übten. Zum Lesen aber, das alle ohne zusätzliche Unterrichtskosten erlernten, sofern sie nicht allzu oft die Schule versäumten, hatten sie öfter Gelegenheit: Anschläge am Schulzengericht, an der Kirche, Informationen in der Stadt auf dem Markt oder auf Reisen. Und wer im Nebenverdienst viel unterwegs war, als Fuhrmann oder Händler, war gut beraten, wenn er nicht nur auf mündliche Auskünfte anderer angewiesen war. Man darf wohl auch davon ausgehen, dass das Bedürfnis, etwas für sein Seelenheil zu tun, nicht nur in der Kirche gestillt wurde. Längst waren Postillen und Erbauungsbücher im Umlauf, nicht nur unter den radikalen Pietisten in Arneburg, sondern auch auf dem Dorf. Besonders beliebt und verbreitet war Arndts „Wahres Christentum" und „Paradiesgältlein", und der Wortführer der Gemeinde zu Hindenburg im Protest gegen den aufgenötigten Kandidaten Rracko sprach es 1739 unverhohlen aus: Wir wären besser zu Hause geblieben und hätten unsere Postillen gelesen^1. Hätten sie das nur behauptet, wären sie unglaubwürdig gewesen. Es gab die Postillen, und sie wurden benutzt. Quantifizieren lässt sich das freilich nicht. Es entwickelten sich auch Traditionsstränge in den Gemeinden, Interesse der schulisch gebildeten Eltern an einer fundierten Elementarbildung ihrer Kinder, wie umgekehlt Leute mit mangelnder Bildung mitunter den Fehlschluss zogen, das genüge auch für den Nachwuchs. Zu bedenken ist aber auch wirtschaftliche oder gar Kriegsnot, die das Interesse an Schule und Bildung zwangsläufig schmälerte. Schule und Schulmeister ließen mangels Mitteln oft zu wünschen übrig; Staat und Patrone halfen selten aus. Und dass die Kinderarbeit auf den Höfen Vorrang hatte, blieb lange ein Hindernis für kontinuierlichen Schulbesuch wie Geistlichen als Schulaufsichtsbehörde ein Dorn im Auge. Brach aber erst einmal die Tradition ab, gab es Rückschläge wie in den Universitätsdörfern Garlipp und Düsedau, die erst wieder überwunden werden mussten. In jedem Fall müssen die konkreten Umstände und Ursachen berücksichtigt werden: der bleibend hohe Arbeitskräftemangel, nicht zuletzt auf Grand der rigorosen Einziehung zur Miliz, und die infolgedessen hohen Löhne, die die Höfe zusätzlich zur Feudalrente und zur wachsenden Steuerlast plagten 318 . Noch so gut gemeinte Predigten und Ermahnungen der weltlichen und geistlichen Obrigkeiten schafften die Ursachen für die Bedrängnisse nicht aus der Welt. Angesichts der Bandbreite der geistig-geistlichen Situation auf dem Lande in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 317 Siehe o b e n zu Anm. 306. 318 Vgl. Lieselott E n d e r s : Die Abgaben der altmärkischen Bauern in der Erühneuzeit, in: 77. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e. V. (2006), S. 4 9 - 8 7 , hier S. 76 ff.; d i e s . : Die Altmark (wie Anm. 19), S. 323 ff.
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- und das trifft im Prinzip auch für die Zeit davor und danach zu - ist das Urteil wesentlich stärker zu differenzieren 319 . Pauschalisierang ist auch hier fehl am Platz, vielmehr abzuwägen, welche Leistungen überhaupt erbracht werden konnten und wurden, soweit sich das messen lässt. Das besagt im Übrigen nur wenig über die ohnehin kaum messbare Religiosität als solche, und nicht nur im „einfachen Volk" blieb eine „starke Resistenz gegenüber einer allzu abstrakten Glaubenslehre, rigiden Moral und spirituellen Frömmigkeit ..., die es nicht erlaubten, eigene Sorgen, Ängste und Wünsche einzubringen, wodurch der Glaube des Volkes dem der offiziellen Amtskirche nur teilweise entsprach" 320 . Und religiöses Empfinden verband sich nicht nur mit dem frommen Wort, sondern auch mit Bildhaftigkeit. Purismus verletzte verinnerlichte Tradition und erregte Ärger wie die Abschaffung des Lichteranzündens zum Abendmahl, wogegen erfolgreich protestiert wurde. Und ebenso wenig konnte Purismus tradierte Festbräuche wirklich abschaffen, weil die Argumentation Lebensgefühl und Frömmigkeitsverständnis der Betroffenen verfehlte. Eingestreute V e r g l e i c h e mit anderen Regionen zeigten schon, dass die Verhältnisse in der Altmark zwar ihre eigenständige Prägung hatten, die sich aus ihrer Geschichte versteht 321 , andererseits aber auch den Zeitgegebenheiten verhaftet war. In der vom Dreißigjährigen Krieg stark zerstörten und in den Nachfolgekriegen wiederum heimgesuchten Uckermark z.B. waren um 1700 noch längst nicht alle Schäden behoben. Patrone hatten Kircheninventar versetzt und noch nicht wieder eingelöst, Pfarrhufen entfremdet, in Pfarren der Herrschaft Boitzenburg vorsätzlich auf Kirchengut und Baumaterial zurückgegriffen, so dass Kirchen verfielen 322 . Nach der Jahrhundertwende änderte sich das, Kirchen wurden wieder gebaut und instand gesetzt, allmählich auch die Pfarren. Verwaiste Gemeinden ersuchten den Patron inständig um einen eigenen Seelsorger für ihre Parochie, um wieder betreut zu werden. Anderswo gab es Konflikte zwischen Pfarrer und Gemeinde oder einzelnen Dorfbewohnern. Da suchte, wenn darum gebeten, der Patron auch zu vermitteln. Ihrerseits beklagten Pastoren ungebrochene Festesfreude 323 . Das war, in groben Zügen skizziert, so auch in der Prignitz, wo sich in der Nachkriegszeit noch manche Turbulenzen im Verhältnis von Pfarrer, Gemeinde und Patron
319 Vgl. z.B. Ernst I l i n r i c h s : Lesen, Schulbesuch und Kirchenzucht im 17. Jahrhundert. Eine Fallstudie / u m Prozefä der Alphabetisierung in Norddeutschland, in: Mentalitäten und Lebensverhältnisse. Beispiele aus der Sozialgeschichte der Neuzeit. Rudolf Vierhaus zum 60. Geburtstag, hrsg. von Mitarbeitern und Schülern. Göttingen 1982, S. 15-33. - Allgemeiner R e i n h a r d : Lebensformen Europas (wie Anm. 7), S. 545 f. 320 v a n D ü l m e n : Volksfrömmigkeit und konfessionelles Christentum im 16. und 17. Jahrhundert (wie Anm. 5), S. 6 1 321 Vgl. Lieselott E n d e r s : Regionalismus und Peripherie. Aspekte zur Frühneuzeitgeschichte der Altmark, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, N.F. 14 (2001), S. 1-50. 322 l i n d e r s : Die Uckermark (wie Anm. 19), S. 127. 323 Ebd., S. 537 ff.
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abspielten, ehe allmählich Normalität eintrat, ohne dass die Zeit n u n konfliktfrei ablief 324 . Der Pietismus fasste auch hier Fuß, nicht zuletzt durch das Wirken Gottfried Arnolds, 1707-1714 Pfarrer in Perleberg. Das eher orthodoxe Domkapitel in Havelberg wachte über die „reine Lehre" und stieß sich an vermeintlichen Abweichlern wie Joachim Goscke, Pfarrer in Breddin 325 . Filialgemeinden bekundeten Selbstbewusstsein gegenüber ihren Predigern und setzten ihre Ansprüche auf Predigt und Abendmahl in ihrer Kirche bzw. auf einen eigenen Pastor durch. Mag auch das religiöse Wissen vielerorts ungenügend gewesen sein - nur selten zeigte sich Gleichgültigkeit an der Seelsorge, wie sie die Gemeindeglieder verstanden und ihrer auch bedurften. Ebenso differenziert in sich waren, je nach ihren konkreten politischen und soziokulturellen Strukturen und Traditionen, andere größere Regionen. Im Herzogtum Magdeburg ergab z.B. die Visitation der inkorporierten Grafschaft Mansfeld 1739, dass „die ganzen kirchlichen Verhältnisse noch viel zu wünschen" übrig ließen 3 2 6 . Deutlich variierten Aktivitäten von Kirchengemeinden bei der Besetzung von Pfarrstellen und der Verwaltung der Kirchengüter durch die Kirchenvorsteher in den Regionen des Herzogtums Holstein, Ost- und Altholstein und Wilstermarsch 327 . Fallstudien aus Mecklenburg belegen, wie sorgfältig auch hier zu sondieren ist. Das betraf z.B. das Verhältnis von Gemeinde und Pfarrer und die religiösen Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Kossäten und Fischer im Fischland 328 . Anderes fand sich im Gutsdorf Galenbeck, w o ein Pfarrer unerschrocken dem selbstherrlichen Patron gegenübertrat, die drei Dörfer der Parochie im Konflikt ungleiche Stellung bezogen, im Kirchstuhlstreit miteinander rauften, aber gemeinsam, w e n n auch mit unterschiedlichen Voten, das Pfarrwahlrecht wahrnahmen 321 · 1 .
324 .Ε η d c r s : Die Prignitz (wie Anm. 19), S. 841 ff. - Vgl. auch P e t e r s : Das laute Kirchenleben und die leisen Seelensorgen (wie Anm. 16). 325 E n d e r s : Die Prignitz (wie Anm. 19), S. 1138 ff. - Ausführlich zu Goscke vgl. I l a u ß m a n n : Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung (wie Anm. 18), S. 31 ff. 326 R i e m e r : Die General- und Lokal-Kirchenvisitation im Herzogtum Magdeburg während des 18. Jahrhunderts (wie Anm. 13), S. 36 f. 327 Ulrich La η g e : Die Gemeinde als Kirchengemeinde. Beispiele aus dem Herzogtum Holstein (17. und 18. Jahrhundert'), in: d c r s . (Hrsg.): Landgemeinde und frühmoderner Staat. Beiträge zum Problem der gemeindlichen Selbstverwaltung in Dänemark, Schleswig-Holstein und Niedersachsen in der frühen Neuzeit. Sigmaringen 1988, S. 165-186 (= Kieler Historische Studien, 32). 328 Thomas R u d e r t : Die mecklenburgischen Kirchenvisitationen des 16. und 17. Jahrhunderts als landesherrlicher Versuch zur Konstruktion sozialer Ordnungen, in: Axel L u b i η s k i / Thomas R u d e r t /Martina S c h a t t k o w s k y (Hrsg.): Historie und Eigen-Sinn. Festschrift für Jan Peters zum 65. Geburtstag. Weimar 1997, S. 297-328, hier bes. S. 325 ff. 329 Axel L u b i n s k i : Die Realisierung von Gutsherrschaft und Erfahrungen mit Untertänigkeit. Das Beispiel Galenbeck in Mecklenburg (1719-1748), in: Jan P e t e r s (Hrsg.): Konflikt und Kontrolle in Gutsherrschaftsgesellschaften (wie Anm 17), S. 201-217. - Pfarrwahlrecht galt bis gegen 1700 auch in der Kirchengemeinde Fischland ( R u d e r t : Die mecklenburgischen Kirchenvisitationen [wie Anm. 328], S. 324 Anm. 115).
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Ein Blick auf Regionen, in denen die katholische Kirche herrschte, begegnet, abgesehen von den konfessionellen Unterschieden, vielen Faktoren, die in der Altmark und Mark Brandenburg z.B. im Verhältnis von Pfarrer und Gemeinde eine Rolle spielten und dieses nicht unerheblich belasten konnten. Materiell waren das die Pfarrabgaben der Gemeindeglieder und ihre Bau- und Unterhaltungspflichten, geistlich die mehr oder weniger rigorosen Haltungen der Prediger zum weltlichen Treiben im Dorf. Im Bereich des Amtes Vechta im Oldenburger Münsterland, das seit 1613 rekatholisiert wurde, oblag z.B. der Pfarrbau ebenfalls den Parochianen; Konfliktpunkt konnte der unterschiedliche Wertmaßstab und die eingeschränkte Belastbarkeit sein. Da stieß z.B. wie 1744 in Lutten „der Anspruch des Pfarrers nach gut ausgestattetem Wohnraum an die Grenzen ökonomischer Machbarkeit, hinter denen sich jedoch der dörfliche Wertehorizont verbarg"; der Pfarrer wünschte partiellen Neubau, die Gemeinde war nur zur Reparatur bereit. In Lohne rieb sich die Gemeinde, deren Pfarre ohnehin gut ausgestattet war, am „klerikalen Standesdünkel" 3311 . Der Pfarrer zog schließlich weg. Sein Nachfolger war wie die Gemeinde zu einem Vergleich bereit; beide Parteien gingen aufeinander zu 331 . „Gravierende Ursache für die Entstehung von Konflikten" war auch im süddeutschen und österreichischen Raum „die wirtschaftliche Abhängigkeit des Pfarrherrn von der Gemeinde" 332 . In welcher Weise z.B. der Pfarrzehnt Gemeinden drücken konnte und das Verhältnis zum Pfarrer trübte, weist R. Beck am Beispiel des bayerischen Unterfinning nach 3 3 3 . Aber auch die geistliche Glaubwürdigkeit des Priesters, seine Autorität und Wirkungsmächtigkeit standen oft zur Debatte 334 . Vielfältig waren die beiderseitigen Erwartungshaltungen, unabhängig von Region und Konfession. Allgemein aber ergibt die flächendeckende Untersuchung der altmärkischen Verhältnisse in einem längeren Zeitraum, dass Herrschafts- und Obrigkeitswille, vornehmlich gemessen an Normen und herrschaftlich bestimmter zeitgenössischer Literatur, für deren Denkart und Tendenz steht, nicht für Lebenswirklichkeit schlechthin. Wird aber hier gegraben, eröffnen sich andere Perspektiven, auf Herrschaft und Geistlichkeit 335 , vor allem aber auf die (Kirchen)Gemeinde, im günstigsten Falle aus 330 Werner E r e i t a g : Pfarrer, Kirche und ländliche Gemeinschaft. Das Dekanat Vechta 11001803. Bielefeld 1998, S. 328 f. C = Studien zur Regionalgeschichte, 11). 331 Ebd., S. 331. 332 Elfriede M o s e r - R a t h : Dem Kirchenvolk die Leviten gelesen. Alltag im Spiegel süddeutscher Barockpredigten. Stuttgart 1991, S. 189. 333 Rainer B e c k : Unterfinning. Ländliche "Welt vor Anbruch der Moderne. München 1993, S. 162 ff.; vgl. auch d e r s . : Der Pfarrer und das Dorf (wie Anm. 7). 331 M o s e r - R a t h : Dem Kirchenvolk die Leviten gelesen (wie Anm. 332), S. 181 ff. und passim. 335 Vgl. die realistische Darstellung vor allem des Patrons in Gestalt westfälischer Schlossherren als 1 lerrschaftsträger auch gegenüber Kirche und Geistlichkeit bei Bastian G i 11 η e r : Schloß und Kirche. Zur adeligen Nutzung des dörflichen Kirchenraumes im frühneuzeitlichen Oberstift Münster, in: 1 leike D ü s e i d e r / Olga W e c k e n b r o c k /Siegried W e s t ρ h a 1 CI Irsg.): Adel und Umwelt. Horizonte adeliger Existenz in der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 181-208.
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deren eigener Sicht. Das führt auch jetzt nicht zur Verklärung. Aber es wird deutlich, dass und wie sich kommunales und individuelles Verhalten und Denken in geistlichen wie in weltlichen Dingen an den eigenen konkreten Lebensumständen und Bedürfnissen orientierte, an denen abstrakte Gelehrsamkeit völlig vorbeiging und selten den Weg zu ihnen suchte und fand. Pastoren jedoch, denen am Zugang zum Herzen ihrer Zuhörer lag und die ihnen zu religiöser Erkenntnis als Lebenshilfe verhelfen wollten, ernteten auch Dankbarkeit. Und Patrone erfüllten die ihnen anvertraute Obhutspflicht, wenn sie, statt sich von Eigennutz und Hoffart leiten zu lassen, ihren schuldigen Beitrag leisteten und im Konfliktfall auch vermittelten.
FORSCHUNGSBERICHTE
HEINZ PETER BROGIATO / 1IAIK THOMAS PORADA D A S L E I B N I Z - I N S T I T U T FÜR L Ä N D E R K U N D E I N L E I P Z I G EIN GEOGRAPHISCHES F O R S C H U N G S I N S T I T U T M I T T R A D I T I O N
1. Forschung heute, S. 243. - 2. Geschichtliche Entwicklung des Instituts, S. 250. - a) Alphorn Stübel und die Gründung eines geographischen Museums 1896, S. 250. - b ) Das Museum /wischen Auflösung und staatlicher Anerkennung (1901-1915), S. 253. - c) Vom Museum zum Forschungsinstitut (1945-1990), S. 255. - 3. Wissenschaftliche Sammlungen, S. 257. a) Geographische Zentralbibliothek, S. 257. - b ) Archiv für Geographie, S. 258. - Schriftarchiv, S. 258. - Bildarchiv, S 268. - 1. „Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat", S. 271. - a ) Von den Anfängen landeskundlicher Bestandserfassungen in Deutschland zur heimatkundlichen Landesaufnahme Sachsens, S. 274. - b ) Von der heimatkundlichen Inventarisation sächsischer Landschaften zur heimatkundlichen Bestandsaufnahme im Gebiet der DDR, S. 278. - c) Wissenschaftliche Begleitung der Bestandsaufnahme durch die Akademiekommission für Heimatforschung, S. 283. - d) Aufgabenstellung und Methodik der landeskundlichen Bestandsaufnahme, S. 286. - e) Der Weg zu einer landeskundlichen Inventarisierung ausgewählter Kulturlandschaften in Deutschland, S. 290.
Seit ü b e r 110 Jahren besitzt d i e G e o g r a p h i e in L e i p z i g e i n e in Deutschland außerhalb d e r H o c h s c h u l e n e i n z i g a r t i g e Einrichtung w i s s e n s c h a f t l i c h e r S a m m l u n g s - u n d Forschungstätigkeit: das Leibniz-Institut für L ä n d e r k u n d e ( I f L ) 1 . Mit d i e s e m Beitrag sollen das h e u t i g e P r o f i l d e s Institutes, seine G e s c h i c h t e , seine S a m m l u n g e n s o w i e schließlich mit d e n „Landschaften in D e u t s c h l a n d - W e r t e d e r d e u t s c h e n H e i m a t " e i n e hier h e r a u s g e g e b e n e , traditionsreiche B u c h r e i h e vorgestellt w e r d e n .
1. Forschimg
heilte
D a s h e u t i g e Institut n a h m seine Tätigkeit z u m 1. Januar 1992 auf. D i e N e u g r ü n d u n g war
das
Ergebnis
einer
Evaluation
des
Wissenschaftsrates
der
Bundesrepublik
Deutschland, d e r i m L a u f e d e s Jahres 1991 d i e außeruniversitären Forschungseinrich-
1
Vgl. Alois Μ a y r, Frank-Dieter G r i m m und Sabine Τ ζ s c h a s c h e 1 (Hgg.): 100 Jahre Institut für Länderkunde 1896-1996. Entwicklung und Perspektiven. Festschrift. Leipzig 1996 ( = Beiträge zur regionalen Geographie, 40). Darin befindet sich auf S. 11-33 eine ausführliche Darstellung zur Geschichte des Institutes von Ingrid Η ö η s c h .
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HEINZ PETER BROGIATO / IIAIk THOMAS PORADA
tungen, die zuvor unter dem Dach der Akademie der Wissenschaften der DDR bestanden hatten, begutachtet und in einer abschließenden Stellungnahme die Gründung neuer Institute im Bereich der Geo- und Kosmoswissenschaften empfohlen hatte. Damit ging ein zwei Jahre währender, tief greifender Umstrukturierungsprozess zu Ende, der die Einpassung der wissenschaftlichen Einrichtungen in die bundesdeutsche Forschungslandschaft ermöglichte 2 . Das Institut wurde als eingetragener Verein in die so genannte „Blaue Liste" aufgenommen, aus der sich 1997 die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz („Leibniz-Gemeinschaft") entwickelte; die Finanzierung des IfL erfolgt zu gleichen Teilen durch die Bundesrepublik Deutschland und den Freistaat Sachsen-^. Als Hauptaufgabe des Instituts wurden in der Satzung grundlagenorientierte Forschungen zur regionalen Geographie festgeschrieben. Anders als der Name des Instituts vielleicht suggerieren mag, beschränkt sich die wissenschaftliche Tätigkeit des IfL räumlich auf Deutschland und Europa und konzentriert sich dabei auf humangeographische Fragestellungen 4 . Formal ist die Forschung des Instituts in drei Abteilungen organisiert: 1. Theorie, Methodik und Geschichte der regionalen Geographie, 2. Regionale Geographie Europas, 3. Deutsche Landeskunde. Die Existenzberechtigung des Instituts wird - wie bei allen Leibniz-Instituten - von internen Aufsichtsgremien kontrolliert und regelmäßig von externen Gutachtern überprüft. Wichtige Kriterien der Evaluierung sind dabei die gesellschaftspolitische Notwendigkeit und die Einzigartigkeit der Forschung („Alleinstellungsmerkmal"). Der Schwerpunkt der Auslandsforschung liegt im IfL traditionell im östlichen Europa. Hier unterhält das Institut in mehreren Ländern Arbeitsstützpunkte (z.B. in Posen/ Poznafi, Königsberg/Kaliningrad, Memel/Klaipeda und Riga) und besitzt ein dichtes Netz an Kooperationspartnern. In den 1990er Jahren stand die Transformation in den postsozialistischen Staaten im Vordergrund der Forschung, heute sind es die Auswirkungen der EU-Erweiterung und die Angleichungsprozesse in den neuen Mitgliedsländern, auch unter den Aspekten einer sich beschleunigenden Globalisierung, sowie die zunehmende Vernetzung innerhalb Europas. Einige der am IfL durchgeführten Projekte aus den letzten Jahren seien beispielhaft genannt 5 :
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Vgl. Luise G r u n d m a n η und Otti M a r g r a f : Umbruch und Übergang 1989-1991, in: 100 Jahre (wie Anm. 1), S. 34-42. Vgl. Alois M a y r : Neukonstituierung und Wiederaufnahme der Forschungstätigkeit, in: 100 Jahre (wie Anm. 1), S. 57-66. Über die jeweils aktuellen Forschungen und Aktivitäten informieren Jahresberichte, die im zweijährigen Turnus erscheinen und als pdf-Datei auch im Internet verfügbar sind (http:// www.ifl-leipzig.de). Bei den Beispielen werden nur solche angeführt, die für die Leser des Jahrbuchs für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands von erhöhtem Interesse sein könnten.
DAS LEIBNIZ-INSTLEUT FÜR LÄNDERKUNDE IN LEIPZIG
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In unterschiedlichen Forschungszusammenhängen wurden Grenzen 0 als trennendes und verbindendes Merkmal im politischen Raum thematisiert, so z.B.: - Städtekooperationen im östlichen Europa über politische Grenzen hinweg ( 1 9 9 8 2000), - wirtschafts- und sozialräumlichen Entwicklungen an der polnischen Ostgrenze 7 (1999-2001), - Möglichkeiten und Potenziale einer gemeinsamen Regionalentwicklung im Dreiländereck Deutschland - Polen - Tschechien und Möglichkeiten zur Entwicklung eines Städtenetzes Zittau - Reichenau/Bogatynia - Grottau/Hrädek nad Nisou 8 (2000-2001), - Regionalentwicklung an den Grenzen der erweiterten europäischen Union mit Fallstudien u.a. zum Kleinhandel und zum produzierenden Gewerbe an der finnisch-russischen, der polnisch-weißrussischen, der polnisch-ukrainischen und der rumänisch-ukrainischen Grenze (2007-2009). Ein Forschungsschwerpunkt des III liegt seit Jahren in den städtischen und metropolitanen Räumen. So wurde in den vergangenen Jahren beispielsweise untersucht, - wie sich die Transformation in Russland auf das unterschiedliche Entwicklungstempo der Verstädterung und das Bedeutungsgefüge der Städte auswirkt1·1 ( 1 9 9 7 2001),
6
In diesem Forschungskontext entstand auch die Dissertation von Christoph W a a c k : Stadträume und Staatsgrenzen. Geteilte Grenzstädte des mittleren und östlichen Europa im Kontext lokaler Alltagswelten, nationaler Politik und supranationaler Anforderungen. Leipzig 2000 (= Beiträge zur Regionalen Geographie, 51). Untersucht wurden die Doppelstädte Görlitz/Zgorzelec, Narwa/Iwangorod und Valga/Valka.
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Vgl. Annegret II a a s e : Südostpolen zwischen Umbruch und Neuorientierung. Spezifika, Perspektiven und Risiken der gesellschaftlichen Entwicklung nach 1990. Leipzig 2002 (= Beiträge zur Regionalen Geographie, 56). - Annegret Η a a s e et al.: "Wandel in ostmitteleuropäischen Grenzregionen. Auswirkungen der zunehmenden Durchlässigkeit der polnischen Ostgrenze auf Grenzregionen und Grenzbeziehungen. Leipzig 2004 (= Beiträge zur Regionalen Geographie, 59). Vgl. z.B. Frieder L e i s t n e r : General prospects and special examples of transborder cities Cooperation in the Euro-Region Neisse on the Polish-German border, in: Changing role of border areas and regional policies. Warszawa 2001, S. 8 9 - 9 6 (= Region and regionalism, 5). Vgl. z.B. Robert R u d o l p h : Stadtzentren russischer Großstädte in der Transformation - St. Petersburg und Jekaterinburg. Leipzig 2001 (= Beiträge zur Regionalen Geographie, 54). Isolde Β r a d e (Hg.): Die Städte Russlands im "Wandel. Raumstrukturelle Veränderungen am Ende des 20. Jahrhunderts. Leipzig 2002 (= Beiträge zur Regionalen Geographie, 57). - Konstantin Α χ e η ο ν , Isolde Β r a d e und Evgenij Β ο η d a r c h u k : The transformation of modern space in post-Soviet Russia. London 2006.
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HEINZ PETER BROGIATO / IIAIk THOMAS PORADA
- welche Entwicklungsprozesse sich an den Peripherien west- und osteuropäischer Metropolen (Moskau, Paris, Berlin111, Madrid, Budapest, Hamburg, Randstad) abspielen 11 (1998-2004), - wie sich das Phänomen der „schrumpfenden" Stadt, vornehmlich in den neuen Bundesländern, im Stadtbild und in der sozialräumlichen Struktur auswirkt (z.B. Großwohnsiedlungen, Segregation, Gentrifizierung, Wohnungsleerstand). Eine Forschergruppe beschäftigt sich seit den 1990er Jahren mit den Strukturproblem e n und den Entwicklungspotenzialen ländlicher Räume 12 . Einen der Schwerpunkträume bilden dabei das frühere Ostpreußen 1 und die baltischen Staaten. Hier wurde beispielsweise untersucht, - wie sich die Privatisierung in der Landwirtschaft auf die Agrarproduktion auswirkt 14 (1998-2001), - wie sich das klassische Zentmm-Peripherie-Gefälle auf die Landnutzungs- und Siedlungsstrukturen im ländlichen Raum der baltischen Staaten auswirkt (2003— 2004), - welche Rolle der Landwirtschaft in Lettland beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft zukommt 1 5 (2002-2003), - inwieweit Kleinstädte in Lettland zur Stabilisierung ländlicher Entwicklung beitragen können (2003-2005), - welche Möglichkeiten zur Revitalisierung des Fremdenverkehrs auf der Frischen Nehrung bestehen 1 6 (1999-2000).
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Ii 15
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Als Fallbeispiele im Berliner Raum dienten hierbei Ludwigsfelde und Adlershof. Vgl. Marco Β ο η t j e , Joachim Β u r d a c k und Günter Η e r f e r t: Neue ökonomische Pole in der Peripherie von Berlin und der Randstad, in: Leon D e b e η und Jacques v a η d e V e n (llgg.): Berlin und Amsterdam - Stadt, Stadtteile und Umland. Amsterdam 2003, S. 21-42. - Günter H e r f e r t : The metropolitan periphery between boom and shrinkage, in: European spatial research and policy 13 (2006) 2, S. 5-22. Siehe auch die Beiträge von Günter l l e r f e r t im Sammelwerk: Joachim Β u r d a c k et al. (Ilgg.): Europäische metropolitane Peripherien. Leipzig 2005, S. 26-50, S. 136-150 und S. 208-219 (= Beiträge zur Regionalen Geographie, 61'). Vgl. Marco Β ο η t j e und Joachim B u r d a c k : Economic poles in the European metropolitan periphery and sustainable development. Leipzig 2005 (= forum ifl, 1). Elke K n a p p e und Fvelin M ü l l e r (Hgg.): Ländliche Gesellschaft europäischer Peripherien. Rural Society of European Peripheries. Leipzig 2007 (= forum iff 7). An ein breiteres Publikum wendet sich die auf neuesten statistischen Daten beruhende länderkundliche Schrift: Elke Κ η a ρ ρ e : Kaliningrad aktuell. Leipzig 2004 (= Daten - Fakten Literatur zur Geographie Europas, 7). Vgl. Elke K n a p p e : Eine schwierige Zukunft - Landwirtschaft und ländlicher Raum im Gebiet Kaliningrad, in: Osteuropa 53 (2003), S. 336-351. Vgl. Elke K n a p p e und Daiva L a b a n a u s k a i t e : Die Landwirtschaft als stabilisierender Faktor ländlicher Räume, in: Europa Regional 10 (2002), S. 100-106. - Elke K n a p p e et af: Bereit für die Europäische Union - Entwicklungsstrategien für Lettlands ländliche Räume, in: Petermanns Geographische Mitteilungen 118 (200 i) 3, S. 56-63. Vgl. Elke K n a p p e und Judith M i g g e l b r i n k : Tourism and transition in a closed area, in: Tiltai 30 (2005), S. 69-76.
DAS LEIBNIZ-INSTITUT FÜR LÄNDERKUNDE IN LEIPZIG
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Innerhalb der EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG III C wurden unter der LeadPartnerschaft des IfL untersucht, inwiefern die Nutzung von Biomasse ein Potenzial für die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in peripheren Räumen sein kann. An dem Netzwerkprojekt waren als Projektregionen unter anderem der Städteverbund Zittau - Reichenau/Bogatynia - Grottau/Hrädek nad Nisou und der Landkreis Flatow/Zlotöw beteiligt 17 (2004-2007).
Da das Institut nicht nur den Auftrag hat, geographische Grundlagenforschung zu betreiben, sondern gehalten ist, die Ergebnisse einem breiteren Publikum zur Kenntnis zu bringen, bildet der „adressatenorientierte Wissenstransfer" einen weiteren Arbeitsschwerpunkt. Hierunter fallen z.B. Ausstellungen 18 oder Publikationen11·1, die nicht nur für die engere Fachöffentlichkeit gedacht sind. Auch die bereits seit einem halben Jahrhundert mit großem Erfolg durchgeführte landeskundliche Inventarisierung mit inzwischen 70 erschienenen Bänden sieht ihr Aufgabenfeld an der Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit (s.u.) 2 ". Zahlreiche Vorhaben, die im IfL unternommen werden, profitieren von der institutseigenen kartographischen Abteilung, die nicht nur viele Publikationen des Hauses mit Kalten öffentlichkeitswirksam ausstattet, sondern auch selbst eingebunden ist in die Forschungsaktivitäten. Die Kartographie war auch wesentlich beteiligt an der Realisierung eines Großprojektes, das, bedingt durch die jüngere deutsche Geschichte, erst nach der „Wende" in Angriff genommen werden konnte und das die Institutsarbeit ein Jahrzehnt lang in starkem Maße beeinflusste: Der „Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland" 21 . Das Werk besteht aus zwölf Themenbänden (sowohl in ge-
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Vgl. den Abschlussbericht: Agnes 15 ο r s i g (Hg.): Biomasse zu Energie - Nachhaltigkeit für regionale Wirtschaftskreisläufe. Leipzig 2007. Hierunter fällt beispielsweise eine Posterausstellung „Brücken, Barrieren und Bilder: Regionen im östlichen Europa", die das IfL seit mehreren Jahren (und immer wieder aktualisiert ) erfolgreich in zahlreichen europäischen Ländern zeigt. Erwähnt seien folgende Werke, an denen das IfL maßgeblich beteiligt war: Luise G r u n d m a n n et al. (Hgg.): Leipzig. Ein geographischer Führer durch Stadt und Umland. Leipzig 1996. -Andreas B e r k n e r et al. (llgg.): Exkursionsführer Mitteldeutschland. Braunschweig 2001. - Helga S c h m i d t et al. (Hgg.): Der Leipzig-Atlas. Unterwegs in einer weltoffenen Stadt am Knotenpunkt zwischen "West- und Osteuropa. Köln 2005. In diesem Zusammenhang sei auch auf die länderkundlichen Skizzen verwiesen, die innerhalb der Reihe „Daten - Fakten - Literatur zur Geographie Europas" erscheinen, zuletzt Polen (2000), Russland (2003), Kaliningrad (2004) und Bulgarien (2006). Vgl. llaik Thomas Ρ ο r a d a : Die Reihe „Landschaften in Deutschland. Werte der deutschen Heimat" und das Leibniz-Institut für Länderkunde e. V. zu Leipzig, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte 11 (2005), S. 291-295. Vgl. Alois M a y r : Der Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Ein Großprojekt des Instituts für Länderkunde, in: Leipzig im Kartenbild. Leipzig 2001, S. 119-160 (= Leipziger Kalender, Sonderband 2001/1). - Konrad G r ο lä e r et al. (Hgg.): Der deutsche Nationalatlas - ein Uberblick, in: ZfV/Zeitschrift für Vermessungswesen 132 (2007) 1, S. 261-268. - Sabine Τ ζ s c h a s c h e 1: Der Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland - Konzepte, Inhalte, Perspektiven, in: Kartographische Nachrichten 57 (2007) 4 (im Druck).
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HEINZ PETER BROGIATO / IIAIk THOMAS PORADA
druckter Version als auch elektronisch auf CD-Rom), in denen der Staat in allen möglichen Facetten in Karten, Texten und Bildern anschaulich dargestellt wird. Die Beiträge, an denen über 600 Wissenschaftler mitarbeiteten, spannen einen weiten thematischen Bogen und veranschaulichen dies anhand unterschiedlichster Maßstäbe vom lokalen Fallbeispiel bis zur Weltkarte. Die thematische Vielfalt der Kartendarstellungen sei an den Fallbeispielen aus Berlin und Brandenburg tabellarisch aufgezeigt: Band 1: Gesellschaft und Staat (2000) - Hauptstadtfrage 1991 - Bonn oder Berlin (S. 21) - Das geteilte Berlin 1945 (S. 38) - Bundeshauptstadt Berlin: Bundeseim'ichtungen 1999 (S. 54) - Empfänger von Sozialhilfe und Wohngeld in Berlin 1997 (S. 101) - Die am häufigsten abgebildeten Motive [in ausländischen Sprachlehrbüchern] von Berlin ('S. 140) Band 2: Relief, Boden und Wasser (2003) - Geognostisch-agronomische Karte der Umgebung von Rüdersdorf (S. 21) - Trophiezustand der Seen im Potsdamer Seengebiet (S. 141) - Potenziell natürlicher Trophiezustand und Naturräume im Potsdamer Seengebiet (S. 141) Band 3: Klima, Pflanzen- und Tierwelt (2003) - Berlin: Tagesgang der Lufttemperatur am 8. Juli 1991 (Graphik S. 67) - Berlin: Mittlerer Tagesgang der Lufttemperaturänderung im Juni und Dezember (Graphik S. 67) -
Berlin: Langjähriges Mittel der Lufttemperatur 1961-2000 (S. 67)
Band 4: Bevölkerung (2001) -
Berlin und Brandenburg: Bevölkerungsdichte 1992 und 1997 nach Kreisen (S. 13) Nordbrandenburg: Bevölkerungsentwicklung 1990-1999 nach Gemeinden (S. 28) Berlin-Brandenburg: Raumordnerisches Leitbild der dezentralen Konzentration (S. 28) Berlin: Anteil der Einpersonenhaushalte 1998 nach Stadtbezirken (S. 59) Berlin: Sexualproportion, Alter und Nationalität 1998 nach Stadtbezirken (S. 60) Berlin: Anzahl, Anteil und Herkunftsländer der Ausländer 1998 nach Stadtbezirken CS. 72) Berlin bzw. Brandenburg: Wanderungsverflechtungen 1995-1998 (S. 111)
Band 5: Dörfer und Städte (2002) - Schönfeld: Ortsgrundriss eines Angerdorfes (S. 50) - Eisenhüttenstadt: Sozialistische Planstadt (S. 106) - Berlin: Vielfalt der Stadterneuerungsaufgaben (S. 118) - Cottbus: Städtebauliche Struktur (S. 123) - Region Berlin: Wohnsuburbanisierung 1961-1999 (Graphik S. 124)
DAS LEIBNIZ-INSTITUT FÜR LÄNDERKUNDE IN LEIPZIG
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Berlin-Ost: Gebäudenutzung und Sanierungsgebiet Kollwitzplatz 1992 und 1995 (S. 141) Potsdam: Landeshauptstadt von Brandenburg CS. 158) Berlin 1945 und nach dem Bau der Mauer 1961 (S. 160) Innenstadt von Berlin: Zerstörung, Teilung, Neugestaltung (S. l 6 l ) Berlin - innerstädtische Peripherie CS. 162) Berlin - Überwindung der innerstädtischen Peripherie 2000 (S. 163) Innenstadt von Berlin: Veranstaltungs- und Sanierungsorte 2001 (S. 165) Berlin: Entwicklung der Siedlungsfläche und der Hauptverkehrswege 1780-1990 CS. 166) Berlin und sein engerer Verflechtungsraum: Ausgewählte Kennziffern der StadtlJmland-Entwicklung (S. 166) Berlin-Brandenburg: Raumordnerisches Leitbild der dezentralen Konzentration CS. 167) Berlin und sein engerer Verflechtungsraum: Potenzielle Siedlungsbereiche CS. 167) Berlin-Brandenburg: Regionalparks gemäß Landesentwicklungsplan 1998 (S. 167)
Band 6: Bildung und Kultur (2002) - Lausitz: Sorbische Schulen nach Gemeinden CS. 49) - Berlin: Schriftsteller 1999 nach Stadtbezirken (S. 98) -
Entwicklung der Welterbestätte Schlösser und Gärten Potsdam seit 1990 (S. 158)
Band 7: Arbeit und Lebensstandard (2006) -
Berlin: Gründungsdynamik von Unternehmern türkischer Herkunft 1991-2003 (Graphik S. 102) - Berlin: Ökonomische Situation der Unternehmer 2002 (Graphik S. 102) - Berlin: Betriebsstruktur türkischer Unternehmen 2002 (Graphik S. 102) - Berlin: Generationsstruktur und persönliche Merkmale von Unternehmern türkischer Herkunft 2002 (Graphik S. 102) - Berlin - Ivottbuser Tor: Branchenstruktur und Migrationshintergrund der türkischen Unternehmer 1984 und 2004 CS. 103) Band 8: Unternehmen und Märkte (2004) - Beziehungsnetz der Firmen in clem Medien-Cluster Potsdam-Babelsberg (Graphik S. 94) - Lausitzer Braunkohlenrevier 2003 (S. 111) - Umzüge von Verbandshauptsitzen nach Berlin 1998-2002 (S. 171) Band 9: Verkehr und Kommunikation (2001) - Güterverkehrszentrum Großbeeren 2000 (S. 50) - Verkehrsmittelwahl in Berlin und engerem Verflechtungsbereich 1998 ('S. 61) - Berlin und engerem Verflechtungsbereich: Verkaufsflächen 1991-1997 (S. 76) - Medienstandorte in Berlin und Potsdam 1999 (S. 115)
250 -
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Gemeinsamer Landesentwicklungsplan Flughafen ('S. 140)
Berlin-Brandenburg:
Standortsicherang
Band 10: Freizeit und Tourismus (2000) - Havelland: Wald und Wasser - Naherholungsraum Berlin (S. 47) - Berlin: Musikfestivals 1998 (S. 56) Band 11: Deutschland in der Welt (2005) - Berlin: Zeitkarten 1824-2024 (S. 84) Band 12: Leben in Deutschland (2006) - Berlin: Wegematrix ausgewählter Altersgruppen 2002 (Graphik S. 36) - Berlin: Rückgang der Arztbesuche nach Einführung der Praxisgebühr und ausgewählte Sozialindikatoren nach Stadtbezirken (S. 38) - Berlin: Arme Kinder - Sozialhilfequote der unter 7-Jährigen 2003 CS. 50) - Berlin: Monatliche Verfügbarkeit von Geld bei Schülern und Jugendlichen 2003 (Graphik S. 51) - Streckenführung des 31. real,-Berlin-Marathon (S. 83) - Herkunft der ausländischen Teilnehmer des 31. real,-Berlin-Marathons 2005 CS. 84) - Herkunft der deutschen Teilnehmer des 31· real,-Berlin-Marathons 2005 CS. 85) - Berlin: Fernöstliche kulturelle Angebote 2005 CS. 100) - Berlin: Deutsche Geschichte in Bildern ab 1848 (S. 156) - Berlin - Oranienburger Straße: Verkehrsbelastung im Tagesverlauf 2001 (Graphik S. 161) - Berlin: Sexgewerbe 2005 (S. 161) Der Nationalatlas hat wesentlich zur Profilierang und zum Bekanntheitsgrad des IfL in der Öffentlichkeit beigetragen. Aufbauend auf den Erfahrungen, die sich das Institut bei der Konzeption und der Durchführung dieses Atlasunternehmens erworben hat, sollen auch in Zukunft Projekte mit stark kartographischem Einschlag im IfL realisiert werden. Seit Oktober 2007 wird der Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland als eine wissenschaftliche Online-Zeitschrift im Internet mit aktuellen Themen fortgeführt (http://nadaktuell.ifl-leipzig.de).
2. Geschichtliche
Entwicklung
des Instituts
a) Alpbons Stübel und die Gründung
eines geographischen
Museums
1896
Die Gründungsgeschichte des IfL reicht ins 19· Jahrhundert zurück und ist eng verbunden mit der Person des geologischen Forschungsreisenden Alphons Stübel (18351904) 22 . Stübel hatte sich seit den 1850er Jahren intensiv der Erforschung des Vulka22
Vgl.: Eranz K u p f e r s c h m i d t : Alphons Stübel und das Deutsche Museum für Länderkunde /u Leipzig, in: Museumskunde N. F. 8 (1936) 1, S. 1-14. - Horst R a s t : Alphons Stübels
DAS LEIBNIZ-INSTITU'L FÜR LÄNDERKUNDE IN LEIPZIG
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nismus gewidmet und Forschungsreisen in den Mittelmeerraum und zu den Inselgruppen des Atlantischen Ozeans (Kapverden, Madeira) unternommen. Gemeinsam mit dem Mannheimer Geologen Wilhelm Reiss (1838-1908)2;> startete Stübel im Januar 1868 eine längere Reise, deren Ziel die Vulkane auf den Hawaii-Inseln sein sollten. Reiss und Stübel kannten sich bereits von früheren Forschungen, z.B. in der Ägäis, w o die beiden zusammen mit dem Paläontologen Karl von Fritsch (1838-1906) 24 zwei Jahre zuvor den Ausbruch des Santorin-Vulkans beobachtet hatten. Was ursprünglich nur als Abstecher auf der Überfahrt nach Hawaii geplant war, wurde zum Ziel und entwickelte sich zu einem der längsten Auslandsaufenthalte in der Geschichte der Forschungsreisen: Überwältigt von der Schönheit der Andenregion blieben die beiden Geologen in Südamerika und widmeten sich der naturwissenschaftlichen Erkundung des Subkontinents 2 5 . Zeitweise auf gemeinsamen Wegen, zumeist aber getrennt erforschte man zunächst Kolumbien, weilte von 1870 bis 1874 in Ekuador, anschließend in Peru und im Amazonasgebiet, ehe Stübel abschließend nochmals weite Teile Südamerikas auf einer Rundreise durchquerte. Nach acht (Reiss) bzw. n e u n (Stübel) Jahren kehrten die beiden Reisenden 1876/77 nach Deutschland zurück, gezeichnet von den extremen körperlichen Anstrengungen, denen sich beide zwischen tropischem Urwald in Amazonien und der Hochgebirgsregion der Anden ausgesetzt hatten und dabei mehrfach nur knapp dem Tode entkommen waren. Während der gesamten Reise hatte Stübel umfangreiche Sammlungen in Kisten nach Europa verschiffen lassen: Bücher, Karten und Fotografien, die er unterwegs erworben hatte, 82 Landschaftsgemälde, die der von ihm angelernte Ekuadorianer Rafael Troya nach seinen Vorgaben gemalt hatte, 3000 Gesteine und Mineralien, aber auch Ethnographica und archäologische Funde zählten zu den Mitbringseln. Insgesamt über 200 Kisten Material, dazu die eigenen Tagebücher, Aufzeichnungen, Messergebnisse, Zeichnungen und Skizzen warteten in Dresden darauf, gesichtet, geordnet und wissenschaftlich ausgewertet zu werden. In Anbetracht der gigantischen
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21 25
Bedeutung als Eorschungsreisender und Vulkanologe, in: Geographische Berichte 30 (1985) 4 (= 117), S. 237-252. - Horst R a s t : Alphons Stübel, ein bedeutender sächsischer Geologe, Vulkanologe und Eorschungsreisender des späten 19. Jahrhunderts, in: Beiträge zur Biographie sächsischer Geowissenschaftler. Dresden 1993, S. 55-86 ( = Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden, 39). - Ingrid H ö n s e h : Werk und Leistungen ausgewählter Forscherpersönlichkeiten: Alphons Stübel (1835-1901), in: 100 Jahre (wie Anm. 1), S. 13—17. Vgl. Franz W a l l e r : Bilder aus Südamerika 1868-1876. Wilhelm Reiß (1838-1908) zum 150. Geburtstag. Mannheim 1989. - Heinz Peter Β r ο g i a t ο : Reiss, Johann Wilhelm, in: Thomas A d a m (Hg.): Germany and the Americas. Culture, politics, and history. A multidisciplinary encyclopedia, Bd. III. Santa Barbara, Cal. 2005, S. 921-923. Vgl. Rudolph Z a u n i c k : Fritsch, Karl Georg Wilhelm, in: Neue deutsche Biographie, Bd. 5. Berlin 1961, S. 623. Vgl. Andreas Β r o c k m a η η und Michaela S t ü 11 g e η [u.a.J: Spurensuche. Zwei Erdwissenschaftler im Südamerika des 19. Jahrhunderts. Ausstellung Schloß Cappenberg. Unna 1991. Dieses Begleitbuch zu einer Ausstellung enthält mehrere Aufsätze zu Stübel und Reiss und einzelnen Facetten ihrer gemeinsamen Südamerikaforschungen.
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Menge an Material kann es kaum verwundern, dass die Bearbeitung nur sehr schleppend vor sich ging und die beiden Forscher letztlich überforderte. Die Ausweitung der petrographischen Sammlungen überließ man ebenso Fachkollegen wie die astronomischen Ortsbestimmungen. Erstaunlich war, dass die bedeutendsten Forschungsergebnisse der beiden Geologen in einem fachfremden Gebiet lagen, in der Archäologie. 1875 hatten Reiss und Stübel in dem peruanischen Küstenort Ancön umfangreiche Grabungen in einer inkazeitlichen Nekropole gemacht und dabei 60 Mumiengräber geöffnet und dokumentiert. Die Ergebnisse publizierten sie in drei Prachtbänden zwischen 1880 und 1887 („Das Todtenfeld von Ancon in Peru"). Darüber hinaus hatte Stübel auf seiner abschließenden Rundreise 1876 eine Ruinenstätte in der Umgebung des Titicacasees untersucht. Gemeinsam mit dem bekannten Berliner Archäologen und Ethnologen Max Uhle erschien 1892 hierzu die Monographie „Die Ruinenstaette von Tiahuanaco im Hochlande des alten Peru" 2 6 . Sieht man von einigen kleineren Veröffentlichungen und Vorträgen ab, war dies die wissenschaftliche Ausbeute einer zehnjährigen Forschungsreise. Vielleicht aus der Erkenntnis heraus, nicht die Kraft und die Ausdauer zu einer systematischen Auswertung zu besitzen, reifte bei Stübel der Plan, seine Sammlungen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Im September 1891 unterbreitete er dem Rat der Stadt Leipzig eine Denkschrift zur Gründung eines länderkundlichen Museums, die er mit einem Schenkungsangebot seiner Sammlungen verband. Die Stadt willigte 1892 ein, und mit dem Bau eines neuen Museumsgebäudes am südlichen Rand der Innenstadt waren die räumlichen Voraussetzungen geschaffen. Am 5. Februar 1896 wurde unter Anwesenheit des sächsischen Königspaares das Grassimuseum (heute Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz) feierlich eröffnet. Die Sammlungen Stübels konnten auf einer Ausstellungsfläche von 330 qra als „Abtheilung für vergleichende Länderkunde" im Museum für Völkerkunde präsentiert werden. Unterstützt von Theodor Wolf ( 1 8 6 1 1924) 2 7 , den Stübel aus Ekuador kannte, wo Wolf als Staatsgeologe gearbeitet hatte, und Paul Wagner (1868-1951) 2 8 , einem Dresdner Oberlehrer für Geographie, hatte Stübel zwischen 1892 und 1896 das Museum konzipiert. Im Mittelpunkt stand der weltweite Vulkanismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen. Die Veranschaulichung erfolgte durch Panoramazeichnungen, Gemälde, Fotografien, Geländemodelle und Gesteinsproben 2 9 . Ergänzt wurde das Museum durch eine Bibliothek, eine Kartensammlung und seit 1902 durch ein „Forscherarchiv". Auch mit der Publi26
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Zu den Grabungen der beiden Geologen und deren Bedeutung für die Archäologie des Andenraumes, vgl. Dieter A11 k ä m ρ e r : Die präkolonialen Kulturen der Anden, in: Spurensuche (wie Anm. 25), S. 81-106. Vgl. Hein/ Peter B r o g i a t o : Wolf, Franz Theodor, in: Germany and the Americas (wie Anm. 23), S. 1150-1152. Vgl. Gerhard E n g e l m a n n : Paul Wagner und die deutsche Landeskunde, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 10 (1951) 2, S. 316-320. - Hein/ Peter B r o g i a t o : "Wagner, Paul Adolf, in: Sächsische Biografie (http://isgv.serveftp.org/saebi/). Vgl. Paul W a g n e r : Illustrierter Eülirer durch das Museum für Länderkunde (Alphons-Stübel-Stiftung). Leipzig 1905; Ergänzung 1912.
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kation einer Schriftenreihe („Wissenschaftliche Veröffentlichungen") wurde bereits 1896 begonnen, eine Serie, die noch heute unter dem Titel „Beiträge zur Regionalen Geographie" herausgegeben wird. Damit waren die wesentlichen Pfeiler geschaffen, auf denen die späteren Entwicklungen aufbauen konnten 30 . b) Das Museum zwischen Auflösu ng u nd staatlicher Anerkennung
(1904—1945)
Sein eigentliches Ziel, ein thematisch breit angelegtes geographisches Museum zu schaffen, erreichte Stübel hingegen nicht. Als er 1904 starb, war sogar der Weiterbestand der Abteilung gefährdet, obwohl die Finanzierung durch die Einrichtung einer Stiftung aus dem Familienvermögen gewährleistet war. Erst als sich die Stadt 1907 entschloss, die Abteilung vom Völkerkundemuseum zu trennen und als selbstständiges Museum für Länderkunde mit eigenem, wenn auch bescheidenem Etat fortzuführen, konnte Stübels Nachfolger, der Mineraloge Walter Bergt (1864-1941) 31 an den Ausbau des Länderkunde-Museums denken. Allerdings scheiterten Pläne, die Ausstellung um die Behandlung Deutschlands und der deutschen Kolonien zu erweitern, am Raummangel. Um dennoch eine größere Öffentlichkeit zu erreichen, wurden Sonderausstellungen gezeigt, wie 1908 eine Ausstellung zu den Kolonien mit Gemälden von Ernst Vollbehr. Unterstützung fand Bergt vor allem beim Verein für Erdkunde zu Leipzig und seinem Vorsitzenden Hans Meyer, der zu den großen Förderern des Museums gehörte. Der Erste Weltkrieg brachte die Tätigkeit jedoch zum Erliegen, und mit der Inflation schien das Schicksal endgültig besiegelt: Die Alphons-StübelStiftung wurde 1923 aufgelöst, Walter Bergt als Direktor 1924 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Mit der Betreuung der Stübel-Sammlung wurde der Kustos des Völkerkunde-Museums Fritz Krause betraut. 1925 begann die Stadt Leipzig mit dem Bau eines großen Museumsgebäudes in der Ostvorstadt am Johannisplatz, in dem die städtischen Museen konzentriert werden sollten. In einer Denkschrift an die Stadt Leipzig forderte Krause 1926, das Museum für Länderkunde hierbei zu berücksichtigen und großzügig mit Räumlichkeiten, Personal und Finanzen auszustatten 32 . Die Stadt stimmte den Vorschlägen zu, und 1927 fand der Umzug in das „Neue Grassimuseurn" statt. Zum Direktor wurde mit Rudolf Reinhard (1876-1946) erstmals ein Geograph berufen 3 3 . Er war ein Schüler Friedrich Ratzels und hatte seit 1903 als Lehrer an einer Handelsschule gewirkt. Mit Elan und pädagogischem Geschick ging Reinhard an die Aufgabe, das Museum zu einer bedeutenden Volksbildungsstätte zu ma-
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Vgl. Hermann O b s t : Ein Museum für Länderkunde. Vortrug zu Alphons Stübels Gedächtnis. Leipzig 1905. Vgl. den Nachruf von Karl Hermann S c h e u m a n n , in: Zeitschrift für Kristallographie, Mineralogie, Petrographie 53 (1941), S. 155-157. Elitz K r a u s e : Denkschrift über die Ausgestaltung des Museums für Länderkunde zu Leipzig. 2 Teile. Leipzig 1926. Vgl. Ingrid H ö n s c h : Rudolf Reinhard (1876-1946), in: 100 Jahre (wie Anm. 1), S. 48-51.
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chen 3 4 . Vor allem die Sonderausstellungen fanden großen Zuspruch in der Leipziger Bevölkerung (z.B. „Relief und Karte" oder eine Ostafrika-Ausstellung anlässlich des 70. Geburtstages Hans Meyers 1928), so dass das Museum rasch zu einem festen Bestandteil der Leipziger Kulturszene wurde. An den Sonntagen des Jahres 1934 zählte man durchschnittlich 2000 Besucher! Reinhards Vision war ein „Haus der Erde", in dem die einzelnen Kontinente, aber auch Themen der allgemeinen Geographie dargestellt werden sollten·''5. Die Zahl der Mitarbeiter stieg auf neun (1930) und erreichte 1940 mit 33 Angestellten ihren Höhepunkt. 1942 erfolgte die Umbenennung des Museums in „Deutsches Institut für Länderkunde. Geographisches Zentralmuseum und Forschungsinstitut" als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts. Diese deutliche Aufwertung, bei der erstmals neben der Sammlungsfunktion auch die Forschung als Aufgabe hervorgehoben wurde, war allerdings auch das Ergebnis einer zunehmenden Politisierung des Museums in den 1930er Jahren. Sonderausstellungen zu Themen wie dem Kolonialismus 30 , dem deutschen Lebensraum oder zu politischen Tagesfragen wie den Kämpfen in Abessinien und Spanien standen ganz im Geiste des Nationalsozialismus 37 . Die Ausstellung „Die deutsche Saar" wurde erstmals 1930 gezeigt und wanderte später durch sieben deutsche Städte, darunter auch Königsberg 38 . In der Wandelhalle des Reichstagsgebäudes in Berlin nahm Reichspropagandaminister Goebbels die Eröffnung selbst vor. Als ständige Ausstellung gestaltete man in Leipzig eine Abteilung „Zum Zeitgeschehen", um „für Maßnahmen der Regierung auf ernährungswirtschaftlichem, siedlungspolitischem, soziologischem und sonstigem innen· und außenpolitischen Gebiete in den Kreisen der Bevölkerung Verständnis zu erwecken, und so die Verbundenheit des Volkes mit der Führung des Staates zu fördern"31·1.
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Vgl. Rudolf R e i n h a r d : Das Museum für Länderkunde zu Leipzig. Seine Geschichte, seine Aufgaben und Einrichtungen nebst vorläufigem Führer durch die Sammlungen. Leipzig 1929. - D e r s . : Grundsätzliches zur Erage geographischer Museen. Erörtert am Beispiele des Museums für Länderkunde zu Leipzig, in: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Museums für Länderkunde N.F. 1 (1932), S. 3-20.
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Vgl. Rudolf R e i n h a r d : Das Deutsche Museum für Länderkunde in Leipzig, ein „Haus der Erde", in: Leipziger Jahrbuch 1941, S. 57-63. Vgl. Rudolf R e i n h a r d : Das Deutsche Museum für Länderkunde im Dienste kolonialer Arbeit, in: Lebensraumfragen europäischer Völker, Bd. 2: Europas koloniale Ergänzungsräume. Leipzig 1911, S. 18-56. Zur Ausstellungstätigkeit des Museums vgl. Konrad V o p p e l : Das Deutsche Museum für Länderkunde und die Erwachsenenbildung, in: Geographischer Anzeiger 37 (1936), S. 135110. Vgl. Franz K u p f e r s c h m i d t : Die deutsche Saar. Sonderschau des Museums für Länderkunde zu Leipzig, in: Museumskunde N.F. 1 (1935) 1, S. 167-170. Rudolf R e i n h a r d : Das Deutsche Museum für Länderkunde. Rückschau und Ausblick, in: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Deutschen Institutes für Länderkunde N. F. 11, 1911, S. 13 (Diese bereits fertig gestellte Publikation wurde wegen der Kriegsentwicklung nicht mehr ausgeliefert). S.a. A. L e h m a n n : Zeitgeschehen im Deutschen Museum für Länderkunde, in: Leipziger Beobachter 17 (1940) 25/26, S. 193-194.
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c) Vom Museum zum Forschungsinstitut
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(1945-1990)
Mit der Zerstörung des Museumsgebäudes durch einen alliierten Luftangriff am 4. Dezember 1943 schien abermals das Ende gekommen, zumal auch wertvolle Bestände, die zuvor nach Podelwitz, Mutzschen, Glauchau, Reuth im Vogtland und Schönberg in Mecklenburg ausgelagert worden waren, 1945 nicht nach Leipzig zurückkamen. Auch personell stand das Museum vor dem Nichts, da die sowjetische Administration fast den gesamten Mitarbeiterstamm Ende 1945 wegen Mitgliedschaft in der NSDAP entließ, darunter auch Rudolf Reinhard. Doch sowohl der Stadtverwaltung als auch der Besatzungsmacht war - nicht zuletzt aus propagandistischen Gründen - daran gelegen, das Museum möglichst schnell wieder funktionsfähig zu machen. Im März 1947 konnte die Bibliothek wieder eröffnet werden, Ende des darauf folgenden Jahres wurden die Bibliotheken des Museums, der Geographischen Gesellschaft und des Völkerkundemuseums zu einer „Geographischen Zentralbibliothek" vereint. Im Mittelpunkt der Ausstellungstätigkeit, die bereits im Dezember 1945 wieder aufgenommen werden konnte, standen der mitteldeutsche Raum, die Sowjetunion und die deutsch-sowjetischen Beziehungen 40 . Während diese Sonderausstellungen mit großem Erfolg in Leipzig und anderen Städten der DDR gezeigt wurden (zu einer Sowjetunion-Ausstellung 1951 kamen über 100.000 Besucher), konnte der Museumsbetrieb im wiederhergerichteten Grassimuseum auf einer Ausstellungsfläche von 1000 qm erst im November 1957 aufgenommen werden 4 1 . Die Leitung des nun wieder städtischen Museums und Instituts mit neuem Hauptstandort seit 1952 im vormaligen Reichsgerichtsgebäude lag seit 1950 in Händen des Geographen und Kartographen Edgar Lehmann (1905-1990) 42 . In den zwei Jahrzehnten seines Direktorats knüpfte das Deutsche Institut für Länderkunde (DlfL) erfolgreich an die Zeit nach 1927 an, wobei Lehmann von Anfang an eine stärkere Einbindung der Einrichtung in die geographische Forschung in der DDR zielstrebig verfolgte. Obwohl „bürgerlicher" Geograph und nicht Mitglied der SED, verstand es Lehmann mit großem Geschick, das DlfL zu einem zentralen geographischen Forschungsinstitut zu entwickeln. Eine Voraussetzung hierfür war die 1953 erfolgte Angliederung an das Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen. In den 1960er
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Über die Sonderausstellungen des Instituts in den 1950er Jahren am Beispiel der beiden Ausstellungen „China - Land, Wirtschaft, Gesellschaft" sowie „Dörfer und Städte - eine historisch-geographische Ausstellung mit Beispielen vorwiegend aus Mitteldeutschland" vgl. ausführlich: Edgar L e h m a n n : Zwei Ausstellungen des Deutschen Instituts für Länderkunde, in: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Länderkunde Ν. E. 12 (1953), S. 175-201. Vgl. Edgar L e h m a n n : Zur Eröffnung der Museumsabteilung des Deutschen Instituts für Länderkunde, in: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Länderkunde Ν. E. 15/16 (1958), S. 373-383. - Ernst N e e f : Das Museum für Länderkunde zu Leipzig, in: Petermanns geographische Mitteilungen 102 (1958) 2, S. 100-103. Vgl. Alois M a y r und Luise G r u n d m a n n (Ilgg.): Edgar Lehmann zum Gedächtnis. Ein Leben für Geographie und Kartographie. Leipzig 2001. Der Sammelband enthält die Vortrage eines Gedenkkolloquiums sowie eine Bibliographie zu Lehmann.
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Jahren vollzog sich schließlich der Wandel vom Museum zur Forschungsstätte. Im Rahmen der III. Hochschul- und Akademiereform wurde 1968/69 das Institut für Geographie der Universität Leipzig aufgelöst und nach Halle an der Saale verlegt und gleichzeitig das DlfL als Geographisches Institut der Deutschen Akademie für Wissenschaften angegliedert (seit 1976 nach einer weiteren Strukturreform „Institut für Geographie und Geoökologie" [IGG] der Akademie der Wissenschaften der DDR). Damit besaß die Geographie in der DDR - ähnlich wie in anderen Staaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RgW) - eine zentrale, gesamtstaatliche Forschungseinrichtung. Das Museum hatte bereits seit Mitte der 1960er Jahre zunehmend an Bedeutung verloren und wurde endgültig 1975 aufgelöst. Mit der Umstrukturierung und dem Bedeutungszuwachs einher ging eine deutliche Personalaufstockung von etwa 45 Stellen in den 1960er Jahren auf über 150 nach 1975. Die wissenschaftlichen Aufgaben des IGG bestanden zum einen in der Grundlagenforschung, zunehmend aber in der anwendungsbezogenen Auftragsarbeit für staatliche Stellen, vor allem in der Territorialplanung 43 . Damit verbunden war eine starke Vernetzung mit Forschungseinrichtungen in den Ländern des RgW, während die Beziehungen zur westlichen Wissenschaft seit Anfang der 1960er Jahre fast völlig zum Erliegen gekommen waren. Politische Zwänge und Devisenknappheit führten dazu, dass das IGG in den 1980er Jahren kaum noch Zugang zur westlichen Forschung besaß, auch wenn über den Schriftentausch weiterhin Westliteratur nach Leipzig gelangte, wodurch die GZB eine zusätzliche zentrale Bedeutung für die Geograp h e n in der DDR erhielt. Das wissenschaftliche Hauptwerk des Instituts während seiner Akademie-Phase stellt zweifellos der „Atlas Deutsche Demokratische Republik" dar. Die Initiative zu diesem „Nationalatlas" der DDR ging seit Anfang der 1960er Jahre vom damaligen Direktor Edgar Lehmann aus, der als ehemaliger Verlagsredakteur über einschlägige Erfahrungen der Atlasgestaltung verfügte und der mehrfach auch zu theoretischen Fragen komplexer Regional- und Nationalatlanten Stellung bezogen hatte 44 . Seit Mitte der 1960er Jahre arbeiteten zahlreiche Wissenschaftler an den Karten zum „Atlas DDR", der in zwei Lieferungen schließlich 1976 und 1981 im damaligen VEB Hermann Haack in Gotha erschien. Die Erfahrungen, die man bei der Bearbeitung des „Atlas DDR" in Leipzig gewonnen hatte, bildeten eine wichtige Voraussetzung, auch den Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland (s.o.) - w e n n auch mit einem völlig andersartigen Konzept - vom IfL aus zu realisieren.
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Vgl. Heinz L ü d e m a η η : Zur Entwicklung des Geographischen Institutes der Akademie der Wissenschaften der DDR, in: Studia geographica 54 (1975), S. 165-177. Siehe auch die Bibliographie: Ingrid II ö η s c h : Forschungsberichte aus dem Institut für Geographie und Geoökologie der AdW. Leipzig 1995 (= Daten, F'akten, Literatur zur Geographie Europas, 2). Vgl. Edgar I. e h m a η η : Creation of the regional atlas „German Democratic Republic". „Outline Regional Atlas of the GDR", in: Α Nemzetközi Földrajzi Unio. Budapest 1963, S. 67-77. Siehe auch im Gedächtnisband (wie Anm. 12) den Beitrag von Ernst B e n e d i c t , Redakteur des „Atlas DDR": Edgar Lehmann und die Kartographie, S. 20-26.
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3- Wissenschaftliche
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Sammlungen
Doch die langjährigen Traditionen spiegeln sich nicht nur in bestimmten Forschungsschwerpunkten des heutigen IfL, wie der Kartographie oder der Osteuropaforschung, wider, sie dokumentieren sich noch deutlicher in den wissenschaftlichen Sammlungen des Instituts. Mit der Auflösung des Geographischen Museums trennte man sich zwar von fast allen gegenständlichen Exponaten, die Bibliothek und das Archiv blieben jedoch erhalten und bilden heute einzigartige Einrichtungen in Deutschland 45 . a) Geographische
Zentralbibliothek
Die Geographische Zentralbibliothek (GZB) besitzt mit etwa 200.000 Büchern einen der umfangreichsten geographischen Literaturbestände in Deutschland. Sie dient sowohl den Mitarbeitern des IfL als Institutsbibliothek als auch der Öffentlichkeit als Fachbibliothek. Gesammelt wkd grundsätzlich die gesamte Breite der internationalen geographischen Literatur einschließlich der fachlichen Randgebiete. Sammlungsschwerpunkte bilden dabei thematisch die Anthropogeographie und räumlich vor allem Europa. Die GZB bezieht laufend mehr als 1200 Zeitschriften und Schriftenreihen, sie steht in wissenschaftlichen Tauschbeziehungen mit ca. 550 Partnern in etwa 50 Ländern weltweit. Auf diese Weise wird nicht nur das internationale Profil der Bibliothek gewährleistet, sondern auch die Publikationen des IfL finden weltweite Verbreitung 46 . Unter den internationalen Zeitschriften befinden sich zahlreiche, die in anderen Bibliotheken des deutschsprachigen Raumes überhaupt nicht oder nur selten vorhanden sind. Da die GZB der Öffentlichkeit zur Verfügung steht und am deutschen Fernleihverkehr teilnimmt, haben auch externe Nutzer Zugriff auf die Bestände. Die Neueingänge der Bibliothek können im Internet sowohl im bibliothekseigenen OPAC (elektronischer Katalog) als auch im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) online (http://pollux.bsz-bw.de/) recherchiert werden. Im OPAC der GZB sind mittlerweile über 70.000 Datensätze nachgewiesen (www.ifl-leipzig.de oder www3. domestic.de). Ein besonderer Service der Bibliothek besteht darin, nicht nur selbstständige Werke zu katalogisieren, sondern auch die eingehenden Zeitschriften auszuwerten und die Titel der Aufsätze in Auswahl ins Netz zu stellen.
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Vgl. Ingrid I l ö n s c h und Dorothee Z i c k w o l f f : Die Geographische Zentralbibliothek und das Archiv für Geographie, in: 100 Jahre (wie Anm. 1), S. 102-108. - Günter 1' a e g e : Die Geographische Zentralbibliothek des Instituts für Länderkunde zu Leipzig. Traditionen, Entwicklung, Verpflichtung, in: Reisen & Leben 1992, 21, S. 3-8. Alle Publikationen des IfL stehen für den Schriftentausch zur Verfügung: die Vierteljahreszeitschrift „Europa Regional", die gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Landeskunde herausgegebenen „Berichte zur deutschen Landeskunde", die Schriftenreihen „Beiträge zur regionalen Geographie", „forum ifl", „Daten, Pakten, Literatur zur Geographie Europas" und „Landschaften in Deutschland - "Werte der deutschen Heimat".
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Die älteren Bestände, die vor 1990 angeschafft wurden, können bisher nur in lokalen Zettelkatalogen im Lesesaal der GZB bibliographiert werden. Obwohl die Bibliothek im Zweiten Weltkrieg durch Bomben bzw. nach 1945 durch Requirierung 47 empfindliche Verluste (ca. 18.000 Bestandeinheiten) zu beklagen hatte, verfügt sie über einen respektablen Altbestand, der weit zurück über die Gründung 1896 hinausreicht. Bedeutend ist vor allem der Bestand an Literatur aus dem 19. Jahrhundert mit zahlreichen Forschungs- und Reiseberichten aus aller Welt. Die ältesten Bestände stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, darunter wertvolle Kartenwerke und Weltbeschreibungen 48 . Im Laufe des Jahres 2008 wird ein Großteil des historischen Buchbestandes elektronisch erfasst und steht somit für die Recherche im Internet zur Verfügung. Zur Kartensammlung der Bibliothek gehören ca. 50.000 Einzelkarten, 250 Wandkarten, etwa 4000 Atlasbände und 13 Globen 49 . b) Archil'für
Geographie
Schriftarchiv Der Bibliothek zugeordnet ist ein im deutschen Sprachraum einzigartiges Facharchiv, dessen Bedeutung weit über die Grenzen der geographischen Disziplingeschichte hinausreicht und interdisziplinäre Forschungen ermöglicht. Das Archiv wurde bereits unter Alphons Stübel 1902 als „Archiv für Forschungsreisende" gegründet511 und enthält heute über 130 Nachlässe von Hochschulgeographen, Forschungsreisenden und Heimatforschern, Akten von Expeditionen, Verbänden und Vereinen 51 . Der Umfang der einzelnen Bestände schwankt zwischen wenigen Dokumenten und bis zu 60 Archivkästen, wobei in einem Kasten weit über 1000 Blatt lagern können. Die älteren
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Das Schicksal der ausgelagerten Bestände ist nicht vollends geklärt. Ein Teil der Bücher und Karten war im Frühjahr 1944 ins mecklenburgische Schönberg gebracht worden, um einer militärischen Sondereinheit zur Verfügung zu stehen. Diese Bestände wurden nach 1915 in die britische Zone gebracht. D a g e g e n erhielt die Bibliothek Ende der 1950er J a h r e aus der Sowjetunion einen Teil ihrer Bestände, darunter besonders wertvolle Atlanten, zurück. Ingrid I l ö n s c h : Geographische Zentralbibliothek, in: Eriedhilde K r a u s e (Hg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Bd 18: Sachsen L-Z. llildesheim 1997, S. 183-185.
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Vgl. Cornelia l i n k : Die Kartensammlung der Geographischen Zentralbibliothek im Institut für Länderkunde, in: Leipzig im Kartenbild (wie Anm. 21), S. 1 3 9 - 1 1 3 . - Utz H o f f m a n n und Sonnhild K u t s c h m a r : Historische Atlanten. Kostbarkeiten in der Geographischen Zentralbibliothek des Instituts für Geographie und Geoökologie, in: spectrum 1981, 11, S. 18-21. Zur Globensammlung vgl. Wolfram D ο 1 ζ : Die Globen des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig, in: Der Globusfreund 53/54, 2005/2006 (2007), S. 114-126.
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Vgl. Heinz Peter Β r ο g i a t ο und Bruno S c h e 1 h a a s : 100 Jahre Archiv für Geographie im Institut für Länderkunde Leipzig 1 9 0 2 - 2 0 0 2 , in: Der Archivar 55 (2002), S. 3 3 0 - 3 3 1 . Eine Gesamtübersicht der Archivbestände ist im Internet auf der Institutsseite (http://www. ifl-archiv.de/37L0.html) veröffentlicht. Eine Auswahl der bedeutendsten Nachlässe wird beschrieben in dem Ausstellungskatalog: Vergangene Gegenwarten. Facetten aus dem Archiv für Geographie. Leipzig 2001.
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Bestände des Archivs stehen zumeist in einem Zusammenhang mit dem Standort Leipzig. Dies gilt für die Nachlässe Leipziger Hochschulprofessoren der Geographie wie Friedrich Ratzel (1844-1904), Joseph Partsch (1851-1925), Wilhelm Volz (18701958) und besonders Hans Meyer (1858-1929), durch dessen Vermittlung Nachlässe und Expeditionsunterlagen aus der Zeit vor 1914 in das Archiv gelangten. Auch der umfangreiche Bestand der Gesellschaft für Erdkunde zu Leipzig (gegr. 1861) stellt einen bedeutenden Quellenfundus zur Leipziger Stadt- und Wissenschaftsgeschichte dar. Der systematische Ausbau des Museums unter Rudolf Reinhard seit Ende der 1920er Jahre brachte auch dem Archiv einen markanten Bedeutungszuwachs"' 2 . Zwischen 1930 und I960 wuchs der Archivbestand signifikant an. Zu den wichtigsten Eingängen aus dieser Zeit zählen die vollständigen Akten der ersten deutschen Südpolarexpedition, die unter der Leitung Erich von Drygalskis (1865-1949) 1901 bis 1903 durchgefühlt wurde, oder die Nachlässe der Dresdner Lehrstuhlinhaber Kurt Hassert (1866-1947) und Günther Köhler (1901-1958), des österreichischen Geologen Ernst Nowack (1891-1946), der Asienforscher Albert Tafel (1876-1935) und Emil Trinkler (1896-1931), des Tübinger Kolonialgeographen Carl Uhlig (1872-1938) oder der im mitteldeutschen Raum arbeitenden Geographielehrer und Heimatforscher Ernst Blume (1882-1957), Ernst Kaiser (1885-1961), Paul Platen (1890-1964) und Paul Wagner (1868-1951). Nach I960 wurde die aktive Sammlungspolitik des Archivs weitgehend eingestellt und nur noch der vorhandene Bestand verwaltet. Erst nach der „Wende" begann das Archiv wieder, neue Nachlässe zu übernehmen und zu erschließen. Seither hat sich der Gesamtbestand etwa verdoppelt, und das Archiv hat sich endgültig zu einer zentralen Einrichtung für Gesamtdeutschland entwickelt. Zu dem nach 1990 übernommenen Schriftgut zählen die Nachlässe von Walter Christaller (1893-1969), dem Begründer des Modells der Zentralen Orte, Wolfgang Hartke (1908-1997), einem der Begründer der westdeutschen Sozialgeographie, Edgar Lehmann (1905-1990), dem langjährigen Direktor des Deutschen Instituts für Länderkunde, Emil Meynen (1902-1994), einer zentralen Persönlichkeit der westdeutschen Geographie und Direktor des Instituts für Landeskunde (zuletzt in Bad Godesberg), Ernst Neef (1908-1984), dem führenden Landschaftsökologen der DDR, Ernst Plewe (19071986), einem wichtigen Vertreter der geographischen Disziplingeschichtsschreibung in Heidelberg und Mannheim, oder Peter Schöller (1923-1988), der in Bochum und Münster lehrte und wesentlich an der bundesdeutschen Verwaltungs- und Gebietsreform beratend mitwirkte. Obwohl das Archiv für Geographie über keine Planstelle verfügt, sind alle Bestände durch Findbücher erschlossen und können - unter Beachtung der archivrechtlichen Bedingungen - genutzt werden. Abschließend seien noch einige Nachlässe genannt, die auf Personen zurückgehen, die aus der Osthälfte des preußischen Staatsgebietes stammten oder hier als Wissenschaftler wirkten:
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Vgl. Eranz K u p f e r s c h m i d t : Das Geographische Archiv des Deutschen Museums für Länderkunde in Leipzig, in: Geographische Zeitschrift 42 (1936) 3, S. 106-108.
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HEINZ P E T E R B R O G I A T O / I I A I k T H O M A S P O R A D A
An der Berliner Universität war die Geographie seit der Gründung 1810 als Lehrfach vertreten5;>, zunächst durch den Blindenpädagogen Johann August Zeune (17781853), seit 1820 durch Carl Ritter (1779-1859), der als Begründer der modernen Hochschulgeographie in Deutschland gilt. Neben Ritter zählten zu den bedeutendsten Fachvertretern vor 1945 der aus dem oberschlesischen Carlsruhe stammende Ferdinand von Richthofen (1833-1905), seit 1886 Lehrstuhlinhaber, sein Nachfolger Albrecht Penck (1859-1945), Ordinarius von 1906 bis 1925, Norbert Krebs (1876-1947) und Alfred Rühl (1882-1935), der 1930 den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie erhielt. Da das Berliner Institutsgebäude während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde, existiert kein geschlossener Archivbestand mehr. Auch im Leipziger Archiv für Geographie befinden sich lediglich einzelne Autographen oder kleinere Konvolute von Berliner Geographen, darunter ein Teilnachlass F. von Richthofens. Mehrere hundert Briefe Pencks befinden sich im Nachlass Joseph Partsch (s.u.). Zwischen Penck und Partsch entwickelte sich aus einem gemeinsamen wissenschaftlichen Interesse an der Quartärgeologie eine persönliche Freundschaft mit einer intensiven Korrespondenz zwischen 1880 und 192 0 5 4 . Leider sind nur wenige Gegenbriefe Partschs erhalten. Eine wertvolle Ergänzung des Bestandes bildet ein Konvolut weiterer Briefe an Penck, die das Archiv 2008 von Joachim Marcinek (Berlin) erhielt. Von Carl Troll (1899-1975), der in Berlin eine ao. Professur für Kolonialgeographie (1930-1936) bzw. eine ord. Professur für Wirtschaftsgeographie (1936-1938) bekleidete, besitzt das Leipziger Archiv die Tagebücher und Fotografien einer Südamerika-Expedition in den Jahren 1926-1928 5 5 . Das Extraordinariat für Kolonialgeographie hatte der Leipziger Verleger und Geograph Hans Meyer 1910 gestiftet. Berufen und damit Vorgänger Trolls wurde Fritz Jaeger (1881-1966), der vor dem Ersten Weltkrieg einer der aktivsten Forscher in den tropischen Kolonien war und seit 1904 an mehreren Expe-
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Z u r G e s c h i c h t e d e r B e r l i n e r G e o g r a p h i e vgl.: B e r l i n e r G e o g r a p h i e in V e r g a n g e n h e i t u n d G e g e n w a r t . B e r l i n 1 9 8 7 ( = W i s s e n s c h a f t l i c h e Zeitschrift d e r I l u m b o l d t - l J n i v e r s i t ä t zu Berlin. Mathem.-naturwiss. R e i h e 3 6 [1987J 3, S. 1 6 9 - 2 5 0 ) . - R a i n e r Κ e 1 m , Matthias S c h m i d t u n d J o a c h i m M a r c i n e k : D i e E n t w i c k l u n g d e s G e o g r a p h i s c h e n Instituts a n d e r B e r l i n e r Universität, in: I l u m b o l d t - l J n i v e r s i t ä t : B e r i c h t e 6
(1986)
I
i, S. 6 - 3 1 ( = 1 7 5 J a h r e G e o g r a p h i e a n d e r
B e r l i n e r Universität). - M a n f r e d H e n d l : Ü b e r s i c h t zur G e s c h i c h t e d e s G e o g r a p h i s c h e n Instituts an d e r Friedrich-Wilhelms-llniversität u n d s p ä t e r e n I l u m b o l d t - l J n i v e r s i t ä t zu Berlin, in: Wilfried E n d l i c h e r
et al. ( I l g g . ) : Z w i s c h e n K i e z u n d M e t r o p o l e - z u k u n f t s f ä h i g e s B e r l i n
im n e u e n E u r o p a . T a g u n g s b a n d
29.
Deutscher Schulgeographentag. Berlin
2004,
S.
3-21
(=
Berliner geographische Arbeiten, 97). 5i
I n s g e s a m t sind ü b e r 150 B r i e f e erhalten, ein Teil daraus w u r d e in A u s z ü g e n ediert: G e r h a r d F, η g e 1 m a η η : B r i e f e A l b r c c h t P e n c k s a n J o s e p h Partsch, in: W i s s e n s c h a f t l i c h e Veröffentlic h u n g e n d e s D e u t s c h e n Instituts für L ä n d e r k u n d e Leipzig N.E.
55
Carl T r o l l : T a g e b ü c h e r d e r R e i s e n in B o l i v i e n
1926/1927,
17/18
(I960),
S.
hg. v o n Ingrid
17-107.
Monheim.
Stuttgart 1 9 8 5 (= E r d w i s s e n s c h a f t l i c h e F o r s c h u n g , 19). D e r H a u p t n a c h l a s s Troll b e f i n d e t sich in B o n n , vgl.: S a b i n e R i c h t e r : W i s s e n s c h a f t l i c h e N a c h l ä s s e im Archiv d e s G e o g r a p h i s c h e n Instituts d e r Universität B o n n . F i n d b ü c h e r zu d e n N a c h l ä s s e n v o n Carl Troll u n d Alfred Phil i p p s o n . St. Augustin
2004
(= Colloquium geographicum,
27).
DAS LEIBNIZ-INSTLLUT FÜR LÄNDERKUNDE IN LEIPZIG
261
ditionen nach Deutsch-Ostafrika teilgenommen hatte"10. Von Jaeger besitzt das Archiv für Geographie schriftliches und fotografisches Material zu seinen Forschungsreisen nach Ostafrika, Algerien und Mexiko 57 . Schließlich sei noch erwähnt, dass auch die jüngere Geographiegeschichte Berlins in Leipzig vertreten ist, repräsentiert durch einen Teilnachlass von Georg Jensch (T908-1978) 58 . Jensch, der aus dem ostbrandenburgischen Kreis Züllichau stammte, kam nach Kriegsdienst und russischer Gefangenschaft an die Freie Universität, wo er seit 1961 eine Professur (seit 1966 ord. Professor für Kartographie) bekleidete. Aus Brandenburg an der Havel stammte Georg Wegener (1863-1938) 59 . Er unternahm zwischen 1892 und 1910 zahlreiche Weltreisen und wurde zu einem bekannten Reiseschriftsteller, ehe er eine akademische Laufbahn einschlug und an der Handelshochschule Berlin einen Lehrauftrag übernahm. Von 1919 bis 1931 besaß er dort eine ord. Professur. Im Leipziger Archiv befinden sich unter anderem seine handschriftlichen Vorlesungsmanuskripte. Als letzter gebürtiger Brandenburger, von dem sich Archivgut in Leipzig befindet, sei Hans Steffen (1865-1936) erwähnt 69 . Geboren in Fürstenwerder, ging er 1889 nach Chile, wo er als Professor für Geographie und Geschichte am Instituto Pedagojico de Chile in Santiago bis 1913 lehrte. Von hier aus unternahm er mehrere Expeditionen nach Patagonien und in den südlichen Andenraum. Seine Reisen dienten nicht nur der geographischen und geologischen Erforschung des Raumes, sondern waren auch Grundlage für die Festlegung der zwischen Chile und Argentinien umstrittenen Grenze. In Leipzig befinden sich Tagebücher, Routenaufnahmen und Fotografien der Patagonienreisen Steffens 1896-1902. An der Pädagogischen Hochschule Potsdam lehrte von 1950 bis 1970 Johannes F. Geliert (1904-1994) als Professor für Geographie. Geliert war einer der führenden physischen Geographen der DDR und einflussreicher Funktionär in fachwissenschaftlichen Gremien (z.B. langjähriger Präsident der Geographischen Gesellschaft der
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58 59 60
Vgl. Carl T r o l l : Fritz Jaeger. Ein Forscherleben. Erlangen 1969 (= Erlanger geographische Arbeiten, 21). In der Schrift enthalten ist eine von Friedrich Linnenberg zusammengestellte Publikationsliste Jaegers (S. 33-46). Ergänzend zu d e m bereits vorhandenen Bestand erhielt das Archiv 2007 aus d e m Bundesarchiv in Koblenz weitere 'Lagebücher Jaegers von dessen Afrikareisen 1901 und 1910. Dieses Material war Bestandteil eines größeren Konvolutes, das Emil Meynen im Institut für Landeskunde (Bad Godesberg) in den 1960er Jahren als „Zentralarchiv für Landeskunde in Deutschland" angelegt hatte, 1976 v o m Bundesarchiv übernommen und nun vollständig an das Archiv für Geographie in Leipzig übereignet wurde. Vgl. Ulrich F r e i t a g : Die Beiträge von Max Groll, Walter Behrmann und Georg Jensch zur wissenschaftlichen Kartographie. Berlin 199 i (= Berliner Manuskripte zur Kartographie). Vgl. Arno W i n k l e r : Georg Wegener (1863-1939), in: Geographisches Taschenbuch und Jahrweiser für Landeskunde 1961/65 (1961), S. 302-309. Vgl. Wolfgang C r o m : Steffen, Hans, in: Germany and the Americas (wie Anm. 23), S. 9 9 9 1000.
2 62
HEINZ PETER BROGIATO / IIAIk THOMAS PORADA
DDR und Präsident des Nationalkomitees für Geographie und Kartographie der DDR) 61 . Der Nachlass Geliert gehört zu den umfangreichsten Beständen des Archivs für Geographie. An der Albertus-Universität zu Königsberg in Preußen erhielt die Geographie 1876 einen eigenständigen Lehrstuhl 02 . Bis 1945 nahmen fünf Professoren das Ordinariat wahr: Hermann Wagner, Karl Zöppritz, Friedrich G. Hahn, Max Friederichsen und Arved Schultz. Daneben lehrte Erwin Scheu seit 1929 als ord. Professor an der Wirtschaftshochschule. Von diesen Königsberger Hochschulgeographen besitzt das Archiv für Geographie vereinzelte Akten. Lediglich von Hans Mortensen ist ein größeres Konvolut vorhanden. Mortensen (1894-1964) war ein Schüler Friederichsens, bei dem er 1920 mit einer küstenmorphologischen Arbeit über das Samland promovielt wurde. Zwei Jahre später habilitierte er sich in Königsberg zur Siedlungsgeographie des Samlandes. Seine akademische Karriere führte ihn dann zwar nach Göttingen, aber er blieb Ostpreußen auch später wissenschaftlich verbunden und hat - zum Teil gemeinsam mit seiner Gattin Gertrud - grundlegende Forschungen zur ostpreußischen Siedlungsgeschichte erbracht 63 . Zwei in Königsberg geborene Geographen, von denen sich Teile der Nachlässe in Leipzig befinden, verdienen Erwähnung: Siegfried Passarge (1867-1958) und Erich von Drygalski (1865-1949). Passarge, Sohn des bekannten Heimat- und Reiseschriftstellers Louis Passarge (1825-1912), kam von der Geologie zur Geographie, war kurze Zeit in Breslau Ordinarius für Geographie, ehe er 1908 nach Hamburg wechselte. Er gilt als einer der profiliertesten und produktivsten deutschen Landschaftsgeographen. Seine wissenschaftlichen Leistungen werden allerdings überschattet von charakterlichen Schwächen. Passarge war von krankhafter Streitsucht und Intriganz geprägt. Mit zunehmendem Alter machte er aus seinen rassistischen und antisemitischen Einstellungen kein Hehl. Neben einigen Manuskripten Passarges, darunter einer umfangreichen, nie publizierten Autobiographie, besitzt das Archiv für Geographie Sammlungen, die im Rahmen mehrerer Projekte an der Universität Hamburg zur
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Vgl. Bruno M. S c Ii e 1 h a a s : Institutionelle Geographie auf dem Weg in die wissenschaftspolitische Systemspaltung: Die Geographische Gesellschaft der DDR bis zur III. Ilochschulund Akademiereform 1968/69. Leipzig 2004 (= Beiträge zur regionalen Geographie, 60). Diese am IfL entstandene Dissertation schöpft aus dem umfangreichen Quellenfundus des Archivs für Geographie, in dem sich zentrale Bestände zur DDR-Geographie (y.a. Ernst Neef, Edgar Lehmann, Johannes F. Geliert) befinden. Vgl. Dietrich D e n e c k e : Hermann Wagner und die Entwicklung der Geographie an der Albertus-Universität in Königsberg, in: Hermann R a u s c h η i g g und Donata v o n Ν e r e e (Hgg. ): Die Albertus-Universität zu Königsberg und ihre Professoren. Aus Anlaß der Gründung der Albertus-Universität vor 150 Jahren. Berlin 199 i, S. 711-727 (= Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr., 29). Vgl. Helmut J ä g e r : Hans Mortensen als Siedlungsforscher, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 13 (1965) 1, S. 1-11. - Wilhelm W ö l i l k e : Hans Mortensen und die deutsche geographische Ostforschung, in: Ilans-Mortensen-Gedenksitzung am 25. Mai 1965. Göttingen 1965, S. 25-31 (= Göttinger geographische Abhandlungen, 34).
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Geschichte der Hamburger Hochschule und zur Geschichte der Geographie im Nationalsozialismus entstanden 0 4 . Zu den wissenschaftlich wertvollsten Beständen des Leipziger Archivs gehölt der umfangreiche Bestand „Erste Deutsche Südpolar-Expedition" sowie der später dazugekommene komplementäre Nachlass Erich von Drygalski (Abb. 1). Drygalski, ein Schüler Ferdinand von Richthofens, leitete im Auftrag der Gesellschaft für Erdk u n d e zu Berlin 1891 und 1892/93 zwei Expeditionen nach Grönland. Mit der Überwinterung im arktischen Eis hatte er seine „Polartauglichkeit" unter Beweis gestellt und wurde - nach erfolgreicher Habilitation 1899 - zum Leiter einer Südpolarexpedition gewählt 65 . Nach akribischer Vorbereitung startete die Forschungsreise auf dem speziell zu diesem Zweck gebauten Schiff „Gauss" (Abb. 2). Als die Expedition zwei Jahre später wieder in der Heimat eintraf, waren die nationalpolitischen Ziele des Kaisers zwar nicht erreicht worden. Die Wissenschaftler brachten aber so umfangreiches Material und Messergebnisse mit, dass deren Auswertung durch ein internationales Team von etwa 100 Exper-
263
Abb. 1: Der Geograph und Polarforscher Erich von Drygalski (*1865 in Königsberg/Pr. - 11919 in München) [Quelle: Porträtsammlung im Archiv für Geographie im TfLJ.
64
Vgl. z.B.: Holger F i s c h e r und Gerhard S a n d n e r : Die Geschichte des Geographischen Seminars der Hamburger Universität im „Dritten Reich", in: Eckart K r a u s e et al. (Hgg.): Ilochschulalltag im „Dritten Reich". Die Hamburger Universität 1933-1915. Berlin 1991, S. 1197-1222 (= Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, 3 )· - Gerhard S a η d η e r: The „Germania triumphans" syndrome and Passarges „Erdkundliche Weltanschauung". The roots and effects of German political geography beyond „Geopolitik", in: Political geography quarterly 8 (1989) 4, S. 341-351. - Gerhard S a n d n e r : Zusammenhänge zwischen wissenschaftlichem Dissens, politischem Kontext und antisemitischen Tendenzen in der deutschen Geographie 1918-1915: Siegfried Passarge und Alfred Philippson, in: Eckart E h l e r s (11g.): Philippson-Gedächtnis-Kolloquium 13.11.1989. Bonn 1990, S. 35—49 (= Colloquium Geographicum, 20).
65
Vgl. neben zahlreichen Einzeluntersuchungen der Autorin zusammenfassend: Cornelia L ü d e c k c : Die deutsche Polarforschung seit der Jahrhundertwende und der Finllulä Erich von Drygalskis. Bremerhaven 1995 (= Berichte zur Polarforschung, 158). - David Thomas M u r p h y : German exploration of the Polar world. A history, 1870-1910. Lincoln, London o.J. [2002J.
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Abb. 2: Erich von Drygalski (rechts, lesend) während der Südpolarexpedition 1902 im Zelt inmitten der wissenschaftlichen Expeditionsteilnehmer [Quelle: Bildarchiv im Archiv für Geographie im IfLi.
ten fast 30 Jahre in Anspruch nahm und 20 Folianten füllte. Nach Abschluss der Arbeiten gab Drygalski die gesamten Unterlagen der Expedition einschließlich der Fotografien an das Leipziger Archiv 66 . In Greifswald wurde erst 189f etatmäßig ein geographisches Ordinariat eingerichtet, womit es unter den preußischen Universitäten aus disziplingeschichtlicher Sicht zu den Schlusslichtern zählte 67 . Auf dem Lehrstuhl saßen bis 1945 Rudolf Credner (18911908, zuvor seit 1881 ao. Prof.), Max Friederichsen (1909-1917), Gustav Braun (19181933) und Hermann Lautensach (1935-1945). Von diesen Lehrstuhlvertretern besitzt das Archiv für Geographie einen größeren Nachlassteil von G. Braun (1881-1940) 68 . 66
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Zum 100jährigen Jubiläum der Expedition "wurde von Cornelia Lüdecke eine Ausstellung konzipiert, vgl. den Ausstellungskatalog: Universitas Antarctica. 100 Jahre deutsche Südpolarexpedition 1901-1903 unter der Leitung Erich von Drygalskis. Leipzig 2001. Vgl. Eginhard W e g n e r : Hundert Jahre Geographie in Greifswald. Ein Beitrag zur Geschichte der Sektion Geographie, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Math.-naturwiss. Reihe 30 (1981) 1, S. 5-10. Vgl. Otto M a u l l : Braun, Gustav Oskar Max, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2. Berlin 1955, S. 550.
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265
Er stammte aus Dorpat und hatte sich 1907 in Greifswald habilitiert. Seine Forschungsschweipunkte lagen in der Physischen Geographie und regional im Ostseeraum; in Greifswald errichtete Braun ein Institut für Finnlandkunde. Im Leipziger Nachlass befinden sich Tagebücher seiner Reisen durch Europa zwischen 1904 und 1932, v.a. durch Italien, Westeuropa, Mitteleuropa und den skandinavischen Raum. Ein Schüler Brauns war der aus Preußisch Stargard stammende Ernst Plewe (1907-1986), dessen Nachlass sich ebenfalls in Leipzig befindet61·1. Plewe wurde 1931 in Greifswald mit einer wissenschaftshistorischen Arbeit über den Begriff der „vergleichenden Erdkunde" promoviert und lehrte später in Heidelberg und Mannheim. Er gilt als einer der führenden westdeutschen Fachhistoriker nach 1945, der sich vor allem u m die Erforschung von Leben und Werk Carl Ritters verdient gemacht hat. Eine völlig andere Biographie, als sie diese Akademiker aufweisen, liegt bei Herbert Schröder-Stranz (1884—1912) vor. Er stammte aus Stranz im Kreis Deutsch Krone und hatte eine militärische Laufbahn eingeschlagen. Obwohl völlig unerfahren, plante er seit etwa 1910 eine Polarexpedition und wollte dabei die Nordostpassage durchfahren. Als ihm die nötige staatliche Unterstützung versagt blieb, bereitete er eine Vorexpedition nach Spitzbergen vor, u m seine Fähigkeiten unter Beweis stellen zu können. Doch die Forschungsreise endete in einer Tragödie. Bis auf drei Überlebende kamen alle deutschen Teilnehmer ums Leben; ihr genaues Schicksal blieb ungeklärt. Die Unterlagen zur Vorbereitung der Expedition befinden sich im Archiv für Geographie, ebenso materielle Überreste der verschollenen Teilnehmer, die ein norwegischer Walfänger 1937 und 1938 auf Spitzbergen fand 7 0 . Von den östlichen Provinzen Preußens sei schließlich noch ein Blick auf Schlesien geworfen. Die Liste der an der Breslauer Universität lehrenden Geographen ist ungewöhnlich lang und beginnt 1863 mit dem aus Königsberg stammenden Althistoriker Carl Neumann (1823-1880). Sein Schüler und Nachfolger Joseph Partsch (1851-1925) ließ die Venia 1884 auf Geographie einschränken. Auf Partsch folgten Siegfried Passarge (1905-1908), Alexander Supan (1909-1918), Wilhelm Volz (1918-1922), Max Friederichsen (1923-1938) und Erich Obst (1938-1945) als Ordinarien an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität 71 . Die Überlieferung der Breslauer Geographie im Leipziger Archiv ist - im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Hochschulen dicht. Neben kleineren Beständen von und über Neumann, Passarge und Friederichsen befinden sich in Leipzig die wissenschaftlichen Gesamtnachlässe von Wilhelm Volz und Joseph Partsch. Volz (1870-1958) war ein Schüler des Geologen Fritz Frech, bei d e m er 1895 in Breslau promovierte und vier Jahre später habilitierte. 1908 ließ
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Vgl. Ute W a r d e η g a : Ernst Plewe 22.5.1907-18.5.1986. Eine Würdigung seines Lebenswerkes, in: Jahresbericht des Vereins für Naturkunde Mannheim N.E. 5 (1997), S. 11-25. Diese arktische Tragödie fand im Jahr 2007 ein erhöhtes Medieninteresse, als sich Arved Fuchs mit seinem Team auf die Spur der Schröder-Stranz-Expedition begab. Falk Mahnke vom Team Arved Fuchs bereitet eine Publikation über Herbert Schröder-Stranz vor. Vgl. Gabriele S c h w a r z : Das Geographische Institut der Universität Breslau, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 1 (1955), S. 133-142.
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sich Volz für Geographie umhabilitieren und erhielt eine außerplanmäßige Professur in Breslau, dann in Erlangen. Von 1922 bis 1935 bekleidete er als Nachfolger Partschs das Ordinariat an der Leipziger Universität. Volz gehörte nach 1918 zu den engagiertesten Vertretern einer deutschvölkischen Geographie, der sich vor allem im oberschlesischen Grenzkonflikt exponierte. Auch in seiner Leipziger Zeit setzte er seine volkstumspolitische Tätigkeit fort und war Geschäftsführer der „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung" 72 . Der umfangreiche Nachlass spiegelt die zahlreichen wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Funktionen und Tätigkeiten Volz' und bildet einen wichtigen Quellenbestand für die Geographie während der Weimarer Republik. Noch bedeutender für die schlesische Landeskunde ist der Nachlass Joseph Partsch. Partsch kann als der schlesische Geograph schlechthin bezeichnet werden7;> (Abb. 3). Er wurde als Sohn des kaufmännischen Leiters der Gräflich Schaffgotschen Josephinenhütte in Schreiberhau geboren und absolvierte seine Schulzeit am Matthias-Gymnasium in Breslau. Nachdem er das Abitur 1869 als Primus absolviert hatte, immatrikulierte er sich an der dortigen Universität, w o ihn besonders Carl Neumann beeinflusste. Wie sein Lehrer interessierte er sich vor allem für die antike Geographie. Sowohl seine Dissertation 1874 als auch die bereits ein Jahr später vorgelegte Habilitationsschrift behandelten Themen aus diesem Bereich zwischen Alter Geschichte und Geographie. Nach seiner Ernennung zum außerordentlichen Professor 1876 widmete sich Partsch verstärkt der Geomorphologie, insbesondere der Glazialmorphologie der Mittelgebirge. 1878 gelang ihm der Nachweis von Moränen in den Schneegruben und damit der endgültige Beleg für eine eiszeitliche Vergletscherung des Riesengebirges. Seine beiden Monographien „Die Gletscher der Vorzeit in den Karpathen und in den Mittelgebirgen Deutschlands" (1882) und „Die Vergletscherung des Riesengebirges zur Eiszeit" (1894) gelten auch heute noch als Meilensteine der glazialmorphologischen Forschung. Seine hervorragenden Kenntnisse über Schlesien fasste er in einem zweibändigen Werk („Schlesien. Eine Landeskunde für das deutsche Volk") zusammen, das in Lieferungen zwischen 1896 und 1911 erschien und zu den
72
Vgl. Michael F a h l b u s c h : „Wo der deutsche ... ist, ist Deutschland!" Die Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung in Leipzig 1920-1933· Bochum 1994 (= Abhandlungen zur Geschichte der Geowissenschaften und Religion/lJmwelt-Eorschung, Beiheft 6). 73 Anlässlich seines 150. Geburtstags fand in Leipzig ein internationales Kolloquium statt. Im Tagungsband enthalten sind die Vorträge zu verschiedenen Facetten des Lebens und "Werks von Partsch, dazu Beiträge zu den Nachlässen in Leipzig und Breslau und eine vollständige Bibliographie. Vgl.: Heinz Peter Β r ο g i a t ο und Alois Μ a y r (Hgg.): Joseph Partsch - Wissenschaftliche Leistungen und Nachwirkungen in der deutschen und polnischen Geographie. Beiträge und Dokumentationen anlässlich des Gedenkkolloquiums zum 150. Geburtstag von Joseph Partsch (1851-1925) am 7. und 8. Februar 2002 im Institut für Länderkunde, Leipzig. Leipzig 2002 (= Beiträge zur Regionalen Geographie, 58). - Heinz Peter Β r ο g i a t ο : Joseph Partsch (1851-1925) - erster Ordinarius für Geographie an der Universität Breslau. Sein Beitrag zur Geographie und Landeskunde Schlesiens, in: Jahrbuch der Schlesischen FriedrichWilhelms-Universität zu Breslau 42-44, 2001-2003 (2003), S. 327-344.
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Abb. 3: Mitgliedsurkunde der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur für den Breslauer Geographen Joseph Partsch (*1851 in Schreiberhau - |1925 in Bad Brambach). (Quelle: Nachlass Joseph Partsch im Archiv für Geographie im IfLl.
Klassikern der landeskundlichen Literatur zählt. Sein Nachlass füllt über 30 Archivkästen und ist eine Fundgrube für jeden, der sich wissenschaftsgeschichtlich mit Schlesien beschäftigt. Vor allem durch die äußerst umfangreiche Korrespondenz 7 4 , die Partsch mit zahlreichen Kollegen, wissenschaftlichen Einrichtungen und staatlichen Stellen führte, gehört der Nachlass Partsch darüber hinaus zu den bedeutenden Quellenbeständen zur Wissenschaftsgeschichte im deutschen Kaiserreich. Einer seiner Korrespondenzpartner war sein Breslauer Kommilitone und Freund F. W. Paul Lehmann ( f 8 5 0 - f 9 3 0 ) 7 5 , dessen Nachlass sich ebenfalls in Leipzig befindet. Lehmann, in Darsband auf Rügen geboren, ging nach seiner Promotion f874 in Breslau in den höheren Schuldienst und war f 8 9 0 - f 9 f 3 Direktor des Schiller-Gymnasiums in Stettin. Obwohl er bereits kurz vor dem Rentenalter stand, folgte er dem
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Im Nachlass befinden sich über 3000 Briefe und Postkarten. Eine Besonderheit bilden dabei die Feldpostbriefe und -karten, die ihm seine Schüler aus dem Ersten "Weltkrieg zugesandt haben. Vgl. die beiden Nachrufe: Gerhard E n g e l m a n n : I1. W. Paul Lehmann in: Geographische Zeitschrift 36 (1930) 8, S. 449-453. Hans R u d o l p h i : F. W. Paul Lehmann (1850-1930), in: Mitteilungen des Vereins der Geographen an der Universität Leipzig 1932, 10/11, S. 1-8.
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Wunsche Partschs und habilitierte sich anschließend für Geographie. Noch bis 1930 lehrte er als Privatdozent an der Leipziger Universität. In seinem Nachlass finden sich zahlreiche landeskundliche Unterlagen (Reisetagebücher, Arbeitsmaterial, Manuskripte), vor allem auch über Schlesien und Pommern. Schließlich sei noch auf den Nachlass eines gebürtigen Schlesiers verwiesen, der in Deutsch-Ostafrika als Militär und Forscher aktiv war: Georg von Prittwitz und Gaffron (1861—1936). Als Sohn des Breslauer Regierungspräsidenten geboren, besuchte er das Maria-Magdalena-Gymnasium und schlug anschließend die Offizierslaufbahn ein. 1885/86 nahm er an einer amtlichen Expedition nach Kamerun teil, und von 1897 bis 1911 war er Angehöriger der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika. In dieser Zeit nahm Prittwitz mehrere Expeditionen ins Hinterland vor und beteiligte sich an den Vermessungsaufnahmen der Kolonie. Im Archiv befinden sich unter anderem seine Tagebücher, Aufzeichnungen, Manuskripte und Fotografien aus Ostafrika. Damit sind die wichtigsten Personalnachlässe genannt, deren Bestandsbildner in einer persönlichen oder beruflichen Beziehung zu den östlichen Provinzen Preußens standen.
Bildarchiv Das Schriftarchiv wird ergänzt durch ein Bildarchiv, das wiederum aus drei Teilen besteht: einer Ansichtskartensammlung, einer Gemäldesammlung und einem Fotoarchiv 76 . Die Ansichtskartensammlung, die bei Besuchern immer wieder auf großes Interesse stößt, enthält ca. 150.000 Karten, die nach Staaten, innerhalb Deutschlands nach Ländern geordnet sind. Regional bilden Leipzig 77 , Sachsen und die angrenzenden Gebiete einen Schwerpunktraum, aber vertreten sind fast alle Fremdenverkehrsregionen innerhalb Europas und darüber hinaus. Ein beachtlicher Teil der Karten stammt aus der Zeit vor 1914; von besonderer Bedeutung ist auch die Sammlung der Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg. Für die ostdeutsche Landeskunde ist der große Bestand an Bildpostkarten aus dem schlesischen Raum, vor allem aus dem Riesengebirge und den niederschlesischen Kurorten nennenswert. Die Gemäldesammlung besteht aus über 800 Aquarellen, Ölgemälden und Gouachen. Bis zum Zweiten Weltkrieg besaß das Museum etwa 2000, zum Teil wertvolle Landschaftsgemälde (u.a. von Anton Goering, Franz Kienmayer, Rudolf Reschreiter, Kurt Schiering, Ernst Vollbehr). Die Gemälde, die in den Ausstellungsräumen des Museums hingen, wurden beim Bombenangriff 1943 zerstört. Der Großteil der Samrn-
76
Zur Entwicklung des Bildarchivs vgl.: Rudolf R e i n h a r d : Das Bildarchiv des Deutschen Museums für Länderkunde. (Sonderheft DMfL) Leipzig 1939 (1938). - Horst M i i n n i c h : Das Bildarchiv des Deutschen Instituts für Länderkunde, in: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Länderkunde Ν. E. 13/14 (1955), S. 2 5 f - 2 5 7 .
77
Vgl. Heinz Peter Β r ο g i a t ο : Leipzig um 1900. Kolorierte Eotopostkarten aus dem LeibnizInstitut für Länderkunde. Leipzig 2009 (in Vorbereitung).
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269
lung war frühzeitig in die Schlösser Mutzschen und Vorderglauchau ausgelagert worden. 1946 sollten die Bilder nach Leipzig zurückgefühlt werden, der Transportzug erreichte die Messestadt allerdings nie; seither gilt die Gemäldesammlung als verschollen. Der Wert alleine der verlorenen Gemälde wurde nach 1945 auf fast 1 Million Reichsmark beziffert. Auf der Suche nach Ersatz gelang dem Direktor Edgar Lehmann ein spektakulärer Coup: 1957/58 konnte er die erheblichen finanziellen Mittel aufbringen, u m etwa 800 Gemälde vom damals in Marburg an der Lahn lebenden Ernst Vollbehr (1876-1960) anzukaufen - und dies, obwohl Vollbehr als Kolonial-, Weltkriegs- und Reichsautobahnmaler alles andere als ein sozialistischer Künstler gewesen war 78 . Den wissenschaftlich wertvollsten Teil des Bildarchivs bildet die Sammlung historischer Fotografien, die als Einzelbilder in regionaler Ordnung abgelegt sind, in ihrem Sammlungskontext nach Provenienz oder in Alben vorhanden sind71·1. Insgesamt handelt es sich um schätzungsweise 130.000 Fotos, vornehmlich Abzüge, aber auch Negative und Glasdias. In der Mehrzahl stammen die Fotografien von Forschungsreisenden, deren Schriftnachlässe sich auch häufig im Archiv befinden. In den vergangenen Jahren wurden einige der Fotosammlungen im Rahmen von Publikationen und Ausstellungen verstärkt der Öffentlichkeit bekannt gemacht: Erwähnt sei die „Collection Alphons Stübel", eine etwa 1600 Fotos umfassende Sammlung, die Stübel in Südamerika 1868-1877 zusammengetragen hatte 80 . Oder die Fotosammlung des Kolonialgeographischen Seminars der Universität Leipzig, die Hans Meyer aufgebaut hat und in der sich mehrere Tausend Bilder aus den deutschen Kolonien in Afrika, aber auch aus anderen Erdräumen befinden. Dabei dürfte es sich um einen der größten kolonialen Bildbestände in Deutschland handeln 8 1 . Besonders wertvoll ist auch der Fotobe78
79
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81
Vgl. den vom Verein Kulturtausch e.V. hg. Ausstellungskatalog: Ernst Vollbehr. Maler zwischen den Welten. Bad Kleinen 2001. An einer umfassenden Biographie des Künstlers arbeitet momentan Konrad Schuberth in Halle/Saale. Vgl. Petra S t e i n h a r d t : Archiv für Geographie des Instituts für Länderkunde Leipzig, in: Rundbrief Fotografie 8 (2001) 1, S. 17-20. - Heinz Peter B r o g i a t o und Katarina H o r n : Der historische Bildbestand im Institut für Länderkunde. Autbau eines digitalen Langzeitarchivs, in: Information - Wissenschaft & Praxis 51 (2003) 1, S. 27-31. Vgl. Andreas K r a s e : „Von der Wildheit der Scenerie eine deutliche Vorstellung." Die Fotografiesammlung von Alphons Stübel und Wilhelm Reiss aus Lateinamerika 1868-1877, in: Spurensuche (wie Anm. 25), S. 115—159- Die Bedeutung dieser Sammlung wird schon daraus ersichtlich, dass sie immer wieder für Publikationen zur südamerikanischen Fotogeschichte herangezogen wird. Vgl. z.B.: Pedro V a s q u e z : A fotografia no imperio. Rio de Janeiro 2002. - Georges Ε r m a k ο f f : Ο negro na fotografia brasileira do seculo XIX. Rio de Janeiro 2001. - Bia C ο r r e a d o L a g ο und Pedro C o r r e a d o L a g ο : Bresil. Les premiers photographes d'un empire sous les Tropiques. Paris 2005. - Instituto Morreira Salles (Hg.'): Le Bresil de Marc F'errez. Sao Paulo 2005. - Instituto Morreira Salles (Hg. ): Georges Leuzinger. Sao Paulo 2006 (= Cuadernos de fotografia brasileira, 3). Der Nachlass Hans Meyer und vor allem seine Fotografien dienten in den vergangenen Jahren zu verschiedenen Publikationen, z.B.: Else v o n V o l k m a n n : llans Meyer. „Der Mann vom Kilimandjaro". Verleger, Forscher und Mäzen. München 2002 ( = Wissenschaftliche Alpenvereinshefte, 35 ). - Reinhart Β i η d s e i 1: Ruanda im Lebensbild von Hans Meyer (1858-
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Abb. 4: Der Leipziger Platz in Berlin. Luftbild aus d e m Ballon, u m 1910 [Quelle: Sammlung Ernst Wandersieb im Archiv f ü r Geographie im IfLl.
stand (Glasnegative und Abzüge) von der ersten deutschen Südpolarexpedition 1901-1903 82 · Hervorgehoben werden muss des Weiteren die Sammlung Ernst Wandersieb mit frühen Beispielen der Baiionfotografie aus der Zeit 1905-1914 83 (Abb. 4).
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1929), Erstbesteiger des Kilimandscharo, Eorschungsreisender u n d Verleger. Berlin 2001. Heinz Peter Β r ο g i a t ο (11g.): Die A n d e n - Geographische Erforschung u n d künstlerischer Darstellung. 100 Jahre Andenexpedition von Hans Meyer und Rudolf Resehreiter 1903-2003. M ü n c h e n 2003 (= Wissenschaftliche Alpenvereinshefte, 37). Zur B e d e u t u n g des Bildes bei Meyer vgl.: I leinz Peter Β r ο g i a t ο , Bernhard F r i t s c h e r u n d Ute W a r d e n g a : Visualisierungen in der deutschen Geographie des 19. Jahrhunderts. Die Beispiele Robert Schlagintweit u n d Hans Meyer, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 28 (2005), S. 237-251. Er steht im Mittelpunkt der Ausstellung „Meyers Universum. Z u m 150. Geburtstag des Leipziger Verlegers und G e o g r a p h e n Hans Meyer", die von N o v e m b e r 2008 bis Februar 2009 in Leipzig gezeigt wird, begleitet v o n einer Vortragsreihe. Vgl. IJniversitas Antarctica (wie Anm. 66). - Die deutsche Südpolar-Expedition, in: Lange & Söhne: Das J a h r b u c h 2006, S. 28-57. Vgl. Heinz Peter Β r ο g i a t ο u n d Katarina H o r n : H ö h e n f l ü g e mit der Kamera. Die Anfänge der Baiionfotografie, in: P h o t o deal 2003, 2 (= 11), S. 18-23. Mit d e n Bildern der Wandersleb-Sammlung entstanden die b e i d e n Fotobücher: Heinz Peter Β r ο g i a t ο und Luise
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Im Jahr 2006 konnte diese Sammlung ergänzt werden durch die Fotografien des Augsburger Baiionfabrikanten August Riedinger. Mit über 1000 Einzelfotos rund um den Ballonsport dürfte der Leipziger Bestand der größte seiner Art aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sein. Ganz anderer Provenienz sind die zahlreichen privaten Fotoalben als Zeugnisse aus der Zeit des frühen Fremdenverkehrs. Darunter befinden sich 19 Prachtalben aus dem Besitz des in Leipzig lebenden Belgiers William Davignon mit Fotografien, die er auf seinen touristischen Reisen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gekauft hatte 84 . Wenn auch noch jüngeren Datums, so doch nicht weniger bedeutend in ihrem Quellenweit sind die Fotografien, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Leipzig entstanden und die das verheerende Ausmaß der Zerstörungen in dieser Großstadt dokumentieren 85 . Damit sind nur einige wenige Facetten der Archivbestände genannt. Vieles wartet noch darauf, „entdeckt" zu werden. Fast in jeder Woche lassen sich Besucher durch die Sammlungen des IfL führen. Sie sind in der Regel überrascht und beeindruckt, welche historischen „Schätze" ein geographisches Forschungsinstitut aufbewahrt und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht.
4. „Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat " Im Jahre 2007 konnte die Buchreihe „Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat" auf eine 50-jährige Tradition zurückblicken, in der sie sich zu einer der auflagenstärksten landeskundlichen Schriftenreihen im deutschsprachigen Raum entwickelte 80 . Sie trägt heute wesentlich zur Außenwahrnehmung des Leibniz-Instituts für Länderkunde, des geschäftsführenden institutionellen Herausgebers, bei. Seit 1957 wurden 70 Bände veröffentlicht (Abb. 5). Obwohl es sich um ein Vorhaben handelt, das eng mit dem bereits um 1910 einsetzenden Bemühen der Schulgeographen in Sachsen verbunden ist, für den Erdkundeunterricht ein nützliches Lehrmittel
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G r u n d m a η η : Mitteldeutschland in frühen Luftbildern. Baiionfotografien aus dem Archiv des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig e.V. Leipzig 2005. - Heinz Peter B r o g i a t o (11g.): Ritter der Lüfte. Ballonfahrten um 1900. Leipzig 2006, sowie ein großformatiger Kalender: Mitteldeutsche Burgen und Schlösser in frühen Luftbildern. Kalender 2006. Leipzig 2005. Die Fotografien einer Gesellschaftsreise durch die USA 1893 („Stangen's Party") wurden bereits mehrfach in Ausstellungen ge/eigt, zuletzt 2007 im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven. Vgl. Mark L e h m s t e d t (11g.): Leipzig in Trümmern. Das Jahr 1915 in Briefen, Tagebüchern und Fotografien. Leipzig 2004. Werner S c h m i d t : Betrachtungen von landeskundlichen Reihenpublikationen im Vergleich zu den „Werten unserer Heimat", in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 1 (1972), S. 275-281. - Haik Thomas Ρ ο r a d a : Äldre storskaliga kartor som underlag för landskapsinventering. 'Ire exempel frän Tyskland, in: Nationalutgäva av de äldre geometriska kartorna. Konferens i Stockholm 27-28 november 2003. Red.: Birgitta Roeck Hansen. Stockholm 2005, S. 95-112 (= konferenser 57, utg. av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien).
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Leibniz-Institut für Länderkunde und Sächsische A k a d e m i e der Wissenschaften zu Leipzig (Hrsg.)
Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat Inventarisierte Gebiete und publizierte Bände 1 9 5 7 bis 2 0 0 7 o\7
ΊΛ
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Akademie Verlag Berlin: 1 Gebiet Königstein, Sächsische Schweiz, 1. Aufl. 1957, 2. Aufl. 1985 2 Zwischen Sebnitz, Hinterhermsdorf und den Zschirnsteinen, 1. Aufl. 1959, 3. Aufl. 1966 3 Im Süden der Barbarine, 1. Aufl. 1960 4 Um Gottleuba, Berggießhübel und Liebstadt, 1. Aufl. 1961 5 Das Limbacher Land, 1. Aufl. 1962 6 Das Gleichberggebiet, 1. Aufl. 1963 7 Um Altenberg, Geising und Lauenstein, 1. Aufl. 1964 8 Zwischen Muglitz und Weißeritz, 1. Aufl. 1964
10 Ostliches Erzgebirge, 1. Aufl. 1966 11 Die Bergbaulandschaft von Schneeberg und Eibenstock, 1. Aufl. 1967 12 Um Bautzen und Schirgiswalde, 1. Aufl. 1967 13 Von Annaberg bis Oberwiesenthal, 1. Aufl. 1968 14 Greifswald und seine Umgebung, 1. Aufl. 1968
16 Die südöstliche Oberlausitz mit Zittau und dem Zittauer Gebirge, 1. Aufl. 1970, 4. Aufl. 1975 17 Um Stolpen und Neustadt, 1. Aufl. 1970 18 Weimar und seine Umgebung, 1. Aufl. 1971
12 Dresden I
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| Band erschienen Band in Vorbereitung
Bände 1 bis 56 sind vergriffen 20 Um Aue, Schwarzenberg und Johanngeorgenstadt, 1. Aufl. 1972, 3. Aufl. 1974 21 Zwischen Tharandter Wald, Freital und dem Lockwitztal, 1. Aufl. 1973, 2. Aufl. 1974 22 Lößnitz und Moritzburger Teich landschaft, 1. Aufl. 1973, 2. Aufl. 1975 23 Das Altenburger Land, 1. Aufl. 1973, 3. Aufl. 1977
25 Das Rheinsberg-Fürstenberger Seengebiet, 1. Aufl. 1974 26 Das obere Vogtland, 1. Aufl. 1976 27 Dresdner Heide, Pillnitz, Radeberger Land, 1. Aufl. 1976 28 Das mittlere Zschopaugebiet, 1. Aufl. 1977 29 Der Kyffhäuser und seine Umgebung, 1. Aufl. 1976 30 Um Oschatz und Riesa, 1. Aufl. 1977 31 Zwischen Zwickauer Mulde und Geyerschem Wald, 1. Aufl. 1978, 2. Aufl. 1980 32 Elbtal und Lößhügelland bei Meißen, 1. Aufl. 1979, 2. Aufl. 1982 33 Karl-Marx-Stadt, 1. Aufl. 1979 34 Um Eberswalde, Chorin und den Werbellin-See, 1. Aufl. 1981
61 Weimar und seine Umgebung,
35 Zwischen Mülsengrund, Stollberg und Zwönitztal, 1. Aufl. 1981 36 Burger und Lübbenauer Spreewald, 1. Aufl. 1981 37 Ruppiner Land, 1. Aufl. 1981 38 Mansfelder Land, 1. Aufl. 1982 39 Zwischen Rennsteig und Sonneberg, 1. Aufl. 1983 40 Lausitzer Bergland um Pulsnitz und Bischofswerda, 1. Aufl. 1983 41 Zwischen Wolkenstein, Marienberg und Jöhstadt, 1. Aufl. 1985 42 Dresden, 1. Aufl. 1984 43 Um Olbernhau und Seiften, 1. Aufl. 1985
45 Eisenhüttenstadt und seine Umgebung, 1. Aufl. 1986 46 Das Gebiet an der unteren Unstrut, 1. Aufl. 1988 47 Freiberger Land, 1. Aufl. 1988 48 Zwischen Ruhla, Bad Liebenstein und Schmalkalden, 1. Aufl. 1989
49/50 Berlin, 1. Aufl. 1987 51 Westliche Oberlausitz zwischen Kamenz und Königswartha, 1. Aufl. 1990 Selbstverlag des Instituts für Länderkunde Leipzig: 52 Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft, 1. Aufl. 1992 53 Havelland um Werder, Lehnin und Ketzin, 1. Aufl. 1992 Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar: 54 Görlitz und seine Umgebung, 1. Aufl. 1994 55 Burger und Lübbenauer Spreewald 1. Aufl. 1994 (Neubearb. von 36) 56 Zwischen Löbau und Herrnhut, 1. Aufl. 1996 57 Das Feldberger Seengebiet, 1. Aufl. 1997 58 Rudolstadt und das mittlere Saaletal, 1. Aufl. 1998 59 Das östliche Vogtland, 1. Aufl. 1998 60 Das Müritzgebiet, 1. Aufl. 1999
1. Aufl. 1999 (Neubearb. von 18) Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien: 62 Saalfeld und das Thüringer Schiefergebirge, 1. Aufl. 2001 63 Der Schraden, 1. Aufl. 2001, 2. Aufl. 2005 64 Um Eberswalde, Chorin und den Werbellinsee, 1. Aufl. 2002 (Neubearbeitung von 34) 65 Das Mittelrheinische Becken, 1. Aufl. 2003 66 Bitterfeld und das untere Muldetal, 1. Aufl. 2004 67 Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, 1. Aufl. 2005
69 Brandenburg an der Havel und Umgebung, 1. Aufl. 2006 In Vorbereitung sind die Bände: 70 Großenhainer Riege 71 Fischland, Darß, Zingst und Barth mit Umland 72 Eiderstedt 73 Hochharz
Abb. 5: Tm Rahmen der landeskundlichen Bestandsaufnahme seit 1957 bearbeitete Gebiete [Quelle: Abteilung Kartographie im TfLJ.
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zu entwickeln, reicht die Bedeutung dieser Schriftenreihe weit über die Grenzen des heutigen Freistaates Sachsen hinaus. Gerade dem an der Landeskunde Preußens und seiner Provinzen Interessierten bieten immerhin weit mehr als ein Drittel der Bände Informationen zum Zustand und zur Entwicklung kleinräumiger Landschaften zwischen Nord- und Ostsee, Rhein und Oder. Auch für die Orts- und Landesgeschichte kann diese Publikationsreihe als Nachschlagewerk genutzt werden. Auf den Gebietsstand des Freistaates Preußen in der Zwischenkriegszeit bezogen, liegen 26 Bände vor, die ganz oder teilweise auf dem Territorium der folgenden damaligen Provinzen angesiedelt sind 87 : Provinz - Band - Band - Band - Band - Band - Band - Band - Band - Band - Band - Band - Band - Band
Brandenburg 15: Potsdam und seine Umgebung (1969, 2. Aufl. 1970) 25: Das Rheinsberg-Fürstenberger Seengebiet (1974) 34: Um Eberswalde, Chorin und den Werbellin-See (1981) 36: Burger und Lübbenauer Spreewald (1981) 37: Ruppiner Land (1981) 45: Eisenhüttenstadt und seine Umgebung (1986) 49/50: Berlin (1987) 53: Havelland um Werder, Lehnin und Ketzin (1992) 55: Burger und Lübbenauer Spreewald (1994) 57: Das Felclberger Seengebiet (1997) 63: Der Schraden (2001, 2. Aufl. 2005) 64: Um Eberswalde, Chorin und den Werbellinsee (2002, 2. Aufl. 2008) 69: Brandenburg an der Havel und Umgebung (2006)
Provinz Hannover - Band 73: Hochharz - Rund um den Brocken (2010) Provinz Pommern - Band 14: Greifswald und seine Umgebung (1968) - Band 71: Fischland, Darß, Zingst und Barth mit Umland (2009) Provinz Rheinland - Band 65: Das Mittelrheinische Becken (2003) Provinz - Band - Band - Band - Band 87
Sachsen 19: Magdeburg und seine Umgebung (1972, 2. Aufl. 1973, 3- Aufl. 1981) 29: Der Kyffhäuser und seine Umgebung (1976) 38: Mansfelder Land (1982) 46: Das Gebiet an der unteren Unstrut (1988)
Einbezogen wurden in dieser Übersicht auch die derzeit schon in Bearbeitung befindlichen Vorhaben (bis einschlietälich Band 73). Da im Falle des Schradens und des Hochharzes das Invcntarisierungsgebiet jeweils die ehemalige Grenze zwischen einzelnen preußischen Provinzen überschreitet, "wurden diese Bände mehrfach zugeordnet. In der Tradition dieser Reihe wird zwischen klassischen Neuauflagen und Neubearbeitungen unterschieden, wobei letztere eine neue Bandnummer erhalten (z.B. Band 34/64 oder 36/55).
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Band 63: Der Schraden (2001, 2. Aufl. 2005) Band 66: Bitterfeld und das untere Muldetal (2004, 2. Aufl. 2008) Band 73: Hochharz - Rund um den Brocken (2010)
Provinz - Band - Band - Band - Band
Schlesien 54: Görlitz und seine Umgebung (1994) 56: Zwischen Löbau und Herrnhut (1996) 63: Der Schraden (2001, 2. Aufl. 2005) 67: Die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft ( 2005)
Provinz Schleswig-Holstein - Band 72: Eiderstedt (2009) Mit den nachstehenden Ausführungen sollen die Vorläufer und die Entwicklung dieser Publikationsreihe, des mit ihr verbundenen methodischen Ansatzes der landeskundlichen Bestandsaufnahme sowie die heutige Aufgabenstellung skizziert werden. a) Von den Anfängen landeskundlicher Bestandserfassungen heimatkundlichen Landesaufnahme Sachsens
in Deutschland
zur
Die Erfassung, Beschreibung, Erklärung und Darstellung der Kulturlandschaft wurde bereits im 19. Jahrhundert als zentrale Aufgabe geographischer Forschung und Lehre angesehen. Die Fordemng nach einer landeskundlichen Bestandsaufnahme war eines der Ziele, die bei der Gründung der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland im Jahre 1882 in Halle an der Saale formuliert wurden 88 . Friedrich Hahn (1852-1917), Ordinarius für Geographie an der Albertina zu Königsberg und von 1905 bis 1916 Vorsitzender der Zentralkommission, schlug auf dem 17. Deutschen Geographentag 1909 in Lübeck vor, eine geographische Landesaufnahme für Deutschland in Gang zu setzen. Er erläuterte als eines der vordringlichen Anliegen der Zentralkommission in diesem Zusammenhang, zu den einzelnen Blättern der amtlichen topographischen Kartenwerke in den Maßstäben 1 : 25 000 (TK 25) und 1 : 100 000 (TK 100) jeweils eine Beschreibung zu veröffentlichen 89 . 88
Emil Μ e y η e η : Die Tradition des Amtes für Landeskunde und des Zentralausschusses für deutsche Landeskunde, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 5 (1948), S. 2-36. - Klaus Ε e h η : Zukunftsperspektiven einer „historisch-geographischen" Landeskunde. Mit einem wissenschaftsgeschichtlichen Rückblick 1882-1981, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 56 (1982) 1, S. 113-132. Günther Schönfelder (Halle/Saale), der seit Inkrafttreten des Kooperationsvertrages im Jahre 2000 zwischen dem Leibniz-Institut für Länderkunde und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig an der Landeskundlichen Inventarisierung mitarbeitet, ist für /ahlreiche Hinweise auf die Entwicklung landeskundlicher Bestandsaufnahmen vor dem Zweiten Weltkrieg zu danken, die als Roter Laden bei der Abfassung dieses Abschnittes dienten. Insbesondere auf das Manuskript zu der von ihm am Institut für Geographie der Leipziger Universität in den zurückliegenden Semestern angebotenen Vorlesung zur Entwicklung der Landeskunde wurde hier zurückgegriffen.
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„Diese Hefte müssen insbesondere den Lernenden für seine Wanderungen und Studien auf die für die Erdbeschreibung bemerkenswerten Punkte des Blattes aufmerksam machen.
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Der Geograph und Kartograph Walter Behrmann (1882-1955) steuerte schon vor dem Ersten Weltkrieg Erläuterungen zu 40 Blättern der so genannten topographischen Reichskarte im Maßstab 1 : 100 000 bei. Mit diesen Texten sollte dieses Kartenwerk des Deutschen Reiches, dessen Vorläufer die Generalstabskarte war, für den Unterricht nutzbar gemacht werden 9 9 . Das Projekt wurde von Behrmanns akademischem Lehrer, dem damals führenden Geomorphologen, Geographen und Länderkundler Albrecht Penck (1858-1945), initiiert und unterstützt. Vor der Fertigstellung des Kartenwerks benannte Penck die Aufgabenstellung anlässlich eines 1910 vor der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin gehaltenen Vortrages. Er wählte die Musterblätter aus, die Behrmann dann in kurzen Textpassagen beschrieb. In der engen Verbindung des aufblühenden Heimat- und Naturschutzes mit der Umsetzung des heimatkundlichen Prinzips im Erdkundeunterricht in der wilhelminischen Epoche kann eine weitere Wurzel für die landeskundliche Bestandsaufnahme gesehen werden. Eine erstmalig für Mitteleuropa vorliegende flächendeckende thematische Kartierung, nämlich die Geologischen Spezialkarte (GSK) im Maßstab 1 : 25 000, und das Fortschreiten der topographischen Landesaufnahme waren wesentliche Voraussetzungen, auf denen heimatkundliche Erfassungen für Unterrichtszwecke aufbauten1·'1. Seit 1916 stand in Sachsen (ebenso wie in Preußen) die Reform des höheren Schulwesens auf der Agenda. Als vordringlich wurde dabei die Professionalisiemng der Lehrerausbildung angesehen, die u.a. durch die Errichtung pädagogischer Institute in Leipzig und Dresden erreicht werden sollte. Die Ausbildung von Geographielehrern an der Universität führte seit 1921 in Leipzig zu einer Intensivierung von landeskundlicher Forschung und heimatkundlichem Unterricht, bei dem der Einsatzvon Karten, häufig gekoppelt mit Exkursionen, ein großes Gewicht hatte 92 . Die Konferenzbände der deutschen Geographentage nach dem Ersten Weltkrieg sind ein Spiegel der allmählichen Neuausrichtung der Hochschulgeographie. Hier lassen sich die Diskussionen mit den Schulgeographen über neue Akzente in der
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gleichsam ein geographisches Inventar desselben geben. ... Eine Sammlung von Textheften wäre natürlich eine Aufgabe langer Zeit; aber sie würde gewiss Frucht bringen und dazu beitragen, die großen nationalen Kartenwerke, welche noch lange nicht verbreitet genug sind, zu einem Gemeingut zu machen", Friedrich Η a h n : Bericht der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland, in: Verhandlungen des siebzehnten Deutschen Geographentages zu Lübeck. Berlin 1910, S. 67-7 i, hier S. 71. "Walter B e h r m a n n : 40 Blatter der Karte des Deutschen Reiches 1 : 100 000. Ausgewählt für Unterrichtszwecke. Berlin 1912, 2. Auflage 1921. Vgl. die grundlegenden Ausführungen zur Entwicklung der Geographie als Unterrichtsfach, zu den Diskussionen der Schulgeographen über bildungspolitische Konzeptionen im Deutschen Reich sowie die Kurzbiographien der Ilauptakteure dieser Zeit bei lleinz Peter B r o g i a t ο : „Wissen ist Macht - Geographisches Wissen ist Weltmacht". Die schulgeographischen Zeitschriften im deutschsprachigen Raum (1880-1945) unter besonderer Berücksichtigung des Geographischen Anzeigers. Trier 1998 (= Materialien zur Didaktik der Geographie, 18). Gustav S c h u l z e : Die heimatkundliche Wandkarte, in: Hans P r a e s e n t (Hg.): Beiträge zur deutschen Kartographie. Leipzig 1921, S. 149-160.
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Forschung sowie über die Inhalte des Erdkundeunterrichts an den Schulen besonders gut nachvollziehen. Mit den Geographentagen 1921 in Leipzig und 1925 in Breslau erlangten die Schulgeographen zunehmend Einfluss auf die Hochschulgeographie. In Breslau hob der Vorsitzende des Verbandes für Schulgeographen (VdS), Robert Fox (1875—1957)y-\ das „heimatkundliche Prinzip" im Erdkundeunterricht als wesentlichen Teil der Schulreform hervor. Auf den Geographentagen in Karlsruhe 1927 und Magdeburg 1929 erfolgte eine noch stärkere Fokussierung auf die „Heimat" und somit auf die Landesforschung in heimatlicher Umgebung sowie auf die landeskundliche Bestandsaufnahme der einzelnen preußischen Provinzen bzw. übrigen deutschen Länder. Der Leipziger Schulgeograph Kurt Krause (1886-1946)1-'4 erarbeitete in diesen Jahren einen Satz Beispielblätter der TK 25 95 . Die Zusammenstellung von Musterblättern der TK 25 und TK 100 sowie deren beschreibende Interpretation in Begleittexten wurden in der Folgezeit mehrfach erweitert und ergänzt. Für Thüringen lieferte z.B. Gustav von Zahn (1871-1946) 90 Interpretationen von Blättern der TK 25 97 . All diese Vorhaben sind als Wurzeln der landeskundlichen Bestandsaufnahme, wie sie heute noch in Leipzig betrieben wird, zu betrachten. Schließlich trat nach dem Ersten Weltkrieg mit der Errichtung des Reichsamtes für Landesaufnahme eine zentrale Institution an die Seite der Hochschul- und der Schulgeographen. Dem Reichsamt mit seiner Reichskartenstelle war es von Anfang an ein vordringliches Anliegen, einen breiten Nutzerkreis für seine Produkte aufzubauen. Bildung und Unterricht waren dabei wesentliche Zielgruppen. Das zeigte sich seit Mitte der 1920er Jahre nicht zuletzt an einer verbesserten Öffentlichkeitsarbeit dieser Institution. Am 21. Geographentag 1925 in Breslau beteiligte sich das Reichsamt mit einer Kartenausstellung, die vorrangig Fragestellungen der schlesischen Landeskunde sowie der allgemeinen Schulgeographie aufgriff. Das Reichsamt konnte sich bei seinen Aktivitäten auf den Erlass des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 25. Juni 1924 betreffs „Lehrmittel in den Volksschulen" stützen. Eine wachsende Zahl von topographischen „Heimatkarten" und „Kreiskarten" in den
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Er wurde 1901 bei Joseph Partsch in Breslau promoviert, war dann dort Oberstudiendirektor und von 1921 bis 1929 Vorsitzender des Verbandes. Der gebürtige Chemnitzer promovierte 1912 in Leipzig bei Joseph Partseh und war seit 191 i im höheren Schuldienst, zuletzt als Oberstudiendirektor, in Leipzig tätig. Daneben hielt er an der Leipziger Universität von 1921 bis 1931 Lehrveranstaltungen zur Lehrerbildung. Krause war Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender des „Vereins der Geographen an der Universität Leipzig", der 1911 aus dem von Ratzel begründeten „Geographischen Abend" hervorging. Später war er Generalsekretär der Gesellschaft für Erdkunde zu Leipzig. Kurt K r a u s e : Die Ausbildung der Geographielehrer im praktisch-pädagogischen Seminar der Universität Leipzig, in: Mitteilungen des Reichsamtes für Landesaufnahme 3 (1927/28) 1, S. 17-22. Später konzipierte er eine so genannte Ileimatwandkarte und legte dazu ein Erläuterungsheft vor, vgl. Kurt K r a u s e : Die Lande um Saale, Eger und Elbe. Begleitheft zur gleichnamigen Wandkarte 1 : 100 000 und Handkarte 1 : 400 000. Leipzig 1940. Gebürtiger Dresdner, Ordinarius für Geographie an der Universität Jena. Gustav v o n Z a h n et al., Thüringische Landschaften in topographischen Aufnahmen. Berlin 1936.
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Maßstäben 1 : 5 000 bis 1 : 200 000 wurde für den Schulgebrauch produziert und in Umlauf gebracht. Für Lehrveranstaltungen zur Geographie an Hochschulen sowie für den Heimatkundeunterricht an den Schulen wurden Kartenserien erarbeitet und mit den zugehörigen Beschreibungen herausgegeben. Die „Mitteilungen des Reichsamtes für Landesaufnahme" erschienen von 1925 bis 1942 in 18 Jahrgängen. Handelte es sich dabei zu Beginn noch um Vierteljahreshefte, so wurde auf den wachsenden Bedarf bald mit einer zweimonatigen Erscheinungsweise reagiert. Diese Mitteilungen entwickelten sich zu einem Forum für die Diskussion über den Einsatz topographischer Kartenwerke im Unterricht, in administrativen und ökonomischen Zusammenhängen. Dazu diente insbesondere die Rubrik „Die Reichskarten und ihre Verwendung" im nichtamtlichen Teil. Ein Kreis jüngerer Schulgeographen in Dresden griff die bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg einsetzenden Bemühungen um eine Verbesserung des Heimatkunde· und Erdkundeunterrichts auf und initiierte eine „heimatkundlichen Landesaufnahme Sachsens" 9 8 . Mit der Erfassung „heimatkundlich bemerkenswerter Punkte und Gebiete auf allen Meßtischblättern Sachsens" wurde 1935 b e g o n n e n " . Damals trat der Gausachbearbeiter für Erdkunde des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) in Sachsen, Studienrat Friedrich Grosch ( 1 9 0 4 ) , mit der Forderung an „die sächsische Erzieherschaft" heran, die heimatkundliche Landesaufnahme auf der Grundlage der topographischen Karte 1 : 25 000 (Messtischblätter) flächendeckend durchzuführen llJIJ . Im Jahre 1936 erschienen die Richtlinien für die Landesaufnahme. In deren Einleitung steht u.a., dass es das Ziel sei, „zur Vertiefung der Heimatkenntnisse, des Heimatbewußtseins und damit der Heimatliebe der deutschen Jugend und des deutschen Volkes beizutragen" 11,1 . An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass „auf eine zeitliche Begrenzung der Fertigstellung einer Meßtischblattbeschreibung absichtlich verzichtet wird". Als Begründung dazu heißt es: „Nicht die Geschwindigkeit, sondern die Zuverlässigkeit der Arbeit ist hier für den Wert entscheidend" 11)2 . Als Grundlage für die Inventarisation der heimatkundlichen Werte dienten zweiseitige Vordrucke, die der NSLB Sachsen herausgab und die „der Berichterstatter" auszufüllen hatte. Die Vorderseite enthielt folgende Rubriken: Messtischblattnummer, Ge98
Aus der Generation der Lehrer, die sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg für einen Ausbau des heimatkundlichen Unterrichts und eine Verbesserung der Lehrmittel in diesem Bereich einsetzten, zählte z.B. Paul Wagner, der Mitte der 1930er Jahre aktiv in die Diskussion mit neuen Vorschlägen eingriff, vgl. z.B. Paul W a g n e r : Ilandreichungen für heimatkundliche Arbeiten in Sachsen. Leipzig 1936. Dem 1928 in den Ruhestand getretenen Schulgeographen sind ebenfalls eine Reihe fundierter Beiträge zur landeskundlichen Bestandsaufnahme Sachsens in mehreren Wanderbüchern (1920 bis 1937) zu verdanken. Er gab 1930 in Dresden die „Erdgeschichtlichen Natururkunden aus dem Sachsenlande" heraus.
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in: Zeitschrift für Erdkunde 1 (1936)
Friedrich G r ο s c h : Heimatkundliche Landesaufnahme, 10, S. i 19—155, hier S. 150. 100 Erich S t ü b i g e r : Heimatkundliche Landesaufnahme, kunde 1 (1915) 3/1, S. 111-111. 101 Friedrich G r o s c h : Heimatkundliche Landesaufnahme 102 Friedrich G r o s c h : Heimatkundliche Landesaufnahme
in: Berichte zur deutschen Landes(wie Anm. 99), hier S. 150. (wie Anm. 99), hier S. 455.
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meinde, Ki'eis, Sachbezeichnung, Berichterstatter, Lagebezeichnung, Skizze und Bild. Auf der Rückseite der Vordmcke waren Sachbeschreibung, Schrifttum, Abbildung, Diapositiv und Unterschrift einzutragen. Nach dem Bekanntwerden des Aufrufes zur Inventarisation erklärten dem Vorhaben zugetane Lehrer an vielen Orten in Sachsen ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Einige von ihnen, wie z.B. Willy Muhle (1872-1949), veröffentlichten Aufrufe vor allem in Heimatbeilagen der örtlichen Tageszeitungen. Aber auch Zeitschriften von überregionaler Bedeutung wie die oben erwähnten Mitteilungen des Reichsamtes für Landesaufnahme 1 "'' nahmen sich der Propagierung des Unternehmens an. Diese Bemühungen fühlten dazu, dass es bis zum Oktober 1936 bereits für 104 der insgesamt 156 sächsischen Messtischblätter „Kartierungsleiter" gab. Offenbar kamen aber die Arbeiten in der Folgezeit nur langsam voran, ehe sie 1939 durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen wurden. So hieß es rückblickend nach 1945: „Der Krieg nahm so manchen Kartierungsleiter aus seiner Arbeit heraus"1114. Einige von ihnen kehrten von den Kriegsschauplätzen nicht mehr zurück, viele wurden im Zuge der Entnazifizierung nach 1945 aus dem Dienst entfernt. So kam es, dass bis 1945 lediglich die Ergebnisse der heimatkundlichen Landesaufnahme des sächsischen Messtischblattes Nr. 139 für Annaberg im Erzgebirge gedruckt vorlagen 1 " 5 . Neben dem für diesen Band verantwortlich zeichnenden Erhard Lohse seien aus der großen Anzahl der Kartierungsleiter - meist höhere Fachlehrer - folgende erwähnt, deren Namen in einer Liste aus dem Jahre 1937 enthalten sind: Theodor Arldt, Radeberg; Gerhard Engelmann, Freital; Curt Häntsch, Nossen; R. Marx, Chemnitz; Willy Muhle, Kamenz; Friedrich Prüfer, Döbeln; Walter Putzger, Würzen; Kurt Schumann, Zschopau; Walter Thenius, Radebeul; Richard Vogel, Dresden. Die 1945 geäußerte Hoffnung, dass die heimatkundliche Landesaufnahme in „eine eigene Heftreihe" münden möge, war in unabsehbare Ferne gerückt1110. b) Von der heimatkundlichen kundlichen Bestandsaufnahme
Inventarisation sächsischer Landschaften im Gebiet der DDR
zur
heimat-
Im Jahre 1950 regte Wolfgang Steinitz, Präsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften, an, die Aufmerksamkeit auf die Pflege des nationalen Kulturerbes zu lenken. Diese Aufforderung nahm die Verwaltung des Landes Sachsen sehr rasch auf.
103 Erich S t ü b i g c r: Heimatkundliche Landesaufnahme des Nationalsozialistischen Lehrerbundes Sachsen, in: Mitteilungen des Reichsamtes für Landesaufnahme 12 (1936) 5, S. 212-216. 104 Erich S t ü b i g e r : Heimatkundliche Landesaufnahme (wie Anm. 100), hier S. 143. 105 Erhard L o h s e : Annaberg. Geschichte und Landschaft. Meiätischblatt 139, bearbeitet nach den Grundsätzen der Heimatkundlichen Landesaufnahme. Annaberg im Erzgebirge 19 i l ( = Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgebung, 26. Jahrbuch, 9. Bd.), 112 S. 106 Erich S t ü b i g e r: Heimatkundliche Landesaufnahme (wie Anm. 100), hier S. I i i. Vgl. dazu auch rückblickend: Erich S t ü b i g e r : Heimatkundliche Landesaufnahme, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 8 (1950), S. 345-350.
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So setzten bereits im gleichen Jahr erste ernsthafte Bemühungen ein, die heimatkundliche Bestandsaufnahme neu zu aktivieren. Bei einem Besuch des sächsischen Ministers für Volksbildung, Helmuth Holzhauer, im Dresdner Institut für Volkskunde der Sächsischen Akademie der Wissenschaften schlug Karl-Ewald Fritzsch ( 1 8 9 4 1974) die Fortführung der Aufnahme heimatkundlicher Werte vor. Daraufhin trat das Volksbildungsministerium im Oktober 1950 an das Institut für Volkskunde heran, „die heimatkundliche Inventarisation sächsischer Landschaften zu planen und durchzuführen" 1 " 7 . Der Terminus „Messtischblatt" wurde hierbei vermieden. Aber in einem Entwurf für ein Rundschreiben an die anzusprechenden freiwilligen Mitarbeiter verzeichnete Richard Vogel (1886-1955), der von Anfang an die wissenschaftliche Leitung inne hatte, 18 verschiedene sächsische Landschaften und die ihnen zuzuordnenden Messtischblätter. Um das recht anspruchsvolle Ziel in die Tat umzusetzen, wurde ein Merkblatt mit den Richtlinien für das „Inventarisationswerk" erarbeitet. Der „Plan einer Inventarisation der heimatlichen Werte im Land Sachsen auf der Grundlage der Karte 1 : 25 000" von 1950 war auf den Zeitraum von 1951 bis 1953 ausgerichtet und ging - wie in den 1930er Jahren - von der Prämisse aus, dass die heimatlichen Werte je eines Kartenblattes erfasst und die Ergebnisse gedruckt werden sollten. Trotz des großen Engagements der für fast alle Messtischblätter Sachsens gewonnenen Mitarbeiter war der vorgesehene Bearbeitungszeitraum ein Wunschziel, das nicht erreicht werden konnte. Karl-Ewald Fritzsch war für die Anleitung und Unterstützung der örtlichen Mitarbeiter der heimatkundlichen Inventarisation zuständig. Im Mai 1951 erhielt jeder namentlich bekannte Bearbeiter eines Messtischblattes einen Ausweis zu seiner Legitimation vom Landesamt für Volkskunde und Denkmalpflege ausgestellt sowie Unterlagen zugeschickt. Am 16. Mai 1951 fand in Dresden eine Besprechung „der nahe wohnenden Mitarbeiter" unter der Leitung von Fritzsch statt. Es wurde empfohlen, die Manuskripte vor der Drucklegung von einem Redaktionsausschuss prüfen zu lassen. Die tatsächlichen Möglichkeiten verkennend, wurde in der Besprechung eingeschätzt, dass bis Ende 1952 die Beschreibungen von mindestens 20 Messtischblättern druckfertig vorliegen könnten. Im Januar 1952 wurde das Institut für Volkskunde unter der wissenschaftlichen Leitung von Friedrich Sieber neu organisiert. Diese Veränderung hatte zur Folge, dass 107 Die im Text wörtlich zitierten Passagen ohne Quellenangabe entstammen Unterlagen der Arbeitsgruppe I leimatforschung in Dresden. Pur die folgenden Abschnitte zur Entwicklung der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in der DDR wurde vor allem auf eine unpublizierte Zusammenstellung von Luise G r u η d m a η η und "Werner S c h m i d t , den beiden maiägeblichen Zeitzeugen, mit dem Titel „Aufgaben, Ergebnisse und Stand der heimatkundlichen Inventarisation - Die Buchreihe ,Werte der deutschen Heimat'" zurückgegriffen, die 1990 für eine Veröffentlichung in den Wissenschaftlichen Mitteilungen des Instituts für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der DDR bestimmt war. Sie lagert - wie der gesamte Aktenbestand zur Schriftenreihe und zu den sie im Laufe der Zeit begleitenden Gremien - als Typoskript im Archiv für Geographie im III,.
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die heimatkundliche Bestandsaufnahme „aus Gründen der Inventarisation" an das Institut für Denkmalpflege überging, das in dieser Zeit eine Bestandsaufnahme von Kulturdenkmalen in großem Umfang eingeleitet hatte 1 " 8 . Da Fritzsch als Mitarbeiter im Institut für Volkskunde verblieb, übernahm Vogel die Leitung. Er übermittelte am Anfang des Jahres 1953 ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter der Inventarisation. Darin verwies er darauf, dass sich „in der Durchführung der b e g o n n e n e n Arbeit nichts ändert" und dass „die Arbeitsweise die alte bleibt". Die von Vogel vorzunehm e n d e Durchsicht der fertig gestellten Manuskripte hatte den Zweck, „die formale Angleichung der Beiträge aneinander" zu erreichen. Die Finanzierung der fest angestellten und der örtlichen Mitarbeiter sowie der technischen Kräfte war kompliziert. Richard Vogel wies darauf hin, dass „die Sammelstiftungen der [sächsischen] Bezirke für das nächste Jahr [1954] namhafte Beträge für die Inventarisation" bereitstellten und dass „beim Institut für Denkmalpflege eine ausreichende Summe eingesetzt" sei. Um mit der Drucklegung beginnen zu können, bot er in einem Brief vom 20. Oktober 1954 dem Rat der Stadt Dresden an, die Ergebnisse der Inventarisation des Messtischblattes Nr. 66 anlässlich der 750-Jahrfeier der Stadt 1956 zu veröffentlichen 1 " 9 . Das unzureichende Engagement des Bibliographischen Instituts Leipzig war eine der Hauptursachen dafür, dass sich die Drucklegung der Ergebnisse der Inventarisation hinauszögerte. Die ergebnislosen Verhandlungen mit d e m Verlag veranlassten Vogel, der Leitung des Instituts für Denkmalpflege folgende Alternativen zu stellen: Entweder würde die begonnene Inventarisation zum Stillstand gebracht oder „ein Vorstoß beim Minister für Kultur organisiert und durchgeführt mit dem Ziel, die Sanktionierung und Subventionierung für 3 Publikationen im Jahre" zu erreichen. Um diesen Vorstellungen den notwendigen Nachdruck zu verleihen, mussten Gutachten von diesem Unternehmen wohlwollend gegenüberstehenden Wissenschaftlern erbeten werden. Zu diesem Zweck trat man an Ernst Neef (1908-1984), damals Direktor des Geographischen Instituts der Universität Leipzig und Präsident der Geographischen Gesellschaft, an Edgar Lehmann (1905-1990), Direktor des Deutschen Instituts für Länderkunde Leipzig, und an Kurt Wiedemann (1899-1982) von der Landesplanungsstelle des Landes Sachsen heran. Die Gutachten von Neef und Lehmann bein-
108 Hans Ν a d 1 e r : Uber die Erfassung von Baudenkmalen in der heimatkundlichen Inventarisierung, in: Sächsische Heimatblätter 23 (1977) 1, S. 8-9. Zur Bedeutung des Lebenswerkes von Hans Nadicr, zu der auch die aufmerksame Begleitung der landeskundlichen Bestandsaufnahme über Jahrzehnte zu rechnen ist, vgl. Denkmalpflege in Sachsen - Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen, Jahrbuch 2005. Darin auf S. 71—95 die Würdigung „In memoriam Hans Nadicr" - Gedenkfeier am 30. November 2005 im Palais im Grofäen Garten Dresden, und auf S. 113—115 den Nachruf von Winfried W e r n e r : Ein Leben für die Denkmale - Zur Erinnerung an Hans Nadler. 109 Zu dem Termin wurde das Vorhaben nicht verwirklicht. Es mussten noch 29 Jahre vergehen, ehe Ernst Neef in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe I leimatforschung Dresden und auf der Grundlage eines Manuskripts des Dresdner Stadtarchivars Alfred Ilalin den Band 12 „Dresden" veröffentlichen konnte.
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halteten allgemein gültige Aussagen zu dem Inventarisationswerk, die den Bearbeitern auch in den folgenden Jahrzehnten als Richtschnur dienten 11 ". In die Zeit des Ringens um die Drucklegung der ersten Bände durch einen geeigneten Verlag fiel der Tod von Richard Vogel im Mai 1955. Daraufhin übertrug Hans Nadler vom Institut für Denkmalpflege die Leitung an Gotthold Weicker (1879-1962). Nach seiner Darstellung war zu diesem Zeitpunkt nur die Bearbeitung des Messtischblattes 5050 Königstein bereits abgeschlossen. Am 15. Oktober 1955 gab Karl-Ewald Fritzsch vor der Sektion für Völkerkunde und deutsche Volkskunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften einen Bericht über die Inventarisation ab. Er verwies u.a. darauf, dass immer noch kein geeigneter Verlag für die Drucklegung „der Hefte" gefunden worden sei. Die Darlegungen von Fritzsch hatten offenbar die anwesenden Akademiemitglieder und die Gäste davon überzeugt, das Inventarisationswerk in die Verantwortung dieser Einrichtung zu überführen. So wurde auf Beschluss der Klasse für Philosophie, Geschichte, Staats-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaft vom 24. November 1955 die Bildung einer Kommission für Heimatforschung genehmigt 1 1 1 . Es dauerte nur zwei Monate, bis sich diese Kommission konstituierte. Am 23- Februar 1956 fand unter der Leitung von Wolfgang Steinitz, zu dem Zeitpunkt Vizepräsident der Akademie, die konstituierende Sitzung in Berlin statt. Fritzsch wurde als Referent vorgeschlagen. Er berichtete während der Sitzung über die „Bestandsaufnahme heimatkundlicher Werte im Gebiet der DDR". Obwohl bis dahin intern immer davon ausgegangen wurde, dass zunächst nur die drei sächsischen Bezirke Dresden, Chemnitz und Leipzig für eine Inventarisation vorzusehen waren, wurde vermutlich aus Rücksichtnahme auf die veränderte politische Situation in der DDR - 1952 waren die Länder aufgelöst und an ihrer Stelle Bezirke als neue mittlere Verwaltungsebene gebildet worden - nun ein erweitertes Bearbeitungsgebiet benannt. In der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass die zukünftigen Bände „nach Möglichkeit mehrere Kartenblätter" beschreibend zusammenfassen sollten, dass man für die drei sächsischen Bezirke insgesamt mit 40 Bänden zu rechnen habe, die in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren erscheinen könnten. Um die Darstellungsprinzipien und die Ziele des Inventarisationswerkes mög110 Die Tendenz dieser Gutachten findet ihren Niederschlag in einem programmatischen Aufsatz von Edgar L e h m a n n : Historische Prinzipien in der geographischen Raumforschung, in: Landschaftsforschung. Beiträge zur Theorie und Anwendung (Ernst Neef zu seinem 60. Geburtstag gewidmet). Gotha 1968, S. 19-37 (= Petermanns Geographische Mitteilungen, Ergänzungsheft 271). Für eine grundlegende Würdigung des Neefschen Landschaftsbegriffs siehe: Karl M a n n s f e l d und Hans N e u m e i s t e r (Ilgg.): Ernst Neefs Landschaftslehre heute. Gotha und Stuttgart 1999 (= Petermanns Geographische Mitteilungen, Ergänzungsheft 294). 111 Dieser Beschluss wurde im Protokoll 69/55 der Präsidiumssitzung am 22. Dezember 1955, S. 169, bekannt gegeben. Zur Entwicklung der Kommission bis zur Akademiereform 1968/69 vgl. Ernst N e e f : 10 Jahre Kommission für Heimatforschung bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, in: Spektrum - Mitteilungsblatt für die Mitarbeiter der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 12 (1966) i, S. 318-319. - Werner S c h m i d t : 10 Jahre Kommission für Heimatforschung, in: Demos 7 (1966) 2, Sp. 382-384.
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liehst vielen Lesern und Interessenten zu erläutern, wurde noch 1956 von Gotthold Weicker ein programmatischer Aufsatz veröffentlicht 112 . Der Autor drückte darin die Hoffnung aus, dass die Inventarisation „auch über den Raum des ehemaligen Landes Sachsen hinaus Nachfolge finden wird". Erst im Jahre 1963 wurde mit dem Band 6 unter dem Titel „Das Gleichberggebiet" die Grenze Sachsens überschritten. Die Mitglieder der Kommission für Heimatforschung kamen nach der Gründung dieses Gremiums alljährlich einmal zu einer Sitzung zusammen. Wie dem Protokoll vom 29. November 1957 zu entnehmen ist, wurde angestrebt, eine besondere Redaktionsgruppe zu bilden, die „die planmäßige Überarbeitung der zum Druck bestimmten Manuskripte und das Zusammenfügen der fachlichen Anteile" übernehmen sollte. Deshalb bemühte man sich, einen Redakteur einzustellen. Für diese neue Tätigkeit wurde Dietrich Zühlke (1925-1983), Oberassistent am Pädagogischen Institut Dresden, vorgeschlagen. Er wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1958 bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften angestellt, nachdem er bereits seit 1957 zeitweise an Redaktionsarbeiten der Bände beteiligt gewesen war. Zühlke war bis zu seinem Tod 1983 für die Vorbereitung, Durchführung, Koordinierung und wissenschaftliche Redaktion der Arbeiten verantwortlich. Die Besetzung der Stelle mit einem Geographen trug mit dazu bei, verstärkt auch geographische Zielstellungen in die Arbeiten einzubringen, die in den 1950er Jahren noch sehr stark von volkskundlichen und denkmalpflegerischen Gesichtspunkten beeinflusst waren. Ende der 1950er Jahre bestand noch die Hoffnung, in ausgewählten Bezirksstädten der DDR weitere Arbeitsstellen nach dem Vorbild der Dresdner einzurichten. Am weitesten fortgeschritten waren diese Pläne 1959 für Potsdam. Auch nach dem Scheitern dieser Bemühungen war es hier namentlich Heinz-Dieter Krausch, der in den folgenden Jahrzehnten immer wieder brandenburgische Bände in der Reihe anregte und mitbetreute. Auf der Hauptversammlung der Geographischen Gesellschaft der DDR befassten sich 1956 in Eisenach Geographen von wissenschaftlicher Seite mit dem Thema „Geographie und H e i m a t " 1 D a b e i wurde auf die Durchsetzung des heimatkundlichen Prinzips im Geographieunterricht nachdrücklich verwiesen. Auch von Spezialdisziplinen der physischen Geographie gab es in diesen Jahren verschiedene Anregungen für die inhaltliche Ausgestaltung der heimatkundlichen Bestandsaufnahme 114 . In unmittelbarer Auseinandersetzung mit dem 1957 publizierten ersten Band der Reihe erwarb sich Edgar Lehmann am Beispiel des Elbsandsteingebirges um die Verwen112 Gotthold W e i c k e r : Die heimatkundliche Bestandsaufnahme, in: Geographische Berichte 1 (1956) 3, S. 177-179. 113 Ernst N e e f : Geographie und lleimatforschung, in: Zeitschrift für den Erdkundeunterricht 8 (1956) 10, S. 289-297. 7,u den noch sehr differenzierten Strömungen der 1950er Jahre innerhalb der DDR-Geographie vgl. die grundlegende Arbeit von Bruno M. S c h e 1 h a a s : Institutionelle Geographie (wie Anm. 61). 114 Als Beispiele seien hier nur zwei Aufsätze genannt: Günter H a a s e : Die Auswertung der Ergebnisse der Bodenschätzung für die geographische lleimatforschung, in: Geographische Berichte 2 (1957) 3, S. 205-228. - Magda L a u c k n e r : Pflanzensoziologie im Dienste geographischer Heimatforschung, in: Geographische Berichte 2 (1957) 3, S. 217-236.
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dung von Karten beim Sichtbarmachen heimatkundlicher Sachverhalte große Verdienste 115 . Für die Kartographie war damit der Begriff der thematischen Heimatkarte eingeführt worden. Eine noch stärkere Anbindung der heimatkundlichen Arbeiten an die Geographie erreichte er durch die Überführung der Arbeitsstelle Dresden der Kommission für Heimatforschung an das damalige Geographische Institut Leipzig der Deutschen Akademie der Wissenschaften als Arbeitsgruppe Heimatforschung mit Sitz in Dresden, als deren Leiter Dietrich Zühlke bis zu seinem Tod 1983 wirkte 116 . Gemeinsam mit dem Geographen Werner Schmidt, der 1966 eingestellt wurde, und Susanne Zühlke als technischer Mitarbeiterin wurden die Inventarisationsarbeiten fortgeführt und pro Jahr ein bis zwei Bände dem Akademie-Verlag in Berlin zur Drucklegung übergeben. Nach dem Tod von Dietrich Zühlke übernahm 1984 die Geographin Luise Grundmann die Leitung der Arbeitsgruppe Heimatforschung 117 . c) Wissenschaftliche kommission für
Begleitung der Bestandsaufnahme Heimatforschung
durch die
Akademie-
Entscheidenden Anteil an den Arbeiten zur heimatkundlichen Bestandsaufnahme hatte die Kommission für Heimatforschung. Als im Rahmen der Akademiereform 1968 alle Kommissionen aufgelöst wurden, gingen ihre Aufgaben und die Verantwortung für die Inventarisierung an den wissenschaftlichen Beirat für Heimatforschung am Institut für Geographie, später Institut für Geographie und Geoökologie Leipzig (IGG), über. Die Kommissions- bzw. Beiratsmitglieder trafen sich zu regelmäßigen Beratungen, um die Schwerpunkte der Arbeiten festzulegen, die ihnen zugeordnete Arbeitsstelle Dresden zu unterstützen und die Herausgabe der Bände zu veranlassen. In der Kommission bzw. dem Beirat waren diejenigen Fachdisziplinen der Natur- und Geisteswissenschaften vertreten, die sich in den einzelnen Bänden wiederfinden: Geologie, Geographie, Biologie, Ur- und Frühgeschichte, Geschichte, Bau- und Kunstgeschichte sowie Volkskunde. Aus ihrem jeweiligen Sachgebiet heraus gaben die Mitglieder konkrete Anregungen oder verfassten eigene Beiträge. Die Kommission für Heimatforschung setzte sich 1957 aus dem Vorsitzenden, dem Prähistoriker 115 Edgar L e h m a n n : Die Heimatkunde als Aufgabe der thematischen Kartographie - dargestellt an einem Kartenentwurf aus dem Bereich des Elbsandsteingebirges, in: Geographische Berichte 6 ( 1 9 6 1 ) 3/1, S. 2 5 2 - 2 6 7 . Leider ließen sich während der gesamten DDR-Zeit vor allem aus ökonomischen Zwängen avancierte thematische Karten in farbiger Gestaltung, wie sie hier von Lehmann mustergültig vorgestellt wurden, nicht umsetzen. Erst mit den seit 1994 publizierten Bänden konnte das damals geforderte Niveau schrittweise erreicht werden. 116 Werner S c h m i d t : Zum G e d e n k e n an Dietrich Zühlke, in: Sächsische Heimatblätter 30 (1984), S. 239. 117 Werner S c h m i d t : Die Arbeitsgruppe Ileimatforschung des Instituts für Geographie und G e o ö k o l o g i e der AdW der DDR - ein Beitrag zu ihrer Geschichte und ihren Aufgaben, in: 125 Jahre Geographische Gesellschaften in Dresden 1 8 6 3 - 1 9 8 8 , Vorträge zum Festkolloquium am 17. November 1988 an der Pädagogischen Hochschule Dresden, S. 5 3 - 5 8 (= Dresdner Reihe zur Forschung 6/1989). Werner Schmidt und Luise Grundmann waren bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand 1998 bzw. 2002 in der Redaktion der Reihe tätig.
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Wilhelm Unverzagt, sowie zehn Mitgliedern und dem Referenten Karl-Ewald Fritzsch zusammen. Von den Mitgliedern der konstituierenden Sitzung waren 1990 noch Edgar Lehmann und Hans Nadler vertreten. Den Vorsitz des wissenschaftlichen Beirats für Heimatforschung hatte bis zu seinem Tod 1990 der Geograph und Kartograph Edgar Lehmann 118 . In der ersten Sitzung beriet die Kommission 1956 als zentrale Aufgabe den Plan für eine Bestandsaufnahme heimatlicher Werte in den drei sächsischen Bezirken. Zum Verständnis der anfänglichen Situation sei erwähnt, dass die Kommission schon 1957 die Gründung eines Dresdner Arbeitskreises zur fachlichen Durchsicht der von Einzelautoren verfassten Manuskripte veranlasste, dem Vertreter des Instituts für Denkmalpflege, des Landesmuseums für Vorgeschichte, des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie, des Instituts für Landschaftsforschung und Naturschutz und des Staatsarchivs angehörten und der sich später noch erweiterte. Aus Überlegungen auf der dritten Sitzung 1957 ergab sich, von einer ursprünglich vorgesehenen systematischen Flächenaufnahme zur Schwerpunktbildung thematischer und regionaler Art überzugehen. Die auf der sechsten Sitzung 1959 aufgestellte Forderung nach einer nicht ausschließlichen Orientierung auf touristisch interessante Gebiete und Orte wurde erstmals mit Band 19 für die Stadt Magdeburg umgesetzt 119 . Die Möglichkeit, die Regionen, die im Rahmen der heimatkundlichen Bestandsaufnahme bearbeitet wurden, unmittelbar kennen zu lernen, ist von der Kommission bzw. dem Beirat mehrfach genutzt worden: das erste Mal 1958 mit einer Exkursion in die Sächsische Schweiz, I960 von Römhild aus zum Kleinen und Großen Gleichberg, 1964 zu den Vorstädten Leipzigs. Nachhaltige Eindrücke vermittelte 1966 eine Exkursion in die Umgebung von Bautzen. Die 25. Sitzung im Jahre 1975 schloss mit einer Begehung der Stadt Chemnitz. Am Beginn der 27. Sitzung im Jahre 1978 führte eine Exkursion durch die Stadt Dresden, am Beginn der 30. Sitzung im Jahre 1986 durch den alten Siedlungskern von Berlin. Diese Sitzung im Märkischen Museum stand am 30. November 1986 ganz im Zeichen des 30-jährigen Bestehens der Kommission bzw. des Beirats für Heimatforschung. Hatten anfänglich einzelne Autoren für die Bände verantwortlich gezeichnet, so befasste sich die Kommission auf der neunten Sitzung 1962 mit der Frage kollektiver Formen der heimatkundlichen Bestandsaufnahme bereits im Zustand der sachbezogenen Bearbeitung. Als erstes Ergebnis einer solchen interdisziplinären Erarbeitung kann der Band 9, „Pirna und seine Umgebung", gelten 12IJ . Im Verlaufe der Konsolidierung der heimatkundlichen Bestandsaufnahme wandte sich die Kommission fach-
118 Alois iVlayr und Luise G r u η d 111ann CHgg.): Edgar Lehmann (wie Anm. 12). 119 Lothar G u 111 ρ e r t : Grundsätze und Erfahrungen bei der Bearbeitung des Bandes „Magdeburg und seine Umgebung" in der Reihe „Werte unserer Heimat", in: Sächsische Heimatblätter 23 (1977) 1, S. 7-8. 120 Dietrich Z ü h l k e : „Werte der deutschen Heimat" (betr. Bd. 1-8), in: Demos 6 (1965) 1, Sp. 18-20.
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bezogenen Themen zu. Einzelne Referate wurden möglichst zeitnah in verschiedenen Periodika publiziert und damit in erster Linie in der Fachöffentlichkeit, aber auch nicht zuletzt gegenüber der Leserschaft zur Diskussion gestellt 121 . Einen aktuellen Bezug erhielt die Buchreihe durch den Entwurf zum Landeskulturgesetz. Dazu gab Ludwig Bauer auf der 21. Sitzung 1970 einen Bericht über die „Zusammenhänge zwischen Landeskultur und Heimatforschung". Bereits auf der 22. Sitzung 1972 wurde diese Thematik durch einen Vortrag von Karlheinz Blaschke unter dem Titel „Geschichtswissenschaft und Umweltproblematik" fortgesetzt. Ein Jahr später erörterte Hans Richter auf der 23. Sitzung „Einige Grundfragen des landeskulturellen Zustandes im Territorium". Auf der 24. Sitzung 1974 standen die praktischen Erfahrungen von Arndt Bernhardt bei der Darstellung der Umwelt und Landeskultur auf der Tagesordnung, wobei solche Probleme wie rasche Umweltveränderungen und kausale Zusammenhänge von Umweltbelastungen genannt wurden 1 2 2 . Einen Höhepunkt der Veranstaltungen bildete die 26. Sitzung zum Thema „Gestaltung der Bände der Reihe .Werte unserer Heimat' und Erfahrungen bei der Mitarbeit" aus Anlass des 20jährigen Bestehens der Kommission bzw. des Beirats12-'>. Die 29. Sitzung 1981 war der „Konzeption eines Bandes Berlin" gewidmet, der 1987 zum Berliner Stadtjubiläum vorgelegt werden konnte. Die 34. und letzte Sitzung unter dem Vorsitz von Edgar Lehmann fand 1990 in Leipzig statt. Abweichend von den bisherigen Sitzungen diente diese Zusammenkunft einer allgemeinen Aussprache zu grundsätzlichen Überlegungen bei der Fortführung der Buchreihe „Werte der deutschen Heimat". Ausgangspunkt waren die seit dem Herbst 1989 eingeleiteten politischen und zu erwartenden marktwirtschaftlichen Veränderungen auf die Buchreihe sowie die Frage der künftigen Verantwortung des wissenschaftlichen Beirats für die Reihe. Es wurde der Beschluss gefasst, den bis zum Band 17 verwendeten Reihentitel „Werte der deutschen Heimat" ab Band 52 wieder einzuführen 1 2 4 .
121 Als Beispiele seien hier genannt: Helmut W i l s d o r f : „Werte der deutschen Heimat" aus dem Traditionsbereich des Montanwesens, in: Spektrum - Mitteilungsblatt für die Mitarbeiter der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 13 (1967) 5, S. 198-200. - Hans P r e s c h e r : „Werte unserer Heimat" - eine kulturpolitische Aufgabe aus der Sicht des Geowissensehaftlers, in: Sachsische Heimatblatter 23 (1977) 1, S. 9-11. - Dietrich Ζ ü h i k e : „Werte unserer 1 leimat" - Bemerkungen zu einer Buchreihe und zur heimatkundlichen Bestandsaufnahme im Bezirk Karl-Marx-Stadt, in: Geographische Berichte 18 (1973) 2, S. 119-128. Ernst B a r t h : Zum Weg der Buchreihe „Werte unserer Heimat", in: Jahrbuch Erzgebirge 1986, S. 21-28. 122 Edgar L e h m a n n : Die Stellung der Buchreihe „Werte unserer Heimat" in der Umweltforschung, in: Sächsische Heimatblatter 23 (1977) 1, S. 11-14. 123 Vgl Sächsische Heimatblätter 23 (1977' 1, dort auf S. 2—1 insbesondere den einleitenden Beitrag von Dietrich Ζ ü h i k e : Aus 20 Jahren Arbeit des wissenschaftlichen Beirats für Ileimatforschung. 121 Beginnend mit dem Band 1 „Königstein - Sächsische Schweiz" lautete der Reihentitel „Werte der deutschen I leimat - Veröffentlichungen der Kommission für 1 leimatforschung", vom Band 18 0971) bis zum Band 51 (1990) musste er in „Werte unserer Heimat" geändert werden.
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Bei ihrer Beschäftigung mit dem Gegenstand der heimatkundlichen Bestandsaufnahme konnte die Kommission bereits zu DDR-Zeiten auch internationale Kontakte aufnehmen. Im Jahre 1964 informierte ein Gastvortrag über Heimatforschung am Transdanubischen Institut in Fünfkirchen/Pecs der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahre 1967 sprach ein Vertreter des Burgenländischen Landesarchivs über das „Österreichische Burgenland und seine Landestopographie" 125 . Zahlreiche Kollegen im Westen Deutschlands verfolgten aufmerksam den Werdegang dieser Reihe. So begleitete der Zentralausschuss für deutsche Landeskunde die Arbeit der Geographen in Dresden und Leipzig nicht zuletzt mit zahlreichen Rezensionen, v.a. in den „Berichten zur deutschen Landeskunde" 120 . d) Aufgabenstellung
und Methodik der landeskundlichen
Bestandsaufnahme
Nach den Bemühungen um das Finden eines Verlages und nach der Zuordnung der Kommission für Heimatforschung und ihrer Arbeitsstelle Dresden zur Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin erschien im Jahre 1957 beim Akademie-Verlag in Berlin der Band 1 „Königstein - Sächsische Schweiz" in der nunmehr begründeten Schriftenreihe „Werte der deutschen Heimat" mit dem Untertitel „Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme" 127 . In der „Einführung" zu diesem Band wies Wilhelm Unverzagt als Vorsitzender der Kommission für Heimatforschung darauf hin, dass der Reihentitel „aus kleinräumiger Enge" hinaus weise und „zu einer Aufnahme und Darstellung heimatlicher Werte im gesamten deutschen Vaterlande" anrege. „Wir wünschen, daß das in heißen Herzen bewahrte Wunschbild der Einheit deutscher Heimat auch auf diesem Wege seiner Verwirklichung näher käme". Die generelle Aufgabenstellung und der Inhalt wurden grob umrissen: „Zur Darstellung
125 Im Gegenzug bestand für die Dresdner Arbeitsstelle die Möglichkeit, das eigene Vorhaben mit einem Aufsatz in Österreich vorzustellen, vgl. Dietrich Ζ ü h 1 k e : Eine landeskundliche Inventarisation der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, in: Burgenländische Heimatblätter 29 (1967) 1, S. 19-24. 126 Werner S c h m i d t : Die Publikationsreihe „Werte der deutschen Heimat" (Bände 1-10) im Lichte der Rezension, in: Spektrum - Mitteilungsblatt für die Mitarbeiter der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 13 (1967) 5. S. 195-197. Mit dem Fall der Mauer war es ein voiTangiges Anliegen der Kommission und insbesondere der Redaktion in Leipzig und Dresden, die eigene Arbeit im gesamtdeutschen Rahmen zur Diskussion zu stellen, vgl. Luise G r u η d m a η η und "Werner S c h m i d t: Die Buchreihe „"Werte unserer Heimat" Aufgaben und Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in der ehemaligen DDR, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 61 (1990) 2, S. 129-138. - Luise G r u n d m a n n und Ingrid Η ö η s e l l : Landeskundliche Forschungs- und Dokumentationsarbeiten in Leipzig - Tradition und Neubeginn, in: Heinz Peter B r o g i a t o und llans-Martin C l o ß (llgg.): Geographie und ihre Didaktik - Festschrift für Walter Sperling, Teil 1: Beiträge zur deutschen Landeskunde und zur regionalen Geographie. Trier 1992, S. 277-290 (= Materialien zur Didaktik der Geographie, 15). 127 IL T e s c h e : Die Reihe „Werte unserer Heimat" aus der Sicht des Akademie-Verlages, in: Sächsische Heimatblätter 23 (1977) 1,S. 11.
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kommen die Ergebnisse einer planmäßigen Bestandsaufnahme von Objekten der Natur, Wirtschaft und Kultur - jeweils innerhalb eines Kartengebietes. Ihr kartographischer Nachweis verlangt eine gewisse Vollständigkeit für manche Sachbereiche, etwa für den Natur- und Denkmalschutz. Auch die wichtigen Daten der Ortsgeschichte werden möglichst erschöpfend behandelt, während allgemeine historische und kulturelle Vorgänge nur insoweit Berücksichtigung finden, als es zum Verständnis ihres landschaftlichen Gebundenseins erforderlich ist". Im Vorwort würdigten Karl-Ewald Fritzsch und Hans Nadler die wegweisende Leistung Richard Vogels für die künftigen inhaltlichen Arbeiten der Inventarisierung 128 . Gotthold Weicker wies 1957 der Inventarisation die Rolle einer Quellensammlung, einer wissenschaftlich zuverlässigen und gut lesbaren Dokumentation zu 1 2 9 . Dieses Anliegen wurde 1959 erweitert, als durch Dietrich Zühlke pädagogische Ziele stärker einbezogen wurden. Die Bände sollten in den Schulen genutzt werden, die heimatkundlichen Kenntnisse zu verbessern 1 ^. Die naturwissenschaftlichen und sozial-wirtschaftlichen Zusammenhänge in einem Gebiet wurden in den einzelnen Bänden in verständlicher Art und Weise aufbereitet. Diese fundierten Informationen über räumliche Beziehungen, historische Hintergründe und Naturkenntnisse wurden immer stärker auch von den Kommunen genutzt1 Bereits mit dem ersten Band war ein Vorgehen praktiziert worden, das auch für alle folgenden Bände zur Anwendung kam und sehr wesentlich dazu beitrug, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse einfließen zu lassen: die Begutachtung der Manuskripte durch namhafte Wissenschaftler, die z.T. auch Mitglieder der die Reihe begleitenden Akademiekommission waren. Für den Band „Königstein - Sächsische Schweiz" zeichneten z.B. verantwortlich: Werner Coblenz, Fritz Deubel, Rudolf Forberger, Hellmuth Kretzschmar, Ernst Neef, Edgar Lehmann, Fritz Löffler, Hermann Meusel, Max Militzer, Alfred Opitz, Wolfgang Steinitz, Friedrich Sieber und Eiwin Stresemann. Im ersten Band wurde auch das Grundmuster für alle folgenden Bände hinsichtlich des Umfanges, des Inhaltes, der Gliederung und der räumlichen Begrenzung entwickelt. Ausgangspunkt der Abgrenzung war die Absicht, im Laufe der Zeit zu einer flächendeckenden Erfassung des gesamten Gebietes von Sachsen zu kommen. Dazu boten sich mathematisch abgegrenzte Flächen an, die ohne Überschneidungsbereiche nahtlos aneinander zu fügen waren. Alle Bände beschrieben deshalb Landschaftsausschnitte, die auf Kalten übertragen, vom Blattschnitt der topographischen 128 Wie richtig die damalige Einschätzung war, zeigte die große Nachfrage, die die Herausgabe einer Neubearbeitung des Bandes 1985 unter Beibehaltung des Grundgerüstes der Erstauflage veranlasste. 129 Gotthold W e i c k e r : Werte der deutschen Heimat. Neue heimatkundliche Arbeiten in Sachsen, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 18 (1957) 2, S. 252-256. 130 Dietrich Z ü h l k e : Die heimatkundliche Bestandsaufnahme, in: Sächsische Heimatblätter 5 (1959), S. 2 1 2 - 2 1 1 131 Dietrich Z ü h l k e : „Werte unserer Heimat". Aufgaben und Stand der heimatkundlichen Bestandsaufnahme, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 4 (1972), S. 270-274.
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Kalten im Maßstab 1 : 25 000 (Messtischblätter) begrenzt werden, denen auch die Sektionen der geologischen Spezialkarten entsprechen. Damit entzog man sich zwar einerseits bewusst allen historischen oder naturräumlichen Grenzen, hatte aber andererseits angesichts der zahlreichen Grenzveränderungen im Bereich kommunaler Gebietskörperschaften seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auch eine weise Grundsatzentscheidung getroffen, von der die Redaktion bis zum heutigen Tag profitiert. War es zu Beginn der Bestandsaufnahme die ausführliche Beschreibung eines einzigen Messtischblattes, das einer Fläche von 135 km 2 entspricht, so erwies sich dieser Raum bald als zu klein. Die Dichte heimatkundlich wertvoller Objekte reichte nicht aus, um wesentliche Aussagen zu treffen. So sind in späteren Bänden größere Gebiete ausgewählt und beschrieben worden, in der Regel zwei Messtischblätter, in Ausnahmefällen auch Teile mehrerer Blätter 132 . Auch in den Grenzgebieten zur Tschechoslowakei, zu Polen oder in damaliger Grenzlage zum Altbundesgebiet mussten Kompromisslösungen in Kauf genommen werden; dort endete das Beschreibungsgebiet an der Staatsgrenze bzw. an der Grenze zum Sperrgebiet, d.h. die Nutzung des Messtischblattschnittes als Grundlage der räumlichen Begrenzung war in diesen Fällen aus politischen Gründen damals undenkbar. Die Nachteile dieses Abgrenzungsprinzips bestehen darin, dass mitunter natürliche Landschaftseinheiten, historisch begründete oder administrativ zusammengehörende Gebiete zerschnitten und in mehreren Bänden erfasst werden müssen. Demgegenüber darf der Vorteil eines solchen Vorgehens nicht unterschätzt werden: Es ermöglicht eine flächendeckende Inventarisierung und die Passfähigkeit zu Gebieten der angrenzenden bzw. folgenden Bände. Über eine längere Zeitspanne konnten so z.B. der gesamte Dresdner Raum, das Erzgebirge, das V o g t l a n d u n d die Oberlausitz 134 fast flächendeckend bearbeitet werNeben dem Abgrenzungsprinzip ist ein weiteres Merkmal der Buchreihe die einheitliche Gliederung der einzelnen Bände. Zur umfassenden Charakterisierung wird in der Überschau, die heute als Landeskundlicher Überblick bezeichnet wird, das Gebiet vorgestellt, in der die Struktur und die Funktion in ihrer Genese und in ihrem aktuellen Zustand im Überblick zusammengefasst werden. Gleichzeitig vermittelt dieser Vorspann die Einordnung in einen größermaßstäbigen regionalen bzw. nationalen
132 Vgl. zusammenfassend zur Erage der Abgrenzung und den frühen Grundlagen der Bestandsaufnahme: Dietrich Z ü h l k e : „Werte unserer Heimat", in: Sächsische Heimatblätter 20 (1974), S. 124—126, und Edgar L e h m a η η : Wesen und Aufgabe der Buchreihe „Werte unserer Heimat", in: Sächsische Heimatblätter 23 (1977) 1, S. 1-2. 133 Luise G r u η d m a η η : Die Buchreihe „Werte der deutschen Heimat" - landeskundliche Inventarisierung am Beispiel des Vogtlandes, in: Rainer A u r i g (Hg.): Kulturlandschaft, Museum, Identität. Beucha 1999, S. 187-203 (= Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, 1). 131 Christa-Maria II a s s e r t : 20 Jahre „Werte unserer Heimat", in: Bautzener Kulturschau 26 (1976) 12, S. 9-12. Vgl. / u m damaligen Stand der Bearbeitung für die Oberlausitz grundlegend Werner S c h m i d t: Die heimatkundliche Inventarisation und die Buchreihe „Werte unserer Heimat" unter besonderer Berücksichtigung der Oberlausitz, in: Sächsische Heimatblätter 8 (1987), S. 257-260.
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Natur- und Wirtschaftsraum und lässt die Zusammenhänge der einzelnen räumlichen Elemente erkennen. Auf ursprünglich insgesamt 20 bis 30, heute eher 60 bis 90 Seiten erfährt der Leser charakteristische Sachverhalte wie geologische Entstehung, naturräumliche Einordnung und Gliederung, regionalgeschichtliche Zusammenhänge, Grundzüge der Landnutzung oder aktuelle Wirtschaftsstrukturen. Auch der landeskulturelle Zustand, Umweltprobleme, kulturelle Besonderheiten oder Fragen der Denkmalpflege finden in diesem landeskundlich angelegten, einleitenden Teil Berücksichtigung. Ein besonderes Augenmerk ist aus geographischer Sicht bei der Überschau darauf zu legen, dass eine komplexe Gebietsbeschreibung aus den Einzelinformationen entsteht. Den Hauptteil der landeskundlichen Inventarisierung nehmen die so genannten Suchpunkte bzw. Einzeldarstellungen ein. Darunter sind die an topographische Gegebenheiten gebundenen Objekte zu verstehen, an denen sich die Absichten einer Bestandsaufnahme übersichtlich und im Sinne einer Auswahl günstig verwirklichen lassen. Die Objekte werden so ausgewählt, dass sie „Werte" aus unterschiedlicher disziplinärer Sicht repräsentieren. Lexikonartig werden in den einzelnen Punkten die für die Erklärung und Beschreibung eines Objektes wichtig und wertvoll erscheinenden Sachverhalte beschrieben. Der auf Messtischblättern basierende Gebietsausschnitt wird in so genannte Suchfelder unterteilt und mit Großbuchstaben gekennzeichnet. Alle Objekte werden innerhalb dieser Suchfelder lokalisiert und erhalten als Suchpunkte eine numerische Bezeichnung. Suchfeldbuchstaben und Suchpunktnummern finden sich im Inhaltsverzeichnis des Bandes und auch in einer beigelegten Übersichtskarte im Maßstab 1 : 100 000 bzw. 1 : 50 000 wieder. Sie ermöglichen dem Leser eine schnelle Orientierung und eine räumliche Einordnung. Die Suchpunkte repräsentieren landeskundliche „Werte" unterschiedlicher Kategorien, d.h. sie können natürlich entstanden oder durch menschliche Tätigkeit hervorgebracht worden sein. Dazu zählen Berge, Wasserläufe, Seen, Wälder 135 , geologische Aufschlüsse, aber auch Landschafts- und Naturschutzgebiete, Siedlungen, Verkehrslinien oder bedeutsame Einzelobjekte wie z.B. Mühlen1 i(>. Das Ziel der Beschreibung ist eine möglichst umfassende Darstellung und eine Kombination mehrerer Sachverhalte. Beispielsweise werden bei Siedlungen nicht nur die geschichtliche Entstehung oder das Ortsbild, sondern auch die Bezüge zum Naturraum beschrieben. Bei den so genannten Naturpunkten werden Hinweise auf landeskulturelle Veränderungen, zum Landschafts- und Umweltschutz oder auf Funde der Ur- und Frühgeschichte 1 ^ sowie zur Namenerklärung gegeben. Dem Lan135 Ernst E h w a l d : B e m e r k u n g e n zur Darstellung der Vegetation und der B ö d e n sowie der Forstwirtschaft in den bisher erschienenen B ä n d e n der „Werte unserer Heimat", in: Sächsische Heimatblätter 2 3 ( 1 9 7 7 ) 1 , S. 5 - 7 . 136 Luise G r u n d m a n n : Die Buchreihe „Werte der deutschen Heimat" - Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme, dargestellt am Beispiel der Siedlungsstruktur, in: Kulturlandschaft 1 ( 1 9 9 1 ) 2 / 3 , S. 1 2 3 - 1 2 7 . 137 Werner C o b l e n z : Die Darstellung der IJr- und Frühgeschichte in den „Werten unserer Heimat", in: Sächsische Heimatblätter 2 3 ( 1 9 7 7 ) 1 , S. 4 - 5 .
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deskundlichen Überblick und den Einzeldarstellungen sind mittlerweile pro Band etwa 80 Abbildungen beigegeben, zu denen Karten und Pläne, Grund- und Aufrisse, Diagramme, Fotografien, Federstrichzeichnungen zur Architektur, Pflanzen und Tierwelt zählen. Ein Anhang gibt in übersichtlicher Form je nach räumlichen Besonderheiten in tabellarischer oder chronologischer Form u.a. Auskünfte über die Einwohnerentwicklung, die Gebiete des Naturschutzes, die gewerbliche Situation. Orts-, Personen- und Sachregister erschließen die Bände, und ein umfangreiches Verzeichnis der archivalischen Quellen, der Karten und zur Literatur gibt weiterführende Hinweise. e) Der Weg zu einer landeskundlichen Kulturlandschaften in Deutschland
Inventarisierung
ausgewählter
Mit dem Jahre 1990 kam nicht nur das Ende der Zusammenarbeit mit dem bisherigen Verlag, sondern auch eine kurze Phase der Verunsicherung über die Fortsetzung dieses bis dahin als langfristig eingestuften Vorhabens. Dazu tragen nicht zuletzt die Wirren um die weitere verlegerische Betreuung bei. Ein Vertreter des Akademie-Verlages hatte dem Beirat zwar noch 1990 Vorschläge und Wünsche zu inhaltlichen und gestalterischen Modifikationen unterbreitet und dabei aufgrund der Einmaligkeit der Buchreihe im deutschsprachigen Raum gute Entwicklungschancen prognostiziert. Im Umfeld der mit dem Einigungsvertrag beschlossenen Auflösung der Akademie der Wissenschaften der DDR stand aber auch diese Reihe plötzlich ohne Verlag da. 1992 wurden mit den Bänden 52 „Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft" und 53 „Havelland um Werder, Lehnin und Ketzin" zwei bereits in der Wendezeit weit gediehene Vorhaben noch im Selbstverlag des mittlerweile neu begründeten IfL herausgebracht. Ab 1994 war dann die verlegerische Betreuung durch den Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger in Weimar vorerst gesichert, ehe auch mit dem Ende dieses alten Verlagshauses eine neue Heimat für die Reihe gesucht und mit der Weimarer Niederlassung des Böhlau Verlages Köln/Wien gefunden wurde. Beginnend mit dem Band 54 „Görlitz und seine Umgebung" erfolgte eine schrittweise Modernisierung der Ausstattung der Bände, wobei vor allem auf eine verbesserte Druckqualität und die Mehrfarbigkeit von Karten und Abbildungen großer Wert gelegt und der Inhalt behutsam neuen Anforderungen angepasst wurde1 Langwierige Diskussionen innerhalb der deutschen Geographie über die Daseinsberechtigung und die Inhalte eines derartigen Projektes führten u.a. zu einer Erweiterung des bisherigen Titels, der beginnend mit
138 Luise G r u η d m a η η : Die Buchreihe „Werte der deutschen Heimat" - Bearbeitungsstand und Weiterfühmng, in: Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 121 (1991) 6, S. 81-95. - D i e s . : Die Ortsbeschreibungen in der Buchreihe „Werte der deutschen Heimat", in: Eugen R e i n h a r d CHg. ): Gemeindebeschreibungen und Ortschroniken in ihrer Bedeutung für die Landeskunde. Stuttgart 1999, S. 19-32 (= Werkhefte der Staatlichen Archiwerwaltung Baden-Württemberg: Serie A, Landesarchivdirektion, 12).
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den 2001 erschienenen beiden Bänden fortan „Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat" lautete. Nach 1990 wuchs auch im europäischen Ausland das Interesse an der landeskundlichen Inventarisierung, wie sie unter Federführung des IfL in Leipzig betrieben wird. So konnte Luise Grundmann 1993 auf dem Kongress der Ständigen Europäischen Konferenz zur Erforschung der ländlichen Kulturlandschaft in Lyon das Vorhaben präsentieren. 2003 bestand die Gelegenheit, auf Einladung der Königlichen Akademie der Geisteswissenschaften in Stockholm methodische und konzeptionelle Fragestellungen am Beispiel der Altkartenanalyse für die landeskundliche Bestandsaufnahme im internationalen Vergleich zu erörtern 139 . Im Jahre 2000 konnte im Zusammenhang mit grundsätzlichen Überlegungen über die zukünftige Arbeit an diesem Vorhaben ein wichtiger Kooperationspartner gewonnen werden, mit dem die Anbindung an die mitteldeutsche Forschungslandschaft langfristig gewährleistet ist. Die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW) tritt seitdem als Mitherausgeber der Reihe auf und beteiligt sich über den Sekretär ihrer Kommission für Landeskunde an der Erarbeitung einzelner Bände bzw. der Gesamtredaktion der Reihe. Darin findet eine seit den frühen 1990er Jahren praktizierte Partnerschaft ihre Fortsetzung. Nach dem Mauerfall hatte die Funktion des früheren Beirats der Reihe die neu gegründete Kommission für sächsisch-thüringische Landeskunde an der SAW übernommen. Aus dieser Kommission heraus entstand im Zusammenhang mit der Kooperation zwischen IfL und SAW ein neuer wissenschaftlicher Beirat mit Fachleuten aus dem gesamten Bundesgebiet, der aber auch weiterhin personell eng mit der Kommission für Landeskunde der SAW verknüpft ist und in Abstimmung mit ihr seine Sitzungen abhält. Konzeptionell und gutachterlich erwächst den Herausgebern und der Redaktion der Reihe aus diesen Gremien eine wesentliche Stütze für ihre Arbeit. Alle Vorhaben der zurückliegenden Jahre zeichnen sich durch eine bewusste thematische Schwerpunktsetzung bei der Darstellung der jeweiligen Kulturlandschaft aus. Damit wird einer Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats aus dem Jahre 1996 Rechnung getragen, wonach behutsam eine stärkere Problemorientierung bei der Auswahl der zu inventarisierenden Gebiete anzustreben ist. Ebenfalls durch den Wissenschaftlichen Beirat wurde eine offenere Behandlung der Frage des Blattschnittes angeregt und damit verbunden die Bearbeitung größerer Inventarisationsgebiete. Zwar soll die TK 25 auch weiterhin die Grundlage bilden, womit der Anschluss an die bereits erfassten Räume gewährleistet bleibt, aber dabei werden zunehmend funktional und naturräumlich zusammenhängende Landschaften inventarisiert. Mit dem 2001 erschienenen Band 62 für „Saalfeld und das Thüringer Schiefergebirge" konnte erstmals die innerdeutsche Grenze überschritten und das Gebiet um Lauenstein in Franken mitbearbeitet werden. Im Herbst des Jahres 2003 wurde dann mit dem Band 65 für „Das Mittelrheinische Becken" erstmals weit im Westen der Bundes-
139 Haik Thomas P o r a d a : Äldre storskaliga kartor (wie Anm. 86).
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republik ein in Rheinland-Pfalz beheimatetes Vorhaben der Öffentlichkeit übergeben. Auf diese Weise konnte der schon 1957 im Vorwort zum ersten Band formulierte Anspruch und nach der Wende vom Wissenschaftsrat geforderte gesamtdeutsche Bezug des Vorhabens erstmals hergestellt werden. Sowohl der Anschluss an bereits inventarisierte Gebiete, vor allem in Mitteldeutschland, als auch weitere Projekte im Norden und Westen Deutschlands sind in Arbeit bzw. angedacht. Der Wissenschaftliche Beirat der Reihe veranstaltet seit 2004 im IfL Werkstattgespräche im jährlichen Wechsel mit den Regionalkonferenzen der Kommission für Landeskunde der SAW, bei denen methodische Fragestellungen landeskundlicher Bestandsaufnahmen im Vordergrand einer interdisziplinären Diskussion stehen 14lJ . Die Entwicklung des Leipziger Vorhabens zu einer Schnittstelle für Vorhaben aus d e m Bereich landeskundlicher Forschung im gesamten Bundesgebiet, die einen klaren Bezug zum adressatenorientierten Wissenstransfer haben, ist das Ziel der nächsten Jahre. Während weite Bereiche der Geographie, der Landschaftsökologie und anderer Disziplinen in den vergangenen Jahren die Kulturlandschaft als Thema (wieder-) entdeckten und nach Instrumentarien wie z.B. Kulturlandschaftselementekatastern verlangten, haben sich die „Landschaften in Deutschland" im Laufe ihres langen Entwicklungsweges auf diesem weiten Feld längst profiliert.
140 Ausgewählte Beiträge der ersten beiden Werkstattgespräche (2001 und 2006) wurden mittlerweile veröffentlicht in: Dietrich D e n e c k e und Haik Thomas Ρ o r a d a (Hgg.): Die Darstellung von Städten im Rahmen einer landeskundlichen Erlassung und Übersicht. 50 Jahre „Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat". Leipzig 2008 ( = forum ill, 9) und in dem Themenheft: Dietrich D e n e c k e und Haik Thomas P o r a d a (Hgg.): Der ländliche Siedlungsraum. Leipzig 2008 (= Berichte zur deutschen Landeskunde, 82, 1). Die Beiträge des dritten Werkstattgesprächs (2008) sollen wiederum in einem Sammelband in der Reihe „forum ill" erscheinen.
GERHARD KNOLL
WER IST, WER WAR DR. WERNER HEGEMANN (NICHT)? Anmerkungen zur Hegemann-Biographie von Caroline Flick1
Emigration, Ausbürgerung oder schärfer: Ausdeutschung, früher Tod und törichte Blockade von Nachlässen sowie der eigens zwecks politischem Täterschutz genutzte Datenschutz umschreiben die Schwierigkeiten, sich einer Persönlichkeit wie Hegemann zu nähern. Den Rezensenten (Historiker) packt angesichts der zwei voluminösen Bände von Caroline Flick allerdings das blanke Entsetzen - soll Hegemann darunter begraben werden? 2 Hegemanns Vater Ottmar, Pfarrerskind, heiratete eine Industriellentochter, Elise Vorster. Ihr Sohn Werner wurde am 16. Juni 1881 als achtes Kind dieser bald über Status-, Nachwuchs- und Mitgiftfragen zerrütteten Ehe in Mannheim geboren. Nach Orts- und Schulwechseln bestand Werner Hegemann 1901 in Plön die Abiturprüfung. Der Vater war 1900 gestorben. Das ererbte Vermögen brachte dem Sohn längere wirtschaftliche Unabhängigkeit. Sein von Reisen nach London und in die USA, aber auch von Militärdienst und Heirat (1905) unterbrochenes Studium unterschiedlicher Fächer (Architektur, Philosophie, Nationalökonomie, politische Wissenschaften) an verschiedenen Orten schloss er 1908 in München bei Brentano und Lötz mit der Promotion zum Doktor der Staatswissenschaften ab. Das Thema der Dissertation lautete: „Mexikos Übergang zur Goldwährung". Sein vielfältiger Studien- und Ausbildungsgang erlaubte es Hegemann, sich später eine dem jeweiligen Bedarf entsprechende Berufsoder Herkunftsbezeichnung zuzulegen. Diese proteushaften Selbstdarstellungen haben den biographischen Zugang offenbar derart erschwert, dass die Autorin die Figur Hegemann in einem weiten, mit einer gehörigen Portion Theorie durchwirkten Netz aus Soziologie, Psychologie und Sozialgeschichte eingefangen hat. Dem theorieresistenten Rezensenten erscheint es, als wolle sie gelegentlich in ihren Exkursen dem brillanten Satiriker Hegemann nacheifern.
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2
F U C K , Caroline: Werner Hegemann ( 1 8 8 1 - 1 9 3 6 ) . Stadtplanung, Architektur, Politik (Finzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 81). München: Saur 2005. ISBN 3-59823228-1. - 2 Tie., XXII, 1262 S. mit 2 10 s/w-Abb.,198,- Euro. Von Architektur, Architekturtheorie, Städtebau etc. versteht der Rezensent nur sehr wenig und ist daher dem erfahrenen Architekten und im Alter promovierten Historiker Dr. Lutz Voigtlaender, München, für eine Art kritischen Ariadnefaden durch das „Architekten-" und Stadtplanerleben von Hegemann zu großem Dank verpflichtet.
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Maßgebend für die nachschulische Ausbildung Hegemanns war die verwandtschaftliche Beziehung zu dem erfolg- und einflussreichen Berliner Architekten Otto March (1845-1913), der ihm 1901, nach dem Abitur, den Kontakt zu dem in London in diplomatischen Dienst stehenden Architekten Hermann Muthesius vermittelte. Muthesius hatte sich dem von dem englischen Architekten Ebenezer Howard 1889 entwickelten „garden city movement" angeschlossen. Später behauptete Hegemann, von Muthesius sein Engagement zur Architektur „ab ovo" empfangen zu haben, und gab sich fälschlich als „Schüler von Otto March" aus. Ob Hegemann wirklich bereits 1901 während seines Besuches bei Muthesius in London mit dieser städtebaulichen, architektonischen und richtungweisenden sozialen Antwort auf die vor allem von Arbeitern bewohnten mehrgeschossigen Baublöcke Kenntnis erhielt, wird hier nicht überliefert. Jedenfalls schloss er sich der Gartenstadtbewegung an und vertrat sie fest und ungebrochen bis an sein Lebensende. Während der 1904 ohne Ziel und besonderen Anlaß unternommen Reise nach den USA schrieb er sich an der Universität von Philadelphia ein; vielleicht reizte ihn die dort vorhandene und damals weltweit einzige Ausbildungsmöglichkeit im Fach Betriebswirtschaft. Hier begegneten ihm laut Flick Begrifflichkeiten wie „gemeinschaftliche Interessen im Sinne der Aufklärung und Bekehrung einer großen Bevölkerungsgruppe durch .moralische' gesamtbürgerliche Interessen zu vertreten" oder „daß die wirtschaftliche Zugänglichkeit eines kulturellen Leitideals individuellen und gemeinen Wohlstand fördert", wie die Autorin schreibt. 1909 wird für Hegemann unerwartet ein Jahr der Selbstfindung. Er überquert erneut den Atlantik und lässt sich wie vordem in Philadelphia nieder. Hier beschäftigt er sich erstmals mit der Wohnungsfrage im Zusammenhang mit städtebaulichen Problemen. Gegen die für eine städtebauliche Verdichtung eintretenden Grundstücksspekulanten wehrte sich dort gerade erfolgreich eine neu gegründete „Philadelphia Housing Commission". Hegemann arbeitet für diese Kommission als Inspektor für Gesetzverschärfung bei Hausbau und Stadtplanung, sammelt Daten zur Statistik, wird für die Gestaltung der Öffentlichkeitsinformationen eingesetzt und findet hier Gelegenheit, sich praktisch mit der „Wohnungsfrage", die bisher nicht in sein bürgerliches Blickfeld geraten war, auseinanderzusetzen. Es fällt auf, dass er in seinen „Empörungen gegen die Mietskasernen" 3 nie eigene Beobachtungen als Beleg anführt. Im selben Jahr besucht Hegemann in New York die „City Planning Exhibition" mit amerikanischen und europäischen Beispielen und berichtet darüber. Der Besuch dieser Ausstellung dokumentiert erstmals sein Interesse am Städtebau. In einer seiner immer wiederkehrenden Zwecklegenden behauptete er später, der „Leiter" der im gleichen Jahr in Boston veranstalteten Parallelausstellung gewesen zu sein. Hier setzte sich Hegemann auch mit den wissenschaftlichen Arbeitsmethoden der Europäer und Amerikaner auseinander und sah Vorteile im pragmatischen Vorgehen der Amerikaner. Caroline Flick stellt dazu fest: „Damit wären Bausteine in Richtung Sozialreform
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F l i c k : Hegemann (wie Anm. 1), S. 103.
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für Hegemann bereitgelegt: die der nüchternen Untersuchung und der moralischen Überzeugungskraft, die man mittels eben der nüchternen Untersuchung gewinnen kann." 4 Obwohl fachlich dazu nicht vorbereitet, beschäftigte sich Hegemann auch mit der Planung und Nutzung von Parkanlagen amerikanischer Großstädte: große Volksparke mit verbindenden Grünzügen, wobei er sich allein auf deren „ästhetische und emotionale" Wirkungen konzentrierte. Aus Amerika kehlte er mit reichen Erfahrungen auch an Öffentlichkeitsarbeit zurück. Noch während seines USA-Aufenthaltes schlug ihn Otto March als Generalsekretär für die (von ihm selbst angeregte) „Allgemeine Städtebau-Ausstellung Berlin" vor, wofür Hegemann noch von Philadelphia aus March mit Ausstellungsmaterial versorgte. Die Leitung der im Mai 1910 eröffneten, in Fachkreisen Aufsehen erregenden Ausstellung übernahm Muthesius. Auch in diesem Fall bezeichnete sich Hegemann später fälschlich als „Leiter" der Ausstellung. Das Amt des Generalsekretärs forderte ihn vor allem im Organisationsbereich. Er bewährte sich als ein „erfolgreicher technisch-praktischer Ausstellungsleiter". Vor allem mit der Präsentation der amerikanischen Beiträge erwarb er sich einen gewissen Ruf. Noch im selben Jahr wirkte er ohne Aufgaben im Leitungsbereich bei der Einrichtung einer Parallelausstellung in Düsseldorf unter Verwendung von Material der Berliner Ausstellung mit. Ein Teil dieses Ausstellungsgutes ging als „Dr. Hegemannsche Sammlung" weiter nach Frankfurt und Zürich. Zu den von ihm mitbetreuten Ausstellungen erschienen Veröffentlichungen von ihm, so 1911 und 1913 die zweibändige Ausgabe „Der Städtebau nach den Ergebnissen der Allgemeinen Städtebauausstellung in Berlin". Er wies auch auf die sozialen Probleme und die dagegen steuernden „Kathedersozialisten", insbesondere auf Gustav Schmoller mit seinem „Mahnruf in der Wohnungsfrage" und dessen „Verein für Sozialpolitik" hin. Weitere Veröffentlichungen folgten zu den anschließenden Ausstellungen. Vortragsreisen im In- und Ausland, Teilnahme an Kongressen wechselten mit Informationsreisen. Otto March zog ihn zu der Ausarbeitung des Städtebau-Wettbewerbs Düsseldorf heran, im Juli 1912 avancierte er zum Mitglied der Jury bei der Auslobung. Hegemanns Name wurde bekannt. Erst 1912 zeichneten sich erste Spuren seiner praktischen Tätigkeit im Städtebau bei der Mitarbeit in einer Berliner, der SPD nahestehenden Baugenossenschaft ab. Bei der Planung einer Siedlung beriet er die Genossenschaft im Sinne der „englischen Gartenstadt" mit Reihenhäusern. Hegemann wurde in den Vorstand gewählt. Seine Aufgabe bestand hauptsächlich in der Suche nach Förderern und Unterstützung der Kreditwürdigkeit der Genossenschaft. Er entwickelte ein eigenes Finanzierungsmodell, was ihm ein Aufsichtsratmandat eintrug, zog sich aber 1913 ohne jede Erklärung von dem Projekt zurück. Im März 1913 reiste er wieder in die USA, hauptsächlich zu Vorträgen in New York, Philadelphia, Baltimore, Chicago, Denver, San Francisco, Seattle und vor dem
4
Ebd.
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„University Club" von Berkely. Bei dem Versuch, bei Kriegsbeginn nach Deutschland zurückzukehren, wurde er von Engländern interniert, erkrankte, floh auf einem norwegischen Schiff und ließ sich Ende 1915 bei New Orleans an Land setzen. Hegemann arbeitete nun bei dem amerikanischen Unternehmer Walter Kohler an der Planung einer Arbeitersiedlung mit. Differenzen gab es bald. Nach der Trennung von Kohler im Januar 1917 gründete Hegemann mit dem Städtebauer Elbert Peets eine eigene Firma und lieferte zusammen mit einem Gartenarchitekten Entwürfe für Parkanlagen. Das Unternehmen ging 1922 bankrott. Im September 1920 schlug ihn der Herausgeber von „Wasmuths Monatshefte für Baukunst", der Architekten Heinrich de Fries, als Siedlungsdirektor der neuen Einheitsgemeinde Berlin (Groß-Berlin) vor. Ob Hegemann sich auch um diese Position bewarb, ist nicht zu erkennen. Im Januar 1926 erhob Heinrich de Fries jedoch Einspruch gegen die Kandidatur Hegemanns bei der anstehenden Wahl des Berliner Stadtbaurates. Bei dieser Wahl engagierten die politischen Parteien sich kräftig, denn bei der Bewältigung der anstehenden Probleme waren Rot und Schwarz nicht auf eine Linie zu bringen. Hegemanns Einstellung in sozialen Fragen war durch seine Veröffentlichungen bekannt. Er stand der SPD nahe; ob er Parteimitglied war, konnte auch Caroline Flick nicht ermitteln. Sicher wäre er bereit gewesen, das Amt des Stadtbaurates auszuüben: Nach der Rückkehr aus Amerika danach gefragt, betonte er wiederholt, gern ein höheres kommunales Amt annehmen zu wollen. Zurück in Deutschland, zeichnete Hegemann im Juli 1922, wie die Autorin feststellt, „die Pläne für sein Eigenhaus ab" (!) - eine merkwürdige Aussage. Nach eigener Darstellung hat er überhaupt nur zwei Gebäude errichtet. Das erste ist nicht bekannt. Das andere, wohl das eigene Haus, ist nach den Grundrißplänen ein ungelenkes, nach den Fotos ein Wohnhaus mit lieblos-nüchterner Fassadengestaltung ä la Reformstil. Es lässt sich ohne Einschränkung behaupten, dass Hegemann sich in der Praxis nicht mit den vielfachen Tätigkeiten eines Architekten befasste. Vielleicht fehlte ihm dazu die spezielle Begabung, doch er gab sich stets als Architekt aus, damals noch keine geschützte Berufsbezeichnung. Ende Dezember 1930 wandte er sich ohne Erfolg an Professor Heinrich Herkner von der Technischen Hochschule BerlinCharlottenburg zwecks Habilitation und wegen eines Lehrauftrags für Städtebau. Einen ihm im Mai 1931 in Aussicht gestellten „möglichen" Lehrauftrag an der Berliner Kunstakademie schlug er aus. In Deutschland fand er keine Gelegenheit mehr, sein Engagement im Städtebau bei der Planung realer Siedlungsprojekte umzusetzen, sein guter Name dagegen bewählte sich immer noch als „Aushängeschild" bei Kongressen, Vorträgen, Ausstellungseröffnungen, Architektentreffen und als Jurymitglied bei Wettbewerben. Dazu reiste er im In- und Ausland unter fachlichen Aspekten. Sein journalistisches und literarisches Schaffen als Architekturkritiker und Herausgeber von renommierten Fachzeitschriften hatte Hochkonjunktur. Hegemanns Stärke lag im Umfeld städtebaulicher und sozialkritischer Aussagen. Darin bettete er als überzeugter Anhänger des „gardencity mouvement" seine von Anbeginn betriebenen kameralistischen und kommunalen Studien ein. Sowohl in der Praxis als auch in seinen journalistischen und litera-
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rischen Äußerungen blieb er ein nimmermüder und erfolgreicher „Verkünder" dieser Bewegung. Auffallend ist, dass Hegemann dadurch kenntlich machte, nur als Mitarbeiter an einem Projekt tätig zu sein und nie die Leitung auszuüben. Suchen wir, was uns Hegemann im vorliegenden Sinn als sein persönliches städtebauliches Werkstück überlieferte, dann suchen wir vergebens: Das scheint auch der Grund dafür zu sein, dass er in den Bereichen Städtebau und Architektur weitestgehend in Vergessenheit geriet. Als das Geheime Staatsarchiv im Jahre 2000 die Inventarisierung der Akten der Preußischen Bauverwaltung mit einer sehr sorgfältigen und lehrreichen Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek begleitete, war die Rezeptionsgeschichte kein Thema. So sucht man im Literaturverzeichnis des Katalogs 5 den Namen Werner Hegemann vergebens. Seine immer wieder propagierte städtebauliche Vorstellung war eine in die sorgfältig geplante Breite gebaute (Garten-)Stadt mit schmückenden und benutzbaren Grünanlagen zur Erholung und Unterhaltung (Spielplätze). In der Endphase dieser Zeit beschäftigte sich Hegemann mit seinem literarischen Hauptwerk „Das steinerne Berlin". Dazu C. Flick: „Hegemann macht Berlin zu einem Gegenstand, um seinen persönlichen Irrtum von autokratischer Stadtplanung aufzuarbeiten und dabei seine Diagnose vom Defizit an Bürgerlichkeit zu bekräftigen ... Das Buch lebt von den Wechseln zwischen materialistischer Attitüde, die die steinerne Stadt als Manifest geistiger Geringfügigkeit betrachtet, und idealistischer Attitüde, die sie als materielle wie ideelle Hemmnisse freiheitlicher Entwicklung ansieht." Hier manifestieren sich seine in den USA gewonnenen Einsichten in die sozialen Aspekte des Städtebaus, hier opfert er seine frühere Begeisterung für das Bauschaffen und die Baupolitik der brandenburgisch-preußischen Herrscher einer schonungslosen, häufig gebetsmühlenartig wiederholten und bewusst überspitzten Fundamentalkritik und Verdammnis der bodenrechtlichen und städtebaulichen Entwicklung Berlins. Der Berliner Stadtarchivar Ernst Kaeber verglich Hegemanns Werk mit dessen früheren Ausführungen und verzichtete in seiner Rezension 0 auf aggressive Kritik, stellte aber in sachlich belehrendem Ton jeden Irrtum oder satirische Überzeichnung detailliert richtig, so dass man den Eindruck gewinnen kann, Kaeber habe hier eine nur für Hegemann erkennbare satirische Antwort erteilt. Kaeber hatte 1927 nach mehreren Aufsätzen zur Entwicklung Berlins in den „Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte" den 1. Teil seiner umfangreichen Arbeit „Das Weichbild der Stadt Berlin seit der Steinschen Städteordnung" veröffentlicht. Die Arbeit behandelt den Zeitraum von 1780 bis ca. 1890. Ein zweiter Teil, die Zeit 1890-1920 betreffend, folgte 1937. Nach der Lektüre von
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Mathematisches Calcul und Sinn für Ästhetik. Die preußische Bauverwaltung 1770-1818. Berlin 2000. Ernst K a e b e r : "Werner Hegemanns Werk: Das Steinerne Berlin. Geschichte der größten Mietskasernenstadt der Welt oder: „Der alte und der neue Ilegemann", in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 17 (1930), S. 101-113, wieder abgedruckt in: E. K a e b e r : Beitrage zur Geschichte Berlins. Berlin 1964, S. 204-233.
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Kaebers sehr sachlich gehaltenem Aufsatz wird jeden Leser der heilige Zorn packen über eine derartige Anhäufung von zeitübergreifendem Kompetenzwirrwar, Schlendrian und bürokratischem Gezerre, gepaart mit wirtschaftlichen Egoismen der beteiligten Institutionen und Interessenten im Groß-Berliner Raum. Hegemann kannte diese Arbeit mit Sicherheit und schüttet im „Steinernen Berlin" namentlich über die Entwicklung der Stadt während des 19- Jahrhunderts seinen Sarkasmus aus. Auch hinsichtlich der städtebaulich-architektonischen Hinterlassenschaften des 17. und 18. Jahrhunderts hatte er sich von seiner früheren Preußenbegeisterung abgewandt und spalte nicht mit Satire und Kritik. Für Hegemann war Geschichte zugleich Gegenwart, d.h. er kritisierte Bauten und Entwürfe der Vergangenheit, um gleich darauf Bauten der Gegenwart anzugreifen. Es wäre zu untersuchen, ob und welche Beziehungen es zwischen Kaeber und Hegemann gegeben hat. Gelegentliche, sehr kritische Äußerungen von Kaebers Freund Johannes Schultze über den Berliner Wohnungsbau und die Mietpreisgestaltung lassen auf weitgehende Übereinstimmung mit Hegemann und dessen Kritik der unsäglichen Folgen der Berliner Bau- und Stadtplanung schließen. Vielleicht gibt der Nachlass Ernst Kaeber im Berliner Landesarchiv dazu etwas her. Ein Indiz für (nähere?) Bekanntschaft zwischen Hegemann und Kaeber ist dessen Bemerkung zu Hegemanns „Fridericus" in seiner Besprechung des steinernen Berlin: Hegemann hat „im Jahre 1924 sein erstes historisch-politisches Buch erscheinen lassen, den vielgenannten ,Fridericus' ... Wir brauchen uns mit dieser, im Gewände geistreicher Plaudereien erscheinenden Satire nicht auseinanderzusetzen." 7 Der niederländische Gartendenkmalpfleger de Jong erinnerte 2005 an Hegemann und würdigte ihn mit den mahnenden Worten: „In ,Das Steinerne Berlin' wehrt sich Hegemann gegen die .städtebauliche Anarchie', die von der preußischen Regierung im 19. Jahrhundert heraufbeschworen wurde. Für ihn galt das planmäßige Wollen als Voraussetzung für den modernen Städtebau. Als abschreckendes Beispiel gab er ein Bild des damaligen Berliner Vorortes Schöneberg zu Anfang des 20. Jahrhunderts als aussichtsloses Viertel der Wilhelminischen und Haberland-Zeit, mit dem Prager Platz und der Motzstraße. Der zeitgenössische Denkmalpfleger wird mit dem konfrontiert, was uns die Vergangenheit an Theorien über die Denkmalpflege hinterließ. Seine Aufgabe ist es, sie sachgemäß und gesellschaftlich einzuordnen und zu verwenden." 8 „Ein Mann, der diese Monumentalisierung keineswegs lohnt", schreibt dagegen der Sohn eines Berlin-Forschers am 27. Februar 20061-1 mit Blick auf Hegemanns Gesamtwerk und auf die vorliegende Dissertation. Hinsichtlich des Urteils über das Gesamtwerk reiht sich dieser Kritiker sicherlich unwissentlich in die Reihe derer ein, die wie
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Ernst K a e b e r , in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 17 (1930), erneut in c l c r s . : Beiträge zur Berliner Geschichte (wie Anm. 6), S. 211. Großstadtgrün, Stadtlandschaft und die schöne Gartenkunst, in: Botschaften aus der Gartendenkmalpflege. Klaus Henning v. Krosigk zum 60. Geburtstag. Berlin 2005, S. 8. Dieter Hoffmann-Axthelm in der Süddeutschen Zeitung.
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die „Neue Deutsche Biographie" 111 Hegemann als Historischen Belletristen und Bilderstürmer abtun. Walter Benjamins Beschreibung Hegemanns als „Querulanten im Weltgericht" kommt ihm gerade recht, und so beklagt er sich hinsichtlich Hegemanns „Das Steinerne Berlin": „Über Jahrzehnte war dieses Buch die Bibel der ArchitekturLinken". Was würde Hegemann wohl zur Verdichtung des Berliner Stadtzentrums in Hoffmann-Axthelms Berliner Masterplan sagen? In der von Caroline Flick erstmals in ihrem Autbau, ihrer Entstehung, Wandlung und Rezeption stellvertretend für die weiteren politisch-historischen Werke Hegemanns detailliert analysierten Satire „Fridericus oder das Königsopfer" fingierte Hegemann ein mit jeder neuen Auflage verändertes Gesprächsszenario. Das Werk erschien zuerst 1924 unter dem Pseudonym Manfred Maria Ellis11. Darin „entlarvt" Hegemann Friedrich II. als bewussten Zerstörer des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, als Reichsverräter. Mit der stets implizit wiederholten Frage „was wäre, wenn?" und den sich jagenden Wiederholungen konnte diese Collage aus fiktiven Gesprächen sehr geschickt gegen die gegen den Strich gelesenen und ausführlich zitierten preußischen Geschichtsdarstellungen und Quellenwerken einen frischen und scharfen Luftzug ins Studium der brandenburgisch-preußischen Geschichte bringen 1 2 . Breiten Raum nimmt die Erörterung von Friedrichs Selbstmordplänen im Siebenjährigen Krieg ein. Hegemanns Kommentar zu der immer wieder erzählten Friedrichanekdote („als er ... beim Wachtfeuer von Torgau gar die Giftpillen aus der Tasche rollen ließ und sie seinen mitfühlenden Grenadieren zeigte. Er [Hegemann] müsse an einen schwärmerischen Jüngling denken, dem in tugendhafter Damengesellschaft unerwartet allerlei wenig ostensible Gummiutensilien aus der Tasche fielen und der dann die Keckheit hatte, damit zu prahlen" 1 3 ) bringt das geistige Leibregiment so recht in Schwung. Gustav Berthold Volz empörte sich: „Das vorliegende Buch ist eine politische Tendenzschrift. Sie richtet sich gegen Friedrich den Großen und zugleich gegen den monarchischen Gedanken, als dessen Träger und Symbol er heute gilt."14 Zu den Giftpillen giftete er: „Doch auch das Mittel der Fälschung wird nicht verschmäht." 1 5 Zwei Jahre später veröffentlichte der so aufgestachelte Volz einen minutiös befußnoteten, detailreichen Aufsatz „Die Giftpillen Friedrichs des Großen" 1 6 , ohne auf die Anregung, die Hegemann ihm mit seiner Glosse zur Torgauer Anekdote gegeben hatte, einzugehen oder ihn gar in einer Fußnote zu erwähnen. Der Friedrichforscher
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Bd. 8, S. 225. Manfred Maria Ε I i i s : Deutsche Schriften gesammelt in drei Bänden von Werner I l e g e m a n n , (1), XV, ('S. XVI unpaginiert leer) 616, (X Werbung „Vom selben Herausgeber"). Erau Flick konnte kein Exemplar dieser 1. Ausgabe nachweisen, S. 1156, Anm. 1. S. 170-193 und 566-611. Werner II e g e m a n n : Eridericus, 5.-12. Tausend. Ilellerau 1926, S. 316. Besprechung in: Forschungen zur brandenburgischen und preufäischen Geschichte 39 (1927), S. 151-163. Ebd., S. 158. Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 47 (1929), S. 67-70.
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von heute schuldet Hegemann für diese Anregung großen Dank. Auch Hegemanns Verurteilung der preußischen Außen- und Wirtschaftspolitik, seine Verspottung der Selbstmordabsichten Friedrichs entsprachen keineswegs den Auffassungen der von Hegemann scharf gegeißelten „beamteten" preußischen Historiker, die das Werk meist nicht als Satire erkannten. Die Historische Zeitschrift hatte Hegemanns Arbeiten über Friedrich II. und über Napoleon zur historischen Belletristik geworfen, wo sie absolut nicht hingehörten, insbesondere, wenn man sie mit dem Fridericus- und Luisenkitsch und -kult der „vaterländisch gesinnten Kreise" in der Weimarer Republik vergleicht. Mit „Sie haben Deinen Krückstock, Deinen Kopf haben sie nicht!" kommentierte Tucholsky den Fridericusrummel, der Hegemann zu dem Untertitel „Das Königsopfer" angeregt haben dürfte. Der Fridericus-Darsteller Otto Gebühr war dem Bild des Publikums vom „Jroßen Könich" so ähnlich, dass Kurt v. Heeringen, der Vorsitzende des Deutschen Offiziersbundes, Ortsgruppe Charlottenburg, zutiefst erschrak, als er den Schauspieler, der sich bereits geschminkt hatte, aus der Garderobe in eine Veranstaltung holte. Hegemann berichtete in der 2. Auflage der entlarvten Geschichte von der hoch zu Ross gehaltenen Ansprache Otto Gebührs an die schlesische Reiter-SA unter Führung des Herzogs von Corvey und Ratibor am Jahrestag der Schlacht bei Leuthen 1933 1 7 · Die Sehnsucht nach nationalen Helden manifestierte sich nach 1919 in Kitsch, Kunst, Film und Literatur. Hegemann wollte die Symbolfigur Fridericus, die Legende vom König, opfern. Hans-Joachim Schoeps betitelte seinen Verriss von Rudolf Augsteins „Preußens Friedrich und die Deutschen", 1968, mit dem Slogan: „Mordversuch an Otto Gebühr" 1 8 . Herbert Rosendörfer setzte mit „Friedrich der Große war Friedrich der Falsche" noch eine Satire drauf 19 . Objekt in Hegemanns nächster Satire gegen Heldenverehrung war Napoleon 211 , der von Deutschen aller politischen Lager als großer Held gesehen wurde. Die für ein politisch und literarisch versiertes Publikum geschriebenen fiktiven Gespräche über Napoleon, Collagen wie der Fridericus, sind zugleich eine Persiflage auf das Bildungsbürgertum. Das Werk hatte keine Breitenwirkung. Im März 1933 aktualisierte Hegemann prophetisch: „An solchem ,Kniefaü' vor einem skrupellosen ,Heros' berauschen sich heute noch Millionen Deutscher und warten darauf, von einem neuen ,leichtsinnigen Burschen' in neue Schlachthäuser geschickt zu werden" 2 1 . Als Ergänzung zu Flicks Untersuchung sollte auf den Beitrag von Theodor Kauer hingewiesen werden 2 2 , der 1947 dem deutschen Urtrieb zur Mythenbildung und seinem Produkt, der Literaturgattung, die den „Schutzheiligen und Propheten Friedrich" kreiert hat, die
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Werner H e g e m a n n : Entlarvte Geschichte. 2 Prag 1934, S. 125. Der 'Lagespiegel, 26. Januar 1969. Epoca, 3. März 1969, S. 31-36. Werner H e g e m a η η : Napoleon oder Knielall vor dem Heros. Hellerau 1927. l i e g e m a n n : Entlarvte Geschichte (wie Anm. 17), S. 177. Edmund Theodor K a u e r : Politik und Moral, in: Thomas Babington Μ a c a u 1 a y : Politik und Moral. Historische Portraits. Ulm 1947, S. 15.
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durch sie provozierte antithetische Interpretation gegenüberstellte: Sie „ist die negative. Diese Gattung gipfelt in den beiden glänzend geschriebenen Fridericusbüehern des advocatus diaboli Hegemann. Hier wird die Zerstörung des Mythus gesucht, für die causa Friedrich aber begreiflicherweise nicht mehr beigebracht, als in einem Prozess ein großartiges staatsanwaltliches Plaidoyer zu erbringen hat." Zu den Folgen der Mythologisierung bemerkte Kauer: „Hitler, der in seinem, dem fatalsten deutschen Mythos, Friedrich eine Art Vorruhm, wie etwa Mohamed dem Moses, überließ, hat jenes Wesen, von dem Friedrich (der mythische, nicht der echte) ein Teilchen war, so zutiefst und endgültig blamiert, daß wir nun, einer Lügenlast ledig, versuchen können, gerecht zu überprüfen, wie viel an echten Werten diese Nation dem Preußentum - nicht einem Land, einem Volk, sondern einem Lebensstil, einer Mentalität verdankt, und wie viel es dann in die neue Gestalt zu übernehmen gedenkt, zu der sie sich gerade entpuppt. Den Staat zum Gemeingewissen, zur moralischen Instanz aufgebläht zu haben, das ist die einzige Kollektivschuld, zu der sich unser Volk wird bekennen müssen." 2 3 Hegemanns mythenkritisches Werk „Der gerettete Christus oder Iphigenies Flucht vor dem Ritualopfer", eine Satire auf religiöse Erneuerungsbewegungen und religionsgeschichtlichen Untersuchungseifer, erschien 1926 bei Gustav Kiepenheuer in Potsdam, weil sein Dresdener Verleger das Buch wohl aus Glaubensgründen ablehnte. Eine Privatanzeige setzte ein Verfahren der Staatsanwaltschaft in Gang, welches jedoch bald eingestellt wurde. Der von der Presse kritisch verfolgte Versuch, das Buch indizieren zu lassen, verschaffte ihm absatzfördernde Bekanntheit. Ende 1934 erschien dann Hegemanns „Entlarvte Geschichte" in zweiter Auflage 2 ' in der Soziologischen Verlagsanstalt Prag. Die erste, sarkastisch „Den Führern der Deutschen Paul von Hindenburg und Adolf Hitler in erwartungsvoller Verehrung gewidmet", war bereits am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz vor der Berliner Universität verbrannt worden. Das „Hauptamt für Aufklärung und Werbung" der Deutschen Studentenschaft hatte dafür den Feuerspruch „Gegen Verfälschung und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten. Für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit. Emil Ludwig, Werner Hegemann" ausgegeben. Im West-Berliner Preußenjahr 1981 wäre Hegemanns 100. Geburtstags zu gedenken gewesen, doch seine satirische Brillanz im Gegen-den-Strich-Ausleuchten preußisch-deutscher Geschichte und Politik ist zwar von Augstein 25 und Engelmann 2 6 erstrebt, jedoch nicht erreicht worden. Abseits der offiziellen Exposition zeigte 1981 das Künstlerhaus Bethanien eine kritische Preußen-Ausstellung unter dem Titel: „Bo-
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Κ a u e r : Politik und Moral (wie Anm. 22), S. 19. Sie liegt dem um einen Beitrag von Arnold Zweig erweiterten Reprint, Bd. 5 der Reihe Exilliteratur, Ilildesheim 1979, zugrunde. Leider wird in diesem Reprint nicht auf die Funktion des Schutzumschlags der 1. Ausgabe hingewiesen. Rudolf A u g s t e i η : Preußens Friedrich und die Deutschen. Erankfurt/M 1968, erweiterte Neuausgabe 1981. Bernt E n g e l m a n n : Prcufäen. Land der unbegrenzten Möglichkeiten. München 1979.
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russia vor! Oder: Noch ist Preußen nicht verloren." Nur hier fand sich im „Verzeichnis der ausgestellten Werke", allerdings hinter einem Wust von populärer Friedrichliteratur - Romanen, Anekdoten-, Kinder-, Schul- und Bilderbüchern, Blumenlesen mit Friedrichzitaten - , eine in der Apsis der Kapelle von Bethanien präsentierte Abteilung „250 Jahre Kritik an Friedrich und seinem Preußen - Werner Hegemann nachträglich zu seinem 100. Geburtstag (16.6.1881)." Hegemanns Wunschvorstellung von einem Europa unter deutscher Führung oder Vorherrschaft war nach seiner Meinung durch die Politik Preußens, vor allem des „Reichsverräters" Friedrich II., verhindert worden. So zerstörte Hegemann ganze Berge von Legenden, entzauberte historische Märchen. Doch sein aggressives, fortwährend wiederholtes Verurteilen ex post unter der Prämisse „was wäre, wenn"? zwingt uns trotz der amüsanten oft überraschenden Polemik mitunter die vor allem vom Verleger Jakob Hegener in (Dresden-) Hellerau sorgfältig gestalteten Bücher aus der Hand. Dennoch, Hegemanns kritische Rückschau unter Einbeziehung seiner politischen Gegenwart lohnt die Mühe ebenso wie die Lektüre der immensen Arbeit von Caroline Flick. Kürzlich hat Heinz Dieter Kittsteiner 27 in einem brillanten, präzise formulierten Aufsatz anhand von Hegemanns „Entlarvte Geschichte" von 1933 die Frage aufgeworfen, ob der Autor sich zeitweilig mit dem linken Flügel der NSDAP um Otto Strasser „in einer gewissen Übereinstimmung" befand. Bereits im Jugendbuch vom Großen König" 28 hatte Hegemann 1930 angeprangert, dass die borussische Geschichtsschreibung „mit ihrem Friedrich-Mythos die Jugend für den Hitler-Mythos prädisponiert habe." 2 9 Das betraf mit Verlaub nicht nur die Jugend, sondern auch sehr eifrige Erwachsene, z.B. Hegemanns scharfen Kritiker Gustav Berthold Volz, der schon 1931 in die NSDAP eintrat^. Den Schlachtruf der französischen Aufklärung gegen Papsttum und Kirche „Ecrasez l'infame!" hatte Hegemann bei der Bekämpfung des Friedrichmythos und Borussismus offenbar derart verinnerlicht, dass er in zwei ausführlichen Zeitungsartikeln im Juli 1932 31 Hitler mit Friedrich verglich: „Der Alte Fritz, der erste Nazi. Bei einer Nazi-Kundgebung im Ber27
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Heinz Dieter K i t t S t e i n e r : Werner Ilegemann als Historiker, in: Geist und Macht. Friedrich der Große im Kontext der europäischen Kulturgeschichte, hg. v. Brunhilde W e h i n g e r . Berlin 2005, S. 157-183. S. XIX. K i t t s t e i n e r : Werner liegemann als Historiker (wie Anm. 27), S. 171. Frit/ H ä r t u n g : Gustav Berthold Vol/, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 51 (1939), S. 131—112, bes. S. 139: „Und doch finde ich in seiner kritischen Arbeit seit 1918 einen neuen 7,ug; sie geht betont aufs Ganze, indem sie nicht nur die politischen Pamphlete wie die Fridericusbücher von Werner Hegemami und anderen verdientermaßen an den Pranger stellt ..."; S. 110: „Als der politische Umschwung 1933 eintrat, stellte er sich, der bereits seit 1931 der NSDAP angehört, sein Wissen und seine Kraft selbstverständlich in den Dienst des Dritten Reiches. Seit 1934 war er in der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums als Lektor tätig und prüfte für sie die Literatur über Friedrich den Großen." 8-Uhr-Abendblatt, 18. und 29. Juli 1932.
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liner Lustgarten nannte der SA-Führer Graf Helldorf .Friedrich den Großen den ersten Nationalsozialisten.' Wir haben den hervorragenden Fridericus-Biographen, Dr. Werner Hegemann [um eine Stellungnahme] gebeten." Hegemann nutzte diesen Vergleich, um Hitler und die Nazis in der Kritik jeweils mit Handlungen und Äußerungen Friedrichs II. zu entschuldigen, wandte aber am Schluss seine Satire unter der Überschrift „Volksbeschwindelung" eindeutig gegen Hitler: „In der neuesten der zwölften Auflage von Mein Kampf hat Hitler den Satz weggelassen, der die früheren Auflagen zierte: ,Der Deutsche hat keine blasse Ahnung, wie man das Volk beschwindeln muß, wenn man Massenanhänger haben will.' Friedrich II. schrieb: ,Was man am ersten Tag erlangt, muß man allmählich reifen lassen und man muß friedliche (legitime) Absichten vortäuschen, bis der Augenblick zur Erfüllung seiner Pläne da ist'." Diese und weitere Zeitungs- und Zeitschriftenartikel hat Hegemann erweitert, redigiert und zum Buch „Entlarvte Geschichte" zusammengefasst. Zwei Beispiele zur Erläuterung:
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Hermann der Befreier? 32 Wenn Adolf Hitler heute während seiner Auto- und Trommelfahrten durch Lippe-Detmold als Hermann der Befreier gefeiert wird, dann hat diese Bezeichnung nur Sinn, wenn man bei ihr an den Cheruskerhäuptling Arminius denkt, der in der Tat einer der verhängnisvollsten Schädlinge der deutschen Geschichte gewesen ist." Mit einer zur Irreführung nationalsozialistischer Leser eingeschobenen Einschränkung lautet der Absatz im Buch: „Wenn aber Adolf Hitler während seiner Autofahrten durch Lippe-Detmold als Hermann der Befreier gefeiert wurde, dann wäre diese Bezeichnung auch dann wohl sinnlos gewesen, wenn man dabei an den Cheruskerhäuptling Arminius gedacht hätte. Denn Arminius ist - was doch von Hitler niemand sagen sollte - einer der verhängnisvollsten Schädlinge der deutschen Geschichte gewesen." 33
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Der heilige Bernhard. Für uns Deutsche des Hitler-Zeitalters ist Bernhard doppelt bemerkenswert, weil er seine größten Erfolge in Deutschland erzielte, wo er ähnlich wie Hitler (der ja auch kein Frauenfreund ist) als Ausländer auftreten mußte und weil er seine größten Erfolge vor allem als Meister der Volksversammlungen erzielte. .Bernhard sprach nicht deutsch, aber das Volk wollte nur ihn hören. Auch in den kleinsten Flecken erscholl das Geläut und der Jubel, wenn er kam, und überall wirk32 33 34
8-lJhr-Abendblatt, 1 1 Januar 1933. l i e g e m a n n : Entlarvte Geschichte (wie Anm. 17), S. 1 1 8-Uhr-Abendblatt 1, 27. Januar 1933.
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te er zu dem Wunder seiner Predigt'. Treffender könnte eine Hitler-Versammlung nicht geschildert werden." 3 5 Im Buch heißt es dann: 3 6 „Für uns Deutsche des HitlerZeitalters ist Bernhard doppelt bemerkenswert, weil er seine größten Erfolge in Deutschland erzielte, wo er, ähnlich wie Hitler (der ja auch kein Schürzenjäger ist) als Ausländer auftreten mußte und weil er seine größten Erfolge vor allem als Meister der Volksversammlungen erzielte. Es zeigte sich schon im Jahre 1147 (als Bernhard in allen Städten des damals noch ganz deutschen Rheins predigte), daß die begeisterten deutschen Hörer nicht das geringste Verlangen hatten, den Sinn der Worte des Redners zu verstehen". Zu ergänzen ist m.E., dass Hegemann, wann immer es sich fügt, seine Gegner oder die von ihm angegriffenen historischen Hanswurste im Furchtbaren mit dem süffisanten Hinweis auf ihre Homosexualität dem gesunden Volksempfinden zum Fraß vorwarf und vaterländische Gemüter in Rage versetzt. Hier könnten Psychologie, Soziologie und Sozialgeschichte vielleicht neue Erkenntnisse zutage fördern. Am 27. Februar 1933, wenige Stunden vor dem Reichstagsbrand, lag die „Entlarvte Geschichte" in den Schaufenstern des deutschen Buchhandels. So, wie das Buch heute in den Antiquariaten angeboten wird, hätte das gediegen in schwarzes Leinen mit goldgeprägtem Rückentitel gebundene Werk kaum eine Chance gehabt, wie Hegemann in der 2. Auflage·''7 schreibt, „namentlich in den nationalsozialistischen Buchhandlungen so eifrig verkauft [zu werden], daß die erste große Auflage bereits nach zwei Wochen erschöpft war." Als Rattenfänger füngierte ein schwarz-weiß-roter Schutzumschlag. In dieser Aufmachung konnte das Werk als „U-Boot" noch längere Zeit unbehelligt verkauft werden, wohl auch noch nach der Rezension im Völkischen Beobachter. Darin führte am 15. März Dr. Helmut Langenbucher 38 Hegemann als 35 36 37 38
1 legemann zitiert aus Wolfram v o n d e n S t e i n e n : Bernhard von Clairvaux. Leben und Briete. Breslau 1926. H e g e m a n n : Entlarvte Geschichte (wie Anm. 17), S. 41. l i e g e m a n n : Entlarvte Geschichte (wie Anm. 17), S. 190. Langenbucher fehlt unter den von Caroline Flick praktischerweise mitgelieferten Kurzbiographien S. 1117-1146. Über ihn: Ralf Β ä h r e : Helmut Langenbucher (1905-1980) Beschreibung einer literaturpolitischen Karriere, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 17 (1997), S. 249-308, dem ich hier folge. Über Langenbucher: * 29.7.1905 in Loffenau, zeitweilig Verlagsredakteur bei Langen-Müller, seit Juni 1933 beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels, in verschiedenen Funktionen, seit 1935 bis 1945 1 lauptschriftleiter des Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel, redigierte daneben weitere gleichgeschaltete Literaturzeitschriften, seit 1935 Beauftragter für das gesamte Pressewesen des Bundes Reichsdeutscher Buchhändler und Beisitzer der Filmprüfstelle Berlin. In seiner Rede im November 1938 führte er aus: „Die Schläge, die der Völkische Beobachter während der Wahlen des Jahres 1932 gegen das jüdische Literatentum geführt hat, saßen bereits so gut, daß für den gläubigen Nationalsozialisten die bevorstehende Literatendämmerung nur noch eine Frage der Zeit sein konnte. Sie war es und die Flammen, in denen Anfang Mai 1933 die Vorherrschaft des geistigen Judentums zusammenbrach mußte l!J notwendigerweise von jenen Fackeln entzündet werden, die am 30. Januar 1933 in sieghaftem Leuchten das deutsche Land durchstrahlten. „Der Literaturpapst im 3. Reich" (Hanns Vogts 1947, zit. bei B a h r e , S. 277) schrieb in seinem Lebenslauf für die Spruchkammer: „Ich habe mich seit 1932 ausschließlich literarischer Arbeit
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„Entlarvten Geschichtsklitterer" vor und schloss nach einer Suada von für Nazi-Gegner mitunter unfreiwillig komischen Zitatzurückweisungen mit dem Satz: „Damit stellt sich der Verfasser außerhalb der Volksgemeinschaft." Am 7. Mai wurde Hegemanns Name auf die Listen des „Ausschusses zur Neuordnung der Berliner Stadt- und Volksbüchereien" gesetzt, mit denen das preußische Kultusministerium die genannten Werke in den Bibliotheken sperrte. Die „vollständig umgearbeitete und erweiterte Neuausgabe" der „Entlarvten Geschichte" erschien 1934 in Prag; sie trägt einen Schutzumschlag in den Farben der Franzosischen oder Tschechischen Trikolore. Hegemann emigrierte gerade noch rechtzeitig. Im Februar 1933 verließ er Deutschland, reiste in die Schweiz und weiter in die USA, w o er an einer Lungenentzündung am 12. April 1936 in New York starb. Am 8. Juni 1938 entzog ihm die Universität München posthum den Doktorgrad. Die Aberkennung gilt noch heute. Folgt man den Ausführungen von Caroline Flick und liest das reiche literarische und historische Werk von Hegemann, dann verwundert es doch sehr, dass noch niemand von all jenen, die es von vornherein besser gemacht hätten, die Gelegenheit ergriffen hat, einen in seiner Zeit wirkungsmächtigen Berliner Architekturkritiker und Literaten des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts wiederzuentdecken. Es wäre gut, w e n n Flicks Arbeit wenigstens dazu führte, die „Entlarvte Geschichte" kritisch neu zu edieren, dabei ihre Collagen und Hegemanns sich flexibel anpassende satirische Texte erkennbar zu machen. Dem fast völlig vergessenen Berliner Architekturkritiker, Literaten, Historiker, politischen Journalisten usw., dem Bildungsbürger Hegemann, eine Dissertation von 1262 Seiten in zwei Bänden zu widmen, ist, trotz aller möglichen Einwände und Vorbehalte, eine wissenschaftliche Großtat, der allerdings eine handliche Zusammenfassung „ad usum Delphini" folgen sollte. Auf die 1046 Seiten Text mit einem b e q u e m unter die Seite gestellten Fußnotenapparat folgen verschiedene Anhänge. Zunächst
(schöngeistiges und literaturgeschichtliches Schrifttum) gewidmet und fern von jedem politischen Aktivismus ein völlig zurückgezogenes Leben geführt, unter beharrlicher Weigerung, irgendein Amt in Staat od. Partei anzunehmen" ( B a h r e , S. 277). Ein Fachverbrecher stellte sich erfolgreich als naiver Eachidiot dar. 19 iS wurde er entnazifiziert und als Mitläufer eingestuft. Um das Lesebedürfnis breiter Schichten zu befriedigen und die während der Nazizeit verbotene Literatur zu verbreiten, wurden zu Anfang der fünfziger Jahre Buchclubs und Leseringe, darunter 1950 der Europäische Buchclub, gegründet; er glich „einer Aufnahmeorganisation für Ehemalige aus der nationalsozialistischen Kulturpolitik" (B ä l i r e , S. 281). Langenbucher war spätestens seit 1953 für das Programm verantwortlich. Wenige Jahre zuvor hatte er sich noch über nun von ihm empfohlene Autoren vernichtend abfällig geäußert. Nun konnte er wie im 3. Reich bestimmen, was den Mitgliedern des EBK als Lektüre angeboten wurde. Er saß wieder an einer Schaltstelle, in der „die Art und Auswahl der Lektüre für einen Leserkreis bestimmt wurde, in der sozusagen Literaturpolitik in kleinem Rahmen stattfand". Bertelsmann übernahm 1963 den EBK mit Langenbucher „als einen der wichtigsten Aktivposten der Firma" (B ä h r e , S. 282). Nach der Pensionierung 1970 veröffentlichte er unter Pseudonymen. In den Nachrufen auf den am 18. Mai 1980 Verstorbenen fehlt jeder Hinweis auf seine Funktionen und Wirkungen im 3. Reich, ein in der Bundesrepublik nicht unübliches Verfahren.
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205 Abbildungen von Bildern der Familie und des später abgerissenen Wohnhauses Alemannenstraße 212 und Architekturfotograhen, Werbematerial, Plänen, Skizzen, auch Hegemanns Meldebogen mit dem Nachtrag der Ausbürgerung vom 14. Juli 1936. Es folgen die erwähnten Kurzbiographien S. 1117-1146, eine akribisch gearbeitete Zeittafel zu Leben und Werk S. 1147-1155, ein nach „Monographien - unterteilt nach Autor, Co-Autor, Herausgeber und Übersetzer - Artikeln und Miszellen, Beiträgen in Monographien, Zeitschriften- und Zeitungsartikeln, Nachdrucken und Neuausgaben" geordnetes Verzeichnis der Schriften Hegemanns, das auch Titel enthält, deren Existenz sich in Bibliotheken nicht (mehr) nachweisen lässt. Bei der von Frau Flick S. 1157 vermissten 4. Auflage des Fridericus handelt es sich um die 1926 als 5.-12. Tausend erschienene „Neue veränderte erweiterte Auflage", wie ein auf Bütten gedruckter Brief von Jakob Hegner belegt, der den vom Verlag zu Werbezwecken versandten Exemplaren der „Antwort an einige akademische Kritiker des Fridericus. 1927" beilag. Hegner schreibt: „Wir erlauben uns deshalb als Zeichen unserer besonderen Wertschätzung das neue Schlußkapitel der neuen (vierten) Auflage (5.-12. Tausend) in Form eines kleinen Sonderdruckes zu überreichen ... mit hochachtungsvoller Begrüßung ergebenst Verlag Jakob Hegner." Von „hochachtungsvoller Begrüßung" zu „erwartungsvoller Verehrung" ist es nur ein sprachlicher Katzensprung. Auf Flicks Auflistung der Primärliteratur folgt ein umfassendes Verzeichnis der Rezensionen des In- und Auslandes. Das letzte Unterkapitel, Nachrufe und biographische Literatur, konnte nur recht kurz geraten. Bei dem mehr als fünfzigseitigen Literaturverzeichnis fragt man sich, hätte da nicht Papier gespart werden können? Doch näheres Hinsehen nötigt zum Dank für die Zusammenfassung des in Text und Fußnoten verarbeiteten Materials. Das Abbildungsverzeichnis ist zugleich Nachweis der Provenienzen. Ein Personenregister und ein Register der Orte und Standorte erschließen das vorzüglich redigierte Werk. Flick hat zwar keine so ausgefeilte und raffinierte Registertechnik wie Werner Hegemann in seinen politisch-historischen Schriften, doch die Trennung erleichtert auch in Kombination mit dem den beiden Bänden vorgedruckten Inhaltsverzeichnis dem armen Toren die Suche. Das Werk ist trotz mancher komplizierten theoretischen Passagen der solide und sehr gehaltvolle Grundstein aller weiteren Forschung zu Hegemann und der Geschichte von Architektur und Stadtplanung seiner Zeit. Wer immer sich ernsthaft mit Geschichtsschreibung und historisch-politischer Mythenbildung befasst, wird weder an Werner Hegemann noch an den Aufschlüsselungen von Caroline Flick vorbeikommen. Werner Hegemann, Stein des Anstoßes, ein „Stein, den die Bauleute verworfen haben"!
BUCHBESPRECHUNGEN Α. ALLGEMEINE LIND PREUSSISCHE GESCHICHTE 1. Hilfsmittel, Fest- und Sammelschriften, Überblicksdarstellungen Gatz, Erwin (I Ig.): Die Wappen der Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648—1803. Unter Mitwirkung v. Clemens Brodkorb, Reinhard I Ieydenreuter u. Heribert Smumt. Regensburg: Sehneil & Steiner 2007. ISBN 978-3-7951-1637-9. - 680 S., 26 s/w- u. 179 färb. Abb., 1 Landkte.; 128,- Euro. Der vorliegende Wappenband sehließt sich an die bereits von Erwin Gatz herausgegebenen Reihen, nämlich des Lexikons „Die Bischöfe des I Ieiligen Römischen Reiches" in fünf Bänden, und den beiden Bände des Werkes „Die Bistümer des I Ieiligen Römischen Reiches" an. In diesem Band werden nun die "Wappen aller Hochstifte bzw. Bistümer und Diözesanbischöfe für den genannten Zeitraum, soweit bekannt, in farbigen Abbildungen dargestellt. Im Gegensatz zu den Wappenbildern des Mittelalters, die als Unterscheidungsmerkmal im Kampfgetümmel dienten, besaßen die Wappen der Bischöfe und I lochstifte in der Frühen Neuzeit andere Funktionen. Sie fungierten vorwiegend als I Ierrschafts-, I Ioheits-, Stifter- und Figentumszeichen. Da die Träger der Bischofsstellen häufig dem Adel entsprossen waren, stellen die antizipierten Wappen oft eine Symbiose zwischen den jeweiligen Familienwappen und desjenigen des Hochstiftes bzw. Bistums dar. Eine Folge hiervon bestand darin, dass bei der IJbernahme eines weiteren Hochstifts oder Bistums für den in Personalunion die Bistümer oder I Iochstifter vorstehenden Amtsinhaber jeweils ein erweitertes Wappen entworfen werden musste. Bezugnehmend auf diesen Tatbestand, werden in diesem Band die Wappen der Fürstbischöfe in ihren unterschiedlichen Fntwicklungsetappen dargestellt. Um eine klare und gleichzeitig detailgetreue Wiedergabe der einzelnen Wappen und Wappenbilder zu realisieren, wurden die Wappen nach historischen Quellenbelegen von Heribert Staufer neu gezeichnet. Jedes Wappen wird von Reinhard Heydenreuter heraldisch erklärt (blasoniert). Die in chronologischer Ordnung aufgelisteten Amtsdaten der Träger des jeweiligen Wappens vervollständigen die heraldische Darstellung. Jedes Wappen wird durch weiterführende Quellen- und Literaturverweise ergänzt. Einige Ausführungen über die Auswahl der Wappen sollen hier noch Platz finden. Auf die Aufnahme der Wappen der Elekten, welche keine päpstliche Bestätigung erfuhren, wurde verzichtet. Ebenso wurden die seit dem Westfälischen Frieden dem Heiligen Römischen Reich entfremdeten Hochstifte und Bistümer von Metz, Toni und Verdun nicht aufgenommen. Ähnlich verhält es sich mit den Bischöfen von Triest und Pedena, den Bischöfe des kurbayerischen I Iaus-Ritterordens vom hl. Georg und dem Münchener I Iofbistum. Auch sie fanden keine Aufnahme in diesem Band. Um dem Betrachter die Orientierung innerhalb des alten Reichsgebietes zu erleichtern, eröffnet eine Karte über „Die Bistümer und Hochstifte im Heiligen Römischen Reich und in der Eidgenossenschaft um 1750" das eigentliche Werk. Sodann macht eine knappe, gut abgewoge-
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ne und strukturierte Einleitung von Reinhard I Ieydenreuter auch den weniger geübten Nutzer von heraldischen Darstellungen mit den Regeln des Wappengebrauchs und der I Ieraldik bekannt. An die Einleitung schließt sich der I Iauptteil des Werkes an. Ein kurzer historischer Abriss der jeweiligen Hochstifte und Bistümer, mit einem Literaturhinweis versehen, eröffnet den Reigen der in chronologischer Gliederung folgenden Wappen. Der Band wird durch ein ausführliches Register der persönlichen Wappen, der Orte, Landschaften und Territorien beschlossen. Die bestechende Ausstattung des Bandes, nicht zuletzt seien hier die Bildgröße und Papierqualität erwähnt, bestätigen den hervorragenden Gesamteindruck. Da das Heilige Römische Reich seit der Zeit von 1648 ständig Territorien einbüßte, bilden die hier zusammengetragenen Einträge einen wichtigen Beitrag zur Geschichte einzelner Regionen speziell Ost- und Mitteleuropas. Gerade im Zuge einer möglichen Aufweichung nationaler Grenzen im Rahmen einer Einigung Europas kommt solchen wissenschaftlichen Hilfsmitteln eine wichtige Rolle zum Aufzeigen alter historischer Verknüpfungen zu. Neben Verbindungen territorialer Art können auch solche personellen Charakters so besser aufgezeigt und verstanden werden. Potsdam Eberhard Borrmaiui
Zentrum und Peripherie in der Germania Slavica. Beiträge zu Ehren von Winfried Scliich. Hg. v. Doris B U L A C H U. Matthias H A R D T (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Bd. 31). Stuttgart: Steiner 2008. ISBN 978-3-515-09158-9. 385 S., 81 s/w- LI. 12 färb. Abb.; 50,- Euro. Nicht erst als Inhaber von Lehrstühlen an der Gesamthochschule Kassel, dann der Berliner I Iumboldt-Universität hat Winfried Schich der Forschung zum Verhältnis des slawischen und deutschen Ethnikums in den drei letzten Jahrzehnten wesentliche Impulse vermittelt, sondern auch zuvor als Mitglied der wesentlich von seinem akademischen Lehrer Wolfgang H. Fritze an der Freien Universität L?erlin konstituierten Interdiziplinären Arbeitsgruppe (IAG) „Germania Slavica". Im Nachfolgeprojekt der IAG, das schließlich am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) in Leipzig als gleichnamiger Arbeitsbereich angesiedelt wurde, gehörte er zu den Kooperationspartnern. Aus Anlass des 65. Geburtstages von Winfried Schich veranstaltete das GWZO vom 28. Februar 2003 bis 1. März 2003 eine Konferenz, deren L?eiträge den überwiegenden Inhalt des Aufsatzbandes bilden. In seinem einleitenden Aufsatz: „Veränderungen im Verhältnis von Zentrum und Peripherie innerhalb der Germania Slavica durch den hochmittelalterlichen Landesausbau - mit besonderer Berücksichtigung der brandenburgischen Mittelmark" (S. 13-37) nimmt der Jubilar Winfried Schich selbst zum Gesamtthema der Tagung Stellung. Der dynamische Prozess des hochmittelalterlichen Landesausbaus veränderte nachhaltig die Siedlungsstrukturen. Aus zentralen Bereichen in slawischer Zeit konnten nun periphere, am äußeren Rand einer Siedlung oder Siedlungsballung gelegene Gebiete werden. So verschoben sich im Stadtgebiet von Brandenburg/ I Iavel auf kleinem Raum die Siedlungsschwerpunkte, eine Entwicklung, wie sie auch weiter östlich, z.B. in Posen, Krakau und Breslau zu beobachten ist. Mitunter konnte zwischen zwei alten ein neues Zentrum entstehen und diese überflügeln, wie es zwischen den älteren Übergängen an der Spreemündung in die Havel in Spandau und der Mündung der Dahme in die Spree in Köpenick an der engsten Stelle der Spree durch Berlin-Cölln geschah. Durch den im 13. Jahrhundert intensivierten Landesausbau, in dem die neuen Städte und Landklöster mit
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dem agrarischen I Unterland verknüpft waren, bestand für die älteren, durch Schutzlage geprägten slawischen Burgzentren kein großer Entwicklungsraum mehr. Die dynamische Siedlungsentwicklung ist keineswegs bereits im 13. Jahrhundert abgeschlossen. Eike Gringmuth-Dallmer behandelt in seinem L?eitrag: „Die Siedlungsentwicklung im Umland der Städte im deutschen Altsiedeiland und in der Germania Slavica - ein Vergleich anhand von Fallbeispielen" (S. 39-55) die städtischen Feldmarken, die sowohl im Altsiedelland wie auch im Bereich der Germania Slavica auf Kosten ehemaliger Dörfer vergrößert wurden, während Christa Plate·. „Die I Ierausbilciung u n d Ausformung der Marktplätze brandenburgischer Städte im archäologischen Befund" GS. 57-70) den nicht minder bedeutenden Veränderungen der Marktplätze, die durch Marktüberbauungen, aber auch den Abriss älterer Bebauung immer wieder Veränderungen unterworfen waren, nachgeht. Mitunter kam es zur Verlegung ganzer Städte. Matthias Hardt beschreibt „Standortverlegungen früher Städte in Prignitz und Havelland" GS. 97-114) und vergleicht die Verlegungen von Spandau, Wittenberge und Freyenstein. Waren es in den bisher genannten Fällen im Wesentlichen wirtschaftliche Veränderungen, die Anlass zur Verlegung gaben, so konnte der in der Prignitz und dem Ruppiner Land um die Mitte des 12. Jahrhunderts einsetzende Herrschaftswechsel ebenfalls zu kleinräumlichen Veränderungen, mitunter zu L?urgverlegungen führen, wie Kerstin Kirsch·. „Zentrum und Peripherie zwischen Dosse und Oberhavel" (S. 115-135) beschreibt. Für Pommern behandelt Marian Rebkowski: ..Greifswald - Stettin — Kolberg. Drei Modelle räumlicher Anknüpfungen in der Stadtgründungszeit in Pommern" (S. 235-246) exemplarisch. Lebus als alter Mittelpunkt des Landes und kirchliches Zentrum seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts musste den Abstieg vom Zentrum zur Peripherie in besonderem Maße erleiden. Der lange Streit um den Standort der LMschofskirche ist, wie Blandine Wittkopp·. „Die Lebuser Kathedralstandorte im Spiegel neuer archäologischer Untersuchungen" (S. 137-155) berichtet, durch die Bodenforschung zugunsten des Schlossberges entschieden worden, während Sabine Altmann·. „Von Lebus nach Frankfurt an der Oder. Die Veränderung der Peripherie alter und neuer Zentren im hohen Mittelalter im Land Lebus" (S. 157-179) den Abstieg und das Aufkommen der neuen Zentren herausarbeitet. Zum Streit um die Herkunft der Kietze stellt Jan Piskorski·. „Die brandenburgischen KietzeEine Institution slawischen Ursprungs oder ein Produkt askanischer Herrschaft?" CS. 181-202) den gegenwärtigen - unbefriedigenden - Erkenntnisstand fest und weist auf Lösungsmöglichkeiten durch Vergleich hin. In die - leider noch nicht systematisch - untersuchte Welt der auch archäologisch fassbaren slawischen Dienstsiedlungen um die I Ierrschaftszentren, die durchaus Vorgänger der Kietze gewesen sein können, führt Christian Lübbe·. „Die Toponymie als Zeugnis historischer Strukturen in Herrschaft, Siedlung und Wirtschaft. Tätigkeitsbezeichnende Ortsnamen und das Modell der Dienstorganisation" CS. 203-213) ein. Unter diesen Siedlungen dürften sich auch die Vorgänger der Kietze befinden. Nicht alle Gebiete östlich der Elbe sind in gleicher Weise und zur gleichen Zeit vom Strukturwandel betroffen worden. Bereits W. 11. Fritze stellte an einigen spätmittelalterlichen Besonderheiten auf der Insel Rügen Relikte älterer Strukturen fest. Am Beispiel der Hufenproblematik verneint Heike Reimann·. „Die Insel Rügen ein slawisches Rückzugsgebiet am Rande der Kolonisation?" (S. 215-233), dass die Insel einen „Sonderfall" darstellt. Denn wirtschaftlichen Veränderungen gab es auch auf der Ostseeinsel. Die Veränderungen in größeren Räumen beschreiben Roman Czaja·. „Die Formung einer Städtelandschaft im Kulmerland im 13. u n d 14. Jahrhundert" (S. 247-263), Slavomir Mozclzioch: „.Ein Land, w o Milch unci I Ionig fließt'. Die ersten Piasten als Wirtschafter ihres Landes" (S. 265-277), Jerzy Strzelczyk·. „Die Umstrukturierung des Gnesener Raumes als Folge der Machtentfaltung der Piasten und der Christianisierung des Po-
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lanenstaates" (S. 279—293), Peter Johanek: ..Die Entstehung der südböhmischen Städtelandschaft" (S. 295-316) und Vladimir Nekuda (|): „Die mittelalterliche Besiedlung des südwestlichen Mährens aus der Sicht der interethnischen Beziehungen" (S. 317-331). Auch in der spät- und nachmittelalterlichen Stadt gibt es periphere Räume, die mitunter zu diskreten Diensten, wie Doris Bulach: „Orte der Prostitution? Eine Annäherung an die Rosenstraßen in der mittelalterlichen Stadt" (S. 71-95) an vielen Beispielen nachweist. An der Peripherie zeigt sich, wie der Geograf Klaus Fehn: „Die Entwicklung der Stadtrandphänomene im Berliner Raum vom Mittelalter bis ins 21 Jahrhundert" GS. 333—359) beschreibt, dass der über Jahrhunderte bestehenden Land-Stadt-Gegensatz heute obsolet wird. Der Band verfugt über ein Ortsregister. Berlin
Felix Esch er
„Die Dinge beobachten ..." - Archäologische und historische Forschungen zur frühen Geschichte Nord- und Mitteleuropas. Festschrift für Günter Mangelsdorf zum 60. Geburtstag. Hg. v. Felix BIERIYIANN, Ulrich MÜLLER U. Thomas TERBERGER (Archäologie und Geschichte im Ostseeraum, Bd. 2). Rahden/Westf.: Leidorf 2008. ISBN 978-3-89616462-0. - 561 S., 236 s/w-Abb., 5 Tab.; 79,80 Euro. Prof. Dr. Günter Mangelsdorf ließ es sich nicht nehmen, aus dem Krankenhaus heraus kurz an der Vorstellung der ihm zum 60. Geburtstag gewidmeten Festschrift im März 2008 in Greifswald teilzunehmen. Nach einer kurzen Ansprache an ca. 80 Studenten und Gelehrte aus Deutschland und Skandinavien musste er uns wieder verlassen. Am 20. Juli 2008 wäre er 61 Jahre alt geworden, aber er starb bereits acht Tage früher nach langer schwerer Krankheit und wurde - seinem letzten Wunsch entsprechend - in seinem havelländischen I Ieimatclorf Prietzen nördlich von Rathenow zu Grabe getragen. Gemäß den weit und tief ausgreifenden Hauptinteressen des Geehrten und Gelehrten ist der Band gegliedert in Geschichte und Theorie der larchäologischenl Forschung (6 Beiträge); Von den Germanen zu den frühen Slawen (6); Burgen, Herrschaft und Machtpolitik (11); Städte (5); Gotteshäuser und ihr Umfeld (7); Mittelalterliches Handwerk (5); Handel, Kommunikation und Kulturaustausch (9). Eine Laudatio von Roderich Schmidt anlässlich der Fmeritierung des Archäologen unci I Iistorikers Mangelsdorf am 6. Juli 2005 findet sich auf S. 13—16. Sie enthält eine ausführliche Würdigung der Verdienste um die Erforschung Brandenburgs und Pommerns. Ein Verzeichnis seiner 123 verfassten Aufsätze und herausgegebenen Schriften findet der Leser S. 17-22. Die abgedruckten Arbeiten in dem durch informative Abbildungen wie Fotos, Zeichnungen und Karten illustrierten Band befassen sich - wie auch der Geehrte selbst - vorwiegend mit der mittelalterlichen Geschichte und Archäologie, wobei das behandelte Gebiet überwiegend der Osten Deutschlands ist. Aber auch Aufsätze über die Slawen im 6. Jh. an der Ostseeküste (S. 139-156), die dänische Strategie in den wendischen Kreuzzügen (S. 217-221), wirtschaftliche Entwicklung Mitteleuropas zwischen dem 7. und 9Jahrhundert (S. 189—100) und eine kleine wikingerzeitliche Silberfigur aus Uppäkra/Südschweden (S. 151-156) lassen den Blick weiter schweifen. Günter Mangelsdorf, der in Potsdam unci I lalle neben LJr- und Frühgeschichte auch Geschichte und Germanistik studierte, war immer I Iistoriker und Archäologe zugleich. Alle Funde wurden differenziert in den historischen Kontext eingebettet; nie ließ er die I Iistoriker bei der Interpretation aufgefundener Sachzeugen allein, sondern gab Festlegungen oder Anregungen zur Deutung - wie es der aktuelle Forschungsstand zuließ. So nimmt es nicht Wunder,
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dass auch Freunde und Kollegen aus der historischen Zunft zum Band beisteuerten, wie Gedanken zum brandenburgischen Burgenverzeichnis im Landbuch Kaiser Karls IV. von 1375 GS. 225-230), die genannte dänische Strategie GS. 217-224) oder die Wolgaster Residenz der Pommernherzöge (S. 237-216). Das Havelland ist auch eine der langjährigen Wirkungsstätten von Mangelsdorf, der hier vor allem durch seine bereits 1975 vorgelegte Dissertation über die Ortswüstungen des Havellandes bekannt wurde, die aber erst 1994 als Band 86 der Veröffentlichungen der Iiistorischen Kommission zu Berlin im Druck erscheinen konnte. Mit dem I Iavelland befassen sich auch speziell zwei Aufsätze. Der eine behandelt die havelländische Mühle Klinke und die Frühzeit der Wassermühlen in Brandenburg GS. 137-150) und der andere den ersten slawischen Münzscliatz, der nach der politischen Wende im Jahre 2003 in Leest westlich von Potsdam gefunden wurde GS. 511-530). Bei diesem handelte es sich bereits Lim den dritten slawischen Münzschatz im engeren Ortskernbereich von Leest mit Magdeburger Prägungen, die in der Zeit zwischen 1090 und 1120 geprägt wurden. Den 33 Münzen wird immerhin eine mögliche Vorbildwirkung für die in unmittelbarer Nachbarschaft unter Pribislaw-I Ieinrich von Brandenburg oder Jaxa von Köpenick geprägten zugebilligt, die nur wenige Jahre später eine eigene slawische Münzprägung aufnahmen (S. 523). Die Münzen sollen in das im September 2008 neu eröffnete Brandenburgische Archäologische Landesmuseum die Dauerausstellung bereichern. Während seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum der Stadt Brandenburg und zugleich Leiter der Abteilung Ur- und Frühgeschichte und Bodendenkmalpflege im Stadt- und Landkreis Brandenburg von 1973 bis 1984, aber auch in der folgenden Zeit an der Greifswalder Universität war Mangelsdorf ein geistiger Vermittler zwischen Ost und West. In der Zeit der deutschen Teilung hat er Winfried Schich „und andere (West-)L?erliner Historiker in diese brandenburgische Landschaft auf Exkursionen in die Mittelalterarchäologie eingeführt" (S. 438). Mangelsdorf war zugleich einer der führenden Köpfe des Nicolaikreises zu Berlin, einer Interessengemeinschaft für Landes-, Kultur- und Rechtsgeschichte, die im Jahre 1955 durch den Geologen Prof. Dr. Friedrich Solger als Nikolaikreis in Ostberlin gegründet wurde, da Ausgrabungen miter der Nikolaikirche ergaben, dass Berlin doch älter war als die ersten urkundlichen Erwähnungen 1237/11 (Berlin/Cölln). Zwar war der Kreis im Rahmen des Kulturbundes der DDR organisiert, durfte aber von den Teilnehmern her doch als bürgerlich-konservativer Geschichtszirkel angesehen werden. Denn er war von Anfang an ein Ableger der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg, die, 1884 gegründet, nach 1945 ihren Sitz im westlichen Berlin hatte. Anfänglich wurde sein Profil durch den Berlin-Kenner Werner Klünner und den Geschichtslehrer des Unterzeichners, Prof. Dr. Eckhard Müller-Mertens, mitgeprägt. Leiter war nach dem Tode Solgers der Germanist Dr. Heinz Gebhardt, Mitarbeiter des Brandenburgischen Wörterbuches, der den Nikolaikreis auf Druck der SED-Bezirksleitung in .Nicolaikreis" (nach dem Berliner Aufklärer, Schriftsteller und Buchhändler Friedrich Nicolai 1733-1811) umbenennen musste, da ein Geschichtskreis mit dem Namen eines Kirchenpatrons dem sozialistischen (Ost-(Berlin nicht angemessen erschien. Mangelsdorf nahm als einziger auswärtiger Teilnehmer an den vierwöchentlich stattfindenden Sitzungen von 1975 bis 1981 regelmäßig teil. Damals war eine Reise von seiner Wirkungsstätte Brandenburg nach Berlin noch eine Tagesreise. Ich erinnere mich gern an Unterhaltungen mit ihm über die im Museum Brandenburg überlieferten Schöffenbücher, über seine Ausgrabungen an der Nikolaikirche in Luckenberg, über die Lage der Mühle Klinke, die für ihn feststand. Wo lag die Mühle Klinke? Damit befasst sich Winfried Schich (S. 137 ff.). Die erste Erwähnung von Mühlen in der späteren Mark Brandenburg findet sich in einer Urkunde König Ottos
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III. von 993, mit der dieser dem Stift Quedlinburg die Burgorte Potsdam und Geltow schcnktc GS. 437). Als erste Mühle im I Iavelland und auch in der gesamten Mark Brandenburg ist die Mühle Klinke in den Jahren 1174/76 bezeugt. Ihre Lage galt in der Literatur oft umstritten, aber Schich schließt sich Mangelsdorf an, der sie wegen der Flurnamen zwischen Riewendt und Klein Behnitz lokalisierte (S. LiO). Mein Interesse galt aus rechtshistorischer Sicht eher der Landgerichtsstätte Klinke, die nach dem Richtsteig des Landrechts (aus der Zeit vor 1359) als erste Berufungsinstanz der späteren Mittelmark galt. Im Berliner Schöffenrecht aus dem ausgeh e n d e n 14. Jahrhundert galt umgekehrt Brandenburg als „cii hogeste ciingestat", die „vormals was tu der Klinke by Branclenborch". Daraus ergibt sich aus der Sicht des Rez. ein Widerspruch, da der Text des Berliner Schöffenrechtes nach Georg Sello im Wesentlichen in die Zeit zwischen 1325 und 1332 zu datieren ist. Der Richtsteig spiegelt aber einen früheren Rechtszustand wider. Dies muss die weitere rechtshistorische Forschung klären, ebenso wie die diesen Zusammenhang beeinflussende Datierung der Glosse zum Sachsenspiegel, da diese im Berliner Schöffenrecht schon benutzt wird. Aber Schich geht es um die Lage der Landgerichtsstätte. Er spricht sich dafür aus, dass „der Name der Mühle auf die benachbarte Gerichtsstätte an oder auf dem Burgwall überlgingl, die zuvor den Namen Riewend getragen haben dürfte. RiewendKlinke ... erfüllte ... zentrale Funktionen im Gerichtswesen und in der .modernen' Landwirtschaft.'' (S. i l l ) Somit müssen wir mit Schich vor allem anhand der überlieferten Flurnamen (Klinkpfuhl, Klinkstücke, Klinkwiesen), aber auch von Klinkgraben, Klinkbrücke, davon ausgehen, dass die Gerichtsstätte nicht in der Zauche, sondern am Mühlenort Klinke zu suchen Mangelsdorf fiel in seinen Diskussionsbeiträgen durch eine hervorragende Kenntnis neuer Forschungsergebnisse und der einschlägigen Literatur auf. Als ich ihn einmal in seiner Wohnung in Brandenburg - es muss etwa 1980 gewesen sein - besuchte, wurde mir klar, woher diese Kenntnisse kamen. Er besaß eine kleine, aber feine Bibliothek mit allen aktuellen Werken, die Ostdeutschland betrafen, aber im Westen erschienen waren. Da stand die zweibändige Geschichte Claudes über das Erzbistum Magdeburg, die Geschichte Podehls über die Burgen, mehrere Bände der Mitteldeutschen Forschungen, die in Marburg herausgegeben wurden. Einen zentralen Platz nahm die vierbändige Geschichte der Mark Brandenburg von Johannes Schulze ein. Diese besaß in der DDR kaum jemand privat. Die meisten L?ände erhielt er über den wissenschaftlichen Schriftentausch, in dem er über die Grenze hinweg die wissensdurstigen westdeutschen Forscher wie Wolfgang Ribbe, Gerd I Ieinrich und Winfried Schich mit den neuesten Grabungsergebnissen aus der Mark Brandenburg und Berlin versorgte. Das war nicht ganz ungefährlich, denn das Einführen und Ausführen von Büchern und Schriften - auch wissenschaftlichen - hatte die DDR-Regierung verboten. So scheiterte ich einmal, als ich ein Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte an den Kulturbund hatte senden lassen. Es wurde vor meinen Augen in den Papierkorb versenkt, und dies wurde mir für alle Zeit untersagt. So sog Günter Mangelsdorf heimlich verbotenes Wissen aus den westdeutschen Büchern, und ich kann mir die lebhafte Freude gut vorstellen, die jedes empfangene Buch in ihm verursacht hat. Dies hat aber auch sicher die Motivation verstärkt, sich mit aller Kraft mit n e u e n wissenschaftlichen Methoden gegen das verkrustete DDR-Regime zu stemmen und so aus seinem kleinen Büro auf dem Hinterhof im Städtischen Museum Brandenburg eine lichtvolle Schmiede der Wissenschaft zu machen. Mangelsdorf war immer ein aktiver, lebensbejahender Mensch. Mit kritischem Blick verfolgte er die historische Forschung in Brandenburg und Pommern und trug aber auch zur Verbesserung der Zustände bei. Er gab in Brandenburg die sog. „Brandenburger Blätter" heraus. Vier Hefte erschienen dort, bis er Brandenburg verließ.
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Als Plattform für seine Arbeitsvorhaben und die des von ihm seit 1990 bis 1996 geleiteten Institutes für LJr- und Frühgeschichte an der Ernst-Moritz-Arndt-LJniversität Greifswald hat Mangelsdorf die „Greifswalcler Mitteilungen. Beiträge zur LJr- und Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie" begründet. Bisher sind sechs LSände erschienen (1995-2001). Sein fruchtbares Wirken z.L?. in den Historischen Kommissionen von Berlin und Pommern, in der Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde, in der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg und im Nicolaikreis wird uns unvergessen bleiLeest
Dieter
Pötscbke
Das Sichtbare u n d das U n s i c h t b a r e d e r Macht. Institutionelle Prozesse in Antike, Mittelalter und Neuzeit. I Ig. v. Gert MELVILLE. Köln/Weimar/Wien 2005. ISBN 978-3-41224305-0. - VIII, 422 S., 70 s/w-Abb. auf 40 Taf.; 57,90 Furo. Vorliegender Sammelband ist im Zusammenhang mit dem Dresdner Sonderforschungsbereich 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit" entstanden. Im Kern geht es um die prozesshafte Erzeugung, Speicherung und Steigerung von Macht, wobei, wie der Herausgeber in seinem Fingangsstatement unterstreicht, dazu auch Machtdiskurse sowie Aushandlung und Infragestellung von Macht gehören. Das Macht-Verständnis speist sich zum einen aus der Vorstellung einer transitiven, sich durchsetzenden Macht im Sinne Webers, zum anderen aus der Idee einer strukturell-systematischen und wirkungsdynamischen, als intransitiv begriffenen Macht. Mit dieser erweiterten Definition zählen zur Macht etwa auch Erinnerungskonstruktionen (Jubiläen, Genealogien), Ordnungsprogramme (Verfassung, Ordensregeln) wie auch kulturelle Normierungen oder Formen von Repräsentation und Symbolik (Sprache, Architektur). Bereits auf den ersten Blick offenbart sich bei der Betrachtung solcher Macht-Phänomene, wie Melville völlig zu Recht unterstreicht, eine paradoxe Entwicklung. Einerseits wird über alle Epochen hinweg institutionelle Machtformierung mit einer demonstrativen Zurschaustellung nach außen angezeigt, andererseits aber auch zugleich Macht geschickt und ritualisiert verborgen. Diesem Nebeneinander öffentlicher und geheimer Machtausübung, von informellen Einflusskanälen und regulierten I Ierrschaftsverfahren, gilt das zentrale Interesse der Beiträge dieses Bandes. Die 16 Aufsätze umfassen ein breites Spektrum; die zeitliche Spanne reicht von der Antike bis zur Gegenwart. Aufgegriffen werden gesellschaftliche, religiöse, politische und verfassungsrechtliche Bereiche ebenso wie Aspekte aus Kunst, Literatur und Sprache. Ohne die einzelnen Themenblöcke zu sehr voneinander zu isolieren, hat der Herausgeber drei Rubriken gebildet. Unter „Institutionen der Macht: Religion, Politik, Recht" beleuchten Klaus Temner, Gert Melville und Winfried Müller sichtbare und unsichtbare Ausformungen religiöser Macht, während Werner J. Patzelt und I Ians Vorländer parlamentarisch-politische und verfassungsrechtliche Manifestationen von Macht aufdecken. Dem nächsten Schwerpunkt „Räume der Macht: Foren, Ordnungen, Ikonographien" sind L?eiträge von Giancarlo Anden na, Gerd Seh werhoff und Barbara Marx beigeordnet, die sich verschiedenen Räumen (Marktplatz, Wirtshaus) widmen, während Hans-Georg Lippen in seinem anschaulich verfassten und reich bebilderten Aufsatz erfundene Räume im Film als Mittel der Visibilisierung von Macht beschreibt. Unter dem Kristallisationspunkt „Diskurse der Macht: Medien, Mechanismen, Akteure" untersucht Maurizio Bettini linguistische Strategien von Machtbeschreibungen, Fritz-1 leiner Mutschier und Martin [ebne widmen sich Verdeckungen von Macht in der Antike, Beate Kellner und Ursula Sehaefer decken Machtstrategien in der Literatur auf, während Karl-Siegbert Rehberg Taktiken von Siclitbarma-
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chung und Verschleierung von Macht und Machtanspruch in der DDR beschreibt. Ein letzter Beitrag von Gerhard Schönrich leistet einen Beitrag zur Theorie der Macht. Der ambitionierte Band überzeugt. Es gelingt den einzelnen Beiträgen, neue Perspektiven und Sichtweisen auf bereits bekannte, manchmal sogar alltägliche Phänomene zu schaffen. Der elaborierte erkenntnistheoretische Hintergrund und die geschickte Staffelung der thematischen Zugänge lassen keine Irritationen ob der zeitlichen und inhaltlichen Disparität aufkommen. Berlin Ralf Prot en einzigen Beitrag eines polnischen Kollegen liefert Ryszard Kaczmarek (Universität Katowice) mit seinem Aufsatz über den Gau Oberschlesien 1939/11-1915 (S. 318 ff.). Die besondere Problematik bestand darin, dass die Eingliederung Oberschlesiens nach der Okkupation 1939 schließlich (1941) zur Bildung einer preußischen Provinz und des Gaus Oberschlesien mit Sitz in Kattowitz führte, ein einmaliger Vorgang. Die politische Macht lag, da es an einer Konzeption aus Berlin fehlte, in Händen der „Grenzgauleiter", die sich auf „traditionelle Beamte" und „Unternehmensleiter" (S. 353) stützten. Im Unterschied zu anderen Gebieten des polnischen Staates wurde in Oberschlesien die „Verdeutschung" statt der massenhaften Aussiedlung betrieben, berüchtigt die ..deutsche Volkstumspolitik" GS. 355), die ..Eindeutschung" u.a. nach der sog. ..Deutschen Volksliste". Bekanntlich wurde Dienst in der Wehrmacht, Waffen-SS, Polizei oder Organisation Toclt mit deutscher Staatsangehörigkeit (seit 1943) „belohnt". Leider sind dem Autor (oder dem Ubersetzer) bei den Vergleichen mit anderen Regionen bei geographisch-politischen Bezeichnungen deutliche Fehler unterlaufen: S. 319 wird z.B. unter den neu angegliederten Provinzen Ostpreußen aufgeführt; S. 350, 356, 359 werden z.T. nur deutsche, keine polnischen Ortsnamen angegeben; S. 355 1st von Försters Aussiedlungen in Pommern die Rede, wobei es sich um Danzig-Westpreußen handelt; ebenso falsch die Bezeichnung „östliche Gebiete Westpommerns", so auch S. 357: der Gauleiter von Pommern war Schwcclc-Coburg; unpräzise bzw. falsch „die Gewinnung der Masuren" (S. 357) u.a.m. Im abschließenden Kommentar hat Magnus Brechtken (Universität Nottingham) sehr treffend die Ergebnisse der Konferenz und des Bandes zusammengefasst und Folgerungen für weitere Forschungen formuliert GS. 410). Er betont „die vielfältige Kontinuität von der Weimarer Zeit in den Nationalsozialismus", die Notwendigkeit darzulegen, wer eigentlich „die Nationalsozialisten" waren und wie „elementar der Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts mit den generellen Strömungen der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung verbunden war". Wie auch schon Michael Kißener (Mainz) in seinem Kommentar hervorhob, wäre es von Bedeutung, „die Kriegs- und Endphase des Dritten Reiches und die Frage nach dem Fortwirken nicht nur von Personen, sondern auch von Strukturen aus der NS-Zeit" (S. 362) zu untersuchen. Sollte, so fragt Brechtken, „einer der Gründe für das jahrzehntelang geringe Interesse der westdeutschen I Iistorikerzunft an konkreter und weit gefächelter ,Täterforschung' mit Namensnennung und lebensgeschichtlicher Karriere-Analyse tatsächlich gewesen sein, dass ,viele Täter bis in die 80er Jahre hinein bedeutsame Stellungen in Behörden, Publizistik und (vor allem) Industrie einnahmen und personale Auseinandersetzungen nicht opportun erschienen'?" GS. 410 - Zitat nach Lutz I Eichmeister 1998, im weiteren Bezug auf Ulrich Herberts Arbeit 1996). Der vorliegende Band zeigt wichtige neue Ergebnisse, bedeutende Forschungsfortschritte, umfangreiche Aufgaben und erfolgreiche Wege. Berlin Ingo Mater na
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I IACTTTMANN, Rüdiger: Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich". Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 2 Bde. (Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bde. 15/I-II). Göttingen: Wallstein 2007. ISBN 978-3-8353-0108-5. - 1397 S., 56 Abb.; 78,- Euro. Als die Max-Planck-Gesellschaft, die vormalige Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, ihr fünfundsiebzigstes Jubiläum feierte, erschien, etwas verspätet, eine von nicht weniger als einundzwanzig Gelehrten verfasste historische Gesamtdarstellung der Geschichte der Gesellschaft (Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft, hg. v. Rudolf Vierhaus u. Bernhard vom Brocke. Stuttgart 1990 ). Die wenig rühmlichen Jahre des Nationalsozialismus waren in dem mehr als 1000 Druckseiten umfassenden Sammelband nur in einem vergleichsweise knappen Beitrag von Helmutli Albrecht und Armin Hermann auf weniger als fünfzig Seiten dargestellt worden. Das bevorstehende einhundertjährige Jubiläum, das 2011 gefeiert werden wird, wirft gegenwärtig viel längere Schatten voraus. Nicht nur die Tatsache, dass früher schwer zugängliche Quellenbestände nunmehr problemlos eingesehen werden können, sondern auch eine geschärfte Fragestellung gegenüber dem Verhältnis von Wissenschaft (besonders Naturwissenschaft und Technik) und Nationalsozialismus haben schon vor einigen Jahren deutlich gemacht, dass der frühere Forschungsstand einer dringenden Verbesserung bedarf. Im Auftrag der „Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft" erscheint seit mehreren Jahren eine vielbändige, umfassende .Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus". Im Rahmen dieses umfassenden Vorhabens ist auch Hachtmanns Geschichte der Generalverwaltung der leiser-Wilhelm-Gesellschaft erschienen, ein monumentales, nicht selten ermüdend detailliertes Werk, das fast f100 Druckseiten umfasst. Nicht nur wegen des ausufernden Umfangs und seiner Detailbesessenheit ist das Werk schwer lesbar, sondern ebenfalls wegen der Übernahme eines heute vielfach üblichen „kulturalistischen" Jargons: Da wimmelt es von „Networking", von „Habitus" und „Mentalität", und natürlich dürfen auch die von Bourclieu geprägten Konzepte des „kulturellen, symbolischen und sozialen Kapitals" nicht fehlen, wenngleich man die erkenntnisfördende Bedeutung dieser Konzepte nicht immer einzusehen vermag. Selbstverständlichkeiten werden ausführlich dargelegt und problematisiert, und man muss sich - um dies nur an einem Beispiel zu erläutern - fragen, ob das Knüpfen von persönlichen Netzwerken (vom Autor konsequent mit einem nicht besonders schönen Anglizismus als „Networking" bezeichnet) so etwas Seltenes ist, dass man es ausdrücklich und über viele Dutzende von Seiten hinweg thematisieren muss; welcher bedeutende Politiker, Unternehmer, Manager, Wissenschaftler oder auch Wissenschaftsfunktionär in Vergangenheit und Gegenwart hätte denn jemals erfolgreich sein können ohne die beständige Pflege persönlicher Verbindungen, ohne dauerndes und stetiges Knüpfen von Netzwerken? Diese allbekannte Tatsache gehört eigentlich zum Alltagswissen jedes mit einem gesunden Common sense ausgestatteten, halbwegs intelligenten Menschen. In gewisser Weise besteht das Problem des Verfassers darin, dass er seinem Gegenstand nicht nur mit Distanz, sondern mit ausgeprägter Abneigung gegenübersteht, dass er vor allem fast sämtliche der von ihm untersuchten historischen Persönlichkeiten, um es in aller Deutlichkeit zu sagen, absolut nicht mag. Das schärft zwar zum einen den Blick auf spezifische Sachverhalte, nicht nur auf charakterliche Defizite, sondern auch auf I Iancilungsstrategien und manchmal recht skrupellose Taktiken zur Durchsetzung von Machtpositionen, doch es verzerrt andererseits dort die eigene Perspektive, wo es darum geht, bestimmte Vorgänge aus sachlichunbeteiligter, um Objektivität wenigstens bemühter Sicht einzuschätzen Lind zu gewichten. Das
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zeigen in erster Linie die scharf konturierten Porträts der beiden Generalsekretäre der KaiserWilhelm-Gesellschaft in der behandelten Zeit, die (in deutlichem Widerspruch zum I Iaupttitel, in dem nur vom „Dritten Reich" die Rede ist) auch die frühen Jahre der Gesellschaft seit ihrer Gründung im Jahr 1911 sowie die ersten Jahrzehnte nach der Neugründung von 1916 mit umfasst: Friedrich Glum und Ernst Telscliow. Haclitmann charakterisiert sie sehr treffend als „Wissenschaftsmanager", die in ihrer Epoche einen durchaus neuen Typus darstellten, nämlich den des einflussreichen, hinter den Kulissen agierenden, um finanzielle Ressourcen werbenden, Personalpolitik als Arcanum betreibenden und vor allem den Kontakt zur jeweiligen politischen Führung haltenden hohen Verwaltungsbeamten im Bereich der modernen zentralisierten Forschungsorganisation. Die Geschichte der Generalverwaltung der KWG zeigt, dass spätere, nach 1915 vorgenommene Selbststilisierungen (die noch von Telschow, der ab 1916 wiederum die Verwaltungsleitung der neuen Max-Planck-Gesellschaft übernehmen konnte, inspiriert worden waren) unzutreffend sind. Die Gesellschaft hat - und hierin besteht das wohl wichtigste Resultat der Forschungen I Iachtmanns — weder „das Schlimmste verhindern" wollen, auch hat sie keinen mühsamen Kampf um ihre Selbsterhaltung führen müssen, und sie war ebenfalls keineswegs gezwungen, einen gefährlichen Kurs zwischen Skylla und Gliarybdis (Staat und Partei) zu halten, sondern man hat sich recht bald dem neuen Regime fast bedingungslos angepasst und auch dessen Anordnungen (besonders die schändliche Ausgrenzung und Vertreibung der oft hoch renommierten Forscher jüdischer Abstammung ) ohne nennenswerten Widerstand in die Wirklichkeit umgesetzt. Die völlige Gleichschaltung erfolgte allerdings erst 1937, als der etwas widerspenstige Max Planck als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Friedrich Glum als deren Generalsekretär aus leicht durchsichtigen Motiven aus ihren Ämtern gedrängt und durch politisch „zuverlässigere" Nachfolger ersetzt wurden. Die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft, die bis dahin stagniert hatte, stieg bald in kaum erwartete I Iöhen, natürlich mit der Erwartung, dass die Institute der KWG den Anforderungen des Regimes, besonders nach Kriegsausbruch 1939, entsprechend zuarbeiteten, find das haben sie, wie nicht mehr zu bestreiten ist, bis 1944/45 denn auch getan. Die massenhaft referierten Details, in denen die zwei Bände fast zu ertrinken drohen, können hier nicht referiert werden, wie denn die umfangreiche Darstellung wohl auch kaum als ganze, sondern eher, wie bei Werken dieses LJmfangs üblich, allenfalls partiell rezipiert werden wird. Als Forschungsleistung im Ganzen bleibt I Iachtmanns Werk eindrucksvoll, doch im Detail sind manche Fragezeichen oder doch wenigstens Anmerkungen zu machen. Das betrifft etwa die Darstellung Friedrich Glums, der als unsympathischer Karrierist, dazu noch als partiell antisemitischer Anhänger der „Konservativen Revolution" charakterisiert wird und der es zudem verstanden habe, sich nach f933 sofort den neuen Herren anzubiedern. Die Schwierigkeiten, die Glum mit den Funktionären des NS-Systems hatte, werden erst viel später und dann fast widerwillig referiert. So überrascht es zu lesen, dass Glum 1937 in eine Kampagne des „Schwarzen Korps" und des „Stürmer" geriet, die ihm vorwarfen, sich vor 1933 für eine „vorurteilsfreie Behandlung der wertvollen Elemente im Judentum" (621) ausgesprochen zu haben. In einer Anmerkung heißt es anschließend, Glum habe später, nach 1945, suggeriert, seinen Lehrauftrag an der Berliner Universität „nicht aus freien Stücken niedergelegt" zu haben. Haclitmann fährt fort: „Das ist nicht zutreffend. Zwar war der politische Druck beträchtlich" (626, Anm. 125) - nur habe man ihm den Lehrauftrag nicht entzogen, aber das Lehrgebiet stark eingeschränkt. Legt man unter derartigen Bedingungen einen Lehrauftrag „aus freien Stücken" nieder?
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Ein anderes Beispiel: Der Autor verwendet viele Seiten seiner Darstellung darauf, um den ..rechtskonservativen" I Iabitus der KWG und ihrer leitenden Funktionäre schon für die Weimarer Republik nachzuweisen, bis in die Wortwahl bestimmter offizieller oder inoffizieller Verlautbarungen und anderer, besonders auch nichtöffentlicher Texte hinein. Nationalismus, Monarchismus und Militarismus seinen zentrale Kennzeichen dieser Mentalität gewesen (93). Da überrascht es dann, einige Dutzend Seiten später (und wiederum nur in einer Fußnote versteckt) den I Iinweis zu finden, dass diese so nationalistische, monarchistische und militaristische Gesellschaft ihre Presseverlautbarungen selbstverständlich nicht nur an die konservative und liberale, sondern auch an die linke Presse, etwa den sozialdemokratischen „Vorwärts", geschickt hat, nicht aber (jedenfalls bis 1931) an die Organe der NSDAP (179, Anm. 312). Völlig abstrus wird es schließlich, wenn der Verfasser den etwa von Glum vertretenen „Gemeinschaftsgedanken" ausschließlich in einen „rechtskonservativen" bzw. nationalsozialistischen Zusammenhang stellt (137) - ohne die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Idee der (später von der NS-Icleologie fraglos pervertierten) „Volksgemeinschaft" in den Jahren nach 1918 von weiten politischen Kreisen, die bis in die Sozialdemokratie hineinreichten, vertreten und uneingeschränkt positiv bewertet worden ist. Diese und andere Aspekte also, darunter auch die wirklich unhaltbare weitgehende Identifikation des wissenschaftsaristokratischen „Harnack-Prinzips" mit dem nationalsozialistischen „Eührerprinzip" (649, 663t·), machen manche Passagen der Darstellung nur ausgesprochen schwer genießbar (und da tröstet auch die Aussicht wenig, dass nicht sehr viele Leser das höchst anstrengend zu erklimmende Textgebirge überqueren werden). Es handelt sich um eine Arbeit, die man in manchen ihrer Passagen deutlich gegen den Strich lesen muss. Dies ist bedauerlicherweise abschließend festzustellen - nicht ohne dem Autor ausdrücklich Respekt für seine große Forschungsleistung (die u.a. die Auswertung der Bestände in fünfzehn Archiven umfasst) zu zollen. Passem
Heins-Christof
Krems
BERGEMANN, Hans / LADWIG-WINTERS, Simone: Für ihn b r a c h die Welt, wie e r sie kannte z u s a m m e n . . . . Juristen jüdischer Herkunft im Landgerichtsbezirk Potsdam. Köln: Otto Schmidt 2003. ISBN 978-3-504-01011-9. - 156 S.; 26,80 Euro. BERGEMANN, Hans / LADWIG-WINTERS, Simone: Richter u n d Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen i m Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Rechtstatsachenforschung). Köln: Bundesanzeiger 2004. ISBN 978-3-89817-352-0. - 396 S.; 45,- Euro. BERGEMANN, I Ians / LADWRJ-WINTERS, Simone: J ü d i s c h e Richter a m K a m m e r g e r i c h t n a c h 1933. Eine Dokumentation. I Ig. vom Kammergericht. Köln/Berlin/München: I Ieymanns 2004. ISBN 978-3-452-25833-5. - V I I I , 162 S.; 15,80 Euro. LAD\VIG-WTNTERS, Simone: Lawyers without Rights. The Pate of Jewish Lawyers in Berlin after 1933. I Ig. ν. der Rechtsanwaltskammer Berlin. Berlin: be.bra 2007. ISBN 978-389809-075-9. - 23 S. Die hier zu besprechenden Arbeiten stehen in engem inhaltlichem Zusammenhang. Aus Anlass des 70. Jahrestages der Verabschiedung des .Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 regte das Ministerium der Justiz der Bundesrepublik Deutschland an, alle Namen und biographischen Angaben der in Preußen von den Repressionen betroffe-
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nen Richter und Staatsanwälte zu ermitteln. Über die Umstände der beruflichen Ausgrenzung hinaus galt es auch das weitere Schicksal der Betroffenen zu ermitteln. Das Kammergericht Berlin sowie das Landgericht Potsdam gaben für ihren Zuständigkeitsbereich analoge Studien in Auftrag und förderten diese ebenfalls. Simone Ladwig-Winters trat bereits im Jahr 1998 unter dem Titel „Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933" mit einer Ausstellung auf der Basis einer Untersuchung zum Themenkreis an die Öffentlichkeit. Gemeinsam mit I Ians Bergemann betraute man sie mit den Arbeiten. Die bei der vorgenannten Studie gewonnenen methodischen Erfahrungen wurden auf die neuen Projekte übertragen. Der Aufbau der Bände entspricht einander weitgehend. Darlegungen zur allgemeinen Situation der jüdischen Juristen in Deutschland nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 sowie den weiteren Schritten ihrer Ausgrenzung aus der Gesellschaft leiten ein. Die regionalen Geschehnisse werden eingeordnet in die allgemeine Geschichte. In einem zweiten Teil wird die Vita der betroffenen Juristen in Kurzbiographien dargestellt. Die Autoren betrachten hierbei jüdische Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte. Eine systematische Recherche nach Volljuristen außerhalb dieser Berufsgruppen war nicht möglich (S. 13, Für ihn brach die Welt zusammen). Die Biographien sind alphabetisch geordnet. Der Landgerichtsbezirk Potsdam erwies sich als besonders typischer Untersuchungsgegenstand, da hier z.B. im Jahr 1933 ca. 50 Prozent der Anwälte nach NS-Terminologie als „jüdisch" galten. Die Autoren stellen das Schicksal von 32 Personen vor. Lur Preußen konnten die Lebensläufe von 536 Betroffenen dokumentiert werden. Der Band zum Kammergericht Berlin enthält 50 Einzelbiographien. Die Untersuchungen beider Autoren „basieren auf der systematischen Auswertung von gedruckten Primärquellen, Archivbeständen und Sekundärliteratur" (S. 11, Richter und Staatsanwälte). Zu erwähnen sind hier insbesondere die gedruckten Personalverzeichnisse für den Justizdienst und die Personalnachrichten in den Amtsblättern des Preußischen und des Reichsjustizministeriums, Akten des Preußischen Justizministeriums im Geheimen Preußischen Staatsarchiv und im Bundesarchiv. Konkretere Angaben konnten insbesondere den überlieferten Personalakten, darunter auch aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv, entnommen werden. Herangezogen wurden zum Teil auch die im dortigen Bestand Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg vorhandenen Einzelfallakten aus der NS-Zeit. Zur Ermittlung des weiteren Schicksals der Betroffenen wurden Entschädigungsakten sowie bereits vorliegende Gedenkbücher für die Opfer der NS-Diktatur ausgewertet. Soweit angesichts der mehr als 70 Jahre zurückliegenden Ereignisse möglich, erfolgten Befragungen von Zeitzeugen. Trotz insgesamt relativ günstiger Quellenlage, konnte es verständlicherweise nicht gelingen, sämtliche Opfer dieser Berufsgruppe zu ermitteln. Ladwig-Winters und Bergemann gebührt der Verdienst, die NS-Verfolgung jüdischer Juristen in Preußen grundlegend und detailreich dokumentiert zu haben. Sie verdeutlichen faktenreich die unterschiedlichsten Facetten der Ausgrenzung und Verfolgung dieses Personenkreises. Im Jahr 2007 präsentierte Simone Ladwig-Winters die Ausstellung „Anwalt ohne Recht" in leicht überarbeiteter Fassung in den USA. Hierfür wurde der einleitende Teil der Begleitpublikation in englischer Sprache herausgegeben. Hinsichtlich des biographischen Teils wird auf die deutsche Fassung aus dem Jahr 1998 verwiesen. Die Bände enthalten den üblichen wissenschaftlichen Apparat. Abbildungen und Fotos, die zu einem großen Teil erstmals veröffentlicht werden, erhöhen den Informationsgehalt der Publikationen. Potsdam Monika Nakath
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LTF.TZ,
Gero: Zum Umgang mit dem nationalsozialistischen Ortsnamen-Erbe in der
SBZ/DDR (Onomastica Lipsiensia. Leipziger Untersuchungen zur Namenforschung, Bei. 4). Leipzig: Leipziger Universitäts-Verlag 2005. ISBN 978-3-937209-63-0. - 298 S.; 49,Euro. Ortsnamenänderungen sind bereits vielfach behandelt worden. Verf. ist selbst mit kleineren Beiträgen hervorgetreten und hat jetzt die Ergebnisse seiner Forschungen zusammengefasst und systematisiert und in den „Kontext zeitgeschichtlicher Fragestellungen" einzuordnen unternommen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist, ohne neue wissenschaftliehe Erkenntnisse zu vermitteln, in „Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern" 10 (2006), S. 111—121, erschienen. Zielstellung der Untersuchungen ist, das „Zusammenspiel von Ortsnamen und Ideologie im Wirkungsbereich totalitärer Gesellschaftssysteme" (S. 9) darzustellen und zu erhellen, zu erfahren, w i e die neuen Machthaber und die Behörden in der SB7J DDR mit dem vorgefundenen Ortsnamenerbe umgegangen sind, um schließlich den Beweis führen zu können, dass in der DDR ein Nachholbedarf auf dem Gebiet der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit bestanden hätte. Dem Ziel folgt die Gliederung der Arbeit. Einleitende Abschnitte belassen sich mit den allgemeinen Hintergründen von Ortsnamenveränderungen im behandelten Zeitraum und geben Verf. Gelegenheit, seine methodologische Position und sein Verhältnis zu den zeitgeschichtlichen Fragestellungen darzulegen. Der I Iauptteil verfolgt Ortsnamenänderungen während der NS-Zeit und in der SBZ/DDR entsprechend der nach Kriegsende in der SBZ entstandenen territorialen Ordnung in fünf Kapiteln, denen jeweils eine Übersicht über die auf dem gegebenen Territorium stattgefundenen Namenänderungen vorangestellt ist. Diese Übersichten sind am Ende für die gesamte SBZ/DDR in alphabetisch nach historischen bzw. nach in der NS-Zeit eingeführten Ortsnamen geordneten Listen noch einmal zusammengefasst. Verf. hat mit Recht für Brandenburg die mit Abstand niedrigste Rückbenennungsquote ausgemacht und daran die Schlussfolgerung geknüpft, dass hier im Gegensatz zu Sachsen und Mecklenburg die Chance zur Rückbenennung kaum genutzt worden sei. Das Geschehen in Brandenburg eignet sich deshalb am besten für eine Beurteilung der Ergebnisse und für die Diskussion der getroffenen Verallgemeinerungen. Dabei kann den erhobenen Daten aus brandenburgischer Sicht im Wesentlichen zugestimmt werden. Mit der auf Quellen gegründeten Darlegung der NS-Ortsnamenspolitik füllt Verf. eine seit langem bestehende Forschungslücke. Gleichzeitig liefert er selbst Beweise, dass dieses Gebiet für Vergleiche zwischen dem NS-Regime und der SBZ/DDR, die von der Totalitarismus-Theorie ausgehen, ein vermintes Gelände Die Darstellung des Umgangs mit den Ortsnamen in der Zeit des Faschismus ist beispielhaft gelungen. Für die Behandlung des Geschehens in der SBZ/DDR kann das nicht attestiert werden. Die Verallgemeinerungen rufen deshalb Bedenken hervor; auch muss Widerspruch erhoben werden. Das wirkliche Geschehen war komplexer, komplizierter und auch anders als vom Verf. dargestellt. Zugang dazu ist nur zu gewinnen über den Einblick in die Funktion des Verwaltungsapparates nach Kriegsende und in das Wirken des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Ersterer war in den ersten Monaten nach Kriegsende vor allem in den Ebenen über den Gemeinden überhaupt nicht in der Lage, ordnend oder regelnd einzugreifen; letzteres wurde als so hohes Gut behandelt, dass es den Gemeinden über lange Zeit ein tatsächlich selbständiges Entscheiden über ihre Angelegenheiten ermöglichte. Das fand in der D G O seine rechtliche Ausformung und in der Politik der Provincial- und Länderverwaltungen realen Ausdruck und äußerte sich nicht nur im souveränen Umgang mit den Gemeindenamen, sondern auch in der
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selbständigen Bestimmung des eigenen kommunalreehtliehen Status. In derselben Zeit, in der die Gemeinden Entscheidungen über Rüekbenennungen zu treffen hatten, schlossen sich in der Provinz Brandenburg mindestens 45 Gemeinden mit anderen zusammen; mindestens 80 Orte gliederten sich aus bestehenden Gemeinden aus. Mit einer bis zum Äußersten getriebenen Auslegung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts wurde der überwiegende Teil dieser Eigenmächtigkeiten geduldet. Nicht anders bei den Rüekbenennungen. Die bis zum lirlass rechtlicher Regelungen selbständig vorgenommenen Rüekbenennungen wurden akzeptiert. Diese als „stillschweigende Rüekbenennungen" zu bezeichnen (S. 105, 246/247), trifft die Sache keinesfalls. Auch danach blieb es dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden überlassen, über ihren Namen allein zu befinden. Die in Mecklenburg formulierte Haltung, von Amts wegen keine Namensänderungen zu veranlassen, sie vielmehr auf Antrag der Gemeinden zu bearbeiten, kann somit als Handlungsmaxime in allen Ländern der SBZ gelten. Denn es gab keine zentralen Orientierungen oder Abstimmungen, aus denen die Intentionen der neuen Machthaber ersichtlich geworden wären. Die Deutsche Verwaltung des Innern hatte Kommunalpolitik nicht auf ihrer Agenda. Im Kommunalpolitischen Beirat beim ZS der SEE) wurde das Thema Ortsnamen nicht erörtert. E)ie Haltung der brandenburgischen SED-Führung auf der der Interpretation der DGO gewidmeten Kreiskommunalkonferenz am 23. Oktober 1916 hingegen war eindeutig: Die Partei wünsche es nicht, „nur irgendwie den Anschein zu erwecken, als wollten wir Rechte irgendwelcher Bevölkerungskrei.se mißachten". Die in den einzelnen Ländern geltenden unterschiedlichen Regelungen und Verfahren für den Umgang mit Ortsnamen glichen sich deshalb nur in einem: dem alleinigen Recht der Gemeinden, über ihren Namen zu befinden. Deshalb ist die Angabe (S. 18) falsch, die sächsische Regierung habe am 12. Januar 1918 die amtliche Rückgängigmachung von NS-Umbenennungen verfügt. Sie ist falsch, weil nicht die Regierung, sondern der Landtag in Aktion getreten war; sie ist vor allem unrichtig, weil es sich dabei lediglich um die Bestätigung längst von den Gemeinden selbst vorgenommener und vom Verf. GS. 246) auch richtig eingeordneter Rüekbenennungen handelte. Abwegig ist die Feststellung (S. 81), dass sich die Angliederung der vier niederschlesischen (preußischen) Kreise an Sachsen in Bezug auf die Ortsnamenkontinuität als „sehr vorteilhaft* erwiesen hätte. Dieses Gebiet war erst zum 9. Juli 19-15 zu Sachsen geschlagen worden und hatte sich bis dahin selbständig verwaltet. Die Feststellung (S. 153), Märkisch Rietz (Kr. Beeskow-Storkow) habe seinen alten Namen Wendisch Rietz „gar durch Ministerbeschluß" zurückerhalten, entspricht nicht dem tatsächlichen Verlauf. Nach § 1 des Gesetzes über die Änderung bestehender und die Beilegung neuer Orts- und Kreisnamen vom 28. Juni 1917 (GVB1. S. 20) war der Beschluss der Gemeindevertretung die alleinige rechtserhebliche Grundlage für die Änderung von Ortsnamen. Der Minister des Innern hatte dazu lediglich die Zustimmung zu gewähren. In seiner Begründung des Gesetzentwurfes im brandenburgischen Landtag hatte Minister Bechler dieses Zustimmungsrecht als rein verwaltungstechnisches Instrument definiert: Es müsse eine Stelle vorhanden sein für die Koordinierung der Namensgebung, vor allem um namengleiche Orte zu vermeiden und den daran interessierten Stellen vorgenommene Änderungen mitzuteilen. Die ursprüngliche Absicht, die Namenfrage durch „Ministerbeschluss" zu regeln, war nach der Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit Verfassung und DGO schnell aulgegeben worden. Lietz erwähnt diesen Umstand ebenso nicht, wie die Einlassung Bechlers vor dem Landtag. In praxi fanden alle Anträge die Zustimmung des Ministeriums. Es verdient in diesem Zusammenhang eine allgemeine Beobachtung angeführt zu werden: Sowohl Innenminister Bechler wie auch sein Nachfolger Lentzsch waren im Gegensatz zu ihren aus der preußischen Verwaltungstradition stammenden
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Referenten, die die Exekution von Rechtsvorschriften gewohnt waren, geradezu ängstlich bemüht, die Rechte der Gemeinden nicht anzutasten. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge hätte auch den Zugang zum Geltungsdatum der Rückbenennung von Märkisch Rietz in "Wendisch Rietz eröffnet. Es war tatsächlich der 1. August 1917 und nicht wie Verf., der (S. 113, Anm. 189) den 1. August 1918 angibt und einen Druckfehler vermutet. Am 1. August 1917 nämlich hatte die Gemeindevertretung von Märkisch Rietz die Rückbenennung beschlossen. Diese ist deshalb auch nicht, wie an anderer Stelle (S. 50, Anm. 67) behauptet, gesetzlich oder - wie bereits erwähnt - durch Ministerbeschluss sanktioniert worden. Es gab deutlichere und schwerwiegendere Hinterlassenschaften der NS-Zeit als Ortsnamen, die so schnell wie möglich getilgt werden mussten. Und liier nahm tatsächlich die Verwaltungsspitze Einfluss. Auf dem nach Kriegsende die Provinz Mark Brandenburg bildenden Territorium hatte es zwar keine Ortsbenennungen nach NSDAP-Eührern, nach Symbolen der Nazipartei oder ihrem Traditionsverständnis gegeben, u m s o mehr hatten sich diese aber in Namen von Straßen, Plätzen und Gebäuden manifestiert. Nachdem schon früh Landräte deren Beseitigung angeordnet hatten, erklärte sich die Abteilung Inneres der Provinzialverwaltung am 21. Januar 1916 mit den durch die zuständigen Stellen vorgenommenen Änderungen einverstanden. Am 28. September 1916 ordnete der Runderlass Nr. IV/012 des Präsidenten der Provinzialverwaltung auf Grund des Befehls Nr. 30 des Alliierten Kontrollrats die Beseitigung aller faschistischen und militärischen Denkmäler an. Indem er die frühe Sorbenpolitik in der SBZ in seine Untersuchungen einbezieht, will Verf. auch anhand der Ortsnamenpolitik beweisen, dass den Sorben „wichtige politische Minderheitenrechte" vorenthalten wurden. Obwohl er - gestützt auf Kotsch - die Sorbenpolitik ausführlich ausbreitet, gelingt ihm nicht ein einziger Beweis für deren Verbindung mit dem Problem der Rückbenennung. Er belegt auch nicht seine Behauptung, dass die Wiederbelebung slawischer Namen für „unzweckmäßig" gehalten worden wäre. Dieser Gegenstand wurde vielmehr e b e n s o wie die gesamte Ortsnamenproblematik in keinem politischen Gremium thematisiert und von keiner Partei diskutiert. Auch die Betonung der sezessionistischen Bestrebungen der Sorben führt in die Irre. Den Verantwortlichen in Potsdam und Dresden war aus eigenen Erfahrungen bewusst, dass die sowjetische Besatzungsmacht an den gemeinsam mit ihren alliierten Bündnispartnern festgelegten Nachkriegsgrenzen Deutschlands im Alleingang nichts ändern würde. In Brandenburg waren nach den vom Verf. vorgelegten Zahlen in der NS-Zeit 30 politische Gemeinden mit Namen slawischen Ursprungs umbenannt worden, und zwar 17 in von Sorben besiedelten Kreisen und 13 in den übrigen Gebieten. Beim Vergleich dieser Zahlen offenbart sich ein interessanter Unterschied, der wohl das Verhältnis der sorbischen Bevölkerung zu ihren angestammten Gemeindenamen zu illustrieren und den Vorwurf des Verf. zu relativieren vermag: Von den 17 Gemeinden in den sorbisch besiedelten Kreisen nahmen fünf, also ein Drittel, von den 13 Gemeinden in anderen Kreisen zwei, also nur ein Sechstel, ihre alten Namen wieder an. Es muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, die Interessenlage in den von Sorben bewohnten Gemeinden, die Umbenennungen hingenommen und Rückbenennungen sogar bekämpft hatten, zu analysieren und in diesem Zusammenhang auch die Politik der sorbischen Selbstverwaltungsgremien nach deren Haltung zur Ortsnamenfrage abzuklopSincl schon die politisch-konzeptionellen Schlussfolgerungen - z.T. aus den Ergebnissen der eigenen Untersuchungen des Verf. - nicht haltbar, so sind handwerkliche Fehler im Analyseteil u m s o ärgerlicher. Es fehlt eine Reihe von Orts- und Gemeindeverzeichnissen, die den Wandel und eventuelle Begleitumstände abzubilden vermögen. Aus brandenburgischer Sicht soll ledig-
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lieh auf die historischen Ortslexika von Brandenburg und der Niederlausitz hingewiesen werden. Nicht nur das Literaturverzeichnis könnte durch die Aufführung relevanter Titel gewinnen. Die ebenfalls fehlenden sächsischen ..Verzeichnisse" der seit Mai 1945 vollzogenen Veränderungen im Gemeindebestand vom 30. Mai 1952 hätten Verf. außerdem Anlass zu weitergehenden Überlegungen vermitteln können, denn obwohl sie angeben, auch umbenannte Gemeinden aufzulisten, fehlen bis auf die Erwähnung der Rückbenennung von Tetta (Kr. Niesky) alle anderen Namensänderungen in den ehemals niederschlesischen Kreisen. Die Tabellarische Übersicht über Umbenennungen in der Provinz Brandenburg (S. 113—117) bedarf einiger Ergänzungen u n d Richtigstellungen. Aus der Umbenennung von Wendisch Buchholz (Kr. Beeskow-Storkow) in Märkisch Buchholz folgte die Änderung der amtlichen Zusatzbezeichnung „Wendisch" in „Märkisch" bei den Gemeinden Birkholz und Neuendorf bei "Wendisch Buchholz. Beide Gemeinden führten wie ihre Bezugsgemeinde die geänderte Zusatzbezeichnung nach Kriegsende fort. Vier Gemeinden wurden in der NS-Zeit nicht umbenannt; sie verloren ihren Namen vielmehr durch Hingemeindung. Drei von ihnen wurden deshalb nach Kriegsende auch nicht rückbenannt; sie erlangten durch Ausgliederung ihre kommunale Selbständigkeit und damit ihren angestammten Namen zurück. Es handelt sich im einzelnen um Saccasne (nicht Saccassne wie bei Lietz, S. 116, 267) (Kr. Cottbus), Sabrodt und Sawall (Kr. Beeskow-Storkow). Zscliornegosda (Kr. Calau) war mit Naundorf bei Ruhland zu der neuen Gemeinde Schwarzheide zusammengeschlossen worden, die auch nach Kriegsende Bestand hatte. Nachforschungen nach der Namensgebung der Gemeinde Sorno (Kr. Calau) werden nicht durch die 1971 erfolgte Abbaggerung erschwert (S. 119), sondern durch andere Umstände. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts führte diese Gemeinde die Zusatzbezeichnung „Wendisch". Die fälschliche Annahme, dass dieser Zusatz noch in amtlichen Verlautbarungen aus der Zeit nach dem 1939 erfolgten Stopp der Umbenennungen aufgeführt, aber nach 1945 nicht mehr verwendet worden wäre, gab Anlass zu Spekulationen. Iietz datiert die Streichung auf die Zeit zwischen 1943 und 1944. Beweise dafür kann er weder ausmachen noch vorlegen. Dagegen hätte er in Gemeindeverzeichnissen aus der Zeit unmittelbar vor und nach dem Kriegsende den Ortsnamen Wendisch Sorno entdecken können. Amtliche Unterlagen indessen zu einer Umoder Rückbenennung konnten gar nicht gefunden werden, da es beides niemals gegeben hatte. Der Zusatz „Wendisch" war zu keiner Zeit Bestandteil des amtlichen Ortsnamens. Er wurde lediglich zur Unterscheidung von Sorno (Kr. Luckau) geführt, das selbst wiederum - ebenfalls zur besseren Kennzeichnung - den nichtamtlichen Zusatz „Deutsch" verwendete. Abzugleichen sind die sich widersprechenden Eintragungen zum Namenswechsel von Wendisch "Warnow (Kr. Westprignitz) zu Klein "Warnow (S. 111, 271, 279), übrigens in beiden Fällen ohne Bindestriche zwischen den Namensbestandteilen. Bleibt noch die Schreibweise der Namen zweier sächsischer Gemeinden zu korrigieren: Birkenhain (nicht Birkenheim, S. 55, 275); Teichroda (nicht Teichrode, S. 59, 282). Da Verf. seine Betrachtungen über das gewählte Thema hinaus auch auf die allgemeine Ortsnamenspolitik in der SBZ/DDR ausdehnt, um damit eine „neue Phase des Umlügens der Geschichte" (S. 219) zu beweisen, sind einige Bemerkungen auch dazu erforderlich. Er macht seine These am brandenburgischen Namensgesetz fest, das „insbesondere nach Gründung der DDR zur Untermauerung neuer ideologischer Machtansprüche durch neue Umbenennungen genutzt" wurde GS. 144). Weder Wortlaut noch Sinn des Gesetzes noch seine I Iandhabung indessen rechtfertigen diese Auffassung. Iis war ein reines Verfahrensgesetz, das die administrative Behandlung von Anträgen auf Änderung von Gemeindenamen unabhängig von ihrer Motivation regelte. Während der gesamten Zeit des Bestehens der Provinz bzw. des Landes Bran-
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EINZELNE
GEBIETE
clenburg hat es keine von zentralen Stellen oder dem Landesvorstand der SED veranlasste Ortsnamensänderung gegeben. Einzelne Initiativen zur Änderung von Ortsnamen, die von der SED-Landesleitung ausgingen, hatten keinen Erfolg. Das gleiche Schicksal war dem einzigen Versuch beschieden, von einer zentralen Verwaltung der SBZ aus Einfluss auf die Namensgebung zu nehmen. Der Präsident der Deutschen Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft, Hoernle, konnte seine Forderung nach Umbenennung von im Zuge der Bodenreform aufgesiedelten Gutsdörfern nicht durchsetzen. Entsprechende Weisungen seiner Verwaltung gelangten über das Entwurfsstadium nicht hinaus. Abseits aller ideologisch motivierter Verklärung oder Zuspitzung bleibt also als allein bestimmender Faktor der Ortsnamenspolitik in dem vom Verf. behandelten Zeitraum die unbedingte Respektierung des neu gewonnenen kommunalen Selbstverwaltungsrechtes. Der Wille der Gemeinden, ausgedrückt in den Beschlüssen ihrer Beschlusskörperschaften, wurde respektiert und exekutiert. Ein ernsthaftes Urteil muss deshalb von einer Güterabwägung zwischen Achtung des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes und clem I Iinwirken auf die Kontinuität slawischer Ortsnamen ausgehen. Auch über den von Redlich gegebenen I Iinweis auf das Verhältnis von Einsprachigkeit und Ortsnamengestaltung sollte nachgedacht werden. Daneben sprachen rein praktische, wie auch auf anderen Gebieten oft aus der Notsituation der Nachkriegszeit herrührende Überlegungen dafür, die Ortsnamenfrage als untergeordnetes, weil vor allem kostenaufwendiges Problem einzuordnen. Davon ließen sich auch DWK und Postverwaltung leiten, als sie sich grundsätzlich gegen Umbenennungen aussprachen. Der vom Verf. schließlich selbst (S. 248/249) vertretenen abschließenden Auffassung ist deshalb nichts hinzuzufügen. Um die Durchsetzung von totalitärem Machtanspruch hingegen, das Wirken stalinistischer Herrschaftsausübung in der SBZ/DDR zu exemplifizieren und als Folge dessen auf die recht große Anzahl nicht rückbenannter Orte zu verweisen, hätte sich Verf. kein ungeeigneteres Übungsfeld auswählen können. Potsdam
Wolfgang
Bloß
B. EINZELNE GEBIETE 1. Berlin Polizeipräsidium Berlin. Politische Angelegenheiten 1809-1915. Sachthematisches Inventar. Bearb. v. Rudolf KNAACK U. Rita STUMPER (Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin, L?d. f f ; Einzelveröffentlichung des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, L?d. IV). Berlin: Selbstverlag des Landesarchivs 2007. ISBN 978-3-9803303-2-9. - LH, 1083 S.; 34,90 Euro. Die diesen Band herausgebenden Archive setzen hiermit ihre in letzter Zeit in ansehnlicher Zahl publizierten, vorbildlichen Findhilfsmittel, darunter Bestandsübersichten, fort. Es geschieht in spezifischer Form, indem jetzt ein Teil des sehr bedeutsamen Bestandes A Pr. L?r. Rep. 030 Polizeipräsidium Berlin in einem Sachthematischen Inventar vorgestellt wird. Die Archivdirektoren, Klaus Neitmann für das Brandenburgische Landeshauptarchiv (BLIIA) und Uwe Schaper für das Landesarchiv Berlin (LAB), weisen in ihrem Vorwort darauf hin, dass beide Archive, das BLHA von 1950 bis 2001, das LAB seit 2001, für die Bewahrung, Zusammenführung und Erschließung dieses Bestandes bereits umfangreiche Arbeiten geleistet haben, denen Rudolf
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Knaack und Rita Stumper als langjährige zuständige Mitarbeiter des BLIIA mit diesem Band ein weiteres fruchtbares Ergebnis, gewissermaßen ihre wissenschaftliche Lebensarbeit abschließend, hinzufügen. Das Sachthematische Inventar gibt eingehend Kenntnis über das im L?estand Polizeipräsidium Berlin (etwa 700 lfm. mit ca. 76000 Akteneinheiten - S. XXXIII/XL) vorhandene und sehr inhaltsreiche Quellenmaterial zur politischen Geschichte, über „Politische Angelegenheiten 1809-1945", wie im Untertitel angezeigt. Es wird erwähnt GS. XXXIII, Anm. 29), dass sich zudem im „Zentrum für die Autbewahrung historisch-dokumentarischer Sammlungen" in Moskau noch 299 Akteneinheiten des Polizeipräsidiums befinden, über deren Inhalt hier allerdings nichts ausgesagt werden kann. Da das Polizeipräsidium eine Behörde war, „deren Aufgabengebiet, besonders auf dem Gebiet der politischen Polizei, über den Raum Berlin-Brandenburg, ja sogar über Preußen und Deutschland hinausreichte" (S. XXV-XLIX), sind die Akten teilweise von ..zentraler Bedeutung für die preußische und deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" (S. XXI). Die wechselvolle, mit der Geschichte der Stadt- und Landesgeschichte eng verknüpfte Geschichte des Berliner Polizeipräsidiums ist übersichtlich von seiner ..Geburt" (mit Kabinettsorder Friedrich Wilhelms III. vom 25. März 1809) bis zum Zusammenbruch 1915 (als Institution bekanntlich bis heute existent) dargestellt (S. XXI ff.). Diese Strukturgeschichte wird ergänzt durch eine Liste der Polizeipräsidenten (im Register S. 1021-1023), mit und zum Teil leider ohne Lebensdaten. Rudolf Knaack gibt dann einen Liberblick über die Bestandsgeschichte und speziell über die Neuordnung des Bestandes GS. XXXII-XXXIX), die zu einer „ganz andere(n) Ordnung ... als die ... gewohnte" geführt hat, die dem Sachthematischen Inventar zugrunde liegt (und für den Gesamtbestand noch nicht abgeschlossen ist - S. XXXIV f.). Es sind 19 Hauptgruppen gebildet worden, wovon die Politischen Angelegenheiten die Hauptgruppe bilden, die den „weitaus größten Teil des vorliegenden Inventars ausmacht" und ..nach den politischen Strömungen in historischer Abfolge und dann nach territorialen Gesichtspunkten geordnet" ist. Diese I Iauptgruppe wurde vor allem aus den ehemaligen Titeln 94 Geheime Polizeiregistratur, 95 Politische Abteilung und 165 Zensur-Sachen gebildet (S. XXXVI). Diese alten Signaturen sind bei der Neuverzeichnung angegeben, so dass die Auffindung früher in der Literatur so zitierter Akten möglich ist; insgesamt erleichtert aber die von Knaack durchgeführte Neuordnung die Benutzung der Akten „ganz erheblich" (S. XXXVII f.). Im Einleitungsabschnitt „Überlieferungslage und Auswertbarkeit" GS. XXXIX ff.) wird unterstrichen, dass „die politischen Strömungen im Mittelpunkt des Inventars" stehen, während andere Themen wie Wirtschafts-, Siedlungs-, Medizinalpolitik (Leider) weitgehend unberücksichtigt bleiben. Akten sozial- und kulturpolitischer Thematik finden sich partiell (vgl. 15, II/III). Es versteht sich, dass Forschungen zur politischen Geschichte des angezeigten Zeitraums und zentriert auf Berlin-Brandenburg natürlich korrespondierende Akten z.B. der Ministerien des Innern im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, im Bundesarchiv Berlin oder auch im BLIIA (Regierung Potsdam) nutzen müssen. R. Knaack gibt eine Übersicht über die Überlieferung zur politischen Geschichte und bezeichnet sie zusammenfassend als gut (S. XLIX). Den Schwerpunkt bei der Auswertung bilden Akten zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung (dazu vgl. auch spezielle Inventare des BLI IA von 1963 und 1999 IT. E. Beck] - Anm. 36 - und die publizierten „Dokumente aus geheimen Archiven" aus dem BLI IA - Anm. 37/38). Die Überlieferungen aus den einzelnen Perioden sind unterschiedlich, am umfangreichsten und inhaltschwersten für die Jahre 1878 bis 1913, also die Zeit des „Sozialistengesetzes" und der Entwicklung der sozialistischen Massenbewegung durch SPD und Gewerkschaften. Es soll auch erwähnt werden, dass
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die polnische sozialistische Bewegung sowie sozialdemokratische und anarchistische Strömungen in den preußischen Provinzen, den Bundesstaaten und im Ausland dokumentiert werden. Für die Zeit der Weimarer Republik sind z.B. Akten der Schutzpolizei über die Streikbewegungen und die IJberwachung der KPD und kommunistischer Organisationen von Bedeutung. Für Forschungen zu letzterer Thematik können auch zahlreiche Akten der Abteilung I Α herangezogen werden. Für die Zeit ab 1933, als aus der Abteilung I Α des Polizeipräsidiums die Gestap o entstand, sind zur Geschichte der Arbeiterbewegung Berichte über politische Vorfälle und Strafakten der Kriminalpolizei überliefert. Durchgehend interessant und bedeutend sind die Personen-Überwachungsakten. Beobachtet wurden auch bürgerliche Parteien und Verbände, Persönlichkeiten aus dem Vormärz, der Revolution 1818/19 und anderen „mißiiebigen" Bestreb u n g e n (Quellen zur Geschichte des Liberalismus, des Zentrums, bürgerlicher Parteien und Vereine überhaupt). Von allgemeinem Interesse dürften die L?ände über die Antisemiten der 90er Jahre des 19. Jh. sein. Über den Terror der Nazis gegen die Juden sind Akten über jüdische Vereine, z.B. die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Berichte über politische Vorfälle und Akten der Kriminalpolizeistelle Berlin verzeichnet. Akten der Kriminalpolizei gibt es über „politische Straftäter", Juden, Ausländer, Zigeuner. Da die Akten der Politischen Polizei über bürgerliche Prateien und Verbände nach 1918 weitgehend fehlen, sind die im L5LHA (Rep. 2 A, Reg. Potsdam) in 12 Bänden vorhandenen Akten der Jahre 1929-1933 des Landes-Kriminalpolizeiamtes berücksichtigt, die im Anhang (S. 1004-1007) aufgelistet sind. Außerdem findet sich hier (im Anhang S. 1003 f.) der Gesamtüberblick über die polnische Tagesliteratur und der Gesamtüberblick über die polnische Presse. Die Akten sind in sieben Hauptgruppen übersichtlich und systematisch, in sich chronologisch geordnet inventarisiert. Für jemanden, der in der „Republik der Habenichtse", der Engpässe und des Mangels, in der das Prinzip „Spare mit jedem Gramm ..." galt, gewohnt war zu arbeiten, ist das Layout des Bandes fast zu großzügig gestaltet, u n d der Druck hätte ein paar Punkte kleiner ausfallen können, dann wäre der Band handlicher geworden; natürlich ist er so besonders für Nutzer mit alternden Augen sehr entgegenkommend. Die 1. Hauptgruppe „Politische Angelegenheiten" nimmt mit 37 Positionen den weitaus umfangreichsten Teil des Inventars ein (S. 1-911). Diese, im Inhaltsverzeichnis aufgeführten Untergruppen sind dann in der detaillierten Auflistung mit den Aktentiteln einzeln bezeichnet und mit Inhaltsangaben und der alten wie der neuen Signatur (im Fettdruck) versehen. Besonders vermerkt sind die in der jeweiligen Akte vorhandenen Druckschriften, vielfach auch die Namen der erwähnten Persönlichkeiten (evt. mit Foto), für deren Auffinden außerdem ein zuverlässiges Personenregister im Anhang beigegeben ist. Beispielhaft: Die Untergruppe 7 „Demokratische Bewegung" (S. 13-91) ist untergliedert in 7.1. Allgemeines, 7.2. Vereine, 7.3. Presse, Druckschriften und 7 . 1 Überwachung von Personen A-Z (welche den größten Teil ausmacht, S. 58-94). I Iier finden sich Akten über Bruno Bauer, Ferdinand Freiligrath, Ludwig Bamberger u.v.a.m., zudem der Hinweis, dass sich in 22.3. Liberale Bewegung außerdem Personen-Überwachungsakten finden, Personen, z.T. mit Lebensdaten, L?eruf u.a. - Muster an Akribie! Im Kopf dieser Inventargruppe zusätzliche Hinweise auf die korrespondierenden Abschnitte 5. Revolution 1818/19, 6. Polizeikonferenzen und "Wochenberichte, 10. Frühe Arbeiter- und Handwerkervereine, 22. Liberale Bewegung sowie die gesonderte I Iauptgruppe Schutzpolizei 1.1. LJnruhen (s. dazu S. 971-996). Die weiteren I Iauptgruppen: Dienst-, 927), Theater GS. 929-940), Vereine GS. Schutzpolizei GS. 971-996). Daraus dürfte Tätigkeit des Polizeipräsidiums Auskunft
Organisations- und Personalangelegenheiten (S. 923941-955), Kriminal- u n d Justizsachen (S. 957-971), ersichtlich sein, wie weit und breit die Akten über die geben. Es wäre eine Überforderung an das Inventar,
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z.B. eine weitere Auffächerung etwa der 165 Bände aus der NS-Zeit 1.2. „Juden" in der Bestandsgruppe Kriminal- und Justizsachen zu erwarten. Gleiches müsste man für die 174 Ilauptbäncie 1.3. ..Zigeuner" oder die 732 Akten 1.4. ..Ausländer" sagen. Diese Detailarbeit hat der Benutzer selbstverständlich selber zu leisten. Vielleicht sollte man ihn allerdings darauf hinweisen, dass die Archivalien bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in der „Sütterlin"-Handschrift verfasst sind, also deren Kenntnis vorausgesetzt werden muss. (Ich erinnere an einen japanischen Kollegen, der über europäischen Anarchismus um 1900 forschen wollte, wie er an der Schrift der Dokumente im BLIIA scheiterte). Der Band enthält ein sachbezogenes Quellen- und Literaturverzeichnis; hier ist besonders auf die grundlegenden Arbeiten Rudolf Knaacks zu verweisen sowie auf die bereits seit den 1980er Jahren aus den Akten des Polizeipräsidenten publizierten Quelleneditionen (8. 1012 f.). Das „Sachthematische Inventar", das mit einem umfangreichen Register der Personen und der geographischen Namen schließt, erweist sich als ein hilfreicher, hervorragender Wegweiser zu den Akten des Polizeipräsidiums Berlin für die ganze Zunft: ..AD FON'I'LS !" Berlin
Ingo Mater na
SCHMITZ, Frank: Landhäuser in Berlin 1933—1945 (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Beih. 311 Berlin: Gebr. Mann 2007. ISBN 978-3-7861-2543-3. - 403 S., 368 s/w-Abb.; 89,- Furo.
Der Autor betont in seinem Vorwort zu Recht, dass der Blick auf die Staatsarchitektur dieser Jahre von 1933 bis 1915 nicht „den Blick auf die Vielzahl des tatsächlich Gebauten, insbesondere im Bereich des Wohnungsbaus", verstellen dürfe. Die Aufgabe, eine der vielen Wissenslücken zur Berliner Baugeschichte zu schließen, erfüllt Schmitz, indem er sich dem privaten Finfamilienhausbau der Jahre 1933 bis 1945 in einem breit ausgelegten Themenkatalog von ..Konservative Tendenzen im Wohnhausbau" über „Das .kleine' I laus", „Das .moderne' I laus" und weitere Einzelbetrachtungen bis hin zu „Das .typische' Haus" zuwendet. Eine Untersuchung zu „Biografische Verflechtungen - Entwerfer und Auftraggeber von Einfamilienhäusern im Dritten Reich" schließt die Folge der Einzeluntersuchungen ab, eher ein Katalog mit mehr als fünfzig, exemplarisch ausgewählten Einfamilienhäusern die im Standardwerk „Berlin und seine Bauten" Bd. V aufgeführten eher selten benannten Beispiele dieser Epoche deutscher Geschichte tatsächlich erheblich erweitert. Es bleibt schon ein Bild vielfältiger Ausdrucksformen, die sich nicht über den Kamm von vereinheitlichender NS-Ideologie scheren lassen. Hier mag tatsächlich eine Rolle gespielt haben, dass der Einfamilienhausbau wegen seines propagandistisch eher geringen Stellenwertes relativ unbeschadet eine Art Eigenleben fristen konnte. Nicht auszuschließen ist jedoch auch, dass diese Gebäudegattung — wenn auch unmerklich — doch den großen Fntwicklungszügen der ..Staatsarchitektur" gefolgt ist: Die frühe NS-Architektur, wie sie sich etwa in den Bauten von Richard Frmisch oder Ernst Sagebiel ausdrückt, entwickelte sich noch aus Tendenzen der Jahre Lim 1930, ehe dann mit Albert Speer Lim 1938 herum eine auch historisierende Impulse aufnehmende Architektur sich durchzusetzen begann, früh ablesbar am Haus des Deutschen Städte- und Gemeindetages (Ernst-ReLiter-Haus) von 1938 an der am 19· April 1939 eingeweihten Westachse, besonders prägnant dann in den Entwurf geblichenen Projekten Cäsar Pinnaus. Auf dem Gebiet des Einfamilienhausbaus kommt diese Entwicklung wohl in der Spannweite zwischen dem Wohnhaus von Walter March von 1933 und dem Haus für Margarete Rose von 1939 zum Ausdruck. Dazwischen, wenn auch bereits 1931 entworfen, das relativ kleine Haus Albert Speers, das fast merkwürdig eine das straßensei-
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tige Erscheinungsbild auftrumpfend beherrschende, schon historisierende Eingangssituation (im Repertoire von Paul Troost?, in dessen Entwurf gerade der Empfangssaal der Reichskanzlei entsteht) mit einem großflächigen Panoramafenster auf der Gartenseite und hier in unausgegorener Konkurrenz zu mit Sprossen unterteilten Fenstern und Terrassentüren kombiniert. Zwischen solchen eher seltenen Vertretern dann die breite Palette von Einfamilienhäusern in der Gefolgschaft von Schulze-Naumburg bis hin zu denen der Henselmann und Scliaroun. Die ..Biografischen Verflechtungen" begründen dann noch einmal die Vielfalt der baukünstlerischen Ausdrucksformen, meistens in den zwanziger Jahren im Studium bei Poelzig und Tessenow erworben. Es ist Schmitz zuzurechnen, dass er tatsächlich eine den Blick auf diese Epoche aufweitende Arbeit verfasst hat, die zu weiteren Untersuchungen ermuntert. Berlin
Helmut Engel
2. Brandenburg Partenheimer, Lutz: Die Entstehung der Mark Brandenburg. Mit einem lateinischdeutschen Quellenanhang. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2007. ISBN 978-3-if2-17106-3. - 216 S., 12 s/w-Abb. auf 8 Tfn.; 19,90 Euro. Der Autor des hier zu besprechenden Bandes ist einer der wenigen durch zahlreiche Publikationen ausgewiesenen, in Lohn und Brot stehenden Historiker, die sich mit der Frühgeschichte Lirandenburgs (10.-12. Jahrhundert) beschäftigen. Dieser, Schüler des verdienstvollen Landeshistorikers Helmut Assing (ehemals Ordinarius an der Universität Potsdam), legt ein Buch vor, welchem eine weite Verbreitung zu wünschen ist. Denn trotz einiger repräsentativer Publikationen zur brandenburgischen Geschichte (Brandenburgische Geschichte 1995, Städtebuch Brandenburg und Berlin 2000 und Brandenburgisches Klosterbuch 2007) ist es um die brandenburgische Landesgeschichte nicht gut bestellt, auch wenn führende Politiker des Landes die Lage gern „schönreden". Landesgeschichtliche Forschung des Mittelalters kann nicht nur auf den Schultern des Brandenburgischen Landesliauptarchivs realisiert werden. Von der Ausbildung eines fachlich kompetenten Nachwuchses - ob es nun I Iistoriker oder historisch interessierte Lehrer sind - soll gar nicht die Rede sein. Die kurz skizzierte Situation brandenburgischer Landesgeschichtsforschung spiegelt sich auch im Vorwort zum vorliegenden Band wider (vgl. zu den politischen Irritationen des Jubiläums auch Tagesspiegel vom 11. Juni 2007). Die Eroberung einer slawischen Festung am 11. Juni 1157 durch Albrecht den Bären im Verbund mit dem Erzbischof von Magdeburg und damit die Entstehung der mittelalterlichen Mark Brandenburg gebührend „zu feiern", scheint für zahlreiche Zeitgenossen eine unüberwinclbare geistige I Iürde zu sein. Ereilich stellt sich die Frage, was unter „Feiern" zu verstehen ist. I Iistorisch lässt sich behaupten, dass die Mehrzahl der ..Staatengründungen" durch kriegerische Ereignisse erfolgte. Man betrachte nur die jüngsten Vorgänge auf dem Balkan. Mit solchen Tatsachen geschichtsbewusst umzugehen, fällt wohl zahlreichen Angehörigen der sogenannten geistigen Elite dieses Landes ziemlich schwer. Geschichtsbewusstsein entsteht aber nicht im Selbstlauf. Dafür muss man etwas tun. Dieses Tun wirft leider keine berechenbare Rendite ab. P.s Band ist nun als ein Beitrag zur Ausbildung eines brandenburgischen Geschichte- und Identitätsbewusstseins zu interpretieren. Das Buch gliedert sich in zwei I Iauptteile. Im ersten Teil bietet P. einen historischen Abriss der Zeit vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, wobei er u.a. die Auseinandersetzungen zwischen Slawen und dem Reich (König Heinrich I. bis zu Kaiser
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BRANDENBURG
Heinrich II.) beleuchtet und sich dem Werdegang der frühen Askanier bis zu Albrecht dem Bären widmet. Ιϊίη kurzer Ausblick auf die Zeit um 1220/1230 beschließt diesen Komplex. Der zweite 'feil beinhaltet 33 Quellenausschnitte aus Chroniken und Urkunden, die F. in eigener IJbersetzung präsentiert. Die gewählte Vorgehensweise impliziert Vor- und Nachteile. Der erste Teil wirkt kompakt und stützt sich hauptsächlich auf Forschungen des Autors und die seines Lehrers, Helmut Assing, wobei alternative Interpretationsansätze des mittelalterlichen Quellenmaterials nicht immer ihren gebührenden Flatz finden. Vergleicht der aufmerksame Leser den ersten und zweiten 'feil, wird er zudem auf einige Unstimmigkeiten stoßen. Fin Beispiel soll hier vorgeführt werden. Seit den 90er Jahren wurde in Berlin und Brandenburg intensiv über den Zeitpunkt und die Implikationen der L?istumsgründungen von Havelberg und Brandenburg im 10. Jahrhundert diskutiert. Historikerinnen und Historiker wie Lieselott Enders, Helmut Assing, Clemens Bergstedt, Dietrich Kurze, Thomas Ludwig, Feter Neumeister u.a. waren an diesem produktiven Diskurs beteiligt. Im historischen Abriss des vorliegenden Bandes plädiert F. auf der Grundlage der Forschungen von Assing und Bergstedt im I Iinblick auf die Brandenburger und I Iavelberger Bistumsgründung für die Zeit Lim 965 (S. 27-29 u. 171-172). Auf 8. 99 des Quellenteils nun konfrontiert P. den Leser mit der Aussage Thietmars von Merseburg im Zusammenhang mit dem Slawenaufstand von 983, dass das Brandenburger Bistum „30 Jahre" vor dem Magdeburger (968) gegründet worden sei. Thietmar wäre im Übrigen auch noch der im 12. Jahrhundert schreibende Annalisto Saxo an die Seite zu stellen, der trotz der sogenannten Brandenburger Gründungsurkunde aus dem Jahre 948 die betreffende Stelle ohne Beanstandung übernahm. Zwischen Urkundendatierung (948) und Thietmars Zeitansatz (938) sah der Verfasser/Schreiber des 12. Jahrhunderts keinen Widerspruch. Leider lässt P. den Leser mit diesem kontroversen Sachverhalt allein (vgl. dazu JBLG 54/2003, S. 51-90). Es wäre also gut, wenn sich im Quellenteil doch von Fall zu Fall einige weitere erklärende Worte fänden. Außerdem bietet F. im Quellenteil neben der deutschen Ubersetzung jeweils einen lateinischen Text. Als Vorbild dürfte die ..Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe" gedient haben. Merkwürdig ist indes F.s Verfahrensweise im Anmerkungsteil. Die langen lateinischen Zitate etwa auf S. 170 f., 172 f. und 186 dürften dem ins Auge gefassten Leserkreis kaum eine Hilfe bieten. Warum blieben diese Passagen unübersetzt? Ein Literaturverzeichnis, eine 'fabeile der bekannten bzw. erschlossenen Kämpfe um die Brandenburg 928/929 bis 1157 sowie ein Orts- und Personenregister vervollständigen den Band. Diese Publikation stellt insgesamt eine sehr gute und vor allem fachlich kompetente Einführung in die frühe Geschichte der Mark Brandenburg dar. Der Quellenteil verdeutlicht in den meisten Fällen, worauf sich historische Erkenntnis stützt. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn zukünftig bei der Betrachtung der brandenburgischen Landesgeschichte auch deren europäische Dimension deutlicher sichtbar werden würde. Der Rezensent hält wenig von einer sogenannten ..Europäischen Geschichte des Mittelalters". Dass die Geschichte Brandenburgs im Mittelalter jedoch im europäischen Kontext zu betrachten ist, steht außer Frage. Die Entstehung der Mark Brandenburg erfordert nicht nur den Blick auf die polnische Geschichte. Zu beachten sind auch die Geschichte der Ostseeanrainer (vor allem Dänemark), die Beziehungen ins westliche Rheingebiet und natürlich die Beziehungen zur Kurie nach Rom. Berlin/Leipzig
Peter Neu meister
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Krause, Heinrich / Kuttl, Karsten (I Ig.): Teupitz. Eine märkische Stadt im Wandel der Zeiten (Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen I Iistorischen Kommission e.V.). Berlin: be.bra Wissenschaft 2007. ISBN 978-3-937233-38-3. - 296 S., 80 s/w-Abb.; 24,90 Euro. Stadtjubiläen haben zurzeit im Land Brandenburg Hochkonjunktur, denn sehr viele brandenburgische Städte entwickelten sich mit dem Städteboom in der ersten I Iälfte des 13· Jahrhunderts. Zu den etwa 1500 Orten des mitteleuropäischen Städtenetzes um 1250 zählten beispielsweise Wusterhausen (1232), Berlin/Cölln (1237), Wittstock (1240/48), Neustadt Salzwedel (1210/18), Frankfurt/Oder (1253) oder Neuruppin (1256). Ein gewisser Sättigungsgrad und das Fehlen an bürgerlichen und herrschaftlichen Ressourcen ließ die Zahl der Stadtgründungen nach 1250 zurückgehen 1 . Vereinzelt kam es danach noch zu Gründungen kleinerer Siedlungen. Teupitz zählt zu eben diesen kleinen zentralen Orten. Wann Teupitz gegründet wurde, lässt sich heute nicht exakt nachweisen. Zumal auch ein fließender Übergang von der wendischen zu einer gemischten Besiedlung denkbar wäre. Lediglich die archäologischen Befunde und die Mühen der historischen Architektur, deren Spuren Wolfgang Niemeyer in dem hier zu besprechenden Band zum Stadtjubiläum detailliert und gut bebildert darlegte sowie die sachkundige Beschreibung der ersten Erwähnungen des Ortes in den Quellen, die Falko Neil linger mit der Transkription der LJrkundentexte, den entsprechenden Abbildungen und der markgräflichen historischen Verortung anreicherte, vermitteln uns heute eine Vorstellung von den Anfängen dieses Ortes im Grenzgebiet zwischen Brandenburg und der Niederlausitz unweit des Teupitzsees, in dem sich jene Insel befand, auf der ein herrschaftliches Schloss erbaut wurde und wohl die Siedlung davor zweckmäßig erscheinen ließ. Beide - Stadt und Schloss (Wasserburg) - veränderten unter verschiedenen Herrschaften und Kulturen ihr Aussehen. Doch während die Stadt über die Jahrhunderte lediglich an zentralörtlichen Funktionen etwas zunahm, erlebte die Wasserburg weit stärkere architektonische und funktionale Veränderungen, wovon u.a. die Nutzung als Amtssitz der königlichen Domäne nach 1717 oder der Hotelbetrieb nach 1981 zeugen. Den mühsamen Weg des „wendischen Fleckens" von den vermuteten ersten slawischen Siedlern, über die wechselnden Landesherren bis hin zum Alltag der Bewohner der sehr ländlich geprägten iVlecliatstaclt in der Frühen Neuzeit schildere Wolfgang Rose. Teupitz (Tupy = ..Schwachkopf" oder „I IinterwäIdler" S. 71) lag so verkehrsungünstig, dass selbst der verheerende Dreißigjährige Krieg den Teupitzern kaum etwas anhaben konnte. Über vier Jahrhunderte gehörte Teupitz den Schenken von Landsberg, die durch Erbteilungen im 17. Jahrhundert immer weniger in der Lage waren, von ihrem Grund und Boden standesgemäß zu leben. 1717 verkauften sie Teupitz an den preußischen König Friedrich Wilhelm I., der so sein Domänenland erweiterte. Teupitz, die „Hauptstadt" der Schenkenschen Herrschaft, kam nun zum Amt Wusterhausen und verlor seine einzige Zentralfunktion, Sitz der I Ierrschaft zu sein. Über das Leben der Teupitzer als königlich preußische LJntertanen ist kaum etwas überliefert. Ländliches Gewerbe gepaart mit einem Handwerk ernährten wohl auch im 18. Jahrhundert die Bewohner. Immerhin erhöhte sich die Einwohnerzahl von 220 im Jahr 1730 auf 372 um 1800. Ob die Kindersterblichkeit zurückging oder einfach nur mehr Kinder geboren wurden oder ob sich der eine oder andere Zuwanderer in Teupitz ansiedelte, bliebe noch zu
1
Siehe I leinz S t o o b W i e n 1985, S. 1 i5 f.
d i g . ' : Hie Stadt. Gestalt und Wandel bis zum industriellen Zeitalter. 2. Aufl. Köln/
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untersuchen. Als sich jedoch zwei jüdische Familien nach Teupitz verirrten, befahl der König Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1734 diese aus der Stadt ..wegzuschaffen" (S. 105). Die antijüdische I Ialtung des Soldatenkönigs ist ja bekannt. Offenbar fürchtete er, dass sich auf seinen königlichen Domänen bald immer mehr Juden neiderlassen könnten, und ließ die Familien daher umsiedeln. Der Grenzort hätte sich ja zum Schmuggeln eignen können. Wie dem auch sei Teupitz blieb auch im Zeitalter der Aufklärung eine ländlich geprägte Siedlung fernab von den großen I Iandelswegen und Kulturzentren des branclenburg-preußischen Staates. In drei weiteren Kapiteln wurde dann von Wolfgang Rose die historische Entwicklung bis in die Gegenwart hinein dargelegt und ansprechend bebildert. Finen interessanten Fxkurs in die brandenburgische Postgeschichte bietet kenntnisreich und sehr detailliert Wolfgang Pinkow. Immerhin erhielt der etwas über dreihundert Seelen zählende Ort f825 eine Postexpedition und damit auch einen zentralörtlichen Bedeutungszuwachs (S. 165). Während des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter der Industrialisierung, veränderte sich die Wirtschaftsstruktur der Kleinstadt nur wenig. Einige Touristen verirrten sich in den von Wäldern und Seen umgebenden schönen Ort. Davon zeugen Gaststätten und Fuhrunternehmer. Doch zu einem nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung führte auch der Tourismus nicht. Innerhalb von 100 Jahren kam es nicht einmal zur Verdopplung der Einwohnerzahl (1900 - 616 Einwohner - S. 113). Einzelne Persönlichkeiten, Bürgermeister, Pfarrer, Mediziner usw., bemühten sich in besonderer Weise um die kulturelle Entwicklung von Teupitz. Eine städtische Volksbibliothek, Vereine und die Maurer-Gewerkschaft zeugen neben den Auseinandersetzungen um die Stäclteorclnung von 1853 von der bürgerlichen Kultur, die dem Zeitgeist entsprach und angesichts des anhaltenden Armutsproblems der kleinen Siedlung durchaus auch überrascht. Im vorletzten Kapitel beschrieb Rose eingebettet in die Landes- und Sozialgeschichte den nicht unproblematischen Bau der psychiatrischen Ileil- und Pflegeanstalt 1904, die Verbesserungen der Infrastruktur, den Ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution, die berühmten Zwanzigerjahre und die Nazizeit bis zur Besetzung Teupitz durch die sowjetischen Truppen am 27. April 1915. Abschließend erhält der Leser kulturhistorische Einblicke in die Geschichte von Teupitz bis in die Gegenwart mit all ihren Brüchen und Zäsuren. Immerhin sind nach der Wende mehr Menschen nach Teupitz gezogen, als während des ganzen 19. Jahrhunderts (1991 1634 Einwohner auf 1925 Einwohner S. 287). Das spricht dafür, dass diese kleine Siedlung offenbar die landschaftlichen Ressourcen zu nutzen wusste und nicht nur den altangesessenen Teupitzern eine wirtschaftliche Existenz ermöglicht bzw. als ansprechender Wohnort gefragt Insgesamt bietet der Band solide Informationen und reichhaltiges Bild- und Quellenmaterial zur Geschichte dieser besonderen Kleinstadt, deren wenige Einwohner es immer wieder verstanden, dass Abrutschen des Ortes in den Status eines Dorfes zu verhindern. Dieses kleinstädtische Selbstbewusstsein verdiente eine besondere Untersuchung. Für vergleichende Untersuchungen wären ein Literatur- und Personenverzeichnis, eine kleine Chronik und eine Tabelle zur Bevölkerungsentwicklung sicherlich sehr hilfreich gewesen. Berlin Brigitte Meier
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BUCHBESPRECHUNGEN EINZELNE GEBIETE RUDERT, Thomas / TÖPERT, Jens: Horno — Zur Kulturgeschichte eines Niederlausitzer Dorfes. I Ig. v. Detlef KARG U. Franz SCIIOPPER. Bd. 1: Geschichte, Ethnographie. Wilnsdorf: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege 2006. ISBN 978-3-910011-43-4. - 108 S., 66 Abb.; 39,80 Euro. Horno — Zur Kulturgeschichte eines Niederlausitzer Dorfes. Hg. v. Detlef KARG U. Franz SCIIOPPER. Bd. 2: I Iistorische Bauforschung, I Iistorische Geographie, Botanik, Sprachwissenschaft. Wilnsdorf: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege 2006. ISBN 978-3-910011-44-1. - 688 S., 808 Abb.; 69,80 Euro.
Wissenschaftliche Arbeiten über eine Ortschaft sind sicherlich oft einer günstigen Quellenlage, einer unausgesprochenen Liebe des Autors zu dem Objekt seiner Untersuchung oder aber einem der vielen zu feiernden Jubiläen geschuldet, mögen diese nun begründet oder unbegründet sein. Das kleine Dorf I Iorno verdankt die hier zu besprechenden großen und umfangreichen Bände, die sich seiner Geschichte widmen, allerdings allein dem Umstand, dass ihm der Garaus gemacht wurde und die ausführliche Untersuchung der Dorfgeschichte in bisher unbekannter Breite und Tiefe eine vertragliche Bedingung der Zerstörung war. Somit ist der Preis für die Bücher hoch, das Resultat indes beachtlich. Da der Untergang I Iornos auf viele Jahre absehbar war, konnten ein umfangreiches Forschungsprojekt zur ausführlichen Dokumentation des sterbenden Dorfes bereits auf lange Sicht vorbereitet und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen hierfür gewonnen werden; schließlich bot sich hier die einmalige Chance, ein Dorf „in allen nur denkbaren Facetten von den frühesten Siedlungsspuren über die gebauten und gepflanzten Realitäten bis hin zu den aktuellen Erfahrungen der Bewohner kurz vor der Umsiedlung zu erforschen", und dies wollte genutzt werden. So zeigen die inzwischen erschienenen beiden Bände die Ergebnisse der Wissenschaftsdisziplinen Geschichte, Ethnographie, platziert im ersten Band, sowie I Iistorische Bauforschung, I Iistorische Geografie, Botanik und Sprachwissenschaft im zweiten Band. Der derzeit noch ausstehende dritte Band soll den archäologischen Befunden gehören. Thomas Rudert, der für das historiografische Teilprojekt verantwortlich zeichnet und den (zumindest bisher) umfangreichsten Beitrag beigesteuert hat, orientiert sich für seine Untersuchung, die sich der Geschichte des Dorfes anhand der archivalischen Uberlieferung bis 1850 widmet, methodisch „an einer mikrohistorisch ausgerichteten Sozial- und Alltagsgeschichte", und als langjähriger Mitarbeiter der ehemaligen Potsdamer Max-Planck-Arbeitsgruppe „Ostelbische Gutsherrschaft als sozialhistorisches Phänomen" bringt er hierfür auch die besten Voraussetzungen mit. Um seinen Forschungsgegenstand zu bewältigen, gliedert Rudert seine Arbeit in zehn darstellende Kapitel und eine Quellenedition. Dabei ist der erste Teil der Darstellung, der sich mit der Besitzgeschichte sowie den sozialen, wirtschaftlichen und Gebäudestrukturen des Dorfes beschäftigt, eher kompilatorisch und strukturhistorisch ausgerichtet, während der zweite Teil sich vorrangig aus erzählenden Passagen zusammensetzt, so dass das Agieren der historischen Hornoer, laut einleitender Erklärung Ruderts, in ihrem sozialen und kulturellen Umfeld sprachlich so aufbereitet werde, dass auch die „heutigen Hornoer" Zugang zum vorliegenden wissenschaftlichen Text fänden. Nach einführenden Worten stellt Rudert in seinem ersten Kapitel das vorhandene Quellenmaterial zur I Iornoer Geschichte vor, das sich auf mehrere Archive verteilt und dessen I Iauptteil, anders als zu erwarten, nicht im Brandenburgischen Landeshauptarchiv, sondern im Depositalarchiv Guben lagert. Der dortige Aktenbestand besteht dabei nur zum Teil aus Akten des Hornoer Pfarrarchivs und bietet weiterhin in einem umfangreichen Maß Akten des Gutsarchivs
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und somit Material, das sowohl in die Patrimonial- wie in die Dorfgerichtsbarkeit Einblick gewährt. Auf dieser Grundlage wurde wahrscheinlich Ruderts methodische Entscheidung erst möglich, denn nur mithilfe der anderen Bestände wäre eine mikrohistorisch ausgerichtete Alltagsgeschichte kaum denkbar gewesen. Die folgenden Kapitel sind hervorragend recherchiert und lassen stets die Gegenwart eines in der Erforschung der ländlichen Gesellschaft erprobten Historikers spüren. Auftretende Probleme werden ausführlich, jedoch vorsichtig und mit der angebrachten Quellenkritik erörtert, so dass die Gedankengänge Ruderts und seine daraus resultierenden Ergebnisse stets nachvollziehbar sind. Zwar dürften gerade die ersten Kapitel den Laien kein leichtes und angenehmes Lesen bescheren, doch ist die gewählte Vorgehensweise nur zu begrüßen, da sie zukünftigen regionalen Untersuchungen beispielhaft den Weg weist. Einen leichteren Zugang finden sicherlich die narrativen Passagen, in denen Rudert aus seinem reichhaltigen Quellenmaterial schöpfen kann u n d der Alltag I Iornos vor allem im 18. u n d 19. Jahrhundert förmlich greifbar wird. Ereilich sind es nur einzelne Aspekte des Alltäglichen, die genauer aufgezeigt werden können. Dortbrände, I Iofübergaben und Aspekte der Kirchengeschichte sind die inhaltlichen Schwerpunkte des zweiten Teils der Darstellung. Das ist zu bedauern und vor allem dem engen zeitlichen Korsett geschuldet, das Rudert zwang, seine Forschungen und die Niederschrift der Ergebnisse innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitraums zu beenden. Dies erklärt die Beschränkung auf wenige Punkte der I Iornoer Geschichte, und es erklärt das sehr ausgedehnte 11. Kapitel, das eine wertvolle Quellenedition bietet, die in wesentlichen Teilen keine Auswertung mehr erfahren konnte und n u n anderen I Iistorikern zur Auswertung zur Verfügung steht. Die Schwerpunktsetzung der Darstellung auf das 18. und 19. Jahrhundert basiert auf dem durchaus reichhaltigen, aber zeitlich eben doch sehr engen Quellenmaterial, das Rudert, dies war ein Teil seiner Aufgabe, am Ende seiner Untersuchung in einem detaillierten Verzeichnis mit den einzelnen Aktentiteln noch einmal nachweist. Das Fehlen des Prager Staatsarchivs sowohl in dem eingangs vorgestellten Quellenmaterial wie in dem an das Ende gesetzten Quellenverzeichnis legt den Gedanken nahe, dass sich Material hier nicht fand. Gerade für die Geschichte Hornos im 16. Jahrhundert ist das ein schmerzliches Resultat. Wie wertvoll Ruderts Arbeit für die frühneuzeitliche ländliche Gesellschaft der Niederlausitz trotz der erzwungenen zeitlichen Einengung ist, offenbart sich in vielen Details, nicht zuletzt darin, dass er die ländliche Gemeinde der Niederlausitz erstmals zum Gegenstand einer historiograhschen Untersuchung erhebt und besondere sorbische Elemente wie die „Gromacla" anspricht. Zwar zeigt sich auch, dass seine Quellenkenntnisse in Bezug auf die Niederlausitz auf H o m o beschränkt sind und damit die Möglichkeit vergleichender Aussagen nur dort gegeben ist, wo die wissenschaftliche Literatur bereits Terrain erobert hat, doch insgesamt kann Ruderts Arbeit für die Historiografie der Niederlausitz nur willkommen sein, präsentiert sie doch neben aktuellen inhaltlichen Fragestellungen auch methodische Schwerpunkte, die hier bisher keine Beachtung fanden. Die fehlende Einbettung I Iornos in die Geschichte der Region ist freilich schade, allerdings aufgrund der geschilderten Arbeitsbedingungen verständlich. Dass eine detaillierte geschichtswissenschaftliche Untersuchung Hornos im 20. Jahrhundert fehlt, ist da schon ärgerlicher. Das Kapitel zur Ethnografie des Ortes bietet hierfür keinen Ersatz. Jens Töperts Ausführungen zur Ethnografie Hornos sind deutlich kürzer geraten als Ruderts Beitrag, und während Letzterer seine Informationen aus fern des Untersuchungsgegenstandes gelagerten Akten gewann, musste Töpert das Interview mit den Betroffenen suchen. Die hierbei auftretenden Schwierigkeiten schildert er ausführlich im ersten Teil seines Kapitels. Ähnlich wie Rudert blieben Töpert etwa 18 Monate, um seine Untersuchung fertigzustellen, die aus einer „ethnografischelnl Bestandsaufnahme der Kultur, Tradition und Lebensweise" vor allem
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..auf Grundlage teilnehmender Beobachtung und Durchführung lebensgeschichtlicher Interviews" bestehen sollte. Da dies im Zeitraum der konkreten Umsiedlung geschah und parallel zu Töpert drei aus dem Dorf stammende ABM-Kräfte an einer Chronik I Iornos arbeiteten, die zudem dem Ethnografen jedes Entgegenkommen verweigerten, war dessen Stand etwas problematisch und der Erkenntnisgewinn anfangs nicht sehr hoch. Erst später einsetzende Hilfe durch in Horno akzeptierte Persönlichkeiten verhalf Töpert zu seinen Interviews und ermöglichte eine sinnvolle Durchführung des Projekts. Das ethnografische Kapitel ist in sechs Punkte unterteilt, in denen eingangs das methodische Vorgehen beschrieben wird. Die sich anschließenden Ausführungen beschäftigen sich dann mit dem Brauchtum, den Vereinen und Gruppierungen, der Kirche, der Gemeinde und den Sorben des Dorfes. Um die hierfür nötigen Informationen zu erhalten, wandte Töpert eine lebensgeschichtlich orientierte, teilstandardisierte Interviewform an und befragte fast ausschließlich Rentner und Vorruheständler, da diese Altersgruppe am ehesten für Interviews zur Verfügung stand. Das Alter der Befragten lag zwischen 50 und 91 Jahren. Insgesamt gelingt es Töpert durchaus, Aspekte des I Iornoer Alltagslebens im 20. Jahrhundert sichtbar zu machen und ebenso den Alltag vor dem Abriss des Dorfes. Da die erzählenden Passagen, die Ruderts Text über weite Strecken auszeichnen, fehlen, ist die Arbeit teilweise etwas sperrig zu lesen, nicht zuletzt weil viele Interviewpartner ausführlich zitiert werden. Vielleicht wäre es von Vorteil gewesen, die Ergebnisse häufiger zusammenfassend zu präsentieren. Doch trotz dieser Kritikpunkte wird ein interessanter Einblick in die Alltagskultur des Dorfes geboten, der immerhin Trost dafür spendet, dass die Dorfgeschichte des 20. Jahrhunderts ansonsten weitestgehend ausgeblendet wird, woran, dies sei hier schon bemerkt, auch der Beitrag Dagmar Langenhans über die Entwicklung der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im zweiten Band nicht viel ändert. Der zweite Band ist nicht nur deutlich umfangreicher als der erste, sondert bietet zugleich breiter gefächerte Inhalte, die sich thematisch der I Iistorischen Bauforschung, der I Iistorischen Geografie, der Botanik und der Sprachwissenschaft zuordnen lassen. Eine detaillierte Besprechung der zahlreichen Beiträge würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, so dass nur auf einige wenige kurz eingegangen sein soll. Ausführlich widmet sich Fritz Bönisch der „Mittelalterlichelnl Siedlungsstruktur und Dorfverfassung" Hornos. Zwar liegen aussagekräftige Quellen des 18. und früherer Jahrhunderte für das Dorf nicht mehr vor, doch gelingt es Bönisch trotzdem, überzeugend in die Problemfelder Gemengelage, Gewannsystem und Separation am Beispiel I Iornos einzuführen und mit wenigen, leicht verständlichen Worten die Thematik zu erläutern. Aufgrund mangelnder Quellen muss er sich freilich auf die mittelalterliche Siedlungsstruktur beschränken, und wenn er bemerkt, ein Gewann setzte sich aus gleich breiten parallelen Längsstreifen zusammen und jeder Hüfner verfügte in jedem Gewann über einen solchen Arbeitsstreifen, wobei dementsprechend ein Zweihüfner zwei Streifen pro Gewann und ein I Ialbhüfner einen durch Längsteilung gebildeten I Ialbstreifen pro Gewann besessen habe, dann beschreibt Bönisch hier sicherlich einen Idealzustand, der sich in späteren Jahrhunderten so nicht mehr fand. Doch genauere Aussagen sind eben aufgrund fehlender Quellen nicht möglich. Während Bönisch sich also auf die mittelalterliche Siedlungsstruktur beschränkt, ergänzt Andrea Sonnleitner das Bild, indem sie sich mit der Siedlungs- und Bauentwicklung seit dem frühen 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Dieselbe Autorin steuert auch einen Beitrag bei, der sich mit der Bebauung I Iornos im 18. und frühen 19. Jahrhundert beschäftigt. Mithilfe einer kritischen Quelleninterpretation gelingen ihr Aussagen zur traditionellen Bebauung des Dorfes, dessen Bild früher von „Vierseithöfen mit Torhäusern, Scheunen in Gartenstellung, freistehenden Backhäusern und einem Wohnstallhaus" bestimmt wurde. Inwieweit der Block-
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bau die alleinige Bauweise darstellte, ist aus den Quellen nicht mehr eruierbar. Zumindest 1810 bestand I Iorno nach dem Brandversicherungskataster zu fast drei Vierteln aus Fachwerkgebäuden. Wann allerdings die Fachwerkbauweise eingeführt wurde, muss unbeantwortet bleiben. Hier könne, so Sonnleitners Verweis, vielleicht der dritte Band mit den archäologischen Befunden Aufschluss geben. Überhaupt sind die Beiträge zu den Hornoer Gehöften und Bauten äußerst interessant und vor allem umfassend. Sowohl die Wohn- und Stallgebäude, die Scheunen, Backhäuser und Backöfen als auch die Kleintierställe, I lütten und improvisierten Bauten erhalten mehr oder weniger umfangreiche Beiträge. Das deutet die im Band präsentierte Vielfalt an, die sich natürlich weiterhin auf die Bauten der Gemeinschaft und des Gewerbes wie auf die Gärten und Freiraumgestaltung erstreckt und ihren Abschluss in den sprachwissenschaftlichen Aufsätzen findet. Hier sei beispielhaft auf die Flurnamensammlung und -auswertung KlausDieter Gansleweits und auf die Auswertung der einzelnen Familiennamen durch Walter Wenzel hingewiesen. Im Ganzen ist eine wirklich beeindruckende Kulturgeschichte I Iornos entstanden, die auch durch die vorbildliche Gestaltung und Ausstattung der Bücher überzeugt, eigentlich sogar begeistert. Natürlich bleiben einzelne Forschungslücken bestehen und werden sicherlich trotz der archäologischen Auswertung bestehen bleiben. Doch angesichts der präsentierten Ergebnisfülle mag diese Feststellung schon fast befremdlich wirken. Allerdings, und dies sei zum Abschluss bemerkt, ist man seltsam berührt in Anbetracht der erarbeiteten Ergebnisse und der Tatsache, dass das untersuchte Dorf nicht mehr existiert. Potsdam
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Das Zisterzienserkloster Neuzelle. L?estandsforschung und Denkmalpflege. Hg. v. Detlef K A R G (Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums, Bd. 15). Berlin: Lukas 2007. ISBN 978-3-86732-005-4. - 211 S„ 92 s/w-, 130 färb. Abb.; 20,- Furo. Neuzelle ist das einzige Kloster des heutigen Landes Firandenburg, das die Reformation überdauern und bis 1817, dem Jahr der Säkularisierung, fortbestehen konnte. Da das Kloster zugleich Zentrum einer ausgedehnten I Ierrschaft war, erfüllte es stets auch die Funktionen einer Residenz, was nach dem Dreißigjährigen Krieg einen glanzvollen Ausbau der Klosteranlage rechtfertigte, der in der ersten I Iälfte des 18. Jahrhunderts seinen I Iöhepunkt fand. Die Ergebnisse dieser beachtlichen barocken Bautätigkeit sind heute als Resultat umfangreicher Restaurierungsmaßnahmen im Innen- und vor allem im Außenbereich wieder sichtbarer geworden. Das gilt zum F?eispiel für den barocken Klostergarten, der in den letzten Jahren rekonstruiert wurde, wie für die neue Farbgestaltung der Klosterkirche, die den Betrachter bereits seit etwas längerer Zeit erfreut. I Ierrschaftliche Repräsentation hat somit ein Ensemble erzwungen, das bei den Besuchern früherer Tage sicherlich Erstaunen und Bewunderung hervorrief, und denkmalpflegerische Aktivität konnte diese Empfindungen in die Gegenwart retten. Sowohl damals wie heute mag das Erstaunen aber auch dem für hiesige Gefilde fremd anmutenden Baustil gegolten haben, der mehr an Böhmen und Süddeutschland erinnert und noch heute an diesem Ort unerwartet fremd wirkt. Einen Überblick über die zahlreichen Ergebnisse der hier in den letzten Jahren praktizierten Denkmalpflege gibt der nun vorliegende Band des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums. In einem einführenden Beitrag geht Ernst Wipprecht ausführlich auf die Aufgaben und Ergebnisse der praktischen Denkmalpflege am
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Beispiel Neuzelles ein. Naeh einer kurzen Einleitung, in der er die herausgehobene Stellung des Klosters Neuzelle für die Kultur- und Kunstlandschaft Brandenburgs aufgrund der Zugehörigkeit zum böhmisch-schlesischen Kunstkreis und der überlieferten Vollständigkeit und Originalität des Baus betont, folgt im ersten Teil des Beitrages eine Übersicht zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Klosters. Wipprecht diskutiert kurz die Entstehungsgeschichte Neuzelles, das ursprünglich an einem bis heute nicht identifizierten Ort entstehen sollte, schließlich aber von den Mönchen an den heutigen Standort verlegt wurde, und skizziert dann vor allem mithilfe der vorhandenen Literatur und der Ergebnisse der Denkmalpflege die weiteren Bauabschnitte der Gebäude und einzelner Inneneinrichtungen. Er beschränkt sich dabei nicht auf die Wiedergabe bereits bekannter Fakten, sondern erörtert das vorhandene Material kontrovers. Aufgrund des vorhandenen schriftlichen Quellenmaterials musste bisher z.B. angenommen werden, dass bei der Heimsuchung Neuzelles durch die Hussiten im Jahr 1129 das Kloster mitsamt dem Dachstuhl ein Opfer der Flammen wurde, doch zeigen neue dendrochronologische und clenclrologische Untersuchungen an I Iolzproben des originalen Dachstuhls, dass dieser um 1414 entstanden sein muss. Die Ergebnisse widersprechen also dem schriftlichen Quellenmaterial. Das zeigt deutlich, wie wesentlich denkmalpflegerische Ergebnisse die Arbeit des Historikers beeinflussen können. Im zweiten Teil des Aufsatzes werden dann ausführlich die Restaurierungsleistungen im Innenraum der Kloster- und der Kreuzkirche sowie die Instandsetzungen und Restaurierungen der Josephskapelle, des Amtshauses und des Galeriegebäudes gewürdigt. Ausführlich wird hierbei natürlich auf die gestalterische Leistung unter Abt Martinus Graff eingegangen, in dessen I Ierrschaftszeit aus Böhmen und Süddeutschland stammende Künstler und Handwerkerfamilien die heute noch präsente Ausstattung der Klosterkirche schufen. Wipprecht schließt seine Ausführungen mit einigen Bemerkungen zu dem in der Restaurierungsphase stehenden Konventgebäudes, dessen Wiederherstellung den Klosterkomplex Neuzelles noch stärker zu einem Glanzpunkt über die Grenzen Brandenburgs hinaus erheben werde, zumal die Absicht bestehe, hier in Zukunft über die wechselvolle Klostergeschichte „im authentischen Rahmen und anhand von originalem Kunstgut" zu informieren. Ausführlich und chronologisch geht Alexander Niemann anschließend auf die Entwicklung des barocken Klostergartens und dessen Wiederherstellung ein und kann sich dabei auf arcliivalische Quellen stützen, die zum großen Teil bereits vor einigen Jahren von Winfried Töpler benannt wurden. Die eigentliche Gartenanlage, aus funktionalen Gründen in Abt- und Konventgarten unterteilt und jeweils in sich abgeschlossen, war ein Resultat der barocken Umgestaltung des Klosters unter Abt Martinus Graff im 18. Jahrhundert. Seit wann ein gestalteter Ziergarten in Neuzelle existierte, lässt sich nicht mehr ermitteln, doch spätestens in der Aufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg muss ein Lustgarten, der ausschließlich der Repräsentation gewidmet war, angelegt worden sein. Ein einfacher Klostergarten freilich ist bereits früher nachweisbar. Nach einem detaillierten und vor allem materialreichen Gang durch die Gartengeschichte widmet sich Niemann der Wiederherstellung beider Gärten und bietet als Abschluss seiner Ausführungen eine nützliche Zusammenstellung der für die Gartengeschichte relevanten arcliivalisclien Quellen. Die nachfolgenden Aufsätze sind im Umfang deutlich kürzer, doch kaum weniger interessant. Dirk Schumann behandelt in seinem L?eitrag die mittelalterliche Baugeschichte der Klausur und kann mithilfe neuer Erkenntnisse der Denkmalpflege ältere Ergebnisse der baugeschichtlichen Literatur korrigieren. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der mittelalterlichen Oberflächenbehandlung und den historischen Raumfassungsprogrammen in der Klausur, der barocken Sakristei und dem Dachwerk der Klosterkirche sowie dem bekannten Passionstheater des „Heiligen Grabes" von Neuzelle.
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Alle Aufsätze sind hervorragend bebildert, und die Kombination aus Fotografien, Bauphasenkartierungen und historischen Ansichten und Karten unterstützt stets das Verständnis der vorgelegten Texte. So kann der Band aufgrund des Inhalts und der Ausstattung nur überzeugen, und man bleibt gespannt auf weitere Ergebnisse denkmalpflegerisclier Arbeit und deren Präsentation. Potsdam Matthias Hoffeins
PETERS, Jan: Märkische Lebenswelten. Gesellschaftsgeschichte der I Ierrschaft Plattenburg-Wilsnack, Prignitz 1550-1800 (Veröffentlichungen des Brandenburgisclien Landesliauptarchivs, Bd. 53). Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2007. ISBN 978-3-8305-13872. - 872 S., 97 Abb.; 98,- Euro. Betrachteten lokale Studien bisher I Ierrschaften, Städte und Dörfer über lange Zeiträume, dann meist in der Absicht, strukturgeschichtliche mit ereignisgeschichtlichen Ergebnissen zu kontextualisieren und aus dem Vergleich der einzelnen Zäsuren Entwicklungslinien und eirunde für diese zu zeichnen. Peters treibt nun eher die Frage, trotz des langen Zeitraumes, den auch er wählt, wie die Zäsuren und das, was zwischen ihnen geschah, erlebt und wahrgenommen wurden. Fr möchte in seinem hier zu rezensierenden Werk ..Motive und Methoden des GutsheiTsehaftsausbaus; Disziplinierungsdruck und Legitimationszwänge; Netzwerke von I Ierrschaft und Macht; Autonomie und Ansprüche der Abhängigen; Zeitgleichheit vielfältiger Konfliktlagen; ökonomische Moral und Mentalität; Volksfrömmigkeit, Zauberwerk und seelische Befindlichkeiten; Hexenglaube und soziale Sorgen; Fehden und Informationsfährten" aufzeigen. Kürzer formuliert: Er will frühneuzeitliches Leben und frühneuzeitliche Mentalitäten einfangen. Mehr noch: Er möchte das verschüttete Gesellschaftswissen der Plattenburg-Wilsnacker I Ierrschaft des Zeitraumes 1550-1800 heben und somit die ..Ganzheit einer exemplarischen Kleingesellschaft" im genannten Zeitraum untersuchen. Es geht also um märkische Lebenswelten und um deren Kontextualisierung, denn auch wenn Peters zu Recht davor warnt, bei jeder rekonstruierten Geschichte deren Verallgemeinerungsgehalt einzufordern, um ein „wirklichkeitsfernes Konstrukf zu vermeiden, geht es ihm ganz im Sinne Giovanni Levis nicht darum, kleine Dinge anzuschauen, sondern im Kleinen zu schauen. Jan Peters hat sich hohe Ziele gesteckt. Um die zu erreichen, greift er auf die I Iistorische Anthropologie zurück, deren Ziel der früh verstorbene Richard van Dülmen einmal dahingehend formulierte, dass der konkrete Mensch mit seinem Handeln und Denken, Fühlen und Leiden in den Mittelpunkt der Analyse gestellt werden müsse. Angesichts des bekannten Interesses Jan Peters, „die leisen Töne der Schwachen und Verlierer, der kleinen Leute im Schatten der .großen' Geschichte, ihre verborgene Geschichtsmächtigkeit also, hör- und sichtbar zu machen", verwundert es also kaum, dass er den ..Erkenntnisrahmen" Historische Anthropologie nutzt, um innerhalb einer „Kleingesellschaft" konkrete Lebensformen sichtbar zu machen, allerdings nicht nur die der „kleinen Leute", sondern auch die der adligen Gutsherren und ihrer Familien. Peters betreibt in seinem hier zu besprechenden Werk eine „offene Historische Anthropologie''. Nach seiner Definition ist das eine mit der Kultur in Wechselwirkung stehende Sozialgeschichte, nicht abgehoben von „wirtschaftlicher, politischer und sozialer I Iistorie" und von der Erkenntnis geprägt, dass die Inhalte der I Iistorischen Anthropologie so speziell und grenzenlos sind, dass sie keiner trennscharfen Definition bedürfen. Ist die I Iistorische Anthropologie sein Erkenntnisrahmen, so ist die Alltagsgeschichte das eigentliche Forschungsfeld Lind die von ihm favorisierte Mikroliistorie seine zentrale Untersuchungsmethode.
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Mikrohistoric unter der von Peters formulierten Fragestellung benötigt einen Untersuchungsraum, dessen archivalische Überlieferungsdichte das erwünschte methodische Vorgehen erlaubt. Mit der I Ierrschaft Plattenburg-Wilsnack hat er diesen Raum gefunden. Diese I Ierrschaft, laut einem Erbregister des Jahres f592 aus 117 Bauern und 165 Kossäten bestehend, gehörte im vorreformatorischen Zeitalter dem Bischof von Havelberg, fiel anschließend an den brandenburgischen Kurfürsten zurück und wurde von diesem im Jahr 1552 an Matthias v. Saldern verpfändet, letzterem schließlich 1560 auch als Lehnsbesitz übertragen. Hie unter der Repositur 37 im Brandenburgischen Lancleshauptarchiv Potsdam liegenden Archivalien dieser I Ierrschaft, ergänzt mit aussagekräftigen Akten anderer Bestände und eines gut überlieferten Kirchenbuchbestandes, ermöglichten Peters den intensiven Zugang in die märkischen Lebenswelten dieser prignitzischen Gutsherrschaft - nach Einsicht von mehr als 8000 Akteneinheiten. Um seine Leitfragen zu beantworten und die Masse des Materials sinnvoll zu strukturieren, gliedert Peters sein umfangreiches, an Hnderssche Dimensionen erinnerndes Buch in sechs Teile, die wiederum insgesamt 30 Kapitel umschließen, welche erneut mehrere Linterpunkte aufweisen. Der Umfang der einzelnen Teile, Kapitel und Linterpunkte ist ungleich gewichtet. Die ersten beiden Teile, mit „Einführendes" und „Herrschaft, Inszenierung und Umbau (15501575)" überschrieben, widmen sich, sieht man von den einführenden konzeptionellen und methodischen Überlegungen Peters' ab, dem Werdegang des Matthias v. Saldern und des von ihm vorangetriebenen Umbaus der ehemals bischöflichen I Ierrschaft Plattenburg-Wilsnack von einer Grundherrschaft in eine adlige Gutsherrschaft und könnten fast für sich allein stehen, mithin eine eigenwillige Biografie des Matthias v. Saldern bilden. Die weiteren vier Teile folgen der chronologischen Ordnung, und die in ihnen enthaltenden 21 Kapitel wirken teilweise etwas in den jeweiligen zeitlichen Rahmen gepresst, zumal einzelne Längsschnitte und Quellenbeispiele diesen verlassen und manche Thematik sich wohl aufgrund der Quellenlage einer bestimmten zeitlichen LJmrahmung fügen musste. Das Buch besitzt ein Personenregister, verzichtet aber auf ein Sachregister. Die Ausstattung des Buches im Ganzen ist lobenswert. Der Kaufpreis ist hoch und zeugt wohl von einer geringen Auflage, die dem zu erwartenden, eher engen und wahrscheinlich ausschließlich wissenschaftlichen Leserkreis geschuldet ist. Denn obwohl Peters eine bildreiche Sprache pflegt mit vielen aussagekräftigen Adjektiven und Substantiv-Bindestrich-Konstruktionen, hat er ein akademisches Werk vorgelegt, trotz seiner gestalterischen Fähigkeiten, welche das Lesen seiner Arbeit (meistens) so angenehm machen und so vielen wissenschaftlichen Werken fremd sind. Peters' zentrales Thema sind die frühneuzeitlichen Lebenswelten in einer Gutsherrschaft, und Gutsherrschaft ist für ihn „eine eigenwirtschaftlich fundierte Gestalt der Grundherrschaft, die in aller Regel für eine arbeitsrepressive ländliche Herrschaftsform steht". Ihr Aufbau begann in Plattenburg-Wilsnack mit dem Herrschaftsantritt des Matthias v. Saldern. Unter dem bischöflichen Regiment war der Ausbau der Gutswirtschaft sehr bescheiden geblieben, war bis dahin auch nicht nötig gewesen, denn durch das Wilsnacker Wunderblut strömten die Gelder der zahlreichen Pilger in die Kassen des Bischofs. Mit dem Jahr 1552 und der Zerstörung der ausgestellten, die Pilger anziehenden Hostien durch einen fest im evangelischen Glauben stehenden Pfarrer nahm diese Einnahmequelle rapide ab. Der Aufbau der Gutsherrschaft war jedoch eine „Neuerung", die knifflige Probleme mit sich brachte, denn das Gegebene war für die nun Saldernschen LJntertanen allein durch das hohe Alter gerechtfertigt. Beabsichtige Veränderungen, die in den Alltag der ländlichen Gesellschaft eingriffen, bedurften einer Legitimation. Dem kollektiven Gedächtnis der Gemeinden, das den verstärkt auftretenden Ansprüchen der I Ierrschaft zu oft entgegenstand, begegnete v. Saldern mit einer verstärkten Schriftlichkeit. Rechte wurden nun sofort schriftlich registriert und „die öffentliche Deutungshoheit darüber, wie das
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ländliche Sozialgebilde zu funktionieren hatte, verschob sich von der eher mündlich tradierten zur schriftlich fixierten Vorstellung und damit auch vom Dorf zum I Ien'ensitz." Gerade die beiden in dieser Zeit entstehenden Dorf- und I Iausordnungen zeugen von den Umstrukturierungen v. Salderns und von den damit auftretenden Problemen. Speziell die Hausordnung vermittelt die Kontrollprobleme „eines patemalistisch gefühlten Großbetriebes", die letztendlich durch diese Ordnung nicht beseitigt werden konnten. Die 25 Vögte, Verwalter und Schreiber, die v. Saldern zur Durchsetzung seines herrschaftlichen Willens vor Ort im Einsatz hatte, erfüllten ihre Aufgaben oft nicht in dem erwünschten Maß, neigten teilweise sogar dazu, die I Ierrschaft zu bestehlen. Die I Iausordnung verfehlte also ihren Zweck als Instrument der Binnenkontrolle, da stets die nicht lösbare Notwendigkeit bestehen blieb, die Kontrolleure selbst zu kontrollieren. Peters gelingt es einfühlsam und stets nah an den Quellen nicht nur das Aufbegehren der Untertanen gegen die „Neuerungen", sondern auch den Lernprozess des Matthias v. Saldern zu schildern, der mit dieser Umstrukturierung Neuland betrat und diese f o r m des I Ierrschens erst erlernen musste. Diese Unsicherheit spiegelt sich nicht zuletzt in zahlreichen Anfragen wider, die v. Saldern an den Brandenburger Schöppenstuhl richtete, um sich über die Zulässigkeit angedachter Sanktionen gegen seine Untertanen zu informieren. D e r Ausbau der Gutswirtschaft führte zudem zu gewaltsamen Grenzkonflikten zwischen den adligen I Ierrschaften, und die Etablierung der Gutsherrschaft forderte Tote und Verwundete auf beiden Seiten der Grenzräume. Gerade der langsam spürbar w e r d e n d e Mangel an verfügbarem Land, Grundvoraussetzung für die erwünschten Eigenwirtschaften, ließ die Gewalt oft eskalieren. Auch hier gelingt es Peters, mit einzelnen Beispielen die Konfliktfähigkeit einer „Gesellschaft sich kreuzender Interessenlagen" zu illustrieren. Die G e m e n g e l a g e verschiedenster Interessen machte es notwendig und war für die B e w o h n e r der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack wie der Umgebung gelebte Realität, den Gegner der einen zum Verbündeten in der anderen Angelegenheit zu machen, freilich zum gleichen Zeitpunkt. Diese Konfliktfähigkeit sicherte das Durchkommen auch in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten, denn trotz des Erbzinsrechts und dem Eigentum an den Bauernhöfen blieben die Herrschaftszugriffe auf den Umfang der Dienste in der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack, die unter Matthias v. Saldern ihren unangenehm spürbaren Anfang nahmen, über die folgenden Jahrhunderte bestehen. Noch mit dem beginnenden 17. Jahrhundert konnten verschärfte I Iofdienstanforclerungen, nicht zuletzt durch die Rechtsfähigkeit der Gemeinde, kaum umgesetzt werden. Die Dienstanforderungen hielten sich in dieser Zeit in engen Grenzen, und die Bauern und Kossäten achteten mithilfe ihrer Gemeinden streng darauf, dass sich das nicht änderte. Aber in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nahm schließlich die Brutalisierung der Arbeitsverfassung zu. Die I Ierrschaft praktizierte immer häufiger Raubeinigkeit auf dem Eeld und zeigte hochmütige Drohgebärden. Eragte Matthias v. Saldern im Detail n o c h nach, w e l c h e Strafe er bei Widerspenstigkeit verhängen konnte, plagten seine Nachfolger solche Zweifel kaum noch. Selbst die Sprache im Herrschaftsgericht hatte sich nun im Vergleich zu den Jahren des Matthias v. Saldern geändert. Der früher gezeigte Respekt gegenüber der Landbevölkerung und ihren Traditio n e n war herrschaftlichem Hohn gewichen. Allerdings lernten die Betroffenen schnell die „Kunst der Abwehr" und damit verbunden auch die Eähigkeit, sich „auf eine n e u e Kunst des gutsherrlichen Zugriffs" einzustellen. Denn die Dienste ließen sich nicht maßlos steigern, zumal diese seit dem späten 16. Jahrhundert schriftlich fixiert waren. Also versuchte die Herrschaft, besonders nach dem 30-jährigen Krieg, Grenzen und Nutzungsrechte neu zu definieren, was das Recht auf höhere Dienste mit sich
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bringen sollte. Doch die Gutsherren mussten lernen, dass die Vergrößerung der Vorwerke durch Steigerung der Bauerndienste nicht maßlos durchführbar war. Verbunden mit den wachsenden Pflichten gegenüber der I Ierrschaft war die Beherrschung der Ökonomie des Hofes. Sowohl Herrschaft wie Gemeinde mussten an einem ökonomisch intakten Hof interessiert sein. Selbst gewalttätige Bauern konnte man auf beiden Seiten eher ertragen als einen Hof ohne benötigten Bauern. Wenn Dienste oder Dienstgelder pfliclitig wurden, dann war die ländliche Gesellschaft bemüht, die Last proportional gerecht zu verteilen, und konnte der I Iofclienst nicht umgangen werden, mussten die geforderten Arbeiten wenigstens im direkten Verhältnis zu den Nutzungsrechten der Arbeitenden stehen. Darauf wurde von allen Betroffenen genau geachtet. Detailliert zeigt Peters das verwirrende Geflecht von unterschiedlichen Bedingungen und Verhältnissen bei den Hüfnern, deren unterschiedliche Landaustattung einherging mit entsprechenden Ausstattungs-, Leistungs- und Belastungsdifferenzen, u n d er klärt, inwieweit das Wissen u m die Details der dörflichen Ökonomie die Voraussetzung für ein wirtschaftliches und soziales Miteinander war. Die Plattenburger Frbrechtspraxis zeigte im endenden 16. Jahrhundert noch die Reflektion einer langen sozialen Tradition, und interne Regulierungsmodalitäten behaupteten das Feld vor äußeren Eingriffszwängen, das Erbzinsrecht verweigerte sich der Aufkaufwut des Adels. Tüchtige Wirte konnten ihre Erträge vermehren und „erhebliche Summen akkumulieren", während ihre Nachbarn den sich ausweitenden herrschaftlichen Druck nicht kompensierten und Schulden anhäuften. Kossäten gelang es, I Iüfnerbetriebe zu übernehmen, unci I Iüfner bzw. ihre Söhne wurden Kossäten. Die sozialen Grenzen innerhalb des Dorfes blieben durchlässig. Über die Ertragsverhältnisse und Marktquoten lässt sich natürlich nur wenig sagen, da zuverlässige Angaben fehlen. Trotzdem versucht Peters auch diese Problematik zu klären und dringt in die „Akkumulationsmöglichkeiten, Vermögensbildung und Abschöpfungspraxis" der einzelnen Dörfer vor, deren Unterschiede er erörtert, u m anschließend an konkreten Beispielen die „Praxis der Realisierung von Lebensstandard" aufzuzeigen. Im Folgenden legt er die „verborgene Ökonomie des Alltäglichen" offen. I Iier wird beispielhaft deutlich, wie sehr Peters den Alltag der ländlichen Gesellschaft durchdrungen hat, wie er dem täglichen Leben der Dorfb e w o h n e r folgt, um die gemachten Aussagen überhaupt treffen zu können. Denn das Kenntlichmachen der kleinen wie großen finanziellen Verpflichtungen, zum Beispiel die Abgaben an die Kirche: „Klingbeutel", Armenkasse, Glockengeläut, Leichenpredigt, Grabkreuze oder Grabsteine, Beichtgroschen, Abendmahlsgeld, Finsegnungsgaben, Gebühren für Kirchengestühl, zeigt Detailwissen, das einen nicht aus den Akten anspringt, sondern das neben gründlichstem Akten- und Literaturstudium eine tiefe gedankliche Auseinandersetzung mit dem Gelesenen und das Sicli-Einlassen in die fremde Welt der frühneuzeitlichen ländlichen Gesellschaft voraussetzt. Mit diesen Voraussetzungen ausgerüstet, legt er auch die ländlichen Arbeitsvorgänge offen mit ihren Pausen und symbolhaften Vorgängen und zeigt eine pulsierende Lebenswirklichkeit, die weit entfernt vom einseitigen Bild des emsig schuftenden und unterdrückten Bauern, Kossäten und Knechtes ist. Zwar unterstreicht er die Allgegenwart der I Iandarbeit, der man auf Dauer nicht entfliehen konnte, zum Beispiel anhand der Bäuerin, die an einem Vormittag des Jahres 1715 vormittags in Wilsnack arbeitete, danach das Mittagessen für die pausierenden Männer, Bauer und Knecht, zubereitete, anschließend die Magd mit den Kühen zum Wässern schickte, nach ihrer Mutter auf dem Altenteil sah und schließlich mit dem ..Knüttelzeug" auf der Ofenbank Platz nahm. Doch ebenso skizziert er mithilfe seiner Quellen Bilder, die dem Betrachter betrunkene Maurer bei der Kirchenarbeit zeigen, I Iandwerker, die ihre Arbeit um Wochen überziehen, und Knechte, die während der Arbeitszeit den Mädchen spielerisch nach-
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stellen. Die gelehrte Fleißpropaganda der Frühen Neuzeit griff also zumindest in der untersuchten I Ierrschaft nicht. Der Zugriff auf vielseitige Quellengattungen erlaubt Feters Einblicke in die ländliche Gesellschaft, die bei Beschränkung auf bestimmte Quellen angesichts einer entsprechenden Fragestellung, Merkmal und Voraussetzung vieler methodischer Vorgehensweisen, nicht möglich wären. So wird bei genauerem Hinsehen deutlich, dass das Bauern- und Kossätendorf Legde im Zeitraum zwischen 1663 und 1776 nicht nur aus 19 I Iüfnern und 28 Kossäten bestand, wie es die ..besitz-, abgaben- und leistungsbezogenen Statistiken" nahelegen, sondern u.a. 23 Kantonisten und 31 I Iandwcrkcr verschiedenster Profession besaß, neben zehn Beamten und Angestellten. Hier wohnten, starben und heirateten Tagelöhner, Dienstknechte, zwei Flößer, Schäfer, Hirten, Händler, zwei Chirurgen, Küster, Lehrer und Personen aus weiteren Berufsgruppen. Diese dörfliche Vielfalt lebendig werden zu lassen mit ihren täglichen Hoffnungen, Gedanken, Gesprächen und Überlebenskämpfen, ist Peters meisterhaft gelungen. Und die Arbeit zeichnet sich nicht allein durch die I Ieranziehung diverser Quellengattungen aus. Der mikrohistorische Zugang unter historisch-anthropologischer Perspektive wäre anders gar nicht möglich. Die entscheidende Stärke der vorliegenden Arbeit ist die Sensibilität, mit der Peters in die Sprache der Quellen eintaucht. Dass Peters, wie oben angemerkt, vom Hohn der Herrschaft sprechen kann, ist allein seinem Umgang mit dem Text geschuldet, vielleicht auch einer Erfahrung, die an das Lebensalter gebunden ist. Anderen, und der Rezensent schließt sich hier nicht aus, wären die feinen Nuancen der oft zitierten Texte wohl verborgen geblieben. Erst diese Fähigkeit jedoch macht ein wesentliches Moment der Petersschen Arbeit möglich: das Kenntlichmachen der Mentalitäten. Hierfür muss er wie seine frühneuzeitlichen Untersuchungsobjekte die Symbolik der Worte hinterfragen, auch nach dem Sinn der groben Sprache Lind der leisen Ironie, mithin die leise Ironie im Text erkennen. „Hellhörigkeit blieb für jeden frühneuzeitlichen Teilhaber an sprachlicher Kommunikation unverzichtbar - und sie bleibt es umso mehr für nachträgliche Interpreten", schreibt er. Jedem Kapitel ist Peters' I Iellhörigkeit anzumerken. Es wäre müßig, einen Überblick über alle Erkenntnisse und Anregungen zu geben, die in der Arbeit ihren Platz finden. Peters verlässt sich nicht allein auf seine Hellhörigkeit, um die Alltagswelt „seiner" Gutsherrschaft darzustellen, sondern unterzieht sich der langwierigen Auswertung der vorliegenden Kirchenbücher, um entsprechende demografische Befunde zu präsentieren, zumal der Kirchenbuchbestand für die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg „relativ gut erhalten" ist. Vor allem anhand der Stadt Wilsnack und der Dörfer Legde und Groß Lüben kann er etwa für den Zeitraum von 1650-1800 relativ zuverlässige Vitalstatistiken aufstellen. Hierfür erfasst er ca. 15.000 Personennamen und mithilfe der gewonnenen Daten präsentiert er u.a. Angaben zum Heiratsalter, dem Altersunterschied der Ehegatten, dem jahreszeitlichen Rhythmus der I Iochzeiten wie zur Geburtszeit der Kinder. Die Bevölkerungsentwicklung der I Ierrschaft folgte tendenziell der allgemeinen für Deutschland geschätzten Entwicklung. Peters setzt sich mit der Volksmagic auseinander und legt die Auswüchse und Mechanismen der I Iexenverfolgung offen, deren dichteste Phase in Plattenburg-Wilsnack in das Zeitalter des gutswirtschaftlichen Umbaus hei. Doch steht beides nur insofern in einem kausalen Zusammenhang, als „die allgemeinen Krisensymptome der Zeit durch den gutsherrlichen Zugriff der Hexenangst zusätzlichen Nährboden verschafften." Der Ausbau der Gutsherrschaft war also nicht die Ursache der stärkeren Verfolgung. Und die I Iexenclelikte nahmen nach dem 30-jährigen Krieg rapide ab. Peters folgt den Informationssystemen „seiner" ländlichen Kleingesellschaft, legt ein „Netz von Außenbeziehungen" offen und skizziert Dorfbewohner in Bewegung, abschließend zu der Feststellung kommend, dass die Vorstellung von der dörflichen Abgeschie-
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denlieit nicht stimme und ebenso wenig das damit verbundene Klischee eines engen Welt- und Denkhorizontes. Und natürlich beschränkt sich Peters nicht auf die „kleinen Leute" der gewählten Gutslierrschaftsgesellscliaft. Er behält die Familie v. Saldern im Blick, folgt ihren I Iandlungen und deutet diese. Er beobachtet ihre Rolle als Stadtherren und Kirchenpatrone, lauscht ihren Gesprächen mit den adligen Gästen auf der Plattenburg und zeichnet die wenig beneidenswerte Verantwortung des Gutsherrn über das Besitztum im „krisengeschüttelten" 18. Jahrhundert auf. Speziell Matthias v. Saldern scheint sogar etwas Sympathie geweckt zu haben bei einem I Iistoriker, der sonst eher in das Denken der „kleinen Leute" eintaucht. Die hier vorliegende Arbeit ist, so scheint dem Rezensenten, das Ergebnis und Monument einer Leidenschaft, die, folgt man Peters' Schrifttum, irgendwann in den frühen 80ern vielleicht ihren Anfang nahm. Die „Märkischen Lebenswelten" sind also ein Alterswerk, die Summe eines Forscherlebens, und an jeder Stelle des Buches tritt diese Gewissheit dem Leser entgegen. Peters gelingt es nicht nur, „die sozialgeschichtliche Lebendigkeit versunkenen Lebens" zu bergen. Er schafft viel mehr: Er dringt tatsächlich in das „verschüttete Gesellschaftswissen" der Plattenburg-Wilsnacker I Ierrschaft vor und legt es offen, zumindest das, was aus den vorhandenen Quellen offengelegt werden kann. Dass die „widersprüchliche Vielfalt menschlichen Denkens und Fühlens, Regierens und Handelns" nur annährend nachvollziehbar dargestellt werden kann, hat Peters natürlich bereits in seiner Einleitung reflektiert. Dass ihm jedoch diese Annährung gelingt, ist seiner historisch-anthropologischen Perspektive geschuldet. Am Ende des Buches angekommen steht die Erkenntnis, dass die theoretischen, vielversprechenden Vorüberlegungen der Einleitung auch praktisch umgesetzt werden konnten, ohne Einschränkungen. Potsdam Matthias Hqffeins
ROGGAN, Alfred: Das Amtsdorf Burg und die Kaupenbesiedlung. Ein außergewöhnlicher Vorgang in der preußischen „Inneren Kolonisation" des frühen 18. Jahrhunderts (Schriften des Sorbischen Instituts/Spisy Serbskeho institute, Bd. 44). Bautzen: Domowina-Verlag 2007. ISBN 978-3-7120-2071-0. - III, 196 S.; 21,90 Euro. Die historische Forschung brachte die Besiedlung des Ortsteiles L?urg-Kauper bisher eng mit der staatlich gelenkten inneren Kolonisation Preußens in Verbindung. Als früheste offizielle Erwähnung der Kauperbesiedlung hatte das Jahr 1725, als der preußische König Friedrich Wilhelm I. die Kaupersiedlung anerkannte, Eingang in die Forschungsliteratur gefunden (Lehmann, Geschichte der Niederlausitz, S. 311). Mit der nun in der Schriftenreihe des Sorbischen Instituts Bautzen publizierten Monografie des Architekten und Landschaftspflegers Alfred Roggan widmet sich erstmals eine siedlungshistorische Einzelstudie der Besiedlung des Oberspreewaldes im Bereich des Amtsdorfes L?urg. Die im Jahr 2005 an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus verteidigte Dissertation untersucht, ob die Besiedlung der Spreewalclkaupen bereits vor 1725 erfolgte. Ausgangspunkt der Untersuchung und zugleich wichtigste Quellengrundlage ist die von Gösch Friedrich Wortmann 1719 angefertigte Zins- und Laßwiesen-Karte des LSurger Spreewaldes. Auf Basis dieser Karte entwickelte Roggan seine Fragestellung, für die er auf die Überlieferungen des Amtes Cottbus, die Kirchenbucheinträge der Parocliie Werben, Literatur aus dem 18. Jahrhundert sowie auf wirtschafts- und regionalhistorische Forschungsarbeiten zurückgreift. Unter 11 inweis auf die bereits geleistete Forschungsarbeit thematisiert Roggan weniger den Einfluss des Staates, sondern untersucht mit einem interdisziplinären Ansatz, der sowohl sozial·, landschafts- und architekturhistorische Aspekte berücksichtigt, den Besiedlungsvorgang.
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Der erste Abschnitt der Studie widmet sich der Rolle der Bewohner des Amtsdorfes Burg bei der Besiedlung der Kaupen. Die Besiedlung der Kaupen, so die These des Autors, wurde vor allem durch die landarmen Bevölkerungsschichten des Amtsdorfes Burg getragen. Dabei stand das Entweichen in die Kaupen in direktem Zusammenhang mit den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Dörfern wies das Amtsdorf Burg im Verlauf des Krieges keinen signifikanten Bevölkerungsverlust auf, so dass sich dort, so die These Roggans, bereits Ende des 17. Jahrhunderts ein Bevölkerungsdruck autbaute, der in die Kaupen entwich und zu deren landwirtschaftlicher Inwertsetzung wie auch zur Konditionierung der Landschaft führte. Durch die Ausweitung von bisher unberücksichtigt gebliebenem Kartenmaterial weist Roggan nach, dass auf den Fluren der späteren Ortsteile Burg-Kolonie und Burg-Kauper bereits vor f 7 2 5 , das bisher als Anfangsjahr der Spreewaldbesiedlung unter preußischen Auspizien galt, über einhundert Gehöfte existierten. Das Gebiet der Spreewald-Kaupen verfügte für diese landarme Bevölkerungsgruppe trotz der widrigen naturräumlichen Ausgangslage über h o h e wirtschaftliche Attraktivität. Diese inoffizielle Besiedlung des Spreewaldes fand 1725, als das Amt Cottbus die „Kauper" mit einem Wiesenzins belegte, eine staatliche Legitimierung. Mit der Akzeptanz der fiskalischen Oberhoheit des preußischen Staates durch die Kauper und der daraus resultierenden Erfassung in den Abgaberegistranden der preußischen Verwaltung erfolgte die landesherrliche Anerkennung der Kaupensiedlung. Im J a h r 1727 wurden den Siedlern im Kaupengebiet zudem Freiheiten gewährt, die deren wirtschaftliche Lage im siedlungsunfreundlichen Spreewald weiter begünstigten. Damit widerspricht Roggan der in älteren Forschungsarbeiten vertretenen These, die Kaupen seien durch das Ansetzen von Kolonisten besiedelt worden. Erst nach 1765, so Roggans Erkenntnis, kam es unter Friedrich II. im Bereich des heutigen Burg-Kolonie zum staatlich gelenkten Ansetzen von Kolonisten. Damit waren Fremde erstmals im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts an der Spreewaldkultivierung beteiligt. Die durch die Siedeltätigkeit erfolgte Veränderung der Kulturlandschaft wird im ersten Abschnitt des letzten Kapitels abgehandelt. I Iierfür analysiert Roggan die durch die Kauper verursachten Eingriffe in die Landschaft wie auch die Entwicklung der Kaupenbebauung. Durch die Anlage schiffbarer Fließe Lind von Wegeverbindungen wurden weite Bereiche der Kaupenlandschaft seit dem 18. Jahrhundert verkehrstechnisch erschlossen. Führte die Nutzung als Gartenund Weideland dazu, dass die Kaupen zunächst ihren Charakter als baumarme Offenlandschaft beibehielten, so erfolgte die Gestaltung der heutigen Kulturlandschaft erst Ende des 19. Jahrhunderts. Die Entwicklung der Hoftypen verfolgt der Verfasser anhand ausgesuchter Einzelbeispiele und unternimmt im letzten Abschnitt der Arbeit die Einordnung der Kaupenbebauung in überregionale Hauslandschaften. Hierfür wurden 26 datierte Blockwohnbauten und zwölf Wirtschaftsgebäude bauhistorisch untersucht. Die Untersuchungen brachten die Erkenntnis, dass aus der Anfangsperiode der Kaupersiedlung keine Bauzeugnisse mehr vorhanden sind. Das älteste G e b ä u d e in den Kaupen datiert aus dem J a h r 1741. Von dieser Ausnahme abgesehen existieren erst für die zweite I Iälfte des 18. Jahrhunderts und danach eindeutig datierbare Bauten, wobei das Doppelstubenhaus und das Wohnstallhaus die gebräuchlichsten Bauformen darstellen. Weil in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Gebäude vielfach neu errichtet wurden, vermutet Roggan, dass die erste Gebäudegeneration in den Kaupen auf Grund von Verschleiß durch f lbernutzung, Nutzungsänderungen und inadäquate Bautechniken nur wenige Dezennien überdauerte, so dass die Gebäude gegen Ende des 18. Jahrhunderts neu errichtet werden mussten. Diese Gebäude, vor allem als Wohnstallhäuser erbaut, waren an die B e dingungen in den Kaupen optimal angepasst. Im 19. Jahrhundert setzte sich dann das reinen
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Wohnzwecken dienende Doppelstubenhaus gegenüber dem Wohnstallhaus durch. Die in den Kaupen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts errichtete zweite Gebäudegeneration deutet laut Roggan auf das Ende der Aufbauperiode in den Kaupen hin. Die vergrößerten I Iöfe legen zudem nahe, dass sich die Spreewaldkaupen zu auskömmlichen landwirtschaftlichen Betrieben entwickelt hatten. In Anlehnung an Hans Mirtscliin vertritt der Verfasser für die in Burg errichteten Spreewaldblockhäuser die Ansicht, dass diese einer weitaus größeren Hauslandschaft zuzurechnen sind, die von Skandinavien bis zu den Alpen reicht. Selbst der zeitgenössische Bauschmuck weist mit Ausnahme der spreewalcltypischen „Schlangenkönigin" an den Giebelfirsten keine signifikanten Unterschiede zu anderen I Iauslandschaften auf. Stattdessen handelt es sich um die lokale Variante des Blockbaues, wofür Roggan den Terminus des „Spreewaldblockbaus" in Vorschlag bringt. „Die Spreewaldblockhäuser stellen in diesem Zusammenhang keine sorbischen (wendischen) Bauformen dar, sondern gehören zu den Hausformen des Zeitalters der inneren Kolonisation des 18. Jahrhunderts, die von Angehörigen der sorbischen (wendischen) Volksgruppe für die komplizierten naturräumlichen, kleinklimatischen und bauphysikalischen Bedingungen des Spreewaldes ertüchtigt wurden." Zu den Schwächen der Untersuchung zählt deren Literatur- und Quellenbasis, die für eine größere wissenschaftliche Arbeit nicht hinreichend ist. Weil neuere Forschungsliteratur jenseits des Oberspreewaldes keine Berücksichtigung fand, wird der Leser eine Einbettung des Untersuchungsgegenstandes in größere Entwicklungslinien vermissen. Als gewagt muss ferner das methodische Vorgehen des Verfassers bezeichnet werden. Die fehlende quellenkritische Auseinandersetzung mit der Wortmann-Karte liefert, da die Karte als sicherer L?eleg für eine f 7 f 9 bestehende Kaupersiedlung dient, eine breite Angriffsfläche. Ob es sich hier auch um eine durch das Amt in Auftrag gegebene Projektierungsarbeit handeln könnte, zieht Roggan nicht in Betracht. Unberücksichtigt bleibt auch der Aspekt, dass der 1725 eingeführte Wiesenzins womöglich nach der Gewährung von Freijahren durch das Amt eingefordert worden sein könnte. Um dies auszuschließen, wären weiter reichende Quellenrecherchen in der Überlieferung des Amtes Cottbus notwendig gewesen. Die Lage der Kaupersiedlung unmittelbar an der Grenze des Amtes Cottbus hätte es zudem geboten erscheinen lassen, die Gutsarchive der benachbarten Standesherrschaften Straupitz und Lübbenau auf Grenzstreitigkeiten, die die illegale Errichtung von Höfen unweigerlich nach sich gezogen hätte, sowie auf wasserbauliche Projekte hin zu prüfen. Auch einen Beleg, wie die erste Gebäudegeneration in den Kaupen baulich ausgeführt gewesen ist, bleibt die Arbeit dem Leser schuldig. Die Ergebnisse der ciendrochronologischen Gebäudeuntersuchungen stehen gar im Widerspruch zu Roggans Hauptthese, da anhand der Dendrodaten eine Kaupenbebauung erst für die zweite Hälfte des f8. Jahrhunderts sicher belegt werden kann. Außerdem muss die an verschiedenen Stellen der Arbeit verwendete historische Terminologie beanstandet werden. Die genannten Punkte zählen zu den Makeln der Untersuchung und hätten einer Verbesserung bedurft. Dagegen stellen die im Rahmen des Denkmalschutzes entstandenen bauhistorischen Gebäudeaufnahmen sowie die profunden sozialstatistischen Erhebungen die Stärken der Untersuchung dar. Trotz der anzubringenden Kritik kann Alfred Roggan es für sich beanspruchen, die Siedlungsforschung um eine aufschlussreiche Mikrostudie bereichert zu haben, die in jedem Fall lesenswert ist. Cottbus
Tim S. Müller
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Fürsorge in Brandenburg. Entwicklungen - Kontinuitäten - Umbrüche. I Ig. v. Wolfgang I Iofmann, Kristin;! I IObüner u. Paul Mfusinger (Schriftenreihe zur Medizin-Geschichte des Landes Brandenburg, Bd. 15). Berlin: be.bra Wissenschaft 2007. ISBN 978-3937233-36-9. - 176 S., 13 s/w-Abb., 22 s/w-Tab., 81 s/w-Fotos, zahlt; Abb.; 29,90 Euro. Der Sammelband zur Geschichte der Fürsorge in Brandenburg ist dem hochaktuellen Thema der I Iilfssysteme für in Not geratene, arme und kranke Menschen in der preußischen Zentralprovinz gewidmet, zieht aber die Grenzen nicht eng, sondern gewährt Ausblicke auf andere Regionen, insbesondere auf die Hauptstadt Berlin, die bekanntlich bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts Teil des Regierungsbezirkes Potsdam gewesen ist. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich summarisch von der Zeit des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, wobei der Schwerpunkt auf dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt. Zu den 17 Beiträgen, die in drei große Abteilungen mit den Themenkomplexen: 1. „Institutionelle Vorläufer einer modernen Sozialfürsorge", 2. ..Konfessionelle, freie und private Fürsorge in Brandenburg" und 3. ..Das Soziale im Wandel" subsumiert sind, kommt der programmatische einleitende Aufsatz des Mitherausgebers "Wolfgang Hof man η mit dem Titel „Soziale Fürsorge und öffentliche Daseinsvorsorge in historischer Perspektive" (S. 11—18), in dem er sich grundsätzlich mit der Entwicklung von der Armenfürsorge traditioneller vormoderner Prägung bis zur Problematik sozialer Daseinsvorsorge seit deren Verbreitung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, auch aus wissenschaftsgeschichtlicher und terminologischer Sicht, eindringlich und kritisch auseinandersetzt und damit den zeitlichen Rahmen der Publikation absteckt. In analoger "Weise geschieht dies in dem von dem ausgewiesenen Praktiker und ebenfalls als Mitherausgeber fungierenden Paul Mensinger verfassten abschließenden Aufsatz mit dem Titel „Sozialleistungen im Umbruch" (S. 115-158), der als ehemaliger Präsident des Landesamtes für Soziales und Versorgung in Brandenburg die gegenwärtig zu beobachtenden und geradezu als dramatisch zu bezeichnenden Paradigmenwechsel im gesamten Sozialwesen und in dessen Akzeptanz durch die Bevölkerung thematisiert und zu dem Ergebnis kommt, von einer Abwendung sowohl von den Grundsätzen deutscher Sozialpolitik nach dem Zweiten "Weltkrieg als auch von ihren „gesellschaftspolitischen Ambitionen" und von ihrer integrativen Funktion für die Gesellschaft sprechen zu müssen. Der erste Problembereich über die institutionellen Vorläufer der modernen Sozialfürsorge wird durch eine gemeinsam verfassten Aufsatz von Wolfgang Rose und Dietmar Schulze über .Korrigenden, Wanderer, kriminelle Geisteskranke. Zwischen Repression und Wiedereingliederung" eröffnet, der, auf ausgiebigen, besonders auch archivarischen Quellenstudien beruhend, insbesondere den Zeitraum von der Reichsgründung bis in das Jahr 1933 untersucht und neben vielen, teilweise neuen und überraschenden Einsichten unter anderem hinsichtlich der Landarmen- und Korrigendenanstalt Lübben und der Situation krimineller Geisteskranker in den Landesanstalten Landsberg a. d. Warthe und Teupitz zu dem generellen Ergebnis kommt, dass über die Lebensverhältnisse von „geisteskranken Verbrechern" angesichts signifikanten Quellenmangels so gut wie keine verlässlichen Aussagen möglich sind. Karin Römisch, ehemalige langjährige Frauenärztin in dieser Einrichtung, befasst sich mit der bis 1920 zur Provinz Brandenburg gehörigen Brandenburgischen Hebammenlehranstalt in Berlin-Neukölln und den Anfängen einer Schwangerenberatung in Berlin und bietet im Wesentlichen einen historischen Abriss ab der Gründung dieses I Iauses auf Beschluss des Brandenburgischen Provinziallandtages, indem sie ihre Darstellung bis zum 90-jährigen Jubiläum des I Iauses als nunmehriges Mutter-Kind-Zentrum im Vivantes Klinikum Neukölln im Jahre 2007 führt. Der Beitrag von Thomas Beddies über Jugendfürsorge in der "Weimarer Republik" steht unter dem Vlotto, das
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von dem Autor Max Lückerath in einem Aufsatz des ..Archivs für Psychiatrie" im Jahre 1923 formuliert worden ist, dass die Fürsorgeerziehung in ihrem wichtigsten Teil eine Erziehung der Psychopathen sei und dass auch noch aus heutiger Sicht zu fordern sei, dass darüber hinaus die Erforschung des Übergangsraumes zwischen geistiger Gesundheit und Psychopathie sich nicht ausschließlich entlang der berufsständischen Demarkationslinien von Medizin, Pädagogik und Fürsorge bewegen dürfe, sondern dass ein umfassenderer Zugriff über diese disziplinaren Grenzen hinweg zu fordern sei. Der Aufsatz von Petra Fachs über ...Krüppelfürsorge' in Brandenburg. Von der konfessionellen zur .modernen' Fürsorge für Körperbehinderte" geht zunächst auf die Anfänge der ..Krüppelpflege", wie der zeitgenössische Ausdruck lautet, in der Diakonissenanstalt Oberlinhaus in Nowawes bei Potsdam mit der Aufnahme eines körperbehinderten Kindes im Jahre 1886 aus, befasst sich mit der Leistung des Berliner Kinderarztes Lind orthopädischen Chirurgen Konrad Biesalski, führt einschlägige Fallbeispiele über Pfleglinge, die auch berufsmäßig in die Gesellschaft integriert werden sollen, an und schließt mit einem Ausblick auf bisher noch wenig untersuchte Zwangssterilisationen, unter anderem im Oberlinhaus in der NS-Zeit. I Iervorzuheben ist der auf breiter Grundlage recherchierte Aufsatz des jungen Historikers Axel G Hüntehnann über „Staatliche und kommunale Gesundheitspflege vor und nach dem ersten Weltkrieg", in dem er ergebnisreich auf das Potsdamer MedizinalUntersuchungsamt und das Wohlfahrtsamt Nowawes im Rahmen der Strukturen des Gesundheitswesens im Deutschen Reich und in Preußen eingeht und sich über den brandenburgischen Raum hinaus mit der Einrichtung bakteriologischer und hygienischer Untersuchungsanstalten befasst, die besonders in Kriegszeiten durchweg unter Personal- und Geldmangel gelitten haben. Der zweite Teil des Aufsatzbandes über konfessionelle, freie und private Fürsorge in Brandenburg wird von dem L?eitrag von Uwe Kaminsky über „Die konfessionelle Fürsorge: Die Entstehung des Provinzialausschusses für Innere Mission" eingeleitet und vermittelt einen erschöpfenden Uberblick über eine Vielzahl von Einrichtungen unter der Grundfrage nach der problemgeladenen Koexistenz von konfessionellen Einrichtungen gegenüber freien Trägern. Der langjährige Direktor und Vorstandsvorsitzende des Oberlinhauses in Potsdam-Babelsberg, Friedrich-Wilhelm Pape, breitet instinktive, auch interne Kenntnisse über die Geschichte dieser Einrichtung vom Diakonissenmutterhaus bis zur gegenwärtigen leistungsfähigen Dienstleistungsholding aus, während Wolfgang Rose die Geschichte des Naemi-Wilke-Stifts in Guben als Beispiel für private Trägerschaft mit konfessioneller Einbindung von der Gründungsphase in den endsiebziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart vorstellt und die bleibenden Leistungen dieses Kinderkrankenhauses, auch unter Verwendung einschlägigen Bildmaterials, vorbildlich luzide macht. Gerade wegen der lückenhaften Überlieferung ist der Aufsatz über Jüdische Wohlfahrtspflege in der Provinz Brandenburg zwischen Modernisierung und Vernichtung (1920-1915)" von Annette Hinz-Wessels, der Linter anderem auf das Jüdische Erholungsheim in Lehnitz und die Israelitische Erziehungsanstalt für geistig zurückgebliebene Kinder in Beelitz eingeht, besonders verdienstvoll, da er mit detailreichen Informationen über teilweise unbekannte Sachverhalte aufwarten kann. In ähnlicher Konsequenz vermittelt der von Petra Fachs, Petra Liebner und Marco Schulz gemeinsam verfasste Aufsatz über die Heilstättenbewegung in Brandenburg am Beispiel der Lungenheilstätten in Kolkwitz, Hohenlychen und Beelitz einen hervorragenden Einblick in das Problem der Bekämpfung der Tuberkulose auf Provinzialebene mit einem Ausblick in die Gegenwart. Des Weiteren beschäftigt sich der Aufsatz von Wolf Refardt mit dem Phänomen der Ordensfürsorge in Brandenburg am Beispiel des auch heute noch in Berlin-Lichterfelde und in Jüterbog aktiven Johanniterorclens auf dem Gebiet des Krankenhauswesens. Das Beispiel Charlottenburg als explosionsartig wachsender
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Berliner Agglomeration wählt Andreas Ludwig, um Stiftungen wie etwa das Wilhelms-Stift oder das Altenheim der Puls-Stiftung als Beispiele für soziale Für- und Vorsorge zur Zeit der Urbanisierung in der Phase der Industrialisierung der I Iauptstadtregion vorzustellen. Schließlich widmet sich wieder Annette Hinz-Wessels im Rahmen der Darstellung eines spektakulären Prozesses gegen die evangelische Erziehungsanstalt Waldhof-Templin der Krise der konfessionellen Fürsorgerziehung in der Zeit des Überganges zur Nazi-Herrschaft, als aus den unterschiedlichsten politischen Lagern für oder gegen diese Einrichtung und deren innere Zustände in einer beispiellosen Pressekampagne berichtet wurde. Der dritte Komplex des Bandes gilt der Zeit des Wandels im Sozialwesen und wird mit dem Beitrag von Marcel Boldorf übet „Fürsorge im Umbruch. Die Provinz Brandenburg zwischen Weimarer Republik und DDR-Länderreform" eingeleitet, der insbesondere auf die Prinzipien für die Gewährung von Leistungen unter den unterschiedlichen politischen Bedingungen eingeht, ohne dabei grundstürzende Zäsuren feststellen zu können. Christoph Bernhardt und Gerd Kuhn nehmen sich des Problems der Jugendhilfe im Sozialismus an und untersuchen Strukturen und Fallbeispiele aus Brandenburg in den Jahren 1945 bis 1989, während der Aufsatz von Thomas Müller über „Psychiatrische Familienpflege gestern und heute. Ein deutschfranzösischer Vergleich mit Betonung mitteldeutscher .Situationen'" das Untersuchungsgebiet Brandenburg zugunsten allgemeinerer grundsätzlicher Überlegungen aus der Sicht des Arztes und Medizinhistorikers bewusst überschreitet. Der Aufsatzband wird von einem Anhang mit einem Abbildungsnachweis, einem Personenregister, einem Verzeichnis ausgewählter Literatur und einem Autorenverzeichnis abgeschlossen, welches deshalb besonders instruktiv ist, weil die Autoren und Autorinnen als Historiker, Ärzte, Juristen und Pfarrer aus verschiedensten Fachdisziplinen heraus eine multiperspektivische Sicht der historischen und heutigen Probleme der Fürsorge in Brandenburg garantieren. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es sich bei dieser Publikation, die die Reihe anderer wichtiger Bände des Verlages zur Medizingeschichte ungemein bereichert, um ein sehr gelungenes Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit im Schnittpunkt von Verwaltungs- Sozial- und Medizingeschichte mit einer Vielzahl neuer Erkenntnisse handelt, die das Spektrum von Fürsorge und Daseinsvorsorge beispielhaft für eine Region erschließen. Berlin
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Gn.nr.RT, Martin: Sie waren die Boys. Die Geschichte von 732 jungen I Iolocaust-Übeliebenden. Übersetzt v. Reinhard BRENNEKE. Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. ISBN 978-3-86650-222-2. - 559 S., 10 Abb.; 21,80 Euro.
Die vorliegende Publikation erschien im Jahr 1996 unter dem Titel „The Boys. Triumph over Adversity" in englischer Sprache. Nunmehr liegt die erste deutschsprachige Fassung vor. Der englische I Iistoriker Martin Gilbert verdichtete die Erlebnisberichte von Überlebenden des I Iolocaust, die als Kinder bzw. Jugendliche nach der Zerschlagung der NS-Diktatur befreit und in den folgenden Monaten in Großbritannien aufgenommen wurden, zu einer bewegenden Kollektivbiographie. In Briefen und Gesprächen bzw. Artikeln schildern fünfzig Personen authentisch ihre Lebensgeschichten. Sie beginnen mit den Erinnerungen an das jüdische Leben in den Heimatorten, die sich überwiegend in Osteuropa befanden. Die Kinder und Jugendlichen erlebten in der Folgezeit den systematischen NS-Terror, Leben in Ghettos, Deportationen in Konzentrations- und Zwangsarbeitslager in ganz Europa. Die meisten wurden von Eltern und Geschwistern getrennt oder wurden Zeuge ihrer Ermordung. Der Leidensweg führte auch durch
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Konzentrationslager in Brandenburg. So berichtet I Iugo Gryn über den Alltag im Arbeitslager Lieberose, einem Außenkommando des KZ Sachsenhausen. Gemeinsam mit seinem Vater musste er sich mit 3.500 Häftlingen aus Sachsenhausen auf den Todesmarsch begeben. Sein Vater überlebte die Strapazen nicht (S. 236 f.). Die „Boys", darunter achtzig Mädchen, waren bei der Befreiung körperlich am Ende ihrer Kräfte und schwer traumatisiert. Die Geretteten versuchten in einem Netzwerk britisch-jüdischer I Iilfsorganisationen einen Neuanfang. Die vorliegenden Berichte stammen überwiegend aus jüngerer Vergangenheit, ein Teil wurde ausdrücklich für den Band verfasst. Gilbert weist darauf hin, dass die Meinungen unter den Beteiligten, „ob es wirklich klug und zweckdienlich ist, die eigenen Erlebnisse vor der Öffentlichkeit auszubreiten" (S. 180), auseinandergehen. Viele von ihnen empfanden es jedoch mit zunehmendem zeitlichen Abstand als Verpflichtung, von den eigenen schrecklichen Erlebnissen zu erzählen. So schrieb Krulik Wilder anlässlich des fünfzigsten Jahrestages seiner Befreiung: jetzt, nach fünfzig Jahren, fühle ich, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, nach Stift und Papier zu greifen und zu versuchen ... von dem zu berichten, was mir, meiner Familie und dem jüdischen Volk insgesamt zugestoßen ist." (S. 11) Der Band enthält Fotos von Treffen in der Nachkriegszeit. Eine Namensliste verweist auf verstorbene Mitglieder der Gemeinschaft der „Boys". Acht beigefügte Karten geben einen Überblick zu den Geburtsorten, den Konzentrations- und Zwangsarbeitslagern, die die Betroffenen durchliefen sowie über die in der Nachkriegszeit gewählten Wohnorte. Ein Personen- und Ortsregister erleichtert den Zugriff. Potsdam Monika Nakath
3. Provinz Sachsen / Anhalt Das Heilige Grab in Gernrode. Bestandsdokumentation und L?estandsforschung. Hg. v. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt unter Leitung von Hans-Joachim K R A U S E und Gotthard Voss. L?earb. v. Rainer K A H S N I T Z u.a. 2 Bde (Denkmäler Deutscher Kunst - Beiträge zur Denkmalkunde in Sachsen-Anhalt, Bd. 3). Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft 2007. ISBN 978-3-87157-193-0. - 608 S., Bd. 1: 277 Abb., davon 90 färb.; Bd. 2: 248 Tafelabb, davon 24 färb., Mappe mit 17 s/w- u. 33 färb. Ktn.; 168,- Euro. Grundvoraussetzungen nahezu jeder Tätigkeit in der modernen Denkmalpflege sind Bestandsforschung und die anschließende Dokumentation des erarbeiteten Befundes. Vielfach entstehen Befunderhebungen in Gestalt von I Iunderten von bis in die Details gehenden Aufmaßen und Zeichnungen, entstehen große Mengen an Fotos und werden naturwissenschaftliche Analysen durchgeführt, die bisherigen bau- und kunstgeschichtlichen Bewertungen zusammen getragen - alles Ergebnisse von Denkmalpflegern, Bauforschem, Kunsthistorikern, Restauratoren und Naturwissenschaftlern. Die Erkenntnisse dieser unterschiedlichen Disziplinen sind zu bündeln sowie auszuwerten und haben in die Restaurierungen einzufließen, sofern bedeutende Denkmale nicht grundsätzlich im status quo konserviert werden müssen. Solche umfänglichen Grundlagen für Restaurierungen lassen sich nur mit großem Zeitaufwand und vor allem mit erheblichen Kosten erarbeiten, weshalb sie - sofern es sich um einen privaten Denkmaleigentümer handelt - diesem in der Regel nicht aufgebürdet werden können. Umso größer ist
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das Verdienst zu würdigen, das 11eilige Grab in Gernrode umfassend untersucht und vor allem das Ergebnis in Buchform der Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben - gewissermaßen ist ein Modellbeispiel einer Dokumentation entstanden, vorgelegt in drei Bänden: einem Textband mit nahezu vierhundert Seiten, einem Band mit 216 Photographien und einem schmaleren Band mit „Beilagen" in Gestalt von 50 losen Blättern, auf denen die Befunderhebung von der Aufnahme des Baubestandes, der Punkte der Befundentnahme, der verwendeten Gesteine, der Mauer- und Fugenmörtel sowie der Flächenputze und nicht zuletzt der Reste alter Farbigkeiten über alle Flächen des Grabes zeichnerisch dokumentiert ist. Letztlich mündet das ganze wissenschaftliche Vorhaben in zwei fundierten Ergebnissen: der weiter gehenden Klärung der Baugeschichte mit vier festgestellten Bauphasen (aus der Feder von Hans-Joachim Krause) sowie der Klärung der Farbfassungen (von Roland Möller), die in „schematischen" Darstellungen rekonstruiert sind. Ergebnis der Bauforschung: „Im ganzen führen die festzustellenden Phasen zu einem etwas veränderten Bild vom zeitlichen Ablauf der Entstehung des Heiligen Grabes und seiner Veränderungen im Verhältnis zur Baugeschichte der Kirche." Auch ein solches Ergebnis rechtfertigt die Mühen einer systematischen Bestandserforschung. Berlin
Helmut Engel
Lahouvte, Eva (I Ig."): Adel in Sachsen-Anhalt. Höfische Kultur zwischen Repräsentation, Unternehmertum und Familie. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2007. ISBN 978-3-41212906-4. - 368 S., 24 s/w-Abb.; 44,90 Euro. Monographien oder Sammelbände zur sachsen-anhaltischen Landesgeschichte sind selten. Der vorliegende Band zeugt von dem Bewusstsein darüber seitens seiner Herausgeberin, Professorin für die Geschichte der Neuzeit/Geschlechterforschung an der Universität Magdeburg. Er basiert auf Erträgen eines I Iauptseminars und zusätzlich eingeworbenen Beiträgen. Bereits die Gliederung macht deutlich, dass hier nur ein Ausschnitt der adligen Lebenswelt auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts - die Herausgeberin ist sich der größeren Präzision dieser Bezeichnung durchaus bewusst - präsentiert werden kann. Zwölf L?eiträge sind den Sektionen „Adlige Lebenswelten" ( ί Beiträge), „Repräsentation und Festigung von Herrschaft" (3) sowie „Wirtschaft und Unternehmertum" (3) zugeordnet. Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf der Frühen Neuzeit. Lediglich Jörg Brückner geht in seinem Aufsatz über die Grafen von Stolberg als Montanunternehmer im 16. Jahrhundert auf spätmittelalterliche Entwicklungen, die Entfaltung des Berg- und Hüttenwesens im Harz, ein. Doch dominiert auch hier das unternehmerische „Schon" frühneuzeitlicher Adligkeit, wenn das vom finanziellen Desaster der Grafen von Mansfeld begleitete Bemühen der Stoiberger um die Einführung einer Wasserhebemaschine im Mittelpunkt steht. Uwe Lagatz setzt die Sicht auf diese Familie für das späte 18. und 19. Jahrhundert mit einem Ausschnitt aus seiner Dissertation zu Graf 11 enrich zu Stolberg-Wernigerode (1772-1845) fort, der trotz einer traditionellen kulturellen Distanz mit seinen I Iüttenwerken in Ilsenburg, Magdeburg und I Iattingen den Weg in eine ökonomische Modernität ging, die ihn zu einer Ausnahmeerscheinung machte. Ebenfalls in das 19. Jahrhundert wagen sich Katrin Iffert und Ramona Myrrhe. Bei ihnen ist das „Noch" des 19. Jahrhunderts in Gestalt tradierter Rollenmuster und des Fortlebens adligen Standesbewusstseins stärker betont. Myrrhes Beitrag, der den dritten Abschnitt vervollständigt, hat die rechtliche (1840) und kulturelle Nobilitierung der halclenslebenschen Unternehmerfamilie Nathusius und ihren Erfolg „zwischen Fabrik und Rittergut" zum Thema.
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Iffert analysiert — damit zum ersten Abschnitt — die Scheidung des I Ierzogspaares Alexius Friedrich Christian (1767-1834) und Marie Friederike von Anhalt-Bernburg (1768-1839), und berücksichtigt neben Fntfremclungsmechanismen die Deutungsmuster des sozialen Umfeldes. Dies ist besonders aufschlussreich in Bezug auf den Ballenstedter Hof und den als Gemütskrankheit abgestempelten Drang der Herzogin zum Ausbrucli aus aufgezwungenen Rollenbildern. Über fürstliche Frauenkulturen informieren auch die Beiträge von Carolin Doller zu standesungleichen Iihen im I laus Anhalt-Bernburg, von Katrin Ret wert zum Verhältnis der Fürstin Gisela Agnes von Anhalt-Kothen (1669-1740) zu ihren Kindern sowie von Johanna GeyerKordesch über Louise Henriette Wilhelmine von Anhalt-Dessau (1750—1811). Dollers Aufsatz wirkt auch erhellend hinsichtlich der Deutungsmuster und Handlungsoptionen männlicher Ehepartner zwischen Standesgefährdung, Liebe und Emanzipation. Eine stärkere Verdeutlichung jüngster Vorarbeiten hätte dem Aufsatz, gerade wegen des zentralen Beispiels der Wilhelmine Charlotte Nüssler (1683—1740), das Michael Sikora umfassend analysiert hat, gut gestanden. Rawert gibt faszinierende Einblicke in die ambitionierten herrschaftlichen Ziele und Möglichkeiten der „Reichsgräfin zu Nienburg (Saale)", die beim Fintritt der Söhne in die Regentschaft zu einer Entemotionalisierung des Mutter-Sohn-Verhältnisses führten. Geyer-Kordescli korrigiert anhand der Reisetagebücher Louises das L?ild dieser unglücklich verheirateten Fürstin, die mittels Reiseerfahrungen aufoktroyierte Rollenzuschreibungen überwand und in ..solitude and melancholia" zu ihrer Identität fand. Einblicke in ..Männerkulturen" geben Steffen Schulz, der die Kavalierstouren Viktor Friedrichs von Anhalt-Bernburg (1700-1765), Johann Georgs von Anhalt-Dessau (1748-1811) und Heinrich Emsts zu Stolberg-Wernigerode (1716-1778) vergleicht, Jutta Nowosadtko und Sascha Möbius, die anhand von Briefen aus dem Siebenjährigen Krieg die Ehrvorstellungen von Soldaten und adligen Offizieren des preußischen Regiments Alt-Anhalt ergründen. Schulz arbeitet die individuellen Differenzen in Bezug auf Reiseziele, -konditionen, -zwecke und Kontaktaufnahmen heraus. Er macht geltend, dass auf diesen Reisen neben dem Wissenserwerb vor Ort die Erfahrung von Entbehrungen, fremden Kulturen und gestiegener Verantwortlichkeit sowie die Knüpfung sozialer Netzwerke auf die spätere Regierung vorbereiteten. Der zweite Abschnitt beginnt mit einem Überblick von Angela Damisch über den Wandel „Adliger Erinnerungskulturen" zwischen Reformation und Aufklärung, der auf breiter Literaturbasis steht, aber zwischen den betrachteten Anhaltinern und Wettinern ungenügend differenziert, dabei ungenau zitiert und nur wenig Neues bietet. Der folgende Aufsatz der I Ierausgeberin über Tauffeste der Fürsten von Anhalt besitzt eine außerordentliche Quellentiefe. Wenngleich die Begrifflichkeiten an mancher Stelle diskutierbar sind (so liest man S. 228 von der „Repräsentation in der Präsentation von Präsenz"), so wird hier doch ein Desiderat der landesund kulturgeschichtlichen Forschung eingelöst. Es werden Kontext, Verlauf, Funktion und Wandel dieser Feierlichkeiten detailliert beschrieben. Die oft geleugnete Fmotionalität der fürstlichen Eltern zu ihren Kindern, die Teilhabe der Untertanen an Schwangerschaft und Geburt, die ephemere Fokussierung der Öffentlichkeit auf die Fürstin und die weiten Gevatterschaftsund Kommunikationsnetze werden ebenso analysiert wie der sich Mitte des f8. Jahrhunderts vollziehende semantische Wandel der Fürstinnen „zu Müttern" und die Famiiiarisierung dieser Feste. Ebenfalls sehr gelungen ist der Aufsatz von Bernhard/«/:?» über das Ballett am Weißenfelser Hof des späten 17. Jahrhunderts. Angeregt von dualen Konzepten der Leserforschung, zeigt Jahn auf, wie durch Rhetorik, Tanzkunst und die Personalität der Rollen (die Mitglieder der Fürstenfamilie tanzten selbst) das Ballett nicht nur zur Affektkontrolle, sondern zur Fmotionalisierung der Geschwisterbeziehungen der jungen Dynasten beitrug.
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An Genauigkeit mangelt es gelegentlieh bei den Belegen (Fehler bei Autorennamen oder Titeln z.B. S. 204, 206, 240, 241). Unpräzise bis verwirrend sind auch die mit der fehlenden Differenzierung zwischen I loch- und Niederadel verbundenen Bezeichnungen der I läuser. Statt von den „Fürsten von Anhalt" oder dem „anhaltischen Fürstenhaus" liest man vom „Adelsgeschlecht der Anhaltiner" oder gar vom „anhaltinischen Adel". In der Tat steht der Hochadel im Mittelpunkt des Buches; die Existenzbedingungen niederadeliger Herrschaft werden dagegen kaum berührt. Die in der Einleitung mit Blick auf das Defizit der deutschen Adelsforschung an ..kulturwissenschaftlicher Themen- und Fragestellungen" (S. 1) angekündigte Methodik ist nicht von allen Autoren aufgenommen worden. Und schließlich bleibt ein sachsen-anhaltisches Proprium unklar. Eine landesgeschichtliche Einordnung hat wohl, trotz des Titels, nicht in der Absicht der Herausgeberin gelegen. Dieser entspricht eher das Ergebnis, eine kulturanthropologisch orientierte Darstellung der Geschichte fürstlicher Lebenswelten, die viele neue Erkenntnisse zu bisher wenig beachteten Facetten dieses Themenfeldes anhand sachsen-anhaltischer Beispiele bietet. Münster
Jan
Braclemann
K R E I S S L E R , Frank: Die Dominanz des Nahmarktes. Agrarwirtschaft, Handwerk und Gewerbe in den anhaltischen Städten im 15. und 16. Jahrhundert (Studien zur Landesgeschichte, Bd. 13). Halle: Mitteldeutscher Verlag 2006. ISBN 978-3-89812-249-8. - 4 6 4 S., Abb., Ktn.; 36,- Furo.
Der Titel dieser 2003 am Fachbereich Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eingereichten Dissertation fasst in einem Satz eine I Iauptthese der Studie zur wirtschaftlichen Situation der Städtelandschaft des anhaltischen Territoriunis vom ausgehenden 14. Jahrhundert bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts bereits zusammen. Agrarwirtschaft und Brauerei sowie handwerkliche Produktion für die Stadt und die sie jeweilig umgebenden ländlichen Siedlungen sind für die Wirtschaft der Städte des Bearbeitungsgebietes bestimmend. Lediglich Zerbst mit dem Bierexport und einer nicht unwesentlichen Stellung im mitteleuropäischen Schlachtviehhandel sowie die Bergstädte im Harz mit ihren auf Grund der Frzfunde und Metallkonjunkturen sehr kurzen Blütezeiten bilden Ausnahmen. Dominiert wird das Städtenetz wie überall in Mitteleuropa durch Klein- und Kleinststädte. Auch die Minderstädte, die zum Ί eil erst im 15. und 16. Jahrhundert eine Ratsverfassung erhielten, werden berücksichtigt. Selbst die größten und wichtigsten Kommunen, Zerbst, L?ernburg, Kothen und Dessau, hatten im Bearbeitungszeitraum nur die Bedeutung von großen Mittelstädten. Bemerkenswert bleibt, dass die vier wichtigsten Städte Haupthoflager, dann landesherrliche Residenzen waren und fast jede sonstige Stadt als Mittelpunkt eines landesherrlichen Amtes fungierte. Die Städte waren zumindest als Siedlungsplätze durchweg bereits zuvor entstanden, und ihre Fortentwicklung in der Bearbeitungszeit bleibt dynamisch. Nach den negativen Entwicklungen im Spätmittelalter ist das 16. Jahrhundelt eine Zeit der Erholung und des Stadtausbaus. Noch ist die Hofwirtschaft nicht wirtschaftlich bestimmend. Trotz der bekannten großen Verluste bei den anhaltinischen Archivalien argumentiert der Verfasser auf einer erstaunlich breiten Quellenbasis und breitet in dieser, wesentlich auf ungedrucktem Material basierenden Studie ein überzeugendes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung eines mitteldeutschen Territoriums vom späten 14. Jahrhundert bis zur Landesteilung im Jahr 1603 aus. Mit Recht sah der Autor keinen eirund, sich an gängige Epochengrenzen zwischen Mittelalter und Neuzeit zu halten, die für den Untersuchungsgegenstand nicht sinnvoll sind.
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In methodischer I Iinsieht hat die Studie, in der quellennah die in den Kommunen geübten Wirtschaftstätigkeiten vergleichend dargestellt und in größere Zusammenhänge gestellt werden, Vorbildcharakter und wird mit ihren gut belegten Thesen für entsprechende Arbeiten über andere Einzellandschaften Maßstab sein. Berlin Felix Esch er
MOCK, Markus Leo: Die Kunst unter Erzbischof Ernst von Magdeburg (1464—1513). Berlin: Lukas 2007. ISBN 978-3-936872-87-3. - 328 S., 92 s/w- u. 12 färb. Abb.; 36,Euro. Kunst bzw. Kultur an der "Wende von der Spätgotik zur Renaissance in Sachsen-Anhalt verbindet man heute wohl vor allem mit dem Magdeburger Erzbischof Kardinal Albrecht von Brandenburg, mit dessen Neuer Residenz in I lalle, dem dortigen ..Dom" und seiner einst prachtvollen Ausstattung sowie mit clem I Ialleschen I Ieiltum. Kaum einem Kirchenfürsten wurden in den letzten Jahren mehr Ausstellungen und Kolloquien gewidmet1. Und fast ebenso bekannt sein dürfte auch der zeitgleich von Wittenberg aus regierende Kurfürst von Sachsen, der Wettiner Friedrich III., genannt der "Weise (1163—1525). Meist im Schatten der beiden Vorgenannten stellt jene Persönlichkeit, mit der sich Markus Leo Mock in seiner 2007 als Buch erschienenen kunsthistorischen Dissertation beschäftigt hat: Erzbischof Ernst von Wettin (26. oder 27. Juni 1464 bis 3. August 1513). Schon als Knabe 1476 zum Erzbischof von Magdeburg gewählt, wenn auch erst mit 25 Jahren geweiht, war er Albrechts unmittelbarer Amtsvorgänger und als drittes Kind des Kurfürsten Ernst von Sachsen (ΙΤίΙ-1186) jüngerer Bruder Friedrichs des Weisen. Angesichts dieser Konstellation ist es kaum zu glauben, dass dies die erste übergreifende LJntersuchung der wichtigsten Kunst- und Arcliitekturaufträge dieses Kirchenfürsten ist. Ausführlich vorgestellt werden - chronologisch Emsts um manch neue Facette bereicherten Lebenslauf zugeordnet - der Bau und die Ausstattung der von Ernst nach 1178 erfolgter Unterwerfung Halles ab 1181 dort errichteten Residenz und Zwingfeste „Moritzburg", Emsts Grablege in der dafür ab 1191 zum „Kleinen Chor" umgestalteten Eingangshalle zwischen den Türmen im Westen des Magdeburger Doms, dessen Fertigstellung man unter Ernst nach über 100 Jahren Baustillstandes (seit 1363) in Angriff genommen hatte, und - in diesem Zusammenhang - das kurz darauf erneuerte Sancisteinkenotapli für Edjgjith, die 946 verstorbene erste Gemahlin Kaiser Ottos I. in der Chorscheitelkapelle, sowie die wohl bis 1509 weitgehend ausgestattete Maria-Magdalenen-Kapelle auf der Halleschen Moritzburg; als Stiftskirche gedacht war sie erster Aufbewahrungsort des Halleschen Heiltums, dessen Anfänge unter Ernst ebenfalls dargelegt werden. Ein Abschnitt zu Emsts Wahl und Ordination zum Erzbischof von Magdeburg und ein Kapitel zu Tod und Begräbnis runden die Ausführungen ab. Die Mehrzahl der von Mock betrachteten Objekte ist nicht nur der Forschung lange schon auf Grund ihrer hohen Qualität und der an ihrer Fertigung beteiligten Künstler bekannt, hervorzuheben sicher Emsts Magdeburger Messing-Grabtumba von 119 i aus der Nürnberger Werkstatt Peter Vischers d.Ä. sowie das Dreikönigs- und das Sebastians-Triptychon Hans Baidungs, gen. Grien aus der Kapelle der Moritzburg von 1507/08 (Nürnberg, GNM und Berlin,
1
Zulelzl: D e r Kardinal. A l b r e e h l v o n B r a n d e n b u r g - R e n a i s s a n e e f ü r s l u n d M ä z e n . E i n e AussLellung der Stiftung Moritzburg. K u n s t m u s e u m s des Landes S a c h s e n - A n h a l t ( 9 . 9 . - 2 6 . 1 1 . 2 0 0 6 ) , 2 Bde., hg. v. Andreas T a c k e . R e g e n s b u r g 21 )06.
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SMPK, Gemäldegalerie). Gleichwohl hat Moek auch ihnen bislang Unbekanntes abgewinnen können; so ist etwa auf Baidungs Retabeln die Farbwahl für bestimmte Kleidungsstücke unmittelbar auf den Wettiner Frnst bezogen, was die These unterstreicht, Frnst habe auf beiden Retabel sein Kryptoportrait integrieren lassen. Auch ein nach Albrecht Dürers Entwurf ( W 233) gefertigter großer Tischbrunnen, dessen oberer Teil sich 1526 zum Reliquiar umgearbeitet im Halleschen Heiltum befand, könnte ursprünglich in der Hofstube der Moritzburg gestanden haben (S. 8 7 - 8 9 ) . Gefördert von der Düsseldorfer Gerda I Ienkel Stiftung und der Magdeburger GERO AG hat Mock für seine Analyse den historischen I Iintergrunci in akribischer Archivarbeit (Dresden, "Weimar, Magdeburg) vielfach erstmals erarbeitet. Dabei hat er eine Vielzahl neuer Fakten erschlossen, die weit über seine eigene Fragestellung hinaus insbesondere für die historische Forschung wichtig sind. Sieben teilweise bislang unbekannte oder nur gekürzt publizierte Quellenschriften sind dem Leser zudem im Anhang zugänglich gemacht, darunter ein Inventar des „Kleinen Chores" im Magdeburger D o m von 1583 sowie ein auch Retabel, Tafelbilder und Skulpturen auflistendes Inventar der Maria-Magdalenen-Kapelle von 1608, eine Quelle, die umso wichtiger ist, scheint man doch nach dem "Weggang Kardinal Albrechts von Brandenburg aus Halle 1511 hier - das Heiltum weitgehend ausgenommen - in etwa den Zustand von 1513 wiederhergestellt zu haben. Auch Hans Baidungs „altar taffein" sind aufgelistet; den interessanten Sachverhalt, dass beide Triptychen einst Standflügel besessen haben dürften, hat Mock allerdings nur in einer Fußnote erwähnt (S. 233, Anm. 233)· Mocks Grundinteresse gilt zweifelsohne dem historischen Kontext. Insbesondere zielt es darauf, o b bzw. wie Emsts Bau- und Ausstattungsprojekte seine Zugehörigkeit zum sächsischen Herzogsgeschlecht der Wettiner widerspiegeln. D o c h auch andere Fragen werden angesprochen, etwa hinsichtlich des Verhältnisses zu den Einwohnern der aufbegehrenden Städte I lalle, Magdeburg und I Ialberstaclt oder zu den Nachbarterritorien, Fragen zu Glaubensvorstellungen, etwa seiner I Ieiligenverehrung, und der Memoria. Zitate aus historischen Beschreibungen, Ordinarien, Inventare etc. füllen die ausführlich vorgestellten Räumlichkeiten und ihre Ausstattungselemente anschaulich mit Leben. An Hand historischer Quellen skizziert Mock, dass Ernst zunächst in unmittelbarer Abhängigkeit von seinem Vater regierte, sich aber nach dessen Tod 1186, dem 1189 die Ordination zum Frzbischof folgte, emanzipierte und nach 1500 in teilweise offene Konkurrenz zu seinem inzwischen zum Kurfürsten ernannten Bruder in Wittenberg trat, was aber den familiären Banden nur bedingt Abbruch tat. Wichtig für sein I landein ist nun sein Amtsverständnis, als Magdeburger Erzbischof „Primas Germaniae" zu sein. Genau in dieses sich wandelnde Beziehungsmuster hat Mock überzeugend die von ihm vorgestellten Projekte einordnen können. Manche darüber hinausgehende Erkenntnis droht dabei allerdings ein wenig unterzugehen. Hierzu gehört etwa, dass die Moritzburg zwar o h n e das Vorbild des „Prototyps der sächsisch-wettinischen Residenz", der Albrechtsburg zu Meißen, kaum denkbar ist, dass aber durchaus auch architektonische B e z ü g e zu dem ab 1476 südlich des Meißner D o m e s errichteten Bischofsschloss feststellbar sind; dessen Bauherr war der im selben Jahr gewählte Bischof Johannes von "Weißenbach, nicht nur ein enger Freund Kurfürst Emsts von Sachsen, sondern auch engster Berater Erzbischof Emsts (S. 6 8 - 7 0 ) . Stilkritische Fragen spielen eine eher untergeordnete Rolle. L?ei zwei Triptychen hält sich Mock aber diesbezüglich etwas länger auf, bei einem bereits bekannten Marienretabel aus Ernsts Magdeburger Grabkapelle GS. 1 3 1 - 1 4 3 ) und bei einem von Mock - Eduard Flechsig hatte es schon einmal 1900 erwähnt - wieder in die Forschung eingebrachten Retabel mit einer Darstellung des hl. Thomas im Zentrum, wohl Erzbischof Emsts persönlichem Schutzpatron (S.
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206—210). Beide Retabel waren 1664 der Kirchengemeinde zu Hohenmölsen im Süden des heutigen Sachsen-Anhalt geschenkt worden. I Iinsichtlich des Marienretabels, es zeigt unter anderem elf Wappen haltende Engel, hat Mock sich im Übrigen - gegen Robert Suckales und Gude Suckale-Redlefsens Zusclireibung an die Nürnberger Wolgemut-Werkstatt - Ingo Sandners Zusclireibung an den wohl in Sachsen tätigen, eventuell in Franken geschulten „Meister der Sachsenburger-Altäre" angeschlossen. Interessant ist die Feststellung, dass dieses Marienretabel anscheinend dem in Leipzig lokalisierten ..Meister der byzantinischen Madonna" für das Epitaph für den 1516 verstorbenen Theologen Nicolaus Celer aus der Leipziger Nicolaikirche als Vorbild diente, gemalt im Auftrag Adolfs von Anhalt, seit 1488 Dompropst von Magdeburg und ab 1514 Bischof von Merseburg. Dies ist umso interessanter, wird doch das Hohenmölsener Thomas-Retabel, das Mock zwar nicht verorten, dessen Heiligenauswahl aber mit Emsts persönlichen Lebensumständen in Verbindungen bringen konnte (in einer Darstellung des hl. Wolfgang sogar ein weiters Kryptoporträt des Auftraggebers wähnend), mit eben jenem ..Meister der byzyntinischen Madonna" in Verbindung gebracht; sprach sich Flechsig für eine unmittelbare Zusclireibung aus 2 , hat Mock für das engste Umfeld votiert. Ist schon diese Entscheidung angesichts des Celer-Epitaplis durchaus anfechtbar, ist noch weniger verständlich, warum Mock die "Werkstatt des Malers des Thomas-Retabels hypothetisch nach Halle verortet. Nur weil dort auf Grund großer Verluste einerseits und an Hand von Schriftquellen durchaus nachweisbarer Maler und Schnitzer andererseits ein Vakuum besteht"", sollte man nicht versuchen, ohne näheren Anhalt hier Werkstätten zu verorten. Warum soll nicht Ernst, wie im Übrigen auch sein Bruder Friedrich der Weise, Tafelbilder Leipziger Werkstätten erworben haben. Leider ist es auch Mock nicht gelungen, neue Schriftquellen zu den von Ernst beauftragten Künstlern zu erschließen, so dass neben den bereits oben genannten einzig der in Halle tätige Goldschmied Hans Huiuff benennbar ist; und vielleicht war auch, wie Sibylle Harksen schon 1967 vermutete, der ab 1491 für Friedrich den Weisen in Wittenberg tätige Schnitzer und Bildhauer Claus Ileffner 1504/05 am Bau der halleschen Morizburg beteiligt. Zweifelsohne ist Mocks Arbeit ausgesprochen verdienstvoll. Allerdings verraten weder ihr Titel noch das Vorwort, dass sich die Untersuchung in erster Linie Emsts Handeln als Spross des sächsischen Herzogshauses der Wettiner nachgeht. Und wenn auch die Konzentration auf die Projekte in Halle und Magdeburg bedingt nachvollziehbar ist, verwundert es schon, dass man nur am Rande erfahrt, class Mocks Protagonist noch eine ganze Reihe weiterer Kirchen, Kapelle und Burgen hat neu bauen bzw. modernisieren und auch neu ausstatten lassen, etwa die Burg in Calbe oder die Burgkapelle in Wolmirsteclt. Wer ein umfassenderes Bild von Ernst als Auftraggeber erhalten möchte, sollte daher auch Markus Leo Mocks Aufsätze zu diesen beiden Projekten lesen 1 . Doch auch einen von Ernst gestifteten prachtvollen Ornat im Halber-
2
Kduard F l e c h s i g : Die Sammlung des Königl. Sächsischen Alterrumsvereins zu Dresden in ihren I lauptw e r k e n . D r e s d e n 1901), S. 2 6 b (die Zusclireibung v o n M o c k w o h l ü b e r s e h e n ) .
3
Vgl. Andreas l l o r n e m a n n : Tafelmalerei und Schnitzplastik um 1500 in I lalle, in: I limmlisehe Helfer. Mittelalterliche SchiiiLzkunsl aus Halle. Ausst.-Kat. Stiftung MoriLzburg. K u n s t m u s e u m des Landes Sachsen-Anhalt ( 1 8 . 3 . - 7 . 1 0 . 2 0 0 7 > . I lalle 2007, S. 4 8 - 6 2 . Markus Leo Μ ο c k : Das S c h l o ß in Calbe an der Saale. B a u g e s c h i c h l e und BaugesLall einer erzbischöflic h e n Nebenresidenz, in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 14 1.2005), S. 186—206. - O e r s . : Die S c h l o ß k a p e l l e in Wolmirstedt: Ein erzbischöflicher Repräsentationsbau an der G r e n z e zu Kurbrandenburg, in: Kontinuität und Zäsur. [rnsl von Wettin und Albrecht von Brandenburg; Vorträge der 1. Moritzburg-Tagung (Halle/Saale) v o m 23. bis 25. Mal 2003, hg. v. Andreas T a c k e . Göuingen 2005, S. 1 1 9 - 1 2 1 . 1 lier auch interessante Beiträge von Sven 1 lauschke und 1 lans-Joaehim Krause zu den in Mocks Dissertation vorgestellten Projekten.
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Städter Domschatz (vorhanden sind ein Pluviale, eine Kasel und drei Dalmatiken) ließ Mock unberücksichtigt. Letztlich sei noch ein eigener Gedanke zu dem ..Kleinen Chor" im Magdeburger Dom erlaubt. Es ist sicher richtig, dass Ernst ganz bewusst seine Grablege in eine Achse mit den Gräbern von Kaiser Otto I. und dessen Gemahlin Edlglith einrichtete, sich so, die Idee der im Westen an den Meißner Dom angebauten Grablege der Wettiner weiterentwickelnd, unmittelbar auf Otto bezog, und dass sein Bruder Friedrich mit der im Westen an das Langhaus der Wittenberger Schlosskirche angebauten Memorialkapelle wiederum an Ernst anknüpfte. Gleichwohl evoziert die Bezeichnung „Kleiner Chor" die Idee, Ernst habe mit seiner Grabkapelle, immerhin Heimstatt eines neuen Stifts, einen „Westchor" eingerichtet, wie es auch schon Sven Hauschke formuliert hat. Hiervon ausgehend scheint es durchaus überlegenswert, ob nicht mit dieser Zweichörigkeit auch bewusst an die Tradition historischer Domkirchen im Heiligen Römischen Reich angeknüpft wurde, wie etwa jener in Worms, Mainz, Bamberg oder Naumburg. Natürlich ist es leicht, im Nachhinein zu kritisieren. Wichtiger ist, dass einmal mehr die konzentrierte Kontextualisierung den Blick auf die Frage schärft, warum Kunst so ist, wie sie letztlich ist. Darüber hinaus bildet diese Untersuchung eine ideale Basis für die weitere Forschung. Magdeburg
Andreas
Hornemann
Martin L u t h e r u n d Eisleben. Hg. v. Rosemarie Knape (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Bd. 8). Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2007. ISBN 978-3-371-02181-1. - 156 S„ zalilr. Abb.; 38,- Euro. R e f o r m a t o r e n i m M a n s f e l d e r L a n d . Erasmus Sarcerius und Cyriakus Spangenberg. I Ig. v. Günther WARTr.Nismi u. Stefan Rttfjn (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Bd. 1). Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2006. ISBN 978-3-371-023219. - 336 S.; 3 1 - Euro. Trotz seiner Luthergedenkstätten hat das Mansfelder Land bisher nicht eben im Zentrum der Reformationsgeschichtsschreibung gestanden. So ist es verdienstvoll, dass die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt mit zwei Publikationen, die auf .Arbeitsgespräche zur Reformationsgeschichte im Mansfelder Land" aus den Jahren 2001 bis 2005 zurückgehen, die Aufmerksamkeit auf diese Region lenkt. 2007 erschien als Ergebnis des 3. Arbeitsgesprächs und zur Eröffnung der neuen Ausstellung im Geburtshaus Martin Luthers der Band „Martin Luther und Eisleben" mit 18 Beiträgen, die sich mit der Biographie des jungen Luther und seiner Familie, mit Ergebnissen der archäologischen und baugeschichtlichen Forschungen an den Lutherstätten in Eisleben und Mansfeld, aber auch dem historischen und familiengeschichtlichen I Untergrund des Reformators beschäftigen. Der Titel des Bandes greift insofern zu kurz, als sich ein nicht geringer Teil der L?eiträge weniger mit der Stadt Eisleben, als vielmehr mit der Stadt und der Grafschaft Mansfeld beschäftigt. „Martin Luther und das Mansfelder Land" wäre vielleicht passender gewesen. Die Reihe der Beiträge beginnt mit einem Aufsatz des Bochumer Bergbauhistorikers Michael Fessner über ..Die Familie Luder und das Bergwerks- und I Iüttenwesen in der Grafschaft Mansfeld und im I Ierzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel", der den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg Hans Luders zum wohlhabenden Hüttenmeister in Mansfeld, aber auch den Verlust
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der führenden Position der Familie mit der „Verstaatlichung" des Mansfelder I Iüttenwesens in der Jahrhundertmitte schildert und damit die Familiengeschichte des Reformators in die Montangeschichte des 16. Jahrhunderts einbindet. Drei Beiträge beschäftigen sich mit der Stadt Eisleben um 1500. Gerlinde Schlenker wirft einige „Streiflichter auf Martin Luthers Heimatstadt" um 1500 und gibt dabei eine kurze Einführung in die Geschichte der Stadt im Mittelalter, während Thomas Wäsche die Topographie der Stadt um 1183 nachzuzeichnen versucht. Günter Vogler geht schließlich den Verbindungen zwischen Fisleben und Nürnberg nach, das als Sitz finanzkräftiger Teilhaber der Saigerhanclelsgesellschaften für den Bergbau des Mansfelder Landes erhebliche Bedeutung besaß. Das Schicksal des Geburtshauses Martin Luthers sowie seines nach einem Brand von 1689 errichteten Nachfolgebaues widmen sich die beiden folgenden Beiträge. Christian Matthes kann anhand archäologischer Befunde aufzeigen, dass das 1693 errichtete Haus „nicht als Replik des Vorgängerbaus, sondern vielmehr als repräsentativer Gedenkbau gestaltet wurde", während der Keller im Wesentlichen auf die Zeit vor dem Brand zu datieren ist. Anne-Marie Neser beschäftigt sich mit der weiteren musealen Geschichte des Gedenkortes, seinen zeitgebundenen Umgestaltungen und mit dem immer wieder mühsamen Ringen um Reparaturen, bis unter dem Einfluss des Oberbaurates Friedrich StCiler zu Beginn der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine gründliche Instandsetzung vorgenommen werden konnte. Kindheit und Jugend Luthers bilden einen weiteren Themenblock. Alexander Bartmuß befragt die Tischreden Luthers nach I Iinweisen darauf , während Günther Wartenberg frühe biographische Darstellungen des Reformators aus dem 16. bis 18. Jahrhundert betrachtet. Christian Philipsen fasst schließlich noch einmal die Erkenntnisse zu Luthers Geburt und Taufe zusammen. In allen L?eiträgen wird sichtbar, wie spärlich die Quellenlage für die Frühzeit ist, was schon bald zu Ausschmückungen führte, die durch die kritische Forschung des 19. Jahrhunderts korrigiert wurden. Ausführungen von Martin Treu über Luthers Tauftheologie beschließen den Abschnitt. Von der Person Luthers weg führen drei Beiträge, die sich um den Gottesacker Hislebens ranken. Anja Tietz beschreibt die Entstehungsgeschichte des Friedhofes vor den Toren der Stadt, der 1533 eröffnet und schon f 538/39 an zwei Seiten mit Schwibbogen versehen wurde - neben Halle und Buttstädt das eindruckvollste Beispiel eines „Camposanto" in Mitteldeutschland, von dem zudem noch einige Gemäldeepitaphien des 16. und 17. Jahrhunderts erhalten sind. Vier dieser Gemälde, die inzwischen ihren Platz in der neuen Dauerausstellung im Geburtshaus bekommen haben, wertet Irene Roch-Lemmer als stadtgeschichtliche Quellen aus und kann zeigen, dass ihre Hintergrundansichten Eislebens einen hohen Wert für Geschichte, Baugeschichte und Baugestalt der Stadt bis ins 16. Jahrhundert haben. Das Epitaph für den Münzmeister Antonius Koburger (f 1576), das lange Zeit fälschlich einem Hüttenmeister Stoßnack zugerechnet wurde, deutet schließlich Michael Rockmann in seinem auch methodisch höchst anregenden Beitrag rechtsikonographisch aus und rekonstruiert dabei noch das interessante Schicksal Koburgers, der aus Nürnberg nach Fisleben kam, als Saigerhändler und Gläubiger des Grafen Christoph in Ungnade fiel, inhaftiert wurde und schließlich den Grafen vor dem Reichkammergericht zu einer Entschädigung zwingen konnte. Sind die bisher erwähnten Beiträge mit Ausnahme des einleitenden unter dem Obertitel „Fisleben" zusammengefasst, ist der zweite, kürzere I Iauptteil des Bandes überschrieben mit .Grafschaft Mansfelcl", beschäftigt sich aber zum Teil mit der Stadt Mansfelcl. I Iartmut Kühne untersucht „Religiöse Mobilität in der Grafschaft Mansfelcl am Ausgang des Mittelalters" und geht dabei einerseits Belegen für Wallfahrten aus dem Mansfeldischen ins Heilige Land, nach Rom und an andere, näher gelegene Pilgerziele nach, betrachtet aber auch andererseits Wall-
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fahrtskapellen und Gnadenorte innerhalb der Grafschaft, die jedoch, wie die Marienkapelle am Weifesholz, nur lokale Bedeutung besaßen. Trotz der bruchstückartigen Überlieferung wird deutlich, dass es nicht nur die „großen" Wallfahrtsziele waren, die erheblichen Zulauf erzielten. Zeigt sich schon in Kühnes Ausführungen der Wert der Chronik des Cyriakus Spangenberg für die regionale Geschichte, so wird dies durch Siegfried Brillier noch bestätigt, der nach der Stadt Mansfeld im Werk des Chronisten fragt. Nicht nur dem fragmentarischen Charakter der Mansfelclischen Chronik ist es geschuldet, dass die Nachrichten oft als unbefriedigend angesehen werden, sondern den zeitbedingten methodischen Grenzen. Dennoch bietet das Werk eine große Anzahl von stadtgeschichtlichen Informationen, zum Teil aus eigenem Erleben, worunter besonders eine Grundrissskizze aus der Zeit kurz vor 1570 herauszuheben ist. Im unmittelbaren Umfeld von Martin Luthers Elternhaus in Mansfeld wurden 2003 archäologische Untersuchungen vorgenommen, deren Ergebnisse Björn Schlenker präsentiert. Die Funde aus einer Abfallgrube, darunter auch Reste von Kinderspielzeug und eines ..Aachhorn" der Aachener Reliquienweisung, belegen „eindeutig einen gehobenen Lebensstil" der Bewohner. An den einleitenden Aufsatz zur Familiengeschichte Luthers knüpft Andreas Stahl an, der einerseits die Stellung Hans Luders in Mansfeld beleuchtet und andererseits baugeschichtliche Erkenntnisse zu Luthers Elternhaus vorstellt. Stahl kann dabei wahrscheinlich machen, dass das Haus Hans Luders nicht nur wesentlich größer als das heutige Lutherhaus war, sondern auch ein heutiges Nachbargebäude einschloss und mehr Originalsubstanz des 16. Jahrhunderts vorhanden ist, als bisher angenommen wurde. Im abschließenden Beitrag analysiert Volkmar/oestel „Legenden und ihre I lintergründe" zu Luther und dem Mansfelcler Land und geht etwa vermeintlichen Nachrichten über Luthers adlige Herkunft, Legenden um den Klostereintritt des Reformators oder über seinen Tod - verbreitet schon von seinen zeitgenössischen Gegnern, die ihn in den schwärzesten Farben malten, bis hin zu Mathilde Ludendorff, die 1928 in einer bizarren Verschwörungstheorie einen Mord unterstellte. Der Band, der durch ein Literaturverzeichnis und ein Register abgeschlossen wird, bietet mehr als der Titel erwarten lässt. Fr beschränkt sich weder auf Beiträge zur Biographie Luthers oder zur Stadtgeschichte Eislebens, sondern legt auch Grundlagen für die Erforschung des Umfeldes des Reformators - die seit dem Erscheinen besonders aus archäologischer Sicht noch weiter vorangetrieben worden ist - und die Geschichte des Mansfelcler Landes im 16. Jahrhundert, eines Kleinterritoriums, das durch seinen Bergbau und seinen Bankrott von sich reden machte, aber trotz seines berühmten Sohnes in seinen Strukturen noch zu wenig beachtet worden ist. Obwohl bereits 2006 erschienen, schließt der zweite hier zu betrachtende L?and zeitlich an „Luther und Eisleben" an. Mit Erasmus Sarcerius und Cyriakus Spangenberg widmet er sich zwei Theologen der „zweiten Reihe" - der eine ein jüngerer Zeitgenosse Luthers, der andere, obwohl er den Reformator noch persönlich kennengelernt hatte, in seinem Wirken der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angehörig. Erasmus Sarcerius wurde 1501 im sächsischen Annaberg geboren. Nach Studium u.a. in Leipzig und Wittenberg amtierte er als Konrektor in Lübeck und gelangte von dort 1536 an die Lateinschule in Siegen. Die nassauische Zeit seines Lebens und Wirkens, die sich nach kurzer Tätigkeit in Siegen mit der Berufung zum Superintendenten und Prediger in Dillenburg fortsetzte, wird von Christian Peters beschrieben. Sarcerius wurde der eigentliche Reformator der Grafschaft Nassau-Dillenburg, den man immer wieder auch in anderen Herrschaften heranzog, bis er 1548 in der Folge des Augsburger Interims von Graf Wilhelm entlassen wurde. Sarcerius wandte sich nach Sachsen zurück, wurde zunächst Pfarrer in Leipzig, von wo aus er 1553 zum Superintendenten der Grafschaft Mansfeld berufen wurde. Seine sechsjährige
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Amtszeit in dieser Funktion ist das Thema des Beitrages von Lothar Berndorff. An der komplizierten herrschaftlichen Struktur der Grafschaft mit ihren verschiedenen, konkurrierenden Linien des I Ierrscherhauses scheiterte Sacerius letztlich bei dem Versuch, eine Kirchenverfassung für die Gesamtgrafschaft aufzurichten. Wohl Ende Oktober 1559 nahm er daher seinen Abschied von Mansfeld und ging als Superintendent nach Magdeburg, wo er jedoch bereits Ende November starb. Zu einem eigentlichen Wirken in Magdeburg kam es nicht mehr, so dass Hartmut Kühne in seinem Aufsatz: „Erasmus Sarcerius als vorletzter Superintendent der Alten Stadt Magdeburg" weniger einen biografischen Beitrag leistet, sondern vielmehr die Situation des Magdeburger Klerus in den fünfziger Jahren nach dem Ende der Belagerung der Stadt beschreibt. Kennzeichnend für diese war eine wachsende Spannung zwischen den Predigern und dem Rat, der sich kompromissbereit zeigte und im Wolmirstedter Vertrag von 1558 der Rückkehr des Domkapitels in die Stadt zustimmte. Der Rat reagierte auf Proteste mit dem Bestreben, durch die Stärkung der Superintendentur eine verstärkte Aufsicht über die Geistlichen auszuüben, die Sarcerius zugedacht war, doch konnte dieser sich nicht mehr positionieren. Zwei Beiträge behandeln Einzelaspekte des Wirkens des Sacerius: Ute Ganse stellt Erasmus Sarcerius als christlichen Pädagogen vor und rückt dabei seinen 1537 erschienenen Katechismus in den Mittelpunkt, der - entworfen für den Schulunterricht - neben Luthers Katechismen ein durchaus eigenständiges Profil ausweist. Mit dem „Pastorale oder Hirtenbuch vom Amt, Wesen und Disziplin der Pastoren" von 1559 beschreibt Herman J. Seklerhuis ein weiteres Werk des Reformators, ein elementares ..Amtshandbuch" für die ..mediocres" unter den Kirchendienern, pädagogisch ausgerichtet und Beleg dafür, wie Sarcerius die Qualität vieler protestantischer Geistlicher eingeschätzt hat. Und schließlich gibt Günther Wartenberg mit seinen Ausführungen zu „Erasmus Sarcerius als Prediger und Organisator" den bereits vermissten Gesamtüberblick über dessen Leben und Werk, wobei er letztlich den Weg ins streng lutherische Magdeburg als folgerichtig ansieht. „Als Vertreter einer neuen Generation evangelischer Theologie", so sein Urteil, „gehört er zu den wirkungsvollen Gestalten lutherischen Kirchenwesens und Vertretern eines konfessionell bestimmten Landeskirchentunis." GS. 13Ό Cyriakus Spangenberg, mit dem sich der zweite, umfangreichere Teil des Bandes beschäftigt, wurde 1528 als Sohn des Predigers in Nordhausen und späteren Superintendenten in Eisleben, Johannes Spangenberg, geboren. Offenbar wird sein Lebenslauf als weitgehend bekannt vorausgesetzt, denn die Beiträge zu ihm beginnen sogleich mit Einzelaspekten seines Werkes und Wirkens. I Iorst Carl widmet sich dem „Adelsspiegel" Spangenbergs, einer voluminösen Schrift von 1591, gerichtet gegen die aclelskritische Polemik eines Sebastian Eranck oder Nicodemus Frischlin, die eine offensichtliche Affinität zwischen orthodoxem Luthertum und adligem Libertätsstreben aufweist, auch wenn Spangenberg gerade mangelnden Bekennermut auf der Seite des ritterschaftlichen Adels kritisierte. Freilich verfiel der „Adelsspiegel" bald der Vergessenheit, während die historischen Werke des Cyriakus Spangenberg — wie schon im oben besprochenen Band gesehen - bis heute seine Bekanntheit ausmachen. Mit diesem Teil seines Schaffens beschäftigen sich drei Beiträge: Susan R. Boetticher fragt nach seinen Techniken als Historiker und dem Ausmaß seiner Anpassung an die historischen Gattungen und Maßstäbe seines Zeitalters und konstatiert erste Ansätze von Quellenkritik sowie eine Verbindung von Theologie und Geschichtsschreibung. Siegfried Bräuer stellt daran anknüpfend Spangenberg als mansfeldisch-sächsischen Reformationshistoriker vor und legt sein I Iauptaugenmerk dabei auf die ..Mansfeldische" bzw. ..Sächsische Chronik", die er allerdings eher in die Anfänge der historischen Landeskunde einordnet. Kennzeichnend für Spangenbergs Methode ist die direkte Quellenbenutzung, die seine Schriften auch für die heutige Historiographie wertvoll macht. Ein konkretes Beispiel dafür liefert der Aufsatz von Andreas Stahl. Ausgehend von mehreren Stel-
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len in der Mansfelder Chronik Spangenbergs kann er anhand einer kritischen Sichtung der zeitgenössischen Quellen nachweisen, dass Martin Luther 1546 nicht in dem später als ..Sterbehaus" bezeichneten Gebäude am Eislebener Andreaskirchplatz sein Leben beschloss, sondern in dem Haus des Dr. Philipp Brachstedt am Markt, das kurz zuvor vom städtischen Rat gekauft worden war und später in den Besitz Graf Brunos von Mansfeld-Bornstedt kam und als Kanzlei genutzt wurde. Als grundlegender Beitrag zum Thema „Martin Luther und Eisleben" hätten Stahls Ausführungen allerdings besser in diesen Band gepasst. Line andere Literaturgattung untersucht dagegen Cornelia Niekits Moore mit den Leichenpredigten Spangenbergs, die teilweise in gedruckten Sammlungen vorliegen. Sind die späteren lutherischen Leichenpredigten besonders als personengeschichtliche Quellen interessant, so kommen die biographischen Angaben in den als Erbauungsschriften fungierenden gedruckten Sammlungen Spangenbergs zwar vor, sind aber stark verkürzt. Die Auswirkungen des Erbsündenstreits, der Spangenberg schließlich aus dem Mansfelder Land vertrieb, sind auch in den späten, weit mehr auf Kontroverse zugespitzten Leichenpredigten zu verzeichnen. Einem ..Grundzug des intellektuellen Milieus" Spangenbergs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nähert sich Hartmut Kühne, wenn er sich in seinem zweiten Aufsatz im vorliegenden Band Prodigien oder Wunderzeichen im "Werk des Theologen zuwendet. Deren Deutung, die sich aus der lutherischen Endzeiterwartung ergab, machte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts einen festen Bestandteil protestantischen Bildungsguts aus, obwohl sich Vorgänger schon in den letzten spätmittelalterlichen Chroniken erkennen lassen. Als ..Der Hinfcltigcn Lehrer" stellt Lothar Berndorff den Gemeindeprediger Spangenberg in seiner Mansfelder Zeit vor. Die Zuwendung des Predigers zu den einfachen Gemeindegliedern ist, so die These des Verfassers, in seinem Misstrauen gegenüber der weltlichen Obrigkeit begründet, die gerade im Mansfeldischen nichts zur Verchristlichung der Untertanen tat, und korrespondiert mit Spangenbergs Bemühungen um Kirchenzucht und eine geordnete Kirchenverfassung. Dass sich das Wirken des Cyriakus Spangenberg nicht auf Mansfeld beschränkt, zeigt schon sein Lebenslauf, der ihn nach seiner Vertreibung aus der Grafschaft nach Hessen und schließlich nach Straßburg führte. Wenig bekannt sind jedoch seine Kontakte nach Österreich, wo er als Verfasser von Sendschriften und Vermittler gnesiolutherischer und flacianisclier Prediger eine Rolle spielte und auch Mitglieder seiner eigenen Familie nach der Vertreibung der Flacianer aus Mansfeld eine Zuflucht fanden. Rudolf Leeb arbeitet in seinem Beitrag diese Verbindungen heraus und zeigt, wie Spangenberg nach 1574 zur maßgeblichen Instanz für die österreichischen Gnesiolutheraner wurde, die nach der Konkordienformel unter Druck gerieten und in Kärnten sogar freikirchliche Strukturen entwickelten. Letztlich konnte auch Spangenberg mehrere Spaltungen der österreichischen Flacianer am Ende des Jahrhunderts nicht verhindern und verlor an Einfluss. Der Spaltung der Flacianer in Österreich war eine Spaltung der Gnesiolutheraner im Mansfelder Land vorausgegangen, die Cyriakus Spangenberg sein Pfarramt in Mansfeld gekostet sowie ihn und seine Familie aus der Grafschaft vertrieben hatte und die in mehreren Beiträgen anklingt. Robert J. Christman geht in seinen Ausführungen den theologischen Fragen des sogenannten „Erbsündenstreites" auf den Grund, in dem sich Spangenberg an der Seite von Flacius findet, während der Eislebener Superintendent Menzel der anderen Partei vorstand. Im Kern ging es um die Frage, ob die Erbsünde die „verderbte Natur" des Menschen selbst oder eine „Verderbnis der menschlichen Natur" bewirke, die von der Natur unterschieden werden könne. Eine Entscheidung in dem mit Erbitterung geführten Streit brachte schließlich das Eingreifen des Administrators Joachim Friedrich von Magdeburg, der die „Substanzier" in Mansfeld
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gewaltsam entfernen ließ und Spangenberg ins Exil zwang, was den entscheidenden Einschnitt im Leben des Theologen bedeutete. Aus kunsthistorischer Sicht stellt schließlich Irene Roch-Lemmer die ..Mansfeldische Chronica" als Quelle für die Geschichte von Burgen und Schlössern in der Grafschaft dar, und Volkmar Weber präsentiert genealogische Forschungsergebnisse zur Familie Spangenberg anhand einer unveröffentlichten Handschrift mit Eintragungen zu Familienereignissen aus der Zeit von 1576 bis 1736. Der Band, der mit einem kurzen Aufsatz von Günther Wartenberg zur Geschichte der Grafschaft Mansfelcl in der zweiten I Iülfte des 16. Jahrhunderts eingeleitet und mit einem Personenregister beschlossen wird, bietet eine Reihe von interessanten und neuen Einzeluntersuchungen zu zwei Persönlichkeiten, die bisher zwar nicht unbekannt waren, aber doch nicht im Zentrum der Forschung standen. L?edauern mag man, dass Position und L?edeutung des Cyriakus Spangenberg als Theologe sich nur bruchstückweise in den einzelnen Beiträgen erschließen und nicht zusammenfassend dargestellt werden. Deutlich wird aber auch, dass die zweite I Iälfte des 16. Jahrhunderts aus landeskichengeschichtlicher Sicht gerade in der Verbindung von politischer und Theologiegeschichte auch jenseits des Konfessionalisierungsparadigmas eine Reihe von interessanten Fragestellungen bereithält. Dafür dass für die Grafschaft Mansfeld hier ein Anfang gemacht worden ist, ist der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt besonders zu danken. Potsdam
Michael
Scholz
Konfession, Krieg und Katastrophe. Magdeburgs Geschick im Dreißigjährigen Krieg. Tagung des Vereins für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen Magdeburg 9 - 1 0 . Mai 2005 (Schriften des Vereins für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 11 Magdeburg: Selbstverlag des Vereins 2006. ISBN 978-3-9811158-0-2. - 112 S., s/wAbb.; 12,- Euro. Der vorliegende erste L?and der Schriftenreihe des im Jahre 2003 gegründeten Vereins für Kircliengescliichte der Kirchenprovinz Sachsen e.V. vereinigt die auf der 2. Jahrestagung des Vereins gehaltenen wissenschaftlichen Vorträge zur Problematik Magdeburg und Dreißigjähriger Krieg. Das Spektrum der Beiträge reicht von der Belagerung und Zerstörung Magdeburgs im Jahre 1631, vom Verhalten der Magdeburger Pfarrerschaft im Katastrophenjahr über die sozialen Folgen des Krieges im Umland bis zur historischen L?ewertung des Dreißigjährigen Krieges. Die Archivarin Maren Ballerstedt (Magdeburg) thematisiert mit ihrem L?eitrag „Belagerung und Zerstörung Magdeburgs 1630/31 - Ereignisse und Hintergründe" (S. 11-21) die Einnahme und Einäscherung der Gruppenstadt Magdeburg am 10. Mai 1631 durch kaiserliche Truppen unter dem Befehl des Grafen von Tilly. Sie fragt nach den Ursachen, Kontexten unci I lintergründen dieses für die Geschichte der Stadt Magdeburg so einschneidenden Ereignisses. Auf der Grundlage der vorliegenden älteren Forschungsergebnisse werden die kriegsstrategische Bedeutung der Stadt unmittelbar nach dem Eingreifen des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf in den Krieg, das Zustandekommen des Bündnisses Magdeburgs mit den Schweden und das verhängnisvolle Festhalten der Ratsobrigkeit und der Pfarrerschaft an diesem kaiserfeindlichen Bündnis geschildert. Kritisch anzumerken ist die von der Autorin gemachte Einschätzung, dass Stadt und Besatzung dem Belagerungsheer hoffnungslos unterlegen gewesen wären und keine Chance gehabt hätten. Immerhin musste sich das Belagerungsheer unter hohen Opfern an die
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unmittelbaren Festungswerke herankämpfen. Diese verlustreichen Kämpfe der Belagerer dürften auch das grausame Plündern, Morden und B r e n n e n der Stadt verursacht haben. Fbenso wird die Schuldfrage am grausamen linde Magdeburgs zu eindimensional an der unrealistischen und unfähigen Politik des Magdeburger Rates festgemacht. Die verhängnisvolle Rolle der Magdeburger evangelischen Pfarrgeistlichen 1630/31 werden in Harald Schutzes (Magdeburg) gut lesbaren Text „Reinhard B a k e und die Magdeburger Pastoren im Dreißigjährigen Krieg" (S. 2 5 - 4 2 ) rekonstruiert und einer differenzierten Bewertung unterzogen. Dabei stellt der Autor das I landein der Pastoren in den Zusammenhang der konfessionellen Reichspolitik nach dem kaiserlichen Restitutionsedikt von 1629, wodurch die Gefahr einer Rekatholisierung des Erzstifts und von Teilen der Stadt Magdeburg politische Realität geworden war. Das Verhalten, die Position Lind die publizistische Tätigkeit der beiden Wortführer Reinhard B a k e und Christian Gilbert de Spaignart stehen im Mittelpunkt der tlieologie- und politikgeschichtlichen biografischen Skizzen. In dem sozialgeschichtlichen Referat „Der Große Krieg und die kleinen Leute. Zu den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die Bevölkerung der Kleinstädte der Magdeburger Börde" (S. 1 3 - 5 3 ) rekonstruiert und quantifiziert der Historiker Lutz Miehe (Oschersleben) die kriegsbedingten Schäden und Auswirkungen im Magdeburger und Halberstädter Land. Leider fehlen bei der Bewertung der durchaus aussagekräftigen Ergebnisse Vergleiche mit anderen Regionen Deutschlands. Uber die konfessionellen Konfliktlagen, über den Verlauf des Krieges, über den Charakter des Friedensschlusses und zur Problematik „War der Dreißigjährigen Krieg ein Religionskrieg?" handelt der problemorientierte summarische Aufsatz ,„Pax optimum rerum - Der Friede ist das Beste der Dinge'. Der Dreißigjährige Krieg und die Option für einen konfessionellen Frieden (S. 5 5 - 6 8 ) , der von Bischof Gerhard Feige (Magdeburg) vorgelegt wird. Ausgehend von der n o c h fehlenden Trennung zwischen Religion, Staat, Politik und Gesellschaft während des 17. Jahrhunderts, thematisiert der Autor den Dreißigjährigen Krieg als einen Krieg ..bei dem es sich nicht ausschließlich, aber doch wesentlich um einen Religionskrieg gehandelt hat" (S. 62). Der Eintritt Frankreichs in den Krieg 1635 wird nicht als eine Abkehr vom Religionskrieg gewertet, sondern als seine "Wandlung von einem inter- zu einem innerkonfessionellen Krieg interpretiert, bei dem um den Vorrang im katholischen Europa gekämpft wurde. E b e n s o erfolgte der „vernünftig-rationale" Friedensschluss 1648 vor dem Hintergrund konfessionspolitischer, religionsbestimmter Interessen. Denn fast die I Iälfte der Bestimmungen des Westfälischen Friedens betrafen die Religionsverhältnisse. Die Historikerin Eva Lahouvie
(Universität Magdeburg) untersucht in ihrem kritischen - aber
auch schwer lesbaren - Beitrag „Konfessionalisierung in der Praxis - oder: War der Dreißigjährige Krieg ein Konfessionskrieg? Krieg, Bevölkerung und lutherische Konfession im Deutschen Reich und im heutigen Sachsen-Anhalt" (S. 6 9 - 9 2 ) , wieweit das konfessionelle Element Motiv und Katalysator des Krieges war? War der große „Teutsche Krieg" ein das ganze Land und seine Bevölkerung einschließender Konfessionskrieg gewesen? Anhand des Konzeptes der „Konfessionalisierung in der Praxis", das die Gesellschafts-, Alltags- und Kulturgeschichte der einfachen Gläubigen in den Blick nimmt, kommt die Autorin zu dem Ergebnis, „dass der Dreißigjährige Krieg aus der Sicht der Soldaten und der Bevölkerung nur selten und schon gar nicht generell als ein Konfessionskrieg wahrgenommen und gegen den jeweiligen konfessionellen Feind gefühlt wurde" (S. 90). Aufgezeigte neuere Forschungsergebnisse, die nicht nur die Territorien unseres Landes betreffen, legitimieren dieses Fazit konfessioneller Indifferenz, das m.F. mit folgenden Zusammenhängen und forschungsleitenden Fragen begründet wird: Die lutherische Konfessionalisie-
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rung war kein gemeinsames Vorhaben aller protestantischen Fürsten, sondern war religiöstheologische Reform in den einzelnen Territorien. In den Anhalt kam es z.B. bis 1613/16 nicht zur Ausbildung von Konsistorien der (seit 1606 vier) Fürstentümer und damit von Gremien, die die Disziplinierung und Kontrolle sowie Überwachung von Kirchlichkeit und Frömmigkeit der protestantischen Bevölkerung übernahmen. Das adlige Recht der Pfarreibesetzung behinderte allzu oft eine zügige Protestantisierung. Auch war um 1618 die konfessionelle Durchdringung in den lutherischen Landesteilen Deutschlands noch nicht abgeschlossen. Nur die frühen Konfessionalisierungen mit einer Grundlegung in der Reformationszeit und einer breiten reformatorischen Bewegung in der Bevölkerung waren in der Regel auch erfolgreicher „an der Basis" verankert. Die von den Kirchenbehörden oder den Ortsgeistlichen verfassten Visitationsberichte aus den Gemeinden besitzen einen zu breiten Interpretationsspielraum, als dass von diesen eingefärbten Berichten und Anweisungen auf die Glaubensvorstellungen und -aktivitäten der Bevölkerung geschlossen werden kann. Dazu bedarf es auch der geforderten Untersuchungen zum Festbrauchtum, zur Volksmagie und zur praktizierten Volksfrömmigkeit. Die Konfessionszugehörigkeit sowohl der Soldaten wie der gesamten Militärbevölkerung war völlig gemischt. Die Praxis des Krieges legte andere Logiken und Deutungsstrategien nahe als die der konfessionellen Gegnerschaft. L?ei einer historisch-anthropologischen Annäherung an den „Mythos Magdeburg", an die in der I Iistoriograhe vielbeschworenenen Glaubenstreue der Magdeburger, müssten nach Auffassung der Autorin dann auch jene 'Feile der Stadtbevölkerung in den Fokus der Forschung gelangen, die zu einer Aussöhnung mit dem Kaiser und damit zur Verhinderung einer militärischkonfessionellen Auseinandersetzung bereit waren. Im letzten Vortrag „Der Untergang Magdeburgs 1631 in der zeitgenössischen Literatur und Publizistik" (S. 95-111) beschäftigt sich der Literaturhistoriker Michael Schilling (Universität Magdeburg ) mit der besonderen öffentlichen Resonanz, die der Untergang Magdeburgs damals gefunden hatte. Dazu analysiert er die Darstellung dieser kriegerischen Katastrophe in den zeitgenössischen Medien. Nach einer kurzen Vorstellung, wie die Magdeburger Katastrophe von 1631 medial verbreitet wurde, erklärt der Autor die starke politische zeitgenössische Relevanz dieses Ereignisses, die sich auch in den publizistischen Darstellungsformen widerspiegelt. Hierbei werden drei Verfahrensweisen der publizistischen Aufbereitung (Information, Literarisierung unci I Iistorisierung ) unterschieden, konkret beschrieben und interpretiert. Die Publizistik vom Untergang Magdeburgs prägte nachhaltig das kollektive Langzeitgedächtnis bis in die moderne Literatur unci I Iistoriographie. Insgesamt ist das erste Heft des Kirchengeschichtsvereins ein gelungener Start geschichtswissenschaftlicher Publizistik, dem eine erfolgreiche Fortsetzung zu wünschen ist. Magdeburg Michael Thomas
Brinkscttulte, Fva / Lahouvie, Fva CI Ig."): Dorothea Christiane Erxleben. Weibliche Gelehrsamkeit und medizinische Profession seit dem 18. Jahrhundert (Studien zur Landesgeschichte, Bd. 18). Halle: Mitteldeutscher Verlag 2006. ISBN 978-3-89812-361-8. 200 S.; 22,- Euro. Der vorliegende Band versammelt Beiträge zu einer im Jahre 2004 an der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg anlässlich des 250-jährigen Doktorjubiläums von Dorothea Christiana Erxleben durchgeführten Tagung. Erxleben erhielt 1751 an der Universität Halle als Erste in Deutschland den Titel einer Doktorin der Medizin. Dies blieb fast 150 Jahre lang eine Ausnah-
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me: Erst im Jahr 1901 promovierte in Halle wieder eine Frau in diesem Fach. Wie kam es zu dieser medizinischen Ausnahme-Promotion einer Frau im Zeitalter der Aufklärung? Um diese Frage zu beantworten, ist der Blick zunächst auf den Lebens- und Berufsweg dieser Quedlinburger Pfarrfrau und Ärztin zu richten, die nicht nur in der Tradition der Frühaufklärung den Zugang von Frauen zu LMldung und Gelehrsamkeit einforderte, sondern mit ihrer Promotion auch ihre medizinischen Kompetenzen gegen Anfeindungen männlicher Ärzte erfolgreich verteidigte. Der Beitrag von Ursula Schmieclgen, ..Dorothea Christiana Leporin, verheiratete Frxleben (1715-1762). Pfarrfrau und streitbare Ärztin in Quedlinburg" (S. 32-54) zeichnet diesen Lebensweg vor clem I Untergrund der Quedlinburger Verhältnisse nach. Dorothea Christiana wurde als zweites von vier Kindern des Quedlinburger Arztes C. P. Leporin geboren, der sie zusammen mit ihrem nächstältesten Bruder unterrichtete bzw. Linterrichten ließ und schließlich auch zum Medizinstudium anleitete. Im Alter von 23 Jahren verfasste sie neben Studium und I lausarbeit eine „Gründliche Untersuchung der Ursachen, welche das Weibliche Geschlecht vom Studium abhalten ...", die sie 1742 auf Drängen und mit Unterstützung ihres Vaters veröffentlichte (S. 40 f.) Fine bereits 1741 erteilte königliche Sondergenehmigung zur Promotion ließ sie zunächst ungenutzt, vermutlich nicht zuletzt auch deshalb, weil dies damals noch keine zwingende Voraussetzung für ärztliches Praktizieren bildete (S. 11). 1712 heiratete sie den verwitweten Diakon der Quedlinburger Kirche St. Nicolai, J. C. Erxleben, und übernahm damit auch die Mutterrolle gegenüber dessen fünf Kindern, zu denen 1744, 1746 und 1753 noch drei eigene Söhne hinzukamen. Bis zum Tod ihres Vaters 1749 war sie innerhalb von dessen Praxis medizinisch tätig, danach setzte sie diese Tätigkeit auf sich gestellt fort, auch über den Rahmen ihrer Pfarrgemeinde hinaus. Sie stand damit, wie Schmiedgen aufzeigt, in der zu ihrer Zeit noch fortwirkenden Tradition, nach der die medizinische Versorgung der L?evölkerung noch vielfach in erster Linie in der Hand von heilkundigen Frauen lag (S. 15 ff., 51 f.). Frst als sie 1753 von drei Quedlinburger Ärzten unter Bezugnahme auf die preußische Medizinalordnung der Pfuscherei angeklagt wurde, nahm sie ihre Promotion in Angriff. 1754 reichte sie eine in lateinischer Sprache abgefasste Dissertation ein, die sie 1755 ein wenig erweitert auch auf Deutsch als „Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsichern Heilung der Krankheiten" veröffentlichte. Schmiedgen arbeitet heraus, dass wahrscheinlich vor allem fachliche medizinische Differenzen sowie die professionelle Konkurrenz zwischen 16 praktizierenden Medizinern in der ca. 8.000 Finwohner umfassenden Stadt Quedlinburg den I Untergrund für diese Anklage gebildet haben dürften (S. 49 f.), die D. C. Frxleben veranlasste, ihre wissenschaftliche Kompetenz als Ärztin nun auch formal nachzuweisen. Weitere Beiträge des Bandes vertiefen Einzelaspekte, beleuchten Hintergrund und Kontext dieses Lebens. Elke Kleinem, „Kein Ort. Nirgends?' Bildungsorte und Bildungserleben in Frauenbiographien" (S. 19-31) thematisiert die Mädchenbildung im 18.-20. Jahrhundert anhand von drei Fallbeispielen. Zwei davon betreffen um 1750 geborene Frauen bürgerlicher Herkunft: Die Hamburger Kaufmannstochter Margarethe Elisabeth Milow (1748-1794) und die Dichterin Caroline Rudolphi (1751-1811). Auch ihr Bildungsweg war durch familiäre Förderung, sei es durch Vater oder Bruder, verbunden mit Selbststudium und Privatunterricht geprägt, und eine daran anknüpfende Beruftätigkeit im Erziehungssektor war noch nicht an formale Qualifikationen geknüpft. - Den Schriften Frxlebens sind zwei Beiträge gewidmet. Ortrun Riha, „.Gründliche LJntersuchung' und .Academische Abhandlung'. Die wissenschaftlichen Schriften von Dorothea Christiana Frxleben, geb. Leporin" CS. 55—70) stellt diese beiden heute vor allem noch historisch interessierenden Schriften vor und zeigt dabei auf, dass Erxleben in ihrem Plädoyer für weibliche Bildung die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau nicht grund-
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sätzlich in Frage stellt (S. 64). Annette Fulda, ..Vorurteilskritik und der Zugang von Frauen zur Bildung: Dorothea Christiana Frxlebens Rezeption der Frühaufklärung" (S. 71-79) arbeitet heraus, wie Frxlebens „Gründliche Untersuchung" die Auffassungen Christian Thomasius' über Frauenbildung und über das Geschlechterverhältnis rezipiert. - Der medizinischen Berufausübung wendet sich Eva Labouvie zu. Ihr Beitrag „Weder Götter noch in weiß. Zur Ausbildung und zum Professionalisierungsgrad von Medizinern und Chirurgen im 18. Jahrhundert" (8. 8 0 93) zeigt am Beispiel vor allem des saarländischen Raumes, wo eine seit 1797/98 unter französischer I Ierrschaft durchgeführte Revision des medizinischen Personals dafür gute Quellen liefert, dass der tatsächliche Ausbildungsgrad der meisten Mediziner in der zweiten I Iälfte des 18. Jahrhunderts vermutlich weit niedriger anzusetzen ist, als bisher angenommen wurde. - Die Beiträge von Eva Brinkschulte, „Stationen zum Beruf der Ärztin. Frauenmedizinstudium und ärztliche Praxis zwischen 1876 und 1915" (S. 91-112), und Anne Lützenkirchen, „Egalität und Differenz. Zum Selbstverständnis und zur Berufsrolle der Ärztinnen in der DDR" (S. 113-131), verfolgen die Entwicklung weiblicher ärztlicher Berufausbildung und -Übung in Deutschland im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert. Abgerundet wird der Band durch eine Zusammenstellung von Bild- und Schriftzeugnissen zu D. G Erxleben sowie durch eine Auswahlbiographie. Die hier vorgelegte Aufsatzsammlung repräsentiert eine sozialgeschichtlich fundierte Aufarbeitung von Medizingeschichte, die Fragen nach weiblicher Berufsausübung und medizinischer Professionalisierung überzeugend verknüpft und dadurch Dorothea Christiana Frxlebens Wirken innerhalb der Umbrüche im Medizinalwesen ihrer Zeit gut verorten kann. Sie führt nicht nur Diskontinuitäten und Brüche weiblicher medizinischer Berufausübung seit dem 18. Jahrhundert vor Augen, sondern vermittelt auch ein facettenreiches Bild des in vieler Hinsicht noch vormodern geprägten „Gesundheitssystems", in dem Dorothea Christiana Erxleben wirkte. Darüber hinaus wird deutlich, dass eine Vielzahl von Bedingungen - nicht zuletzt die PfuschereiAnklage - dazu beitrug, dass ihre Ausnahme-Promotion schließlich doch noch über die Bühne ging. Die Pforte zum Frauenstudium war damit aber noch längst nicht aufgestoßen; das geschah in Deutschland erst nach jahrzehntelangen Kämpfen der Frauenbewegung um die Wende zum 20. Jahrhundert. Potsdam
Susanne
Wittern
Fürst Franz. Beiträge zu seiner Lebenswelt in Anhalt-Dessau 1740-1817. Ilg. v. Heinrich Dilly u. Holger Zaunstöck. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2005. ISBN 978-3-89812-319-8. - 221 S., mit s/w-Abb.; 11,90 Euro. Zaunstöck, I Iolger (I Ig.): Das Leben des Fürsten. Studien zur Biografie Leopolds III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817). Halle: Mitteldeutscher Verlag 2008. ISBN 978-3-89812-492-8. - 208 S., zahlr. s/w- u. Farbabb.; 15,- Furo. Die Erforschung der Geschichte des Fürstentums Anhalt bekam in den 1990er Jahren neuen Schwung. Für eine mehr als wünschenswerte neue Geschichte Anhalts, die das opus magnum des herzoglich-anhaltischen Archivars Hermann Wäschke von 1912 f. ablösen könnte, sind dabei einige Impulse gegeben worden. Seitdem die Professur für sachsen-anhaltische Landesgeschichte in I lalle 2004 dem Rotstift zum Opfer fiel, sind die 11Öffnungen gedämpft worden. Ein Glücksfall also, wenn weiterhin an übergreifenden Fragestellungen der Geschichtswissenschaft orientierte Forschungen entstehen, die anhaltische Themen behandeln. Aber warum
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werden nieht die knappen Ressourcen zur Erforschung von unbekannten Prozessen und Strukturen eingesetzt? Warum nähert man sich ausgerechnet der Lichtgestalt der anhaltischen Erinnerungskultur, dem Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau? Die Antwort: „Fürst Franz braucht l i e Biographie". So lautete der Titel eines von Heinrich Dilly und Holger Zaunstöck veranstalteten Seminars an der Universität Halle mit geschichtlichem und kunstgeschichtlichem Zuschnitt, aus dem der Band von 2005 hervorgegangen ist, während der Band von 2008 auf eine wissenschaftliche Tagung zurückgeht, die vom 13. bis 15. September 2006 in Dessau stattfand. Beide Bände sind als Vorarbeiten zu verstehen. Die Einleitung zum ersten (Dilly und Zaunstöck) und mehr noch zum zweiten Band (Zaunstöck) machen in forschungsgeschichtlicher und methodischer Kontextualisierung den Zielpunkt der Forschungen deutlich. Er besteht in einer Biographie, die sich in interdisziplinärer Perspektive von einer seit dem Werk Reils (1815) prägenden hermeneutiscli-liagiographischen Engführung trennt. Eine solche Arbeit soll der Dessau-Wörlitz-Forschung neue heuristische Entfaltungsmöglichkeiten im Kontext der europäischen Aufklärungsforschung bieten. Schlüssel ist für Zaunstöck das die Impulse der kulturgeschichtlichen Forschung aufnehmende Konzept „Lebenswelt", das statt „Fakten" zeitlich und individuell differente Bedeutungszuschreibungen in Hinblick auf den Fürsten und sein Umfeld unterscheidet sowie deren Wechselbeziehungen mit der Gesellschaft analysiert. Die zwanzig sehr kurz gehaltenen Beiträge des ersten Bandes bestechen durch ein breites, dem Facettenreichtum der Lebenswelt entsprechendes Spektrum. Die Thematisierung persönlicher Erfahrungen, Empfindungen und Sichtweisen des Fürsten und seiner Beziehungen zu Personen verschiedener sozialer Gruppen stärkt individuelle Konturen. Dies verfolgen in unterschiedlich starker Annäherung die Beiträge zu Franz' Erlebnissen im Siebenjährigen Krieg (Andreas Pietsch), zu den Korrespondenzen mit seinem zumeist in Wien weilenden kranken Bruder .Johann Georg (Daniela Achilles, Franka Krätsch, Yvonne Sander), mit dem Weltreisenden und späteren halleschen Professor der Naturkunde Johann Reinhold Forster (Steffen Hoffmann), verschiedenen Frauen des I Iochadels (Vivien Zaeske) und einer ehemaligen, vom Fürsten berenteten Hofdame (Sabine Frömel). Hinzufügen lassen sich die Überlegungen über die Teilnahme des Fürsten an zwei Kunstlotterien 1801 und 1811 (Doreen Belau, Anke Schilling) sowie über seine Aufträge an den Porträtisten Anton Graff zur Reproduktion italienischer Renaissance- und Barockporträts (Elisa Schroer). Die Analyse des von Todesahnung geprägten ..Abschiedsbriefs" des Fürsten an den preußischen Staatskanzler Karl August von I Iardenberg führt sehr nahe an den Fürsten als Menschen heran (Agnes Fischer). Andere Beiträge stehen stärker in einem kulturellen und geistig-politischen Kontext, der den Fürsten und seine politischen Aktivitäten prägte. Dies gilt für die Aufsätze über Franz' Beziehung zu dem schottischen Parlamentarier George Sinclair (Franziska Lietzmann), über die Englandreisen des Fürstenpaares (Lena Vogler), die Analyse der Einträge im Besucherbuch des Dessauer Schlosses (1770 bis 1806), die einen hohen Anteil englischsprachiger Kontakte erbringt (Alexandre Malakhov, Marie-Luise Welz), sowie den Artikel über die Modegewohnheiten in Anhalt-Dessau, der anhand überlieferter Stoffmuster einer Dessauer Seidenmanufaktur einmal mehr die kulturelle Prägung des aufgeklärten Fürsten durch das aufstrebende Bürgertum verdeutlicht (Nadine Breitschuh, Kristin Elisen, Indes Tornack). Dem politischen Themenfeld gänzlich widmen sich Marian Kirchner, der die Grenzen des aufgeklärten Reformabsolutismus im politischen System verdeutlicht, und Antje Faßhauer, die anhand der Kabinettsprotokolle das persönliche Regiment des Fürsten veranschaulicht. Während die Abhandlungen über das auf englischen Einflüssen fußende Straßenwesen in Anhalt-Dessau (Jürgen Schmidt) und über das Theaterwesen in Dessau auf Erfolgsgeschichten der aufgeklärten Regierungspraxis verwei-
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sen, führt das Scheitern des 1779 in Angriff genommenen Projekts der Ausstattung der Residenzstadt mit einer Straßenbeleuchtung eher deren Grenzen vor Augen. Kunst- und kulturgeschichtliche Fragestellungen liegen dem differenzierten Aufsatz über die Ikonografie der Glasmalereien im Gotischen Haus in Wörlitz (Eva Schroth), der stilistischen Kontextualisierung des auch den Einband zierenden, bislang weniger bekannten Porträts des Fürsten von 1765/66 (Linda Karohl) und der Analyse der „Fürstlich Anhalt-Dessauischen ... Nachrichten" (Katja Magaschiitz) zugrunde. Während letztere mit dem Resümee, das Intelligenzblatt sei „Verbindungsglied zwischen Obrigkeit und Lebenswelt" gewesen, die medialen Kommunikationsmöglichkeiten möglicherweise etwas überschätzt, gilt für die beiden davor genannten wie für die Beiträge insgesamt: Ihre Stärken liegen nicht so sehr in der Aufstellung prägnanter Thesen. Für ein studentisches Projekt angemessen ist aber der mit Bravour eingelöste Anspruch einer formal korrekten, umsichtig argumentierenden Präsentation neuer Aspekte zur Lebenswelt des Fürsten bei einer ungewöhnlich dichten Nutzung „neuer" Quellen vor allem des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, Abt. Dessau. Der Band von 2008 bietet hierzu die nötige Ergänzung. Nach der Einleitung ordnet Georg Schmidt die Politik des Dessauer Fürsten in den ideen- und politikgeschichtlichen Kontext des aufgeklärten Despotismus, auf Ebene der Philosophie und Staatsrechtslehre sowie der Fürstentümer Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Gotha-Altenburg, ein. Vor dem Hintergrund der souveränen Despoten Preußens und Österreichs zeigt er die Diskrepanzen und Wechselverhältnisse zwischen dem aufgeklärten politischen Impetus und dem Fehlen institutioneller Schranken ebenso auf wie zwischen der patriotisch-föderativen Reichsgesinnung der Fürsten und ihrer Alleinherrschaft nach innen. Im ersten Abschnitt „Politik und Alltag" leistet Angela Erbacher Grundlagenarbeit, indem sie die anhalt-dessauische Überlieferungsbildung und -situation analysiert, die aufgrund von Kriegsverlusten sehr schlecht ist, aber dennoch - z.B. in Gestalt der privaten und politischen Korrespondenz des Fürsten und der Kabinettsprotokolle - vielfältige Frkenntnismöglichkeiten bietet. Michael Niedermeier zweifelt die häufig attestierte antipreußisch-föderalistische Grundeinstellung Franz' als ideologisch bedingtes Konstrukt der Historiker nachhaltig an. In seiner Sicht sind der Austritt des Fürsten aus der preußischen Armee 1757 und das Misstrauen Friedrichs II. gegenüber Anhalt nur im politikgeschichtlichen Kontext des Siebenjährigen Krieges erklärbar. Außerdem liefert er Indizien für eine pro-preußische Einstellung des Fürsten, in der sich eine kritische geistige Distanz mit traditionellen familiären Verbindungen - in diesen Zusammenhang stand die „Zwangsehe" mit Louise von Brandenburg-Schwedt - und politischer Klugheit verband. Der gesellschaftlichen Situation der Juden wenden sich Frank Kreißler und Antje Faßhauer zu. L?eide verdeutlichen die Grenzen aufgeklärten Regierungshandelns. Der von Fasshauer beschriebene Aufstieg der jüdischen Gemeinde zu einer der führenden Reformgemeinden im Reich mit relativ großen sozioökonomischen Entfaltungsmöglichkeiten verdankte sich auch einer von Kreißler beschriebenen, auf Toleranz und freie Entfaltung der Juden gerichteten Grundeinstellung des Fürsten. Sie führte zu Beschränkungslockerungen, vor allem im ökonomischen Bereich. Dem stehen finanz- Lind ordnungspolitische Restriktionen sowie das NichtZustandekommen bürgerlicher Gleichstellung gegenüber. Ute Lotz-Heumann untersucht im Abschnitt „Europäische Handlungsräume" Franz' Badegewohnheiten. Fr ließ selbst keinen Kurort als Repräsentationsort errichten und zog abgelegene, weniger frequentierte Bäder den großen Geselligkeitszentren des Reiches vor. Seine Aufenthalte dienten der I Ieilung, in zweiter Linie politischen Zielen. Auf Repräsentation verzichtete er weitgehend, weil er dies, so die etwas gewagte These, „angesichts der Präsenz von
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Dessau-Wörlitz in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Publizistik nicht mehr nötig" hatte (S. 117). Ingo Pfeifer liefert in seiner Analyse der Kontakte Franz' mit der polnischen Aristokratie insbesondere dem Bischof von Ermland, Ignacy Krasicki, und der Schriftstellerin Izabela Czatoryska - Anhaltspunkte zum Ideen- und Kulturtransfer der Aufklärung. Nicht nach Ost- sondern Westeuropa und Nordamerika ist der Blick von Johanna Geyer-Kordesch gerichtet. Sie gibt einen hinsichtlich der Konfrontation Franz' mit radikaleren politischen Gedanken erhellenden politikgeschichtlich kontextualisierten Uberblick über seine Beziehungen zu den englischen Parlamentariern vor allem der Whigs. Franziska Lietzmcum vertieft ihren Aufsatz aus dem ersten Band anhand der Korrespondenz mit Sir George Sinclair. Dabei macht sie auf bisher kaum bekannte Kontakte des Fürsten zum englischen Adel aufmerksam. In die Franzsche Anglophilie gibt auch der Aufsatz von Uwe Quilitzsch faszinierende Einblicke. Er analysiert die Kupferstiche im ..Royal-Navy-Room" des Wörlitzer Schlosses, die Seesiege der Engländer im Siebenjährigen Krieg und zeitgenössische englischer Militärs darstellen. Sie symbolisierten die geistige und militärische Rolle Englands für das Fürstentum im Siebenjährigen Krieg und zeugen von Franz' „starken Drang zur Anbindung an Großbritannien" (S. 171). Die aus Quilitzschs Sicht nahtlose Einfügung in die eher pazifistisch konnotierte Wörlitzer Symbolik dürfte zu diskutieren sein. Im Abschnitt „Inszenierungen" unterscheidet Kathleen Hirschnitz 77 fremd von acht selbst inszenierten Bildnissen des Fürsten, die sie in Beispielen analysiert. Im Gegensatz zu jenen belegen diese durch das weitgehende Fehlen von Eigenstilisierung eine „Negierung von aristokratischen und repräsentativen Interessen". Das bereits von Karolil (s.o.) beschriebene Gemälde von 1765, das hierbei eine Ausnahme bildet, stelle mit seiner neuartigen Individualität sogar „einen neuen Typus des Herrscherbildnisses" (S. 183) dar. Martin Disselkamp demonstriert anschließend, wie Fürst Franz in den Briefen Johann Joachim Winkelmanns als Kontrast zu dem als Tyrannen stilisierten Friedrich IE typisiert wird. Der Fürst vereinte in den Augen des Archäologen alle 'lügenden in sich, wurde zum mit einem ..Sendungsauftrag" (S. 188) versehenen Halbgott, der sich ohne Herrschafts- und Standesmerkmale und mit einer nachgerade naturrechtlicli reinen Menschlichkeit allein aus innerer Größe heraus qualifiziert. Das Charisma einer solchen Figur musste zwangsläufig auf die Eliten beschränkt bleiben. Michael Hecht erweitert das Bild der Erinnerungskultur der Askanier, deren Geschichtsschreiber mit Ursprungsmythen die ausgestorbenen brandenburgischen und sächsischen Seitenlinien in die „domus ascaniae" integrierten, um Erb- und Rangansprüche zu legitimieren, um das 18. Jahrhundert. Hier rückte das Land in den Blickpunkt, bildete sich ein bedingt differenzierterer Gebrauch der Mythen heraus. Die im Umfeld des Fürsten zu findenden Indizien eines eher traditionellen dynastischen Bewusstseins sind, so Hecht, künftig in breitere Forschungen zu integrieren. Als Anknüpfung an die Forschungen Michael Niedermeiers ist der abschließende Beitrag von Berit Ritge zu sehen. Sie deutet das Labyrinth, die „Mystische Partie", das Pantheon und den „Stein" im Wörlitzer Park als Allegorien eines umfassenden didaktischen „Aufklärungs- und Erkenntnisraums", der naturwissenschaftliche und (möglicherweise freimaurerisch inspirierte) mystische Weltdeutungen miteinander verbindet und dem Betrachter bewusst Auslegungsmöglichkeiten offen lässt. Die offenen Aspekte und drängenden Fragen einer Biografie des Fürsten an dieser Stelle zu benennen, würde zu weit führen. Sie sind nicht weniger geworden. Und das ist gut so: Beide Bücher haben neue Quellen be-, vor allem aber altbekannte Deutungsmuster hinterfragt bzw. perspektivisch erweitert. Dem Biografen, der der Vielschichtigkeit und Komplexität der Person des Fürsten und ihrer Epoche gerecht werden will, wird die schwierige Aufgabe obliegen, die-
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sc Denkanstöße weiterzuführen und zu integrieren. Beide Bücher richten sich darüber hinaus an ein breites Publikum: Sie sind, ohne Abstriche in Qualität und Ästhetik, dankenswerter Weise preiswert gehalten und führen einmal mehr die anhaltende Niveausteigerung des hallischen Traditionsverlages im Bereich geschichtswissenschaftlicher Publikationen vor Augen. Münster Jan Brademann
Mathias: Halle 1806 bis 2006. Industriezentrum, Regierungssitz, Bezirksstadt. Eine Einführung in die Stadtgeschichte. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2007. ISBN 978-389812-382-2. - 200 S., zalilr. s/w-Abb.; 22,- Euro.
TULLNER,
Thomas / HERTNER, Peter (Hg.) unter Mitwirkung von Andrea HAUSER: Menschen, Märkte & Maschinen. Die Entwicklung von Industrie und mittelständischer Wirtschaft im Raum I lalle (Saale). Eine Zeitreise durch zwei Jahrhunderte. I lalle: Mitteldeutscher Verlag 2007. ISBN 978-3-89812-434-7. - 288 S., zalilr. färb. u. s/w-Abb.; 22,80 Euro. BROCKMEIER,
Karin / HELM, Jürgen (I Ig.): Stadt und Gesundheit. Soziale lursorge in I lalle (Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte, Bd. 9). I lalle: Mitteldeutscher Verlag 2006. ISBN 978-3-89812-381-5. - 136 S.; 17,80 Euro. STUKENBROCK,
Historische Plätze der Stadt Halle an der Saale. I Ig. v. Verein für hallische Stadtgeschichte i.V.m. Angela D O L G N E R (Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte, Bd. 11). Halle: Mitteldeutscher Verlag 2007. ISBN 978-3-89812-195-9. - 328 S., zalilr. s/w-Abb.; 22,- Euro. Das Alte Rathaus zu Halle (Saale). Hg.: Kuratorium Altes Rathaus Halle (Saale) e.V. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2008. ISBN 978-3-89812-197-3. - 272 S., zalilr. Abb.; 2 1 Euro. Steifen: Unter Kontrolle. Die Maitin-Luther-Universität und das Ministerium für Staatssicherheit 1968-1989. 2 Bde. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2007. ISBN 978-389812-380-8. - 536, 144 S.; 46,- Euro. REICHERT,
Auch nach Ablauf des Jubiläumsjahres 2006 ist die stadtgeschichtliche Publikationstätigkeit in Halle nicht zum Erliegen gekommen. Erfreulich zeitnah zum von Werner Freitag verantworteten ersten Band erschien nun der zweite Teil der „kleinen Stadtgeschichte" aus der Feder des Magdeburger Landeshistorikers Mathias Tullner, der das 19· und 20. Jahrhundert umfasst. Wie der Vorgängerband wendet sich auch diese Einführung auf genau 200 Druckseiten an ein breites Publikum und zeigt in geraffter, aber prägnanter Form Grunclzüge der Stadtgeschichte auf; es geht wiederum um „klassische Fragen der Stadtgeschichtsschreibung - etwa der Stadttypologie oder nach Besonderheiten" (S. 7). Tullner gliedert - auch hierin dem ersten Band folgend - den Inhalt in vier Kapitel. Obwohl als „Preußische Provinzstadt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts" betitelt, setzt Kapitel I bereits mit der Zeit des Königreichs Westphalen ein, die für die Stadt als Niedergangsphase charakterisiert wird. Wirtschaftlich blieb die Situation durch seit dem 18. Jahrhundert bestehende Strukturprobleme im frühen 19. Jahrhundert problematisch. Auch nach dem Einsetzen der Industrialisierung in den dreißiger Jahren und der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur durch
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Ausbau der Saaleschifffahrt und Anschluss an das Eisenbahnnetz blieb I lalle in seiner Entwicklung auch für die nächsten Jahrzehnte hinter den benachbarten Städten Leipzig und Magdeburg zurück. Im Umfeld der Revolution von 1848 zeigt sich eine differenzierte politische Situation in der Stadt, doch arrangierten sich nach dem Scheitern der Revolution Magistrat Lind Stadtverordnete schnell mit der neuen Situation. Tullner sieht dies als eine Voraussetzung für einen starken wirtschaftlichen Aufschwung in den fünfziger und sechziger Jahren, den Kapitel II, „Urbanisierung und Großstadtentwicklung", beschreibt. Braunkohlenindustrie und Maschinenbau wurden Motoren des Aufschwungs, der einen enormen Bevölkerungszuwachs, allerdings auch die bekannten Probleme im Wohnungsbau und der städtischen Infrastruktur mit sich brachte. Eür Halle charakteristisch wurde es, dass die Modernisierung der Infrastruktur - blockiert durch die aus Handwerkern und Grundbesitzern bestehende Mehrheit der Stadtverordneten - nur mit erheblicher Verspätung durchgesetzt werden konnte. Zu den Besonderheiten zählen ferner eine verspätete Eormierung der Arbeiterbewegung sowie ein starker patriarchalischer Zug im Unternehmertum (..System Riebeck"). Der eigentliche Moclernisierungsschub setzte erst nach 1900 ein und ist eng mit dem Namen des 1906 bis 1933 amtierenden Oberbürgermeisters Richard Robert Rive verbunden (Kapitel III, „Die moderne Großstadt in Mitteldeutschland"). Wohnungsbau, Gesundheitsfürsorge, Kanalisation und Straßenbau wurden in den folgenden Jahren grundlegend modernisiert, aber auch in der Kulturpolitik entstanden neue Impulse. Der Erste Weltkrieg brachte gar einen Ausbau der Cliemieinclustrie. Prägnant werden die politischen Verhältnisse am Ende des Krieges und in der Weimarer Republik beschrieben, die sich durch eine starke Polarisierung und ein Ubergewicht der KPD gegenüber der SPD auszeichneten. Mit dem Jahr 1933 setzt das letzte Kapitel des Buches ein, überschrieben als „Nationalsozialismus, Sozialismus, Wiedervereinigung", das allerdings die Grenzen des offenbar verlegerischen Konzeptes der Vierteilung aufzeigt. Auch wenn es mit 63 Seiten das umfangreichste des Bandes ist, reicht der Raum oftmals nur für Schlaglichter, w o b e i die relativ knappe Behandlung der NS-Zeit auch eine Ursache im bisher eher dürftigen Forschungsstand hat. Detaillierter wird die unmittelbare Nachkriegszeit dargestellt, für die Tullner durch seine Forschungen zu Erhard Hübener ausgewiesen ist. Auch die DDR-Zeit kann nicht erschöpfend behandelt werden: Schwerpunkte liegen auf dem Volksaufstand von 1953, der Entwicklung zur „sozialistischen Vorzeigestadt", der Errichtung von Halle-Neustadt. Die Abschnitte über den Verfall der Altstadt und zur Opposition in I lalle leiten über zur Darstellung der friedlichen Revolution und Wiedervereinigung, in der einige spezifische hallische Probleme deutlich werden. Die wenigen Bemerkungen zu der Zeit seit 1990 bilden mehr einen dem Konzept geschuldeten Epilog; für eine wirkliche historische Darstellung fehlen n o c h die Voraussetzungen. Ein Leitmotiv, das das gesamte B u c h von der Gründung der Provinz Sachsen bis zur Wiedererrichtung des Landes Sachsen-Anhalt 1990 durchzieht, ist die „I Iauptstacltfrage". Trotz günstiger geographischer Lage, trotz seiner Stellung als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum im 20. Jahrhundert konnte I lalle eine Rolle als Verwaltungsmittelpunkt der Provinz bzw. des Landes nur in der kurzen Zeitspanne zwischen 1915 und 1952 wahrnehmen - eine gewisse Sympathie des Verfassers für eine Landeshauptstadt Halle ist allerdings durchaus zu verspüDie komprimierte, aber auch faktenreiche Darstellung Tullners bietet auf weite Strecken sowohl für den Laien als auch für den historisch Vorgebildeten, der einen schnellen Einstieg sucht, einen präzisen, gut lesbaren ersten Zugriff auf die Stadtgeschichte. Der Spezialist wird wie schon im ersten Band das eine oder andere vermissen. Letztendlich zeigen aber beide Bände die Tragfähigkeit des Konzeptes der im besten Sinne populärwissenschaftlichen „Einfüli-
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rung in die Stadtgeschichte" und bilden eine sinnvolle Ergänzung zur 2006 erschienenen „großen" Stadtgeschichte. Ergänzend zur Überblicksclarstellung Tullners erschienen 2006/07 einige weitere Publikationen, die Einzelaspekte der Geschichte Halles im 19. und 20. Jahrhundert behandeln und vertiefen. An erster Stelle zu nennen ist hierbei der von der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau aus Anlass des Stadtjubiläums initiierte, reich ausgestattete Sammelband mit dem klingenden Titel „Menschen, Märkte & Maschinen", für den sowohl au.sgewie.sene Wirtschaftshistoriker als auch Nachwuchskräfte gewonnen wurden, wobei sich ein Teil der Autoren auf größere eigene Forschungen stützen konnte. Der Band beschäftigt sich räumlich gesehen nicht nur mit der Stadt Halle, sondern bezieht das Umland ein. Allerdings wird der „Raum Halle" nicht ausdrücklich definiert; die einzelnen Autoren gehen pragmatisch damit um und betrachten teilweise die Stadt, teils auch das gesamte heutige Sachsen-Anhalt als Untersuchungsgebiet. Inhaltlich wurde der Fokus auf mittelständische Unternehmen gelegt: Programmatisch für die Zielrichtung der II IK formulieren Thomas Brockmeier und Peter Hertner im Titel der Einleitung: ..Mittelständische Unternehmen - Motoren von Wachstum und wirtschaftlicher Entwicklung in historischer Perspektive" - und damit ist zugleich auch eine Grundthese des Bandes beschrieben, dass nämlich die Wirtschaftsstruktur des Raumes historisch vor allem mittelständisch geprägt war, was auch auf der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung von 1881, anhand derer Andrea Häuser zunächst einen instruktiven Querschnitt durch die mitteldeutsche Wirtschaft vermittelt, deutlich wurde. Der Raum I lalle war keine traditionelle Gewerberegion vor Beginn der Industrialisierung. Anknüpfen konnte diese allenfalls an die Salzgewinnung, deren ständiger Brennstoffbedarf schon um 1700 die Anfänge der Kohleförderung nach sich zog, wobei die Konsistenz der mitteldeutschen Braunkohle ihrem Einsatz zunächst enge Grenzen setzte (Hans Otto Gericke). Starke Impulse für die Industrialisierung der Region kamen dagegen aus dem Bereich der Landwirtschaft, insbesondere durch den Zuckerrübenanbau, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Gründung einer erheblichen Anzahl von Zuckerfabriken durch Agrarunternehmer führte (Dirk Schaal). Diese für die Region charakteristische agrarische Industrialisierung bildete wiederum einen wesentlichen Wachstumsimpuls für den hallischen Maschinenbau, der aber bald über den regionalen Markt hinausgriff und sich auf den Weltmarkt orientierte. Die Grundstruktur eines „industriellen Distrikts" miteinander vernetzter mittelständischer Unternehmen mit Exportorientierung blieb bis zum Ersten Weltkrieg erhalten (Rolf Petri). Im Gegensatz zum Maschinenbau prägte die Chemieindustrie, die heute weithin mit I lalle in Verbindung gebracht wird, die Stadt selbst zunächst kaum, sondern siedelte sich in der Folge des Braunkohlebergbaus im Umland an (Dirk Hackenholz). Der IJbergang von kleinen mittelständischen Unternehmen zur Großindustrie erfolgte seit den 1880er Jahren, allerdings nicht aus der Region heraus, sondern durch gezielte Ansiedlungen zunächst in Bitterfeld-Wolfen, seit dem Ersten Weltkrieg mit der Errichtung des Leuna-Werks auch südlich von I lalle. Durch die nationalsozialistische Autarkiepolitik erfuhr die somit recht junge mitteldeutsche chemische Industrie eine erhebliche Aufwertung. Der Stadt Halle blieb vor allem die Funktion des Wohnsitzes vieler Chemiearbeiter. Im Gegensatz zur chemischen Industrie blieb die Schokoladenindustrie, als Teil der Nahrungsmittelproduktion in enger Verbindung mit der Zuckerproduktion, rein mittelständisch geprägt, so dass Unternehmen von nationaler Bedeutung nicht entstanden (Francesco Chiapparino). Weitere Beiträge zeigen nicht nur die Entwicklung einzelner Wirtschaftszweige, sondern auch die Umformung Halles zu einer modernen Großstadt. Für die mittelständische Bauwirtschaft wird immer wieder die Bedeutung öffentlicher Großaufträge deutlich (Gil Schlosser/
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Jörg Bittenbinder). Den schwierigen Weg der Provinz Sachsen von der technischen wie organisatorischen Zersplitterung zu einem einheitlichen Versorgungsgebiet schildert der Beitrag über die Elektrizitätswirtschaft in mitteldeutschen Raum (Dirk Scbaal/Oirk Hackenholz). Für Halle ergab sich das Kuriosum, dass in der Stadt zwar schon 1891 das erste elektrische Straßenbahnnetz entstand, man aber erst 1901 als letzte deutsche Großstadt ein städtisches Elektrizitätswerk errichtete (Rainer Lächele/Uwe Schmidt). Nichtsdestotrotz durchlief auch die Saalestadt bis zum Ersten Weltkrieg die für eine Großstadt typischen Entwicklungsschritte im Autbau der städtischen Verkehrs-, Ver- und Entsorgungssysteme. Beiträge zum Wandel des Einzelhandels vom Kampf der mittelständischen Einzelhändler gegen Konsumgenossenschaften Lind Warenhäuser bis zur Lage des privaten Einzelhandels in der DDR (Andrea Häuser) und zum bis nach dem Ersten Weltkrieg durch regionale Privatbanken geprägten Kreditsektor (Teter Hertner) runden den Band ab. Die kurzen (Selbst-JDarstellungen einzelner gegenwärtiger Betriebe am Schluss des Buches vermitteln ein Bild der heutigen Wirtschaftsstruktur des Raumes; die Vermutung liegt nahe, dass sie wesentlich zur Finanzierung des Bandes beigetragen haben. Das vorliegende Werk ist weit mehr als eine der üblichen Hochglanzbroschüren der Wirtschaftsförderung. Vielmehr bietet es eine solide Einführung in die Wirtschaftsgeschichte der Stadt Halle und des südlichen Sachsen-Anhalt im 19. und vor allem frühen 20. Jahrhundert. Unsicherheiten zeigen sich im Umgang mit der Nachkriegszeit. Während sie von einigen Autoren ausgeblendet wird, beziehen andere die Epoche der DDR durchaus ein, aber mit unterschiedlicher Intensität und Gewichtung. I Iicr bleibt noch Raum für weitere Forschungen und vielleicht für einen späteren Sammelband. Den erheblichen sozialen, gesundheitlichen und hygienischen Problemen im Halle des späten 19. Jahrhunderts, die Tullner in seiner Gesamtdarstellung ebenfalls nur anreißen kann, wendet sich der Tagungsband des 6. Tags der hallischen Stadtgeschichte 2005 zu. Der Band vereinigt Beiträge zum öffentlichen bzw. städtischen Gesundheitswesen, die nicht speziell I lalle betreffen, mit stadtgeschichtlichen Aufsätzen, die die Entwicklungen in I lalle deutlich machen. Ein erster Abschnitt beschäftigt sich mit Armenfürsorge Lind öffentlichem Gesundheitswesen im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Nach einer allgemeinen Darstellung von Eva Brinkschulte, die vor allem den Wandel von der traditionellen Armenpflege zur „Medikalisierung der Armut" am Ende des 18. Jahrhunderts und der medizinischen Armenversorgung mit Armenärzten und kostenloser Medikamentenabgabe bis hin zur Errichtung von Krankenhäusern umreißt, schildert Jürgen Helm mit der ..Armensprechstunde in den Franckeschen Anstalten" einen konkreten hallischen Fall des 18. Jahrhunderts. Auf bürgerschaftliche, vom Geist der Aufklärung getragene Initiativen der Sozialfürsorge im Halle der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weisen ClaLis Veitmann und Holger Zaunstöck hin. Die 1799 von Honoratiorenkreisen gegründete ..Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde" ging nicht nur die Armenfürsorge mit vernunftgeprägter Gründlichkeit an, sondern schuf mit dem „I Iallischen patriotischen Wochenblatt" auch eine Zeitung, die sich aufklärerische Ziele auf ihre Fahnen schrieb und das baldige Ende der Gesellschaft in der napoleonischen Zeit lange überlebte. „Der Auf- und Ausbau städtischer Gesundheitsverwaltungen während der Urbanisierung" kann als Oberthema des zweiten Teils gelten, und in seinem einleitenden Aufsatz gibt der Düsseldorfer Medizinhistoriker Jörg Vögele einen Überblick über die Entwicklung der Sterblichkeit in Deutschland während des 19. und 20. Jahrhunderts. In der Epoche des Kaiserreiches wandelten sich die Städte durch Schaffung einer technischen Infrastruktur ..von traditionell ungesunden zu gesunden Orten" (S. 78). Ein besonderes Problem stellte bis in den Ersten Weltkrieg die Säuglingssterblichkeit dar, der man vor allem mit „Stillpropaganda" entgegenzutreten ver-
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suchte. Die Erkenntnis, dass Infektionskrankheiten durch verunreinigte Milch eine wesentliche Ursache für die Säuglingssterblichkeit ausmachte, bildete auch in I lalle die Grundlage für Maßnahmen der Säuglingsfürsorge in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg, die Regina Vollmer darstellt. Die Abgabe sterilisierter Milch, die Errichtung einer Säuglingsfürsorgestelle oder die Zahlung von Stillhilfen waren Maßnahmen, die in ihrer Wirkung von der Verfasserin positiv eingeschätzt werden. Zwischen Sozialfürsorge und Repression stand das Amt der „Polizeiassistentin", in Halle „Stadtschwester" genannt, das in der Saalestadt nach dem Vorbild anderer Städte 1913/14 eingerichtet u n d der Sittenpolizei zugeordnet wurde, wie Claudia Jandt in ihrem kurzen, jedoch auch institutionengeschichtlich interessanten Beitrag darlegt. Mit einem ebenfalls institutionengeschichtlich ausgerichteten, wiederum aber nicht auf Halle bezogenen Aufsatz beginnt der dritte Teil des Bandes, der sich der nationalsozialistischen Zeit zuwendet. Astrid Ley schildert das öffentliche Gesundheitswesen als institutionelle Basis des nationalsozialistischen „Erb- und Rassepflegeprogramms", wobei sie vor allem auf die fläcliencleckende Einrichtung staatlicher Gesundheitsämter ab 1935 - anknüpfend an die kommunale Gesundheitsfürsorge der Städte - und auf die Rolle der Amtsärzte als zentrale Figuren der „Erb- und Rassenpflege" eingeht, welche bei der Entscheidung über Zwangssterilisationen erheblichen Einfluss ausübten. Frank Hirschinger gibt diesen Ausführungen gewissermaßen ein Gesicht, indem er die Ärzte des Stadtgesundheitsamtes Halle und ihre Beteiligung an NS-Medizinverbreclien darstellt. I Iirschinger muss allerdings gleichzeitig konstatieren, dass die Strafverfolgung selbst schwerstbelasteter Täter scheiterte, etwa w e n n der ehemalige stellvertretende Leiter des Stadtgesundheitsamtes, der als Tötungsarzt in verschiedenen Vergasungsanstalten maßgeblich am Mord an psychisch Kranken und als KZ-Arzt in Auschwitz an Menschenversuclien beteiligt war, sich letztlich aufgrund seiner medizinischen Kenntnisse durch gesundheitliche Manipulation vor einer Haftstrafe bewahren konnte. Obwohl die Beiträge nur zum Teil die Verhältnisse in der Stadt I lalle direkt betreffen und in ihrer Kürze Themengebiete oft nur anreißen können, bietet der Band doch einen guten Einstieg in die Probleme der Sozialfürsorge seit dem 18. Jahrhundert, an den weitere lokale Forschungen anknüpfen sollten. „Stadtgeschichte braucht Raum" überschrieb der Verein für hallische Stadtgeschichte sein Jahresprogramm des Jubiläumsjahrs und veranstaltete eine Vortragsreihe im öffentlichen Raum, bei der auch öffentliche Plätze der Stadt zu Vortragsräumen wurden. Die Vorgeschichte des als Band 11 der „Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte" erschienenen Sammelbandes über „I Iistorische Plätze der Stadt I lalle an der Saale" reicht allerdings schon in die Zeit vor dem Jubiläum zurück. Am 1 Mai 2005 fand aus Anlass der Eremitierung des hallischen Kunsthistorikers Dieter Dolgner ein Kolloquium unter dem Titel „Plätze und Stadtumbau" statt, dessen Vorträge den Ausgangspunkt der vorliegenden Publikation bildeten. In einem einleitenden Essay beschäftigt sich zunächst 11 ermann Wirth, emeritierter Professor für Bauaufnahme u n d Baudenkmalpflege der Bauhaus-Universität Weimar, unter dem Titel ...Schrumpfung' oder .Perforierung'?" mit Prozessen des stadtgestalterischen Strukturwandels der Gegenwart. In engagierter, streckenweise auch polemischer Form setzt sich Wirth mit einigen gegenwärtigen Tendenzen der Stadtentwicklung auseinander, als deren Ursache er „eine vom kulturell entdisziplinierten ... Bauwesen assistierte, von lediglich auf Rendite orientierten Investoren verfochtene, ... hinsichtlich Besteuerungen, finanzieller L?egünstigungen durch .Fördermittel' aus der öffentlichen Hand ... einmal des einen, alsbald genau des Gegenteiligen begleitete Vulgärpragmatik" sieht. Wirth plädiert dagegen für „strukturellen Denkmalschutz", dessen Schutzobjekt „weniger das Substanzielle, mehr das Strukturelle" ist, das sich in einem ..wertvollejn], axiologisch relevanten Platz- und Straßengefüge" zeigt. Die Wiederherstellung überkommener Strukturen
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schließt für ihn auch die Rekonstruktion von Gebäuden, hier als „denkmalpflegerische Kopie" bezeichnet, ein, womit er sich gegen die „Substanzfetischisten" in der heutigen Denkmalpflege wendet. Wirth provokante Worte werden kaum allgemeine Zustimmung finden, doch angesichts der im Zuge des „Stadtumbau Ost" entstandenen Lücken und Brachen selbst im inneren Raum mancher ohnehin durch die DDR-Baupolitik schwer gezeichneten ostdeutschen Stadt ist der Ruf nach einem „strukturellen Denkmalschutz" (mit oder ohne Replikate verlorener Gebäude) nur zu unterstützen. Neun Aufsätze beschäftigen sich in der Folge mit konkreten Plätzen der Stadt I lalle, beginnend mit der „Keimzelle" Halles, clem I Iallmarkt (Christine Just/Rüdiger Just). In chronologischer Folge der Entstellung, aber auch geographisch von innen nach außen folgen Marktplatz (Dieter Dolgner), Domplatz (Franziska GrajAUAndrea Thiele), Friedemann-Bach-Platz (Andrea Thiele), Universitätsplatz, Joliot-Curie-Platz (jeweils Angela Dolgner), Riebeckplatz (Katja Reindel), Rathenauplatz (Dieter Dolgner) und Rosa-Luxemburg-Platz (Kerstin Küpperbusch). Beschrieben wird jeweils die bauliche Entwicklung der Plätze bis zur Gegenwart, z.T. gestützt auf archivalische Quellen, stets versehen mit einer zwar sparsamen, doch aussagekräftigen Scliwarz-Weiß-Bebilderung. Dabei bleibt es nicht bei einer reinen Baugeschichte: Die Wandlung der Plätze zeigt sich eingebunden in historische Wandlungsprozesse in der Stadt insgesamt, und geradezu symptomatisch für Halle ist es, wenn im Beitrag über den Hallmarkt zunächst die Versuche beschrieben werden, die pfännerschaftliche Saline am Ausgangs des 18. Jahrhunderts zu modernisieren, was schließlich zur Errichtung zweier Großsieclehäuser führte. Nach der Verlegung der Saline vor die Stadt im Jahr 1869 entstand für anderthalb Jahrzehnte eine innerstädtische Brachfläche, deren Wiederbebauung in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts den Aufstieg Halles zur modernen Großstadt symbolisierte. Die Überformung des Marktplatzes durch massive Grundstückskonzentration Lind die Errichtung moderner Großkaufhäuser sowie des Ratshofes, von Dieter Dolgner als „Fehlentwicklung" bezeichnet, begann in den zwanziger Jahren, führte aber andererseits zu interessante Bauwerken der Moderne, denen zum Teil kein langes Leben beschieden war. Während an Domplatz und Friedemann-Bach-Platz die Entwicklung vom Residenzbezirk Erzbischof Albrechts von Brandenburg bis hin zu einem Zentrum der Universität seit dem 19. Jahrhundert (mit absehbarem Ende) sichtbar ist, wurden andere Plätze erst im Zuge der Stadterweiterung planmäßig angelegt. Eindruckvoll beschreibt Dieter Dolgner aus den Quellen die Entstehung des Paulusviertels um den heutigen Rathenauplatz als nordöstlicher Stadterweiterung im späten 19. Jahrhundert. Die radiale Anlage um den „I Iasenberg" mit der neogotischen Pauluskirche als Zentrum beeindruckt noch heute „als Zeugnis für die Bemühungen ..., für die neue Großstadt Halle eine anspruchsvolle, einprägsame künstlerische Raumform zu finden." Vergleichbares kann man von Riebeckplatz nicht gerade behaupten, doch zeigt der Beitrag von Katja Reindel wie vielleicht kein anderer einen Platz im Wandel, dessen Konstante allerdings seine Funktion für den Verkehr bildet. Der unwirtlichen Galgtorvorplatz in der Nähe der Richtstatt rückte mit der Errichtung des Bahnhofs in die Mitte und wurde bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts das Zentrum des I Iotelgewerbes. Im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach 1915 in Thälmannplatz umbenannt, avancierte er in den sechziger Jahren mit Hochstraße, Punkthochhäusern und „Fäustemonument" zum im Verständnis der Zeit modernen Eingangstor zur sozialistischen Bezirksstadt, das trotz Umbauten der letzten Jahre noch immer fortwirkt. Mit den Bauten der „Nachwendezeit", dem „Auftritt der Moderne auf Halles historischen Plätzen" beschäftigt sich der abschließende Beitrag des Denkmalpflegers 11olger Brülls, der vor einigen Jahren bereits als Mitautor des Architekturführers I lalle aufgetreten ist. Anhand von Marktplatz, Universitätsplatz und Hallmarkt bewertet Brülls das Baugeschehen der letzten an-
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dcrthalb Jahrzehnte aus cienkmalpflegeriseher Sieht und kann insbesondere am Universitätsplatz Erfreuliches konstatieren. Gleichzeitig sehlägt sein Beitrag wiederum den Bogen zurück zu den Ausführungen von I Iermann Wirth am Beginn des Bandes, indem er sich - allerdings mit anderen Akzenten - ebenfalls mit dem Schlagwort der „perforierten Stadt" beschäftigt, das „mittlerweile unter Denkmalpflegern zu einem Reizwort ersten Ranges geworden" sei. Dennoch gesteht der Autor ihm einen „analytischen Wert" zu und nimmt ihn zum Anlass, „den Umgang mit den nun einmal unwiderruflich vorhandenen Lücken auf eine rationale Basis zu stellen." Brülls plädiert nicht für eine Lückenschließung um jeden Preis: Solangc ein Bedürfnis nach zusätzlicher Nutzfläche nicht wirklieh vorhanden sei, „wird jede Lücke, die ohne Not geschlossen werden will, zur Bedrohung für jene städtischen Strukturen, die noch intakt sind." Der Blick auf manches innerstädtische Einkaufszentrum bestätigt diese Aussage. Dem möglichen Wiederaufbau des historischen Rathauses steht er aus ähnlichen Gründen skeptisch gegenüber, doch wendet er sich schließlich auch gegen die Reduktion der Denkmalpflege auf den bloßen physischen Bestandsschutz. Mit den Ausführungen Brülls' schließt sich der Kreis des Bandes, der deutlich macht, dass in Halle mehr als in manch anderer Stadt eine engagierte Diskussion über das Gesicht der Stadt und ihre Entwicklung besteht, die von Sachkunde getragen ist und auch von Entscheidungsträgern gehört werden sollte. Das gut lesbare Buch sollte daher nicht nur im wissenschaftlichen Bereich wirken, sondern auch in der Stadt und bei Besuchern einen neuen Blick auf bekannte und bisher unbekannte Plätze vermitteln. Seit einigen Jahren ist auch die Rekonstruktion 1945 beschädigten und bis 1950 abgerissenen alten Rathauses wieder in der öffentlichen Diskussion. 2001 gründete sich ein Verein „Kuratorium Altes Rathaus Halle (Saale) e.V.", der aktiv für dieses Vorhaben wirbt und nun einen opulenten L?and zur Geschichte des Gebäudes herausgegeben hat. Nach einem Vorwort des auch in der Kommunalpolitik aktiven Vereinsvorsitzenden Norbert Böhnke zeigt ein einleitender Essay von Dieter Dolgner die Bedeutung des Rathauses als Denkmal, als platzbegrenzender Kontrapunkt der Marktkirche und seit dem 19. Jahrhundert auch als Motivlieferant für Neubauten am Marktplatz auf. Schwerpunkte des Bandes sind jedoch zwei umfangreiche Aufsätze aus der Feder des Mitarbeiters der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Halle Andreas Rithl, der zugleich Mitglied des Kuratoriums ist. In einem ersten „Zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Rathauses vom Mittelalter bis ins 19· Jahrhundert" spannt Rühl vor allem auf der Grundlage der älteren Literatur und der überlieferten Abbildungen den Bogen von den Anfangen einer hallischen „Stadtverwaltung" im 12. Jahrhundert bis zu Umbaumaßnahmen der 1860er Jahre. Als Ausgangspunkt des Gebäudes vermutet er eine feudale Eigenbefestigung im Süden des späteren Baues, die schon zuvor als der frühere Amtssitz des Schultheißen angenommen wurde. Zwischen ihr und der ebenfalls schon zu Beginn des I i. Jahrhundert bestehenden Ratskapelle im Norden erwuchsen im 14. und 15. Jahrhunderts weitere Gebäudeteile, die 1501 bis 1505 umfangreiche Umbauten und eine Vereinheitlichung im spätgotischen Stil erfuhren. Das spätere Äußere des Rathauses wurde jedoch maßgeblich geprägt von den Umbauten unter der Leitung von Nickel Hoffmann, dem Vollender der Marktkirche und Schöpfer des Stadtgottesackers, aus den Jahren 1558 bis 1568, die an der Marktfassade die dreigeschossige Loggia und den Ratliausturm hervorbrachten. Im 18. Jahrhundert erfuhr der Kernbau des Rathauses kaum Veränderungen, während im Südosten zu Beginn des Jahrhunderts das sogenannte „Neue Rathaus", der Barockflügel an der Leipziger Straße errichtet wurde. Das 19· Jahrhundert sah dagegen zunächst einige Instandsetzungsmaßnahmen sowie die Vermietung von Teilen des Gebäudes als Läden. Ein wesentlicher Eingriff war der Abbruch des Chores der Ratskapelle, der einem Gebäude für die Polizeiverwaltung weichen musste.
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In der Mitte des 19· Jahrhunderts setzen die städtischen Bauakten ein, anhand derer IlansCliristian Riechen die baulichen Veränderungen am alten Rathaus in seinem letzten Jahrhundert beschreibt. Bemerkenswert sind der Umbau von 1883. bei dem der Abschluss der Ratsloggia wesentlich verändert wurde, sowie der Abbruch der Ladenvorbauten am Erdgeschoss unmittelbar nach dem Ersten "Weltkrieg. Die bereits lange erkennbare Raumnot der Stadtverwaltung wurde schließlich 1928 bis 1930 durch die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes, des sogenannten Ratshofes, unmittelbar östlich des Rathauses, dem allerdings der historische Marstall weichen musste, beseitigt. Noch bis in die Anfänge des Zweiten Weltkrieges wurden Restaurierungsarbeiten am Rathaus vorgenommen. Nach dem Magdeburger Vorbild von Bruno Taut und seinen farbigen Hausanstrichen entstand auch in Halle zu Lieginn der zwanziger Jahre das Projekt einen bunten Marktes, für das der Dekorationsmaler Karl Völker einen Entwurf lieferte, wie Sabine Meine1 in ihrem L?eitrag beschreibt. Bis 1924 wurde es an einer Reihe von Häusern umgesetzt, und auch das Rathaus erhielt einen kräftigen Anstrich, der allerdings heute nur noch anhand von Beschreibungen nachweisbar ist. In dem vielleicht interessantesten Beitrag des Bandes beschreibt noch einmal Andreas Rubi unter dem Obertitel „Schicksalsjahre" eindringlich und detailliert „die Zerstörung des Alten Rathauses 1915 bis 1950". Vor allem anhand der Quellen des Stadtarchivs und der Überlieferung des Landesdenkmalamts zeichnet er die zeitgenössischen Diskussionen nach, stellt ihre Protagonisten dar und bettet das Geschehen in den zeitgeschichtlichen Rahmen. Während sich die Provinzialkonservatoren Giesau und Schubert schon bald nach Kriegsende für den Wiederaufbau des schwer beschädigten und in Teilen zerstörten, in anderen aber noch intakten Rathauses ausspraclien, war es zunächst der bereits seit 1911 amtierende Stadtbaurat Adolf Heilmann, den die LSeseitigung der Ruine und ein „Bauwerk aus dem Geiste unserer Zeit" forderte. Bewegte sich die Diskussion bis in den Mai 1946 offenbar noch in sachlichen Bahnen - wobei im Übrigen auch Stadtarchivar Erich Neuß auf der Seite I Ieilmanns zu finden war - , brachte ein von 11eilmann angefordertes Gutachten 11ermann I Ienselmanns, das ein neues Rathaus ..als Sinnbild einer neuen Gesellschaft" forderte, eine Politisierung des Streits, zumal nach den Kommunalwahlen von 1916 mit Karl Otto Pretsch (SED) ein Abbruchbefürworter auf den Stuhl des Oberbürgermeisters kam und die Forderung nach Abriss des Rathauses vor allem von der SED vertreten wurde. Dass die Sieger eines im zweiten I Ialbjahr 1947 abgehaltenen Architektenwettbewerbs um die Gestaltung der Marktsseite die Erhaltung mehr oder weniger großer Teile der Ruine vorsahen, beeindruckte Pretsch und I Ieilmann wenig. Bis zum Februar 1948 wurde der Abrissbeschluss durch alle städtischen Gremien gebracht, wobei sich die Befürworter auch der Unterstützung eines Teils der LDP erfreuen konnten. Ende 1919 wurde ein vergleichbarer Beschluss auch für den unzerstörten Barockflügel gefasst, so dass im Spätsommer 1950 das hallische Rathaus gänzlich verschwunden war. Das avisierte ..Bauwerk im Stil unserer Zeit" kam trotz eines erneuten Architektenwettbewerbs im Herbst 1949 nicht zustande. Zwei kleinere Beiträge beschäftigen sich mit erhaltenen I Iinterlassenschaften aus dem alten Rathaus. Cornelia Wieg stellt die heilige Helena des Meisters H.W. vor, die sich seit 1918 in der Moritzburg befindet, und Eva Wipplinger beschreibt drei silberne Klingelzüge aus der Zeit um 1700, die schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zum Museumsbestand gehören. Ebenfalls recht kurz, aber äußerst informativ und eine wichtige Ergänzung zum ersten Aufsatz Rühls ist der Beitrag von Volker Hermann zu den Ergebnissen der Ausgrabungen am Standort des alten Rathauses 2004/05. Im Gegensatz zur älteren Forschung datiert er den Steinbau im Südwesten des Rathauses vor allem anhand technischer Merkmale in die Zeit um 1300, so dass er kaum der alte Amtssitz des Schultheißen, wie noch von Rühl erwogen, gewesen sein kann. A L I S
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derselben Zeit stammen w o h l auch die Rathauskapelle s o w i e der Waageturm. Nördlich davon konnte kein spätmittelalterlicher Vorgängerbau n a c h g e w i e s e n werden. Der B a n d endet mit e i n e m kurzen Iissay v o n Norbert Böhiike
ü b e r ..Perspektiven für das
Alte Rathaus", der ein Plädoyer für den Wiederaufbau darstellt. B ö h n k e verleugnet nicht, dass auch der vorliegende B a n d diesen Z w e c k verfolgt. Man mag über Sinn oder Unsinn eines Wiederaufbaues des Rathauses unterschiedlicher Meinung sein, und sicherlich wird diese Frage n o c h eine Weile kontrovers diskutiert w e r d e n — dass das Bauwerk w i e d e r ins Gedächtnis zurückgerufen und auf h o h e m Niveau in seiner G e s c h i c h t e vorgestellt wurde, dass zugleich ein wichtiges Stück Zeitgeschichte beleuchtet wurde, ist das b l e i b e n d e Verdienst, das sich die I Ierausgeber des hervorragend ausgestatteten und b e b i l d e t e n B a n d e s bereits jetzt e r w o r b e n haGanz aus d e m R a h m e n der bisher vorgestellten Werke fällt die letzte hier anzuzeigende, umfangreiche Arbeit, eine v o n d e m v e r s t o r b e n e n Zeithistoriker I Iermann-Josef Rupieper bis kurz vor s e i n e m T o d betreute Dissertation, die sich unter d e m Obertitel „Unter Kontrolle" d e m Wirken des Ministeriums für Staatssicherheit an der Martin-Luther-Universität zwischen 1968 und 1989 widmet und weniger zum Stadt- als zum Universitätsjubiläum 2002 gepasst hätte. Vor allem anhand von Quellen aus den B e s t ä n d e n der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der e h e m a l i g e n D D R (BStU) - der Zugriff darauf war ihm zeitweise durch die Rechtsprechung im „Fall Kohl" erheblich erschwert - , aber auch des Universitätsarchivs I lalle, des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, Abt. Merseburg u n d des Bundesarchivs (Stiftung Parteien und Massenorganisationen) fragt Steffen Reichert n a c h Ausmaß und inhaltlic h e n S c h w e r p u n k t e n der MfS-Tätigkeit an der Martin-Luther-Universität (MLIJ), n a c h d e m Spielraum des Geheimdienstes, n a c h der Rolle ausländischer Wissenschafter und Studenten für die Tätigkeit des MfS, n a c h der Gewichtung einzelner Wissenschaftsbereiche und der B e d e u tung der Sektion T h e o l o g i e in d e s s e n Arbeit s o w i e n a c h d e m Verlauf des J a h r e s 1989 an der Universität (S. 13), w o b e i der Untersuchungszeitraum nicht allzu dogmatisch a n g e w e n d e t wurde, denn der Autor greift teilweise bis in die fünfziger J a h r e zurück. In 15 Kapiteln behandelt der Verfasser sein Thema. Nach einer Einleitung zu Fragestellung, Forschungsstand und Archivzugang beschreibt Reichert die Stellung der H o c h s c h u l e n im Wissenschaftsbetrieb der D D R und führt dann in die Grundstrukturen des MfS ein. Mit Kapitel i ..MfS und Martin-Luther-Universität" beginnt der eigentliche I Iauptteil der Darstellung. Minutiös stellt Reichert die für die MLIJ tätigen Strukturteile des MfS und seiner Bezirksverwaltung I lalle vor, bis hinunter zur Besetzung einzelner Planstellen, und betrachtet auch die „wissenschaftlic h e " Beschäftigung mit der hallischen H o c h s c h u l e an der J u r i s t i s c h e n H o c h s c h u l e " des MfS Potsdam-Eiche. Zwei f o l g e n d e Abschnitte beschäftigen sich mit den inoffiziell tätigen s o w i e d e n hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS an der Universität. Detailliert w e r d e n v e r s c h i e d e n e G r u p p e n v o n Mitarbeitern voreinander g e s c h i e d e n , Werbungsstrategien b e s c h r i e b e n und anhand v o n Einzelfallen (auch der Verweigerung von Zusammenarbeit mit d e m MfS) Erfolge und Probleme bei der Werbung dargelegt, w o b e i das k o m p l e x e , aber auch anfällige abgestufte System der Arbeit für d e n Geheimdienst in m a n c h e n Verästelungen deutlich wird. Konspirative W o h n u n g e n , Westreisen und die Kontrolle über die Universitätsleitung sind weitere T h e m e n Reiclierts. Als inhaltliche Schwerpunkte k a n n er W o h n h e i m e sowie den Studentenclub „Turm" auf der Moritzburg, die Sektion T h e o l o g i e und die Evangelische Studentengemeinde, den B e reich Medizin und die Sektion Germanistik/Kunstwissenschaften ausmachen; eine wesentliche Rolle spielten aber a u c h der Geheimnisschutz u n d die Abschirmung v o n I Iochtechnologien. Die Auswirkungen der Arbeit der Stasi auf einzelne Studenten und D o z e n t e n w e r d e n im 13. Kapitel „Maßnahmen der Repression und der .Zersetzung"' deutlich. Hier w e r d e n nicht nur
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prominente Fälle unter Dozenten wie derjenige des Biochemikers Feter B o h l e y oder des Philosophen Reinhard Mocek dargestellt, sondern auch weniger spektakuläre wie derjenige der jungen Bibliothekarin, die der Mitwirkung an der Produktion von Flugblättern gegen die Biermann-Ausbürgerung verdächtigt wurde, was ihr freilich nicht nachgewiesen werden konnte, und anschließend auch den Anwerbungsversuchen des MfS widerstand, oder des Studenten der Geschichte und Staatsbürgerkunde, der durch eine Büttenrede auf einer Faschingsfeier mit Anspielungen auf die Berliner Mauer ins Visier der Stasi geriet und dadurch zunehmend desillusioniert auf Distanz zu seinem Berufsziel Lehrer ging. Schließlich spannt der letzte Abschnitt den B o g e n von der Frosion der DDR auch an der MLLJ im J a h r 1989 über den ..Wendeherbst" bis hin zur personellen Erneuerung der Universität zu Beginn der neunziger Jahre, w o b e i die Tätigkeit des MfS bisweilen in den Hintergrund gerät. Letztlich kann der Verfasser anhand des Beispiels der Universität Halle feststellen, dass von einer möglichen „Verselbständigung" des I Findeins des MfS keine Rede sein kann. Das Ministerium blieb „Schild und Schwert der Partei" und konnte seine Ziele während der längsten Zeit seines Bestehens weitgehend erreichen. Allerdings zeigten sich mit dem schleichenden Verfall der Macht der SED auch die Grenzen des MfS: Zwar konnte das verzweigte Spitzelsystem Probleme ausfindig machen, auch einzelne Personen durch „Zersetzungsmaßnahmen" ausschalten, Vorschläge und Ansätze zur Lösung gesellschaftlicher Widersprüche konnte der Geheimdienst jedoch trotz allen Wissens nicht anbieten. Und so schlugen die Abschlussarbeiten der Juristischen I lochschule, die der Autor an einigen Stellen zitiert, als Problemlösung immer wieder die Erhöhung der Anzahl der eingesetzten IM vor - was letztlich auch als Akt der Hilflosigkeit interpretiert werden kann. Während der umfangreiche erste Band der Arbeit den darstellenden Teil umfasst, bietet der zweite Band n e b e n Quellen- und Literaturverzeichnis und Personenregister ein „Vorläufiges annotiertes Personenverzeichnis", das die Kurzbiographien von Personen umfasst, „die im Untersuchungszeitraum sowie bei der Erneuerung der MLLJ nach 1989 im bzw. für das LJniversitätslcbcn eine besondere Rolle spielten - ein nicht nur für die Lektüre der Arbeit, sondern auch für künftige Forschungen wertvolles Hilfsmittel. Steffen Reichert bietet eine bewundernswert quellengesättigte und detailreiche Darstellung, die vor allem organisations- und strukturgeschichtlich ausgerichtet ist und hier intime Einblicke in die Tätigkeit der Staatssicherheit an einer I lochschule liefert. Die innige Quellenkenntnis führt allerdings gelegentlich dazu, dass der hölzerne und abstrakte Sprachstil von Grundsatzdokumenten in die Darstellung überschwappt und den Stil des Verfassers zu beeinflussen scheint. In der Fülle der Einzelheiten bleiben zudem übergreifende Überlegungen teilweise auf der Strecke, etwa zur Rekrutierungsbasis der Mitarbeiter, die im Zusammenhang der Biographien gelegentlich anklingt. Und schließlich bleibt auch nach der Lektüre der Arbeit offen, welchen Einfluss die Staatssicherheit tatsächlich trotz des deutlich werdenden immensen Aufwandes auf das Leben und wissenschaftliche Arbeiten an der LJniversität besaß. Die Wirkungsgeschichte geheimdienstlichen I Iandelns ist mit den von Reichert hauptsächlich benutzten Linterlagen des MfS nicht rekonstruierbar. So ist die Arbeit sicherlich nicht das letzte Wort zum Thema „Universität und Staatssicherheit" in Halle, aber sie hat die wesentlichen Grundlagen für jede weitere Beschäftigung mit diesem Thema gelegt, und sie hat Strukturen dargestellt, die auch über Halle hinaus und besonders für vergleichende Forschungen Beachtung finden werden. Potsdam
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B U C H B E S P R E C H U N G E N EINZELNE G E B I E T E
LET IM ANN, Torsten: Die Hallenser Corps im Kaiserreich. Eine LJntersuchung zum studentischen Verbindungswesen von 1871-1918 (Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte, Bd. 10). Halle: Mitteldeutscher Verlag 2007. ISBN 978-3-89812-445-4. - 264 S.; 19,90 Euro. Die Studentengeschichte stellt ein nach wie vor wenig beachtetes Feld der Universitäts- und Bildungsgeschichte dar, obgleich sie sich in der Gegenwart keineswegs mehr, wie noch 1990 Michael Gehler in seiner Studie zur Innsbrucker Studentenschaft in der Zwischenkriegszeit schreiben konnte, notwendigerweise in der Geschichte der studentischen Verbindungen erschöpft. Vielfach werden Studenten- bzw. verbindungsgeschichtliche Arbeiten von Verbindungen angehörenden interessierten Laien verfasst, häufig - aber keineswegs immer - steht bei solchen Autoren das Ziel der Selbstvergewisserung im Lichte der eigenen Tradition im Vordergrund, so dass es sich bei derartigen Veröffentlichungen eher um Traditionsquellen handelt Traditionsquellen freilich, die dennoch einen wissenschaftlichen Wert haben können, wenn sie auf der Basis von - oft schwer zugänglichem, da sich in privater I land befindendem - Archivgut entstanden sind. L?ei der vorliegenden Arbeit handelt es sich indes um eine bei dem allzu früh verstorbenen Hermann-Josef Rupieper entstandene hallische Dissertation. Es ist Torsten Lehmann gelungen, für seine Arbeit Zugang zu den Archiven der Corps Borussia Halle, Palaiomarchia I lalle und Saxonia Konstanz zu erhalten. Die beiden ersteren waren bereits vor 1935 in I lalle ansässig, rekonstituierten nach 1945 in Westdeutschland und kehrten nach der Wiedervereinigung Deutschlands an ihre Gründungsuniversität zurück. Saxonia Konstanz entstand nach 1915 in Frankfurt am Main neu durch Fusion der hallischen Corps Saxonia, Neoborussia und Teutonia und verzichtete auf eine Rückkehr an die Saale. Ferner hat Lehmann neben umfangreichem gedrucktem Quellenmaterial die einschlägigen Bestände des Universitätsarchivs I lalle, des Stadtarchivs I lalle, des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (Berlin), des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes (Berlin) und des an der Universität Würzburg angesiedelten Instituts für I Iochschulkunde verwendet. Die Corps standen, auch wenn man das Diktum des Studentenhistorikers Manfred Studier vom Corpsstudenten als dem „Idealbild der Wilhelminischen Ära" bzw. die von Heinrich Mann in seinem „Untertan" gezeichnete Karikatur des Corpsstudententums nicht überstrapazieren sollte, innerhalb der informellen Hierarchie des deutschen Verbindungswesens zweifellos an der Spitze. Die Corps spielten spätestens seit den 1880er Jahren, trotz der Tatsache, dass andere Verbindungstypen und auch die für den I Iistoriker schwer greifbare Gruppe der nicht korporierten Studenten, immer mehr an Boden gewannen, eine kaum zu überschätzende Rolle bei der Herausbildung und Rekrutierung von Fülirungs- und Funktionseliten des neuen kleindeutsch-preußischen Nationalstaats. Eine entscheidende Voraussetzung hierfür war die Herausbildung des „Lebensbundsprinzips" seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, also die Forderung, dass die Mitgliedschaft in der Verbindung nicht nur ideell, sondern (über seither entstehende Altherrenbünde) auch tatsächlich eine lebenslange sein müsse. Zwar waren die I Iallenser Corps bei weitem nicht so exklusiv wie vor allem die sogenannten ..weißen" Corps an den Universitäten Bonn, Göttingen unci I Ieiclelberg, doch lassen sich auch an der Saale die typischen Merkmale corpsstudentischer Gruppenformierung nachweisen. Im Mittelpunkt von Lehmanns Untersuchung steht ein im weitesten Sinne kulturbzw. bildungsgeschichtliches Erkenntnisinteresse, nämlich die konkrete Ausgestaltung des sogenannten „hidden curriculum" (Konrad 11. Jarausch) der Corps, welches, wie bei den anderen studentischen Verbindungen auch, eben nicht Bestandteil des universitären Bildungssystems und damit eines offiziellen Gesamtprogramms institutioneller Erziehung und Bildung war, sondern vielmehr stets den Grundkonstanten jugendlich-männlicher Selbsterziehung verhaftet
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blieb - ganz anders als etwa in England oder den Vereinigten Staaten. Konkret bedeutete dies eine starke Reglementierung des Privatlebens der studentischen Mitglieder, es sollten als deutsch verstandene, letztlich bildungsbürgerlich motivierte 'lugenden wie Selbstsicherheit, Entschlossenheit, Disziplin, Kreativität, Zuverlässigkeit Lind Verantwortungsbewusstsein vermittelt werden, die als unverzichtbar für künftige Führungsaufgaben angesehen wurden. Ein strenger Biercomment mit entsprechendem Trinkzwang, subtile, letztlich ständisch begründete Bekleiclungs- und Verhaltensvorschriften sowie die Praxis des Mensurenschlagens als ritualisierte Form des Zweikampfs, der „honorige" Studenten von der „ehrlosen" Masse abgrenzte, waren hierbei wichtige Mittel der Distinktion. Die Umsetzung dieses Erziehungsprogramms erzeugte das für die Corpsstudenten charakteristische Elitebewusstsein, mit dem sie sich von den anderen Studenten, auch den anderen Verbindungen, abgrenzten und innerhalb der Universität wie selbstverständlich eine Sonderstellung einforderten. Die seit der Reichsgründung sich immer mehr durchsetzende Praxis des Erwerbs bzw. Baus von Verbinclungshäusern - in I lalle vollzog sich dieser Schritt seit den 1880er Jahren - krönte diese Entwicklung insofern, als so die Korporationserziehung auch einen räumlichen Fixpunkt erhielt. Die negativen Seiten des corpsstudentischen Erziehungsprogramms sind, v.a. seit den Veröffentlichungen von Konrad Jarausch, oft beschrieben worden und werden auch von Lehmann am lokalen Beispiel herausgearbeitet: Die angestrebten Schlüsselqualifikationen konnten auf Kosten ihres ursprünglich konstitutiven sittlich-ethischen Charakters leicht in Konformismus, pseudoelitären Standesdünkel, Anbiederei, I Iartherzigkeit, Intrigantentum, blinden Gehorsam und Unterwürfigkeit umschlagen, das Duell- und Mensurwesen förderte Gewaltbereitschaft und das Denken in vorwiegend militärisch/militaristischen Kategorien. Das nach innen sorgsam gepflegte Toleranzprinzip galt in der Regel nicht nach außen, v.a. nicht gegenüber Katholiken, Sozialdemokraten und Juden, die zeitgeistkonform als „Reichsfeinde" bekämpft wurden. Entsprechend negativ waren die Corps nach 1918 auch gegenüber der Weimarer Republik eingestellt und verkannten den Totalitätsanspruch des aufkommenden Nationalsozialismus. Letztere Entwicklung, die über die Thematik des Bandes hinausweist, wird von Lehmann vergleichsweise knapp angehandelt. Die Studie bringt zwar hinsichtlich der Bewertung der corpsstudentischen Erziehung nichts grundlegend Neues, leistet aber, auch wegen der fundierten Quellenarbeit, einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Studenten an der Universität Halle. Unbeantwortet bleibt die von Lehmann allerdings auch nicht gestellte Frage, ob die von ihm herausgearbeitete Geisteshaltung der I Iallenser Corpsstudenten in der Tat so einzigartig im europäischen Vergleich war, sprich, ob es sich beim deutschen Verbindungswesen tatsächlich um so etwas wie einen deutschen Sonderweg handelt. Hier hat kürzlich die gelungene Tübinger Dissertation von Sonja Levsen wichtige Ergebnisse erbracht, die durch Vergleich von Tübinger und britischen Studenten der Universität Cambridge für die Zeit vor 1911 herausarbeitete, dass es zwar in Form und Intensität spezifisch männlicher und militarisierter Verhaltensformen Unterschiede zwischen College- und Verbindungsstudenten gab, diesen jedoch das Selbstbild gemeinsam war, dass sie gerade als Studenten eine besondere patriotische Pflicht ihrem jeweiligen Vaterland gegenüber zu erfüllen hätten, die Maßnahmen zur Wehrertüchtigung und den Kriegseinsatz einschlössen. Diese Geisteshaltung korrespondierte mit dem Eliteverständnis sowohl der deutschen wie der englischen Studenten im Sinne eines Anspruchs der Begründung und Erhaltung eines gesellschaftlichen Führungsanspruchs in ihren Ländern. Dennoch handelt es sich bei der Dissertation Lehmanns um eine gelungene Studie, der weite Verbreitung, auch über I kille hinaus, zu wünschen ist. Würzburg
Matthias
Stickler
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SCIIMUIIL,
I Ians-Walter: Halle in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus
(Studien zur Landesgeschichte, Bd. 15). Halle: Mitteldeutscher Verlag 2007. ISBN 978-389812-443-0. - 240 S.; 20,- Euro. Der Geschichte der Stadt Halle an der Saale während der Weimarer Republik Lind der nationalsozialistischen Diktatur kommt ein herausgehobenes Interesse zu, weil sie charakteristische Besonderheiten aufweist, die ihr in der Reihe der deutschen Großstädte einen besonderen Platz zuweisen und sie vor allem zu einem der deutschen kommunalen Brennpunkte der politischen Extreme während der Zeit der Weimarer Republik werden ließen. Doch auch die Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Stadt und ihres Umlandes weisen für die Region und die deutsche Republik wesentliche Spezifika auf. Dem Autor ist auch zuzustimmen, wenn er schreibt, dass im Gegensatz zu ihrer Bedeutung und Brisanz „... die Zeit zwischen den Weltkriegen in der hallischen Stadtgeschichtsforschung noch weiter Terra incognita ist". Daher stellt der vorgelegte Bd. einen wichtigen und notwendigen Versuch dar, die Diskussion über diese Perioden der hallischen Stadtgeschichte in Gang zu bringen. Der Vf. knüpft dabei an seinen Beitrag an, den er in der zweibändigen „Geschichte der Stadt Halle" aus Anlass des 1200. Jahrestages der Ersterwähnung der Stadt Halle, herausgegeben von Werner Freitag und Katrin Minner, Halle/Saale 2006, publiziert hat. Das vorliegende Buch stellt eine ausführlichere Fassung des genannten Beitrages dar. Der vorgelegte Bd. breitet tatsächlich ein umfangreiches Material aus, welches in seiner Lulle und seinen Details wichtige und aufschlussreiche Informationen enthält und in die wissenschaftliche wie öffentliche Diskussion einführt. Hier aber zeigt sich bereits ein nicht zu übersehender Hang des Verfassers, eine Vielzahl von Fakten bzw. Informationen mitzuteilen, deren Strukturierung nur mühsam gelingt. Am besten ist dies noch im ersten Teil „Zwischen Revolution und Stabilisierung" (1918-1924) geschehen, indem die in Halle besonders heftigen politischen Kämpfe in fünf „Akte" eingeteilt werden. Ob das allerdings etwas mit dem Aufbau eines klassischen Dramas zu tun hatte, wie dem Leser mitgeteilt wird, muss bezweifelt werden. In diesem einleitenden Teil werden einige grundlegende Befunde zur geschichtlichen Situation der Stadt Halle, die sich vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkrieges herausgebildet hatte, angedeutet: Eine besondere Wirtschaftsstruktur, ein außerordentliches Bevölkerungswachstum durch die Sogwirkung einer Industrie, die dynamisch wachsend eine große Zahl von jungen und oft ungelernten Arbeitern aus allen Gegenden Deutschlands und auch aus dem Ausland anzog, ein besonderes politisches Spektrum sowohl auf der Seite der Arbeiterbewegung wie auch im bürgerlichen und konservativen Lager usw. In einem in gewisser Weise der Arbeit vorangestellten Resümee erfährt der Leser bereits auf der ersten Seite der Ausführungen, dass in Halle der „Bürgerkrieg" nach 1918 die demokratische Mitte zerstört habe. Es handelt sich dabei um ein zentrales Ergebnis der vorliegenden Schrift von grundlegender Bedeutung für die Geschichte der Stadt im ersten Drittel des 20. Jh. Sie wird zwar durch die folgenden 188 Textseiten vielfach bestätigt, hätte aber besser als eines der wichtigen Resultate der Arbeit systematisch entwickelt und argumentiert werden sollen. Der wirtschaftliche, soziale, kulturelle Lind politische Hintergrund der Stadtgescliiclitsentwicklung bleibt insgesamt nur unterschiedlich erkennbar und merkwürdig losgelöst von den faktenreichen Ausführungen in den einzelnen Teilen - ein wesentlicher Grund dafür, dass grundlegende Vorgänge wie eine besondere Wirtschaftsentwicklung, besondere Probleme der Urbanisierung, die Stellung der Stadt in ihrem regionalen und überregionalen Umfeld, charakteristische Entwicklungen auf geistig-kulturellem und wissenschaftlichen Gebiet und anderes mehr mitunter nur schemenhaft erkennbar sind oder auch gänzlich unerwähnt bleiben. Dies scheint vor allem an
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der Quellenbasis der vorgelegten Schrift zu liegen. Diese bestellt den Anmerkungen zufolge in erster Linie in der zeitgenössischen lokalen bzw. regionalen Presse. Die vorliegende Schrift folgt weitgehend den dort diskutierten Problembereichen und hätte daher exakter den Untertitel „im Spiegel der regionalen Presse" erhalten sollen. Auf einer solchen Quellengrundlage sind folgerichtig auch Vorgänge wie die Auseinandersetzung mit Magdeburg, Leipzig und anderen mitteldeutschen Städten in Wirtschafts- Lind Verkehrsfragen, „Hauptstadt-Fragen" usw. kaum zu erfassen. Line merkwürdig geringe Rolle spielen auch die Universität, die bedeutende Kunstschule Giebichenstein oder das Kunstmuseum Moritzburg. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den politischen Auseinandersetzungen innerhalb der verschiedenen Gruppierungen der Stadt und gelegentlich ihres Umlandes. Hier werden eine Fülle von Vorgängen und Details beschrieben, die ohne Zweifel einen Neuheitswert repräsentieren. A L I S der Fülle der Einzelheiten werden jedoch nicht immer überzeugende Schlussfolgerungen, Argumentationen oder Zusammenfassungen herausgearbeitet. I Iicr folgt Geschichtsschreibung weitgehend einem Konzept - frei nach Leopold von Ranke - so ..wie es war" und weniger „wie es eigentlich war". Zu den angesprochenen Defiziten gehört vor allem die Frage nach den spezifischen Gründen für die Radikalisierung der Arbeiterschaft in Halle und Umgebung. Die sind offenkundig nicht erst mit der Novemberrevolution und den nachfolgenden Kämpfen entstanden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass man kaum etwas über die Entwicklung zur modernen Großstadt, über die City-Bildung usw. sowie die damit verbundenen Probleme erfährt. Bemerkenswert gering fällt auch die Auseinandersetzung mit der herausragenden Persönlichkeit des Oberbürgermeisters Richard Robert Rive aus, dessen Leistung und BedeLitung für die Entwicklung der Stadt nur teilweise sichtbar wird. Eine andere kaum thematisierte Frage ist die nach der Stellung der Stadt Halle in der Debatte um das „Mitteldeutschlandproblem" und ihre Entwicklung hin zu einer regionalen Hauptstadtrolle. Die verdienstvolle I Iinwendung zur hallischen Stadtgeschichte der ersten I Iälfte des 20. Jahrhunderts durch I Ians-Walter Schmuhl weist das Problem auf, dass der Autor nicht alle Fragen der mitteldeutschen Geschichte gleich gut übersieht. Dazu gehört auch die Rezeptionsgeschichte bzw. gehören die in der Zeit der DDR entstandenen und verbreiteten Geschichtsbilder, eine Erinnerungskultur, die in einem erheblichen Teil zur Legendenbildung für das gesamte Geschichtsbild der DDR beigetragen haben. Solche Geschichtsbilder wirken jedoch bis zur Gegenwart deutlich nach. Dazu gehört zum Beispiel die Legende vom „kleinen roten Trompeter" Fritz Weineck. Der Aufstieg der Nationalsozialisten in I lalle ist „glatter" dargestellt worden, als er tatsächlich war. Hier folgt der Autor allzu sehr der Reichsgeschichte. Tatsächlich hatte es die NS-L?ewegung in Halle wegen der harten Konkurrenz des militanten Flügels des „Stahlhelms" bzw. der DNVP, des Landbundes usw. auf der rechten und der Kommunisten auf der linken Seite vor der Weltwirtschaftkrise eher schwer, größeren Einfluss zu gewinnen. Aus diesem Grunde hat Hitler Anfang 1931 mit dem Fuldaer Lehrer Rudolf jordan einen neuen Gauleiter in Halle eingesetzt. Insgesamt blass bleibt auch die Auseinandersetzung mit dem Reichszentrum des „Stahlhelm", welches Halle repräsentierte. Im Vergleich mit dem anderen Zentrum der Organisation in Magdeburg unter Franz Seldte war Halle unter Theodor Duesterberg das deutlich radikalere. Das betrifft auch den Anlass für den plötzlichen Niedergang des „Stahlhelms" und seines ..Zweiten Bundesführers" Duesterberg im Jahre 193-· Während Wahlkampf zur Wahl des Reichspräsidenten hatten die Nationalsozialisten dem wütenden Antisemiten Duesterberg jüdische Vorfahren nachgewiesen. Der damit politisch erledigte Stahlhelmführer hatte nach 1945 die Stirn, diese politische Demontage durch die Nazis einem Antrag zwecks Anerkennung als „Verfolgter des Naziregimes" zu eirunde zu legen.
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Einige andere Fragen, die sieh aus der Spezifik der Stadtgesehiehte von I lalle in der NS-Zeit ergeben, werden ebenfalls nieht aufgeworfen. Dazu gehören: Warum wurde das Reichszentrum der KPD nicht zu einem Reichszentrum des kommunistischen Widerstandes gegen die NS-Diktatur? "Welche Stellung kam Halle als Rüstungsbasis des NS-Staates zu? "Welche Rolle kam der Universität in der NS-Zeit zu? "Welchen Anteil hatten Gruppierungen aus Halle und Umgebung am "Widerstand gegen das NS-Regime über die Kommunisten hinaus (darunter: 20. Juli 1944 - Wentzel-Teutschenthal, Prof. Dr. I Iülse, I Ians I Iasso von Veltheim usw.)? Schließlieh sei angemerkt, wenn die thematische Breite der Arbeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gespannt werden soll, bleiben wichtige Vorgänge und Probleme der Zeit des Zweiten "Weltkrieges unerwähnt. Dazu gehören die Rolle Halles als Militärstadt, die Haltung bestimmter Bevölkerungsgruppen zum Krieg, das Zwangsarbeiterproblem und auch die Frage der Übergabe der Stadt an die amerikanischen Truppen und der damit verbundenen Bewahrung vor der Zerstörung in letzter Minute. Trotz aller Einwände liegt mit der vorliegenden Publikation eine verdienstvolle Arbeit vor, die einen wesentlichen Beitrag zur notwendigen Debatte über die Geschichte der Stadt I lalle, Sachsen-Anhalts und Mitteldeutschlands leistet. Allerdings ist die zusammenfassende Präsentation des Inhaltes des Buches auf der Rückseite des Schutzumschlages schlicht unzutreffend. Schließlich muss das Fehlen eines Quellen- und Literaturverzeichnisses bedauert werden. Magdeburg Mathias Tulhier 4. Pommern BÜTTNER, Bengt: Die Pfarreien der Insel Rügen. Von der Christianisierung bis zur Reformation (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe V: Forschungen zur pommersclien Geschichte, L?d. 12). Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2007. ISL5N 978-3-112-00706-5. -VIII, 591 S., f Kte. auf Vorsatz; 51,90 Euro. Der Titel des hier zu besprechenden Buches ist insofern ein wenig irreführend, als dass er dessen Inhalt zwar schwerpunktmäßig, aber keinesfalls vollständig umschreibt. Denn es ist nichts weniger als eine Kirchengeschichte der Insel Rügen von der Christianisierung ab 1168/69 bis zur Reformation 1534/36, an die sieh noch ein kurzer Ausblick auf die nachreformatorische Zeit bis 1660 ansehließt. Obwohl, wie in der Einleitung angeführt, bereits zahlreiche Veröffentlichungen zu einzelnen Problemen der mittelalterlichen Kirchengeschichte Rügens und auch Gesamtdarstellungen, entweder im Rahmen allgemeiner kirchengeschichtlicher Abhandlungen zu Pommern oder im Zusammenhang mit Gesamtdarstellungen der rügischen Geschichte, vorliegen, stellt die vorliegende Arbeit in Umfang und Intensität der Bearbeitung des Themas ein Standardwerk dar, das für die künftige Beschäftigung mit Fragestellungen zur mittelalterlichen Geschichte Rügens und Pommerns sowie zur mittelalterlichen Kirchengeschichte des .südliehen Ostseeraumes unverzichtbar sein wird. Dass der Autor bei der Bearbeitung des Themas offensichtlich ganz bewusst auf" irgendein wie auch immer geartetes und gerade „modisches" Forschungsparadigma verzichtet und stattdessen eine grundsolide, quellengesättigte und in bester Weise an der historisch-kritischen Methode der Geschichtswissenschaft orientierte Studie vorgelegt hat, kommt ihr nur zugute und dürfte ihre wissenschaftliche „I Ialbwertzeit" nieht unbeträchtlich erhöhen. Die Arbeit ist neben Vorwort, Einleitung, in der der Forschungsstand, Quellen und Aufbau der Arbeit behandelt werden, sowie Zusammenfassung, Anhang, Literatur- und Quellenverzeichnis in fünf Abschnitte eingeteilt. Der erste und mit knapp 20 Seiten kürzeste behandelt die
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..Ansätze zur Rügenmission (bis 1168)". Die folgenden drei Abschnitte bilden den Ilauptteil der Untersuchung und stellen die kirchliche Organisation auf der Insel Rügen in zwei 'feilen dar. Das Grenz- oder Scheidejahr liegt bei ca. 1380 und ist durch eine erstmals von Büttner umfassend ausgewertete Quelle, das Benefizienverzeichnis im Roskilder Urbar, vorgegeben. Dieser Quelle widmet sich daher auch der gesamte dritte Abschnitt. Bekanntlich war die Insel Rügen nach dem Feldzug 1168/69 und der nachfolgenden Einigung zwischen König Waldemar I. von Dänemark und I Ierzog I Ieinrich dem Löwen dem dänischen Bistum Roskilcle zugeordnet worAbschnitt II behandelt demnach die kirchliche Organisation von der dänischen Eroberung bis um 1380 und Abschnitt IV die Zeit von da ab bis zur Reformation 1531/36. Beide Abschnitte sind strukturell fast identisch aufgebaut. Einer Darstellung der allgemeinen Rahmenbedingungen folgt eine Untersuchung der Pfarrkirchen, dann eine ebensolche des Pfarrklerus, der sich Analysen der bischöflichen Verwaltung und der des Landpropstes anschließen. Den jeweiligen Abschluss bilden die Pfründen ohne Pfarrechte. Da in beiden Abschnitten die urkundliche und sonstige Uberlieferung an Originalquellen die Basis der Untersuchungen darstellt, liegt es auf der Hand, dass der Abschnitt über die Verhältnisse vom späten 1 1 bis zum frühen 16. Jahrhundert natürlich wesentlich dichter und quellengesättigter ausfällt. Hervorzuheben ist bei Büttners Arbeit mit den Quellen, dass er außer den gedruckten, v.a. - bis 1345 - im Pommerschen Urkundenbuch, und den in den deutschen und polnischen Archiven (Greifswald, Stettin, Stralsund) lagernden Quellen auch diejenigen aus den dänischen und schwedischen Reichsarchiven in Kopenhagen und Stockholm heranzieht, die bisher nicht oder nur unzureichend beachtet wurden. So wie der Abschnitt I die Vorgeschichte der mittelalterlichen Kirchengeschichte Rügens behandelt, so betrachtet Büttner in Abschnitt V die Entwicklung seit der Reformation bis 166(1, als der frieden von Roskilde zwischen Schweden, welches inzwischen in die I Ierrschaftsrechte der 11erzöge von Pommern eingetreten war, und Dänemark die letzten verbliebenen Rechte und Ansprüche Roskildes bzw. Dänemarks an Rügen und seine Kirchen und Pfarreien beseitigte. Ein wesentliches Moment der pommersch-dänischen Beziehungen in dieser Zeit waren in Bezug auf die kirchlichen Verhältnisse Rügens gerade die im Zuge der Reformation strittig gewordenen Rechte und Einkünfte des Bistums Roskilde. Unter dem Titel ..secundum mocium ecclesie Roskilciensis - eine Bewertung" fasst Büttner die Ergebnisse seiner Untersuchungen noch einmal kurz zusammen. Bereits bis 1182 wurden die elf bzw. zwölf Pfarrkirchen Rügens, die das kirchenorganisatorische Grundgerüst der Insel im Mittelalter bildeten, errichtet. Das auf ihrer Grundlage eingefühlte Abgabensystem orientierte sich, anders als in Pommern, an dänischen Vorbildern. Die Pfarrstellenbesetzungen nahmen dagegen in der Mehrzahl die Landesherren - bis 1325 die Fürsten von Rügen, dann die Herzöge von Pommern - vor, wodurch sich eine Dominanz des einheimischen Adels und des Stralsunder Bürgertums beim rügischen Pfarrklerus ergab. Das Interesse der Roskilder Bischöfe an ihrer rügischen Exklave war unterschiedlich ausgeprägt. I läufigen persönlichen Aufenthalten auf der Insel und/oder in Stralsund bis um 1380 steht ein völliges Fehlen von Nachweisen solcher Aufenthalte ab da bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts gegenüber. Am Vorabend der Reformation war der Bischof faktisch zum bloßen Empfänger verschiedener Einkünfte geworden. Dagegen nahm der Einfluss des Landesherrn, speziell unter Herzog Bogislaw X., analog zu ähnlichen Entwicklungen im pommerschen Bistum Cammin, zu. Vertreter des Bischofs und Inhaber der geistlichen Gerichtsbarkeit war der Inselpropst, der sich in Bezeichnung und Amtsführung ebenfalls an dänischen Vorbildern orientierte. Außerdem verwaltete er die bischöflichen Güter auf Rügen.
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Einerseits bewirkten die dänischen Einflüsse auf die kirchlichen Verhältnisse Rügens die Sonderstellung der Insel innerhalb des I Ierzogtums Pommern, andererseits reichten sie angesichts der konkurrierenden Einflüsse, insbesondere der sich an deutschen Vorbildern orientierenden Landnahme und Besiedlung, nicht aus, Rügen eine wirklich dänische Prägung zu verleihen. Äußerst wertvoll, gerade im Hinblick auf die eingangs behauptete wissenschaftliche „Langlebigkeit" der Arbeit, ist auch der Anhang mit seinen Verzeichnissen und Biogrammen des rügischen Pfarrklerus im Mittelalter und weiteren tabellarischen Zusammenstellungen. Die Entscheidung, diese sicher in mühsamer Kleinarbeit aus unzähligen Einzelbelegen zusammen getragenen Daten in einen Anhang zu platzieren, ist nur zu begrüßen, denn sie trägt wesentlich zur Entlastung des Haupttextes und zur IJbersiclitliclikeit des Gesamtwerkes bei. Abschließend sei noch bemerkt, dass sich Büttner bei aller kritischen Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur eines sehr zurückhaltenden, sachlich-nüchternen Stiles bedient, der die Lektüre zusätzlich zu einem Vergnügen macht. Künftige, thematisch ähnlich gelagerte Studien, insbesondere für die benachbarten Bistümer, werden an dieser Studie nicht vorbeikommen und die pommersclie Kirchen- und Landesgeschichte wird sie dankbar entgegen nehmen. Magdeburg
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Schleinert
Wolgast in der Asche. Ausgewählte Quellen zur Lustration der Stadt in der Dänenzeit (1715-1721). I Ig. mit einer Einl. v. Joachim KRÜGER (Publikationen des Lehrstuhls für Nordische Geschichte, Bd. 8). Greifswald: Panzig 2007. ISBN 978-3-86006-295-6. - 159 S. Stadtjubiläen sind gern genutzte Anlässe für historisch ausgerichtete Publikationen. So verhält es sich auch mit der vorliegenden Quellenedition, die aus Anlass der urkundlich zwar nicht eindeutig auf das Jahr 1257 bestimmbaren, aber durch weitestgehenden Konsens der Forschung für dieses Jahr angenommenen Verleihung des lübischen Stadtrechts an die ehemalige Residenzstadt Wolgast am Peenestrom, einem der beiden „Einfallstore" zur Insel Usedom, deren Wiederkehr sich demnach 2007 zum 750. Mal jährte, erschien. Der Autor und Herausgeber, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Nordische Geschichte der Greifswalder Universität, hat sie sozusagen als Nebenprodukt seiner Arbeiten an einer größeren Studie zu den pommersch-dänischen Beziehungen in der frühen Neuzeit veröffentlicht. Autor deshalb, weil Krüger den von ihm edierten Quellen neben einer Einleitung auch noch drei das historische Umfeld erläuternde Kapitel beifügt. Die Einleitung weist kurz auf die Problemlage mit dem Jahr der Stadtrechtsverleihung hin und gibt eine ebenfalls nur kurz gefasste Begründung der vorgenommenen Edition. Im Verlauf des Großen Nordischen Krieges (17001721) wurde "Wolgast als Vergeltung für die zuvor schwedischerseits erfolgte Einäscherung Altonas von den Dänen ebenfalls dem Feuer preisgegeben und nahezu komplett zerstört. Den Verlauf des Krieges bis 1713, die nachfolgende dänische Besetzung des nördlichen Vorpommern und dessen Verwaltung bis 1721 unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Wolgast sind Themen des zweiten und dritten Kapitels. Das die Gesamteinleitung abschließende vierte Kapitel stellt die Stadt Wolgast im Spiegel der edierten Quellen näher vor und beleuchtet zudem die dänische Steuerpraxis in Vorpommern während des Nordischen Krieges, vor deren I Iintergrund man die Entstehung der edierten Quellen sehen muss. Dann folgen die edierten Quellen selbst. Ihnen vorangestellt ist eine kurze Erläuterung zu den Editionsgrundsätzen und zum Charakter der Quellen selbst, insbesondere den so genannten Lustrationsregistern. Erste Quelle ist ein Brief des "Wolgaster Magistrats an die dänische
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Provinzialregierung zu Stralsund vom 16. Januar 1717, mit dem ein als Quelle 2 edierter Extrakt aus der Beschreibung der Stadt Wolgast von linde 1716, enthaltend Kurzbeschreibungen der innerhalb der Stadtmauern liegenden Grundstücke, übersandt wird. Der Brief selbst enthält noch weitere, von der Regierung angeforderte Angaben, so z.B. zu Aussaat und Ernte auf den Stadtfeldern in den Jahren 1715 und 1716 und zu den 1716 gezahlten Steuern. Quelle 3, geteilt in zwei Teilquellen, gibt die Daten der städtischen und der landesherrlichen, sprich dänischen Lustration der Wolgaster Grundstücke aus den Jahren 1716 und 1717 wieder. Diese basieren wie bei den Lustrationen in den vorpommerschen Städten jener Zeit üblich auf den Angaben älterer Grundstückskataster des 17. Jahrhundert, hier solcher von 1623 und 1664, die mit den Ergebnissen der aktuellen Aufnahme ergänzt wurden. Anschließend wurde dann anhand der Neuaufnahme eine steuerliche Neueinschätzung nach dem üblichen Muster Keller, Bude, Haus bzw. viertel, halbem und ganzen Haus vorgenommen. Als Quelle 1 sind zwei Patente der vorherigen schwedischen Provinzialregierung zu Stettin aus den Jahren 1713 und 1714 wiedergegeben, in denen freies Bauholz und Steuerbefreiung für die Wiederanbauenden nach dem großen Stadtbrand von 1713 gewährt werden. In Quelle 5 schließlich benennt der Wolgaster Magistrat in Form einer Denkschrift konkrete Maßnahmen zum weiteren wirtschaftlichen und allgemeinen Aufschwung der Stadt. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein nützliches Personenregister runden den Band ab. Einmal mehr zeigt sich, wie sträflich bisher die pommersche Landesgeschichtsforschung nicht nur die pommersch-dänischen Beziehungen als Thema vernachlässigt hat (siehe auch die Rezension zur Studie von Martin Meier in diesem Band), sondern wie viele verborgene Schätze noch in den dänischen Archiven lagern. Denn alle edierten Quellen stammen ausnahmslos aus dem Reichsarchiv Kopenhagen. Dass dort noch wesentlich mehr zu finden ist, deutet Krüger im vierten Abschnitt in seinen Ausführungen zur dänischen Steuerpraxis in Vorpommern während des Nordischen Krieges an. U.a. befindet sich in Kopenhagen eine, wenn auch im Detail wesentlich knappere Aufnahme des gesamten platten Landes aus den Jahren 1716/17, die eine hervorragende Ergänzung zu den Angaben der allseits bekannten schwedischen Landesaufnahme aus den 1690er Jahren darstellt und insbesondere die Folgen des Nordischen Krieges im Detail deutlich werden lässt. Als Archivar, aber auch als quellenorientiert arbeitender Historiker kann der Rezensent Publikationen wie die vorliegende nur begrüßen und hofft natürlich, dass dies nur ein Anfang sein wird, was die noch ungehobenen archivalischen Schätze im Reichsarchiv Kopenhagen in Bezug auf Pommern angeht. Magdeburg
Dirk
Schleinert
MEIER, Martin: Vorpommern nördlich der Peene unter dänischer Verwaltung 1715 bis 1721 (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 65). München: Oldenbourg 2008. ISBN 9783-486-58285-7. - 363 S.; 49,80 Euro. Mit der vorliegenden Studie wird ein von der bisherigen landegeschichtlichen Forschung zu Pommern völlig vernachlässigtes Thema aufgegriffen. Der Autor macht dies in seiner Einleitung deutlich und begründet es v.a. mit dem nur sehr kurzen Zeitraum, in dem Dänemark in einem Teil Vorpommerns herrschte. Da dies zudem komplett während des noch nicht beendeten Nordischen Krieges stattfand und nach dem Friedensschluss von 1720 nicht nur die schwedische Herrschaft restituiert, sondern auch die verfassungsrechtlichen Verhältnisse der Vorkriegs-
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zeit wiederhergestellt wurden, betrachtete man diese Episode nur als Intermezzo. Dass es sich aber durchaus lohnt, die rund fünfjährige I Ierrschaft der dänischen Krone einmal näher zu untersuchen, demonstriert Meier sehr deutlich und überzeugend. Als Militärhistoriker nähert er sich dem Thema natürlich aus einer zunächst militärischen Perspektive und wählt sich das von Helmut Stubbe-da Luz entwickelt „sozialhistorische Okkupationsmodell" (S. 8) als Ausgangspunkt. In der Auseinandersetzung damit weist Meier aber sofort darauf hin, dass dieses Modell auf den von ihm untersuchten fall nur bedingt anwendbar sei, da Vorpommern nur ein, verfassungsrechtlich sogar noch weitgehend autonomer, Bestandteil eines größeren Staatsgebildes, nämlich des schwedischen Gesamtstaates, gewesen sei. Deshalb könne man nicht von der Besetzung eines Staates durch einen anderen Staat sprechen. Des "Weiteren fragt er kritisch, ob man überhaupt von einer Okkupation oder Besatzung sprechen könne. "Wenn, dann entspräche von den von Stubbe-da Luz entwickelten Modellen am ehesten das der „expansionistischen Okkupation" (S. 9) den Verhältnissen im nördlichen Vorpommern zwischen 1715 und 1721. Meier stellt auch die zweifellos berechtigte Frage, ab wann ein Territorium nicht mehr besetzt sei, sondern legitim zum I Ierrschaftsbereich eines Staates gehöre. Aus Sicht Schwedens war die dänische Herrschaft zweifellos eine Besetzung bzw. Okkupation, aus der Sicht Dänemarks jedoch eine rechtmäßige territoriale Erwerbung. Ausgehend von solchen Überlegungen baut Meier seine Arbeit auf und teilt sie einschließlich Einleitung und abschließendem Resümee in sieben unterschiedlich umfangreiche und untergliederte Abschnitte ein. Nach der bereits skizzierten Einleitung folgen in Teil II eine kurze Darstellung der bis ins Mittelalter zurückreichenden Beziehungen zwischen Dänemark und Vorpommern und der militärischen und politischen Situation während des Nordischen Krieges. In Teil III werden die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen der dänischen Herrschaft in Vorpommern, sprich die schwedische Herrschaft seit dem Dreißigjährigen Krieg, vorgestellt. Diese beiden Abschnitte sind vorwiegend aus der Forschungsliteratur erarbeitet. Den umfangreichsten Abschnitt und zugleich auch die eigentliche, aus den archivalischen Quellen gearbeitete Untersuchung macht dann Teil IV „Die Verwaltung Vorpommerns nördlich der Peene 1715 bis 1721" aus. Nacheinander analysiert Meier hier zunächst den Aufbau der verschiedenen landesherrlichen Institutionen, wie sie bereits in der Schwedenzeit bestanden, Regierung, Hofgericht und Konsistorium als oberste Landesbehörden und die nachgeordneten Behörden wie Amtshauptmannschaften usw. Der nächste Abschnitt dieses Teils widmet sich den landesherrlichen Beamten und ein weiterer Abschnitt Militär und Landeskirche als Instrumenten der I Ierrschaftsausübung bzw. -legitimierung. Beschlossen wird Teil IV von einer Untersuchung der Arbeit der dänischen Verwaltung, insbesondere in den Bereichen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Im anschließenden Teil V geht es um Konfliktfelder. Diese macht der Autor wiederum in fünf Bereichen fest: zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten und der Regierung, zwischen Minderheiten, z.B. Zigeunern und Juden, und der Regierung, zwischen der Verwaltung auf zentraler und regionaler Ebene, schließlich auch — klassisch für die frühe Neuzeit - zwischen Landständen und Landesherr und nicht zuletzt auch zwischen Dänemark und Preußen, die das bisherige Schwedisch-Pommern während des Nordischen Krieges unter sich aufgeteilt hatten. Teil VI skizziert kurz das Ende der dänischen I Ierrschaft in Pommern mit einer ausführlichen Schilderung der feierlichen .Tradition" an Schweden 1721 und einigen Beispielen für die Nachwirkungen, insbesondere für die beteiligten Personen. Teil VII bietet schließlich eine Zusammenfassung der Untersuchung. "Wesentlich ist, dass es hinsichtlich der landesherrlichen Verwaltung keinen wirklichen Bruch gab, sondern die däni-
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sehe Herrschaft sich weitestgehend der vorgefundenen Strukturen bediente. Bis 1719 schien Dänemark auf eine dauerhafte Inbesitznahme gehofft zu haben. Schwierig, weil in den Quellen kaum fassbar, ist die Einstellung der Bevölkerung zum neuen Landesherrn. An dieser Stelle sei dem Rezensenten übrigens eine Ergänzung gestattet. Mehrfach beklagt der Verfasser das Fehlen der Huldigungsakten von 1716, aus denen man sicher weitere Erkenntnisse gerade in diesem Punkt gewonnen hätte. Diese sind aber durchaus noch vorhanden und bilden heute sozusagen die „Vorakten" des zweiten Teils des Schwedischen Lehnsarchivs zu Stralsund, das unter der Bestandssignatur Rep. 32b im Landesarchiv Greifswald aufbewahrt wird. Lind tatsächlich sind insbesondere die im Vorfeld der I Iuldigung von 1716 an die Regierung gesandten Schreiben der Vasallen zum Teil sehr aufschlussreich. Die eingangs bereits angefühlten LJberlegungen von Stubbe-da Luz musste Meier jedoch für die Verhältnisse in Vorpommern unter dänischer Besatzung als so gut wie nicht anwendbar erklären. I Iier wäre eine Erweiterung und Verfeinerung der Ansätze hinsichtlich der relativen Autonomie der frühneuzeitlichen Reichsterritorien notwendig. Mit der Arbeit von Martin Meier ist eine Eorschungslücke geschlossen und ein wichtiger Beitrag sowohl zur pommerschen Landesgeschichte als auch zur frühneuzeitlichen Militärgeschichte geleistet worden. Des überwiegenden Pioniercharakters seiner Studie ist sich der Autor dann auch bewusst und streicht dies, in nicht immer - in den Augen des Rezensenten - geglückter Wortwahl, mehrfach heraus. Das soll den Verdienst und Wert der Untersuchung jedoch keinesfalls schmälern. Magdeburg Dirk Schleinert
5. West- und Ostpreußen Die Ostpreußenhilfe im Ersten Weltkrieg. I Ig. vom Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg zur Ausstellung „Zum Besten der Ostpreußenhilfe" (23.9.2006-28.1.2007). Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft mbH 2006. ISBN 978-3-89876-307-3. - 72 S„ zalilr., teils färb. Abb.; 7,95 Euro. Im August 1914 und noch einmal im Februar 1915 wurden Teile Ostpreußens durch russische Truppen besetzt. Neben staatlichen Anstrengungen zur Beseitigung der Kriegsschäden - etwa durch die unter der Leitung von Oberpräsident Adolf von Batocki agierende Kriegshilfekommission - gab es auch private Unterstützung für die ohnehin strukturschwache sowie durch Zerstörungen und Plünderungen zusätzlich geplagte Provinz. E>ie ursprüngliche Initiative ging vom Schöneberger Kriegshilfsverein unter der Leitung von Bernd Freiherr von Lüdinghausen aus, der nach seiner Landratstätigkeit in Gumbinnen von 1908 bis 1919 Polizeipräsident von Schöneberg und Wilmersdorf war. Neben dem Sammeln von Spenden ging es ihm darum, die Kriegshilfsvereine der Regierungsbezirke und Großstädte des Reiches zur Übernahme von Patenschaften gegenüber ostpreußischen Landkreisen Lind Kommunen zu bewegen. Die Ostpreußenhilfe finanzierte sich durch Stiftungen, unmittelbare Geld- und Sachspenden sowie den Verkauf von Wohlfahrts-Postkarten und Gedächtnistellern. Die so eingenommen Mittel wurden vor allem für die Gründung von Siedlungsgenossenschaften und zur Verbesserung der Infrastruktur verwendet. Sie sollten also nicht nur die akuten Kriegsschäden beseitigen, sondern auch die bereits in Friedenszeiten zu massiver Abwanderung führende Strukturschwäche der Region mildern.
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Der Katalog enthält in seinem Bildteil neben zeitgenössischen Postkarten und Gemälden vor allem verschiedene Ausgaben der „Ostprcußen-Gedäclitnisteller". Sie trugen alle den aus einem kaiserlichen Telegramm entnommenen Satz: „Ich weiss mich mit jedem Deutschen eins, wenn ich gelobe, dass das, was Menschenkraft vermag, geschehen wird, um in Ostpreussen neues frisches Leben aus den Ruinen entstehen zu lassen. Wilhelm II. LR. Lotzen 16. Febr. 1915." Die Autoren betonen denn auch den „Erfolg" der Maßnahme, indem sie auf die große Zahl der im Reichsverband Ostpreußenhilfe vereinigten Kriegshilfsvereine verweisen, die schon bis zum Mai 1916 12 Millionen Reichsmark für Ostpreußen aufgebracht hatten. Trotz der schwierigen Nachkriegsverhältnisse waren die Kriegsschäden in der Mitte der zwanziger Jahre beseitigt. Eher implizit verweist der Text auf die enge personelle, finanzielle, propagandistische und inhaltliche Verquickung zwischen staatlichen und „privaten" Maßnahmen. Daher hätte man die Ostpreußenhilfe noch stärker in ihrer exemplarischen Rolle für die Verteilung der Kriegslasten zwischen Staat und Bevölkerung, in ihrer Scharnierfunktion zwischen der Ostmarkenpolitik des Kaiserreichs sowie der Ostpreußen- und Osthilfe der Weimarer Republik, in ihren Verbindungen zur Mythologisierung des deutschen Ostens sowie speziell der Schlacht bei Tannenberg und der Person Hindenburgs darstellen können. Eine derartig breite Kontextualisierung war aber wohl weder in der Ausstellung noch im Ausstellungskatalog zu leisten, zumal sie teilweise weitere Forschungen erfordert hätte. Saarbrücken
Uwe Müller
MEINDL, Ralf: Ostpreußens Gauleiter. Erich Koch - eine politische Biographie (Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau, Bd. 18). Osnabrück: fibre 2007. ISBN 978-3-938100-19-7. - 575 S.; 35,- Euro. Nach der umfangreichen Monographie Christian Rohrers zur Geschichte der ostpreußischen NSDAP (dazu die Rezension in JGMOD 53, 2007) liegt binnen kurzem mit Ralf Meindls „politischer Biographie" ihres Gauleiters Erich Koch ein zweites Werk vor, das fast vergessen lässt, wie stiefmütterlich die Zeitgeschichte im Rahmen der Landeshistoriographie dieser östlichsten deutschen Provinz sehr lange behandelt worden ist. Wie bei Rolirers Arbeit, handelt es sich bei Meindls Opus um eine von Bernd Martin am Ereiburger I Iistorischen Institut betreute Dissertation, und beide Doktoranden, die jeweils mehr als fünf Jahre Lebenszeit in ihre Projekte investierten, haben sich offenbar ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den früheren Publikationstermin geliefert. Dass Rohrer dabei am Ende vorne lag, weil er im Sommersemester 2005, Meindl erst 2006 abschloss, führte dazu, dass der Leser jetzt erhebliche Überschneidungen in Kauf zu nehmen hat. Die Autbaupha.se der NS-Parteiorganisation in Ostpreußen, die internen Rivalitäten während der ..Kampfzeit", die Machtkämpfe Kochs mit Bauernschaft, SA-Eührung und SS zwischen 1933 und 1935, bis zur „Oberpräsidentenkrise", die anschließende Konsolidierung seiner Stellung als, trotz einiger Kompetenzverluste in der „Volkstumsarbeit" (Memelgebiet), unumschränkt herrschender „Provinzfürst": was hierüber von Meindl zu erfahren ist, schildert Rolirer ausführlicher und nicht so stark begrenzt auf die Person Kochs. Konkurrenzlos sind hingegen die Kapitel über Kochs politische Sozialisation im Milieu des ..Ruhrkampfes" und seinen Aufstieg zum stellvertretenden Gauleiter im „Gau Ruhr", der ihm als Gefolgsmann der Brüder Strasser und Exponent des „linken Hügels" der NSDAP in so erstaunlich kurzer Zeit gelang, wie es bei einer kaum mittelmäßig begabten Subalternfigur nicht zu erwarten war. Über Rohrer weit hinaus, dessen Darstellung 1939 endet, führen auch die fast ein Drittel seiner Biographie umfassenden
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Kapitel zu Kochs Anteil an der Besatzungspolitik in Polen und in der Sowjetunion. Der Zweite Weltkrieg katapultierte den ostpreußischen Oberpräsidenten und Gauleiter, der seinen Machtbcreich im Herbst 1939 zunächst auf das „eingegliederte Ostgebiet" Zichenau, den nördlichen Teil des bis dahin polnischen Masowien, ausdehnte, 1911 dann auf den Bezirk Bialystok und das ihm übertragene „Reichskommissariat Ukraine", nach Auffassung Meindls an die Spitze der NS-Hierarcliie, nur Himmler, Göring, Goebbels, Bormann und Speer hätten dem Führer und Reichskanzler Adolf I Iitler nähergestanden. Da das „Imperium" des einstigen Elberfelder Fahrkartenverkäufers sich kurzzeitig von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer erstreckte, war Koch der mächtigste Gauleiter und der „größte Territorialherr I Iitlers" — eine Position, die ihn zum Mit-Vollstrecker der „beiden zentralen Anliegen" des NS-Regimes gemacht habe, der Eroberung von „Lebensraum" im Osten und der „Vernichtung der Juden". Beide Ziele, so weist Meindl nach, seien für den Strasser-Mann Koch bis 1939 kaum von Bedeutung gewesen. Das änderte sich, als er erkannte, wie förderlich der persönlichen Machtsteigerung die Antizipation des „Führerwillens" und die skrupellose Bereitschaft sein konnten, stets für die radikalste Lösung im Zuge der „völkisch-rassischen Neuordnung" und der rücksichtlosen Ausbeutung des „Ostraumes" einzutreten, um so dem Führer „entgegenzuarbeiten". Meindl hat zwar Mühe, für Zichenau und Bialystok Kochs Verantwortung für die Judenpolitik zu belegen, glaubt sie jedoch als sicher annehmen zu dürfen, da der Nachweis einer aktiven Beteiligung von Kochs Zivilverwaltung an der Judenvernichtung in der Ukraine mindestens indirekt zu führen und es kaum wahrscheinlich sei, dass er sich andernorts zurückgehalten habe, natürlich auch nicht im „Altgau", wo allein die Quellenlage ebenfalls nicht ausreiche, um die zu vermutende aktive Rolle des Gauleiters bei der Deportation der ostpreußischen Juden zu belegen. Gestützt auf jüngere Forschungen und eigene Archivstudien meint Meindl indes, dass kein Zweifel daran bestehe, dass Koch in der Ukraine verantwortlich gewesen sei für die „generelle Beschleunigung der .Endlösung'" und deren Unterstützung durch organisatorische und administrative Maßnahmen, wenn auch die Ausführung bei SS und Polizei gelegen habe. Darüber hinaus habe seine besatzungspolitische Katastrophenstrategie des „rücksichtslosen Raubbaus", der Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften wie der Vereinnahmung der landwirtschaftlichen Produktion, seine erklärte Absicht, die Ukrainer auf den Sklavenstatus eines „Negervolkes" herabzudrücken, das Reichskommissariat im Chaos versinken lassen, was die ideale Voraussetzung für den bewaffneten Widerstand gegen die Besatzungsmacht bildete. Bedauerlich nur, dass Meindl in seiner akribisclien Rekonstruktion dieser Verantwortlichkeit sich ausschließlich auf Koch konzentriert, während, wie immerhin öfter hervorgehoben, die Durchsetzung seiner Zivilverwaltungen mit ostpreußischen Beamten und Parteifunktionären kaum Beachtung findet. Dieser spezifisch ostpreußische Beitrag zur NS-Besatzungspolitik bleibt mithin noch ein lohnender Gegenstand landeshistorischer Forschung. Da sich Koch, der 1943 zur Offensive übergehenden Roten Armee das Feld überlassend, vom Frühjahr 1944 an nicht länger seiner „.weltpolitisch bedeutenden Aufgabe'" außerhalb Ostpreußens widmen konnte, führt Meindls vorletztes Kapitel wieder zurück ins „Land der dunklen Wälder". Skizziert werden der Alltag der vom Kriegsgeschehen bis Mitte 1911 weitgehend verschonten Provinz, vor allem Kochs sozial- und gesundheitspolitische Initiativen, bevor dann der „Reichsverteidigungskommissar" Koch in den Mittelpunkt von fast apologetisch anmutenden Erörterungen gerät. Dabei geht es Meindl natürlich nicht um Apologie, sondern um ..Fntclämonisierung". Denn nicht wegen seiner Beteiligung an Massenverbrechen in Polen und in der Ukraine hat Koch wenigstens in einer Ecke des kollektiven Gedächtnisses Platz gefunden. Vielmehr als „Verderber Ostpreußens", dem allein Flucht, Vertreibung, Heimatverl List, dem der Untergang von 700-jähriger Geschichte und Kultur des Landes anzulasten war, der mit un-
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sinnigen Befestigungsmaßnahmen (.Ostwall"), mit cler Aushebung des kaum kampftüchtigen ..Volkssturms" die Bevölkerung in falsche Sicherheit wog, der ihre rechtzeitige Evakuierung verbot, der Durchhaltebefehle erließ und sich selber nach Dänemark in Sicherheit brachte. Dagegen stellt Meindl richtig: 1. Der frühzeitigen Evakuierung standen übergeordnete politische wie militärische Erwägungen entgegen, Kocli trage am späten, oft zu späten Aufbrach zur Flucht jedenfalls nicht die Hauptschuld. 2. Das Wohl der Zivilbevölkerung bildete weder für I Iitler noch für die Wehrmacht oberste Richtschnur ihres I Iandelns, auch nicht für den gern als „Retter" der Ostpreußen glorifizierten Großadmiral Dönitz, für den der Abtransport von Flüchtlingen über See nicht oben auf seiner Prioritätenliste gestanden habe. Koch sei es gewesen, der gegen Dönitz' Widerstand Ende März 1915 die Evakuierung von 50.000 Zivilisten aus Pillau durchsetzte. 3. Unbestreitbar hätten die von Koch gegen die militärischen Befehlshaber angezettelten Kompetenzkämpfe die Verteidigung Ostpreußens nicht erleichtert. Ebenso unbestreitbar ist aber auch, dass Koch nicht wenigen Militärs nach 1945 als „Sündenbock" für eigenes Versagen diente. 4. Zwar ließ sich der Gauleiter nicht, wie mit heroischer Phraseologie beschworen, „unter den Trümmern von Königsberg" begraben, aber in seinem Pillauer I Iauptquartier koordinierte er in exponierter, zuletzt frontnaher Stelking den Abtransport über Ostsee und Frische Nehrung. Es müsse ihm also zugute gehalten werden, sich um die Rettung seiner „Volksgenossen" bemüht zu haben, die er, entgegen der Nachkriegslegende, nicht so überstürzt im Stich ließ wie die Gauleiter Greiser in Posen und I Ianke in Breslau. Koch zog sich erst mit den letzten Wehrmachtseinheiten zurück. Seine Stilisierung zum „gewissenlosen Parteibonzen" enthalte gewiss einen „wahren Kern", dürfe aber w e g e n vieler „dämonisierender" Elemente nicht zum Nennwert g e n o m m e n werden. Beim Untergang Ostpreußens stehe Koch somit als Haupt-, aber nicht als Alleinschuldiger da. Einige Bewertungen der politisch-militärischen Abläufe in den letzten Kriegsmonaten fordern zum Widerspruch heraus. So wählt Meindl für das von der Roten Armee an deutschen Zivilisten in Nemmersclorf begangene Massaker die fragwürdige Formulierung, das Ereignis sei von der deutschen Propaganda „ausgeschlachtet" worden. I Iätte man diese Barbarei verschweigen sollen? Es mag sein, dass diese in Presse und Wochenschau publik gewordene Greueltat dazu beitrug, ein „Klima der Angst" zu erzeugen. Aber was will der Verfasser uns damit sagen, w e n n er vorwurfsvoll konstatiert, dieses „Klima" habe die Ostpreußen im Januar 1915 bewogen, sich „trotz der extremen Witterungsverhältnisse auf die Flucht zu begeben"? Was die Zivilbevölkerung von der Sowjetarmee zu erwarten hatte: diese schlimmsten Befürchtungen hätten einer Bestätigung durch die Nemmersdorfer Untat wahrlich nicht bedurft. Die Entscheidung zur Flucht wäre also in jedem Fall getroffen worden. In der Verknüpfung Meindls liest es sich hingegen, als habe die deutsche „Propaganda" den eigentlich unnötigen winterlichen Aufbruch verursacht, so dass dessen Opfer auch nicht Stalins Soldateska aufs Konto zu buchen wären. Erfreulich ist, dass in einem Text, in den ausweislich der achtunggebietenden Bibliographie die Informationen aus etwa 1.500 Büchern und Aufsätzen eingeflossen sind, kaum Fehler zu finden sind u n d wenig übersehen wurde. Dazu zählen Falschschreibungen des österreichischen Dichters Hugo von Hofmannsthal („Hoffmannsthal") wie des Königsberger Generalstaatsanwalts, der korrekt Szelinski hieß. Der Mitverfasser des Buches über „Der Kampf um Ostpreußen" heißt Horst und nicht Norbert Großmann. Hans-Bernhard von Grünberg promovierte 1929 nicht im „Umfeld" des IOW, sondern bei den Institutsdirektoren Hans Teschemacher und Wilhelm Vleugels. V. Grünberg war auch nicht der letzte Rektor der Albertus-Universität. Dieses Amt fiel in der Auflösungsphase, nachdem v. Grünberg sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet hatte, dem Psychiater Friedrich Mauz zu. Der Romancier Ernst Wiechert zählte gewiss nicht zu den von Kochs Propagandaapparat aufgebauten „regionalen Identifikationsfl-
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gurcn". Bezichtigten den 1938 kurzzeitig im KZ Buchenwald inhaftierten regimekritischen Autor doch in SS-Diensten stehende literaturwissenschaftler wie der in Königsberg geborene I Ians-Ernst Schneider (nach 1945: ..I Ians Schwerte"), ein ..östliches Menschentum" kreiert und Ostpreußen damit aus der Zugehörigkeit zur rassisch determinierten deutschen Kultur gelöst zu haben. Agnes Miegel indes, nicht erst nach 1915 als „Mutter Ostpreußeiis" gehandelt, war so eine „Identifikationsfigur". Als Beleg dafür aber nur einen marginalen Aufsatz in den „Pommerschen Blättern" zu zitieren, lässt vermuten, dass Meincll sich mit dem kulturellen Segment der ..Symbolpolitik" Kochs nicht sehr intensiv beschäftigt hat. Gebührend würdigt er indes den intellektuellen Löwenanteil, den der ..Cheftheoretiker" Otto Weber-Krolise an Kochs .Ostideologie" hatte, übersieht aber den Aufsatz des Rezensenten über dieses Mitglied des „Königsberger Kreises" (vgl. JGMOD 19/2003). Wohl zu spät kam die dickleibige Biographie Alfred Rosenbergs von Ernst Piper (München 2005), die zwar bibliographisch berücksichtigt, aber inhaltlich im Ukraine-Kapitel kaum ausgewertet wurde. Ungeachtet solcher Berichtigungen und Einwände ist Meindls gründliche, alle erreichbaren Quellen ausschöpfende Arbeit über eine so abstoßende „Negativfigur" wie Gauleiter Erich Koch als weltvoller Beitrag zur zeitgeschichtlichen Erforschung Ostpreußens zu begrüßen. Berlin Christian Tilitzki
Pftf.rsfn, I Ians-Christian; Bevölkerungsökonomie — Ostforschung — Politik. Eine biographische Studie zu Peter-I Ieinz Seraphim (1902—1979) (Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau, Bd. 17). Osnabrück: fibre 2007. ISBN 978-3938100-18-0. - 105 S„ 8 s/w-Abb.; 35,- Euro. Hätte er nicht 1938 einen dicken Wälzer über „Das Judentum im osteuropäischen Raum publiziert - von dem Königsberger Nationalökonomen Peter-I Ieinz Seraphim wäre heute so wenig die Rede wie von seinem Kollegen Reinhold Brenneisen, dem Lettland-Spezialisten des Instituts für ostdeutsche Wirtschaft (IOW), oder von Michael Rosenberg, dem Kenner der sowjetischen Schwerindustrie. Unter den „Ostforschern", die in den letzten 15 Jahren so sehr ins Zentrum einer „Vergangenheit aufarbeitenden" Wissenschaftsgeschichte der Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus rückten, ist Seraphim der einzige, der sich als Forscher intensiv clem I Ierzstück der NS-Ideologie widmete. Nicht nur mit seinem „Judenbuch", sondern mit einer stattlichen Reihe von Aufsätzen über den ..Rassencharakter der Ostjuden", die „Judenfrage als Bevölkerungsproblem" oder „Das Judentum in den Vereinigten Staaten", sowie, von 1911 bis 1913, als Schriftleiter der Zeitschrift „Weltkampf", dem Organ des Frankfurter „Instituts zur Erforschung der Judenfrage", einer unter Alfred Rosenbergs Ägide im März 1911 gegründeten Dependance der „Hohen Schule", der stetig im Aufbau befindlichen, aber nie vollendeten Partei-Hochschule der NSDAP. In seiner bei Rudolf Jaworski entstandenen Kieler Dissertation hat sich I Ians-Christian Petersen zum Ziel gesetzt, eine intellektuelle Biographie Seraphims zu schreiben, die sich von der Jugend im Baltikum bis zur akademisch randständigen Existenz nach 1915, als Studienleiter einer der Erwachsenenbildung dienenden Bochumer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, spannt. Ungeachtet seiner fast vierzig Seiten langen Einleitung zu Fragestellung und Erkenntnisziel, vermag der Vf. aber leider nicht präzise zu formulieren, welcher wissenschaftshistorische Gewinn von seiner Seraphim-Biographie zu erwarten ist. Fr bekennt sich zwar dazu, dass die Arbeiten von Götz Aly und Susanne I leim über .Ostforscher" als „Vordenker der Vernichtung" seinen „Blick auf die Thematik nachhaltig geprägt" hätten, doch deren Schlussfolgern!!-
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gen will er nicht teilen, weil ihm der ..konkrete Nachweis" ciafür fehlt, class wissenschaftliche Experten die NS-Vernichtungspolitik wirklich beeinflussten. So bleibt es beim bescheidenen Versuch, ein paar Selbstverständlichkeiten zu bestätigen: dass ein Individuum nie ohne ..Wechselwirkungen" mit seiner „Umwelt" agiert, dass „kollektive Dispositionen und Denkstile" sein Handeln steuern, ohne es zu determinieren, dass wissenschaftliche Produktion an ein „jeweiliges soziales Feld rückzukoppeln" ist, dass „Wissenschaft und Politik" sich nicht „antagonistisch gegenüber stehen". Die vom Vf. bemühte modische Begrifflichkeit eines Pierre Bourdieu über ..kulturelles Kapital", „soziale I'elder" unci allerlei „Ressourcen" verdunkeln diese zwar nicht originellen, aber doch klaren Ausgangspositionen eher. Im Ergebnis geben solche „Leitfragen" Auskunft über die ideologische und politische Funktionalisierung von Wissenschaft, wie sie in modernen Industriegesellschaften seit 200 Jahren die Regel ist. Darüber hinaus will Vf. an diesem „Beispiel" ablesen, wie „große Teile der deutschen Gesellschaft ihren östlichen Nachbarn begegnet sind", nämlich mit „Überheblichkeit, Verachtung und Gewalt". Damit markiert er die Grenzen des eigenen Willens zur „Objektivität", den er bei Seraphim für so schwach ausgebildet hält, dass er ihn unentwegt dafür kritisiert, als Wissenschaftler nur „feststehende D o g m e n bestätigt" zu haben. Des Vfs. „Dogma" vermag sich hingegen nicht ganz von den Zerrbildern der „Ostforschung" zu befreien, wie sie von Pamphletisten der DDR und „Volkspolens" verbreitet wurden. Überall macht Vf. einen „völkischen Ansatz" aus, ohne je exakt zu definieren, was er darunter versteht. „Völkisch" soll es schon im Rigaer Elternhaus zugegangen sein, w o der Journalist Ernst Seraphim sich abgeschüttet und sich nicht um einen „Ausgleich mit den anderen Nationalitäten" in den Ostseeprovinzen bemüht habe. O b dieser „Ausgleich" angesichts einer scharfen Russifizierungspolitik und der krassen Deutschfeindlichkeit des erwachenden Nationalismus der Letten und Esten für Seraphim senior überhaupt eine realistische Option war, fragt Vf. nicht. Als die Familie 1919 nach Königsberg wechselt, steht für ihn fest, dass der stud. rer. pol. Seraphim im „völkisch-akademischen Milieu der Albertina" sozialisiert wurde, das ihn ab 1930, als Polenreferent im IOW, wieder umfing. Dass die Königsberger Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät alles andere als völkisch, nämlich entschieden republikanisch war, ficht den Vf. nicht an. Die Studie des Rezensenten zur Geschichte der Albertina zwischen 1918 und 1933 (in: Bernhart Jähnig IHg.l: 150 Jahre Universität Königsberg. Marburg 2001) hat er übersehen. Ebenso unbeachtlich ist ihm, dass Seraphim in seiner zwischenzeitlichen journalistischen Tätigkeit nicht für ein völkisches Blatt, sondern für die rechtsliberale ..Königsberger Allgemeine Zeitung" schrieb. An den überlieferten Artikeln zeigt sich Vf. indes uninteressiert. Deshalb entgeht ihm die aufschlussreiche persönliche Kriegserinnerung, die unter dem Titel „Der Vormarsch zur Befreiung Rigas am 22. Mai 1919" in der KAZ Nr. 216 vom 23. Mai 1921 erschienen ist. Mit dem parteipolitischen Engagement für die Volkskonservative Vereinigung (VKV) weiß Vf. nichts anzufangen. Weist für ihn die VKV doch mit ihrer Frontstellung gegen die Linke oder ihrem Eintreten für das „autoritäre System" „Gemeinsamkeiten" mit der völkischen NSDAP auf. Solche Entdifferenzierungskünste erleichtern dann die Deutung der Karriere des „Judenforschers" Seraphim ungemein. Sauberes Zitieren soll dabei nicht stören. So vermengt Vf. zwei weit auseinanderliegende, zudem klar durch den distanzierenden Konjunktiv als fremde Standpunkte gekennzeichnete Referate Serapliims, um zu behaupten, er dekretiere die „Wertigkeit der Menschengruppen" GS. 132 f., bezogen auf Seraphim 1938, S. 666 und 659: man lese dies einmal nach!). Unverständlich bleibt auch, warum die Auswertung jüdischer Publikationen der „Arisierung" solcher Texte gleichkomme und warum jüdische Autoren nicht als „gleichberechtigt" anerkannt würden. Das Rezensionsecho auch auf jüdischer Seite beweist eher das Gegenteil. Rätselhaft ist ferner, warum Serapliims Werk zur Stigmatisierung einer Bevölkerungsgruppe beigetragen
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habe, die 1938 schon „weitgehend entrechtet" war. Entrechtet waren die Juden in Deutschland, aber doch nicht die Juden „im osteuropäischen Raum". Offenkundig falsch ist überdies, wenn Vf. eine positive, antijüdische polnische Rezension zitiert und damit die Aussage verknüpft, nach Pilsudkis Tod (1935) sei eine „stark antijüdische Politik des polnischen Staates" zu registrieren. Sondierungen in der Gründungsphase der Zweiten Polnischen Republik hätten Vf. über wesentlich ältere antisemitische Kontinuitäten im Nachbarland ins Bild gesetzt. Überhaupt ist die ganze Diskussion über das Judentum als ..Bevölkerungsproblem", bevor sie von deutscher Seite aufgenommen wurde — von Theodor Oberländer, Werner Conze oder von Seraphim —, zunächst eine solche polnischer Soziologen, Nationalökonomen und Statistiker, die im Übrigen früher als die Deutschen hybride Aussiedlungspläne („Madagaskar") entwarfen. Ähnliche Ignoranz ist in den Einlassungen über den Polenexperten Seraphim zu spüren. Zwar konzediert Vf., die deutsche Ostforschung sei mit polnischen „Westforschem" als ihren „ständigen Gegenspielern" konfrontiert worden. Trotzdem glaubt er ihr vorhalten zu dürfen, ..deutschtumszentriert" gewesen zu sein, „revanchistisch", den „Ausgleich" nicht suchend, die „Expansion auf Kosten Polens" propagierend (obwohl es Polen war, das 1919 auf Kosten Deutschlands expandierte), die polnische Forschung rezensierend, aber nicht „rezipierend". Kein Wunder, dass Seraphim den „IJberfall auf Polen" gutachterlich „flankiert" und „mit seinem Fachwissen befördert" habe. Vf. hätte einmal die Sammelrezension Seraphims über „Populäre Veröffentlichungen des Baltischen Instituts in Thorn" (Altpreußische Studien 12, 1935) ad notam nehmen sollen, um uns dann zu erklären, was wohl aus diesem unerschöpflichen Arsenal zur Untermauerung polnischer Gebietsansprüche auf Schlesien, Danzig und Ostpreußen, was aus dieser Produktion von Wissenschaftlern, die ihr Metier herabgewürdigt hatten zur „politischen Waffe und zur nationalethischen Predigt" (Hermann Rausclining), deutscherseits als Angebot zum „Ausgleich" hätte „rezipiert" werden können. Und bei geduldigerem Quellenstudium von Seraphims Gutachten über Polens Verkehrswesen (Frühjahr 1939) wäre auch aufgefallen, dass hier ein deutsch-polnischer „Konflikt", aber kein „Angriff" ins Kalkül gezogen und erst recht kein „Uberfall flankiert" wurde. Schade, dass der Ertrag einer so fleißigen Arbeit darin besteht, eine inzwischen leider arg konventionelle Sichtweise von der „antisemitischen", „germanozentrischen" und politisch willfährigen „Ostforschung" exemplarisch zu bekräftigen. Neben diesem gravierenden Mangel der Arbeit fallen sprachliche Peinlichkeiten („fokussieren", „vor Ort") oder wirre Bekenntnisse von der Güte, den Begriff „Vertriebene" wegen seiner „politischen Implikationen" („Mythos" der .Opfer-Nation") lieber meiden zu wollen, schon nicht mehr ins Gewicht. Berlin
Christian
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6. Schlesien / Oberlausitz Schlesische Lebensbilder. Bd. IX. Im Auftrag der I Iistorischen Kommission für Schlesien hg. v. Joachim Battlcke. Insingen: Degener 2007. ISBN 978-3-7686-3506-6. - 467 S., 28 Abb.; 39,80 Euro. Der neue Band der „Schlesischen Lebensbilder" enthält, chronologisch angeordnet, 46 Biographien bedeutender Persönlichkeiten vom 12. bis zum Beginn des 2f. Jahrhunderts. Wurden doch mit dem Theologen Rudolf Schnackenburg sowie den Schriftstellern Ernst Günter Bleisch und Heinz Piontek drei Schlesier aufgenommen, die erst vor wenigen Jahren gestorben sind.
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Wie bei anderen Lebensbilder-Reihen auch, werden hier nicht nur Persönlichkeiten behandelt, die im Land geboren worden sind, sondern auch ..zugewanderte" Nichtschlesier, die entscheidende Jahre ihres Lebens dort gelebt und durch ihr Wirken diesen ostdeutschen Kulturraum mit geprägt haben. Anders als etwa in den Bänden 6 und 7, in denen mehr oder weniger bekannte Musiker überproportional vertreten waren, enthält dieser L?and eine gute Mischung, was übrigens nicht nur die ausgewählten Persönlichkeiten, sondern auch die Autoren betrifft. Anders als etwa in Band 7, für den ein Verfasser allein sieben kaum einem Autor mehr als ein Lebensbild übertragen. Eine Ähnlich wie dort hat auch diesmal der I Ierausgeber, Professor zeit in Stuttgart, eine große Zahl seiner Schüler als Mitarbeiter
Beiträge lieferte, wurde diesmal Parallele ergibt sich zu Band 8: für Geschichte der Frühen Neuherangezogen.
Das Inhaltsverzeichnis könnte den Eindruck vermitteln, dass die Auswahl an bedeutenden Persönlichkeiten nicht mehr allzu groß ist. Der„gewöhnliche" Leser dürfte die Mehrzahl der hier Porträtierten kaum kennen. Genannt seien allgemein bekannte Namen: I Ierzog I Ieinrich I. von Schlesien, Wenzel Scherffer von Scherffenstein, Felix Dahn, Karl Fürst von Lichnowsky Ernst I Iornig und Will-Frich Peuckert. Mit dem Fußballer Ernst Willimowski wurde erfreulicherweise erstmals ein Sportler aufgenommen. Die sclilesischen Frauen sind mit zwei adligen Damen (Anna Ludmilla Gräfin Gascliin und Willielmine von Sagan) vertreten. Nachdem mit dem Literaturwissenschaftler Marian Szyrocki in Band 7 ( 2 0 0 1 ) zum ersten Male ein polnischer Schicsicr aufgenommen worden war, erhielten diesmal drei weitere Nichtdeutsche eine Würdigung, nämlich die Polen Karol Miarka und Wojciech (Adalbert) Korfanty sowie der Schlonsake J o s e f Kozdon. I Herbei handelt es sich um Politiker, die als Führer zweier Minderheiten in der Tat sehr aktiv in die Geschichte Schlesiens eingegriffen haben. Allerdings gibt es doch wahrlich noch genug deutsche Persönlichkeiten zu würdigen. Nach wie vor sind vor allem gegenüber der immer wieder bevorzugten Literatur Wirtschaft und Naturwissenschaften unterrepräsentiert. Es fehlen beispielsweise noch die Nobelpreisträger Kurt Aider, Friedrich Bergius, Konrad Bloch, Max Born, Maria Goeppert-Mayer, Fritz I laber und Otto Stern. Auch so m a n c h e bedeutende schlesische Frau wäre n o c h nachzutragen, z.B. Klara Immerwahr, Friedrike Kempner, Käthe Kruse, Hanna Reitscli, Auguste Schmidt und Renee SinteSclion für die Auswahl der zu würdigenden Persönlichkeiten erscheint es wichtig, einen Lebensbilder-Band nicht einem einzigen I Ierausgeber anzuvertrauen. Einer allein - und sei er auch eine n o c h so große Kapazität - kann nicht alle acht Jahrhunderte und alle Sachgebiete überblicken und erkennen, o b die von einem Autor angebotene Biographie einer Aufnahme würdig ist. Mit gutem Grund hat die Historische Kommission für die ersten vier noch in Breslau herausgebrachten Bände ( I 9 2 2 - I 9 3 I ) ein drei- bzw. vierköpfiges Gremium bestimmt. Erfreulich ist, dass der 9. L?and einen immer wieder monierten „alten Z o p f ' abschneidet, und zwar die chronologische Begrenzung im Titel — in Band 8 hieß sie „Schlesier des 14. bis 20. Jahrhunderts". Damit gleichen sich die Sclilesischen endlich den anderen LebensbilderReihen an Der neue einheitliche Titel ..Schlesische Lebensbilder" erleichtert nicht nur die Zitation dieses Werkes, sondern auch das Bibliographieren in elektronischen Datenbanken. Erfreulich ist ferner die zuverlässige Redaktion. Zornheim
bei Mainz
Helmut
Neubach
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Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mitteleuropa. Beziehungen, Strukturen, Prozesse. I Ig. v. Joachim Baiilcke (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Bei. 30). Leipzig: Verlag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 2007. ISBN 978-3-515-08983-8. - 527 S., 13 Abb.; 81,- Euro. Die Oberlausitz fühlte in der Geschichtswissenschaft lange Zeit ein Schattendasein. Einer der Gründe für dieses Versäumnis stellte sicherlich die komplizierte territoriale Situation dar; gehörte das Land doch einerseits als Nebenland der böhmischen Krone zur I Iabsburgermonarchie, andererseits stand es nahezu 200 Jahre lang unter sächsischer Lehnsherrschaft. So ist deshalb vorliegender Sammelband sehr zu begrüßen, der als Forschungszwischenresümee und Ausgangspunkt weiterer Untersuchungen gleichermaßen fungiert. Er geht zurück auf eine international und interdisziplinär ausgerichtete Tagung im Jahr 2002 in L?autzen, an der Historiker, Literaturwissenschaftler, Linguisten, Theologen und Kunsthistoriker aus Deutschland, Österreich, Tschechien, Polen, England und Italien zusammengekommen waren. Die insgesamt 22 Aufsätze sind auf vier Themenschwerpunkte gruppiert. Linter „Landesherrschaft, Territorium und Staat" finden sich Beiträge von Manfred Rüdersdorf, der die reichsrechtliche Situation der Oberlausitz im 16. und 17. Jahrhundert reflektiert, Karlheinz Blaschke, der von den Landständen im gleichen Zeitraum handelt, Uwe Schirmer, der die politischen Partizipationsmöglichkeiten der Untertanen auslotet, Matthias Weber, der parallele Aspekte in der Geschichte Schlesiens und der Oberlausitz untersucht, und schließlich Lenka Bobkova, die von I Ierrschaftspraktiken unter besonderer Berücksichtigung des böhmischen Adels schreibt. Unter der Rubrik „Konfessionalisierung und Region" firmieren Aufsätze von Robert J.W. Evans, der eine internationale Einordnung von Reformation und Gegenreformation in der Oberlausitz versucht, Alexander Koller, der die Verbindungen der römischen Kurie zur Oberlausitz nachzeichnet, Siegfried Seifert, der die Aktivitäten des Domdekan Leisentrit als Administrator und Generalkommissar beleuchtet, Wulf W'äntig, der den Weg böhmischer Emigranten beschreibt, und Alexander Schunka, der die Zuwanderung in die Oberlausitzer Klosterherrschaften thematisiert. „Kommunikation und Bildung" lautet der dritte Schwerpunkt, dem L?eiträge von Klaus Garber, der sich mit den Aspekten gelehrter Kommunikation auseinandersetzt, Norbert Kersken, der intellektuelle Raumbeziehungen untersucht, Joachim Bahlcke, der Entwicklung, Struktur und regionale Ausstrahlung des Görlitzer Gymnasiums beleuchtet, Gerald Stone, der die sorbischen Sprachverhältnisse beschreibt, Ludger Udolph, der über die tschechischen Emigranten in Zittau arbeitet, sowie Walter Schmitz, der sich unter den Vorzeichen von Gotterkenntnis und Naturspekulation Jakob Böhme widmet, zugeordnet worden sind. Der vierte und letzte Schwerpunkt des Bandes bündelt die Aufsätze von Jan Harasimowicz, der sich mit Kunst- und Kulturtransfer beschäftigt, Haitmut Zwahr, der über die Lausitzer Sorben schreibt, Peter Rauscher, der Kredit und Steuern beleuchtet, Markus Cerman, der Wirtschaftsbeziehungen im Grenzraum erforscht, Katja Lindenau, die das Görlitzer Brau- und Gastgewerbe vorstellt, und endlich Lars Behrisch, der sich Problemen der Stadtverfassung von Görlitz widmet, unter dem Rubrum „Peripherie und Zentrum". Ohne Zweifel wird der L?and mit seinen vielen Facetten und Einblicken die weitere historische Erforschung der Oberlausitz befördern; freilich vermisst der Leser ein längeres theoriegeleitetes Resümee, das den weiteren Forschungsbemühungen einen hermeneutischen Rahmen gegeben hätte. Berlin Ralf Pröve
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7. Benachbarte Gebiete
Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349-1382. Landesherrschaft zwischen Vormundschaft, gemeinschaftlicher Herrschaft und Teilung. Hg. v. Hauptstaatsarchiv Dresden. Bearb. v. Eckhart LEISERING (Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs, Reihe A: Archiwerzeichnisse, Editionen, Fachbeiträge, Bd. 8). I lalle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2006. ISBN 978-3-89812-404-1. - 688 S., 4 Ktn.; 65,- Furo. Den Wettinern des Mittelalters wird - ihrer geschichtlichen Bedeutung angemessen - seit etlichen Jahren nicht geringe Aufmerksamkeit durch Historikerinnen und Historiker zuteil. Von zahlreichen Aufsätzen abgesehen sind hier vornehmlich die Dissertationen von Brigitte Streich und Stefan Pätzold zu nennen, sodann die Habilitationsschrift von Jörg Rogge und schließlich eine ebenfalls aus seiner Feder stammende Überblicksclarstellung über „Die Wettiner", die bis zum Jahr 1586 reicht1. Dieser Reihe schließt sich die hier zu besprechende Untersuchung an. Als ihr „Bearbeiter" wird der Dresdener Archivar Eckhart Leisering genannt. Eine solche Umschreibung seines Anteils an der Entstehung des vorliegenden Opus magnum erscheint deshalb bemerkenswert, weil es nicht bloß irgendein von ihm wissenschaftlich betreuter Text, sondern immerhin seine 2005 der Technischen Universität Chemnitz eingereichte Doktorarbeit ist. Gewiss lassen sich Gründe für diese Art der Erwähnung von Leiserings Tätigkeit anführen; glücklich ist sie aber nicht, weil so die Leistung des Verfassers nicht angemessen dargestellt wird. Das "Werk, das der Herrschaftsausübung der Hochadelsfamilie im meißnisch-thüringischen Raum und der Entwicklung ihrer Landesherrschaft zwischen 1319 und 1382 gewidmet ist, untergliedert sich im "Wesentlichen in fünf Teile. Die Einleitung enthält neben Bemerkungen zu Forschungsstand und Quellenlage terminologische Erläuterungen zu einigen zentralen Begriffen der Untersuchung wie etwa .Landesherrschaft" und „fürstliche I Ierrschaft", „Land" und „Territorium" oder ..Reiseherrschaft" und „Residenz" (S. 11—34). Es folgen in einem zweiten Kapitel Überblicke über die Genealogie und die Heiratsverbindungen der "Wettiner im I i Jahrhundert (S. 31-55). Der dritte (und umfangreichste) Abschnitt der Arbeit ist der politischen und territorialen Entwicklung der wettinischen Lande während des Untersuchungszeitraumes gewidmet (S. 56—332). Der vierte Teil bietet eine systematische Analyse der spezifischen Gestalt der wettinischen Landesherrschaft. Darin geht Leisering ausführlich auf die von den Fürsten regierten Gebotsbereiche, ihre I Ierrschaftsausübung, die Verwaltung sowie die verschiedenen sozialen Gruppen innerhalb ihrer Lande ein (S. 333-139). Die Ergebnisse der Untersuchung fasst er in einem fünften Kapitel zusammen (S. 110—158). Dem an sich schon ausführlichen Text folgt ein umfangreicher Anhang mit zahlreichen personenbezogenen Angaben, Quellenübersichten, Itineraren, genealogischen Tafeln, Diagrammen sowie Quellen- und Literaturan-
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Brigitte S t r e i c h : / w i s c h e n Reiseherrsehaft und Residenzbildung. D e r wettinische 1 lof im späten Mittelalter. K ö l n / W i e n 1989 ( = Mitteldeutsche F o r s c h u n g e n , 101); Stefan P ä t z o l d :
D i e f r ü h e n "Wettiner.
A d e l s f a m i l i e und I lausüberlieferung bis 1221. Köln u.a. 1997 ( = G e s c h i c h t e und Politik in Sachsen. 6); Jörg R o g g e :
H e i T s c h a f t s w e i l e r g a b e , K o n t l i k t r e g e l u n g u n d Familienorganisation i m fürstlichen H o c h -
adel. Das Beispiel der Wettiner v o n der Mitte des 13- bis zum Beginn d e s 16. Jahrhunderts. Stuttgart 2002 < = M o n o g r a p h i e n zur Geschichte des Miltelallers, 19.); d e r s . : D i e "Welliner. A u f s t i e g einer Dynastie im Mittelalter. Ostfildern 2005.
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gaben (S. 459-660). Ein Register und vier beigegebene Earbkarten runden das insgesamt 688 Seiten (und 2266 Anmerkungen) umfassende Werk ab. Im Vordergrund der Abhandlung stehen die Bemühungen der Wettiner, nach dem Tod des Markgrafen Friedrich II. im Jahr 1319 ihre Herrschaft so zu organisieren, dass sie als Ganzes durch Teilungen oder Konflikte unter dessen vier Söhnen Friedrich III., Balthasar, Ludwig (der später Geistlicher wurde) und Wilhelm I. keinen Schaden nahm. In zahlreichen zwischen 1319 und 1382 geschlossenen I Iausverträgen einigte man sich zunächst auf eine Vormundschaftsregierung durch den ältesten Bruder (1319-1365), dann auf eine gemeinsame Ausübung der Herrschaft (1365 oder 1368 bis 1371; 1378/79), später auf eine unter den drei im weltlichen Stand verbliebenen Brüdern wechselnde vormundschaftliche Regierung (1371-1377), ferner auf eine Teilung der wettinisclien Lande in die drei „Orte" Thüringen, Osterland und Meißen (1379-1381/82 ) sowie schließlich auf eine Totteilung des wettinisclien Gebotsbereiches (1382 ff.) [Zusammenfassung S. 140-14.3]. Auf diese Weise vermochten die beteiligten Angehörigen der I Iochaclelsfamilie ihre I Ierrschaft zu bewahren (und in einzelnen Bereichen sogar noch zu vergrößern). Das transparent darzustellen und im jeweiligen historischen Kontext angemessen zu deuten, ist ein großes Verdienst von Eckhart Leisering. Darüber hinaus ist ein weiteres zentrales Anliegen des Verfassers, zu ermitteln, „welchen Entwicklungsstand die Landesherrschaft der "Wettiner im Untersuchungszeitraum erreicht hat" (S. 12). LJm diese Frage zu beantworten, mustert er die in großer Zahl zur Verfügung stehenden Quellen unter vielen Gesichtspunkten. Er stellt ihre Erwerbungen zusammen, untersucht, wie sie die Adelsfamilie an sich brachte, beschäftigt sich mit den verschiedenen von den Wettinern geschaffenen Verwaltungseinrichtungen, mit dem Reiseverhalten der Fürsten und der Residenzbildung, beschreibt ihre Beziehungen zu den Herrschern des Reiches und anderen Landesherrn ebenso wie zu dem hohen und niederen Adel, den LUirgern und Juden innerhalb ihres Gebotsbereiches, betrachtet dessen als .Orte" beziehungsweise „Behausungen" bezeichnete Teilherrschaften (Zusammenfassung S. 44.3-458). Offenbar haben die Wettiner zwischen 1349 und 1382 ihre Sache gut gemacht; denn Leisering resümiert, sie hätten mit ihrer Politik „dazu beigetragen, dass sich im Laufe des f5. Jahrhunderts die territorial noch relativ instabile Landesherrschaft zum Territorialstaat entwickeln konnte" (S. 158). Eckhart Leiserings Arbeit beeindruckt durch ihre kaum zu überbietende Lind aus jahrelanger Arbeit am I Iauptstaatsarchiv Dresden gespeiste Quellenkenntnis, einen staunenswerten und gut rezipierbaren Faktenreichtum sowie durch eine überzeugende systematische Analyse der dortigen I Ierrschaftsentwicklung mit allen ihren Facetten. Dabei vermag er immer wieder bisherige Forschungsergebnisse zu korrigieren (S. 158), durch eigene Ansätze (etwa S. 81 f. und f 9 8 f.) oder weiterführende methodische Überlegungen (etwa zur Itinerarforschung, S. 3 7 3 380) zu ergänzen. Angesichts dieser großen Vorzüge des Buches mögen die folgenden Bemerkungen klein, ja kleinlich erscheinen. Gleichwohl soll auch erwähnt werden, dass vereinzelte Tippfehler bei Jahresangaben das Verständnis einiger Absätze erschweren (so S. 200 [I lausvertrag vom ..1. November 1.361" statt (richtig) 1368] oder S. 439 [gemeinsame I Ierrschaft des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht „von 1382 bis 1385" statt (richtig) 1182 bzw. f 1851). Ferner dass gelegentlich Internetressourcen unterschiedlicher Qualität oder wissenschaftlicher Reputation konsultiert werden (etwa S. 26 Anm. 51, S. 36 Anm. 95 oder S. 39 Anra. 106). Und schließlich dass die Verwendung von Wörtern wie .Territorial-" beziehungsweise ..Reichspolitik" (etwa S. 253 oder S. 296) den Findruck vermitteln könnte, das Streben der Akteure sei innerhalb bestimmter politischer „I Iandlungsbereiche" an Zielen orientiert gewesen, die man mehr oder minder systematisch zu erreichen suchte. Gegen eine solche Auffassung hat sich bereits vor
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einiger Zeit - zu Recht - der verstorbene Göttinger I Iistoriker Ernst Schubert ausgesprochen2. Doch genug des Kritisierens. Denn das alles tut dem hier zu besprechenden Buch keinen Abbruch. Vielmehr wird es - diese Prognose sei gewagt - über Jahrzehnte hinweg ein Standardwerk zur politischen Geschichte der wettinischen Lande sein. Hier könnte die Rezension eigentlich enden. Dennoch sei ein letzter Gedanke - gleichsam als Postskriptum - noch angefügt. Eckhart Leisering stützt seine Untersuchung der Verwaltungsstrukturen und -verfahren (S. 342-372) vor allem auf das reichlich vorhandene Urkundenmaterial GS. 345 f. ) und verzichtet aus arbeitsökonomischen (und angesichts des LJmfangs des bereits Geleisteten auch vollkommen nachvollziehbaren) Gründen auf eine weitergehende verwaltungsgeschichtliche Analyse (so S. 358). Der erfahrene Archivar weiß freilich selbst am besten, dass gerade die seit 1319 zahlreich vorhandenen Amtsbücher der wettinischen Kanzlei (s. S. 35 ΐ f. Anm. 1189) bei der Betrachtung von Verwaltungsverfahren höchst aussagekräftige Quellen darstellen. Sie harren in dieser I Iinsicht nach wie vor einer Auswertung. Eckhart Leisering sollte man das aber nicht aufgeben: Er hat bereits Überdurchschnittliches zur Erforschung der spätmittelalterlichen wettinischen Geschichte geleistet. Bochum
Stefan
Pätzold
Christoph: Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik I Ierzog Georgs von Sachsen 1488-1525 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation, Bd. 41). Tübingen: Mohr Siebeck 2008. ISBN 978-3-16-149409-3. - XIV, 701 S.; 119,- Euro. VOLKMAR,
Unter den Fürsten der Reformationszeit, die am alten Glauben festhielten, spielte Herzog Georg von Sachsen eine besondere Rolle. Als Landesherr eines gefestigten und finanzstarken Territoriums war er bis zu seinem Tod 1539 die stärkste Stütze der Altgläubigen im mitteldeutschen Raum, und es ist kein Zufall, dass bald nach diesem Datum auch Kardinal Albrecht von Brandenburg seine mitteldeutschen Bistümer aufgeben musste. Dennoch hat I Ierzog Georg im Gegensatz zu seinen ernestinischen Vettern oder seinem Neffen Moritz - stets etwas im Schatten der Geschichtsschreibung gestanden. Auch die zweibändige Edition ausgewählter „Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen" aus den Jahren 1517-1527 durch Eelician Geß (erschienen 1905-1917), eine der wichtigsten Quelleneditionen für die mitteldeutsche Reformationsgeschichte, hat hier keinen grundlegenden Wandel gebracht. Diesem Manko abzuhelfen, hat sich Christoph Volkmar aufgemacht. Bereits in seiner Magisterarbeit beschäftigte er sich mit einem Aspekt der Kirchenpolitik Georgs, der Heiligenerhebung Bischof Bennos von Meißen (vgl. die Rezension in diesem Jahrbuch 50, 2001, S. 15 i f.). Die nun vorliegende Arbeit, die im Wintersemester 2006/07 an der Universität Leipzig als Dissertation angenommen und von Enno Bünz betreut wurde, stellt die Kirchenpolitik Georgs von Sachsen in einem - auch vom Umfang der Arbeit her - größeren Rahmen vor. Allerdings umfasst der Untersuchungszeitraum nicht die gesamte Regierungszeit des I Ierzogs. Sie reicht von den ersten Regierungshandlungen des jungen Fürsten als Stellvertreter seines Vaters, der sich in kaiserlichen Diensten in den Niederlanden befand, bis zum Jahr 1525, dem Ende der ersten Phase der Reformation. Ausgespart blieben die späten Jahre Georgs, in denen der Herzog mehr und mehr in die Defensive geriet und schließlich erkennen musste, dass sein Werk seinen Tod nicht
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Kinführung in die G r u n d p r o b l e m e der d e u t s c h e n G e s c h i c h t e im Spätmittelalter. D a r m s t a d t 1 9 9 2 u.ö. S. 199.
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überdauern würde. Der Leser mag diesen Einschnitt bedauern, und auch Volkmar greift gelegentlich darüber hinaus, doch muss dem Autor zugestanden werden, dass eine weitere zeitliche Ausdehnung in derselben Untersuchungsintensität im Rahmen einer Dissertation nicht zu leisten gewesen wäre. Durch den zeitlichen Einschnitt sieht sich Volkmar auch der Gefahr enthoben, Georgs Wirken von seinem Ende her zu beurteilen. Denn bereits der Titel macht deutlich, worum es der Arbeit geht: Mit der altgläubigen Kirchenpolitik Georgs soll eine Alternative zur lutherischen Reformation vorgestellt waren, deren Wurzeln sich in der Reformbewegung des 15. Jahrhunderts befanden u n d die nicht in erster Linie eine Reaktion auf die Wittenberger Reformation war. f525 war noch nicht abzusehen, dass - nicht zuletzt durch den „dynastischen Zufair' alle Bemühungen Georgs vergeblich sein würden. Nach einer umfangreichen Einleitung, die die bisherige Forschung kenntnisreich bilanziert u n d den methodischen Zugang und Leitkonzepte der Untersuchung darlegt, gliedert sich die Arbeit in zwei Teile: Der erste behandelt ..Kirchenregiment u n d Kirchenreform vor der Reformation (1488 - u m 1521)", Teil 2 „Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (15171525)". Teil f, auch von der Seitenzahl her der umfangreichere, beinhaltet eine systematische Untergliederung von zwölf Kapiteln. Nach einer Einordnung des albertinisclien Sachsens in allgemeine Linien landesherrlicher Kirchenpolitik im spätmittelalterlichen Reich und einem Resümee wettinischer Reformtradition im Spätmittelalter - zu nennen ist hier vor allem Wilhelm III. von Thüringen - richtet sich der Blick auf Biographie und Persönlichkeit Georgs. 11erausgearbeitet werden die Züge von dessen „moderner'' Frömmigkeit mit cliristozentrischer Perspektive, die veräußerlichten Demonstrationen wie großen Wallfahrten und Reliquienfrömmigkeit skeptisch gegenüberstand. Obwohl ursprünglich für den geistlichen Stand vorgesehen, erfuhr er keine formale theologische Ausbildung, jedoch „markiert [er] die Spitze vorreformatorischer Laienbilclung im Sinne des Bildungsprogramms eines Erasmus" (S. 82). Sein patriarchalisches Selbstverständnis als Eürst rief gleichzeitig „ein gewisses Sendungsbewußtsein in Bezug auf die Beaufsichtigung und die Reform des kirchlichen Lebens" hervor (S. 91). Die Kirchenpolitik wurde dabei maßgeblich vom Herzog selbst geprägt, der sich dabei auf seine Hofräte stützte. Geistliche Räte spielten in seiner Umgebung keine tragende Rolle. Durchgesetzt wurde die Kirchenpolitik mit den weltlichen Mitteln des Eürstenstaates. „Papsttum und Konzil", „Kaiser u n d Reich" sowie „Bischöfe u n d Domkapitel" sind die Abschnitte benannt, die das Umfeld landesherrlicher Kirchenpolitik vor der Reformation analysieren. Georgs Beziehungen zur Kurie waren für einen deutschen Fürsten verhältnismäßig eng, was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass er am päpstlichen Hof zwar einzelne Privilegien erlangen konnte, aber keinen wirklichen Einfluss besaß - auch nicht nach dem Einsetzen der Reformation, als seine weitgehenden Privilegienwünsche, die auf den Ubergang der geistlichen Gerichtsbarkeit an den Landesherrn abzielten, in Rom kein Gehör fanden. Nichtsdestotrotz blieb die Romtreue ein wesentliches Kennzeichen von Georgs Kirchenpolitik. Gegenüber den Kurienkontakten spielte das Verhältnis zu Kaiser und Reich zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Nach dem Scheitern, über den Reichstag mit der Kurie in eine Konzilsdiskussion zu treten, besuchte Georg die Reichstage der zwanziger Jahre nicht mehr. Die Bischöfe der sächsischen Landesbistümer begegnen in der Kirchenpolitik des Wettiners als Objekte des landesherrlichen Kirchenregiments, deren man sich bedienen konnte, w e n n die weltlichen Rechtsgrundlagen nicht mehr ausreichten. Ein eigenständiger Aktionsspielraum wurde ihnen nicht zugestanden: Zwar nicht Verdrängung, sondern „Mediatisierung des Bischofs auch im Bereich der Kirchenreform ist die landesherrliche Politik" (S. 213).
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Die vier folgenden Kapitel .Geistliche Gerichtsbarkeit", „Regularklerus", „Niederklerus" und ..Laien" umschreiben die I Iancllungsfelder landesherrlicher Kirchenpolitik. Gelang es Georg zwar nicht, die geistliche Gerichtsbarkeit, wie gewünscht, durch päpstliche Vollmacht in seine Hand zu bekommen, boten sich dem Landesherrn auf der anderen Seite ein Vielzahl von Eingriffs- und Überwachungsmöglichkeiten, die weniger durch das Kirchenrecht als durch die faktischen Machtmittel des Fürsten begründet waren. Trotz der Zurückdrängung der geistlichen Jurisdiktion aus einer Sphäre, die nun als weltliche begriffen wurde, stellte der Wettiner sie allerdings nicht grundsätzlich in Frage und konnte in der Reformationszeit sogar zu ihrem Verteidiger werden. Bewegt sich die Klosterpolitik Georgs mit zunächst nur sporadischen Visitationen ganz in traditionellen Bahnen, so zeigt das Kirchenregiment über den Niederklerus auch im territorialen Vergleich spezifische Züge, insbesondere durch ein „koordiniertes Ineinandergreifen landesherrlicher Lind kirchlicher Maßnahmen" (S. 337), wobei letztere durch die Abhängigkeit der sächsischen Bischöfe erst möglich wurden. In Konfliktfallen war es der Landesherr, der sich gegenüber den Bischöfen durchsetzen konnte und dem es gelang, den Niederklerus allmählich vollständig in seine Landesherrschaft zu integrieren. Die Frage nach dem Rechtstitel eines solchen Regiments sieht Volkmar bei Georg meist ausgeblendet, jedoch angedeutet durch die Selbstbezeichnung als Oberlehnsherr, als „oberster collator", die eine Oberaufsicht über sämtliche Pfründen beinhaltet. Allerdings greift der hierin erkennbare lehnsrechtliche Ansatz, obwohl zeitgenössisch als Argumentationsmuster verwendet, dennoch zu kurz: Gesagt oder ungesagt, letztlich war es die Vorstellung von der Pflicht des Landesherrn zur Sorge um das Seelenheil seiner Untertanen, die einen tieffrommen Fürsten wie Georg zu reformierenden Eingriffen in die kirchliche Seelsorge motivierte. Kanonische Rechtstitel waren hierfür, wie von Volkmar richtig erkannt, zweitrangig. Dieselbe Motivation kann auch angenommen werden, wenn es sich um die Förderung von Laienfrömmigkeit handelte, etwa beim Ausbau einer sakralen Infrastruktur in der Bergstadt Annaberg, oder durch Reformmandate der sittlich-religiöse Lebenswandel der Untertanen gehoben werden sollte. Dass Georg zu bestimmten ausufernden Frömmigkeitsformen seiner Zeit Abstand wahrte und sie zurückzudrängen suchte, zeigt ihn ebenfalls als dezidierten geistlichen Reformer, wobei er - vergleicht man ihn etwa mit Erzbischof Albrecht von Brandenburg - über das übliche Maß seiner Zeit hinausging. Dass Georg bei seinen Maßnahmen nicht nur fürstliche I Ierrschaftsinstrumente, sondern auch die Möglichkeiten einer „vorreformatorischen Öffentlichkeit" einzusetzen verstand, führt der Verfasser im kurzen vorletzten Kapitel des ersten Teils vor. Gemeint ist hiermit vor allem der Buchdruck, der nicht nur zur (kirchen-ipolitischen Propaganda des Fürsten, sondern auch zur Verbreitung von Frömmigkeitsliteratur genutzt wurde. So zieht sich, wie Volkmar in seiner Zusammenfassung des ersten Teils betont „wie ein roter Faden ... durch alle Legitimationsansätze der Anspruch auf Landesherrschaft" (S. 126), der auch alle Bereiche der Kirchenpolitik umfasst - freilich nur in einem (auch finanziell) so gefestigten Territorium wie dem herzoglichen Sachsen auch umfassend durchgesetzt werden konnte. Dass dabei auf der einen Seite die Landesherrschaft die Grundlage für das Kirchenregiment bildet, auf der anderen aber die Sorge um das Seelenheil der Untertanen auch die Legitimität der Landesherrschaft begründet, zeigt sich dem Verfasser als eine gewisse Dialektik. Freilich werden auch Grenzen der Möglichkeiten Georgs aufgezeigt: Eine „Landeskirche" mit vereinheitlichten Riten oder in alle Kirchen reichenden ..Landeskasualien" konnte mit seinen Mitteln nicht entstehen. ..Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517-1525)" ist der weniger umfangreiche zweite Teil der Arbeit überschrieben. In elf oft kürzeren Kapiteln beschreibt Volkmar das persönliche Verhältnis zwischen Herzog Georg und Luther, Georgs Sicht auf die evangelische
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Bewegung, seine Kirchenpolitik gegen die Reformation auf Reichsebene, landesherrliche Mandate als Grundlagen der Verfolgung sowie den Einsatz des Kirchenregiments gegen den evangelischen Nieder- und Ordensklerus und gegen evangelische Laien und geht schließlich dem Streit um das verkündigte und das gedruckte Wort nach - vor allem der „Gegenoffensive" des Wettiners durch die Förderung altgläubiger Predigt und antireformatorischer Druckschriften. Der Kontakt zwischen Georg und Martin Luther begann mit einem Missverständnis: Nahm der Wettiner die Ablassthesen Luthers noch im Sinne seiner Reformpolitik mit Wohlwollen auf, so wandelte sich das Bild schon bald, als der Wittenberger in der Leipziger Disputation nicht alle Thesen des Jan I Ius als häretisch bezeichnete. Fortan galt die reformatorische Lehre, wie Volkmar im Anschluss an die bisherige Forschung darlegt, für Georg als hussitische Häresie eine Einschätzung, die auch später nicht wieder revidiert wurde, so dass der Herzog schon früh eine antilutherische Kirchenpolitik betrieb und den Ketzerprozess gegen den Reformator mit Wohlwollen begleitete. Nachdem er zunächst auf Reichsebene mit einigem Erfolg als Protagonist antilutherischer Politik aufgetreten war, zog er sich seit 1523 in sein Land zurück, um die Reformation in seinem Territorium zu bekämpfen, wobei er jedoch nicht davon abließ, Druck auf die ernestinischen Vettern auszuüben und andere Reichsstände an seine Seite zu ziehen. Im eigenen Herrschaftsbereich wurde, ausgehend von einer steckbriefartigen Beschreibung der reformatorischen Bewegung, auf Repression gegen lutherische Weltpriester, ausgelaufene Ordensleute sowie gegen evangelische Laien gesetzt, und man konnte damit durchaus Erfolge gegen die frühe Reformation verbuchen: Bis in die dreißiger Jahre scheint das albertinische Kirchenwesen insgesamt stabil geblieben zu sein. I Iierzu trugen nicht nur defensive, sondern auch offensive Maßnahmen bei, einerseits die Förderung der altgläubigen Predigt durch die Stiftung von Predigerstellen und die Entsendung von befähigten Predigern, auf der anderen Seite schon früh die Unterstützung antireformatorischer Publizistik durch Protektion namhafter Autoren wie Johannes Cochlaeus und I Iieronymus Emser sowie der in Dresden beheimateten „Emserpresse". Letztlich aber war es die Kirchenreform in vorreformatorischer Kontinuität, die Georg nach Auffassung Volkmars der Reformation lutherischer Prägung entgegensetzen wollte. Lind in dem Maße, in dem die Bischöfe durch die Reformation und den Landesherrn bedrängt wurden, konnte er ihnen auch Zugeständnisse - etwa in der geistlichen Gerichtsbarkeit - abringen. Doch auch wenn Georg moderne Mittel der Publizistik einsetzte und sogar eine altgläubige Bibelübersetzung - das sogenannte „Emsertestament", das ironischerweise textlich auf der Lutherübersetzung basierte - in Umlauf brachte, blieben seine Möglichkeiten schon vom Ansatz her begrenzt, da er nicht bereit war, die Grenzen der mittelalterlichen Kirchenverfassung zu überschreiten. Grundlegende Veränderungen konnten nur der Papst oder ein Konzil vornehmen, doch gerade das Drängen des Herzogs auf letzteres blieb vergebens. So kommt auch der Verfasser zu dem Schluss, dass das Reformprogramm Georgs letztlich „der grundstürzenden Botschaft Luthers und dem mit ihr verbundenen religiösen Aufbruch nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen" hatte und nur die erreichen konnte, „denen die Wittenberger Neuerungen zu radikal waren und die gleichzeitig das Vertrauen in das Papsttum noch nicht völlig verloren hatten" (S. 601). War die Situation im Jahr 1525 also wirklich offen? War es Georg gelungen, „die revolutionäre Dynamik der frühen Reformation unter Kontrolle zu bringen" (S. 609)? Volkmar diskutiert diese Fragen vorsichtig, obwohl er, wie schon der Titel der Arbeit andeutet, zu dieser Auffassung neigt. Letztlich wissen wir aber zu wenig von der Situation in den Gemeinden, um wirklich begründete Aussagen über Stabilität oder Erosion des herzoglich-sächsischen Kirchenwesens unter der Oberfläche in diesen Jahren sagen zu können. Doch betont der Verfasser in
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seiner Zusammenfassung noch einmal die Modernität des Vorgehens Georgs: ..Innovativ waren weniger seine Ziele als sein Weg: die Durchsetzung der kirchlichen Erneuerung mit den Mitteln des Territorialstaats — hier traf er sich mit der Reformation und unterschied sich von Trient, markierte damit einen dritten Weg." (S. 623) Volkmars Arbeit zeigt zwar einerseits eine - wirkliche oder vermeintliche - Alternative zur Reformation auf, viel mehr aber noch den Territorialstaat an der "Wende vom Spätmittelalter zur Frühneuzeit in seiner stärksten Ausformung - mit einem patriarchalisch und persönlich regierenden Fürsten, der, selbst tief gläubig, nicht nur das diesseitige, sondern auch das jenseitige Wohl seiner Landeskinder im Auge hatte und dazu noch über die materiellen Mittel verfügte, um seine Ansprüche auch durchsetzen zu können. Mit bewundernswerter Kenntnis der reichhaltigen sächsischen Überlieferung - die Durchsicht der herzoglichen Briefausgangsbücher hat den Rezensenten dabei besonders beeindruckt - zeichnet der Verfasser das Bild eines außergewöhnlichen Fürsten und seiner kirchenpolitischen Aktionen in großer Klarheit nach - mit zwar nicht an allen Stellen grundsätzlich neuen, doch stets quellenmäßig gut herausgearbeiteten Erkenntnissen. Sucht man künftig mustergültige Beispiele für das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment, so wird man sie hier finden. Ob dieses letztlich im Spätmittelalter gründende Regiment wirklich eine Alternative zum reformatorischen Umbruch des Kirchenwesens darstellte, wird sicherlich kontrovers bleiben. Dass der Verfasser diese epochenübergreifencie Sichtweise zur Diskussion stellt und dabei auch das Augenmerk auf vortridentinische altgläubige Reformansätze richtet, ist aber nur zu begrüßen. Entstanden ist eine nicht nur vom Umfang her gewichtige und herausragende Arbeit, die eine Lücke schließt und zweifelsohne eine breite Rezeption finden wird. Es bleibt zu hoffen, dass der Verfasser auch angesichts neuer beruflicher Herausforderungen im Archivwesen Gelegenheit findet, weitere gehaltvolle L?eiträge zur mitteldeutschen Landesgeschichte zu liefern. Potsdam Michael Scholz
Heiko: Wittenberger Reformation im Leipziger Land. Dorfgemeinden im Spiegel der evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts (Herbergen der Christenheit, Sonderbd. 10). Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2007. ISBN 978-3-37402348-6. - 278 S.; 18,80 Furo.
JADATZ,
IJber die Einführung der Reformation auf den „platten Land" wissen wir selbst in den „Kernlanden der Reformation" noch verhältnismäßig wenig. Nicht zuletzt ist dies ein Quellenproblem; umso wichtiger sind daher die einzigen nahezu flächendeckend vorliegenden Quellen - die Protokolle der reformatorischen Kirchenvisitationen. Bereits im 19. Jahrhundert setzten daher vor allem in der Provinz Sachsen Bemühungen ein, diese zu edieren, doch brachen die Bemühungen mit den Zweiten Weltkrieg ab. Nichtsdestotrotz blieben die Protokolle von Theologen und Historikern gern genutzte Quellen für das Jahrhundert der Reformation. In der vorliegenden Arbeit, einer von dem inzwischen verstorbenen Leipziger Kirchenhistoriker Günther Wartenberg betreuten theologischen Dissertation, dienen die Protokolle dazu, „hinter den großen Linien der Reformation einen regionalen Teilaspekt der Reformationsgeschichte zu untersuchen und darzustellen." Der Verfasser will ..für ein räumlich überschaubares Gebiet" exemplarisch nachzeichnen, „wie sich in der konkreten Gemeinde das Werden der evangelischen Landeskirche in Sachsen im 16. Jahrhundert widerspiegelt", und dabei besonders das „Verhalten der dörflichen Gesellschaft in diesem Prozeß" in den L?lick nehmen (S. 15). Das Untersuchungsge-
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biet ist kein historisches Territorium: Vielmehr teilte sich das unmittelbare Umland der Stadt Leipzig (die aus der Untersuchung ausgeschlossen bleibt) in der ersten I Iälfte des 16. Jahrhunderts in albertinische und ernstinische I Ierrschaftsbereiche und solche des Stifts Merseburg. Jadatz gliedert seine Arbeit nach einer Einleitung und der Vorstellung des Untersuchungsgebietes nach den historischen Territorien, was auch gleichzeitig eine gewisse Chronologie beinhaltet. Die erste reformatorische Visitation im Leipziger Land erfolgte vom Mai bis zum August 1529 im Amt Grimma; eine zweite beginnt 1533 und erreicht das Amt Grimma im März 1534. Einer Visitation in mancher 11insicht ähnlich ist schließlich das sogenannte „Bewidmungswerk", eine Feststellung der Finkommenssituation der Pfarreien von 1545/46. Erst mit dem Regierungsantritt Heinrichs des Frommen setzt die Visitationstätigkeit im albertinischen Teil des Leipziger Umlandes ein. Die erste reformatorische Visitation 1539 erfasst die Landgemeinden nur summarisch, indem die Pfarrer in Gruppen vor die Kommission geladen werden. Angesichts ihrer Unzulänglichkeiten erfolgt schon im folgenden Jahr eine zweite Visitation, deren Ergebnisse jedoch noch immer unzureichend bleiben, wie auch die Protokolle gegenüber den ernestinischen an Genauigkeit zurückstehen. In der Regierungszeit I Ierzog Moritz' kommt es zu keinen Visitationen; lediglich werden Anfang der vierziger Jahre die Superintendenten mit einer wirtschaftlichen Bestandsaufnahme der Pfarren beauftragt. Nach dem Sclimalkaldischen Krieg und dem Anfall der bisher ernestinischen Gebiete um Leipzig an die Albertiner erfolgt 1555/56 eine erneute Generalvisitation, die im Zeichen der theologischen Auseinandersetzungen um das Augsburger Interim steht. Auch die zweite Generalvisitation unter Kurfürst August 1574/75 steht im Zeichen einer Krise nach dem Sturz der philippistischen Partei um Caspar Peucer am kurfürstlichen Hof, doch finden sich in den Visitationsberichten erstaunlicherweise keine Angaben über Lehre und Amtsführung der Pfarrer. In der Folge setzt man unter dem Einfluss von Jakob Andreae auf das Instrument ausführlicher Lokalvisitationen, die der jeweilige Superintendent zweimal jährlich vornehmen soll. Allerdings zeigt sich bald, dass das Vorhaben in der geplanten Intensität nicht durchführbar ist, so dass die anfangs ausführlichen Berichte sehr bald zu Notizen schrumpfen und die Visitationen schließlich nach 1585 gänzlich einschlafen. Erst nach dem Tod Kurfürst Christians I. und dem Sturz der „Kryptocalvinisten" kommt es unter der Regentschaft Friedrich Wilhelms von Altenburg und Johann Georgs von Brandenburg für den minderjährigen Christian II. wieder zu Generalvisitationen, um den Bekenntnisstand wiederherzustellen. Die erste lutherische Visitation im I Iochstift Merseburg liegt noch nach derjenigen in den albertinischen Landen. Erst nach dem Amtsantritt Fürst Georgs von Anhalt als coadiutor in spiritiialibus erfolgt 1511/15 eine Bereisung des kleinen Landes durch Visitatoren. Das Zwischenspiel des romtreuen Bischofs Michael Heiding bedeutet zwar keine Rückkehr des Landes zum alten Glauben, doch wird eine erneute Visitation erst nach Heldings Tod im Jahr 1562 möglich. 1578 wird das I Iochstift in die albertinischen Lokalvisitationen einbezogen, die schließlich unter der Regentschaft für Christian IE noch einmal aufgenommen werden. Jadatz beschreibt ausführlich die einzelnen Visitationen mit ihrer Vorgeschichte und den theologischen und politischen Bedingungen, in denen sie jeweils eingebettet waren. Es entsteht dadurch eine gute und quellennahe Geschichte des Visitationswesens im Sachsen des 16. Jahrhunderts. Allerdings bringt es die nach Territorien gegliederte und chronologische Darstellungsweise mit sich, dass streckenweise das Untersuchungsgebiet und das Untersuchungsziel gegenüber der allgemeinen Kirchenpolitik in den I Untergrund geraten. Strukturelle Probleme in den Gemeinden werden zwar im Zuge der einzelnen Visitationen benannt und mit zahlreichen Beispielen unterlegt, können aber im chronologischen Ablauf nicht deutlich genug herausgearbeitet werden.
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Erst die systematisch angelegte Zusammenfassung wendet den Blick schließlich gänzlich von der zentralen Ebene auf die Zustände in den Gemeinden. Deutlich werden die Möglichkeiten und Grenzen der Einrichtung der Visitation. So zeigt man sich gegenüber bisher altgläubigen, aber auch gegenüber ungebildeten Pfarrern in der Regel großzügig, da ein Ersatz kaum zur Verfügung stand. Die unzureichende Ausstattung der Pfarren ist ebenso wie das Vorenthalten der Abgaben durch die Gemeindeglieder über die gesamte Zeitspanne hinweg Gegenstand von Klagen, wobei sich die wirtschaftliche Situation der Pfarrer zum Ende des Untersuchungszeitraums zu bessern scheint. Schließlich rücken Fragen nach dem Bekenntnisstand der Pfarrer und ihrem Verhältnis zum Calvinismus in den Mittelpunkt. Problematisch bleiben im gesamten Jahrhundert die Schulsituation sowie der Bildungsstand der Küster in vielen Gemeinden. Auch die "Weigerung von Eltern, ihre Kinder zum Unterricht zu schicken, wird mehrfach angesprochen. Konfliktträchtig war auch das Verhältnis von Visitatoren und Patronatsherren, die in den Ansprüchen der Kommissionen einen Fngriff in ihre Rechte als lokale Obrigkeit sehen konnten. Schon die Forderung nach einer gewissen Qualität der Verkündigung schränkte die I Iandlungsmöglichkeiten der Patrone ein, vom Streit um entzogenes Kirchengut einmal ganz abgesehen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts zeigen sich weitere Ansprüche an den Patron als Vorbild in Frömmigkeit und Lebenswandel, bis die Generalvisitation von 1592 die Lokalobrigkeiten auf das lutherische Bekenntnis verpflichten will. In den Gemeinden belegen die Visitationsberichte nach Einführung der Reformation tiefgreifende Verunsicherungen, die sich in schlecht besuchtem Gottesdienst und Katechismusunterricht, Arbeiten und Zechen während der Gottesdienstzeiten oder dem Missbrauch des Pfingstbiertrinkens äußern. „Hintergrund ist", so Jadatz am Ende seines Buches, „die Unsicherheit oder die Ablehnung, mit neuen Formen des kirchlichen Lebens umgehen zu können oder zu wollen" (S. 211). Ist die Geschichte der Reformation auf dem Lande zumindest für den Verlauf des 16. Jahrhunderts die Geschichte eines Scheiterns? Der Autor zieht diesen Schluss nicht, obwohl er nach seinem ernüchternden Fazit nahe liegen könnte. An einigen Stellen wird aber deutlich, dass mit den hoch gebildeten Visitatoren, aber auch den studierten und examinierten Pfarrern und den ländlichen Gemeinden Welten aufeinander stießen. So klagte um 1580 die Gemeinde Eutritzsch über die langen Predigten mit vielen lateinischen "Worten, die man offenbar nicht verstand, und gab zu bedenken, dass man zwischen Ostern und Michaelis wegen der Feldarbeit den Gottesdienst an Wochentagen nicht besuchen könne (S. 129). Nicht nur in der mangelnden Kirchlichkeit in den Gemeinden lag ..der hunclt begraben", wie der Leipziger Superintendent Pfeffinger 1555 meinte (S. 105), sondern sicherlich auch in einer Uberforderung der ländlichen "Welt. Angesichts der interessanten Ergebnisse, die in der Zusammenfassung deutlich werden oder auch nur anklingen, ist es bedauerlich, dass der Verfasser nicht durch die Wahl eines systematischen Ansatzes die Problemfelder mit den jeweiligen Quellenbelegen im Zusammenhang behandelt und den konsequenten Blick von der Gemeinde her gesucht hat. So bleibt eine detailreiche, solide Arbeit, die unsere Kenntnisse über die sächsischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts und die kirchlichen Zustände auf dem „platten Land" erheblich erweitert, aber ihren Anspruch, das "Werden der evangelischen Landeskirche in der konkreten Gemeinde nachzuzeichnen, nur teilweise erfüllt. Potsdam
Michael
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SCHIRMT7,?!, Uwe: K u r s ä c h s i s c h e Staatsfinanzen ( 1 4 5 6 - 1 6 5 6 ) . Strukturen - Verfassung - Funktionseliten (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Bd. 28). Stuttgart: Steiner 2006. ISBN 978-3-515-08955-5. - 1 0 0 7 S., 91 s/w-Tab., 12 Graph., 24 Tab. im Anhang; 96,- Euro. Die kursächsischen Staatsfinanzen in der frühen Neuzeit sowie die Analyse der materiellen Grundlagen dieses bedeutenden Temtorialstaates in allen Verästelungen — dies ist das große Thema des Leipziger I Iistorikers und Archivars Schirmer, welches er in vielen Finzelstudien untersucht hat. In seiner rund 1000-seitigen Habilitationsschrift hat er sich erneut diesem Untersuchungsgegenstand zugewandt: Von 1156, dem Jahr einer ersten Finanzreform unter Kurfürst Friedrich dem Streitbaren, bis 1656, dem Todesjahr Johann Georgs I., reicht seine gewichtige Studie, in deren Mittelpunkt das ernestinisclie, später albertinische Kurfürstentum Sachsen steht. Von der Leipziger Teilung im Jahre 1485 bis zur so genannten Wittenberger Kapitulation - dem Verlust der Kurwürde der ernestinischen Linie und ihrem Übergang an die Albertiner im Jahre 1547 bezieht er auch das I Ierzogtum Sachsen mit ein. Weshalb er für die 30 Jahre von 1156 bis 1185 diesen Landesteil außer Acht lässt, wird nicht begründet. Die Einnahmen und Ausgaben Kursachsens, seine Liquiditätskrisen, die fürstlichen Schulden und ihre Hintergründe werden detailliert aus den Quellen herausgearbeitet und analysiert. Dabei kommt den Institutionen der Finanzverwaltung und ihrer Entwicklung, die vom spätmittelalterlichen Landrentmeister bis zu fürstlichem Rentamt und landständischem Obersteuerkollegium im 17. Jh. reichte, eine wichtige Rolle zu. Den „Funktionseliten" und ihren Trägern räumt Schirmer mit Recht großen Raum ein, da er sie als Hauptakteure im Umwandlungsprozess vom mittelalterlichen zum frühneuzeitlichen Staat begreift. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen immer wieder die Landstände, die ihre Stellung in dem Maße weiter ausbauen konnten, wie der staatliche Kreditrahmen weiter gesteigert wurde - zum einen, da sie vielfach als Gläubiger des Fürsten in die Finanzpolitik verflochten waren, zum anderen als Bewilligungsorgane, Steuereinnehmer und Kontrolleure von dessen Finanzgebaren. Den Einnahmen des Staates, Linter denen an erster Stelle die Erträge der Silbererzbergwerke zu nennen sind, aus denen seit dem 15. Jh. Kursachsen seinen fast sprichwörtlichen Reichtum bezog, sodann die direkten und indirekten Steuern sowie die Erträgnisse der Ämter stellt S. die Ausgaben gegenüber: Immense Summen verschlangen die fürstliche I Iofhaltung, I Iof- und Reichstage, I Iochzeiten und nicht zuletzt die Kriegsführung. Aus diesen Zahlen rekonstruiert S. den jeweiligen Jahresetat, „um auf dieser Datengrundlage Vergleichswelte zu schaffen" GS. 25). Auf diesem statistischen Material - insgesamt gelang die Rekonstruktion von ca. 70 Haushalten, die Scliirmer im Hinblick auf ihre Gesamteinnahmen und Ausgaben noch einmal komprimiert in Form von zwei Tabellen darbietet - basiert die finanzgeschichtliche Analyse des Autors; sie sind von elementarer Bedeutung für die Arbeit. Die Erhebung dieser Statistiken und die daraus erarbeiteten Ergebnisse, die er in rund 100 Tabellen aufgeschlüsselt präsentiert, stellen eine bewundernswerte Forschungsleistung dar, die große Anerkennung verdient. In vier chronologischen Kapiteln analysiert S. die großen Fntwicklungslinien der von ihm ausgewählten 200 Jahre: Aus der Untersuchung der finanziellen Verhältnisse leitet er die Entwicklung von der „Dezentralisierten Staatlichkeit" des ausgehenden Mittelalters über den „Finanzstaat" und den „Finanz-, Wirtscliafts- und Verwaltungsstaat" des 16. Jlis. bis hin zum „Steuer und Verwaltungsstaat" des 17. Jhs. ab. Zwischen 1456 und 1656 vervielfachten sich die sächsischen Gesamteinnahmen vor allem aufgrund von Etatsteigerungen durch Kreditfinanzierung, Steuererhöhungen und die stärkere Ausschöpfung aller finanziellen Ressourcen. Dies war nur möglich durch eine effizientere Finanzverwaltung: Im 15. Jh. bestand sie lediglich aus der
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Kammer, deren Möglichkeiten schon dadurch beschränkt waren, dass in sie nicht alle Einkünfte des Landes flössen, aus der Freiberger Münze sowie weiteren lokalen Einnahmestellen. Eine erste Differenzierung fand mit der Einsetzung von Landrentmeistern seit 1469 statt. Angesichts der Anspannung der finanziellen Verhältnisse durch das vermehrte politische Engagement von Albertinern und Ernestinern im Reich um die Wende des 16. Jlis. stieg der Einfluss der Gläubiger und damit der Stände auch in der Finanzverwaltung, bis 1570 eine eigene landständische Steuerverwaltung mit einem Obersteuerkollegium an der Spitze gegründet wurde. Zu dem zu analysierenden Umformungsprozess gehörten neben den Fürsten notwendigerweise Finanzfachleute und adeliges I Iofpersonal hinzu. Die vielfältigen Verflechtungen werden in der Untersuchung immer wieder thematisiert - so auch die Rolle des Adels als Gläubiger der Fürsten und als Mandatsträger innerhalb der Zentral- und Lokalverwaltung. Insgesamt gelingt es Schirmer herauszuarbeiten, in welchem Maße sich die Einbeziehung der Landstände sowie adeliger und bürgerlicher Eliten in den sich ausprägenden Verwaltungsstaat und in die fürstliche I Iofverwaltung auswirkten. Bei dem Versuch, so die immanenten Strukturen und die Verfassung des frühneuzeitlichen Fürstenstaates offenzulegen, kommt S. immer wieder auf die Funktion des landesherrlichen Hofes als Integrationsinstrument und auf die Hofkultur zurück. Dass S. gleichwohl kein „Hofforscher" ist, zeigt sich in einem kurzen Abschnitt mit der Überschrift „Der Hof: Definitionsprobleme". Zwar nennt S. die einschlägige Literatur, meint aber, dieses Phänomen noch einmal neu deuten zu müssen. Wenn Verf. den I Iof „als komplexes sozial-kulturelles, administratives und organisatorisches System" beschreibt und mit Norbert Elias zu dem Schluss kommt, die personelle ..Dazugehörigkeit" zum I laus und zur I Iaushaltung sei konstituierend für die Bestimmung des Hofes, dann sind dies leider „Binsenwahrheiten", die man in einer Habilitationsschrift nicht erwarten würde (S. 102-105). Schirmer beginnt seine Studie mit der Reform des Jahres 1156, die unter anderem eine Beschränkung und Fixierung der Einkünfte der Amtleute vorsah und zudem eine Einschränkung der Reiseherrschaft, die man jetzt erstmals auch als Kostenfaktor wahrnahm - während die mangelnde Kontrolle der Amtleute, der Vögte und Schösser in den Ämtern zunächst nicht beseitigt wurde. Die Erträge der Ämter um die Mitte des 15. Jlis. stuft S. als gering ein, dabei außer Acht lassend, dass sie durch das vorwaltende Anweisungssystem - der Fürst erteilte seinem Gläubiger eine Anweisung auf eine in einem beliebigen Amt zu erwartende Einnahme - schon an Ort und Stelle abgeschöpft wurden. Die Bedeutung der Kammer wie des Kammermeisters war demzufolge nicht besonders ausgeprägt, zumal der Freiberger Münzmeister, der die Erträge aus dem Bergbau kontrollierte, über größere Einkünfte und damit über mehr Einfluss verfügte als die Kammer. Auch durch die Hände von Küchenmeister und Türknecht, der die persönliche Schatulle des Herrschers führte, flössen Geldsummen - allerdings ist die Auffassung Schirmers, der Kammermeister habe „die Konkurrenz von Küchenmeister und Türknecht dulden müssen", nicht schlüssig: Weder Küchenmeister noch Türknecht erhielten Geld vom Fürsten. Vielmehr rechneten sie immer direkt mit Kammer- oder Münzmeister ab, die ihre jeweiligen Kassen auffüllten. Diese unübersichtliche Situation wurde durch eine Instruktion des Kanzlers Georg von Haugwitz im Jahre 1156 zumindest teilweise verbessert. Das Original dieses wichtigen, ein ganzes Paket von Reformvorschlägen umfassenden Dokuments liegt in Moskau, eine Abschrift ist nicht vorhanden. Leider erfahren wir nur unzureichend, von w e m S. diese Information hat: Sie stammt aus der ungedruckten Dissertation von I Iugo Grosse, der für seine Dissertation diese Quelle noch auswerten konnte und sehr wichtige Ansätze zu einer kursächsischen Finanzgeschichte geliefert hat. Es wäre redlicher gewesen, an dieser Stelle die Arbeit von Grosse nicht nur beiläufig zu nennen, sondern auch auf den von ihr gelieferten Erkenntnisgewinn einzuge-
BENACHBARTE GEBIETE
459
hen (S. 60 ff. ). Einen weiteren Schub erhielten die Reformbestrebungen der kursächsischen Finanzverwaltung mit dem Amtsantritt des ersten wettinischen Landrentmeisters Johann von Mergenthal. Seit 1477 wurde es dann möglich. Umfang und Struktur des wettinischen Haushalts zu ermitteln: dank des Hofbeamten Hans Gunterrode, der für das Jahr 1177/78 erstmals eine gut strukturierte Rechnung niederlegte. Danach setzten sich die Einkünfte den Erträgen aus dem Silberbergbau und den Ämtern, den Stadtsteuern, den Schutz-, Gerichts- und Tuchgeldern, dem Ungelcl und wenigen direkten Steuern zusammen. Zu Beginn des 16. Jhs. war die ernestinische — kursächsische - Verwaltung der albertinisclien - herzoglichen - überlegen; sie hatte sich weitgehend vom Fürsten emanzipiert. Diesen Vorsprung holte der Albertiner und spätere Kurfürst Moritz mit einer Verwaltungsreform auf. Sein Nachfolger, Kurfürst August, führte weitere Reformen durch und stellte die Arbeit von Kammer und Geheimem Rat auf eine neue Grundlage. Zeitweise hob er allerdings die Kammer als eigenständige Finanzbehörde auf und versuchte sich erneut im persönlichen Regiment. Die Begründung des Obersteuerkollegiums im Jahre 1570, das keineswegs als eine unabhängig von den Interessen des Fürsten agierende Institution betrachtet werden kann, stellt einen weiteren Markstein in der Entwicklung der Finanzverwaltung dar. Ein „kursächsisches Spezifikum" (S. 883) war dies allerdings nicht - betrachtet man beispielsweise die Entwicklung im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, so findet man in dem 1598 gegründeten Schatzkollegium ganz ähnlich geartete Strukturen und vergleichbare personelle Verflechtungen. Der ausgeprägte Steuer- und Verwaltungsstaat stellte seine Effizienz vor allem zu Beginn des 17. Jhs. in einer Phase unter Beweis, als Kurfürst Christian IE nicht in der Lage war, die Regierungsgeschäfte zu führen, die Verwaltung aber weiterhin funktionierte. Als Fazit bleiben einige kritische Anmerkungen, auch wenn die immense Stofffülle, die Scliirmer bewältigt hat, alle Anerkennung verdient und die Grundlagenforschung, die das vorgelegte Werk bietet, noch lange Bestand haben wird. Die Regierungszeiten von insgesamt zwölf albertinischen und ernestinischen Fürsten werden von Schirmer durchleuchtet, zweifellos ein langer Zeitraum, der von der Blütezeit des späten Mittelalters über die Kipper- und Wipperzeit bis in die Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg reicht. Der Autor weiß um diese Problematik. Ein größerer Untersuchungszeitraum, so sein Hauptargument, bringe auch größeren Erkenntnisgewinn; der Dreißigjährige Krieg war deswegen in den Untersuchungszeitraum einzubeziehen, weil er in dem Staatswerdungspozess Kursachsens keine Zäsur dargestellt habe (S. 23). Gleichwohl sah sich S. mit einer enormen Menge an Quellen konfrontiert, die von vornherein eine Beschränkung des Themas notwendig machte: „Vorrang haben die zentralen kursächsischen Finanzen!" (S. 18). So sei etwa die Kipper- und Wipperzeit nicht im Detail darstellbar gewesen. Verschärft wird das Problem des überaus umfangreichen Bearbeitungszeitraums noch dadurch, dass, abgesehen von wenigen, allerdings wichtigen Einzelstudien, fast alle Erkenntnisse „den Akten abgerungen" werden mussten. Angesichts dieser Materialfülle konnten „ca. 240 Findbücher des Geheimen Finanzarchivs im Sächsischen I Iauptstaatsarchiv Dresden" nur sporadisch durchgesehen werden (S. 48); eine Tatsache, die man dem Autor angesichts seines treuherzigen Eingeständnisses gerne verzeiht; man fragt sich gleichwohl, ob nicht eine zeitliche Beschränkung dem Buch gut getan hätte. Zur Straffung hätte es auch beigetragen, wenn sich Scliirmer in der Darstellung des Forschungsgegenstandes weniger mit der ForschungsgeiT/.)/c/jte seines Themas befasst, als vielmehr referiert hätte, welche Forschungsergebnisse für ihn erkenntnisleitend waren. Wiesbaden
Brigitte Streich
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU FÜR 2008 Bearbeitet von Lorenz Friedrich Beck
Redaktionsschluss für die als Jahrgang 2007 erschienenen Periodika war der 31. 7. 2008. Alle danach erschienenen Bände des Jahrgangs 2007 finden Aufnahme erst in Band 55 (2009). Die Umschau erfasst nachträglich auch die zum Redaktionsschluss von Band 53 (2007) noch nicht vorliegenden Periodika des Jahrgangs 2006.
A. ALLGEMEINES (in landschaftlich bezogener Auswahl) 1. Hilfswissenschaften A rch ii · fii r Diplomatih
53
Andrea STIELDORE: Zum „Verschwinden" der herrscherlichen Placita am Beginn des 9. Jahrhunderts, S. 1-26. Wolfram ZIEGLER: Überlegungen zur Datierung dreier Diplome König Konrads III. (1138-1152), S. 123-136. Andrea RzniACEK/Renate SPREITZER: I Ianc paginam sigillo nostro iussimus communiri. Siegel und Besiegelungspraxis der Urkunden König Philipps von Schwaben, S. 175-203. Walter ZIEGLER: Der "Wechsel im Kanzleramt Linter Philipp von Schwaben 1202, S. 205-212. Bernhard LÜBBERS: Überlegungen zum Rechnungswesen der Zisterzienser im Mittelalter. Zugleich ein Versuch der Typologie spätmittelalterlicher Klosterrechnungen, dargelegt am Beispiel der Aldersbacher, I Ieilsbronner sowie Kaisheimer Rechnungen, S. 323-351. Toni DIEDERICII: Siegelurkunde - Notariatsinstrument - Schreinseintrag. Zur Rechtssicherung von Liegenschaften und Frbzinsen im spätmittelalterlichen Köln, S. 353-365. A t xh it'für Κι ι Iturgesch ich te 89 Hans Eberhard MAYER: Gleichnamige Geschwister im Mittelalter, S. 1-18. Archivalische Zeitschrift 89 Jens BT.ECTTF.R: Die Siegel der Universität Leipzig. Bedeutung, Symbolik und Siegelführung vom 15. bis zum 20. Jahrhundert, S. 269-105. Beiträge zur hraiideiihurgisch-preiißischeii
Numismatik
14
Gisela und 11ermann MALCHOW: Die Amtszeichen in den Ostprovinzen der preußischen Monarchie, S. 91-116.
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Z E I T S C H R I F T E N U M S C H A U
A L L G E M E I N E S
Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 29 Karin NICKET.SEN: .On employera les meilleurs Graveurs pour les Figures". Zeichner und Stecher der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1700-1806, S. 293-308. Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 12/2 Georg SCHEIBELREITER: Tiersymbolik und Wappen im Mittelalter: grundsätzliche Überlegungen, S . 9-23. Deutsches Archiv 63 Peter ORTH: Über Nutzen und Perspektiven eines gedruckten Initien-Verzeichnisses, S. 125131 Johannes FRIED: Z U Herkunft und Entstehungszeit des „Constitutum Constantini". Zugleich eine Selbstanzeige, S. 603-612. Geldgeschichtliche Nachrichten 42 Hermann Ji )NGHANS: Der Rand der Münze, S. 215-217. Jaroslav ΗΙΪΛΒΛΝΕΚ: Mögliche Silberquellen für die Prägung von Prager Groschen im Mittelalter, S. 250-257. Genealogie 56 Fckart HENNING: Genealogie - Standortbestimmung und Perspektiven, S. 715-730. Peter BAHL: Genealogie in Gegenwart und Zukunft. Nachdenklich-besorgte Anmerkungen, S. 731-739. Genealogisches Jahrbuch 44 Otto BÜCHER: Die Luther-Rose. Martin Luthers Siegel und die Wappen der Reformatoren, S. 5-25. Johannes M Ö T S C H : Die Grafen von Henneberg-Römliild, S . 2 7 - 1 2 . Bodo HEIL: Landgraf Philipps des Großmütigen von Hessen Verstoß gegen die Ehenormen und die Folgen für einen seiner Beamten, S. 119-122. Herold-Jahrbuch, Neue Folge 12 Michael AUTENGRUHER: Die Dekoration des „Frsten Hrblichen Ritters" des 11eiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, S. 2-20. Bernhard VON BARSEWISCH: Die dänische Nobilitierung des preußischen Finanzministers Citri August Struensee von Carlsbach 1789. Mit einem heraldischen und einem genealogischen Anhang, S. 21-19. Carmen KÄMMERER: Städtewappen in der Piccard-Wasserzeichendatenbank, S. 12,3-142. Waldemar SCHUPP: Das Vorkommen von Chronogrammen in Sachsen-Anhalt. Fine Dokumentation, S. 143-188. Karl-Heinz STEINBRUCH: Zur Geschichte der Staatsheraldik der Vorgängerterritorien der Länder der Bundesrepublik Deutschland. Teil 6: Sachsen und Sachsen-Anhalt, S. 189-200. Rolf SUITER: "Wolfram von Eschenbach als „Genealoge" und „Heraldiker" - der Parsival-Roman, S. 201-219.
463
Archive und Quellenkunde
Letopis 54/2 Jens-Fberhard JAHN: Spandau als sorbisch-hevclliscli-niederdcutschcs Toponym. Hin Beispiel für die Notwendigkeit historischer Kontakt- und Soziolinguistik, S. 110-117. Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde 16 Gerd SCHARFENBERG: Die Dienstauszeichnungen der anhaltischen Gendarmerie 1817 bis 1918, 57-67.
S.
Neues Archiv für Sächsische Geschichte 78 Siegfried HÖVER: Der Verein für Geschichte und historische Hilfswissenschaften „Roter Löwe" an der Universität Leipzig 1880-1918, S. 267-282. Niederlausitzer Studien 34 Walter WENZEL: Die Slawengaue Selpoli, Nice, Luzizi und Zliuunini im lichte der Orts- und Personcnnamen, S. 37-48. Stier und
Greif
I Ians-I Ieinz SCIIÜTT: Wappenlandschaft Mecklenburg-Vorpommern. Die Wiederbelebung und Erneuerung des kommunalen Wappen- und Flaggenwesens seit 1990, S. 4—19. 17 Dieter GREVE: Sammlung, Archivierung und Deutung der Flurnamen - eine Aufgabe der Volkskunde, S. 17-31.
2. Archive und Quellenkunde Altpreußische Geschlechterkunde, Neue Folge 3 7 Arkadiusz WELNIAK: Das Staatsarchiv Elbing mit Sitz in Marienburg und seine Bestände aus der Zeit vor 1915, S. 1-8. DERS.: Gerichtsakten aus der Zeit vor 1945 im Bestand des Staatsarchivs Flbl^g (Flbing) mit Sitz in Malbork (Marienburg), S. 9-16. Manfred PASCIIEDAG: Der Flurnamensammler für die Gebietsteile Regierungsbezirk Königsberg, Regierungsbezirk Allenstein, Regierungsbezirk Gumbinnen, Regierungsbezirk Westpreußen, Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen und Freie Stadt Danzig in der Zeit zwischen 1921 und 1930, S. 131-161. Archivalische Zeitschrift 89 Sabine DUMSCIIAT: Archiv oder „Mülleimer"? Das „NS-Archiv" des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR und seine Aufarbeitung im Lkindesarcliiv, S. 119-116. Karsten J E D L H S C H K A : Quellen aus über 350 Jahren Wissenschaftsgeschichte. Das Archiv der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle (Saale): Entwicklung, Beständeprofil, Zugang, S. 147-170. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Elmar SEEBOLD: Zur Entstehung der „Lex Salica", S . 3 8 7 - 4 0 1 .
129
464
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU ALLGEMEINES
Beiträge zur Geschichte
Westpreußens
19
Cordelia I Ir.ss: I I e i l i g e n v e r e h r u n g in P r e u ß e n - D i e K a n o n i s a t i o n s a k t e n D o r o t h e a s v o n M o n t a u als Q u e l l e zur Mentalitätsgeschichte, S. 9 - 2 8 . W i e s l a w SIERADZAN: D i e S t a d t p l ä n e M a r i e n b u r g s aus d e m 17. b i s 19. J a h r h u n d e r t . A u f d e m "Wege zur V e r ö f f e n t l i c h u n g d e s H i s t o r i s c h e n Atlasses, S. 1 1 3 - 1 1 0 .
Berlin in Geschichte
und Gegenwart
2007
Vera BENDT: Frnst u n d Frieda K a e b e r . F i n e d e u t s c h - j ü d i s c h e F h e im Nationalsozialismus, S. 151-167. Martin LUCHTERHANDT: „ R e k o n s t r u k t i o n " e i n e r Registratur. D i e Ü b e r l i e f e r u n g d e s E r b g e s u n d lieitsgerichts B e r l i n im Landesarchiv Berlin, S. 2 0 9 - 2 2 8 . A n d r e a s MATSCHENZ: Ein a n s p r u c h s v o l l e s Erbe. D i e S a m m l u n g G ü n t h e r Schulz im Landesarchiv Berlin, S. 2 5 1 - 2 5 5 .
Brandenburgische
Archive 24
W e r n e r HEEGEWAEDT: Ein u n g e w ö h n l i c h e r D a c h b o d e n f u n d - D a s W a p p e n p r i v i l e g K ö n i g Ferdin a n d s I. für V e t s c h a u v o n 1 5 1 8 , S. 5 - 1 1 . F r a n k SCHMIDT: Ü b e r n a h m e v o n U n t e r l a g e n aus der S a m m l u n g „NS-Archiv d e s Ministeriums für Staatssicherheit" in das B r a n d e n b u r g i s c h e Lancleshauptarchiv, S. 1 9 - 2 5 . Klaus NEITMANN: Vom Nutzen d e s Archivs für die I Iistorie u n d das Leben. D e r Beitrag d e s B r a n d e n b u r g i s c h e n L a n d e s h a u p t a r c h i v s zur b r a n d e n b u r g i s c h e n Z e i t g e s c h i c h t s f o r s c h u n g , S. 6 8 74. Katrin VERCH: D i e I J b e r s i c h t ü b e r die L?estände d e s B r a n d e n b u r g i s c h e n L a n d e s h a u p t a r c h i v s aus der Zeit 1 9 5 2 - 1 9 9 0 - B e m e r k u n g e n z u m Inhalt und z u m Z w e c k d e s W e r k e s , S. 7 1 - 7 6 .
Die alte Stadt 34 V o l k m a r FIDEOTIE Stadthistorische B e s t a n d s a n a l y s e . G e s c h i c h t e - T h e o r i e - Praxis, S. 1 3 1 - 1 4 5 .
Familienforschung
in Mitteldeutschland
48
K i r c h e n b u c h b e n u t z u n g im F o r s c h u n g s g e b i e t der A r b e i t s g e m e i n s c h a f t für m i t t e l d e u t s c h e Famil i e n f o r s c h u n g . Aktuelle B e r i c h t e aus d e n e v a n g e l i s c h e n L a n d e s k i r c h e n a r c h i v e n : - P e t e r BAUE: V o r b e m e r k u n g , S. 3 f. - G ü n t e r PRECKEE: E v a n g e l i s c h e L a n d e s k i r c h e Anhalts, S. 4 f. - J ü r g e n STENZEE: E v a n g e l i s c h e K i r c h e Berlin-LSrandenburg-sclilesisclie Oberlausitz, S. 5 f. - Margit SCHOLZ: F ö d e r a t i o n E v a n g e l i s c h e r K i r c h e n in Mitteldeutschland, S. 13 f. - Ulrike REINEELDT: P o m m e r s c l i e E v a n g e l i s c h e Kirche, S. 17 f. Astrid SCTTEEGEE: D i e F r i e d h o f s b ü c h e r d e r Freireligiösen G e m e i n d e B e r l i n als familien-, sozialuncl s t a d t g e s c h i c h t l i c h e Q u e l l e , S. 2 1 4 - 2 2 0 .
Germanoslavica
18
L i b u s e SPACILOVÄ: D i e O l m ü t z e r G e r i c h t s o r d n u n g v o n H e i n r i c h P o l a n aus d e m J a h r e 1 5 5 0 als T e x t s o r t e . Ein B e i t r a g zur U n t e r s u c h u n g f r ü h n e u h o c l i d e u t s c l i e r R e c h t s t e x t e , S. 4 9 - 6 2 .
Harz-Zeitschrift
59
A l e x a n d e r LEHMANN: Z w e i A u f s c h w ö r t a f e l n d e s G r a f e n Christian Ludwig zu Stolberg, S. 1 5 - 2 6 .
ARCHIVE UND
QUELLENKUNDE
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Heroldjahrbuch, Neue Folge 12 I Ians-Christian I IERRMANN: Das Eamilienarchiv der Grafen von Lehndorff. Findbuch zum Bestand 21950 im Sächsischen Staatsarchiv/Staatsarchiv Leipzig, S. 61-112. Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft 20 Winfried LSAUMGART: Bismarck und der deutsche Krieg 1866 im Lichte der Edition von Band 7 der ..Auswärtigen Politik Preußens", S. 93-115. Historische Zeitschrift 284 Eckhard MÜLLER-MERTENS: Imperium und Regnum im Verhältnis zwischen "Wormser Konkordat und Goldener L?ulle. Analyse und neue Sicht im Lichte der Konstitutionen, S. 561-595. Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilbelms-Unwersität zu Breslau XLVII-XLMII Karl Heinz BARTELS: Die Breslauer Medizinal-Statuten aus der Mitte des 1 4 . Jahrhunderts, S.
11-26.
Gundolf KEIL: Das „LSreslauer Arzneibuch" und sein fachliterarisches Umfeld, S. 27-16. Haiina Malikowska: Der Breslauer Liber indulgentiarum und andere Quellen zur Erforschung spätmittelalterlicher Pilgerfahrten, S. 1 7 - 5 1 Ewa WÖLKTEWTCZ: Viri docti et secretorum conscii. Kanzleipersonal im spätmittelalterlichen Breslau, S. 85-112. Marta MLYNARSKA-KAT.ETYNOWA; Die Rotuli des Prämonstratenserstiftes St. Vinzenz auf dem Elbing in Breslau aus der zweiten Hälfte des 13. und aus dem 11. Jahrhundert, S. 127-138. Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 58 Eckart I IENNINU: ..Der Listenreiche". Zum 60. Todestag des märkischen Archivars Reinhard Lüclickc am 22. Juli 2007, S. 161-173 Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 57 Helmut REITZ: Zur Überprägung von mittelalterlichen Brakteaten, S. 127-132. Jens HECKL: Vom Erfurt-L?lankenhaynischen Cassenbillet zum Blockadeschein der Stadt Erfurt von 1813 (Belagerungsgeld der Erfurter Blockade), S. 143-194. Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 43 Martin HOLLENDER: Chemiker, Industrieller, Kunstmäzen, Universitätsstifter. Ludwig Darmstaedter und seine Dokumentensammlung in der Staatsbibliothek zu Berlin, S. 106-139. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsschreibung U5 Othmar I I A U E N E D E R / A n c l r e a SOMMERT.ECIINER: Die Edition der Kanzleiregister Papst Innocenz' III. - Eine Bestandsaufnahme, S. 112-120. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz 7 Stefan LINDEMANN: Findbuch zum Pfarrarchiv Rühstädt, S. 21-68. Niederlausitzer Studien 34 Fritz B Ö N I S C I I : Vetschauer Wappenbrief von 1548 gefunden, S. 27-36. Konrad PASSKÖNIG: Niederlausitzer Urkunden im Landbuch von Schweidnitz-Jauer, S.
19-53.
466
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU ALLGEMEINES
Oberschlesisches Jahrbuch 18/19 Peter CIIMIEL: Oberschlesische Ortsnamen im historischen Wandel,
S.
77-86.
21/22 Zdzislaw ( T ^ B O L Y S : Zrödla do dziejöw bibliotek niemieckich w wojewödztwie slaskim ( 1 9 2 2 1939) w polskich i niemieckich archiwach (Quellen zur Geschichte deutscher Bibliotheken in der Woiw. Schlesien [1922-19391 in polnischen und deutschen Archiven). Preußenland 45 Bernhart JÄHNIG: Der Bestand „Manuscripte" (Msc) im Historischen Staatsarchiv Königsberg, S. 1-11. Zeitsch rift für Ostm itteleitropa-Forsch 11 ng 56 Dorothee M. GOEZE: ..Gott segne ferner sein Vorhaben". Silesiaca in der Dokumentensammlung des 11erder-Instituts, S. 2 9 5 - 3 0 7 .
3. Geschichtsschreibung Archiv für Kulturgeschichte 89 Volker LEPPIN: Fine Rettungsgeschichte am Rande der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt. Zur Konstitution von Erinnerungen in einer Jubiläumskultur, S. 111-166. Baltische Studien 93 Norbert BUSKE: Bischof Otto von Bamberg - ein I Ieiliger wird zum Leitbild der pommerschen Geschichte, S. 29-46. Blätter für deutsche Landesgeschichte 141/142 Winfried SPEITKAMP: Landesgeschichte und Geschichtsvereine in der NS-Zeit, S . 1-18. Klaus NEUMANN: Willy Hoppe, die brandenburgische Landesgeschichtsforschung und der Gesamtverein der deutschen Geschichte- und Altertumsvereine in der NS-Zeit, S. 19-60. Fnno BÜNZ: hin Landeshistoriker im 20. Jahrhundert - Rudolf Kötzschke (1867-1945) zwischen methodischer Innovation und Volksgeschichte, S. 347-368. Karlheinz BLASCHKE: Rudolf Kötzschke - der Lehrer, der Forscher, der Wegweiser, S. 393— i l l. Karl Dm': Zwischen Raum und Rasse. Die „moderne Landesgeschichte" während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, S. 115-118. Carsten SCHREIBER: Als Historiker für die SS im „Osteinsatz". Der Landes- und Siedlungshistoriker Werner Fmmerich (1908-1968) als Vertreter der Generation der Sachlichkeit, S. 4 4 9 474. Klaus NEITMANN: Fine wissenschaftliche Antwort auf die politische I Ierausforclerung des geteilten Deutschlands und Europas: Walter Schlesinger, die ost(mittel)deutsche Landesgeschichte und die deutsche Ostforschung, S. 175-518. Karl BRUNNER: Die Landesgeschichte und ihre Bilder, S . 519-530. Jan BRADEMANN/Michael HECHT: Anhalt vom Mittelalter bis 1918 - eine integrative Dynastie und I Ierrschaftsgeschichte, S. 531-576.
Gl· SCI HCl ITSSC1 IRLIBtJNG Bohemia 47 Jiri Κ Ν Α Ρ τ ' Κ / J a r o m i r a KNAPIKOVÄ: Schlesien - eine grafie nach 1989, S. 403-411.
I
Ierausforderung für die tschechische
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I
Iistorio-
Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, Neue Folge 17 Michael ROHRSCHNEIDER: Friedrich der Große als Historiograph des Hauses Brandenburg, S. 97-121. Germanoslavica 18 Joachim KöHLER/Rainer BENDEL: Bistumsgeschichte nicht nur zur Selbstvergewisserung. Plädoyer für eine Geschichte des christlichen Lebens in Schlesien, S. 27-18. Geschichte in Köln 53 Manfred GROTEN: Perspektiven der mediävistischen Landesgeschichtsforschung, S. 137-150. Herold-Jahrbuch, Neue Folge 12 Eckart HENNING: „Das Unsichtbare sinnfällig machen". Zur Erinnerung an Percy Ernst Scliramms „Herrscliaftszeiclien", S. 51-60. Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft 20 I Ielmut Wilhelm S C H A U E R : Die „Publikationsstelle Berlin-Dahlem" und die deutsche Osteuropaforschung in der Zeit von 1933 bis 1915, S. 191-216. Historische
Zeitschrift
Andre KRISCIIER: Das diplomatische Zeremoniell der Reichsstädte, oder: Was heißt Stadtfreiheit in der Lürstengesellschaft?, S. 1-30. 285 Johannes SÜSSMANN: Die Wurzeln des Wohlfahrtsstaats - Souveränität oder Gute Policey?, S. 19-18. Marcus SANDT.: 11eilige Stagnation. Mediale Konfigurationen des Stillstands in der großdeutschkatholischen Geschichtsschreibung des frühen 19. Jahrhunderts, S. 529-563. Winfried BECKER: Kommentare/Diskussion: Line kleine Würdigung der großdeutschen I Iistoriograpliie des Vormärz. Kommentar zu Markus Sandl, S. 565—59 i. Marcus SANOL: Kurzer Kommentar zu Winfried Beckers Beitrag, S. 595-598. fahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhehns-Universitcit zu Breslau XLVII-XLVIII Wojciech MROZOWTCZ: Die Geschichtsschreibung Breslaus im Mittelalter, S. 65-84. fahrblich für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 66 Christian-Erdmann S C H O T T : 1 9 1 5 bis 2 0 0 5 . Sechzig Jahre schlesische Kirchengeschichte. Tendenzen - Perspektiven, S. 1 0 5 - 1 1 9 . Jahrbuch für Regionalgeschichte und Landeshunde 25 Andreas RÜTHER: Flüsse als Grenzen und Bindeglieder. Zur Wiederentdeckung des Raumes in der Geschichtswissenschaft, S. 29-44.
468
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU ALLGEMEINES
Jahrbuch Preußischer Kultlirbesitz 42 Jürgen KLOOSTERIIUIS: ..Der alte unci der junge König". Warnungen vor einem .Preußen-Film", S. 245-264. Komimikaty Mazursko-Warminskie 257 Wojciech WRZESINSKI: „Komunikaty Mazursko-Warmiiiskie" - 50 lat olsztynskiego kwartalnika historycznego („Komunikaty Mazursko-Warmmskie" — 50 Jahre Tätigkeit einer Olsztyner Vierteljahresselirift für Geschichte), S. 287-294. Andrzej KOPTCZKO: I Iistoria regionalna na lamaeh „Stucliöw Warminskich" w lataeh 1964—2003 (Regionalgeschichte als Thema der Jahresschrift „Studia Warminskie" in der Zeit von 1961 bis 2003), S. 295-316. Jerzy SIKORSKI: „Rocznik Olsztynski" ( 1 9 5 8 - 1 9 9 7 ) , S . 3 1 7 - 3 5 2 . Teresa BORÄWSKA: Sredniowiecze i pocz^tki czasöw nowozytnych (X wiek-polowa wieku XVI) na lamaeh Komunikatow Mazursko-Warmmskich (Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit (vom 10. Jahrhundert bis zu der Hälfte des 16. Jahrhunderts) als Thema der Vierteljahresselirift „Komunikaty Mazursko-Warmiiiskie"), S. 3 5 3 - 3 7 1 Jozef A. W I O D A R S K I : Histografia epoki nowozytnej na lamaeh „Komunikatow MazurskoWarmmskich'' w latach 1957-2006 (Die Geschichtsschreibung der Neuzeit als Thema der Vierteljahresschrift „Komunikaty Mazursko-Warmiiiskie" in den Jahren 1957 bis 2006), S. 375-384. Kazimierz WAJDA: Dzieje XIX i XX wieku na lamaeh „Komunikatow Mazursko-Warmiilskich" w latach 1957-2006 (Die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts als Thema der Vierteljahresselirift „Komunikaty Mazursko-Warmiiiskie" in den Jahren 1957 bis 2006), S. 385-116. Jan C H I O S I Ä : Przeszlosc Warmii i Mazur na lamaeh naukowych czasopism regionalnycli powstalych po 1989 roku (Die Vergangenheit Frmlancis und Masurens als Thema in den nach 1989 gegründeten wissenschaftlichen Regionalzeitschriften), S. 417—460. Nordost-Archiv, Neue Folge 15 Peter Oliver LOEW: Von Danzig nach Gdansk. Die lokale Geschichtspolitik im Umgang mit narrativen Abbreviaturen im langen 20. Jahrhundert, S. 21-37. Robert PIOTROWSKI: Landsbergs geschichtliches Frbe in Gorzöw, S. 60-88. Siedln ngsforsch 11 ng 24 Sebastian BRAIHER: Entwicklungen der Siedlungsarchäologie. Auf dem Weg zu einer umfassenden Umwelt- und Landschaftsarcliäologie?, S. 51-98. Zapiski Historyczue 72/2-3 Marian BISKUP: Torunskie ..Zapiski I Iistoryczne" w latach 1958-2003. Kierunki dzialari, S. 15-43. Zeitschrift für Historische Forschung 34 Rita VOLTMER: Netzwerk, Denkkollektiv oder Dschungel? Moderne Hexenforschung zwischen „global history" und Regionalgeschichte, Populärhistorie und Grundlagenforschung, S. 1 6 7 508. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 55 Ralf MOLKENTIIIN: Phantomzeit und Mediävistik. Oder: Zwölf Jahre ..Mittelalterdebatte" - und was davon zu halten ist, S. 5 8 9 - 6 0 1
MIT1EL- UND OSTDEUTSCHE SOWIE PREUSSISC1IE GESCHICHTE
469
Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 56 Wolfgang KREET: Stadtentwicklung in Schicsien im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Leitlinie zum Forschungsprojekt „Historisch-topographischer Städteatlas von Schlesien", S. 251-277.
4. Mittel- u n d ostdeutsche sowie preußische Geschichte Archil ' fitrKu 1tιirgeschichte 89 Martina GIESE: Graue Theorie und grünes Waidwerk? Die mittelalterliche Jagd zwischen Buchwissen und Praxis S. 19-59. Andreas RANFT: Adel, Hof und Residenz im späten Mittelalter, S. 61-89. Beiträge zur brandenburgisch-preußischen Numismatik 14 Volker SCHWARTZ: Beginn der Salzburger Emigration vor 275, S. 45-53· Berlin in Geschichte und Gegenwart 2007 Guido HINTFRKFUSFR: Pragmatisch oder programmatisch? Zur Retrospektivität von Kunst und Architektur am Berliner Hof zur Zeit Friedrichs III./I. (1688-1713), S. 7-32. BIOS 20/2 Wolfgang BÜCHEL: Krise einer Künstlerbiographie. Essay zur Rezeption von Leben und Werk Karl Friedrich Schinkels, S. 163-193. Blätter für deutsche Landesgesch ichte 141/142 Arnd RETTEMETER u.a.: Kirchspiele und Viertel als „vertikale Einheiten" der Stadt des späten Mittelalters, S. 603-640. Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 12 Ernst-Dieter HEHL: Terror als Herrschaftsmittel des früh- und hochmittelalterlichen Königs, S. 11-23. Wolfgang SEIDENSPINNER: Angst und Mobilität. Die Ausgrenzung der Gauner im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit und die Wirkung von Stereotypen, S. 72-84. Der Staat 56 Reinhard Müsse,NUG: Der Rheinbund, S. 219-267. Foroud SHIRVÄNI: Der Abgeordnetenstatus im Frühkonstitutionalismus, S. 511-56(1. Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Neue Folge 17 Wolfgang NEUGEHAUER: Preußen als Kulturstaat, S. 161-179. Manfred LUDA: Brandenburg - Preußen - I Iohenzollem: Zur wechselnden Titulatur der Landesherren 1609-1873, S. 181-190. Karlheinz GFRLACH: Der Freimaurer Prinz Heinrich von Preußen, S. 191-232. Kai Hu: Das frühe offizielle Preußenbild Chinas. Zur Aufnahme diplomatischer Kontakte zwischen Preußen und China, S. 233-249. Frank BECKER: Die Einstellung der Bevölkerung zum Militär in den preußischen Westprovinzen von 1850 bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges, S. 251-264.
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU ALLGEMEINES
470
Geld und Kapital. Jahrbuch geschichte
9
der Gesellschaft für
mitteleuropäische
Banken-
und
Sparkassen-
(2005/06)
I Iaralcl WIXEORTII: Fine Bank zwischen z w e i Zäsuren. Die Ostbank v o m linde des Frsten bis zum Ende des Zweiten "Weltkriegs, S. 15-16. Geschichte
und Gesellschaft 33
Ronald Ascit: Einführung: Adel in der Neuzeit, S. 317-3-5. DERS.: Staatsbildung und adlige Führungsschichten in der Frühen Neuzeit: Auf d e m Weg zur Auflösung der ständischen Identität des Adels?, S. 375-397. Ewald FIUE: Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts? Eine Skizze, S. 398-115. Monika WIENEORT: Adlige Handlungsspielräume und neue Adelstypen in der „Klassischen Moderne" (1880-1930). S. 116-138. Gunther MAI: Die Agrarische Transition. Agrarische Gesellschaften in Furopa und die I Ierausforclerungen der industriellen Moderne im 19. und 20. Jahrhundert, S. 471-514. Historische
Anthropologie
15
Hubertus BÜSCHEL: Die sanfte Macht der Machtlosen - Rituale, Glückwünsche und Geschenke: Preußens Untertanen und ihre Könige um 1800, S. 82-102. Georg WAGNER-KYORA: „Beruf Kaiserin". Die mediale Repräsentation der preußisch-deutschen Kaiserinnen 1871-1918, S. 339-371. Historische
Zeitschrift
285
Lothar GAU: Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, S. 355-371. Hans-Werner HAHN: „Ohne Jena kein Sedan". Die Erfahrung der Niederlage von 1806 und ihre Bedeutung für die deutsche Politik und Frinnerungskultur des 19. Jahrhunderts, S. 599642. Jahrbuch für brandenbiirgische
Landesgeschichte
58
Günter MÜHLPEORDT: Die Rivalität zwischen Wettinern und Hohenzollern als Handlungsspielraum, Dienst- und Zensuralternative für Christian Thomasiiis und andere Autoren, S. 5975. I Ieinrich LANGE: Nochmals zum Schicksal der preußischen Königs- und Königinnenkronen v o n 1701, 1861 und 1889. Aus den Akten der Generalverwaltung des vormals regierenden Preußischen Königshauses im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kultlirbesitz, Berlin, S. 102113. Jürgen KOCKA: Preußen und Deutschland - ein Spannlingsverhältnis, S. 186-194. Jahrbuch für
Unii'ersitätsgeschichte
10
Ulrich RASCHE: Die deutschen Universitäten zwischen Beharrung und Reform. LJbcr universitätsinterne Berechtigungssysteme und herrschaftliche Finanzierungsstrategien des 16. bis 19. Jahrhunderts, S. 13-33. Marian FÜSSEL: Akademische Lebenswelt und gelehrter Habitus. Zur Alltagsgeschichte des deutschen Professors im 17. und 18. Jahrhundert, S. 35-51. fahrbuch
zur Liberalismus-Forschuug
19
Ansgar LALHERBACH: Zwischen Reform und Opposition: Zum politischen Selbstverständnis von National- und Fortschrittsliberalen in der Ära Bismarck, S. 9-30.
MflTEL- UND OSTDEUTSCHE SOWIE PREUSSISC1IE GESCHICHTE
Mediaevistik
471
20
Claus BERNET: Das I Iimmlisclic Jerusalem im Mittelalter, S. 9-36. Militärgeschichtliche
Zeitschrift
66
Thomas FRELLER: Die Kavalierstour als Weichenstellung für eine militärische Karriere. Ahasverus von Lehndorff, Georg Friedrich zu Eulenburg und ihre zehnjährige „Tour d'Europe", S. 363-386. Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte 14 Siegmar KEIL: Der „Choral von Leuthen" - ein preußisch-deutscher Mythos, S. 77-85. Neues Archiv für sächsische Geschichte 77 Marcus VON SALISCII: Die kursächsische Armee und der Siebenjährige Krieg. Eine Projektskizze, S. 201-210. Niedersächsisch es Ja h rhuch fit r La η desgesch ich te 79 Matthias PUHLE: Das Heilige Römische Reich und sein Nachwirken im 19. Jahrhundert, S. 1128.
Siedlungsforschung
24
Eike GRINGMUTII-DAEEMER: Die hochmittelalterliche Ostsiedlung in vergleichender Sicht, S. 9 9 121. Zeitschrift
der Savigny-Stiftuug für Rechtsgeschichte,
Germanistische
Abteilung
124
Peter LANDAU: Thietmar von Merseburg im Zusammenhang der Überlieferung von Lex Saxonum und Lex Thuringorum - Eine Studie zum Erbrecht der Ottonenzeit, S. 296-300. Zeitschrift
der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanon istische Abteilung
93
Wolfgang F. ROTHE: Kollegiatkapitel im deutschen Sprachraum. Eine kirchenrechtliche Bestandsaufnahme, S. 216-278. Zeitschrift
des Vereins für nüriugische
Geschichte und Altertumskunde
61
Bodo 11ECITELITAMMER: Mittler zwischen Kreuz und Krone. 11ermann von Salza und der Kreuzzug Friedrichs II., S. 31-58. Zeitschrift für Agrargeschichte
und Agrarsoziologie
55/1
Werner RÖSENER: Der Wald als Wirtschaftsfaktor und Konfliktfeld in der Gesellschaft des I Iochund Spätmittelalters, S. 14-31. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
55
Angela BORGSTEDT: Der Fall Brüsewitz. Zum Verhältnis von Militär und Zivilgesellschaft im Wilhelminischen Kaiserreich, S. 605-623. Zeitschrift für Historische Forschung
34
Mathis LEIBETSEDER: In der I land des I Ierrschers. Adlige Pagen und fürstliche Patronage um 1600, S. 609-628.
472
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU
Zeitschrift für Neuere
EINZELNE
GEBIETE
Rechtsgeschichte
28
Karl I IÄRTER: Reichsrecht und Reichsverfassung in der Auflösungsphase des 11eiligen Römischen Reichs deutscher Nation: Funktionsfähigkeit, Desintegration und Transfer, S. 317-337. Martin HECKEL: Vom alten Reich zum neuen Staat. Entwicklungslinien des deutschen Staatskirchenrechts in der Neuzeit, S. 235-278. I Ieinz MOIINIIAUPT: Grundlinien in der Geschichte der Gesetzgebung auf dem europäischen Kontinent vom 16. bis 18. Jahrhundert. Fin experimenteller Überblick, S. 124-174. Barbara STOLLEERG-RILINGER: Ständische Repräsentation - Kontinuität oder Kontinuitätsfiktion?, S. 279-298. Martin LÖHNIG: Der Schutz des geistigen Eigentums von Autoren im Preußischen Landrecht von 1794, S. 197-214. Anna Gianna MANCA: Öffentlichkeit und Organisation der Parlamentsarbeit im konstitutionellen Deutschland (1815-1918): Plenum, Ausschüsse und Fraktionen, S. 215-239. Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschiing 55 Hans-Jürgen BÖMELBURG: Grenzgesellschaft und mehrfache Loyalitäten. Die brandenburg-preußisch-polnische Grenze 1656-1772, S. 56-78.
B. E I N Z E L N E
GEBIETE
1. Berlin Berlin in Geschichte und Gegenwart 2007 Laurenz DEMPS: Fin Prestigeobjekt stirbt, ein neues Stadtviertel entstellt. König Friedrich Wilhelm I. und die Erweiterung der Friedrichstadt, S. 33-54. Kurt NEMITZ: Julius Moses: Arzt und Parlamentarier. Erinnerungen an den 1912 in Theresienstadt umgekommenen Berliner Stadtverordneten und Reichstagsabgeordneten, S. 135-149. Angelika FNDERLEIN: Zum Berliner Kunsthandel im Nationalsozialismus. Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung gegen jüdische Kunsthändler und ihre Auswirkungen auf den Berliner Kunsthandel, S. 169-192. Brandenburgische Denkmalpflege 16 Andreas KITSCHKE: Der Berliner Orgelbauer Joachim Wagner bermann?, S. 71-84.
(1690-1719).
Ein preußischer Sil-
Der Bär von Berlin 56 Eckhard FLIRLUS: Die Janeckesclie Werft an der Moabiter Brücke. Ein Beitrag zur Personenscliiffalirt in Berlin im neunzehnten Jahrhundert, S. 9-18. Klaus-Peter MENTZEL: Die Kietze und die slawische Bevölkerung in Berlin, S. 19-30. Fva-Maria KAUFMANN: Von der Wanderschaft der Denkmäler in Berlin, S. 3 1 - 6 0 . Christian KENNERT: Der Unternehmer I Iugo Cassirer - Fin Beitrag zur Berliner Wirtschaftsgeschichte, S. 123-150.
BRANDENBURG
473
Claudia SAWJIOW: Von der AHG-Turbinenfabrik zum Gasturbinenwerk Berlin der Siemens Power Generation: Geschichtet n) eines traditionsreichen Industriestandorts. Teil 2, S. 151-182. Claus ΒΠΚΝΙΪΤ: Aus „Berlins schweren 'lagen". Hin Tagebuch vom 22. April bis zum 7. Mai 1945, 8. 1 8 3 - 1 9 2 .
Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 66 Karl I Ieinrich LÜTCKE: „Trennung von Staat und Kirche". Konflikte und Entwicklungen in Berlin seit 1918, S. 129-156. Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- lind Ordensgeschichte 2 Peter HÄGER: „Ich bin noch nie einem so unheimlichen Drängen begegnet wie in dieser Sache." Erzabt Raphael Walzer von Beuron in der Auseinandersetzung um die Gründung eines Benediktinerklosters in Berlin zwischen 1919 und 1933, S. 73-138. Jahrbuch für Universitätsgeschichte 10 Annette VOGT: Zum Alltag der Privatdozentinnen: Berliner Spurensuclie, S. 123-139. Tech) ι ikgesch ich te 74 Eckhard SCIIINKEE: Die Grünclungs-Gescliiclite des Verkehrs- und Baumuseums in Berlin (18791906) im Schatten des Deutschen Museums, S. 335-355. Wichmann Jahrbuch 46/4 7 Stefan HARTMANN: Ignacy Krasicki, Konsekrator der Berliner St. Hedwigskirclie, und die Könige von Preußen, S. 36—16.
2. Brandenburg Brandenburgische Denkmalpflege 16 1 Thomas BÜTTNER: Kulturlandschaft Lebuser Land - im Raum die Zeit zu lesen, S. 35—42. Sabine AMßRosius/Gabriele I IORN: Chausseehäuser für Einnehmer und Wegewärter der preußischen Kunststraßen im heutigen Brandenburg, S. 43-61. Clemens Alexander WIMMER/Ragnhild KOBER-CARRIERE: Meseberg. Ein wiedererstandener barocker Garten, S. 81-91. Annett AEVERS: Brandenburg an der Havel. Die Triumphkreuzgruppen im Dom, S. 4-17. Birgit MATTER: Brandenburg an der I Iavel. Die mittelalterlichen Malereien in der ehemaligen Bibliothek des Domklosters, S. 18-27. Peter KNÜVENER: Flügelaltäre einer Braunscliweiger Werkstatt in der Prignitz?, S. 59-69. Andreas KEESCHKE: Der Berliner Orgelbauer Joachim Wagner (1690-1719 ). Ein preußischer Silbermann?, S. 7 1 - 8 1 Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt 15/1 Peter KNÜVENER: Das spätgotische I Iochaltarretabel der Johanniskirche in Werben - kunsthistorische Bedeutung und konservatorische Situation, S. 55-72.
4 7 4
Forschungen Franz-Josef
Z E I T S C H R I F T E N U M S C H A U
E I N Z E L N E
G E B I E T E
zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, Neue Folge 17 Brandenburg und die niederrheinisehen Stände, 1615-1620, S. 1-95.
BURGIIARDT:
Jahrbuch für Berlin-Brandenbiirgische Kirchengeschichte 66 Klaus Ν Ε Ι Τ Μ Λ Ν Ν : Einblicke in das kirchliche und geistliche Leben der niederlausitzischen Immediatstadt - Lübben im späten Mittelalter, S. 13-12. Fugen W E S C I I K E : Tagebuchnotizen des Lausitzer Landpfarrers Fugen Otto Weschke. Der Weg zur Gründung des Pfarrernotbundes, S. 157-186. Günter K R U S C I I E : „Spannende Zeiten." Erlebnisse und Erfahrungen als Generalsuperintendent des Sprengeis Berlin von 1983-1993, S. 351-397. Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 58 LJwe C Z U H A T Y N S K I : Schloß, Gänseburg oder Wallgebäude? Zur Gründungsgeschichte der Stadt Perleberg, S. 10-23. Fritz W O C I I N I K : Die Marienkirche in Königsberg/Neumark (Chojna), S. 24-58. Brigitte M Ü L L E R - H E Y N E N : Der Grand Mousquetaire Jean Pierre Constantin de Belloc und das Potzlower Vorwerk, S. 76-83. "Wolfgang N E U G E B A U E R : Anton Friedrich Büscliing 1721-1793, S. 8 1 - 1 0 1 . Dieter I I E R T Z - F I G I I E N R O D E : I Ierr Griebenow auf Groß Leuthen (1841-1855) oder: Der verhinderte Standesherr, S. 114-136. Lorenz Friedrich BECK: Graf Adolf I Ieinrich von Arnim (1803-1868) und die I Ierrschaft Boitzenburg, S. 137-16(1. Hubertus F I S C H E R : Barfuß oder Barfus - Zwischen Barnim, Beeskow und Berlin. Ein Kapitel aus Fontanes „Wanderungen" im Lichte unbekannter Zeugnisse, S. 171-185. Letopis 54/1 Doris T E I C I I M A N N : Eine niedersorbische Liederhandschrift aus Drehnow aus der Zeit um 1700, S. 3-31. Agnieszka L A C H O W S K A : Ludnosc wiejskiej parafii sw. Mikolaja w Lubsku w swietle ksi^gi metrykalnej ζ lat 1657-1811, S. 72-89. Lubina MALINKEC.: Freiherr Egon Heinrich Gustav von Schönberg-Bibran (1800-1870). Ein adliger Förderer der Sorben, S. 90-101. Maria MIRTSCIIIN: Die Entdeckung eines Werks von Georg Vater. Das Epitaph des Johann Adolph von Ponickau (d.Ä.), S. 102-115. Viktor V E L E K : Lu2ickosrbskä rozlilasovä vysilänl Ν 1. polovine 20. stoletl. Teil 1: IJvodni zamyslenl, pofady ζ let 1925-1929, S. 116-126. Mitteilungen der Studiengemeinschaft Sanssouci 12/1 Thomas W E R N I C K E : Die Familie Mencken in Potsdam: Die mütterliche Verwandtschaft marcks, S. 41-50. Klaus ARLT: Wissenschaft in Potsdam. Eine historische t.Ibersicht, S. 51-69.
O.
v. Bis-
Mitteilungen des Uckermärkischen Geschichtsvereins zu Prenzlau 14 11olger GRÖNWAT.D: Das Gut Fickstedt. Untersuchungen zu Geschichte und Tradierimg der hochmittelalterlichen Ostsiedlung in der Uckermark, S. 35-49· DERS./Jens I IENKER: Mittelalterliche Stadtentwicklung und Stadttopographie von Prenzlau — Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen 2006, S. 21-31.
BRANDENBURG
4 7 5
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Priguitz 7 Dieter I Ioeemann-Axtiielm: Der Pritzwalker Judenhof, S. 5-16. Uwe Czubatynski: Die mittelalterlichen Altarstiftungen der Kirche in Rühstädt, S. 17-23. Ders.: Kirchliches Leben in ländlicher Region - eine Bestandsaufnahme, S. 69-78. Elisabeth von Falkenhausen: Drei Klitzing-Frauen in Demertliin, 8. 79-88. Bernhard von Barsewisch: Der Zoll zu Lockstädt im Jahre 1581, 8. 89-99. Mateusz Kapustka: Die wahre I Iostie und die eherne Schlange. Zum Bildepitaph des Matthäus Luclecus im I Iavelberger Dom, S. 121-130. Muse it msblätter Hansjörg Albrecht: Neuruppin - Stadtbrand und Wiederaufbau um 1800, S. 18-23. 11 Burghard C i e s l a : Groß Schönebeck - Jagd und Macht in der Sehorfheide, S. 3 6 - 3 9 . Neues Lausitzisches Magazin, Neue Folge 10 Ernst Eichler: Namenforschung in der Ober- und Niederlausitz, S. 7-16. Niederlausitzer Studien 34 Ludek Brezina: Zwischen der Böhmischen und Ungarischen Krone - Ein kurzer Blick auf die Niederlausitz in den Jahren 1458-1490, S. 54-69. Nowa March ία - prowineja zapomnianawspolne korzenie 7 Radoslaw Gazinski: Ζ dziejow gospodarczycli Gorzowa w XVIII wieku / Aus Landsbergs Wirtschaftsgeschichte im 18. Jahrhundert, S. 7 - 1 5 / 161-169. Blazej Skaztnskt: Architektura sakralna na terenie pölnocncj cz^sci wojcwödztwa lubuskiego / Sakralarchitektur im nördlichen Teil der Lebuser Wojewodschaft, S. 17-35 / 171-183· Przemyslaw Koiosowski: Ζ badan nad siedzibami templariuszy na ziemiach pogranieza wielkopolsko - pomorsko - lubusko - brandenburskiego / Aus den Forschungen an den Templersitzen im Grenzgebiet von Großpolen, Pommern, Lebus und L?randenburg, S. 37-73 / 185211.
Radoslaw Skryckt: Obraz Nowej Marchii w kartografii nowozytnej 1406-1773 / Das Bild der Neumark in der neuzeitlichen Kartographie 1406-1773, S. 75-85 / 213-223. Jerzy Sygnecki: Kosciol ewangelicki w Gorzowie w latach 1933-1915 (ruch oporu) / Die evangelische Kirche in Landsberg in den Jahren 1933-1915 (der Widerstand), S. 87-119 / 2 2 5 257. Pawel Rychterski: Fort Sarbinowo - znacz^ce dzielo Kostrzynskiej Twierdzy Pierscieniowej. Polozenie, przeznaczenie i buclowa / Fort Zorndorf - ein wichtiges Festungswerk der Küstriner Ringfestung. Lage, Zweckbestimmung und Bau, S. 121-155 / 259-281. Spandauer Forschungen 1 Werner Heegewaldt: Eine Niederlausitzer Familie aus Italien, S. 79-98. Veröffentlichungen zur brandenburgischen Landesarchäologie 36/37 Eberhard KiRscn/Andreas Mehner: Der Schloßberg von Lübbenau, Lkr. Oberspreewalcl-Lausitz, S. 203-222.
476
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
Michaela PETER-PATZELT: Stadtkernuntersuchung in I Ierzberg, Lkr. Elbe-Elster. Einblicke in die mittelalterliche bis neuzeitliche Besiedlungsgeschichte eines Platzes, S. 293-340. 38 Felix B I E R M A N N / B e t t i n a JUNGKLAUS: Der „Wendenfriedhof' von Mittenwalde, Lkr. Dahme-Spreewald. Vorgeschichtliche und slawische Siedlungs- und Grabfunde sowie spätmittelalterliche Flurrelikte, S. 8 3 - 1 5 1 Bettina JUNGKT.Aus/Stefan DALITZ: Altstadt Brandenburg an der Havel, Mühlentorstraße 16. Kietzer oder Kranke? I!in Frieclhol aus der Zeit der Stadtgründung, S. 155-164. Lebrecht jEsciiKr./Flsbeth LANGE: Fin Beitrag zur jüngeren Waldgeschichte der Perleberger I leide, S. 217-258. Zeitschrift der Sai'igny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 124 Reinhard SCHNEIDER: Die Anlange der deutschen Geschichte, S . 1-81. Heiner LÜCK: Johann von Buch (ca. 1290-ca. 1356) - Stationen einer juristisch-politischen Karriere, S. 120-143. Zeitschrift für Agrargeschichte unci Agrarsoziologie 55/1 Lieselott ENDERS: Grundherrschaft und Gutswirtschaft. Zur Agrarverfassung der frühneuzeitlichen Altmark, S. 95-112. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 55 Michael LEMKE: „Toleranz als Staatsräson"? Kontinuität und Wandel der Fremden-Toleranz in Brandenburg von den Anfängen bis 1989/90, S. 315-375. Zeitschrift für Weltgeschichte 8 I Ieinrich KAAK: Vom Frbzinsrecht zur Leibeigenschaft - Entstehung agrarischer Zwangsformen im frühneuzeitlichen Brandenburg, S. 71-104.
3. Provinz Sachsen / Anhalt Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 16 Reinhard SCHMITT: Schloss Neuenburg bei Freyburg (Unstrut). Zur Baugeschichte vom späten 11. bis zum mittleren 13. Jahrhundert nach den Untersuchungen der Jahre 1986 bis 2007, S. 6-138.
Thomas KÜNTZEL: „Unter Beschüß": Die Belagerung von Burgen im Harz während des 11. bis 14. Jahrhunderts, S. 265-284. Christian PÖNITZ: Das Rittergut in Zangenberg — die Geschichte eines vergessenen fürstlichen Landhauses, S. 353-367. Elisabeth SCHWARZE-NEIJSS: Schloßbau im Barockzeitalter. Eine Sozialgeschichte der Herrschaftsbauten in Mitteldeutschland von der Mitte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Teil 3: Die Schlösser und Herrenhäuser der großen Familien, S. 368-152. Denkmalpflege in Sachsen Anhalt 14/2 Andreas I Ιυτιΐ: Mittelalterliches Bodenniveau wiedergewonnen. Geländeabsenkung am Westbau der ehemaligen Klosterkirche Unserer Lieben Frauen zu Magdeburg, S. 158-163.
PROVINZ SACHSEN /
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ANHALT
Harz-Zeitschrift 59 Eckhard OELKE: Altes und Neues vom Milien Bergbau im anhaltischen Harz, S. 61-92. Herbergen der Christenheit 30 Sebastian KRANICH: Bürgertum und Nächstenliebe. Die Anfänge der Diakonie in Kontext stadtbürgerlicher Strategien gegen Krankheit und Armut, S. 51-74.
I
lalle/Saale im
Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel 77 I Ielmut MÜLLER: Romanische Wehrkirchen in der Altmark. Anmerkungen zu einer Frage, die längst beantwortet schien, S. 1—25. Frank RIEDEL: Stendaler Recht für Neuruppin, S. 11—18. Lieselott ENDERS: Die Abgaben der altmärkischen L?auern in der Frühneuzeit, S. 19-87. Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde 16 Klaus CONERMANN: Die Fruchtbringende Gesellschaft und das Fürstentum Anhalt, S. 11-39. Gerrit DEUTSCIILÄNDER: Im Dienste der Fürsten von Anhalt. Die Fürsten und ihr Hofgesinde in der Reformationszeit, S. 40-56. Mathias TLII.I.NER: Die Erhebung der anhaltischen Fürsten zu I Ierzögen zwischen Ende des alten Reiches und der Neuordnung der deutschen Staatenwelt, S. 68-81. Brunhild H Ö H L I N G : Eleonore Hoffmeyer - ein Frauenschicksal im Zeitalter der Aufklärung, S. 82-103. Bernd G . UI.HRICII: Samuel Hirsch als Rabbiner in Dessau, S . 1 0 4 - 1 3 2 . Elisabeth PAUST: Die Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft zu Dessau 1855 bis 1948, S. 162182.
Kornelius WERNER: Der deutschchristliche Zeitschriftenartikel „Die Unverbesserlichen". Ein Zeugnis des anhaltischen Kirchenkampfes im Zeichen von wachsendem Desinteresse des NS-Staates an den Deutschen Christen, S. 196-213. Daniel BOIISE: Tradition oder Neuanfang? Die Personal- und Säuberungspolitik der Bezirksverwaltung Dessau 1945-1947, S. 214-238. Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte 14 I Ians-Joachim KERTSCIIER: Auf der Spurensuche nach Christian Wolffs Grab in I lalle, S. 69-75. Sachsen und Anhalt 25 Bernd SCHÜTTE: Quellenkritische Untersuchungen zur Ersterwähnung von H a l l e / S . im Jahre 8 0 6 , S.
1-29.
Ernst SCHUBERT: Die Kirchen St. Wiperti und St. Servatii in Quedlinburg. Eine Interpretation der literarischen Quellen zur Baugeschichte, S. 31-80. Martin CT.AUSS: Überlegungen zum gefälschten Diplom Papst Eugens III. Für das Kleister Ilsenburg im Harz vom 23. März 1118 (JL t 9199), S. 81-93. Christian SCHUEEELS: Die Laurentiustafel in Halle. Ikonographie, Stil und Inschrift einer Grubensclimelzplatte aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, S. 109-116. Franz BTSCIIOEE: Die Einrichtung des so genannten Kleinen Chores an der Wittenberger Schloßkirche durch Kurfürst Friedrich den Weisen - Auftrag und Ausführung, S. 147-208. Martin C. WAT.D: ..Magdeburg nicht durch Tilly zerstört"? Konfessionskonflikt, Geschichtsdiskurs und die Katastrophe Magdeburgs im 19. Jahrhundert, S. 285-321. Horst DAUER: Maler an anhaltischen Fürstenhöfen im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Quellenbericht, S. 323-316.
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
478
Zeitschrift der Sai'igny-Stiftung für Rechtsgeschichte,
Kanonistische
Abteilung 93
I Ians Seehase: W a r u m fehlt ein e r z b i s c h ö f l i c h e s K o n s i s t o r i u m im Frzstift Magcieburg bis zur Integration in B r a n d e n b u r g - P r e u ß e n 1680? Fin Beitrag zur Rechts- u n d V e r f a s s u n g s e n t w i c k l u n g v o n Erzstift und Stadt M a g d e b u r g a m B e i s p i e l d e r iurisdictio in E h e s a c h e n , S.
106-
125^
Zeitschrift des Vereins für Tlniringische Geschichte und Altertumskunde
61
G e r h a r d M ö l l e r : Als Sachsa auf s e i n e Stadtrechte verzichtete. Aus d e m p r e u ß i s c h e n T h ü r i n g e n der J a h r e 1831 bis 1 8 4 1 , S. 2 2 9 - 2 4 6 .
Zeitschrift für Historische Forschling
34
J a n Brademann: Integration e i n e r Residenzstadt? Politische O r d n u n g und Kultur der Stadt Halle an der Saale im 16. u n d 17. J a h r h u n d e r t , S. 5 6 9 - 6 0 8 .
4. Pommern Acta Poloniae Historien 94 Maciej PTASZYnsKi: W i d o w ' s Capital. Pastors' W i d o w s in t h e P o m e r a n i a n C h u r c h at t h e T u r n o f t h e l 6 l h Century, S. 8 5 - 1 4 2 .
Baltische Studien 93 O l i v e r Auge: Selbstverständnis und E r i n n e r u n g s k u l t u r d e r H e r z ö g e v o n P o m m e r n u m 1 5 0 0 , S. 7-28. M o n i k a Sciineikart: D i e S c h i c k s a l e d e s R e i s e t a g e b u c h s d e s I Ierzogs Philipp J u l i u s v o n P o m m e r n - W o l g a s t aus d e m J a h r 1 6 0 5 , S. 4 7 - 5 6 . J e n s Amet.ung: Kanzelaltäre in V o r p o m m e r n - D i e gestalterische Entwicklung v o m Ende d e s 17. J a h r h u n d e r t s bis in das 19. J a h r h u n d e r t , S. 7 3 - 9 6 . Friedrich M ö l l e r : Stralsund, ein n o r d d e u t s c h e s G l o c k e n g i e ß e r z e n t r u m , S. 9 7 - 1 0 6 . Gottfried Loeck: G e d r u c k t e G e s a m t a n s i c h t e n v o n Stolp im W a n d e l d e r Zeit - Ein Bildbeitrag zu S t a d t g e s c h i c h t e , S. 1 0 7 - 1 4 0 . Martin B e h r e n d t : Zur D i a s p o r a a r b e i t d e r I Ierrnhuter B r ü d e r g e m e i n d e in P o m m e r n , S.
141-
162. A l e x a n d e r M u s c h i k : D i e I d e e n d e r F r a n z ö s i s c h e n R e v o l u t i o n in
Schwedisch-Vorpommern,
S. 1 6 3 - 1 8 1 Dirk Schleinert:
Karl S c h i l d e r e r als Ü b e r s e t z e r d e s s c h w e d i s c h e n G e s e t z b u c h e s
1806/07,
S. 1 8 5 - 1 9 2 .
Bodendenkmalpflege 2005
in
Mecklenbitrg-Voipommern
G e o r g e I n d r i JSZEWSKI/Rainer ScHULz/Christian Zschieschang: Α Central E u r o p e a n H i g h w a y to t h e Baltic R e a l m - M e d i e v a l Watercraft and Navigation o n t h e Oder, S. 1 1 1 - 1 5 1 . J ö r g A n s o r g e : Vier B l e i s i e g e l v o n Papst Bonifatius IX. ( 1 3 8 9 - 1 4 0 4 ) aus der Hansestadt Greifswald, S. 2 8 9 - 3 1 4 . 2006 Fred Ruchhöei': D a s S t a m m e s g e b i e t der K e s s i n e r v o m 8. bis z u m 13. J a h r h u n d e r t - E i n e Studie aufgrund a r c h ä o l o g i s c h e r , s i e d l u n g s g e s c h i c h t l i c h e r und h i s t o r i s c h e r Q u e l l e n , S. 1 1 5 - 1 1 9 .
WEST- UND OSTPREUSSEN
479
Georg ADLER/Jörg ANSORGE: Buchverschlüsse und Buchbeschläge vom Marienkirchhof in Pasewalk - Zeugen der ehemaligen Bibliothek des Pasewalker Dominikanerklosters, S. 151176.
Hansische Geschichtsblätter 125 Marek SLON: Altstadt, Neustadt, Schadegard. Zu den drei Stadtgründungen in Stralsund, S. 1562.
Kulturerbe in Mecklenburg und Votpommern 2 Bettina GNEKOW: Das Universitätshauptgebäude der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Denkmalpflegerische Aspekte der Sanierung, S. 15-26. Jörg KIRCHNER: Karl Friedrich Schinkel (1781-1811) und die Marienkirche Stralsund. Entwurfsgeschichte und Rezeption der Innenraumgestaltung — ein Beitrag zur Diskussion des Sanierungskonzepts, S. 27-44. Steffen ORGAS: nichts erwähnenswerthes" in Anklam - ein Schinkelschüler korrigiert seinen Meister. Das Anklamer Gymnasium von Moritz Gottgetreu, S. 15-51. Mecklenburgische Jahrbücher 122 Mario NIEMANN: Zur Kaderpolitik der SED-Führung in Mecklenburg in den 1950er Jahren: Die Sekretariate der Bezirksleitungen Neubrandenburg, Rostock und Schwerin, S. 289-311. Walter KINTZEE: „Russen in Darß". Aus dem Tagebuch des Konrektors Johannes Grohmann, S. 369-103. Siedl ιti igsfo rschung 24 Fred RUCIITIÖET: Einzelhof und I Iakenhufe. Probleme der Erforschung der slawischen Siecllungslancischaft in Mecklenburg-Vorpommern, S. 124-139. Stier und Greif 17 Günther SCHOMMARTZ: Der alte Grenzverlauf zwischen Mecklenburg und Vorpommern durch den Saaler Bodden, S. 32-15. Lutz IVLOTTR: Klosterruine Stolpe und Burg Spantekow im Umfeld von Anklam. Zwei markante geschichtsträchtige Stätten aus dem mittelalterlichen Pommern, S. 46-65. Studio maritima 18 Radoslaw SKRYCKI: Nautical elements and maritime motifs as presented on l6-17th century maps of Pomerania, S. 5-21. Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 55 Zygmunt SZUETKA: Die friclerizianische Kolonisation Preußisch-Pommerns (1740-1786), 193.
S.
159-
5. West- und Ostpreußen Beiträge zur Geschichte Westpreußens 19 Klaus ΝΕΙΤΜΛΝΝ: Ein rätselhaftes Danziger Stadtbuch des 15. Jahrhunderts. Textedition mit Bemerkungen zur Entstehungsgeschichte, S. 29-68.
480
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
GEBIETE
Karl BORCIIARDT: Die Städte Danzig und Llbing, das Reichskammergericht 1496 und der fränkische Ritter Konrad von Rosenberg 1535, S. 69-84. Robert KACZOROWSKI: Die Rolle und Bedeutung der Musikkapelle an der Danziger Marienkirche (bis 1811J, S. 141-156. Oliver STEINERT: Von "Westpreußen nach Berlin. Anmerkungen zur polnischen Binnenmigration im Kaiserreich am Beispiel Wladyslaw Berkans, S. 183-194. Stefanie SCIIÜI.ER-SPRINGORUM: „Die stärkere Logik der Landschaft". Jüdische Jugendbewegung in Ostpreußen, 1913-1933, S. 215-228. Jarostaw XAI.ECKI: Auf der Suche nach der Danziger Identität, S. 245-256. Hansische Geschichtsblätter 125 Gregor ROHMANN: Der Kaperfahrer Johann Stortebeker aus Danzig. Beobachtungen zur Geschichte der „Vitalienbrüder", S. 77-121. Komunihaty Mazursko-Warmmshie 255 Marek RADOCH: Wydatki wielkicli mistrzöw krzyzackicli na placöwki szpitalne w Prusach w latach 1399-1109 - w swietle ksi^gi podskarbiego malborskiego (Die Ausgaben der Hochmeister des Deutschen Ordens für I Iospitäler im Preußen in den Jahren 1399-1409 - nach dem Ausgabenbuch des Marienburger Schatzmeisters), S. 3-18. Anna KOSTRZEWA: Wysiecllenie Niemcöw Ζ powiatu gizyckiego w latach 1945-1948. (Die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus dem Kreis Lotzen in den Jahren 1915-1918), S. 3 9 - 5 6 .
Bernd SONNBERGER: Sprachliche Verhältnisse im südlichen Teil Ermlands im Jahre 1910 nach der Landkarte von Leo Wittschell, S. 83-90. Stefan I IARTMANN; Das Preußenland in den Reisebeschreibungen von Johann Arnold von Brand, Johann Bernoulli, Carl Feyerabencl, Christian Gottlieb und Gottfried Peter Rauschnick, S. 91-110. Danuta BOGDAN: Granice tolerancji nurtöw reformacyjnycli na katolickiej Warmii w XVI wieku (Die Grenzen der Toleranz gegenüber reformatorischen Strömungen im katholischen Iirmland im 16. Jahrhundert), S. 165-186. 258 Adam KUCHARSKI: Prusy Krölewskie w swietle wybranycli relacji Ζ podrözy (1600-1772). Przyczynek do dziejöw regionu (Das Königliche Preußen in auserwählten Reiseberichten 116(1017721. Ein Beitrag zur Regionalgeschichte), S. 171-190. Grzegorz BIALUNSKI: Mi^dzy Rynem a Szestnem, Czy w Szestnie powstalo komturstwo krzyzackie? (Zwischen Rhein und Seehesten. Gab es in Seehesten eine Komturei des Deutschen Ordens?), S. 521-528. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsschreibung 115 Marek SLON: Spitäler in der Kirchenprovinz Gnesen im Mittelalter, S. 209-233. Przeglad Zachodni 63/3 Andrzej SAKSON: Kraj Ktajpeclzki. Zmiany ludnosciowe 1945-1950 (Das Gebiet Klaipeda. Bevölkerungsveränderungen 1945-1950), S. 106-125.
WEST- UND OSTPREUSSEN
481
Studia maritima Boleslaw I Iajduk: Die Freie Stadt Danzig unci ihre Wirtschaftsbeziehungen mit dem Sowjetischen Russland und der Sowjetunion in den Jahren 1920-1939, S. 6 3 - 8 5 .
19 Jerzy Trzoska: Russische Eingriffe in Danziger Handel und Schifffahrt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, S. 5-24. Radoslaw Gazinski: Zur Entstehung des I Iafens und der Stadt Swinemünde in der zweiten I Iülfte des 18. Jahrhunderts, S. 2 7 - 4 4 . Olga Wisniewska: Navigation and Trade of Norvay with Gdansk in the Years 1900-1913, S. 6 3 86.
Andrzej Grotii: Die wirtschaftliche Lage der Städte Elbing und Braunsberg im Lichte ihrer Seehandelsvolumen und Umschlagswerte (1585-1799), S. 5 - 3 3 . Jerzy Trzoska: From the Issues of Navigation between Stockholm and Gclahsk in the First 11 all of the 18 th Century, S. 5 1 - 6 2 . Boleslaw Hajdijk: Scandinavians in Gdynia in the Years 1922-1939, S. 111-129.
Westpreitßen-Jahrbuch 56/57 Wojciech Zawadzkl Die Franziskaner in Cadinen. Die Geschichte des Bernarcliner-Klosters, S. 5-17.
Jürgen W. Schmidt: Eine Quelle zur Geschichte des polnischen wissenschaftlichen Vereins und des polnischen Museums in Tliorn im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, S. 6 7 - 7 8 .
58 Günter I Iagenau: Alles aus einer I land. - Erz und Eisen im Ordensland, S. 5-26. Jürgen W. Schmidt: Die Preußischen Zentral- und Provinzialbehörden und die Erhaltung von Archäologischen und Baudenkmälern in den Regierungsbezirken Marienwerder und Danzig i m 19. und 2 0 . J a h r h u n d e r t , S. 1 9 - 7 1 .
Ders.: Deutschland und Polen zwischen beiden Weltkriegen: Nationalitätenkampf und Spionage in Westpreußen in den Jahren 1920-1938, S. 8 9 - 1 2 2 .
Zapiski Historyczne 72/1 Slawomir JöZwiak: Liczebnosc konwentow zakonu krzyzackiego w Prusacli w pierwszej polowie XV wieku, S. 7 - 2 2 [mit dt. Zusammenfassung!. Wojciech Zawadzki: Oficjalat pomezanski w latach 1601-1821, S. 2 3 - 5 2 Imit dt. Zusammenfassung], J a c e k GZella: Zabor pruski jako „sila hamuj^ca" odbudowg Polski w pogl^dach Wtadystawa Studnickiego, S. 5 3 - 6 4 [mit dt. Zusammenfassung], Blazej Grabusiewicz: Opinia polska wobec kryzysu wiosennego 1918 roku w Finlandii, S. 6 5 - 7 9 Imit dt. Zusammenfassung!.
72/2-3 Aneta Nteweglowska: Sreclnie szkolnictwo zehskie w Prusach Zachoclnich w latach 1807-1911, S. 8 9 - 1 1 0 [mit dt. Zusammenfassung], Dorota Degen: „Studia Angerburgica" - gtos „matych ojczyzn", S. 137-144.
482
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
Wieslaw SIERADZAN: Odpowiedz na skargi skicrowanc przeciwko zakonowi krzyzackiemu zc strony ksifcia stupskiego Bogustawa VIII ζ 1413 r., S. 169-175. Wieslaw DUIUOK^CKI: Dariusz Kaczor - Wilkicrz gclanskiej wsi Pruszcz Ζ 1485 roku, S. 177181 72/4 Jacek WIJACZKA: Sukces czy kl^ska? Traktat welawsko-bydgoski Ζ 1657 roku, S. 7 - 2 3 Imit dt. Zusammenfassung]. Andrzej KAMIENSKI: Pocz^tki suwerennosci I Iohenzollernow brandenburskich w Prusach Ksi^z^eyeh, S. 23—40 [mit dt. Zusammenfassung], Slawomir JöZwiAK/Janusz TRUPINDA: Nazwy pomieszczeii zamku malborskiego w instrumentach notarialnych ζ koiica XIV-pierwszej polowy XV wieku, S. 11-56 Imit dt. Zusammenfassung!. Konrad BOBIATYNSKI: Nieznana relaeja hetmana wielkiego litewskiego Micliata Kazimierza Paca na temat jego polityki wobec planow interweneji szwedzkiej w Prusaeh Ksi^z^cych w latacli 1677-1679, S. 101-112. Zeitschrift der Sai'igny-Stiftiing für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 124 Martin SCHÜSSLER: „Vagati" und „Vagatae" als Täter und Opfer in spätmittelalterlichen deutschen Achtbüchern, aufgezeigt am „Kulmer Gerichtsbuch" von 1340-1428, mit einem Vergleich des Augsburger Achtbuches von 1338-1528 und der Nürnberger Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1403, S. 301-310. Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschiing 56 Grischa VERCAMER: Politische Machtstrukturen im Ordensstaat Preußen zu Anfang des 11. Jahrhunderts am Beispiel des Obersten Marschalls I Ieinrich von Plotzke, S. 91-104.
6. Schlesien Archiv für schlesische Kirchengesch ichte 65 Helmut NEUBACII: Prinz Fclmund Radziwill (1842-1895). Politkleriker und Bischofskandidat in Posen und Schlesien. Zur „Symbiose" polnischer und deutscher Katholiken während des Kulturkampfes, S. 111-147. Michael HIRSCHEELD: Die Ernennung der Großdechanten der Grafschaft Glatz vom Kulturkampf bis zur NS-Zeit. Ein Beitrag zum Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche, S. 181197.
Confiniitm. Beiträge zur oberschlesischen Geschichte 1 Franciszek GRABELUS: Wplyw patronatu roclu von Larischow na parafie w Kamieniu SI. (XVIIX V I I I w . ) , S. 1 3 - 2 2 .
Adam KUBACZ: Kadra nauczycielska Slaska Cieszynskiego na przelomie XVIII i XIX w., S. 2 3 41. Andrzej MICIIALCZYK: Muttersprache und nationale Zugehörigkeit in einer mehrsprachigen Region. Iiin Vergleich des deutschen und polnischen Oberschlesiens in den 1930er Jahren, S. 105-127. Janusz PEAEE: Kursy „repolonizacyjne" na Slasku Opolskim w latach 1915-1950, S. 178-196.
SCHLESIEN
A n d r e a s Μ . SMARZT.Y: D i e A n f ä n g e v o n K ö r n i t z , S .
483
10-16.
Adam KUBACZ: Urbarz dobr f a n y i W i d o w w d o m e n i e Bycina ζ 1633 r., S. 1 7 - 3 2 . Robert CIUPA: iVlapa ksiestwa pszezynskiego Andreasa Ilindenberga Ζ 1636 r., S. 3 3 - 5 6 . Matthias LEMPART: Die D e u t s c h e Volksliste in Oberschlesien. Normative Regelungen und praktis c h e Umsetzung, S. 1 9 0 - 2 0 8 . Arnulf HEIN: „Alles Unglück k o m m t von den J u d e n " . Die Deutschsoziale Partei ( D S P ) in Oberschlesien im J a h r e 1922 (eine Skizze), S. 337 ff.
Germanoslai'ica
18
J o a c h i m BAIII.CKE: Integration und Kommunikation im Osten des ständischen Europa. Zur Qualität der böhmisch-schlesischen B e z i e h u n g e n in der Frühen Neuzeit, S. 3 - 2 6 . Siegfried ULBRECHT: Schloß J o h a n n e s b e r g , Jauernig und U m g e b u n g in Geschichte und Literatur. L?egegnungen von P e r s o n e n und Kulturen in einer europäischen Region, S. 6 3 - 1 0 0 . Iveta RUCKOVA: Das Adelgeschlecht der Lichnowskys. Eine kulturelle Kontinuität, S. 1 0 1 - 1 1 6 . Felicja KSIEZYK: Kostenthal - eine alte deutsche Sprachinsel im oberschlesischen Raum, S. 1 4 7 156.
Jahrbuch
der Schlesischen
Friedrich-Wilhelms-Unwersität
zu Breslau XLVÜ-XLMII
Waldemar KÖNIGSHAUS: Breslau und die „tote I land". B e m e r k u n g e n zu Besitz und Rechten auswärtiger geistlicher Einrichtungen, vornehmlich der Zisterzienser, S. 1 1 5 - 1 2 5 . Adam ZUREK: S u m m u m Wratislavense. Die Breslauer Burg von der Mitte des 11. bis zum Lieginn des 16. Jahrhunderts und die Ursprünge der kirchlichen Eigentumsrechte, S. 1 3 9 - 1 6 0 . Karl BORCTTARDT: Handel und G e w e r b e im spätmittelalterlichen Breslau, S. 1 6 1 - 1 7 0 . Grzegorz MV&TWSKI: Breslau und Regensburg: Wirtschaftskontakte in der Zeit v o m 13· bis zum 15. Jahrhundert, S. 1 7 1 - 1 9 1 . Marek SLON: M i t t e l e u r o p ä i s c h e "Wollweberei und die Breslauer Neustadt, S. 2 0 1 - 2 1 6 .
Mitteilungen des Instituts für Österreichische
Geschichtsschreibung
115
Elke SCHLENKRICH: Pestlazarette in frühneuzeitlichen Städten Sachsens, Schlesiens und B ö h m e n s , S. 3 1 3 - 3 6 8 .
Neues Lausitzisches
Magazin, Neue Folge 10
Erhard I IARTSTOCK: Die Teichwirtschaft der Stadt Görlitz, Fortsetzung, S. 2 9 - 5 6 . Christian SPEER: Von Görlitz nach Rom. Regesten zur Geschichte der Pilgerfahrt in der Oberlausitz, S. 9 3 - 1 3 2 . W o l f g a n g WESSIG: „ L i t e r a r i s c h e P r o v i n z " - G ö r l i t z 1 9 2 2 / 2 3 , S .
Oberschlesisches
133-139.
Jahrbuch
Ralph Michael WROBEL: Die Gründung und frühe Entwicklung der Stadt Oberglogau, S. 6 7 - 9 6 . J a n u s z SPYRA: Die J u d e n im Herzogtum ' f e s c h e n unter der I Ierrschaft J o s e p h s II. und seiner Nachfolger (bis 1848), S. 9 7 - 1 2 4 . 21 Andreas M. SMARZLY: Friderizianische Siedlung links der O d e r am Beispiel der Kolonie Reitersdorf im Kreis Neustadt OS, S. 1 9 - 6 8 . J a n u s z SPYRA: Die J u d e n im Herzogtum T e s c h e n 1 8 1 8 - 1 9 1 8 , S. 6 9 - 9 1 .
484
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
Paul Stauf™: Felix Calonder - Präsident der Gemischten Kommission für Oberschlesien 19221937.
SLpki Kwartahiik Histoiyczny Sobötka 60 Adam Galos: Koniec misji berlihskiej Willielma Feldmana i jej skutki, S. 1-22. Marcin Dzif.dzic: Niemieckie Towarzystwo Gör Orlickich, S. 23-34. Zbigniew Bfrfszynski: Chronologia buclowy najstarszych swi^tyh opolskich a sprawa ponownej lokaeji Opola za czasow ksifeia Wtaclyslawa I., S. 79-88. Adam Kubacz: Szkolnictwo na Sl^sku Cieszyiiskim do konca XVII w., S. 125-156. Radoslaw Skowron: Zmiany w strukturze zatrudnienia Swidnicy w swietle spisow ludnosci ζ lat 19