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German Pages 735 [768] Year 1969
J A H R B U C H FÜR D I E G E S C H I C H T E MITTEL- UND
OSTDEUTSCHLANDS BAND 18
JAHRBUCH FÜR DIE GESCHICHTE MITTEL-UND OSTDEUTSCHLANDS PUBLIKATIONSORGAN DER HISTORISCHEN KOMMISSION ZU BERLIN
HERAUSGEGEBEN
VON
WILHELM BERGES HANS HERZFELD HENRYK SKRZYPCZAK IM A U F T R A G E
DES
FRIEDRICH-MEINECKE-INSTITUTS DER FREIEN UNIVERSITÄT B E R L I N
BAND 18
1969
WALTER D E G R U Y T E R & CO. • B E R L I N vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.
REDAKTION SABINE
WILKE *
Manuskripte sind nach vorheriger Anfrage an die Herausgeber zu richten: 1 Berlin 45 (Lichterfelde), Tietzenweg 79 (Historische Kommission zu Berlin)
Bände 1 — 10 erschienen im Max Niemeyer Verlag, Tübingen
© Archiv-Nr. 481970/1 Copyright 1970 by Walter de Gruyter & Co. • vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp. Printed in Germany — Alle Rechte der Ubersetzung, des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Anfertigung von Mikrofilmen — auch auszugsweise — vorbehalten. Satz und Druck: W. Büxenstein GmbH., Berlin
INHALT AUFSÄTZE Hartmut H o f f m a n n , Böhmen und das deutsche Reich im hohen Mittelalter
1
Helga C t a m e r , Die Herren von Wedel im Lande über der Oder. Besitz- und Herrschaftsbildung bis 1402
63
Herbert O b e n a u s , Verwaltung und ständische Repräsentation in den Reformen des Freiherrn vom Stein
130
Wolfgang S c h a r f e , Topographische Aufnahmen in Brandenburg 1816—1821. Das Dedcersche Kartenwerk
180
Peter L ö s c h e , Bericht über die innerpolitische Entwicklung während des Krieges [1915]
216
LITERATURBERICHTE Manfred H a m a n n , Mecklenburgs Beitrag zur deutschen Landesgeschichte. Ein Bericht über die wichtigsten neueren Forschungsriditungen
254
Eberhard B ö h m , Zum Stand der Wüstungsforschung in Brandenburg zwischen Elbe und Oder. Mit einer Bibliographie
287
MISZELLEN Friedrich M i e 1 k e , Friedrich II., das Neue Palais in Potsdam und Paul Deckers „Fürstlicher Baumeister" 319 Friedrich M i e 1 k e , Palladio und Potsdam
323
BUCHBESPRECHUNGEN (einschließlich Ergänzungsbibliographie) A. Allgemeines: 1. Hilfsmittel, Fest- und Sammelschriften
335
2. Allgemeine und zeitlich begrenzte Darstellungen
349
3. SBZ und Wiedervereinigung
412
4. Die deutschen Ostgebiete (nach 1945) und das Vertriebenenproblem
425
INHALT
VI B. Einzelne Gebiete: 1. Berlin
433
2. Brandenburg
452
3. Mecklenburg
461
4.
467
Pommern
5. West- und Ostpreußen
468
6. Provinz Sachsen und Anhalt
487
7. Thüringen
489
8. Land Sachsen
493
9. Die Sorben
524
10.
Schlesien
524
11.
Rand- und Zwischengebiete
540
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU
FÜR 1966 UND 1967
mit Nachträgen für 1964 und 1965 Liste der bearbeiteten Zeitschriften
551
A. Allgemeines: 1. Hilfswissenschaften.
Allgemeine
Ostkunde
571
2.
Allgemeine Literatur in zeitlicher Folge
581
3.
S B Z und Wiedervereinigung
607
4.
Die deutschen Ostgebiete (nach 1945) und das Vertriebenenproblem
616
B. Einzelne Gebiete: 1. Berlin
618
2. Brandenburg
627
3. Mecklenburg und Pommern
636
4. West- und Ostpreußen
646
5.
Provinz Sachsen und Anhalt
654
6.
Thüringen
664
7. Land Sachsen
676
8. D i e Sorben
687
9.
688
Schlesien
10. R a n d - und Zwischengebiete
695
INHALT
VII
NACHRUFE Zum Tode Jacob Jacobsons (von Stefi Jersch-Wenzel)
698
Fritz Dickmann zum Gedächtnis (von Klaus Malettke)
705
ANHANG Bericht über die Tätigkeit der Historischen Kommission zu Berlin im Arbeitsjahr 1968/69
713
Register zu den Budibesprediungen
723
HARTMUT HOFFMANN
B Ö H M E N U N D DAS D E U T S C H E R E I C H IM H O H E N MITTELALTER 1.
Einleitung
Die slawischen Stämme, die auf böhmischem Boden siedelten, stießen mit den Franken zum erstenmal im 7. Jahrhundert zusammen. Unter der Führung Samos, eines abenteuernden Kaufmanns, der selber erst von Westen gekommen war, wehrten sie einen Angriff des merowingischen Königs Dagobert ab und drangen in den nächsten Jahren ihrerseits in germanisches Gebiet vor. Diese Bedrohung der fränkischen Grenzen dauerte allerdings kaum mehr als ein Jahrzehnt; und dann verschwinden die böhmischen Slawen wieder f ü r etwa anderthalb Jahrhunderte aus unserem Blick. Erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts tauchen sie aufs neue im Gesichtskreis der karolingischen Chronisten auf, und seit jener Zeit datieren die tausendjährigen Beziehungen, welche das tschechische Land zunächst mit dem fränkischen, danach mit dem deutschen Reich mehr oder weniger kontinuierlich bis zur Auflösung von 1806 verbunden haben, nicht eingeredinet das hundertjährige Nachspiel, das ihnen noch im Rahmen der Donaumonarchie beschert war. Uber die rechtliche N a t u r dieses Verhältnisses und zumal über seine Entstehung hat man schon im 19. Jahrhundert gestritten. Aber obwohl viel Tinte darüber geflossen ist, klaffen die Meinungen noch heute weit auseinander. Nationales Vorurteil hat hier vermutlich manchen Gelehrten mit Blindheit geschlagen. Doch braucht man erfreulicherweise von einer starren tschechischen oder einer ebenso starren deutschen Front nicht zu sprechen; und solange die wissenschaftliche Erörterung nicht abgeschlossen ist, dürfte es überhaupt weder sinnvoll noch erforderlich sein, die ideologischen Fehlerquellen aufzuspüren, die den einzelnen Forschern zum Verhängnis geworden sein könnten. Da ich das taedium eines langen Forschungsberichts nicht heraufbeschwören will, orientiere ich im folgenden nur kurz über den jüngsten Stand der Kontroverse. 1959 sind ohne Beziehung zueinander die beiden letzten bedeutenderen Arbeiten zum Thema erschienen — mit leider ziemlich konträren Ergebnissen. Auf der einen Seite vertrat Zdenek Fiala 1 die Auffassung, daß vom 9. bis 1 2 . F i a l a , Vztah ceskeho statu k nemecke risi do pocatku 13. stoleti, in: Sbornik historicky 6 (1959), S. 23—95; vgl. auch d e s s e l b e n Kritik an dem gleich zu nennenden Buch von Wegener, in: Ceskoslovensky casopis historicky 8 (1960), S. 176—185.
1
2
HARTMUT
HOFFMANN
zum 11. Jahrhundert die Böhmen gelegentlich, aber nicht durchgängig einen Tribut gezahlt hätten, der keine staatsrechtliche Abhängigkeit vom Reich mit sich gebracht hätte, und daß der böhmische Herzog vorübergehend zu Beginn des 11. Jahrhunderts, dann dauernd seit etwa 1100 Lehensmann des römischen Kaisers (und nicht des deutscheu Königs) geworden sei. Auf der anderen Seite nahm Wilhelm Wegener an, daß schon Karl der Große die Böhmen nicht nur tributpflichtig gemacht, sondern auch unterworfen habe, daß das Land seit dem 9. Jahrhundert lehensabhängig und seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein den deutsdien Stammesherzogtümern gleichgestelltes Herzogtum im Rahmen des regnum Teutonicorum gewesen sei.2 Man sieht sogleich: Ein größerer Gegensatz als zwischen diesen beiden Forschern läßt sich kaum denken. Fiala tendiert dahin, den Einfluß des deutschen Kaisers in Böhmen möglichst spät beginnen und ihn möglichst schwach erscheinen zu lassen, während Wegener im Gegenteil eine frühe und feste Bindung des böhmischen Herzogs an das Reich annehmen möchte. Friedrich Prinz versuchte, in seiner Münchener Probevorlesung von 1964 die Kluft zu überbrükken, doch im wesentlichen beschränkte er sich darauf, einen Uberblidk über die verschiedenen Standpunkte zu geben.3 Noch weniger nähert sich einer Lösung, was Hans Jäger 1959 in einer von slawischen Sprachkenntnissen ungetrübten Dissertation hierüber vorzutragen hatte.4 Die Quellen und die gelehrten Meinungen müssen daher noch einmal geprüft werden. Fünf untereinander zusammenhängende Gesichtspunkte sind dabei vor allem im Auge zu behalten, nämlich die Tributpflicht, die allgemeine Zugehörigkeit zum Reich, die Lehensbindung, der böhmische Herrscher als Reichsfürst und schließlich die Frage, ob Böhmen ein Teil des deutschen Königreiches oder des Imperium Romanum geworden ist. Da die karolingischen Verhältnisse auch in dieser Beziehung traditionsbildend auf den weiteren Gang der Geschichte eingewirkt haben könnten, sei ihnen zunächst die Aufmerksamkeit gewidmet. 2
W . W e g e n e r , Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter (1959). Unergiebig
i s t W e g e n e r s Studie „Zeugenreihen deutsdier Königs- und Kaiserurkunden als Quellen für die Stellung der Herzoge und Könige von Böhmen im deutsdien Königreich des hohen Mittelalters", in: Zs. f. Ostforschung 6 (1957), S. 2 2 3 — 2 4 5 , da die Nennung böhmischer Fürsten in deutsdien Urkunden des 12. Jahrhunderts keine staatsrechtlichen Schlüsse erlaubt; vgl. dazu F i a l a , in: Sbornik historicky 6, S. 32. 3
F. P r i n z , Die Stellung Böhmens im mittelalterlichen Deutschen Reich, in: Zs. f. bayer.
L G 28 (1965), S. 9 9 — 1 1 3 . 4
H . J ä g e r , Rechtliche Abhängigkeitsverhältnisse der östlichen Staaten vom Fränkisch-
Deutschen Reich (Ende des 8. bis Ende des 11. Jh.s), Diss. phil. Frankfurt 1959, erschienen 1960. — Bibliographischen Wert hat das Handbuch der böhmischen Länder, hrsg. K . B o s 1, 1 (1967).
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
3
Noch eins sei vorweg bemerkt: Neuere Forscher, die sich mit ihrer Wissenschaftlichkeit brüsten wollen, zieren ihre Abhandlungen gern an vielen Stellen mit pedantisch-peniblen Erläuterungen über die „kritische Methode". Ich verzichte auf solche lästigen Schnörkel, da ich bei dem Leser wohl das Proseminarniveau voraussetzen darf. 2. Das karolingische
Vorspiel
791 griff Karl der Große nach einem sorgfältig ausgedachten Plan die Avaren an. Er brach aus Bayern auf und teilte dann das Hauptheer, so daß er selbst auf dem südlichen Donauufer marschierte, während eine zweite Abteilung unter dem Befehl des Grafen Theoderich und des Kämmerers Meginfrid nördlich des Flusses vorrückte. Nachdem das Ziel der Campagne in der ungarischen Tiefebene erreicht worden war, wurde der Rückzug beschlossen. Der König kehrte nach Bayern heim und begab sich nach Regensburg. Dagegen zogen Sachsen und Friesen unter Theoderich und Meginfrid per Beehaimos, via qua venerant. Das ist, auf seine wesentlichen Elemente reduziert, der Bericht der Annales qui dicuntur Einhardi.5 Uns interessieren daran die Beehaimi. Ist mit ihnen das spätere, uns wohlvertraute Böhmen gemeint oder eher ein heute österreichisch-bayrisches Gebiet nördlich der Donau? Gegen die zweite Lösung spricht zunächst, daß Theoderich und Meginfrid offensichtlich nicht durch Bayern und über Regensburg in die Heimat gekommen sind. Denn diesen Weg hat Karl der Große mit seinen eigenen Truppen eingeschlagen, und der Annalist macht es ganz deutlich, daß die anderen nicht derselben Route gefolgt sind. Wenn aber Theoderich und Meginfrid einerseits nicht durch Bayern und über Regensburg gezogen sind, andererseits das heutige Böhmen vermieden und sich nördlich der Donau gehalten haben sollten, dann müßten sie sich mit ihrer Schar durch das unwegsamste Gelände des Böhmerwalds oder des Bayrischen Walds geschlagen haben. Das ist doch recht unwahrscheinlich, zumal da kein strategischer Anlaß bestand, die siegreichen Heimkehrer solcher Mühsal auszusetzen. Infolgedessen liegt es näher, in der via per Beehaimos tatsächlich eine Straße durch Böhmen zu sehen. Freilich ist auch diese Meinung nicht ohne Schwierigkeiten, und es hängt alles davon ab, welche Route Theoderich und Meginfrid auf dem Hinweg gewählt hatten (in5 F. K u r z e (ed.), Annales regni Francorum, MG Scr. rer. Germ. 1895, S. 89: Alias vero copias, quibus Theodericum et Meginfridum praefecerat, per Beehaimos via, qua venerant, reverti praecepit. Sic peragrata ac devastata magna parte Pannoniae cum incolomi exercitu Francorum in Baioariam se recepit. Saxones autem et Frisiones cum Tbeoderico et Meginfrido per Beehaimos, ut iussum erat, domum regressi sunt... Ipse autem cum dimissis copüs Reginum civitatem, quae nunc Reganesburg vocatur, venisset etc.
1»
HARTMUT
4
HOFFMANN
sofern dieser ja, nur in umgekehrter Richtung, mit dem Rückweg identisch gewesen sein soll). Die ältere Fassung der Annales regni Francorum überliefert, daß Karl zuerst Kriegsrat mit Franken, Sachsen und Friesen in Regensburg gehalten habe. Wie Josef Dobias dazu mit Recht bemerkt hat, waren damals wohl nur die Anführer, nicht aber die ganze Kriegsmannschaft anwesend.6 Der ältere Annalist läßt den König dann bis zur Enns vorrücken, und von diesem Punkt an stieß Karl südlich der Donau vor, während Sachsen, Friesen und einige Franken auf dem Nordufer des Stroms vordrangen. Ob die zweite Kolonne von Regensburg bis zur Enns zu Karls Heer gehört hatte oder ob sie vielleicht durch Böhmen gezogen und erst nördlich der Ennsmündung an die Donau gekommen war, bleibt in diesem Bericht unklar. Auch die sog. Einhardsbearbeitung macht dazu keine eindeutigen Angaben. Da heißt es, der König sei in Bayern eingetroffen, habe Truppen aus dem ganzen Reich gesammelt und einen Teil des Heers, der auf dem Nordufer der Donau marschieren sollte, dem Grafen Theoderich und dem Kämmerer Meginfrid anvertraut. Er selber kam auf dem südlichen Donauufer bis zur Enns, fiel dann ins avarische Gebiet ein, und nach dem Sieg ordnete er für beide Heeresgruppen, wie oben angegeben, den Rückzug an. Auf den ersten Blick scheint daraus hervorzugehen, daß der Marsch in zwei Kolonnen beiderseits der Donau schon begonnen hatte, lange bevor die Ennsmündung erreicht wurde (also schon in Regensburg?). Jedoch genaugenommen steht das nicht im Text. Es heißt wohl, daß die Theoderich-Meginfrid-Abteilung nördlich der Donau marschiert ist; aber es wird nicht gesagt, wo sie den Strom erreicht hat. Und selbst wenn man annimmt, daß die beiden vornehmen Anführer mit einem kleinen fränkischen Kontingent von Regensburg aus nördlich der Donau flußabwärts gezogen sind, so brauchen die Sachsen und Friesen doch erst, nachdem sie den böhmischen Kessel durchquert hatten, an der Ennsmündung hinzugekommen zu sein. Damit wäre unsere Frage nach der Lokalisierung der Beehaimi anscheinend befriedigend gelöst. 6
J . D o b i a s , Seit wann bilden die natürlichen Grenzen von Böhmen auch seine politi-
sche Landesgrenze?, in: Histórica 6 (1963), S. 12; Annales regni Francorum ad a. 791, ed. K u r z e , S. 88: ibique consilio peracto nimiam pulum
malitiam christianum,
et intollerabilem,
Francorum,
quam fecerunt
Saxonum, Avari
unde iustitias per missos impetrare
Dobias (a. a. O.) ferner behauptet, daß Francorum,
Frisonum
contra
non valuerunt,
Saxonum,
disposuerunt
sanctam
Frisonum
ecclesiam
iter peragendi.
propter vel
po-
Wenn
„logisches Subjekt"
von iter sei, so ist das wegen der langen dazwischengeschalteten Satzglieder nicht gerade glaubhaft. Ebenso wenig überzeugt seine Meinung (a.a. O., S. 11 f.), daß die fränkischen Heersäulen nicht geradezu im Donautal, sondern weiter nördlich bzw. südlich gezogen seien. Dagegen sprechen doch die Ausdrücke ripa und litus, die eine so weitherzige Auslegung nicht gestatten.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
5
Zwei Einwände sind freilich noch zu bedenken. "Wäre es nicht möglich, daß die nördliche Heeresgruppe zunächst von Regensburg aus auf dem linken Donauufer bis in die Höhe der Enns vorgerückt und dann nach Südböhmen abgeschwenkt ist, um erst an der Kampmündung wieder die Donau zu erreichen? Ein solches Umgehungsmanöver wäre im Hinblick auf die avarischen Feinde vielleicht denkbar. Doch warum sollten Sachsen und Friesen einen ebenso beschwerlichen Rückweg eingeschlagen haben — und das müßte man ja annehmen, wenn man die via per Beehaimos, auf der die Truppe sowohl anmarschiert als auch zurückmarschiert ist, in einer Straße durch den böhmischen Südzipfel suchen wollte? Es ist schlechterdings kein Grund dafür zu sehen. Eine andere Möglichkeit bestünde schließlich darin, daß die Beehaimi damals bis an die Donau im nördlichen Niederösterreich reichten. Nach dieser Auffassung wären Theoderich und Meginfrid, wenn sie auf dem Nordufer des Flusses bis zur Wachau und weiter in Richtung Wien gezogen wären, durchaus per Beehaimos gekommen. Nun ist eine slawische Siedlung in Niederösterreich nicht auszuschließen. Aber es gibt sonst keine eindeutigen Fälle, in denen der Begriff „Böhmen" für diese Landschaft gebraucht würde. Infolgedessen sind wir auch zu 791 nicht berechtigt, ihn derartig auszulegen.7 Wir werden somit auf die oben begründete Meinung zurückgeworfen, daß Sachsen und Friesen (auf dem Hinweg vielleicht ohne Theoderich und Meginfrid?) damals das heutige Böhmen zweimal durchquert haben. Ob die dort ansässigen Slawen bereits zu diesem Zeitpunkt die fränkische Oberhoheit anerkannt haben, bleibt auch danach natürlich noch eine offene Frage. 805 und 806 schickte Karl der Große seine Heere wieder nach Böhmen, diesmal in eindeutig feindlicher Absicht. In der gleichzeitigen Annalistik werden uns die Feldzüge ziemlich ausführlich geschildert.8 Aber es verlautet nichts 7
Ausgehend von dem Bericht der Annales qui dicuntur Einhardi zu 791 nimmt V. V a -
necek,
Franske pomezni marky a jejich ceskomoravske sousedstvi v 9. stol., in: Pravne-
historicke Studie 9 (1963), S. 2 2 9 — 2 4 7 , an, daß die Franken im 9. Jahrhundert nicht über das „eigentliche" Böhmen geherrscht hätten, sondern lediglich über diejenigen „Böhmen", die westlich und südlich bzw. südöstlich vom Kamm des Böhmerwaldes wohnten. E r übersieht dabei unter anderem, daß schon die nächste Erwähnung von
Behaim zu
805 eindeutig auf das
Gebiet des heutigen Böhmen führt (siehe unten S. 5 Anm. 8); und ebenso steht es mit allen übrigen Nennungen, die eine klare Entscheidung erlauben. Zu Vanicek vgl. auch Z. F i a 1 a , in: Ceskoslovensky casopis historicky 13 (1965), S. 6 7 — 7 1 . 8
Annales regni Francorum, ed. K u r z e ,
S. 120, 122; Annales Mettenses priores, ed.
B. v o n S i m s o n , MG Scr. rer. Germ. 1905, S. 93 ff. Zu den Mettenses vgl. H . mann,
Hoff-
Untersuchungen zur karolingischen Annalistik, 1958, S. 9 ff. Unergiebig sind die
Überlegungen von R . F i s c h e r ,
Zur Frühgeschichte Böhmens. W o lag die Canburg des
Jahres 805?, in: Wiss. Zs. Friedr.-Schiller-Univ. Jena, gesellsch.- u. sprachwiss. Reihe N r . 1, Jg. 1951/2, H . 2, S. 67 f.
6
HARTMUT
HOFFMANN
von dem Anlaß und nichts von dem endgültigen Ergebnis. Wenn es in den Reichsannalen zu 806 heißt, das fränkische Heer sei nach Verwüstung des Landes absque ullo gravi incommodo zurückgekehrt, so ist darin kaum das Eingeständnis eines Fehlschlags zu sehen. Aus dem nächsten Jahr (807) stammt ein Capitular, welches weitere kriegerische Verwicklungen mit den Böhmen in Erwägung zieht und für diesen Fall bestimmte Mobilisierungsmaßnahmen vorsieht.9 Ob Böhmen dem Frankenreich bereits unterworfen oder noch ganz unabhängig war, läßt sich der unbestimmten Formulierung nicht entnehmen. In den folgenden Jahrzehnten erwähnt die Überlieferung keinerlei Konflikte. Den wahren Erfolg der Expeditionen von 805 und 806 scheinen erst zwei spätere Nachrichten anzudeuten. In der Ordinatio imperii von 817 wurden nämlich die Beheimi neben Bayern und anderen östlichen Völkerschaften Ludwig dem Deutschen zugeteilt;10 und Einhard erzählt in der Vita Karoli, der Kaiser habe die Böhmen tributpflichtig gemacht.11 Fiala 12 hat den Wert der beiden Quellenstellen angezweifelt: es handele sich um isolierte Aussagen, mit denen man nichts anfangen könne; die Formulierung der Ordinatio imperii sei zu knapp, als daß sie eine befriedigende Deutung erlaube; und auf Einhards panegyrische Übertreibung sei nichts zu geben. Zudem unterscheide die Vita Karoli zwischen tributpflichtigen und unterworfenen Völkern und würde damit eher die Selbständigkeit der Böhmen (die sie in die erste Kategorie einreiht) bezeugen. Da die Böhmen damals noch einer monarchischen Verfassung entbehrt hätten, könne Tribut überhaupt höchstens von einem oder einigen Teilstämmen gezahlt worden sein. Es ist hier der Ort, grundsätzlich von Fialas Auffassung der Tributpflicht zu reden. Im Tribut sieht er eine Art Lösegeld, mittels dessen sich eine schwächere Partei vom stärkeren Gegner zeitweiligen Frieden erkaufte — und nur das. Eine staatsrechtliche Abhängigkeit werde dadurch nicht bewirkt, sondern 9
M G Capit. 1, 136 N r . 49, c. 2: Et si partibus
tercium praeparent.
Beheim
fuerit
necesse solatium ferre,
duo
Ob hier an defensive oder offensive Aktionen gedacht ist, läßt sich nicht
entscheiden. 10
M G Capit. 1, 271 N r . 136, c. 2.
11 Einhard, Vita Karoli c. 15, ed. O. H o 1 d e r - E g g e r , MG Scr. rer. Germ., 1911, S. 18: omnes
barbaras
Danubium
ac feras
quas fere praecipuae 12
nationes,
positae . . . Germanium
quae
inter
incolunt,
Rbenum
ac Visulam
ita perdomuit,
sunt Welatabi, Sorabi, Abodriti,
fluvios
ut eas tributarias
oceanumque efficeret;
ac inter
Boemani.
Sbornik historicky 6, S. 35 f., 4 0 — 4 2 . — Der Tribut, den Heinrich I. den Ungarn zahlte,
ist mit dem böhmischen wiederholt zu Unrecht verglichen worden; denn im Gegensatz zu diesem war er ausdrücklich auf eine bestimmte Waffenstillstandsfrist beschränkt. Im übrigen hätte er, wenn den Deutschen die Ungarnabwehr mißlungen wäre, mit der Zeit durchaus zu einer staatsrechtlichen Abhängigkeit führen können.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
7
im Gegenteil geradezu ausgeschlossen; denn wo ein festes Verhältnis der Unterordnung herrsche, sei damit auch schon der Friede zwischen den Beteiligten als Normalzustand gegeben und brauche nicht erst immer von neuem durch materielle Leistungen erhandelt zu werden. Es bedarf wohl keines längeren Beweises, daß sich Fiala einen seltsam verengerten, schematischen Begriff konstruiert hat, der aus den Quellen nicht zu rechtfertigen ist. Tribut und Abhängigkeit sind durchaus miteinander vereinbar. Das läßt sich mit aller wünschenswerten Klarheit nicht nur aus den deutsch-böhmischen Beziehungen des 11. Jahrhunderts,13 sondern ebenso aus anderen Bereichen der mittelalterlichen Geschichte belegen. Zum Beispiel ging die Oberhoheit des Deutschen Reiches über die Elbslawen Hand in Hand mit Tributzahlungen der Unterworfenen.14 Und wenn nun Einhard — um auf ihn zurückzukommen — berichtet, Karl der Große habe die östlichen Völkerschaften tributpflichtig gemacht und dann vornehmlich Wilzen, Sorben, Abodriten und Böhmen aufzählt, so geht aus anderen Quellen deutlich genug hervor, daß wenigstens Wilzen, Sorben und Abodriten auch die fränkische Oberhoheit anerkannt haben, ja zum Teil sogar in ein Lehensverhältnis zu Karl getreten sind.15 Die Tributpflicht schließt daher eine weitergehende, staatsrechtliche Abhängigkeit offenbar nicht aus. Was aber den anderen Slawen recht ist, ist den Böhmen billig. Auch sie dürften damals dem fränkischen Machtbereich angegliedert worden sein. Das ergibt nicht nur die Analogie, sondern mehr noch die Ordinatio imperii von 817, welche den Einhardsatz trefflich ergänzt. Wann die Unterwerfung erfolgt ist, läßt sich mit absoluter Sicherheit nicht bestimmen. Da wir jedoch von Feldzügen bloß zu 805 und 806 hören, möchte man den Erfolg am ehesten ihnen zuschreiben. Doch wäre auch eine kampflose Unterordnung unter die fränkische Oberhoheit bereits um das Jahr 791 nicht völlig auszuschließen. Den unmittelbaren Anlaß dieses ordnenden Eingreifens erfahren wir nicht. Er mag in irgendwelchen, an sich banalen Grenzkonflikten gelegen haben. Und so stellt es auch der Poeta Saxo dar: 13 Siehe unten S. 22 ff. 14
Dazu schon G. W a i t z ,
Deutsche Verfassungsgeschichte 8,
2
1 9 5 5 , S. 372 ff.; zuletzt
J ä g e r (wie Anm. 4), S. 37 ff., 70 ff.; auch W . F r i t z e , Beobachtungen zu Entstehung und Wesen des Lutizenbundes, in: Jb. f. d. Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 7
(1958),
S. 13 ff. 15
J ä g e r , S. 7 ff.; s. auch W . F r i t z e , Probleme der abodritischen Stammes- und Reichs-
verfassung und ihrer Entwicklung vom Stammesstaat zum Herrsdiaftsstaat, in: Siedlung und Verfassung der Slawen zwischen Elbe, Saale und Oder, hrsg. von H . Ludat, 1960, S. 144 ff., 154 f.
8
HARTMUT
HOFFMANN
Natio Sclavorum studio satis aspera belli, Quos Behemos vocitant, in se levitate procaci Irritans Francos, Caroli commoverat iram.16 Doch selbst wenn der Dichter die bekannten Vorlagen nicht nur phantasievoll aufgeputzt, sondern aus eigener Quelle hier etwas hinzugetan hat, ist mit der Nachricht wenig anzufangen. Was sollten die Franken auf Befragen schon anderes antworten, als daß sie „gereizt" worden seien? Wichtiger ist, daß sich der böhmische Krieg in die allgemeine Politik Karls des Großen einordnet, die wohl darauf hinzielte, im Osten ein Vorfeld abhängiger Völkerschaften zu schaffen und somit die Sicherheit des Reichs durch offensive Maßnahmen zu gewährleisten. Jedenfalls braucht man weder ein christliches noch ein kaiserliches Sendungsbewußtsein zu bemühen, um die Feldzüge gegen die Böhmen zu erklären. Denn die Slawenkämpfe setzen zumindest an anderen Orten lange vor 800 ein, und um die Mission in dem gewonnenen Glacis war es den Franken zunächst nicht sonderlich zu tun, wenn wir vom Alpen- und Donaugebiet absehen, auf das es hier nicht ankommt. Es mögen durchaus von christlicher, zumal von angelsächsischer Seite Gedanken und Pläne erörtert worden sein, daß auch die Westslawen bekehrt werden sollten; 17 nur hat sie Karl der Große gewiß nicht mit Nachdruck verfolgt. Höchst unsicher ist schließlich die Meinung, daß im südöstlichen Mähren bis hin in die Slowakei das Christentum bereits um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert Eingang gefunden habe: die Änderung des Bestattungsbrauchs, auf die man sich zur Begründung der Hypothese berufen hat, setzt offenbar zu früh ein und ist eher auf avarischen Einfluß zurückzuführen; und die Kirchen, die man in Modrä, Mikul18
MG SS 1, S. 262 ad a. 8 0 5 ; ziemlich naiv dazu M. L i p p , Das fränkische Grenzsystem
unter Karl dem Großen, 1892, S. 41 Anm. 2. — Eine Urkunde Karls des Großen für Emhild, die Gründerin des Klosters Milz, spricht von einem incursu(s) qui e regione
Boemie sepius irruptionem
facere
et homines
paganorum abducere
Sclavorum
solebant:
E. E.
videlicet, Sten-
g e l , Urkundenbuch des Klosters Fulda 1, 1958, S. 396 N r . 274. Doch da es sich dabei um eine Eberhard-Fälsdiung aus dem 12. Jahrhundert handelt, läßt sich die Quelle kaum verwerten. 17
S. dazu W. H . F r i t z e ,
Slaven und Avaren im angelsächsischen Missionsprogramm
I — I I I , in: 2s. f. slav. Philol. 31 (1964), S. 3 1 6 — 3 3 8 ; 32 (1965), S. 2 3 1 — 2 5 1 ; 33 (1967), S. 3 5 8 — 3 7 2 ; vgl. G. S t ö k 1, Geschichte der Slavenmission, in: Die Kirche in ihrer Geschichte, hrsg. K . D. Schmidt/E. Wolf, 2 E (1961), S. 76 f. K . D. S c h m i d t , Die Gründung des Bistums Verden und seine Bedeutung, in: Stader Jb. 1947, S. 2 5 — 3 6 , bes. 31 ff., hat behauptet, das Bistum Verden sei u. a. auch im Hinblick auf die Slawenmission östlich der Elbe gegründet worden. In den Quellen fehlt dafür jeder sichere Anhaltspunkt: in den Annales regni Francorum wird zu 780 nicht von Wendentaufen an der Ohremündung, sondern von Sachsentaufen bei Ohrum an der Oker berichtet (ed. K u r z e , S. 56 f.), und einen Brief Alkuins, der sich bei einem ungenannten Abt nach der Bekehrung von Sachsen, Dänen und Wilzen erkundigt (MG Epp. 4, S. 31 N r . 6), darf man wohl nicht als Zeugnis eines Missionsplans der fränkischen Kirche werten.
B Ö H M E N U N D D A S D E U T S C H E R E I C H IM H O H E N MITTELALTER
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cice und anderswo ergraben hat, scheinen doch erst einer späteren Zeit anzugehören.18 Das älteste sichere Zeugnis der Christianisierung dieses Raums bleibt immer noch die Nachricht von einer Kirche in Nitra, die Erzbischof Adalram von Salzburg (821—836) geweiht hat. 19 Man wird daher kaum von einer energischen Missionspolitik Karls des Großen gegenüber den Slawen nördlich der Donau sprechen dürfen. Wie immer sich aber die Sieger ihre eigenen Taten ausgelegt haben mögen: Es war im wesentlichen der ungebrochene Expansionsdrang eines jugendlich-starken Staates, der an jenen östlichen Grenzen seine Triumphe feierte. 20 Wie lange sich die Karolinger des erworbenen Besitzes erfreuen konnten und zumal wie regelmäßig die böhmischen Tribute nach Westen geflossen sind, ist eine andere Frage. 822 bringen Böhmen und Mährer ihre munera dem Kaiser in Frankfurt dar; aber daß diese munera, von denen die Reichsannalen reden, wirklich den Tribut meinen, läßt sich schlüssig nicht erweisen. Immerhin sind die Beziehungen zwischen Slawen und Franken friedlich gewesen, und man darf vielleicht vermuten, daß die Anordnungen, die Karl der Große getroffen hatte, so lange respektiert wurden, wie der Streit um sein Erbe noch nicht offen ausgebrochen war. Unklar ist eine Nachricht zu 840: Ludwig der Deutsche hatte sich gegen seinen Vater erhoben, war aber aus Thüringen vertrieben und, „aus den Grenzen des Reiches ausgeschlossen, durch das Land der Slawen [d. h. wohl der Böhmen] nach Bayern zurückzukehren" gezwungen worden, wobei er sich den Durchzug durch heidnisches Gebiet erst hatte erkaufen müssen.21 Mat hat daraus geschlossen, daß die Böhmen inzwischen wieder die Selbständigkeit erlangt hätten. Aber könnte das regnum, das Ludwig der Deutsche hinter sich lassen mußte, im lockeren Sprachgebrauch des Annalisten nicht bloß das engere Reichsterritorium (ohne die slawische Randzone) bezeichnet haben? Und hätte der Empörer vielleicht gerade deshalb die Heiden bestechen müssen, weil sie anfänglich Miene gemacht hatten, loyal die 18
V. V a v f i n e k , Die Christianisierung und Kirchenorganisation Großmährens, in: Historica 7 (1963), S. 5 ff.; V. R i c h t e r , Die Anfänge der großmährischen Architektur, in: Magna Moravia, Spisy University J. E. Purkyne v Brne, Filosof. Fakulta 102 (1965), S. 121 ff. 19 Conversio Bagoariorum c. 11, MG SS 11, S. 12. 20 Der Zusammenhang, den A. B r a c k m a n n , Gesammelte Aufsätze, 1941, S. 67 f., zwischen den Kriegen von 805/6 und der Slawenmission konstruiert, wird von keiner Quelle gestützt. 21 Annales Fuldenses ad a. 840, ed. F. K u r z e , MG Scr. rer. Germ. 1891, S. 30 f.: exclusumque a firtibus regni per Sclavorum terram cum magno labore Baioariam redire conpellit; V. N o v o t n y , Ceske dejiny I 1, 1912, S. 283 Anm. 1, glaubt, daß der Annalist mit regnum hier nur den unter der direkten Verwaltung Ludwigs des Frommen stehenden Reichsteil gemeint habe, zu dem Böhmen ja nicht gehört habe. Vgl. auch W e g e n e r , Böhmen/ Mähren, S. 16.
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Partei des alten Kaisers zu ergreifen? Wir wissen zu wenig, als daß wir eine zweifelsfreie Antwort geben könnten. Auch die 14 böhmischen duces, die sich fünf Jahre später in Bayern taufen lassen,22 helfen uns nicht weiter. Da die Franken offensichtlich während des ganzen 9. Jahrhunderts die Oberhoheit über Böhmen angestrebt haben, wird man kaum fehlgehen, wenn man dieser Bekehrung auch politische Bedeutung beimißt. Jedoch haben die „Herzoge" wahrscheinlich nicht mehr als eine Minderheit ihres Volkes hinter sich gehabt — wie ließen sich anders die heftigen Kämpfe erklären, die gleich im nächsten Jahr zwischen Franken und Böhmen ausgebrochen sind?23 Uberhaupt ist dies die größte Schwierigkeit bei der Interpretation der fränkischen Quellen: Sie sprechen meist in Bausch und Bogen von den Boemani, den Beheimi oder vom Land Beheim. Jedoch die Aufsplitterung der böhmischen Slawen in eine Anzahl von Stämmen, die in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts noch nicht unter einem Samtherrscher vereinigt waren, lassen sie ebenso außer acht, wie sie zu präzisieren vergessen, wo die Grenze zwischen abhängigen und unabhängigen Slawen im Osten verlief.24 Das hat zur Folge, daß wir nicht bestimmen können, wie weit die Stämme, einzeln oder insgesamt, von den Franken unterworfen oder beansprucht worden sind, wer von ihnen als tributpflichtig gegolten hat, an Aufständen beteiligt gewesen ist usw. Vor allem wissen wir nicht, ob zu den „Böhmen" Einhards und der Ordinatio imperii auch die Mährer gezählt worden sind. Diese tauchen in den Quellen zum ersten Mal zu 822 auf. 25 Haben die fränkischen Beobachter ihre 22
Annales Fuldenses ad a. 845, ed. K u r z e , S. 3 5 : Hludowicus
norum phaniae
cum hominibus baptizari
suis christianam
religionem
desiderantes
iussit; dazu V. C h a l o u p e c k y ,
Sbornik II 2, 1939, S. 181 f.; H . P r e i d e l ,
XIIII suscepit
ex ducibus et in octavis
Boematheo-
Prameny X . stoleti, Svatovaclavsky
Die Taufe der 14 böhmischen Herzöge in
Regensburg, in: Mitteilungsblatt des Adalbert-Stifter-Vereins (Beilage zu den: Prager Nachrichten) N r . l l / 1 2 / I I I (1955). K. B o s 1, Probleme der Missionierung des böhmisch-mährischen Herrschaftsraumes, in: Cyrillo-Methodiana, hrsg. M. Hellmann u. a., 1964, S. 25 f., erschließt aus dem iussit einen Zwang zur Unterwerfung; aber der „Befehl" des Königs richtete sich kaum an die (freiwillig gekommenen) Herzoge, sondern an die Geistlichkeit, die ihnen die Taufe spenden sollte. 23
Novotny,
Ceskd dijiny I 1, S. 294 ff.; E. D ü m m l e r ,
Geschichte des ostfränki-
schen Reiches 1, Neudr. 1960, S. 298 f., 345 f. 24
Zu der schwierigen Frage, wie und wann die Prager Herzoge sich die übrigen böhmischen
Kleinstämme unterworfen haben, s. zuletzt Z. F i a 1 a ,
Hlavni problemy politickych
a
kulturnich dejin ceskych v 9. a 10. stoleti podle dnesnich znalosti, in: Ceskoslovensky casopis historicky 14 (1966), S. 5 4 — 6 5 , bes. 62, der die staatliche Einheit Böhmens erst mit der E r mordung der Slavnikiden im Jahr 995 beginnen läßt. Kann man aber aus der Chronik des Cosmas von Prag I, 27, ed. B. B r e t h o 1 z , M G Scr. rer. Germ. N S 2, 2 1 9 5 5 , S. 49 f., wirklich beweisen, daß Slavniks Herrschaft von den Premysliden völlig unabhängig war? S. auch F. G r a u s , in: Ceskoslovensky casopis historicky 14 (1966), S. 228 f. 25 Siehe oben S. 9.
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Verschiedenheit von den weiter westlich sitzenden Slawen vielleicht erst jetzt erkannt? Wenn wir lesen, daß die Mährer Ludwig dem Frommen mit „Geschenken" aufwarteten, so würde das allein noch keinen Schluß auf ihr staatsrechtliches Verhältnis zu den Franken erlauben. Aber die Nachricht ist in ihrem Zusammenhang zu betrachten: Der Kaiser hält 822 in Frankfurt einen Reichstag ab, der den Fragen der Ostpolitik gewidmet ist, und er empfängt bei dieser Gelegenheit Gesandtschaften „aller östlichen Slawen, d. h. der Abodriten, der Sorben, der Wilzen, der Böhmen, der Mährer, der Praedenecenti und der in Pannonien wohnenden Avaren". 2 6 Die Aufzählung der Völker und der Zweck der ganzen Veranstaltung wollen beachtet sein. Es handelt sich um eine Beratung, in der eigens die Lage im Osten erörtert wird, und dazu erscheinen Abgesandte von den östlichen Stämmen. Das ist offensichtlich mehr als Gleichzeitigkeit; beide Vorgänge gehören zusammen; und da ist es nun mehr als wahrscheinlich, daß der Kaiser die Slawen zu sich bestellt hat. Das wird um so richtiger sein, als fast alle genannten Völker nachweislich vom Fränkischen Reich abhängig gewesen sind. Zweifel könnten höchstens die Mährer und die Praedenecenti erwecken. Die letzteren, auch Ostabodriten genannt, sind eine slawische Gruppe, die bloß flüchtig in den fränkischen Quellen des 9. Jahrhunderts auftaucht. 27 In den Reichsannalen werden sie zu 818, 822 und 824 erwähnt, und davon ist die letzte Nachricht am aufschlußreichsten. Wir entnehmen ihr, daß die Praedenecenti in Dacien an der Donau saßen, die Nachbarn der Bulgaren waren und gegen diese fränkische Hilfe erbaten; ihren Gesandten wird befohlen, sich zu einem bestimmten Termin am karolingischen Hof wieder einzufinden. 28 Man gewinnt daraus den Eindruck, daß die Praedenecenti sich in Abhängigkeit vom Fränkischen Reich befanden, und wir werden in dieser Meinung durch Einhard bestärkt, demzufolge auch D a 26
Annales regni Francorum ad a. 822, ed. K u r 2 e , S. 159.
27
W. F r i t z e , Die Datierung des Geographus Bavarus und die Stammesverfassung der Abodriten, in: Zs. f. slav. Philol. 21 (1952), S. 328 ff.; B. H o r a k / D. T r a v n i c e k , Descriptio civitatum ad septentrionalem plagam Danubii (t. zv. Bavorsky geograf) = Rozpravy Ceskoslovenske Akademie Ved, Rada SV, 66, 2 (1956), S. 23; vgl. ferner H. B u l i n , Stari Slovensko v udajoch tzv. Bavorskeho geografa, in: Historicky casopis 6 (1958), S. 405—433, bes. 429 ff.; L. H a v l i k , Moravane v lidajich franko-bavorskeho Descriptia, ebd. 7 (1959), S. 282—289 (dessen Frühdatierung der Descriptio in die Zeit um 817 allerdings ziemlich fragwürdig ist). 28
Annales regni Francorum ad a. 824, ed. K u r z e , S. 165 f.: legatos Abodritorum, qui vulgo Praedenecenti vocantur et contermini Bulgaris Daciam Danubio adiacentem incolunt, . . . ilico venire permisit. Qui cum de Bulgarorum iniqua infestatione quererentur et contra eos auxilium sibi ferri deposcerent, domum ire atque iterum ad tempus Bulgarorum legatis constitutum redire iussi sunt.
HARTMUT HOFFMANN
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cien zum Herrschaftsbereich K a r l s des G r o ß e n gehörte. 2 9 W e n n aber A b o driten, Sorben, Wilzen, Böhmen, A v a r e n und offenbar die Praedenecenti von den Franken abhängig waren, sollten dann die Mährer als einziger Stamm unter den vielen, die sich 822 in F r a n k f u r t vertreten ließen, frei gewesen sein? Das ist doch recht unwahrscheinlich, und man w i r d eher zu der A n n a h m e gedrängt, daß auch sie im Banne des Karolingerreiches standen. A u f jeden Fall haben die Franken sie in den 40er J a h r e n als untertänig betrachtet. Bereits der erste Kriegszug Ludwigs des Deutschen gegen die Mährer, v o n dem w i r zu 8 4 6 hören, w i r d nämlich v o m fuldischen Annalisten damit begründet, daß sie eine defectio geplant hätten. 3 0 Danach haben also die Franken schon v o r 8 4 6 eine Oberhoheit über die Mährer beansprucht, ohne daß w i r sagen könnten, w i e es dazu gekommen w a r . 3 1 Ludwig der Deutsche und seine Nachfolger haben an diesem Ziel w ä h r e n d des ganzen 9. Jahrhunderts festgehalten. Das beweisen — neben nicht wenigen anderen Nachrichten — die Einsetzung des Rastislav sowie der Prozeß, den man ihm 8 7 0 ja nur deshalb machen konnte, weil er als abhängiger Fürst seine Treuepflicht gegenüber dem ostfränkischen König verletzt hatte. 3 2 D a ß in der Wirklichkeit diese Hegemonie, zumal w ä h r e n d des letzten J a h r hundertviertels, vielfach bloß ein Wunschbild blieb, steht auf einem anderen Einhard, Vita Karoli c. 15, ed. H o 1 d e r - E g g e r , S. 18. Annales Fuldenses ad a. 846, ed. K u r z e , S. 36: [Ludwig der Deutsche] cum exercitu ad Sclavos Margenses defectionem molientes profectus est. Ubi ordinatis et iuxta libitum suum conpositis rebus ducem eis constituit Rastizen. 3 1 L. H a v 1 i k , Velka Morava a Franska rise, in: Historicke Studie 8 (1963), S. 140 hält die defectio von 846 ohne Grund für eine bloße Ablehnung eines fränkischen Unterwerfungsverlangens von Seiten Moimirs und glaubt (ohne einen Beweis dafür zu liefern), daß Ludwig der Deutsche damals nicht nur in Böhmen, sondern auch in Mähren schwere Verluste erlitten habe. Konsequent müßte Havlik dann eigentlich die Einsetzung des Rastislav für ein Märchen des Fuldaer Annalisten h a l t e n . . . und daran erweist sich das Ungereimte seiner Ansicht. 3 2 D ü m m l e r , Geschichte der ostfränkischen Reichs 2, S. 301. — Die Zweifel, die H a v l i k , in: Historicke Studie 8, S. 144—148, an den ostfränkischen Waffenerfolgen von 864 und 869 äußert, sind unberechtigt. 864 wurde Rastislav so sehr in die Enge getrieben, daß er mit dem ganzen mährischen Adel ewige Treue schwören mußte (Annales Fuldenses, ed. K u r z e , S. 62): das war nicht nur ein Friedensschluß, sondern eine Unterwerfung, wie sich aus der Lage ergibt und obendrein durch die fuldisch-hersfeldische Annalistik bestätigt wird: Ludowicus rex Ratzidum regem Marahensium sibi subegit (Lampert von Hersfeld, Annales, ed. O. H o l d e r - E g g e r , MG Scr. rer. Germ., 1894, S. 28, mit Parallelstellen). Wenn „Meginhard" ( K u r z e , a. a. O.) hinzusetzt, daß Rastislav seinen Eid nicht gehalten habe, so besagt das nichts über die Situation von 864, sondern verrät nur die Kenntnis der späteren Ereignisse. Zu 869 weiß Hinkmar zwar von einem verlustreichen Kampf, aber diese Mitteilung bezieht sich auf Unternehmungen in der ersten Jahreshälfte, während derselbe Autor daneben durchaus den ostfränkisdien Sieg im Spätsommer 869 erwähnt (vgl. Annales Bertiniani, ed. G. W a i t z , MG Scr. rer. Germ., 1883, S. 101 und 106). Allerdings scheint Rastislav damals noch nicht bezwungen worden zu sein. 29 30
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
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Blatt. J e mächtiger sich das Großmährische Reich unter Svatopluk ausdehnte, desto inhaltloser wurden die fränkischen Prätentionen. Selbst die Herrschaft über die Böhmen mußte Arnulf von Kärnten ihm 890 anscheinend in aller Förmlichkeit konzedieren, nachdem Svatopluk sie wahrscheinlich schon seit längerem mit Gewalt an sich gerissen hatte. 33 Zwar konnte dies theoretisch unter Umständen als Mediatisierung beschönigt werden, insofern Svatopluk vielleicht auch damals noch Arnulf formal als Oberherrn anerkannt hat. Aber die tatsächlichen Machtverhältnisse verraten die Annales Fuldenses, wenn sie zu 895 davon sprechen, daß der Mährerfürst die böhmischen Stämme einst mit Gewalt der bayrischen Herrschaft entfremdet habe.34 Im übrigen zeigen die beiden Nachrichten zu 890 und 895 sehr schön, wie man auf fränkischer Seite trotz aller Ohnmacht die Böhmen nach wie vor als abhängiges Volk betrachtete, über das man gegebenenfalls verfügen zu können glaubte. Es sei bei dieser Gelegenheit kurz auf die Meinung eingegangen, Svatopluk habe auch über das Erzgebirge nach Norden ausgegriffen. Sie stützt sich vor allem auf Thietmar von Merseburg, der die frühere Machtstellung der „Böhmen" beschreibt, um ihren politischen und moralischen Niedergang in der Gegenwart davon um so eindringlicher abzuheben: Boemii regnante Zuetepulco duce quondam fuere principes nostri. Huic a nostris parentibus quotannis solvitur [so versehentlich statt solvebatur~\ census etc.35 Da von einer Herrschaft des Svatopluk über die Sachsen sonst nirgendwo etwas verlautet, hat man aus der schwierigen Stelle herauslesen wollen, daß in den Jahren nach 880 die Sorben östlich der Saale eine Zeitlang unter mährischen Einfluß geraten seien.36 Die Vermutung scheint insofern berechtigt zu sein, als über die 33
Regino von Prüm, Chron. ad a. 890, ed. F. K u r z e , M G Scr. rer. Germ., 1890, S. 1 3 4 :
Arnulfus
rex concessit Zuendibolch
cognationis lato foedere
. .. ducatum
ac gentis super se habuerant conservaverant.
Behemensium,
Francorumque
regibus
qui hactenus fidelitatem
principem
promissam
suae invio-
Die Nachricht ist wiederholt angezweifelt worden, zuletzt von
F i a l a , in: Sbornik historicky 6, S. 39, der besonders an dem inviolatum
foedus
Anstoß
nimmt. Doch selbst in diesem Detail, das an sich nicht so wichtig ist, braucht nichts Unwahres zu stecken, wenn man es lediglich auf das unmittelbar vorausgegangene Jahrzehnt bezieht. Im übrigen hat N o v o t n y ,
Ceske dejiny I 1, S. 406 f., die Stelle mit guten Gründen ver-
teidigt; vgl. unten S. 12 Anm. 50; A. R. H a i a g a , Pomer vel'komoravskej rise k Cecham a otäzka nasilia, in: Slovansky prehled 4 (1947, richtiger wohl 1967), S. 215—221 (s. C S C H . 16, 1968, S. 130 f.). 34 Siehe unten S. 18 Anm. 50. 35
Chron. VI, 99, ed. R. H o l t z m a n n ,
M G Scr. rer. Germ. N S 9, Neudrude 1955,
S. 392 mit Var. c. Vgl. D ü m m l e r , Geschichte des ostfränkischen Reichs 3, S. 3 4 0 ;
No-
v o t n y , Ceske dejiny I 1, S. 3 7 8 ; F i a l a , in: Sbornik historicky' 6, S. 43 f. 36
Ed. O. S c h u l z e , Die Kolonisierung und Germanisierung der Gebiete zwischen Saale
und Elbe, 1896, S. 18; W . H . F r i t z e , Großmähren und die Slawen an Elbe und Ostsee, in: Großmähren. Ausstellung der Tschechoslowakischen Akad. d. Wiss. in Berlin 22. Oktober 1967 bis 8. Jan. 1968, S. 97 f.
14
HARTMUT
HOFFMANN
Sorben, die an sich zu einer fränkisch-thüringischen Mark gehörten, aus jenen Jahren so gut wie nichts bekannt ist. Zudem hat man auf eine Bemerkung verwiesen, die Alfred der Große in seiner „Geographie" (d. h. in seiner Ubersetzung und Bearbeitung des Orosius) gemacht hat: „Ond hie Maroara habbad be westam him Pyringas ond Behemas ond Begwara healfe." 3 7 Lubomir H a v lik hat daraus geschlossen, daß die Mährer im Westen die Thüringer zu N a c h b a r n gehabt hätten, und dies sei eben nur möglich gewesen, wenn die Sorben zum mährischen Herrschaftsbereich gehört hätten. 3 8 Nun könnte, wenigstens im Groben, die thüringisch-mährische „Nachbarschaft" ja auch durch die Böhmen vermittelt gewesen sein, die in den 80er Jahren des 9. Jahrhunderts zweifellos den Befehlen Svatopluks gefolgt sind. Doch diese Überlegung erübrigt sich, wenn wir den angelsächsischen Text genau übersetzen: „Die Mährer haben im "Westen von sich die Thüringer, die Böhmen und die Bayern teilweise." D a steht also nichts von Nachbarschaft, und damit entfallen alle politischen Folgerungen, die man im Hinblick auf die Sorben an die Stelle geknüpft hat. 3 9 So bliebe höchstens die Nachricht aus Merseburg. Aber sollte es nicht stutzig machen, daß Thietmar von den parentes nostri spricht, — die er kaum bei den Slawen zwischen Elbe und Saale gesucht haben dürfte? Es wäre allenfalls denkbar, daß der Geschichtsschreiber eine vage Kunde von einem mährischen Vorstoß ins Sorbenland mit ebenso vagen Vorstellungen von der Bevölkerungsstruktur im 9. Jahrhundert zu jener Mitteilung verbunden hat, die ihrem unmittelbaren Wortlaut nach die historische Wahrheit offensichtlich verfehlt. Vermutlich handelt es sich jedoch um einen Irrtum, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil der Chronist ihn vielleicht selber noch korrigiert hat. Man hat nämlich nicht genügend berücksichtigt, daß in 37
G. L a b u d a ,
Zrödla
skandynawskie
i
anglosaskie
1961, S. 49, 66 § 12; vgl. zuletzt J . L i n d e r s k i ,
do
dziejow
slowianszczyzny,
Alfred the Great and the Tradition of
Ancient Geography, in: Speculum 39 (1964), S. 4 3 4 — 4 3 9 , mit weiterer Literatur; L. lik,
Hav-
Slovane v anglosaske chorografii Alfreda Velikeho, in: Vznik a pocatky Slovanu 5
(1964). 38
L. H a v 1 i k , Tfi kapitoly z nejstarsich cesko-polskych vztahü, in: Slovanske historidci
Studie 4 (1961), S. 5 9 ; d e r s., Üzemni rozsah Velkomoravske rise v dobi poslednich let vlady krale Svatopluka, in: Prispevky k medzislovanskym vziahom v ceskoslovenskych dejinÄch. Slovanske stiidie 3 (1960), S. 56 f.; d e r s., Velka Morava a stredoevropsti Slovane, 1964, S. 239. 39
Alfred gibt lediglich Himmelsrichtungen an (wennschon etwas ungenau), nicht aber Ent-
fernungen oder Grenzverhältnisse. Man braucht bloß den gleich anschließenden Satz zu lesen, daß im Süden von Mähren, und zwar auf der anderen Seite der Donau, südlich der Alpen das Land Kärnten liege, — eine ungefähr richtige Mitteilung, die allerdings nicht besagt und wohl audi nicht besagen will, daß Mähren im Süden an Kärnten grenze.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
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Thietmars Handexemplar die Wörter principes und Huic a radiert sind40 und daß dadurch der Sinn des Satzes in sein genaues Gegenteil verkehrt worden ist. Ob Thietmar diese Veränderung selber vorgenommen hat, läßt sich heute wohl nicht mehr feststellen. Die Corveyer Bearbeitung des 12. Jahrhunderts hat noch den ursprünglichen Wortlaut übernommen. Müßte man da nicht einwenden, daß der Eingriff in den Text erst danach, also frühestens um 1120, stattgefunden hat und daß deshalb die Rasur nicht schon vom Autor stammen kann? Dem ist entgegenzuhalten, daß das Radiermesser die Schrift so wenig beschädigt hat, daß noch die Editoren des 19. und des 20. Jahrhunderts sie mühelos unter der Rasur entziffert haben. Sie war also a fortiori im 12. Jahrhundert zu lesen, und man kann sich leicht ausdenken, daß der Abschreiber zunächst unschlüssig war und dann dem glatten Urtext den Vorzug gab, weil bei Berücksichtigung der Rasur die beiden Sätze gar zu ungefüge gewirkt hätten. Trifft diese Annahme zu, so hat man an der Stelle durchaus mit einer Autorenkorrektur zu rechnen, und damit würde die oben erwähnte These noch weiter an Uberzeugungskraft verlieren. Doch wie immer man die Rasuren im Thietmar-Text einschätzt: Svatopluks Herrschaft über die Sorben während etwa eines Jahrzehnts bliebe vielleicht erwägenswert. Dagegen ist die weitergehende Annahme, daß die Sachsen den Mährern Tribut gezahlt hätten, unkritisch und daher unhaltbar. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Ostfrankenreich einerseits und Böhmen und Mähren andererseits sind oft genug dargestellt worden und brauchen im einzelnen nicht weiter verfolgt zu werden. Nur auf zweierlei sei noch aufmerksam gemacht. Von einem Tribut, wie wir ihn anfangs bei Einhard (und vielleicht 822?) fanden, ist erst wieder zu 874 die Rede. Damals schloß Svatopluk nach seiner ersten großen Auflehnung Frieden mit Ludwig dem Deutschen. Er schickte einen venezianischen Priester namens Johannes als seinen Bevollmächtigten zum König nach Forchheim und ließ durch ihn versichern, daß er dem ostfränkischen Herrscher sein Leben lang treu bleiben und den vereinbarten Jahreszins zahlen wolle.41 Die magere Annalennachricht 4 0 Ludw. S c h m i d t , Die Dresdner Handschrift der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg, Facsimile-Ausgabe 1905, Blatt 104a. 41
Annales Fuldenses ad a. 874, ed. K u r z e , S. 82 f.: [Johannes]
videlicet
ut Zuentibald
constitutum
regt fidelis permaneret
cunctis
diebus
...
sacramento
vitae suae et censum
firmabat, a
rege
per annos singulos solveret. Dazu ganz schief H a v 1 i k , in: Historicke Studie 8,
S. 152 ff., der zunächst von Fialas falschem Tributbegriff ausgeht und dazu dann Ludwig dem Deutschen (und dem Fuldaer Annalisten) eine universale, christlich-römisdie Auffassung vom römisch-fränkischen Reich unterschiebt, derzufolge die Franken die Mährer gar nicht als Gleichberechtigte betrachten k o n n t e n .
Ebenso unrichtig ist seine Bemerkung,
daß
der
Priester Johannes lediglich die Wahrheit seiner eigenen Worte beschworen, nicht aber Treue für Svatopluk gelobt habe. Denn dies ist an sich schon ganz unwahrscheinlich und übersieht
HARTMUT HOFFMANN
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verrät leider nicht, wann dieser Zins „vom König festgesetzt" worden ist, ob es etwa eine Abgabe war, die schon Svatopluks Verwandter und Vorgänger Rastislav zu zahlen hatte, oder ob sie erst in letzthin vorausgegangenen Verhandlungen fixiert worden war. Und genau genommen berichtet unsere Quelle nur von einem Tributversprechen, nicht aber von seiner Erfüllung. Aus den nächsten Jahren sind dann freilich keinerlei Kämpfe oder Zwistigkeiten mehr überliefert, so daß man mit gutem Grund den Frieden als zustandegekommen und wirksam betrachten darf und die Franken aller Wahrscheinlichkeit nach wenigstens für kurze Zeit in den tatsächlichen Genuß des Tributs gekommen sein werden. Ihn erwähnt auch Erzbischof Theotmar von Salzburg in dem Brief, welchen er 900 im Namen des bayrischen Episkopats an Papst Johannes IX. schickte; und zwar schreibt er, daß das mährische Land, das zum Passauer Missionsgebiet gehörte, den fränkischen Königen tributpflichtig gewesen sei.42 Die Aussage bezieht sich auf die Zeit, bevor die Slawen „das Christentum gering zu schätzen begannen", und d. h. wohl: bevor Methodios das Großmährische Reich dem Einfluß der bayrischen Bischöfe entzog, — ein Vorgang, der etwa in die Jahre um 870 fällt. Nun erfreut sich die Quelle, mit der wir es zu tun haben, nicht gerade des besten Rufes. Theotmar war darüber aufgebracht, daß Johannes IX. die Selbständigkeit der mährischen Kirche aufs neue bestätigt hatte. Sein Protest gegen diese Maßnahme ist daher nicht frei von gehässigen Verzerrungen. Aber im allgemeinen braucht ihm ein wahrer Kern nicht abgesprochen zu werden, und so wird auch die Nachricht über den Tribut im wesentlichen ihre Richtigkeit haben, zumal da sie wenigstens in groben Zügen mit dem Forchheimer Friedensschluß übereinstimmt. Das nächste Zeugnis, in dem der Tribut vorkommt, stammt erst aus den Tagen Heinvollends, daß es von den Gesandten ja auch ausdrücklich heißt: legatos petentes
et fidelitatem prominentes
Zuentibaldi
pacem
suscepit (Annales Fuldenses a. a. O.). Der fuldische Anna-
list hatte einen im fränkischen Sinne erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen im Auge; andernfalls hätte er ihr Scheitern klar zum Ausdruck gebracht. Wer das nicht wahrhaben will, verkennt den Charakter der karolingischen Annalistik. Wie Havlik argumentiert auch V. V a n ë c e k , Über die Außenpolitik des mährischen Staates in den 40er bis 80er Jahren des IX. Jahrhunderts, in: Das Großmährische Reich. Brno — Nitra 1.—4. X. 1963, hrsg. F. Graus u. a., 1966, S. 291 f. 43 H. B r e ß l a u , Der angebliche Brief des Erzbischofs Hatto von Mainz an Papst Johann IX., in: Histor. Aufsätze K. Zeumer zum 60. Geburtstag, 1910, S. 22 f.: . . . terram Sclavorum qui Maravi dicuntur, que regibus nostris. . . subacta fuerat tarn in cultu Christiane religionis quam in tributo substantie secularis... Etiam et nostri comités illi terre confines placita secularia illic continuaverunt et que corrigenda sunt correxerunt, tributa tulerunt; S. 24: quando christianitas Ulis cepit vilescere et insuper debitum tributum senioribus nostris regibus et principibus eorum solvere respuerunt... orta est sedicio inter illos. Vgl. Z. R. D i t t r i c h , Christianity in Great-Moravia, 1962, S. 304 ff., mit weiterer Literatur; H a v 1 i k , in: Historické Studie 8, S. 136 f f .
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
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richs I., 43 und was in der Zwischenzeit daraus geworden war, entzieht sich unserer Kenntnis. Böhmen und Mähren haben sich zwar im letzten Viertel des 9. Jahrhunderts wiederholt unterworfen; doch ob die ostfränkischen Herrscher den Zins, den sie gewiß begehrten, bei diesen Gelegenheiten auch durchsetzen konnten, läßt sich nicht einmal vermuten. Der andere Punkt, der noch zu berühren war, betrifft die Vasallität. Im Gegensatz zu anderen Forschern, die mit lehenrechtlichen Begriffen ebenso großzügig wie sorglos umgegangen sind, hat Jäger neuerdings zu Recht festgestellt, daß nur zwei Fälle einer Kommendation aus unserem Bereich in karolingischer Zeit bezeugt sind. 44 Nachdem jahrelange Kämpfe in der Ostmark vorausgegangen waren, traf Karl der Dicke 884 an der Tulln mit Svatopluk zusammen, und dieser wurde damals Lehensmann des Kaisers durch Handgang, sicut mos est.45 Der Zusatz, der die Herkömmlichkeit der Handlung betont, ist wohl auf die formale Seite der Zeremonie zu beziehen und nicht auf frühere Belehnungen, von denen die Quellen nichts wissen. Dieser an sich klare Sachverhalt ist neuerdings einer komplizierenden Deutung unterworfen worden. Svatopluk — so hat Lubomir Havlik gemeint 46 — sei von den Päpsten als souveräner Herrscher anerkannt worden, der sich zwar dem Apostel Petrus kommendiert, im übrigen aber gleichberechtigt neben den Karolingern gestanden habe. Die Lehenshuldigung von 884 habe daher nicht dem fränkischen König gegolten und auch nicht dem römischen Kaiser, sondern allein dem „weltlichen Repräsentanten der päpstlichen Macht im Rahmen der universalen Christenheit". Nun hat man schon früher vermutet, daß der mährische Fürst sich 879, „ähnlich wie einst Pippin, mit seinem ganzen Volk in den Schutz des heiligen Petrus begeben" habe. 47 Papst Johannes V I I I . scheint wenigstens in seinem Brief Industriae tuae darauf anzuspielen, daß Svatopluk die sinn- und inhaltslos gewordene Bindung an das 43 Siehe unten S. 21 f. 44
Jäger
45
Annales Fuldenses, cont. Ratisb. ad a. 884, ed. K u r z e , S. 1 1 3 : Zwentibaldus
principibus
(wie Anm. 4), S. 23, 28.
suis homo,
sicut mos est, per mttnus imperatoris
efficitur.
dux
cum
Vgl. D ü m m l e r ,
Ge-
schichte des ostfränkischen Reichs 3, S. 2 2 5 f.; F i a 1 a , in: Sbornik historicky 6, S. 40, glaubt, es habe sich bloß um einen Friedensschluß gehandelt; jedoch seine Annahme, daß die „Meginh a r d " - R e d a k t i o n der fuldischen Annalen, die von der Kommendation nichts weiß, den V o r zug v o r der Regensburger Fortsetzung verdient, ist durch nichts begründet. W . Rechtsnatur
und Anwendung
Mittelalters,
in:
Deutsche
der Mannschaft
Landesreferate
zum
(homagium) IV.
in Deutschland
internationalen
Kongr.
Kienast, während f.
des
Rechtsver-
gleichung in Paris 1954, 1955, S. 3 0 Anm. 2 3 , sieht in der Huldigung eine „Vorform
des
homagium pacis". Doch damit bliebe man ganz im Bereich des Hypothetischen. Zu der angeblichen Kommendation von 8 6 9 s. J ä g e r , S. 22.
2
46
H a v 1 i k , in: Historicke Studie 8, S. 157 ff.
47
J . H a 11 e r , D a s Papsttum 2, 2 1 9 5 1 , S. 183.
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HARTMUT HOFFMANN
fränkische Reich mit einer Unterstellung unter den Apostelfürsten und seinen irdischen Stellvertreter vertauschen wollte.48 Doch auf den Vorschlag hat Rom nur vorsichtig geantwortet. Als „Schafe des Herrn" wurden die Mährer in den väterlichen Schoß des Papstes aufgenommen; und das konnte ebenso gut im geistlichen wie im weltlichen Sinn gemeint gewesen sein. Gewiß hat Johannes VIII. Bedenken getragen, sich wegen einer Angelegenheit, die ihm ziemlich gleichgültig sein konnte, mit den immer noch mächtig scheinenden Karolingern zu überwerfen. Auf fränkischer Seite wollte man die alten Ansprüche natürlich nicht fallenlassen, und daher drang Karl der Dicke 884 auf Svatopluks Huldigung, so wenig sie auch praktisch bedeuten mochte. Daß dabei im Amt des Kaisers die drei Aspekte des rex Francorum, des imperator augustus und des advocatus Romanae ecclesiae unterschieden worden seien und Karl der Dicke gewissermaßen bloß als Vogt der abendländischen Papstkirche aufgetreten sei, wird in keiner Quelle gesagt. Solche Distinktionen haben dem Zeitalter völlig ferngelegen.49 Als Svatopluk zehn Jahre später starb, brach sein Reich auseinander. Die böhmischen Herzoge entwanden sich der mährischen Herrschaft, unter die sie geraten waren, und zogen es vor, sich Arnulf von Kärnten zu unterwerfen. 895 huldigten sie ihm in Regensburg, offensichtlich als Vasallen.50 Den Kommendaktionsakten von 884 und 895 ist die günstige Position gemeinsam, in der sich jeweils die Untergebenen befanden. Denn Svatopluk ist seinerzeit ein mäditiger Fürst gewesen, der den Kaiser nicht zu fürchten brauchte. Und die Böhmen haben sich bei Arnulf eingefunden, ohne daß dieser sie durch Krieg dazu gezwungen zu haben scheint. Daher ist es vielleicht nicht von ungefähr, daß wir erst jetzt von vasallitischen Huldigungen erfahren. Gegenüber einer Unterwerfung, die mit einem bloßen Treuegelöbnis verbunden war, mag die Kommendation als weniger drüdkend und weniger rangmindernd erschienen sein. Insofern würden die neuen Rechtsformen dafür sprechen, daß die Franken ihren slawischen Nachbarn am Ausgang des Jahrhunderts mehr Freiheit als früher zugestehen mußten. 4 8 MG Epp. 7, S. 222 Nr. 255: contemptis aliis seculi huius principibus beatum Petrum apostolici ordinis principem vicariumque illius habere patronum et in omnibus adiutorem ac defensorem pariter cum nobilibus viris fidelibus tuis et cum omni populo terre tue amore fidelissimo elegisti etc. 4 9 Was H a v 1 i k (a. a. O.) über Svatopluks „Königserhebung" ausführt, bleibt ganz hypothetisch, weil der Akt nirgends sicher bezeugt ist und wir vor allem gar nicht wissen, was für einen oder was für Titel der mährische Herrscher getragen hat. 5 0 Annales Fuldenses, cont. Ratisb. ad a. 895, ed. K u r z e , S. 126: ibi de Sclavania omnes duces Boemanorum, quos Zwentibaldus dux a consortio et potestate Baioaricae gentis per vim dudum divellendo detraxerat, ... ad regem venientes et bonorifice ab eo recepti per manus, prout mos est, regiae potestati reconciliatos se subdiderunt.
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Am Ende der karolingischen Epoche verlieren wir Böhmen und Mähren fast ganz aus den Augen. Nach Svatopluks Tod (894) hatte sein Sohn Moimir II. jahrelange Kämpfe mit den Bayern zu bestehen. Erst 901 schloß er Frieden mit ihnen, wahrscheinlich unter dem Druck der Ungarngefahr, die auf den christlichen Völkern lastete. Die Modalitäten des Vertrags sind nicht bekannt, und daher ist schwer zu sagen, ob die ostfränkische Regierung in der äußeren Bedrängnis etwa auf die Oberhoheit (und die Tribute?) verzichten mußte, die durchzusetzen bis dahin sicher ihr Kriegsziel gewesen war. Immerhin sollte man einen Fingerzeig des bayrischen Annalisten nicht ganz außer acht lassen. Richarius episcopus et Udalricus comes Marahava missi sunt, qui eodem tenore, ut in Baiowaria firmatum fuit, ipsum ducem et o mne s primates eius eandem pacem se servaturos iuramento constrinxerunt, so lautet seine Nachricht.51 Kein Zweifel, daß er den Bayern die führende Rolle zuschiebt. Der Graf und der Bischof lassen die Mährer schwören, „binden" sie dadurch und nehmen sie gewissermaßen in Pflicht. Der Friede war vorher in Regensburg beschlossen worden, und zu diesem Zweck haben vielleicht auch mehrere von den fränkischen und bayrischen Großen einen bekräftigenden Eid geleistet. Von anderen mittelalterlichen Verträgen (wie z. B. dem Bonner Pakt von 921 52 ) wissen wir jedenfalls, daß nicht nur die Herrscher sich darauf verpflichteten, sondern zusätzliche Versicherungen von einigen Magnaten abgegeben wurden. Aber warum wurden 901 omnes primates, und das heißt doch: der gesamte mährische Adel, unter Eid genommen? Das sieht nicht nach einer Abmachung zwischen gleichberechtigten Partnern aus.53 Oder wird damit zuviel in einen Satz hineingelesen, der den ostfränkischen Friedenserfolg harmlos-prahlerisch übertreibt? Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal stoßen wir hier auf die große crux, daß wir über die Ereignisse und Verhältnisse im Osten allein aus westlichen Quellen unterrichtet werden. Wenige Jahre später wurde das Großmährische Reich durch die Ungarn für immer zerstört.532 Die Böhmen dagegen überstanden die schwere Zeit zu Beginn des 10. Jahrhunderts glücklicher, wenn Einzelheiten auch kaum überliefert sind. 900 waren sie noch zusammen mit den Bayern nach Mähren gezogen,54 werden also bis zu diesem Zeitpunkt getreu der vasallitischen Unterwerfung von 895 die Oberhoheit des ostfränkischen Reiches anerkannt 81
Annales Fuldenses, cont. Altah. ad a. 901, ed. K u r z e , S. 135.
62
M G Const. 1, S. 1 f. N r . 1.
53 Vgl. auch oben S. 12 Anm. 32. 53a
O. O d l o z i l i k , From Velehrad to Olomouc, in: H a r v a r d Slavic Studies 2 (1954),
S. 7 5 — 9 0 , nimmt an, daß das mährische Reich nach dem Ungarneinfall von 907 in verringertem Umfang fortbestanden habe, obwohl es keine Quellenbelege dazu gibt. 54
2»
Annales Fuldenses, cont. Altah. ad a. 900, ed. K u r z e , S. 134.
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haben. In dem neuen Jahrhundert dürfte die Harmonie bald wieder verschwunden sein. Denn das ostfränkische Reich machte eine Krise sondergleichen durch, so daß es im Osten nicht eingreifen konnte. Dazu schalteten in Böhmen die Premysliden die anderen Fürsten weitgehend aus und waren im Bewußtsein dieser Machtsteigerung gewiß nicht bereit, sich in Abhängigkeit zu begeben. Adam von Bremen weiß sogar von böhmischen Raubzügen nach Sachsen,55 — eine Nachricht, die allerdings mit Vorbehalt aufzunehmen ist, da sie aus anderen Quellen nicht bestätigt wird. 3. Das 10.
Jahrhundert
Als Heinrich I. seine Augen auf Böhmen richtete, knüpfte er an die karolingische Tradition eines Jahrhunderts an. Aber der deutsche Angriff kam jetzt von Norden, und diese veränderte Konstellation weist darauf hin, daß der König hier nicht nur einen außenpolitischen, sondern zugleich einen innenpolitischen Erfolg gewann. Bisher hatten die Bayern geglaubt, ein Recht an Böhmen zu besitzen. Regensburg war den ostfränkischen Karolingern halbwegs die Hauptstadt gewesen, vom Donauland aus hatten sie ihre Ostpolitik gemacht, und es war der Ehrgeiz der Luitpoldinger, auch in dieser Hinsicht das Erbe Ludwigs des Deutschen zu wahren. Schon zu 895 notierte der süddeutsche Fortsetzer der Annales Fuldenses, daß Svatopluk seinerzeit die böhmischen Herzoge der Befehlsgewalt des bayrischen Stammes (nicht etwa des fränkischen Reichs!) entrissen habe.56 Und es liegt auf der Linie dieser Ambitionen, wenn Luitpold, der mächtigste der bayrischen Großen, in einer Urkunde Ludwigs des Kindes einmal als dux Boemanorum bezeichnet wird.57 Das geschah 903, zu einem Zeitpunkt also, da die Böhmen das bayrische Joch vielleicht bereits abgeworfen hatten. 58 922 unternahm dann Luitpolds Sohn, Herzog Arnulf, einen Feldzug nach Böhmen.59 Vom Erfolg verlautet nichts. Doch kann er nicht sehr nachhaltig gewesen sein, da die Deutschen 929 bereits wieder ins Land rückten. Diesmal war zwar auch Arnulf an dem Unternehmen beteiligt; aber das Gesetz des Handelns hatte König Heinrich I. an sich gerissen. Er nahm Prag ein, Herzog 65
Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum I, 52, ed. B. S c h m e i d 1 e r , M G Scr. rer.
Germ., 1917, S. 5 3 : In diebus Ulis inmanissima et Sclavi, inde Behemi et Ungri laniarent
persecutio
Saxoniam
oppressit, cum hinc
Dani
ecclesias.
5« Siehe oben S. 18 Anm. 50. 57
D L K 2 0 ; vgl. K . R e i n d e 1, Die bayerischen Luitpoldinger 8 9 3 — 9 8 9 , 1953, S. 4 1 — 4 4
N r . 29. 58
Vgl. N o r o t n y , Ceske dejiny I 1, S. 449 mit Anm. 1.
69
G. W a i t z ,
Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König Heinrich I., 4 1 9 6 3 , S. 67 f.
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Wenzel unterwarf sich und wurde zur Tributzahlung verpflichtet. 80 D a ß er außerdem den Vasalleneid leisten mußte, ist nicht zu erweisen. 6 1 D e n n Widukinds Worte, der H e r z o g sei danach fidelis et utilis geblieben, sind dafür zu unbestimmt. U n d w e n n Boleslav I. später zu 950 als servus bezeichnet wird, so spricht das ebenfalls gegen ein Lehensverhältnis. 6 2 D a andererseits der Corveyer Mönch zu 929 v o n einer deditio berichtet, hat Wenzel auf jeden Fall die Oberhoheit des Deutschen Reiches anerkannt, — ein Ergebnis, das auch die ältere Mathildenvita bestätigt, wenn sie schreibt: Heinricus. .. quaedominatui, scilicet que regna per circulum hello potens suo subiugaverat Sclavos, Danos, Bawarios, Behemos.6S Zugleich hat Heinrich I. dadurch verhindert, daß der Luitpoldinger an dieser Front eine eigenmächtige A u ß e n politik trieb und Böhmen etwa zu einem bayrischen Nebenland herabsank. Nicht St. Emmeram, sondern der heilige Veit ist der Patron der Hauptkirche auf dem Hradschin geworden. 6 4 Heinrich I. hat durch seine T a t der deutschen Politik des Mittelalters die Richtung gewiesen. Zwar haben sich die Böhmen noch des öfteren dagegen aufgelehnt. Aber es ist den Ottonen und Saliern immer wieder gelungen, ihren Standpunkt durchzusetzen und somit das Herzogtum auf die Dauer dem Reich zu verbinden. Einen besonders langen, 14 Jahre dauernden K a m p f mußte allerdings noch O t t o der Große führen. Erst 950 beugte sich Boleslav I. endgültig seiner Autorität. Wieder ist die Unterwerfung ganz eindeutig, — 60
W a i t z , Heinrich I., S. 125 f.; Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae I, 35, ed. P . H i r s c h , MG Scr. rer. Germ., 1935, S. 50 f.: [Heinridi I.] Pragam adiit cum omni exercitu, Boemiorum urbem regemque eius [seil. Herzog Wenzel] in deditionem aeeepit... Frater tarnen erat Bolizlavi, qu't quamdiu vixit imperatori fidelis et utilis mansit; zu dem viel diskutierten Satz s. zuletzt H. B e u m a n n , in: H Z 197 (1963), S. 381. 61 Anders J ä g e r (wie Anm. 4), S. 43 f. 62 Vgl. unten S. 22 Anm. 66. «3 Vita Mathildis antiq. c. 4, MG SS 10, S. 577. 64 Die bayrisch-sächsische Rivalität betont zu Recht F. D v o r n i k , The Making of Central and Eastern Europe, 1949, S. 24 ff., dessen Rekonstruktion im übrigen zu gewagt sein dürfte. Gegenüber den unsicheren und in sich widersprüchlichen Angaben des Cosmas und der Wenzelslegenden gebührt dem Zeitgenossen Widukind der Vorzug. Er bezeugt klar und einwandfrei, daß Wenzel von Heinrich I. unterworfen wurde und ihm dann zeit seines Lebens treu blieb. Heinrichs Zug fand im Frühling oder Sommer 929 statt, wie andere zeitgenössische Quellen bestätigen; und Widukind hätte wohl nicht von Wenzels weiterer, lebenslänglicher Treue gesprochen, wenn dieser bereits im Herbst 929 (und nicht 935) ermordet worden wäre. Vgl. die Literatur bei M. U h 1 i r z , Handbuch der Geschichte ÖsterreichUngarns 1, 2 1963, S. 80 f., 211; ferner Z. F i a l a , Dva kriticke piispSvky ke starym dejinam ceskym, in: Sbornik historicky 9 (1962), S. 6—40, der sich zu Recht an Widukind anschließt, aber aus den Res gestae Saxonicae II, 3 zuviel an chronologischen Daten herauszulesen versucht und im übrigen den überlieferten Tag des Wenzelsmartyriums mit kaum hinlänglichen Gründen in Zweifel zieht.
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reden doch Flodoard und der Reginofortsetzer von subiectio bzw. von dicio.65 Und wieder fließt Widukind die Wendung ex eo regi fidelis servus et utilis permansit in die Feder,06 ohne daß wir daraus eine Lehensbindung zwingend erschließen dürften.67 Ja, die Dinge werden insofern kompliziert, als Thietmar erzählt: [Bolizlavus] Heinrico, Bawariorum duci, ad serviendum (ei) traditus est.68 War der Böhme also der miles des Bayern geworden, oder war er ihm lediglich in der gleichen Weise zugeordnet, wie etwa die Abodritenfürsten den Billungern unterstanden?69 Die Einsilbigkeit der Quelle verwehrt eine Entscheidung. Der böhmische Herzog ist jedenfalls vor dem 11. Jahrhundert nicht mit Sicherheit als deutscher Vasall zu erweisen, obwohl es im übrigen keinen Zweifel leidet, daß er — von kurzen Rebellionen abgesehen — hinfort die Oberhoheit des Reichs anerkannte. 4. Der Tribut Auch der Tribut wird zu 950 nicht ausdrücklich erwähnt.70 Da aber Otto einen vollen Sieg errungen hatte, wird er vermutlich nicht weniger gefordert haben als 20 Jahre früher sein Vater. Wo munera genannt werden, die vom böhmischen Herzog dem deutschen König gebracht werden, läßt sich ihr Charakter meistens nicht genauer bestimmen: sind es festgesetzte Leistungen oder aber Ehrengaben, deren Art und Umfang von Fall zu Fall wechseln konnten (wiewohl sie im „Protokoll" anscheinend nicht fehlen durften)? Noch am ehesten möchte man den Tribut in einer Stelle der Annales Altahenses 65
Ph. L a u e r ,
Les Annales de Flodoard, 1905, S. 127 f.: Otto rex...
[seil. Boleslav I.] in subiectionem
reeipit;
Scr. rer. Germ., 1890, S. 164: Boemorum manu adibat suaeque
per omnia dicioni
regem
ipsorum
Cont. Reginonis ad a. 950, ed. F. K u r z e ,
prineeps
Bolizlao regi rebellat;
subdebat.
Fiala,
quem rex
MG
validissima
in: Sbornik historicky 6, S. 49
Anm. 14, schiebt die Reginofortsetzung, deren hoher Quellenwert ganz unbestritten ist, einfach beiseite. 66
II, 3, ed. H i r s c h , S. 70.
67 Vgl. unten S. 29 ff. 68
Chron. II, 2, ed. H o 11 z m a n n , S. 4 0 ; dazu zuletzt W . S c h l e s i n g e r , Die böh-
mischen Länder in der Geschichte der deutschen Ostbewegung, in: Zwischen Frankfurt und Prag, 1963, S. 3 6 ; zur Textgestalt vgl. N . F i c k e r m a n n , Thietmar von Merseburg in der lateinischen Sprachtradition, in: Jb. f. d. Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 6 (1957), S. 43. F i a 1 a , in: Sbornik historicky 6, S. 61, glaubt Thietmars Nachricht übergehen zu dürfen, weil sie von Widukind und seinen Zeitgenossen nicht bestätigt werde; aber das ist natürlich ein unhaltbares argumentum e silentio. 69
Zu den Abodriten während des 10. Jahrhunderts s. Widukind von Corvey III, 68, ed.
H i r s c h , S. 142; Adam von Bremen II, 42 Scholion 27, ed. S c h m e i d l e r , S. 1 0 2 ; H . - J . F r e y t a g , Die Herrschaft der Billunger in Sachsen, 1951, S. 11; F r i t z e ,
Probleme der
abodritischen Stammes- und Reichsverfassung (wie Anm. 15), S. 201 mit weiterer Literatur. 70 V g l . o. S. 21 f.
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maiores zu 977 entdecken: Otto II. hatte Böhmen verwüstet, und um ihn zur Umkehr zu bewegen, versprach Boleslav II. se cito secuturum cum mune ribus et donis sibi congruis et sui deditionem et totius gentis suae deditionem et subiectionem.71 Unterwerfung und munera stehen hier in einem Zusammenhang, und es könnte sich bei den letzten durchaus um laufende, regelmäßig zu erstattende Zahlungen handeln. Doch läßt die Vermutung sich nicht zur Gewißheit erheben. Einwandfrei bezeugt ist der Zins, der dem königlichen Fiskus alljährlich aus der ganzen Boemia geschuldet wurde, erst zu 991: damals überwies Otto III. den dritten Teil dieser Einkünfte der Magdeburger Kirche.72 Der Tribut wird hier als eine bekannte Größe behandelt, die keiner besonderen Erläuterung bedurfte. Die Verfügung hatte natürlich nur Sinn, wenn mit ständigen Lieferungen zu rechnen war, und beweist insofern indirekt, daß die Böhmen wohl seit einer Reihe von Jahren ihren Verpflichtungen nachgekomen waren. Die Vereinbarung darüber muß spätestens Ostern 986 erfolgt sein, als Herzog Boleslav II. sich in Quedlinburg eingefunden und mit Otto III. seinen Frieden gemacht hatte, kann aber auch schon bei einer früheren Unterwerfung abgesprochen worden sein.73 Schon zum Jahr 1004 hören wir aufs neue von dem Tribut. Der Zusammenhang ist folgender: Boleslaw Chrobry, der Herzog von Polen, hatte die Premysliden aus Böhmen vertrieben; doch Heinrich II. nahm sich des Prätendenten Jaromir an und führte ihn nach Prag zurück. Hermann von Reichenau faßt das Ergebnis des Feldzugs in die Worte zusammen: Boemanis ... ad pristinam servitutem et tributum redactis.7i Der deutsche König hatte also das alte Verhältnis 71
E. L. B. V o n O e f e 1 e (ed.), M G Scr. rer. Germ., 1891, S. 13.
72
D O III, 71.
73
Thietmar von Merseburg, Chron. IV, 9, ed. H o l t z m a n n ,
S. 1 4 0 ; F i a l a ,
in:
Sbornik historicky 6, S. 50. A. K ö s t e r , Die staatlichen Beziehungen der böhmischen H e r zoge und Könige zu den deutschen Kaisern von O t t o dem Großen bis Ottokar II., 1912, S. 92, vermutet, daß Boleslav II. erst im Jahr zuvor „nach dem Zuge des Erzbischofs Gisiler" die Zahlung versprochen habe. Doch waren die Deutschen 990 kaum in der Lage,
dem
Böhmenherzog neue, große Konzessionen abzuringen. Uber das deutsch-böhmische Verhältnis um das Jahr 990 vgl. W . S c h l e s i n g e r ,
Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfas-
sungsgeschichte des Mittelalters, 1961, S. 3 7 3 — 3 7 5 ( =
Archiv f. Diplomatik 1, 1955, S. 210
bis 212). Wie weit die polnisch-böhmischen Spannungen sich auf Boleslavs II. Verhältnis zur Reichsregierung auswirkten, ist nicht recht klar; die Krise von 990 scheint doch schnell überwunden worden zu sein (Thietmar IV, 11—13, S. 1 4 4 — 1 4 6 ) . W e g e n e r ,
Böhmen/Mähren,
S. 14, behauptete fälschlich, in D O III 71 werde der Tribut „unter ausdrücklicher Berufung auf seinen Ursprung aus der karolingischen Zeit erwähnt"; seine Behandlung der Tributfrage läßt überhaupt sehr zu wünschen übrig. 74
Chron. ad a. 1004, M G SS 5, S. 118; F i a l a , in: Sbornik historicky 6, S. 51, der sich
über die Person Hermanns des Lahmen offenbar nicht im Klaren ist, da er ihn als Bischof von Augsburg bezeichnet, verwirft die Nachricht mit dem sonderbaren argumentum e silentio,
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wiederhergestellt, und dazu gehörte eben auch der Tribut. D a in den nächsten Jahrzehnten die deutsche Oberhoheit in Böhmen im allgemeinen anerkannt wurde, dürfte der Zins mehr oder weniger regelmäßig gezahlt worden sein. Die letzte sichere Erwähnung und zugleich den locus classicus bietet Cosmas von Prag zu 1039/41. Herzog Bretislav I. war 1039 in Polen eingedrungen und von dort mit reicher Beute heimgekehrt. Heinrich III., der es nicht zulassen konnte, daß ein Reichsvasall ungestraft über einen anderen herfiel, forderte Rechenschaft und unter anderem wohl die Herausgabe der geplünderten Schätze. In den Verhandlungen, die sich jetzt anspannen, war Bretislav bereit, die normale Oberhoheit des Königs anzuerkennen, verschloß sich aber weitergehenden Sühneforderungen. Cosmas legt ihm bei dieser Gelegenheit eine Rede an die deutschen Gesandten in den Mund, in welcher es heißt: seit den Tagen Karls des Großen seien die Böhmen dem Imperium Untertan gewesen und treu geblieben; Karls Sohn Pippin habe eine jährliche Abgabe von 120 Ochsen und 500 Mark festgesetzt; diese zahlten sie jetzt und wollten sie auch in Zukunft zahlen; neue Lasten hingegen lehnten sie ab. 75 Es ist nicht immer leicht, unter der hochpathetischen und erfindungsreichen Sprache des Cosmas die nackten Tatsachen aufzufinden. 76 Der Geschichtsschreiber verfügte offenbar über eine im Kern ganz richtige Kunde, daß den Böhmen der Tribut zum ersten Mal in hochkarolingischer Zeit auferlegt worden war. Wenn er sie an der zitierten Stelle einflocht, so bedeutet das natürlich nicht, daß 1039/40 tatsächlich so argumentiert worden war. Uber den jährlich fälligen Tribut wird man damals freilich gesprochen haben. D a er bisher zu den üblichen Modalitäten, die das deutsch-böhmische Verhältnis bestimmten, gehört hatte — das wird man wohl dem solvimus des Cosmas entnehmen dürfen, wie es überhaupt der politischen Situation zur Zeit Konrads II. entspridit — , war Bretislav auch weiterhin damit einverstanden. 77 Umstritten blieb lediglich die Wiedergutmachung, die Heinrich I I I . für den Feldzug nach Polen beanspruchte. Der Krieg, der darüber ausbrach, endete 1042 mit der Unterwerfung daß Thietmar den Tribut nicht erwähne. Thietmar hat sich in diesem Fall mit der Wendung statutis tunc ibidem omnibus begnügt (Chron. VI, 14, ed. H o 11 z m a n n , S. 292) und brauchte daher nicht auf Einzelheiten einzugehen. 7 6 Chron. II, 8, ed. B r e t h o l z , S. 93 f.: Talern enim nobis legem instituit Pippinus, magni Karoli regis filius, ut annuatim imperatorum successoribus CXX boves electos et D marcas solvamus... hoc omni anno sine refragatione tibi solvimus et tuis successoribus solvere volumus. 7 6 Zu Cosmas' Stil s. D. T i e s t i k , Kosmas a Regino, in: Ceskoslovensky casopis historicky 8 ( i 9 6 0 ) , S. 5 6 4 — 5 8 7 ; desselben Vf.s angekündigtes Buch über Cosmas habe ich noch nicht gesehen. 7 7 Seine Friedensbereitschaft bewies der Herzog zunächst dadurch, daß er seinen Sohn als Geisel an Heinrich III. schickte: N o v o t n y , Ceske dejiny I 2, 1913, S. 32.
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des Herzogs. Cosmas erzählt, daß Bretislav bei dieser Gelegenheit versprochen habe, den (rückständigen) Tribut der letzten drei Jahre zu zahlen. 78 Die Nachricht wird, obgleich nicht ebenso präzis, von deutschen Quellen bestätigt. 79 Angesichts der guten Beziehungen, die seitdem zwischen König und Herzog bestanden, ist anzunehmen, daß der Zins während der Regierung Heinrichs I I I . nicht ein bloßes Versprechen blieb, sondern tatsächlich in Deutschland einging. 80 Danach verlieren wir seine Spuren. 81 Es werden zwar noch des öfteren beträchtliche Gelder genannt, die der deutsche H o f aus Böhmen erhielt. Aber es scheint sich dabei um Ehrengeschenke zu handeln, die der Herzog mitbrachte, oder um Handsalben für des Kaisers Umgebung; oder ein Prätendent bot für die deutsche Bestätigung eine hohe Summe, um dadurch die Mitbewerber um den Prager Herzogsstuhl auszustechen.82 Ob sich daraus eine Art relevium als fester Rechtsbrauch im Lauf des 12. Jahrhunderts entwickelte oder ob die deutschen Herrscher mehr oder weniger skrupellos jeweils die böhmischen Wirren ausnutzten und ob vor allem jene Zahlungen, die der Belehnung galten, irgendwie an die Stelle des alten Tributs getreten sind, — das alles sind Fragen, auf die anscheinend keine befriedigende Antwort zu finden ist. Wegener behauptet zwar, daß in dem Jahrhundert zwischen 1099 und 1198 in sieben Fällen die Belehnung mit Geld erkauft worden sei, und weil diese Zahlungen offensichtlich nichts mit den spätmittelalterlichen Reichslehenstaxen gemein haben, hält er ihre Herkunft aus der ehemaligen Tributpflicht für unbezweifelbar. 83 Aber ganz so einfach liegen die Dinge nicht. 1099 fand sich Bretislav II. in Regensburg ein, nachdem er den Kaiser und seine Umgebung durch vorausgesandte Geschenke günstig gestimmt hatte. Er erlangte dann die Investitur des neugewählten Prager Bischofs und für seinen Bruder die Anwartschaft auf die Nachfolge im Herzogtum. Daß jene carita7 8 Chron. II, 12, ed. B r e t h o 1 z , S. 100; vgl. E. S t e i n d o r f f , Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich III., 1, Neudr. 1963, S. 110 f., bes. 111 Anm. 8. 7 9 Lampert von Hersfeld sagt nicht, wie S t e i n d o r Tribut noch in Böhmen dem deutschen König ausgehändigt ganz richtig, daß Heinrich III. Böhmen sich tributpflichtig tributariam fecit: Annales ad a. 1041, ed. H o 1 d e r - E g g 80
ff a. a. O., annimmt, daß der worden ist, sondern meldet bloß gemacht habe — terram. .. sibi e r , S. 56.
Cosmas, a. a. O., deutet die erfolgte Zahlung mit den Worten accepta pecunia
revertitur
[seil. Heinrich III.] an. 81 Zu 1110 s. u. S. 26 f. Helmold von Bosau, Cronica Slavorum I, 1, ed. B. S c h m e i d l e r , MG Scr. rer. Germ., 1937, S. 7, berichtet: servit sub
tributo
imperatoriae
maiestati;
et ipsa [seil. Poloma]
12. Jahrhunderts zu singulär, als daß man ihr Glauben schenken könnte. 82 83
sicut
Boemia
doch ist diese Nachricht aus dem 3. Viertel des
Vgl. K ö s t e r (wie Anm. 73), S. 95 ff. W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 55.
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HARTMUT
HOFFMANN
die laut Cosmas 84 f ü r gut Wetter sorgen sollten, mit den gewonnenen Vergünstigungen in einem direkten Rechtszusammenhang stehen, ist ganz unwahrscheinlich, da sie ja bereits vor den diesbezüglichen Verhandlungen geschickt worden waren. Zudem wissen wir nicht, ob sie wesentlich umfangreicher oder kostbarer waren als die üblichen Ehrengaben, die bei solchen Anlässen ausgeteilt wurden. Kaum zuverlässig ist, was Cosmas zu 1101 berichtet. Heinrich IV. soll nach Bretislavs Tod nicht, wie abgesprochen, dessen Bruder Borivoj, sondern einen anderen Premysliden namens Udalrich belehnt haben, nachdem dieser „Maßloses" versprochen und einiges Geld auch gebracht habe. So weit möchte man die Erzählung des Chronisten vielleicht hinnehmen. Sie wird jedoch entschieden entwertet durch den Zusatz, der Kaiser habe die Rechtsgültigkeit der bereits erteilten Investitur von der noch ausstehenden Wahl durch die böhmischen Großen abhängig gemacht. 85 Man kann Heinrich IV. schwerlich eine so törichte Politik zutrauen, durch die seine Autorität zum Gespött der ganzen Welt geworden wäre. Da Udalrich überhaupt nicht bis Prag kam und sein Versuch, sich des Landes zu bemächtigen, schon beim ersten Anlauf scheiterte, wird Cosmas wohl keine Gewährsmänner gefunden haben, die über die vorausgegangenen Verhandlungen am deutschen Hof genauesten Bescheid gewußt hätten. Der Kaiser mag den Prätendenten ermutigt haben; aber was er im einzelnen mit ihm abgesprochen hat, läßt sich heute nicht mehr greifen. tiva
donaria,
Eher darf man glauben, daß beim nächsten Umsturz und bei der nächsten Belehnung das Geld eine Rolle gespielt hat. Borivoj wurde 1107 von seinem Verwandten Svatopluk aus Prag vertrieben und begab sich zu Heinrich V. Vor diesem erschien dann auch Svatopluk. Beide Herzoge boten Geld, der eine f ü r die Rückführung, der andere f ü r die Belehnung. Svatopluk gelangte schließlich zum Ziel und mußte 7000 Mark zahlen. 86 Hier hat also der deutsche König für die Investitur eine beträchtliche Summe tatsächlich gefordert und erhalten. Nach Svatopluks Ermordung bemühte sich Borivoj erneut um die Nachfolge, aber die Böhmen zogen ihm seinen Bruder Vladislav vor. Heinrich V. erschien 1110 im Land und entschied sich f ü r den letzteren, bewogen durch die Aussicht auf 500 Mark, die ihm von dieser Seite versprochen 84
Chron. III, 8, ed. B r e t h o 1 z, S. 168 f.
85
Cosmas, Chron. III, 15, ed. B r e t h o l z , S. 176: Oudalricus
eum.
. . fatigat
suo iuniore vexillum;
immensis
Borivoy
promissionibus,
Boernie
sed in ducem
Stelle durch N o v o t n y , 86
ducatum.
eligendi
quo
sibi
restituat
A quo cesar accepta
obtentum
ponit
in arbitrio
adit
iniuste
pecunia
imperatorem preereptum
dat sibi ducatus
Boemorum.
. . . a
insignia
et
D i e Behandlung der
Ceske dejiny I 2, S. 409 ist unkritisch.
Cosmas von Prag, Chron. III, 2 0 — 2 2 , ed. B r e t h o 1 z , S. 1 8 5 — 1 8 8 ; G. M e y e r
K n o n a u , Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., 6, S. 61 f f .
et
fratre
von 2
1965,
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM H O H E N MITTELALTER
27
worden waren. So wenigstens schildert es Cosmas.87 In der neueren Literatur ist die genannte Summe viel umrätselt worden. In ihrer Höhe entspricht sie dem alten Jahrestribut, während sie verglichen mit den Beträgen, die sonst für die Belehnung gegeben worden sind, viel zu niedrig ist. Außerdem hatte Vladislav sie schon in Deutschland durch seine Gesandten angeboten, lange ehe er mit Heinrich V. persönlich zusammengetroffen war. Das alles spricht dafür, daß man hier auf den Zins der früheren Zeit verfallen war. Seine ununterbrochene Kontinuität bis in den Beginn des 12. Jahrhunderts soll damit nicht behauptet werden, noch daß er seit 1110 wieder regelmäßig entrichtet worden wäre. Aber Vladislav mag sehr wohl den einstigen Tribut vorübergehend wieder in Aussicht gestellt haben, um den König seiner Bitte geneigter zu machen. Nach einer eigentlichen Lehensabgabe, einem relevium, sieht das, was wir von diesem census zu 1110 erfahren, jedenfalls n i c h t aus. Aus dem nächsten halben Jahrhundert ist erst recht nichts dergleichen bezeugt. 1125 kam Otto von Mähren nach Regensburg, beanspruchte den böhmischen Thron, den erst vor kurzem Sobeslav I. eingenommen hatte, und soll vor allem durch große Geldversprechungen Lothar von Süpplingenburg für sich gewonnen haben. In der Tat marschierte der König im nächsten Jahr nach Böhmen. Doch lief die Sache für die Deutschen nicht sehr glücklich, allenfalls glimpflich aus. Otto fiel im Kampf, und Sobeslav unterwarf sich zu offenbar recht vorteilhaften Bedingungen, ohne daß von einer Zahlung etwas verlautete. Von den „goldenen Bergen", mit denen sein Nebenbuhler im Jahr zuvor gelockt hatte, wissen allerdings drei voneinander unabhängige Quellen.88 Trotzdem darf man darin nicht ohne weiteres eine Lehensbedingung sehen. Denn abgesehen von allgemein gehaltenen Sätzen kennen wir nicht die Abmachung zwischen Lothar und Otto, und im übrigen mußten ja die Kriegskosten gedeckt werden! Um diese wird es auch 1142 gegangen sein, als Konrad III. den vorübergehend vertriebenen Vladislav II. in die Heimat zurückführte. Der Herzog hatte bereits 1140 dem deutschen Herrscher gehuldigt. Wenn er ihm jetzt bei der Abreise aus Prag das „versprochene Geld" aushändigte,89 so hatte das mit einer Belehnung nichts zu tun, sondern sollte vermutlich bloß die Aufwendungen ersetzen, welche für den Feldzug nötig gewesen waren. 8 7 Chron. III, 32, ed. B r e t h o l z , S. 202; vgl. dazu die gegensätzlichen Auffassungen M e y e r s v o n K n o n a u , Jahrbücher 6, S. 113, Anm. 1, und N o v o t n y s , Ceski dejiny I 2, S. 481 ff. 8 8 Monachus Sazavensis, MG SS 9, S. 155; Canonicus Wissegradensis, ebd., S. 132; Otto von Freising, Gesta Friderici I, 21, ed. G. W a i t z / B . v o n S i m s o n , MG Scr. rer. Germ. 1912, S. 34 f.; vgl. unten S. 35, 49 f. 8 9 Canonicus Wissegradensis ad a. 1142, MG SS 9, S. 147: [Konrad III.] dttcem restituit firma pace, sumpta promissa pecunia in proprio, profectus est.
28
HARTMUT
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1152 glaubte Udalrich, der Sohn Sobeslavs I., seine Stunde sei gekommen. Er bot Friedrich Barbarossa eine große Summe, damit dieser ihm zur Herrschaft in Böhmen verhülfe. Der König soll zunächst darauf eingegangen sein; doch Bischof Daniel von Prag gelang es, dem landlosen Prinzen seinen abenteuerlichen Plan wieder auszureden.90 Die ganze Angelegenheit, die niemals über das Stadium des Entwurfs hinausgelangt ist, hat für die deutsch-böhmischen Lehensbeziehungen kaum eine wesentliche Bedeutung. Erst 1177 stoßen wir auf eine Investitur, die tatsächlich von einer Geldzahlung begleitet war (obwohl in diesem Fall gewiß nicht der schnöde Mammon den Ausschlag gegeben hat): Als Herzog Sobeslav II. dem Kaiser den Gehorsam verweigerte, wurde Friedrich, der Sohn Vladislavs II., statt seiner mit Böhmen belehnt, nachdem er anscheinend einen nicht geringen Betrag dafür in Aussicht gestellt hatte. Wenigstens ließ er 1179 nach dem Sieg über Sobeslav eine „Kollekte" im Volk eintreiben, quoniam imperatori pecuniam promiserat magnam.91 Das letzte Mal wurde eine derartige Auflage 1192 gemacht. Heinrich VI. wollte für Böhmen und Mähren (die jetzt anscheinend getrennt vergeben wurden) 6000 Mark von den Brüdern Ottokar I. und Vladislav III. haben. Bischof Heinrich von Prag leistete Bürgschaft dafür. Die Summe war allerdings auch im nächsten Jahr noch nicht aufgebracht, als Ottokar wieder abgesetzt wurde und der Bischof nun an seiner Stelle auch das Herzogsamt übernahm. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm vom Kaiser die Schuld erlassen.92 Einen nicht einmaligen, sondern radikalen Verzicht mußte 1198 Philipp von Schwaben aussprechen, um den wieder emporgekommenen Ottokar für sich zu gewinnen. In einer Urkunde, von der wir bloß die Bestätigung Friedrichs II. besitzen, verbriefte er, daß die böhmischen Herrscher ihr Land, das nun zum Königreich erhoben wurde, künftig absque omni pecunie exactione erhalten sollten.93 Die Frage war damit endgültig erledigt worden. Im ganzen 12. Jahrhundert haben wir nur drei einwandfreie Fälle feststellen können, in denen sich der deutsche Herrscher direkt für die Belehnung bezahlen ließ bzw. eine derartige Forderung stellte (1107, 1177 und 1192). Das sieht nicht gerade nach einer festen Rechtstradition aus, und daß die Gelder, von denen wir im 12. Jahrhundert hören, eine Fortsetzung oder Umwandlung des früheren Tributs gewesen sind, läßt sich danach ebensowenig sagen. Je enger sich Böhmen an das Deutsche Reich anschloß, um so mehr verbesserte sich die Stellung des 90
Vinzenz von Prag, Annales ad a. 1154, M G SS 17, S. 665.
91
Gerlach von Milevsko ad a. 1179, M G SS 17, S. 690.
9 2 Gerlach von Milevsko ad a. 1192 et 1193, M G SS 17, S. 706 f.; Canonicorum Pragensium Cont. Cosmae ad a. 1192, M G SS 9, S. 166. 9 3 M G Const. 2, 54 N r . 4 3 ; Facsimile bei N o v o t n y , S. 304.
Ceske dejiny I 3, 1928, hinter
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
29
Herzogs, und der Fortfall des Tributs im 12. Jahrhundert ist ein klares Zeichen dieser Wandlung. 5. Die
Vasallität
In den letzten Abschnitten ist wiederholt von der Belehnung die Rede gewesen, während wir doch zunächst gesehen hatten, daß zwar Ende des 9. Jahrhunderts, nicht aber im 10. Jahrhundert, der Böhme als Vasall des Reichs zu erweisen ist.94 Einen negativen Beleg für diese Ansicht bietet vielleicht Thietmar von Merseburg. In seiner Chronik erzählt er von der glanzvollen Osterfeier, die 986 in Quedlinburg stattfand, nachdem der Streit um die Thronfolge nach dem Tod Kaiser Ottos II. endgültig beigelegt worden war: Huc etiam Bolizlavus et Miseco cum suis conveniunt omnibusque rite peractis muneribus locupletati discesserunt. In diebus Ulis Miseco semet ipsum regi dedit et cum muneribus aliis camelum ei presentavit et duas expediciones cum eo fecit.95 Boleslav II. und Mieszko befanden sich gegenüber Otto III. in der gleichen Lage, insofern sie beide zum ersten Mal vor ihn traten, nachdem sie sich zunächst für Heinrich den Zänker erklärt hatten. "Wenn eine Lehenshuldigung erforderlich war, so würde man sie bei dieser Gelegenheit erwarten. Aber nur von dem polnischen Herzog heißt es: semet ipsum regi dedit,96 Demnach scheint der Böhme damals noch nicht ein Vasall des Deutschen Reichs geworden zu sein. Um die Jahrtausendwende tritt hier wieder ein Wechsel ein. Allerdings begegnet uns jetzt, in der Zeit zwischen 999 und 1002, Herzog Boleslav III. (der Rote) vorerst als miles des Markgrafen Ekkehard I. von Meißen, nicht aber des Kaisers.97 Ekkehard hat die Huldigung vermutlich nicht gegen den 94 Siehe oben S. 17 f., 21. 95
Chron. IV, 9, ed. H o 11 z m a n n, S. 140.
96
M. U h l i r z , Regesta imperii II 3, 1956, S. 463 f. Nr. 9S3 e, datiert Mieszkos Huldi-
gung in den Juni/Juli 986 und sieht darin eine Folge des deutsch-polnischen
Vorgehens
gegen Böhmen. Der vorgeschlagene Huldigungstermin mag mit Thietmars Worten allenfalls vereinbar sein (obwohl eigentlich kein Anlaß besteht, von dem Osterdatum abzugehen). Aber der Böhmenkrieg von 986 dürfte eine Erfindung Lamperts von Hersfeld sein
(Annales
ad a. 986, ed. H o 1 d e r - E g g e r, S. 46). — Gegen die polnische Lehenshuldigung (dazu auch J ä g e r , S. 52 ff.) ließe sich höchstens einwenden, daß Thietmar den zweiten Satz, der ja im wesentlichen aus annalistischer Vorlage stammt
(In diebus Ulis
etc)., gedankenlos abge-
schrieben und dadurch einen (an sich nicht gemeinten?) Unterschied zwischen Mieszkos und Boleslavs Stellung suggeriert hätte. S. auch H . B u 1 i n , Polsky prinos k dejinam polabskych Slovanu, in: Vznik a pocatky Slovanü 4 (1963), S. 49 f. 97
Thietmar
von
Merseburg,
Chron.
V,
7,
ed.
H o 11 z m a n n , S. 2 2 8 :
[Ekkehard]
Boemiorum ducem Bolizlavum, qui cognominatur Rufus, ad militem sibi... adipiscitur. Das Ereignis fällt wohl noch in die Jahre Ottos III., da sich Boleslav nach dessen Tod für Heinrich II. entschied: Thietmar V, 11, S. 232. Vgl. auch S c h l e s i n g e r ,
Mitteldeutsche
30
HARTMUT HOFFMANN
Willen Ottos I I I . erzwungen, da er mit diesem auf gutem Fuße stand. Und an Doppelvasallität ist schon deshalb nicht zu denken, weil der Herzog anscheinend niemals mit dem Kaiser zusammengetroffen ist. Wie einst Boleslav I. dem Bruder Ottos des Großen zugeordnet worden war, 98 so diente sein Enkel dem Markgrafen von Meißen, — und zwar ist diesmal die vasallitische Form dafür zweifelsfrei überliefert. Man mag den Grund der Umschichtung darin erblicken, daß Bischof Thieddag von Prag mit Boleslav I I I . nicht recht auskam und Ekkehard zwischen den beiden wiederholt den Frieden vermitteln mußte." 1002 gelangte der Pole Vladivoj nach einem Umsturz in Prag an die Herrschaft. Er trat sogleich in direkte Beziehung zu Heinrich II., huldigte ihm und adhuc ließ sich von ihm belehnen: Iste [seil. Vladivoj] . . . ad regem Ratispone
commorantem proficiscens, cum humili subiectione et fideli promissione hunc in domnum elegit et, que postulavit ab eo, in beneficium acquisivit.100 Hier wird Böhmen zum ersten Mal als ein beneficium bezeichnet, welches der deutsche König vergibt. Aber liegt wirklich eine Neuerung vor, die man als eine Fortbildung des Verhältnisses verstehen müßte, welches einst zwischen Ekkehard von Meißen und Boleslav I I I . bestanden hatte? Die Frage scheint insofern berechtigt zu sein, als nach Vladivojs baldigem Tod Boleslaw Chrobry sich 1003 in Prag festsetzte und Heinrich II. ihn anzuerkennen bereit war,
si terram nuper a se occupatam de sua gracia, u t i u s antiquum p o s c it, retinere sibique in omnibus fideliter vellet servire.101 Wenn man bedenkt, daß der deutsche Herrscher Böhmen im Vorjahr als Lehen vergeben hatte, kann kaum bezweifelt werden, daß die Wendung de sua gracia — retinere auf ein gleiches Verhältnis zielt. Und muß man dann nicht — da doch das ius antiquum beschworen wird 102 — die Lehensbeziehung zwischen Deutschland und Böhmen mindestens in der Zeit Boleslavs II. beginnen lassen? Aber vielleicht bleibt eine andere Deutung erwägenswert. Was Thietmar von Merseburg mit jenen Worten hervorheben will, ist offenbar die traditionelle Abhängigkeit des slawischen Herzogtums vom Deutschen Reich. Demgegenüber braucht er an die spezifische Form, die früher für diese Bindung gewählt worden war, Beiträge, S. 3 8 2 — 3 8 4 ( =
Ardi. f. Dipl. 1, 2 2 1 — 2 2 3 ) . D v o r n i k
(wie Anm. 64), S. 192,
glaubt, daß sidi Böhmens Stellung dadurch wesentlich verschlechtert habe; siehe aber unten S. 31, 59 f. 98 Siehe oben S. 22. 99
Thietmar von Merseburg, Chron. VII, 56, ed. H o 11 z m a n n, S. 468.
100
Ebd. V, 23, S. 249.
101
Ebd. V, 31, S. 2 5 5 — 2 5 7 .
102
F i a 1 a , in: Sbornik historicky 6, S. 60, meint, daß dieses „alte Recht" gerade ein
halbes J a h r alt gewesen sei und Thietmar auf mittelalterliche Weise übertreibe. Ganz so einfach sollte man sich das Argumentieren nicht machen.
B Ö H M E N U N D D A S D E U T S C H E R E I C H IM H O H E N MITTELALTER
31
in dem obigen Zusammenhang nicht unbedingt gedacht zu haben. Infolgedessen muß man wohl daran festhalten, daß vor 1002 der Vasalleneid, den der böhmische Herzog dem deutschen König zu leisten hatte, nicht sicher bezeugt ist. Die Begründung des Lehnsverhältnisses führt Fiala darauf zurück, daß sich die Stellung des Herzogs im eigenen Land um die Jahrtausendwende verschlechtert habe, weil Vladivoj bloß ein polnischer Eindringling gewesen sei und sich gegen die besseren Ansprüche der premyslidischen Thronbewerber habe absichern müssen; in seiner Schwäche habe er deshalb die königliche Bestätigung erbeten.103 Diese Theorie übersieht zunächst, daß bereits Boleslav III. Vasall eines Deutschen gewesen war. Sodann aber beruht sie vor allem auf der unhaltbaren Voraussetzung, daß die Böhmen vor 1002 höchstens einen Tribut zur Erhaltung des Friedens gezahlt hätten, ohne dadurch in irgendeine verfassungsmäßige Abhängigkeit vom Reich geraten zu sein. In Wirklichkeit darf man in dem Akt von 1002 gewiß keine Rangminderung sehen. Die Belehnung hatte im Hochmittelalter nichts Entehrendes. Gegenüber dem bloßen Tributärverhältnis galt sie eher als Besserung denn als Verschlechterung.104 Nicht völlig zu klären ist dagegen die Frage, ob Heinrich II. als erster deutscher König von dem böhmischen Herzog den Vasalleneid empfangen hat. Die Formalität könnte im 10. Jahrhundert immerhin bereits eingebürgert worden sein, ohne daß die Quellen sie ausdrücklich erwähnten, — obschon Widukinds servus, das Schweigen zu 986 und die Unterstellung unter den Markgrafen von Meißen diese Auffassung nicht gerade wahrscheinlich machen.105 Wenn man 1002 tatsächlich eine Neuerung einführte, so entschloß sich Heinrich II. vielleicht deshalb dazu, weil er eine nochmalige böhmische Bindung an die Markgrafenschaft Meißen angesichts der polnischen Gefahr, die nördlich der Sudeten drohte, verhindern wollte. Seit 1002 ist Böhmen dann ein beständiges Lehen des Deutschen Reichs gewesen, und daran haben selbst vorübergehende Auflehnungen nichts geändert. Nachdem Heinrich II. seinen Schützling Jaromir 1004 persönlich nach Prag geleitet hatte, stattete er ihn dort „mit allen väterlichen Würden" aus — cunctis mox dignitatibus a rege honoratur Iaremirus paternis, wie Thietmar von Merseburg sagt.106 Unter den dignitates paterne hat man natürlich das Herzogsamt zu verstehen, und es ist Jaromir gewiß als beneficium verliehen worden. Denn der König wollte sich Böhmen, wie wir gesehen haben, 107 auf 103
Sbornik historicky 6, S. 58 f. 104 Vgl. G. T e l l e n b a c h , Vom Zusammenleben der abendländischen Völker im Mittelalter, in: Festschr. G. Ritter, 1950, S. 1—60, bes. 22 ff. 105 Siehe oben S. 21 f., 29 f. 106
Chron. VI, 12, ed. H o 11 z m a n n, S. 290. 107 Siehe oben S. 30.
32
HARTMUT H O F F M A N N
diese Weise unterordnen und hatte damals auch die Macht, seinen Willen durchzusetzen. Udalrich, der nächste Herzog, wurde ebenfalls von Heinrich II. investiert. Er hatte 1012 seinen Vorgänger gestürzt, wurde nach Merseburg befohlen und „empfing unentgeltlich die Herrschaft, die er zuvor widerrechtlich usurpiert hatte". 108 Mit diesen Worten umschreibt Thietmar die Belehnung, was auch dadurch bestätigt wird, daß Udalrich an einer anderen Stelle der Chronik den König als seinen senior bezeichnet. 109 Wir können darauf verzichten, die weiteren Belehnungen der böhmischen Herzoge im einzelnen durchzugehen. Denn obwohl wir nicht bei jedem Herrschaftswechsel in Prag oder in Deutschland von der Investiturzeremonie hören, wird diese in den Quellen doch oft genug bezeugt, so daß dadurch die Kontinuität gesichert ist. Böhmen verband sich im Lauf der Zeit immer inniger mit dem Reich; es unternahm kaum noch Versuche, die politische Gemeinschaft wieder aufzulösen; und der formale Ausdruck der zwischenstaatlichen Beziehungen ist eben der Lehensnexus. Bei dieser Feststellung könnten wir es bewenden lassen, wenn nicht neuerdings die beiden Belehnungen von 1041 und 1055 angezweifelt worden wären. Freilich zu Unrecht. Zu 1041 berichten die Annales Altahenses maiores klipp und klar, daß Bretislav I. nach vergeblicher Empörung geschworen habe, Heinrich III. so treu zu sein, quam miles seniori esse deberet.110 Und nicht weniger eindeutig heißt es in ihnen zu 1055, der Kaiser habe Spytihnev an die Stelle seines verstorbenen Vaters Bretislav gesetzt — in locum substituit patris.111 Daß diese Einsetzung nach dem Lehensrecht erfolgt ist, wird zwar nicht expressis verbis gesagt, ist aber nach dem Präzedenzfall von 1041 ganz selbstverständlich. Allerdings hat Fiala 112 beiden Nachrichten den Glauben verweigert, weil sie nämlich übertrieben seien und durch andere Quellen nicht bestätigt würden. Das ist ein Argument ohne jeglichen Wert, und es bleibt vielmehr dabei, daß der Niederaltaicher Annalist, den wir ja als einen unserer besten Gewährsmänner für die Zeit Heinrichs III. betrachten dürfen, unser volles Vertrauen genießt. 6. Der böhmische Herzog als Reichsfürst Im 11. und 12. Jahrhundert war Böhmen also dem Deutschen Reich durch die Form der Lehensunterordnung angegliedert. Es bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme, sondern teilte sein Schicksal mit einer Reihe von anderen 108 Thietmar von Merseburg, Chron. VI, 83, ed. H o l t z m a n n , S. 374: regnum quod sibi iniuste prius usurpavit, gratuito munere suseepit. 109 Ebd. VII, 10, S. 410. 110 ed. v o n O e f e I e, S. 27; vgl. auch S. 25: suo seniori, id est nostro regi. 111 Ebd., S. 51. 112 Sbornik historicky 6, S. 62 f.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
33
Staaten wie etwa Dänemark oder Polen, die in gleicher Weise mit Deutschland verbunden waren. Aber während die anderen Länder des Ostens in der Folge entweder einer engeren Verknüpfung hartnäckigen Widerstand boten oder umgekehrt gänzlich ihr slawisches Gesicht verloren, fand Böhmen eine mittlere Lösung, die zu einer festen Vereinigung mit dem Reich führte und trotzdem die völkische Sonderexistenz nicht vernichtete. Dabei bestand der Fortschritt gegenüber dem bloßen Lehensverhältnis darin, daß der Herzog ein Reichsfürst wurde und als solcher hinter den anderen Großen in keiner Weise zurückstand. Den neuen Rechtsstand soll der Böhme nach der communis opinio bereits im 11. Jahrhundert erlangt haben, und Wegener hat diese Auffassung zuletzt ausführlich zu begründen versucht. Er stützt sich dafür vor allem auf die Prozesse, die einzelnen Herzogen gemacht wurden, sowie auf ein paar Quellenberichte, in denen der böhmische Fürst zu den principes regni gerechnet werde. Aber im Grunde genommen wissen wir von jenen Prozessen und vor allem von ihrer rechtlichen Seite so überaus wenig, daß wir keinerlei Schlüsse daraus ziehen können. Der Herzog von Böhmen wird gelegentlich des Majestätsverbrechens bezichtigt, wird als reus maiestatis bezeichnet.113 Doch diese Formulierung darf nicht im Sinne des römischen Rechts ausgelegt werden, sondern gibt lediglich den allgemeinen Tatbestand der Treulosigkeit an. In was für einem Verfahren der Beklagte dann abgeurteilt wurde, läßt sich daraus nicht entnehmen und ist auch sonst nicht zu ermitteln. Wegener spricht zwar von Prozessen nach (deutschem?) Landrecht und behauptet im besonderen, 1033 sei das Verfahren gegen Herzog Udalrich in Formen abgewickelt worden, wie sie nur gegenüber einem Reichsfürsten anwendbar gewesen seien.114 Davon kann indessen gar keine Rede sein, da die Quellen keinerlei Auskünfte prozeßrechtlicher Natur gewähren.115 Ebenso schlecht ist es um die angebliche Aufzählung des Böhmen unter den principes regni bestellt. Gewiß führt Lampert von Hersfeld unter den Parteigängern Heinrichs IV. im Jahr 1075 auch Vratislav II. auf. Jedoch aus seiner dazugehörigen Bemerkung, daß sich niemals ein stärkeres Heer in regno Teutonico versammelt habe, darf man nun nicht mit Wegener „die Zugehörigkeit des Herzogs von Böhmen zu den principes regni Teutonici" erschließen.116 H3 W e g e n e r ,
Böhmen/Mähren, S. 1 6 9 f f . ; Annales Hildesheimenses ad a. 1003, ed.
G. W a i t z , M G Scr. rer. Germ. Neudr. 1947, S. 2 9 ; Annales Altahenses maiores ad a. 1032, ed. vo n O e f e 1 e, S. 18. 114 W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 172. 115
Annales Altahenses maiores, a. a. O . ; Annales Hildesheimenses ad a. 1032, ed. W a i t z ,
S. 37. n a W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 4 0 ; Lampert von Hersfeld, Annales, ed. E g g e r , S. 2 1 5 ; vgl. unten S. 38. 3
Holder-
34
HARTMUT
HOFFMANN
Davon steht überhaupt nichts in der Quelle! Derselbe Geschichtsschreiber erzählt uns, der König habe zum Weihnachtsfest des Jahres 1075 omnes principes regni nach Goslar entboten, aber außer dem dux Boemicus hätten nur wenige diesem Ruf Folge geleistet. Man könnte die Stelle so verstehen, daß Lampert den böhmischen Herzog bloß zusätzlich als besonders treuen Freund Heinrichs I V . nennt. Im übrigen konnte Vratislav damals tatsächlich als Reichsfürst bezeichnet werden, weil ihm wenig früher die sächsische Ostmark verliehen worden war. 1 1 7 Aber Böhmen selbst hat man damals noch nicht den deutschen Herzogtümern in verfassungsrechtlicher Hinsicht gleichgestellt. Das war auch 1106 noch nicht der Fall, als Heinrich IV. kurz vor seinem Tod ein Rundsdireiben erließ und darin den dux Boemicus in eine Reihe mit anderen Magnaten stellte. 118 Laut Wegener 119 würde der Herzog hier zwar unter den principes regni erscheinen. Doch die geistlichen und weltlichen Herren, die der Kaiser aufzählt, werden durchaus nicht unter dieser (oder irgendeiner anderen) Gruppenbezeichnung zusammengefaßt. Unter den genannten befindet sich ferner Graf Wilhelm von Burgund, und er war ebenfalls kein Angehöriger des deutschen Königreichs. 120 Wegeners Beweisgründe halten also einer genaueren Betrachtung nicht stand. Nun findet man neuerdings die Meinung ausgesprochen, daß Böhmen spätestens 1099 ein Reichsfürstentum geworden sei. 121 Damals nämlich sei ein böhmischer Herzog zum ersten Mal mit einer Fahne belehnt und somit wie ein deutscher Herzog behandelt worden. In Wirklichkeit liegt der Sachverhalt etwas anders. Borivoj II. empfing zwar von Heinrich IV. eine Fahne, aber eine normale Investitur war das nicht. Denn er erhielt lediglich die Zusicherung, daß er nach dem Tod seines Bruders Bretislav II. in Prag die Nachfolge antreten könne. 122 Es handelte sich demnach nicht um eine echte Fahnenbelehnung, 117
Lampert von Hersfeld, S. 250, 2 3 2 ; dazu W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 40, 42.
118
C . E r d m a n n, Die Briefe Heinrichs IV., M G Dt. Mittelalter 1, 1937, S. 64 N r . 42.
119
W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 120.
120 Y g j g
£
S t e n g e l , Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaiser-
gedankens im Mittelalter, 1965, S. 178 ff., 191 ff. 121
I.
Scheiding-Wulkopf,
Lehnsherrliche
Beziehungen
der
fränkisch-deutschen
Könige zu anderen Staaten vom 9. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, 1948, S. 74 f. (mit vorsichtiger Formulierung, die ihre Nachsdireiber leider nicht beherzigt haben). 122
Cosmas von Prag, Chron. III, 8, ed. B r e t h o l z ,
precibus assignaret,
apud cesarem,
ut eius frati Borivoy
quo post obitum
suum fratrem
vexillum
eius Borivoy
S. 169: [Bretislav] hoc
daret
et eum Boemis
sublimarent
obtinuit
omnibus
in solium.
. . .
Ob bei den
böhmischen Fahnenbelehnungen die Vorstellung von der heiligen Wenzelslanze mitgespielt hat, ist anscheinend nicht zu klären; nicht ganz befriedigend dazu W. W e g e n e r , Lanze des heiligen Wenzel, in: Z R G germ. Abt. 72 (1955),
S. 5 6 — 8 2 ;
S c h r a m m , Herrschaftszeichen und Staatssymbolik 2, 1955, S. 521 f.
s. auch P .
Die E.
BÖHMEN U N D DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
35
sondern es w u r d e eine A r t A n w a r t s c h a f t , w o h l eine E v e n t u a l b e l e h n u n g erteilt. E b e n s o v e r f u h r m a n 1 1 3 8 , als S o b e s l a v I. seinen S o h n V l a d i s l a v z u m Erben b e s t i m m t e u n d K o n r a d I I I . diesem ein vexillum
übergab; 1 2 3 u n d vielleicht ist
eine nicht g a n z e i n w a n d f r e i e Nachricht z u 1 1 0 1 i m gleichen Sinne z u interpretieren. 1 2 4 E i n e echte F a h n e n b e l e h n u n g w i r d in B ö h m e n d a n n allerdings z u 1 1 2 6 überliefert, w i e sie überhaupt danach i m 12. Jahrhundert Brauch w a r . 1 2 5 M u ß m a n daher d e m H e r z o g t u m w e n i g s t e n s ab 1 1 2 6 d e n Status eines Reichsf ü r s t e n t u m s konzedieren? N e i n ; d e n n F a h n e n b e l e h n u n g e n durch den deutschen Herrscher sind auch außerhalb des deutschen Königreichs
vorgekommen126
u n d k ö n n e n daher f ü r unsere F r a g e gar nichts b e w e i s e n . M a n h a t ferner das E r z s c h e n k e n a m t in die D i s k u s s i o n g e w o r f e n . E k k e h a r d v o n A u r a schildert uns die g l ä n z e n d e H o c h z e i t , die H e i n r i c h V . i m Januar 1 1 1 4 m i t der englischen M a t h i l d e feierte; f ü n f H e r z o g e seien a n w e s e n d gewesen, so hebt er h e r v o r u n d f ü g t d a n n in e i n e m N a c h s a t z h i n z u : de dux
Boemiae
summus
pincerna
fuit.
127
quibus
A u s d e n W o r t e n des C h r o n i s t e n ge-
123 Canonicus Wissegradensis ad a. 1138, MG SS 9, S. 144: [Dux Sobezlaus] id obtinuit, ut filius suus Wladizlaus in regimen ducatus ei succederet. Cui licet puero vexillum praesente patre a rege [seil. Konrad III.] traditum est. Die Sohnesbelehnung zu Lebzeiten des Vaters wurde auch von Kaiser Lothar 1134 gegenüber Dänemark angewandt: W. B e r n h a r d i, Lothar von Supplinburg, 1879, S. 540 f. 124
Siehe oben S. 26.
125
J. B r u c k a u f , Fahnlehn und Fahnenbelehnung im alten Deutschen Reiche, 1907, S. 22—24, 26, 28; Monachi Sazavensis cont. Cosraae ad a. 1126, MG SS 9, S. 156: [Lothar] transdidit ei [seil, duci Sobezlao] per manum insigne ducatus vexillum etc. Es ist wiederholt behauptet worden, daß der Bericht des Mönchs von Sazava über Lothars Feldzug von 1126 bloß die Verhältnisse der Barbarossa-Zeit widerspiegele: so etwa W. W e g e n e r , Böhmen und das Reidi im Bericht des sogenannten Mönchs von Sazawa zum Jahre 1126, in: Festschr. f. K. G. Hugelmann 2, 1959, S. 787—813. Diese Auffassung bleibt jedoch sehr hypothetisch, und es ist nicht einmal die Möglichkeit auszuschließen, daß jener Bericht bald nach den Ereignissen des Jahres 1126 entstanden und dann später von dem Mönch seinem Werk einverleibt worden ist. Vgl. unten S. 49 f., oben S. 27. 126
B r u c k a u f , a . a . O . , S. 20 ff.; P . E . S c h r a m m , Herrschaftszeichen und Staatssymbolik 1—3, 1954—1956, S. 506, 650 f., 679, 683, 867; C. E r d m a n n Kaiserliche und päpstliche Fahnen im hohen Mittelalter, in: QFIAB 25 (1933/4), S. 1 ff.; dagegen wohl zu apodiktisch P. K e h r , Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die Päpste (1059—1192), Abh. Preuß. Akad. Wiss. Jg. 1934, phil.-hist. Kl. Nr. 1, S. 7 Anm.4. — Cosmas von Prag scheint 1124 ein Einladungsschreiben Heinrichs V. zu einem Bamberger Hoftag, das an omnes regni prineipes et episcopos gerichtet war, gesehen oder davon gehört zu haben: Chron. III, 55 f. ed. B r e t h o l z , S. 228 f. Da es auch nach Prag kam und der böhmische Herzog daraufhin die curia besuchte, könnte ihn der Geschichtsschreiber hier zu den Reichsfürsten gezählt haben. Aber auf diese Autorität hin läßt sich die Frage natürlich nicht entscheiden. 127
3*
MG SS 6, S. 248; dazu W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 161.
36
HARTMUT
HOFFMANN
winnt man den Eindruck, daß damals etwas Ungewöhnliches geschehen ist. Denn warum hätte er sonst den Schenken als einzigen aus der Reihe der Ehrenwürdenträger genannt? Den Anlaß zu dieser Auszeichnung des dux Boemiae können wir nicht mehr erkennen. Im späteren 12. Jahrhundert wird nur noch zweimal, allerdings recht undeutlich und durchaus nicht einwandfrei, bezeugt, daß der Böhme eines der Erzämter versah. 128 Ob die Premysliden einen erblichen Anspruch auf die Wünsche des pincerna schon seit 1114 hatten, ist jedenfalls sehr fraglich. Auch eine Urkunde Rudolfs von Habsburg aus dem Jahr 1290, in welcher Kurrecht und Erzschenkenamt bis auf den Urururgroßvater (atavus) des damals regierenden Königs Wenzel II. zurückgeführt werden, kann das nicht beweisen. 129 Herzog Vladislav I., dem 1114 jene Ehre zuteil ward, war zwar der Urahn des genannten Königs. Aber erstens sollte das böhmische Privileg bloß allgemein in grauer Vorzeit verankert werden (darauf deutet die etwas verwirrte Folge der Väter, Großväter usw. hin), und zweitens ist die Behauptung schon deshalb verdächtig, weil das gleichfalls erwähnte Kurrecht gewiß nicht bis auf Vladislav I. zurückgeht. 130 Uber die Entwicklung der Erzämter im 12. Jahrhundert ist gar zu wenig bekannt. Auf jeden Fall hatten sie noch keine feste Funktion innerhalb der Reichsverfassung. 131 Schon die brandenburgische Kämmererwürde sollte vor einem zu frühen Ansatz der rechtlichen Fixierung warnen. Als erster von den Markgrafen könnte Albrecht der Bär im zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts dies Amt versehen haben: gesichert ist das nicht. Und ein fester Anspruch darauf ist den Askaniern womöglich erst im 13. Jahrhundert zugebilligt worden. 132 Wie sehr die Dinge damals im Fluß waren, zeigt die verwandte Erscheinung des königlichen Schwertträgers. In der Frühzeit des deutschen Reichs sind die ver1 2 8 M. B u c h n e r , Die Entstehung der Erzämter und ihre Beziehung zum Werden des Kurkollegs, 1911, S. 109 f.; L. W e i l a n d , Über die Deutschen Königswahlen im 12. und 13. Jahrhundert, in: F D G 20 (1880), S. 316 f.; Z. F i a 1 a , Pocatky cesk£ düasti v kurfirtskem sboru, in: Sbornik historicky 8 (1961), S. 29—31. 1 2 9 MG Const. 3, S. 426 f. Nr. 444: Hec vero iura pincernatus et electionis nedum dicto regi et suis heredibus didicimus competere, sed eciam suis progenitoribus, abavis, attavis, proavis et avis iure plenissimo competebant.
Siehe unten S. 37 ff. M. K r a m m e r , Der Ursprung der brandenburgischen Kur, in: Forschungen zur Brandenburg, und Preuß. Geschichte 2 6 , 2 (1913), S. 1—26 ( = 3 5 3 — 3 7 8 ) ; F i a l a , i n : Sbornik historicky 6, S. 79. 130
131
1 3 2 Joh. S c h u 11 z e , Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1964, S. 93 ff., vermutet, daß das Kämmereramt Albrecht dem Bären 1157 verliehen worden sei. Beweisen läßt sich das nicht. H. S t ö b e , Der Abfall der Arnsteiner von Kaiser Friedrich II. und die Entstehung der brandenburgischen Kur, in: Wiss. Zs. der Friedr.-SchillerUniv. Jena, Jg. 6 (1956/7), gesellsch.- und sprachwiss. Reihe, H. 6, S. 769—797 (kaum weiterführend).
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
37
schiedensten Fürsten mit dieser Aufgabe betraut worden, ohne daß einer von ihnen einen Rechtsanspruch hätte geltend machen können. Selbst Ausländer, die bloß Lehensmannen des deutschen Herrschers waren, haben den Dienst geleistet. So trug 1134 Magnus von Dänemark und 1135 der Herzog von Polen das Schwert vor Lothar III., und 1152 tat es wiederum der König von Dänemark vor Friedrich Barbarossa. 133 Erst im 13. Jahrhundert wurde daraus ein genau fixierter Ehrenvorrang gemacht. Es kam die Meinung auf, daß dieser nur dem Herzog von Sachsen als dem Erzmarschall zustehe. Wir sehen an dem Beispiel, daß eine Funktion, die später ausschließlich in die Zuständigkeit eines Reichsfürsten oder gar eines Kurfürsten fiel, im 12. Jahrhundert noch nicht ein derartiges Statussymbol gewesen ist. Ein Gleiches könnte nun auf das Amt des pincerna zutreffen. Denn auch dieses braucht in der Zeit Heinrichs V. durchaus nicht auf die Mitglieder des älteren Reichsfürstenstandes beschränkt gewesen zu sein. Die Hauptpflichten eines Reichsfürsten, nämlich Heerfahrt und H o f f a h r t , können leider nicht dazu dienen, die Stellung des böhmischen Herzogs zu bestimmen. Denn sie trafen gleicherweise den Vasallen. Dagegen verspricht es einigen Erfolg, wenn wir von der Königswahl ausgehen und zu ergründen versuchen, ob und wann der Böhme dieses vornehmste Fürstenrecht geübt hat. Mehrere Nachrichten vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, die ihn an einem solchen Ereignis beteiligt erscheinen lassen, sind hier der Kritik zu unterwerfen. Als Heinrich der Zänker sich Ostern 984 in Quedlinburg von seinen Anhängern zum König ausrufen ließ, erschien auch Boleslav II. und versprach ihm seine Hilfe. Thietmar von Merseburg, dem wir die Nachricht verdanken, sagt aber nicht, daß sich der böhmische Herzog geradezu an der Wahl beteiligte, und damit ist auch deshalb nicht zu rechnen, weil der Abodritenfürst Mstivoj und Mieszko von Polen ebenso wie Boleslav handelten und diese nun gewiß nicht zu den traditionellen deutschen Königs Wählern gehörten. 134 Der nächste Fall wäre die Wahl Konrads II. Sein Biograph Wipo zählt im ersten Kapitel der Vita die geistlichen und weltlichen Großen auf, die 1024 133 B e r n h a r d i , Lothar von Supplinburg, S. 540 f. Anm. 38; Canonicus Wissegradensis ad a. 1135, MG SS 9, S. 141; Otto von Freising, Gesta Friderici II, 5, ed. W a i t z / v o n S i m s o n , S. 106; K. Z e u m e r , Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1 (=Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit II 1), 1908, S. 239—244; B u c h n e r , Entstehung der Erzämter, S. 135 f. Etwas anders ist die Entwicklung beim Amt des Reichsbannerträgers verlaufen: K. H. M a y , Reichsbanneramt und Vorstreitrecht in hessischer Sicht, in: Festschr. E.E.Stengel, 1952, S. 301—323; S c h r a m m , Herrschaftszeichen und Staatssymbolik 2, S. 675 if. 134
Thietmar von Merseburg, Chron. IV, 2, ed. H o l t z m a n n , et Mistui et Bolizlovo duces cum ceteris inejfabilibus confluebant, Heinrico] deinceps ut regi et domino cum iuramentis affirmantes.
S. 132: Huc Miseco auxilium sibi ,[scil.
38
HARTMUT HOFFMANN
im Reich ihres Amtes walteten und die Thronfolge zu regeln suchten. Neben sieben deutschen Herzogen nennt er hier auch Uodalricus dux Boemiae. Es lag nahe, daraus zu folgern, daß Udalrich in Kamba mitgewirkt hat. Jedoch der Geschichtsschreiber hatte bei jenem Überblick über das Reich und seine Fürsten bloß das Idealprogramm einer Königswahl im Sinn, an welcher er außer den Deutschen auch Italiener, Burgunder, Ungarn und eben den Böhmen beteiligt wissen wollte. Niemals hat eine Wahl in dieser Form wirklich stattgefunden. 135 Es besteht daher kein Anlaß, Herzog Udalrich zu den Wählern Konrads II. zu rechnen. Weihnachten 1075 nahm Heinrich IV. den zu Goslar versammelten Fürsten das Versprechen ab, keinem anderen als seinem Sohn Konrad die Thronfolge zuzuwenden. Lampert von Hersfeld berichtet darüber: Cumque [rex] eo [seil, nach Goslar] omnes regni prineipes evocasset,. . . preter ducem Boemicum pauci admodum venerunt. Ab ipsis tarnen qui venerant iusiwandum exegit et aeeepit, ut non alium post eum quam filium eius ... regem sibi eligerent,136 Der Chronist wollte den Erfolg des Königs nach Möglichkeit schmälern, indem er — zu Unrecht — die Zahl der erschienenen Fürsten als bedeutungslos hinstellte und lediglich die Anwesenheit Vratislavs II. von Böhmen einräumte. Der Herzog wird darum nicht den prineipes regni gleichgestellt. Sondern nur weil er (angeblich) der einzige mächtige Anhänger Heinrichs IV. gewesen sei, erwähnt ihn Lampert. Aus den zitierten Sätzen geht infolgedessen nicht zwingend hervor, daß auch Vratislav II. auf die Nachfolge Konrads verpflichtet wurde. Dessen Wahl hat er jedenfalls kaum beigewohnt. Sie fand am 30. Mai 1087 in Aachen statt oder wenig vorher. Die Nachrichten, die wir darüber besitzen, sprechen eigentlich nur von der Weihe; 137 aber eine Kur muß ja wohl vorausgegangen sein. Und da von ihr anderweitig nichts verlautet, ist sie sicher auch erst Ende Mai erfolgt, in 135
H. B e u m a n n , Das Imperium und die Regna bei Wipo, in: Aus Geschichte und Landeskunde. F. Steinbach zum 65. Geburtstag, i960, S. 11—36; H. B r e s s l a u , Die Werke Wipos, MG Scr. rer. Germ., 1915, S. 12 (Gesta Chuonradi c. 1). Dadurch verliert auch W e g e n e r s an sich schon unwahrscheinliche Annahme (Böhmen/Mähren, S. 160), daß der Böhme 1024 an den „Vorverhandlungen" zur Wahl beteiligt gewesen sei, jede Berechtigung. — Im übrigen schwingt auch bei Otto von Freising der Gedanke an ein umfassenderes Wählergremium mit, wenn er sagt, daß sich 1152 die Gesamtheit der deutschen Fürsten non sine quibusdam ex Italia baronibus in Frankfurt zur Wahl Friedrich Barbarossas versammelt habe: Gesta Friderici II, 1, ed. W a i t z / v o n S i m s o n , S. 103. Aber auch diese Nebenbemerkung zielt nicht so sehr auf die Realität, sondern mehr auf ein Ideal. 136 Lampert von Hersfeld, Annales ad a. 1076, ed. H o l d e r - E g g e r , S. 250 f.; vgl. oben S. 34; M e y e r v o n K n o n a u , Jahrbücher 2, 1894, S. 583 Anm. 174; N o v o t n y , Ceske dSjiny I 2, 1913, S. 196. 137
M e y e r v o n K n o n a u , Jahrbücher 4, 1903, S. 160.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
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direktem Zusammenhang mit der Krönung. Nun finden wir Vratislav II. bereits im Juni 1087 in der Mark Meißen,138 und zwar war er aus Böhmen mit einem Heer dorthin gezogen. Angesichts der Entfernungen und der mittelalterlichen Reisegeschwindigkeit ist es so gut wie ausgeschlossen, daß er am 30. Mai noch in Aachen geweilt hätte, dann nach Prag marschiert wäre, hier den Feldzug vorbereitet hätte und in diesem Juni schon wieder ins Sächsische eingefallen wäre. Mit Konrads (III.) Wahl hat er daher vermutlich nichts zu tun gehabt. Audi in den nächsten 50 Jahren änderte sich in dieser Hinsicht nichts. Sobeslav I. soll zwar gleich nach dem Tod Lothars von Süpplingenburg für Konrad von Hohenstaufen eingetreten sein.139 Aber er ist nicht am 7. März 1138 in Koblenz zur Wahl erschienen, sondern hat den neuen Herrscher erst zu Pfingsten dieses Jahres in Bamberg aufgesucht. Wegener nimmt an, daß er dort „nachträglich eine Anerkennung der Koblenzer Wahl ausgesprochen" habe.140 Doch dafür fehlt jeder Anhaltspunkt. Offenbar hat Sobeslav damals dem König gehuldigt, weil Böhmen ein Lehen des Deutschen Reiches war. Dagegen darf man diesen Akt nicht etwa als Teil einer „fortgesetzten" Königswahl 141 betrachten, zumal da Sobeslav etwas später als die übrigen Fürsten eingetroffen zu sein scheint.142 Nicht leicht zu beurteilen und zugleich besonders wichtig ist die Wahl Heinrichs VI. im Juni 1169. Magnus von Reichersberg schreibt darüber in seiner Chronik: Ubi [seil, in Bamberg] ex consensu et collaudatione omni um prineipum qui aderant, inperator filium suum in regem electum et coronatum post se regnare firmavit. Archiepiscopus Salzburgensis antea ab inperatore vocatus, cum venisset illuc cum patre suo rege Boemorum, et presentiam inperatoris et audientiam curiae expostulasset, admissus non est.U3 Wenn a l l e 138
Cosmas von Prag, Chron. II, 39, ed. B r e t h o 1 z , S. 141—143.
139
Kaiserchronik v. 17182—17188, MG Dt. Chron. 1, S. 390: Die vursten chomen do ze rate I an ainen Chuonräten, I der e wider dem rlche was. I der Regensburgare geriet daz —/ der biscof Hainrich, I ain Diezäre also herlich I —, mit samt dem Behaime; Novotny, Ceske dejiny I 2, S. 650. 140 W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 162; vgl. oben S. 35. 141
Dazu H. M i t t e i s , Die deutsche Königswahl, 2 1944, S. 55; Roderich S c h m i d t , Königsumritt und Huldigung in ottonisch-salischer Zeit, in: Vorträge und Forschungen 6, 1961, S. 97—233. 142 Canonicus Wissegradensis, ad a. 1138, MG SS 9, S. 144: Habito igitur consilio multisque negotiis pertractatis [seil, auf der Pfingstkurie], cum unusquisque ad p r op r i a repedaret, regem adhuc in eodem loco morantem noster dux Sobezlaus infra iamdictum jestum adiit. 143 MG SS 17, S. 490; N o v o t n y , Ceske dejiny I 2, S. 976 f.; W e g e n e r , Böhmen/ Mähren, S. 162 mit weiterer Literatur. Mit der Vermutung, daß der Streit zwischen Bar-
HARTMUT HOFFMANN
40
herbeigeeilten F ü r s t e n d e r E r h e b u n g z u s t i m m t e n , d a n n gilt das auch f ü r d e n böhmischen K ö n i g V l a d i s l a v I I . , v o n dessen A n w e s e n h e i t w i r g e w i s s e r m a ß e n z u f ä l l i g w e g e n einer a n d e r e n A n g e l e g e n h e i t e r f a h r e n . A b e r diese A u s l e g u n g h a t den N a c h t e i l , d a ß sie vielleicht einen z u s t r e n g e n M a ß s t a b a n d e n c h r o n i kalischen B e r i c h t a n l e g t . M a n setze n u r v o r a u s , d a ß d e r rex F r e m d e r 1 1 6 9 allgemein und wie selbstverständlich n i c h t v o l l b e r e c h t i g t e n principes
Boemorum
als
in d e n K r e i s d e r
e i n b e z o g e n w u r d e : S o w ä r e d e r locker k o m p o n i e r t e
T e x t selbst d a n n nicht m i ß v e r s t ä n d l i c h o d e r w i d e r s i n n i g gewesen, w e n n d e r böhmische K ö n i g tatsächlich nicht m i t g e w ä h l t h ä t t e . D a h e r ist die B e t e i l i g u n g V l a d i s l a v s I I . allein aus d e r R e i c h e r s b e r g e r C h r o n i k nicht z u erweisen. H ö c h s t e n s k ö n n t e m a n aus d e r politischen S i t u a t i o n d e r Z e i t z u einer b e s t i m m t e r e n V e r m u t u n g g e l a n g e n . E t w a z e h n J a h r e s p ä t e r t r i t t der s o g e n a n n t e j ü n g e r e R e i c h s f ü r s t e n s t a n d in E r s c h e i n u n g , u n d z u i h m h a t d e r H e r z o g Böhmen
v o n A n f a n g a n g e h ö r t . D i e s w e n i g s t e n s ist die c o m m u n i s
von
opinio,
o b w o h l es d i r e k t e B e l e g e f ü r jene f r ü h e Mitgliedschaft nicht g i b t . 1 4 3 a Z u B e g i n n des 1 3 . J a h r h u n d e r t s ist sie z w e i f e l s f r e i b e z e u g t , a m eindeutigsten durch die B e t e i l i g u n g O t t o k a r s I. a n d e r W a h l F r i e d r i c h s I I . i m S e p t e m b e r
1211,
w e n n nicht schon a n d e r j e n i g e n P h i l i p p s v o n S c h w a b e n 1 1 9 8 . 1 4 4 Seit seiner barossa und Erzbischof Adalbert von Salzburg, dem Sohn Vladislavs II., den böhmischen König an der Wahl gehindert habe, läßt sich nichts anfangen. Soweit wir sehen, wurde der Vater nicht für das Verhalten des Sohnes haftbar gemacht und war 1169 nicht wie dieser in Ungnade gefallen. 1 4 3 a In der Sententia de bonis ecclesiasticis non alienandis vom 19. April 1191, die Heinrich VI. ergehen ließ astantibus plurimis principibus et magnatibus imperii eisque consentientibus, wird Herzog (Konrad) Otto von Böhmen hinter den Bischöfen und vor Herzog Konrad von Rotenburg und weiteren Laienadligen genannt: MG Const. 1, S. 479 Nr. 336. Bei dieser Feststellung des Reichsrechts dürfte ein Fürst, der nicht zum Reich gehörte, kaum mitgewirkt haben. Daß Konrad Otto nicht Magnat, sondern princeps war, macht seine Placierung innerhalb der Zeugenliste mehr als wahrscheinlich. 144 N o v o t n y , Ceske dejiny I 3, 1928, S. 222 Anm. 2, S. 296 f. — Nicht befreunden kann ich midi mit F i a 1 a s Auffassung (Sbornik historicky 8, S. 27—66), daß um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert Böhmen die stärkste Macht in Mitteleuropa gewesen sei, sein Herzog bzw. König im Thronstreit den Ausschlag gegeben habe, infolgedessen von beiden Parteien in die Wahl hineingezogen worden sei und dadurch zunächst eine Wahlbeteiligung rein faktisch erlangt habe, die im Lauf des 13. Jahrhunderts auch als Recht anerkannt worden sei. Diese Deutung, durch die die negative Bestimmung des Sachsenspiegels hinsichtlich der böhmischen Kur erklärt werden soll, beruht auf keinen direkten Quellenzeugnissen. Sie dürfte u. a. schon daran scheitern, daß eine strittige Wahl durch die Teilnahme eines Unbefugten — und das wäre der Böhme ja in Fialas Augen gewesen! — noch weiter an Gültigkeit verloren und daher kein Thronbewerber zu einem so zweifelhaften Verfahren gegriffen hätte. Den Zusammenhang zwischen Wahlrecht und Zugehörigkeit zum Reichsfürstenstand scheint Fiala gänzlich übersehen zu haben. Zum Sachsenspiegel siehe auch unten S. 46.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
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Entstehung um das Jahr 1180 erweiterte sich der jüngere Reichsfürstenstand nur durch Kooptation und königlichen Beschluß. "Wäre der Böhme erst nachträglich in das Gremium aufgenommen worden, so hätte ein derart aufsehenerregendes Ereignis sicherlich Spuren in der nicht gerade ärmlichen Uberlieferung hinterlassen. Da dies nicht der Fall ist, dürfte der Herzog schon vor 1180 den Reichsfürsten älterer Art immer näher gerückt und daher ohne weiteres in den exklusiveren Stand eingetreten sein, welcher sich in der Spätzeit Friedrich Barbarossas herausbildete.145 Wenn im übrigen 1182 offenbar der Markgraf von Mähren und 1187 bestimmt der Bischof von Prag zu Reichsfürsten erhoben wurden, so konnte das schlecht geschehen, ohne daß zuvor der böhmische Herzog die gleiche Stellung erlangt hatte. 146 Ein Zeichen der völligen Einbeziehung ins Reich sind wohl auch die fünf vexilla, die 1174 bei einer böhmischen Belehnung erstmals an die Stelle der früher üblichen e i n e n Fahne getreten sind,147 — wiewohl diese Deutung nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Kein deutscher König hat so kraftvoll wie Friedrich Barbarossa über Böhmen geherrscht. Er sprach bei der Einsetzung der Herzoge ein mächtiges oder gar ein Machtwort. Diese fanden sich fast jährlich auf den Hoftagen ein, ihre Truppen zogen immer wieder mit dem deutschen Heer in den Krieg,148 und Daniel von Prag diente dem Kaiser wie jeder andere Reichsbischof. Wurde Böhmen derartig in die deutschen Angelegenheiten hineingezogen, so mochten daraus auch seinem Herzog neue Rechte zuwachsen. Die Königskrone, 146
Ober die schwierigen Fragen, wie und warum der jüngere Reichsfiirstenstand
ent-
standen ist, vgl. vor allem J . F i c k e r , Vom Reichsfürstenstande 1, 1861, Neudr. 1961, bes. S. 94 ff.; F. S c h ö n h e r r , Diss. Leipzig
1914;
Die Lehre vom Reichsfürstenstande des Mittelalters, phil.
F. K e u t g e n ,
Der deutsche Staat des Mittelalters,
1918,
S. 55 ff.;
H . M i 1 1 e i s , Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudr. 1958, S. 427 ff.; E . E .
Stengel,
Abhandlungen
S. 133—173
und
Untersuchungen
zur
mittelalterlichen
( = Z R G germ. Abt. 66, 1948, S. 2 9 4 — 3 4 2 ) ; H . K o l l e r ,
Geschichte,
1960,
Die Bedeutung des Titels „prin-
ceps" in der Reichskanzlei unter den Saliern und Staufern, in: M I Ö G 68 (1960), S. 63—80. 146
Zu Mähren: Gerlach von Milevsko, MG SS 17, S. 693, 705, 7 0 9 ; F i c k e r ,
Reichsfürstenstande 1, S. 106 f.; O. P e t e r k a , 21933,
S. 28 Anm. 2 1 a ;
zuletzt W e g e n e r ,
Vom
Rechtsgeschichte der böhmischen Länder 1, Böhmen/Mähren, S. 1 8 3 — 1 9 9 ,
bes. 199
mit
weiterer Literatur. Zu P r a g : Gerlach von Milevsko, M G SS 17, S. 693, 708. 147
Gerlach von Milevsko ad a. 1174, MG SS 17, S. 6 8 6 ; S t e n g e l , Abhandlungen (wie
Anm. 145), S. 141 ( = Z R G , germ. Abt. 66, S. 304). 148
Köster,
Die
staatlichen
Beziehungen,
S. 105 ff.,
142 ff.
Vgl.
auch
H. P a t z e ,
Kaiser Friedrich Barbarossa und der Osten, in: Jb. f. die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 11 (1962), S. 7 3 ; doch lieferten nicht erst „die Züge über die Alpen dem Staufer [Friedrich Barbarossa] die hegemoniale Rechtfertigung für seine Eingriffe in Böhmen", denn diese „Eingriffe" stammten bereits aus der Tradition des deutschen Königtums: siehe unten S. 43.
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HOFFMANN
mit der sich Vladislav II. schmücken durfte, besagt in dieser Hinsicht anscheinend bloß wenig. 149 Eher sollte man seine Teilnahme am Friedensschluß zwischen Heinrich dem Löwen und Heinrich Jasomirgott bedenken. Das Privilegium minus, durch welches der Ausgleich erreicht wurde, ist nicht etwa ein kaiserlicher Gnadenakt, sondern das gerichtliche Ergebnis eines langen Prozesses. Und insofern verdient es Beachtung — und ist auch schon des öfteren vermerkt worden —, daß diese Fürstensentenz von Vladislav II. verkündet worden ist. 150 Für den Prozeß war allerdings Lehenrecht und nicht Landrecht maßgebend gewesen. 151 Infolgedessen braucht der Urteiler in der Lehenskurie vielleicht nicht unbedingt zu den Reichsfürsten gehört zu haben. Trotzdem war ihnen jetzt der Herzog von Böhmen zum mindesten faktisch gleichgestellt, insofern er an hervorragender Stelle über eine so wichtige Reichsangelegenheit mitentschied. Schon früher war der böhmische Herrscher gelegentlich sehr tief in die deutsche Politik verwickelt gewesen. So hatte Vratislav II. eine Reihe von Jahren mit größtem Eifer für Heinrich IV. gekämpft, und Lothars Beziehungen zu Sobeslav I. waren nach anfänglichen Mißhelligkeiten ausnehmend gut gewesen. Doch unter Barbarossa steigerte sich die Zusammenarbeit, diese Einbeziehung Böhmens in das Deutsche Reich noch weiter, da der Kaiser es, anders als die beiden genannten Vorgänger, mit wesentlich schwächeren Partnern zu tun hatte. Nachdem wir die politische Situation somit umrissen haben, verstärkt sich nun die Wahrscheinlichkeit, daß Vladislav II. an jener Wahl Heinrichs VI. im Jahr 1169, von der wir ausgegangen waren, tatsächlich teilgenommen hat. Jenseits jeden Zweifels liegt diese Annahme nicht. Aber der Umweg, den wir unterdessen gemacht haben, hat zugleich der Frage, um die es hier geht, ein Gutteil ihrer Wichtigkeit genommen. Es sollte die Stellung des böhmischen Herzogs an seinem Wahlrecht ermessen werden. D a er auf jeden Fall spätestens in der Zeit um 1180 Reichsfürst geworden ist, liegt ziemlich wenig daran, wie man ihn elf Jahre früher eingestuft hat. So oder so ist es die Politik Friedrich Barbarossas gewesen, die ihm seinen endgültigen Rang in der deutschen Reichsverfassung gesichert hat. 149
M G Const. 1, S. 236 f. N r . 170. Die Erhöhung des böhmischen Herzogs zum König,
die hier nur gestreift wird, behandelt jetzt P . E . S c h r a m m ,
Böhmen und das Regnum:
Die Verleihungen der Königswürde an die Herzöge von Böhmen (1085/86, 1158, 1198/1203), in: Adel und Kirdie. G. Teilenbach zum 65. Geburtstag, 1968, S. 3 4 6 — 3 6 4 . 150
MG Const. 1, S. 221 f. N r . 159; siehe etwa W e i l a n d ,
151
J. J a s t r o w ,
in: F D G 20, S. 320.
Die Welfenprocesse und die ersten Regierungsjahre Friedrich Barba-
rossas ( 1 1 3 8 — 1 1 5 6 ) , in: Deutsche Zs. f. Geschichtswiss. 10 (1893), S. 2 6 9 — 2 9 1 ; H . M i t t e i s , Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, SB Heidelberg Akad. Wiss. philos.-hist. Kl., Jg. 1926/7, 3. Abh. (1927), S. 45 f.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
7. Böhmens Verhältnis zu Regnum und
43
Imperium
Ein letzter strittiger Punkt bleibt noch zu erörtern: Hat Böhmen zum deutschen Königreich oder zum römischen Kaiserreich gehört? Zunächst könnte die Antwort schwierig erscheinen, weil regnum Theutonicum und imperium Romanum im Lauf des Mittelalters so innig miteinander verschmolzen, daß der ursprüngliche Unterschied darüber verloren zu gehen drohte. Aber die Vermengung der Begriffe ist erst langsam vor sich gegangen, war also in der früheren Zeit noch nicht so weit gediehen wie im 13. oder 14. Jahrhundert, und außerdem sind selbst später die Grenzen zwischen den beiden Staatsgebilden nicht bis zur völligen Unkenntlichkeit verwischt worden.152 Es ist die Haupttendenz des Wegenerschen Buches, Böhmen dem deutschen Königreich zuzuordnen. Der Beweis wird weitgehend mit dem Argument bestritten, daß deutsche Herrscher mehrfach bereits vor ihrer Romfahrt in die böhmischen Verhältnisse eingegriffen hätten. 153 Jedoch die Quellenstellen, die zu diesem Behuf zitiert werden, sind von zweifelhaftem Wert. Nachdem das Kaisertum auf die Deutschen übergegangen war, konnte der König unter Umständen die kaiserlichen Rechte auch schon vor der Krönung durch den Papst wahrnehmen. Daher ist den Rechtsentscheidungen, die er seit 962 in böhmischen Angelegenheiten traf, auch wenn er die römische Weihe noch nicht empfangen hatte, für unsere Frage kaum etwas Sicheres zu entnehmen. Ins Gewicht fällt dagegen, daß die deutsche Oberhoheit nicht erst 962 oder später begründet worden ist, sondern daß bereits Heinrich I. sich 929 das Land botmäßig gemacht hat; und selbst wenn man dies wegen der anschließenden 14jährigen Rebellion Boleslavs I. nicht gelten lassen will, so hat doch Otto der Große schon 950 den Erfolg seines Vaters wiederholen können. Die beiden entscheidenden Siege fallen also in eine Zeit, da von einem wie auch immer gearteten Zusammenschluß von Regnum und Imperium gar nicht die Rede war. 154 Gewiß haben sich auch danach die Böhmen gelegentlich gegen den König aufgelehnt (kaum anders übrigens, als der deutsche Adel das getan hat), aber wir hören niemals davon, daß etwa nach einer erneuten Unterwerfung 152
Vgl. E. E. S t e n g e 1, Regnum und Imperium. Engeres und weiteres Staatsgebiet im
alten Reich (1930)
=
ders., Abhandlungen
(wie Anm.
120), S. 171—205. P r i n z ,
in:
Zs. f. bayer. L G 28, S. 104 f., glaubt zu Unrecht, bereits im 10. Jahrhundert seien Regnum und Imperium so stark ineinander übergegangen,
daß die Zuweisung Böhmens an eine
dieser beiden Größen allein zu formalistisch sei. Wenn ein Schriftsteller wie Widukind von Corvey das Regnum damals imperial erhöhen wollte, so haben derartige Vorstellungen die Verfassungswirklichkeit zunächst nicht verändert und den Unterschied zwischen den beiden Bereichen in rechtlicher Hinsicht durchaus noch nicht verwischt. 163
W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 33 ff.
154
Ebd., S. 33, 2 3 1 — 2 3 4 ; oben S. 20 f.
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das Herzogtum ausdrücklich dem Imperium und nicht dem Regnum zugeordnet worden wäre. Selbst die Einführung der Lehensbindung scheint daran nichts geändert zu haben. Wer trotzdem seine Bedenken nicht aufgeben mag, sei an das Wormser Konkordat von 1122 erinnert. Nach dem Wortlaut des Calixtinum sollte der Bischof im regnum Teutonicum die Regalien v o r der Weihe, in den „anderen Teilen des Imperiums" d a n a c h erhalten. 1 5 5 Nun folgte Böhmen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, als der Landesherr sich stärker einschaltete, eindeutig der deutschen, nicht aber der italienischen und burgundischen Praxis: Die Bischöfe von Prag und Olmütz empfingen zuerst die Investitur vom König, dann vom Metropoliten die Weihe. Damit ist bewiesen, daß das Land 1122 nicht zu den aliae partes imperii, sondern direkt zum regnum Teutonicum gerechnet wurde. 1 5 6 Nichts anderes dürfte die Teilnahme des Herzogs von Böhmen an der deutschen Königswahl besagen. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob seine Mitwirkung seit 1169, 1198 oder seit 1211/12 datiert. 1 5 7 Audi im 13. Jahrhundert verfügten die Kurfürsten in erster Linie über die Königskrone, und nur indirekt bestimmten sie zugleich den künftigen Kaiser. Die kanonistische Lehre von der Translatio imperii fußte zu Recht auf dem Unterschied zwischen Regnum und Imperium. In ihrem Hintergrund stand die Drohung — und die Päpste haben diese Konsequenz des öfteren ausgesprochen — , daß das kaiserliche Amt von den Deutschen wieder auf ein anderes Volk übertragen werden könnte, sofern sie sich nicht gefügig zeigten und der päpstlichen Weisung zuwiderhandelten. 158 Den Kurfürsten wäre dadurch die Wahl nicht streitig gemacht; aber sie wäre auf das reduziert worden, was sie ursprünglich allein gewesen war: eine deutsche Königswahl. Die falsche oder zum mindesten fragwürdige Herleitung der päpstlichen Theorie aus gewissen historischen Vorgängen braucht hier nicht erwogen zu werden. 155
A. H o f m e i s t e r ,
Das Wormser
Konkordat.
Zum Streit
um seine Bedeutung,
Hrsg. Roderich Schmidt, 1962, S. 8 4 ; vgl. zum Folgenden A. H u b e r , Beiträge zur älteren Geschichte Österreichs, in: M I Ö G 2 (1881), S. 3 8 6 — 3 8 8 ; auch Gerlach von Milevsko ad a. 1182, MG SS 17, S. 6 9 2 ; dazu N o v o t n y , 156
Ceske dSjiny I 2, S. 1063.
Audi in den Verträgen von Anagni und Venedig aus den Jahren 1176 und
wird zwischen Klerikern aus dem regnum Gebieten 17, 2 0 ;
unter
kaiserlicher
Herrschaft
Teutonicum unterschieden:
1177
und solchen aus Italien und anderen MG
Const. 1,
S. 351 f.
N r . 249 c.
Const. 1, S. 363 f. N r . 260 c. 17, 20. Man möchte annehmen, daß Böhmen
hier zum deutschen Königreich gezählt wird, doch sind die direkten Konsequenzen
auch der
Verträge an Hand des böhmischen Materials anscheinend nicht darzutun. i s t Ygj
oben S. 39 f.; zum Folgenden M i t t e i s ,
119 ff. 158
W.Goez,
Translatio Imperii, 1958, S. 157 ff.
Die deutsche Königswahl, S. 113 ff.,
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
45
Ihr riditiger Kern liegt darin, daß der Kaiser seit dem 9. Jahrhundert seine Würde nicht in Deutschland, sondern in Rom (und zwar durch Vermittlung des Papstes) erlangte. Die deutsche Seite hat diesen unliebsamen Tatbestand nicht gerne anerkannt. Ziemlich früh setzten die Versuche ein, der Königswahl eine höhere Bedeutung zu geben, als ihr anfänglich zugekommen war. Schon im 11. Jahrhundert tauchte der Verlegenheitstitel rex Romanorum auf, mit dem man besonders seit Heinrich V. den Anspruch des rex auf das Imperium umschrieb.159 1199 behauptete die staufische Partei sogar, ihrem Kandidaten Philipp von Schwaben die imperatura Romani solii verliehen zu haben. 160 Der einzigartige, tastende Ausdruck deutete an, daß man mehr als die Königsherrschaft im Sinn hatte, ohne aber den letzten Schritt zu wagen und glattweg über die Kaiserwürde zu verfügen. Das Mißliche solcher Halbheiten kam hervor, sobald man nach einer Begründung suchte. 1237 bezeichneten sich die Wähler Konrads IV. zwar überschwenglich als Nachfolger des römischen Senats und erklärten kühn, die imperialis creatio sei von der Urbs auf die principes Germaniae übergegangen; jedoch wußten sie über diese Macht- und Rechtsverlagerung nach Norden nichts Genaueres anzugeben, als daß sie quadam girovaga peregrinatione geschehen sei. 161 Hätte man klarere Auskunft verlangt, so wäre kaum etwas anderes als die päpstliche Translatio imperii übrig geblieben, die man gewiß umgehen wollte. Oder man hätte sich auf den Sieg der Waffen berufen müssen, was ebenfalls bedenklich gewesen wäre. 162 Friedrich II. schließlich leitete sein Kaisertum des öftern über die Lex regia vom römischen Volk ab. 163 Die Formulierungen bleiben allerdings vage genug. Den „Quiriten" seiner eigenen Zeit wollte der Herrscher gewiß keine echte Wahlbefugnis zugestehen; und wie etwa das Vermächtnis der Lex regia nach Deutschland gekommen sein sollte, wird nicht erläutert. Man erkennt an diesen unscharfen oder sogar widersprüchlichen Ansichten, wie wenig Sicherheit in ihnen steckte. Aber selbst die staufischen Parteikundgebungen von 1199 und 1237, die den rex mit dem imperator zu identifizieren 1 5 9 R. B u c h n e r , Der Titel rex Romanorum in deutschen Königsurkunden des 11. Jahrhunderts, in: D A 19, 1963, S. 327—338. 1 6 0 F. K e m p f , S. 35 N r . 14.
Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperii, 1947,
161 MG Const.2, S. 439 ff. Nr. 329; vgl. E . K a n t o r o w i c z , Zweite 1, 1928, S. 396 f.; Erg. bd. (1931), S. 175. 102
Kaiser
Friedrich
der
Vgl. S t e n g e l , Abhandlungen (wie Anm. 120), S. 1—169, bes. 36 ff., 92 ff., 150 ff.
E . D u p r e T h e s e i d e r , L'idea imperiale di Roma nella tradizione del medio evo, Milano s . d . , S . 51, 173; E. H . K a n t o r o w i c z , The King's T w o Bodies, 1957, S. 102 ff. 1C3
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trachteten, zeugen noch für unsere These: Denn auch sie geben zu, daß die Wahl des König-Kaisers nicht allgemein den Großen des Imperiums, sondern lediglich den principes Germaniae gebührt. Gerade darin lag ja die Unklarheit des Wiener Manifests von 1237, daß es nicht einsichtig machen konnte, auf welche Weise eigentlich das Recht der Stadtrömer nach Deutschland gelangt sei und damit in die Hände eines national beschränkten Wählergremiums, welches zu dem Ausgangs- und Mittelpunkt der imperialen Macht in keiner ursprünglichen Beziehung stand. Fragt man nun nach dem Rechtsbuch der Zeit, dem Sachsenspiegel Eikes von Repgow, so findet man zwar eine gewisse Verschränkung von Königs- und Kaiserwahl; doch zugleich zeigt sich, daß es die D e u t s c h e n sind, die den Herrscher sich setzen, und daß dieser Herrscher zunächst und vordringlich König und erst in zweiter Linie Kaiser ist (oder sein soll). 164 Seit mehr als 2V 2 Jahrhunderten waren damals Regnum und Imperium miteinander verbunden. Es soll nicht bestritten werden, daß man darin eine altehrwürdige und somit rechtstiftende Tradition erblicken konnte. Insofern entbehrte der Anspruch, den die staufischen Staatsschreiben erhoben, nicht eines tieferen Sinnes, selbst wenn seine historische Begründung, wie gesagt, etwas dürftig ausfiel. Der Rede vom rex Romanorum, vom Imperator electus usw. entsprach ein Stück Verfassungswirklichkeit, das nur den Mangel hatte, nicht hieb- und stichfest formuliert zu sein, und daher zu unsicheren Ausdeutungen Anlaß bot. Nach dem Recht der Gewohnheit mochte die deutsche Kur zugleich verbindlich dem Kaiser gelten. Dagegen betrachteten die feiner gebildeten Kanonisten den Gewählten lediglich als einen Kandidaten, der vom Papst erst noch geprüft werden mußte. Der einzige feste Punkt in diesem Streit der Meinungen war die deutsche Königswahl, während das Kaisertum bloß als sekundäre Konsequenz auf die eine oder die andere Weise damit verknüpft wurde. Die Fürsten wählten daher ihren Herrscher als Angehörige des regnum Theutonicorum, und der Herzog bzw. König von Böhmen war einer von ihnen. Sachsenspiegel, Landrecht III, 52: De dudeschen scolen dorch recht den konirtg kesen etc., ed. K. A. E c k h a r d t , Das Landrecht des Sachsenspiegels, 1955, S. 124, Abs. 154. Eike hatte ja auch nur deshalb, weil die Wähler deutsch sein mußten, einen (scheinbaren) Grund, den Böhmen von der Wahl auszuschließen. Dabei ging er freilich von einem veralteten Nationalitätenbewußtsein aus, welches durch die Einbeziehung des böhmischen Herzogs in den Reichsfürstenstand überholt war. Gegen die Auffassung, daß Eikes Ausschluß des Böhmen von der Wahl doch irgendwie das geltende Recht widergespiegelt habe, wendet sich M i 11 e i s , Königswahl, S. 174 Anm. 564, der im wesentlichen wohl das Richtige getroffen haben dürfte. K. G. H u g e l m a n n , Stämme, Nation und Nationalstaat im deutschen Mittelalter, 1955, S. 450 ff., bietet demgegenüber kaum einen Fortschritt. 164
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
8. Der reale Inhalt der deutsch-böhmischen
47
Beziehungen
Tributärverhältnis, Vasallität, Reichsfürstenstandschaft, Teilhabe am deutschen Königreich — was ist mit diesen Rechtsfeststellungen gewonnen? Die Statusveränderungen scheinen zunächst eine immer festere Eingliederung Böhmens in das Reich anzudeuten. Wer den Blick aufs spätere Mittelalter gerichtet hält, wird allerdings ihre praktische Bedeutung nicht allzu hoch einschätzen. Die Reichspolitik wurde damals mehr und mehr zu einem Schattenboxen; das staatliche Leben zog sich in die Territorien zurück, welche ihre eigenen Wege gingen; und so brauchte auch der König von Böhmen keine kaiserlichen Eingriffe oder Forderungen zu fürchten, solange er sich innerhalb seiner Grenzen hielt. Als Kurfürst hatte er mehr Rechte denn Pflichten und konnte in die deutschen Verhältnisse hineinreden. Er blieb dabei Herr im eigenen Haus. Und als schließlich die Hussiten im Lande regierten, wurde die jahrhundertealte Gemeinschaft zwischen Deutschland und Böhmen sogar in Frage gestellt. Wer weiß, ob sich Böhmen nicht völlig vom Reich getrennt hätte, wäre es nicht zu Beginn der Neuzeit durch dynastischen Zufall in die Hände der Habsburger geraten? So gibt die Geschichte scheinbar denen recht, die den realen politischen Gehalt der deutsch-böhmischen Beziehungen durchweg gering veranschlagt und den formalen Bindungen eine tiefer wirkende Kraft abgesprochen haben. Trifft diese Auffassung aber auch auf das hohe Mittelalter zu, auf die Kaiserzeit par excellence? Gewiß konnte Böhmen kaum jemals wie ein deutsches Stammesherzogtum behandelt werden. Reichsgut war hier nicht vorhanden. Weder auf dem Umritt nach der Krönung noch auf seinen Routinereisen kam der deutsche König ins Land. Und dennoch war seine Herrschaft kein bloßer Schemen. Des öfteren hat sein Wille bei der Herzogseinsetzung den Ausschlag gegeben. Dazu kam es vor allem deshalb, weil die Rechtssituation kompliziert und nicht immer eindeutig war. Wie in anderen Staaten des Mittelalters standen auch in Böhmen Wahl und Erbfolge lange Zeit in mehr oder weniger verhülltem Widerspruch nebeneinander. Wäre von Anfang an die Primogenitur maßgebend gewesen, so hätte der Konsens der Großen wohl bald seine Bedeutung verloren. Statt dessen galt bis zum Ende des 12. Jahrhunderts das Senioratsprinzip, wonach jeweils der Familienälteste die Thronfolge antreten sollte. Nur war auch dieser Grundsatz nicht unangefochten. Denn der Vater versuchte wiederholt, dem Sohn die Herrschaft zu sichern, selbst wenn ein älterer (und somit besser berechtigter) Verwandter vorhanden war. Auf diese Weise wurde die Designation durch den Vorgänger ein rechtserhebliches Moment. Da aber der Adel gerade in solchen Fällen seine Zustimmung geben
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mußte, wuchs wiederum sein Einfluß. Infolgedessen gab es für die Erhebung eines Herzogs keine glatte Regel, sondern verschiedene Kräfte und verschiedene Anschauungen rangen hier miteinander, so daß in der Unsicherheit viel von den jeweiligen Machtverhältnissen abhing. Dem deutsdien König kamen dabei zunächst keinerlei Befugnisse zu. Jedoch war die Lage insofern recht eigentümlich, als im übrigen Abendland die Nachfolge im Lehen im allgemeinen entweder kraft freier Verfügung des Herrn oder nach Vasallenerbrecht geregelt war. Daß dagegen die Aftervasallen oder die Untertanen den neuen Inhaber des beneficium wählten, war dem Lehenrecht ursprünglich fremd gewesen. Trotzdem stand Böhmen, wo, wie gesagt, in der Thronfolge ein Element der Wahl enthalten war, im mittelalterlichen Europa nicht völlig vereinzelt da. So haben die Flamen in der „Revolution" von 1127/8 sich einen Grafen gesetzt, ohne den Willen des Königs von Frankreich zu achten, der als Lehensherr eigentlich befugt gewesen wäre, das heimgefallene Fürstentum nach Gutdünken zu vergeben. 165 Freilich ist dies in der Geschichte von Flandern ein Sonderfall geblieben. Doch etwas später hat Friedrich Barbarossa die vom Volk gewählten Konsuln der italienischen Kommunen ganz normal mit den Regalien belehnt. 166 Und vielleicht wird man in denjenigen Reichen, die in Lehensabhängigkeit von anderen (oder auch vom Papst) geraten waren, die Sukzession ebenfalls zumindest teilweise auf Wahl gegründet finden. Auch Böhmen war zunächst weder ein Stück vom Reichsgut noch ein öffentliches Reichsamt gewesen, das im Lauf der Zeit vom deutschen König verlehnt worden wäre (denn auf diesem Weg waren ja die Vasallen üblicherweise in Deutschland zu ihren Benefizien gekommen). Sondern es war ein unabhängiges oder fast unabhängiges Land gewesen, hatte dann aber, wie man in moderner Formulierung sagen könnte, sein außenpolitisches Verhältnis zum Reich langsam in ein innerpolitisches umgewandelt, und zwar vermittels des Lehenrechts. Von ihrer anomalen Entstehung her hafteten der neuen vasallitischen Beziehung mancherlei Schlacken an, und so entsprach auch die Nachfolge im beneficium nicht dem klassischen Modell. Seitdem der deutsche König Lehensherr des böhmischen Herzogs geworden war, 1 6 7 durfte er sich für berechtigt halten, über die ordnungsgemäße Beset165 Vgl. H. H o f f m a n n , Die Krone im hochmittelalterlichen Staatsdenken, in: Festsdir. f. H. Keller, 1963, S. 78 f. mit Anm. 59. 1 6 8 J. F i c k e r , Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 1, Neudr. 1961, S. 237 f. § 124; vgl. M i 1 1 e i s , Lehnrecht und Staatsgewalt, S. 406 f.; I. O 1 1 , Der Regalienbegriff im 12. Jahrhundert, in: ZRG kan. Abt. 35 (1948), S. 278 ff. — Es wäre auch an die kirchlichen Verhältnisse zu denken, insofern das Bischofsamt bzw. das Bistumsgut im 12. Jahrhundert vom König nach Lehnrecht vergeben wurde, obwohl der Bischof theoretisch zuvor aus einer Wahl hervorgegangen war. 187
Siehe oben S. 29 ff.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
49
zung des Prager Throns zu wachen. Von diesem Aufsichtsrecht bis zur direkten Ernennung des Herzogs war es nur ein kleiner Schritt, sobald sich nämlich mehrere Kandidaten gegenüberstanden und der deutsche Herrscher stark genug war, seiner Stimme Gehör zu verschaffen. Es wäre formalistisch-modern gedacht, wollte man in solchen Eingriffen des Königs die reine Willkür und eine Mißachtung der Privilegien des Landesadels sehen. Das hieße der Wahl eine Bedeutung geben, die sie im früheren Mittelalter nicht besaß. Am Begriff der kanonischen Wahl haben wir gelernt, daß eine Mehrheitsentscheidung damals nicht unbedingt bindend war und daß ein höhergestellter Herr sie — etwa unter Berufung auf die sanior pars — umstoßen konnte. 168 Was in der Kirche geschah, dürfte im staatlichen Leben kaum anders gehandhabt worden sein. Gewöhnlich stützte sich wohl ein jeder der böhmischen Prätendenten auf eine gewisse Anhängerschaft im Lande; und hatte erst einmal der deutsche König einem von ihnen zum Einzug in Prag verholfen, so wird es nicht schwergefallen sein, dort den Beifall der Menge zu organisieren und dadurch dem Erfordernis einer Wahl zu genügen. So verstärkte die Verschwommenheit des Wahlrechts den Einfluß des deutschen Herrschers. Erst im 12. Jahrhundert begegnen wir einer Theorie, welche das Verfahren der Herzogseinsetzung genauer festlegen und dadurch den Anteil des deutschen Königs beschneiden wollte. Sie ist enthalten in dem vielbehandelten Protest der Chronik von Sazava gegen die Intervention Lothars von Süpplingenburg. Dieser hatte 1126 Otto von Mähren im Streit um den Prager Thron unterstützt, war aber bei Chlumec von Sobeslav I. entscheidend geschlagen worden. Otto selbst war in der Schlacht gefallen, und Lothar hatte sich dazu verstehen müssen, den Sieger mit dem Herzogtum zu belehnen. Die Verhandlungen, die 1126 zwischen dem König und Sobeslav stattgefunden hatten, werden uns von dem Chronisten als eine Auseinandersetzung über das böhmische Sukzessionsrecht dargestellt. Lothar soll behauptet haben: Boemiae ducatus ... in potestate Romani imperatoris ab initio constitit.. . nec fas fuit unquam electionem aut promotionem cuiusquam ducis in terra illa fieri, nisi quam imperialis maiestas suae auctoritatis gratia initiaret, consummaret et confirmaret. Demgegenüber vertrat der böhmische Herzog den Standpunkt: Electio ducis Boemiae nunquam in imperatoris, semper autem in Boemiae principum constitit arbitrio, in tua vero potestate electionis sola confirmatio}69 Nach der einen Meinung bestimmte also der „Kaiser" einseitig den 168 P. S c h m i d , Der Begriff der kanonischen Wahl in den Anfängen des Investiturstreits, 1926. 160
Monachus Sazavensis, MG SS 9, S. 155 f., vgl. oben S. 35. Angeblich sollen sich in dem Bericht erst die Verhältnisse der Barbarossazeit spiegeln: so zuletzt W e g e n e r , Böhmen/ Mähren, S. 72 ff.; d e r s., in: Festschr. Hugelmann 2, S. 787—813. Aber die unausgeglichene 4
50
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Herzog; nach der anderen wählten ihn die Großen, und die deutsche Bestätigung sank zu einer ziemlich leeren Formalität herab. Daß diese oder auch nur ähnliche Worte 1126 tatsächlich gewechselt worden sind, ist wenig wahrscheinlich. Es handelt sich dabei vielmehr um den ersten abstrakten Versuch eines Literaten, der nachträglich Ordnung in unklare Verhältnisse zu bringen wünschte. Dabei wurden zwei Positionen (nämlich Einsetzung des Herzogs durch den Kaiser und Wahl des Herzogs durch den Landesadel) scharf einander entgegengesetzt, während sie bisher durchaus nicht als unversöhnlich gegolten hatten; und die Erblichkeit nach dem Senioratsprinzip, die ja ebenfalls hätte berücksichtigt werden müssen, fiel dabei überhaupt unter den Tisch. Der Wunsch war hier der Vater des Gedankens. Die böhmische Freiheit sollte aufgewiesen werden, aber eben dadurch entfernte sich die Theorie von der politischen Praxis. Man braucht sich bloß auszumalen, was geschehen wäre, wenn Otto von Mähren am Leben geblieben und mit Lothar nach Prag gezogen wäre: Gewiß hätte sich dann in Volk und Adel eine Partei gefunden, die für Otto eingetreten wäre, und dieser hätte mit vollem Recht die Regierung ergriffen. Dem Erfordernis der electio, von dem der Anonymus spricht, wäre Genüge geschehen — allerdings in der damals üblichen Weise, daß nämlich der aus anderen Gründen siegreiche Kandidat in nachträglicher Akklamation gefeiert worden wäre. In jener Zeit war der Wahlbegriff noch unvollkommen, und ebensowenig waren die anderen Anschauungen, nach denen sich die Thronfolge regelte, klar voneinander abgegrenzt und bestimmt. Das lag zum Teil, wie gesagt, an der geringen Entwicklung der Verfassungsinstitutionen, welche überhaupt das frühere Mittelalter kennzeichnet. Dazu kam im böhmischen Fall die eigenartige Sonderstellung eines staatlichen Gebildes, welches weder wie die elbslawischen Stämme eindeutig in das größere Ganze des Deutschen Reiches aufging noch sich im wesentlichen die Unabhängigkeit bewahren konnte, wie das etwa Polen oder Ungarn gelang, die trotz zeitweiliger Anerkennung der deutschen Oberhoheit viel selbständiger geblieben sind. Gerade die allmähliche Wandlung von der Tributpflichtigkeit bis hin zum Reichsfürstentum zeigt ja, wie sich Böhmens Verhältnis zum Deutschen Reich in einem langsamen, mehrere Jahrhunderte währenden Prozeß stark verändert hat, und dies dürfte der Verfestigung von Rechtsnormen zunächst kaum günstig gewesen sein. 170 So konnten die deutschen Könige von Heinrich II. bis zu Heinrich V I . infolge Vielschichtigkeit des böhmischen Thronfolgerechts, zumal seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts, wird dabei verkannt, — ganz abgesehen davon, daß Barbarossa im Grunde nicht anders handelte als schon Heinrich II. Über Datierung und Einheitlichkeit des Geschichtsschreibers von Sazava läßt sich jedenfalls mit Argumenten, wie sie Wegener vorbringt, nichts ausmachen. 170
Vgl. dazu, was unten S. 52 ff. über die kirchlichen Verhältnisse zu sagen ist.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
51
einer unklaren Situation des öfteren den Herzog, der in Prag regieren sollte, bestimmen und damit dem Lehenrecht neben den anderen Auffassungen, die auf die böhmische Sukzession einwirkten, Geltung verschaffen. Die materiellen Vorteile, die den deutschen Herrschern aus ihrer Oberhoheit über Böhmen erwuchsen, waren verschiedener Art. Zunächst ist da der Tribut zu nennen. 171 Wie regelmäßig er gezahlt wurde, ist unbekannt. Aber man kann immerhin vermuten, daß im Lauf von mehr als einem Jahrhundert, nämlich in der Zeit von Heinrich I. bis zu Heinrich III., beträchtliche Summen nach Deutschland gekommen sind. Besser überschauen wir die Waffenleistungen, welche der Herzog für das Reich erbracht hat. Arnold Köster hat sie zusammengestellt, und aus seinen Forschungen ergibt sich, daß böhmische Truppen erstaunlich häufig im deutschen Heer mitgekämpft haben.172 Leider wissen wir im allgemeinen nicht, auf welche Verpflichtungen oder Abmachungen sich diese militärische Hilfe gründete. Cosmas von Prag berichtet zwar, daß 1111 eine „Legion von 300 Schilden" iuxta statutum regum antiquorum Heinrich V. nach Rom begleitete,173 und man würde in dem „Statut" gerne eine lehenrechtliche Regelung sehen, die den böhmischen Vasallen ebenso wie die deutschen Reichsfürsten zur Teilnahme an der Krönungsfahrt über Berg verpflichtete.174 Doch eine Beteiligung gerade an diesem Unternehmen ist vor Heinrich IV. überhaupt nicht und auch später nicht immer bezeugt.175 Da der Herr seinen Vasallen durchaus nicht beliebig aufbieten konnte, ist die Rechtsgrundlage oder auch nur der Anlaß der sonstigen böhmischen Hilfsdienste im einzelnen kaum zu klären. Teilweise — wie etwa in den Kriegen gegen Polen und Ungarn — deckten sich die deutschen und die böhmischen Interessen in der Außenpolitik, so daß der Herzog schon von sich aus nicht gesäumt haben wird, sein Kontingent dem Kaiser zur Verfügung zu stellen. In anderen Fällen mochten Belohnungen winken: etwa die Königskrone, ein zusätzliches Lehen im Reich oder bloß Geld. Obwohl wir also nicht einwandfrei auseinanderrechnen können, wie oft die Böhmen in den deutschen Kriegen lediglich ihre Schuldigkeit getan haben und wie oft sie andererseits aus freien Stücken mitgezogen sind, stellt ihre häufige Mitwirkung in sich 171
Siehe oben S. 22 ff.
172
K ö s t e r (wie Anm. 73), S. 118—162, 200 f.; wenig Neues dazu bei W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 113—135. 173
Cosmas, Chron. III, 38, ed. B r e t h o 1 z , S. 210, dazu ebd., Anm. 2.
174
M i 11 e i s , Lehnrecht und Staatsgewalt, S. 597 ff., 613 f.
175 Von der Teilnahme des Bischofs Severus von Prag am „Romzug" Heinrichs III. sollte man nicht sprechen (wie W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 129, 131 das tut). Severus ist allein auf der Synode von Pavia (MG Const. 1, S. 94 Nr. 48) nachzuweisen und dort vielleicht nur mit kirchlichen Anlegenheiten befaßt gewesen.
4*
52
HARTMUT
HOFFMANN
bereits ein bedeutsames Faktum dar. Keine ausländische Macht hätte sich in gleichem Ausmaß zu so beträchtlicher und stetiger Kriegshilfe verstanden. Auch Polen, Ungarn und Dänemark, die wenigstens formal die Lehensoberhoheit des Deutschen Reiches zeitweilig anerkannten, haben das nicht getan. Daraus kann man ersehen, wie eng dagegen die deutsche Verbindung mit Böhmen gewesen und warum es schließlich Reichsfürstentum geworden ist. Die Vasallität seines Herzogs war eben mehr als eine wenig besagende diplomatische Geste oder als ein bloßes Lippenbekenntnis, das den Deutschen schmeicheln sollte. Schließlich war der deutsche Einfluß im kirchlichen Bereich zu spüren. Wenn wir von der Tätigkeit der „Brüder aus Saloniki" in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts absehen, die ja nur in sehr beschränktem Umfang einen bleibenden Erfolg erzielen konnten, so ging die Christianisierung des Landes zunächst von Bayern und besonders von Regensburg aus. 176 Als dann um das Jahr 975 das Bistum Prag errichtet wurde und Böhmen aus dem Salzburger in den Mainzer Metropolitanverband überwechselte, waren an diesem Beschluß nicht nur Boleslav II., sondern mindestens ebensosehr die deutsche Kirche und Kaiser Otto II. beteiligt. 177 Unter diesen Umständen wird es dem deutschen Herrscher ein Leichtes gewesen sein, das Recht der Investitur sich vorzubehalten. D a es zunächst anscheinend an geeigneten Slaven mangelte, kamen die ersten Prager Bischöfe zumeist aus dem Reich, so daß in diesen Fällen auch die Auswahl der Person gewiß weitgehend von deutscher Seite getroffen wurde. Seit 1030, als Bischof Severus den Prager Stuhl erhielt, ernannte allerdings der böhmische Herzog für gewöhnlich die Bischöfe selber, und dem deutschen König blieb danach nichts als die Investitur. Gemessen an den Verhältnissen im engeren Reichsgebiet, wo er die Kandidaten im allgemeinen nominieren konnte, mutet das wie eine Halbheit oder wie ein Kompromiß an. Die Kirchenpolitik spiegelte freilich bloß die Besonderheit der 176
Siehe oben S. 10, 16; E. H e r r m a n n , Zur frühmittelalterlichen Regensburger Mission
in Böhmen, in: Verhandl. des Histor. Ver. f. Oberpfalz und Regensburg 101 (1960/1), S. 175 bis 187; F. Z a g i b a ,
Regensburg und die Slaven im frühen Mittelalter, ebd. 104 (1964),
S. 2 2 3 — 2 3 3 . 177
Zum Folgenden F. H r u b y , Cirkevni zrizeni v Cediach a na M o r a v i od X . do konce
X I I I . stoleti a jeho pomer ke statu, in: Cesky ¿asopis historidcy 22 (1916), S. 4 0 1 — 4 2 1 , der allerdings wohl irrt (bes. S. 410 f.), wenn er die Stellung der böhmischen Bistümer gegenüber dem Deutschen Reich von Anfang an auf dem Lehnrecht begründet sehen mödite; Z. F i a l a , Die Organisation der Kirche im Pfemyslidenstaat des 10.—13. Jahrhunderts, in: Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit, hrsg. F. Graus/H. Ludat, 1967, S. 133 ff.; neuere, freilidi nur deutsche Literatur zur Gründung des Bistums Prag bei H . B ü 11 n e r , Erzbischof Willigis von Mainz und das Papsttum bei der Bistumserrichtung in Böhmen und Mähren im 10. Jahrhundert, in: Rhein. Vjbll. 30 (1965), S. 1 — 1 0 ; F i a 1 a , in: Sbornik historicky 9, S. 6 ff.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
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staatlichen Verhältnisse wider. Während sonst im Osten und Norden entweder eigene Landeskirchen entstanden (so in Polen, Ungarn und Dänemark) oder (wie bei den Elb- und Ostseeslawen) die Bistümer den übrigen deutschen gleichgestellt wurden, ging Böhmen einen mittleren Weg: erst 1344, unter den gänzlich veränderten Bedingungen des Spätmittelalters, die hier nicht zur Diskussion stehen, gewann es in dieser Hinsicht seine Selbständigkeit. Dagegen gehörten Prag und Olmütz bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts nicht nur zur Mainzer Provinz, sondern auch zu dem politischen Verband der Reichskirche, insofern die Bischöfe vom deutschen König investiert wurden und ihm in einem gewissen Ausmaß Dienst und Gehorsam schuldeten. Fragt man nach dem Grund der Abhängigkeit, so würde man zuerst an das Eigenkirchenrecht denken wollen, aus welchem die Herrschaft des Königs über die Kirche üblicherweise abgeleitet wird. 1 7 8 Aber die Bistümer Prag und Olmütz waren gar nicht auf Reichsgut gestiftet worden und konnten infolgedessen an sich nicht als Eigenkirchen vom deutschen Herrscher beansprucht werden; unter diesem Gesichtspunkt war vielmehr der böhmische Herzog zuständig, der sie dotiert hatte, ihnen staatlichen Schutz gewährte und ihre Oberhirten bestellte. Die Wurzel des Königrechts ist daher woanders zu suchen, nämlich in den staatskirchlichen Anschauungen, die bis in die Antike zurückgehen. Sehr klar sind sie ausgedrückt in jenem Brief, den 591 der katholische Episkopat aus Oberitalien an den byzantinischen Kaiser Mauricius schrieb: Dem Patriarchen von Aquileja drohten die nördlichen Teile seines Sprengeis verloren zu gehen, da dort die gallischen Bischöfe vordrängen —
et dissolvetur metropolitana Aquileiensis ecclesia sub vestro imperio constituta, per quam Deo propitio e c c l e s i as in gentibus possideti 5.179 Längst war dem Basileus die politische Gewalt in den Alpen entglitten, aber nach der Theorie „besaß" er die dortigen Kirchen noch immer. Die Aus- und Nachwirkungen der staatskirchlichen Auffassung im Mittelalter sind bekannt. In den östlichen und nördlichen Randzonen des Reichs rechtfertigten sie die Herrschaft des deutschen Königs über die Bistümer, die er gegründet hatte, — wobei es freilich eine Machtfrage war, ob er den anfänglichen Einfluß auf die Dauer behaupten konnte. Weder das abodritische 178
Grundlegend
Ficker,
hierfür,
obgleich Böhmen kaum berücksichtigend,
ist noch immer
Über das Eigenthum des Reichs am Reichskirchengute, SB Wien 72, 1872
J. (—
Separatdruck 1967), S. 55 ff., bes. 86 ff.; L. S a n t i f a l l e r ,
Zur Geschichte des ottonisch-
salischen Reichskirchensystems,
1964,
angaben. D. C l a u d e ,
2. Aufl.,
SB Wien
229,
1,
mit reichen
Literatur-
Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reich, in:
2RG
kan. Abt. 49 (1963), S. 1—75, scheint die spätantike Tradition zu unterschätzen. 179
Gregor der Große, Reg. I, 16 a, M G Epp. 1, 2 0 ; vgl. E. C a s p a r ,
Papsttums 2, 1933, S. 424 f.
Geschidite des
54
HARTMUT H O F F M A N N
Oldenburg noch die dänischen Diözesen wurden auf Reichsgut errichtet; und von Brandenburg und Havelberg ließe sich das höchstens behaupten, sofern man die sächsische Nordmark kurzerhand als erobertes Reichsland ansähe. Trotzdem haben die deutschen Herrscher auch hier die Einsetzung der Bischöfe beansprucht. Wenigstens könnte zugunsten dieser Meinung eine Bemerkung Adams von Bremen angeführt werden, wonach König Otto die Bistümer in Dänemark vergeben habe; und in den Ottonenurkunden wird ebenfalls ein Verfügungsrecht in jenen nördlichen Gebieten geltend gemacht. 180 D a ß schließlich im Abodritenland (um von Brandenburg und Havelberg ganz zu schweigen) die Bischöfe, die ohnehin aus dem Reich kamen, vom König investiert wurden, bezeugt Thietmar von Merseburg. 181 Der rechtliche Ausgangspunkt und bis zu einem gewissen Grade auch die faktische Ausgangssituation waren in Dänemark, im Elbe- und Ostseeraum und in Böhmen die gleichen: Der deutsche König „besaß" dort seine Kirchen in gentibus, er hatte sie gegründet und gab ihnen die Bischöfe. Aber spätestens im 11. Jahrhundert spaltete sich dann die Entwicklung. Dänemark war zwar bis 1104 ein Teil des Erzbistums Hamburg-Bremen, doch die direkten Eingriffe des deutschen Königs in die dänische Kirche hatten schon ein J a h r hundert früher aufgehört. Das entsprach der geringen Ausstrahlung der deutschen Politik nach Norden. Auch die Slawen zwischen Elbe und Oder leisteten der Unterjochung hartnäckigen Widerstand, und da sie die Religion ihrer Feinde ablehnten, mußte das Christentum schwere Einbußen hinnehmen. Auf die Dauer ist ihnen freilich gerade die Abwehr der westlichen Kultur zum Verhängnis geworden. Als die Deutschen im 12. Jahrhundert schließlich mit Ubermacht kamen, brauchten sie den Slawen um der Religion willen keinen Pardon zu geben. Das Land wurde germanisiert, die dortigen Bistümer gingen in der Reichskirche auf. Zwischen der dänischen Freiheit und dem Schicksal der polabisch-pobaltischen Stämme liegt die mittlere böhmische Lösung. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts war das Herzogtum fest mit dem Reich verbunden. Zugleich aber behielt es sein Eigengewicht, und dadurch konnten die Premysliden verhindern, daß ihre Kirche völlig eingedeutscht wurde. So erklärt sich die Anomalie, 1 8 0 Adam von Bremen, Gesta II, 3, ed. S c h m e i d l e r , S. 64: Servantur in Bremensi ecclesia precepta regis, quae signant Ottonem regem in sua ditione regnum Danicutn tenuisse, adeo ut etiam episcopatus ille donaverit; U h l i r z , Regesta imperii II, 3, S. 482 Nr. 1000; A. H a u c k , Kirchengeschichte Deutschlands 3, 3 - 4 1906, S. 100. 1 8 1 Chron. VI, 43, ed. H o 11 z m a n n , S. 328: [Reginbertus] Antiquae civitatis antistes a tercio Ottone ejfectus est. 1154 verlieh Friedrich Barbarossa die Investitur in den Bistümern Oldenburg, Mecklenburg und Ratzeburg an Heinrich den Löwen, nachdem dieser sie zuvor usurpiert hatte: MG Const. 1, S. 206 f. Nr. 147.
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
55
daß die Bischöfe von Prag und Olmütz ihre Wahl ihrem Landesherrn verdankten, die Investitur dagegen vom deutschen König empfingen. Wenn man es schematisch ausdrücken will, könnte man sagen: Dieser stützte sich auf die staatskirchlichen, jener auf die eigenkirchlichen Anschauungen. Es war eine Folge des Kompromisses, daß sich die deutsche Herrschaft über die böhmische Kirche zunächst viel weniger intensiv auswirkte als im Reich. Die Bischöfe von Prag und Olmütz tauchten selten in der curia regis auf; sie lieferten, soweit wir sehen, keine servitia dorthin und hatten dem Kaiser wohl auch keine Truppen zu stellen. Statt dessen genoß ihr Landesherr, der Herzog, all diese materiellen Vorteile. Man könnte daher meinen, daß die Investitur dem deutschen Herrscher, der sie ohnehin niemals verweigerte, recht geringen politischen Nutzen einbrachte. Aber genauerem Hinsehen hält diese Auffassung nicht stand. Obgleich die Bischöfe in erster Linie dem Herzog dienten und dieser mancherlei Druckmittel gegen sie zur Hand hatte, waren sie dem Anspruch des deutschen Königs nicht völlig entzogen.182 Auch fand die Gewalt des Herzogs daran ihre Grenze, daß er einen Bischof nie von sich aus absetzen konnte, weil es dazu der Zustimmung des deutschen Königs und des Mainzer Erzbischofs bedurft hätte. Schon aus diesem Grund war die böhmische Kirche keine abgekapselte Landeskirche, sondern dem deutschen Einfluß geöffnet. Als Heinrich III. 1041 gegen Bretislav I. marschierte, floh Bischof Severus von Prag ins Lager der Deutschen. Seine Amtsführung war nicht einwandfrei gewesen; sein Metropolit, Erzbischof Bardo von Mainz, hatte daher die Möglichkeit, ihm den Prozeß zu machen und mit Absetzung zu drohen; und in dieser Zwangslage entschied sich Severus für den stärkeren Herrn, d. h. für den deutschen König, wobei er vielleicht einen Teil des böhmischen Adels ebenfalls zum Abfall vom Herzog bewegen konnte.183 Aber es bedurfte durchaus nicht immer der Gewalt, um die Bischöfe gefügig zu machen. Eine energische und selbstbewußte Persönlichkeit wie Gebhard von Prag verschmähte es, sich seinem Bruder, dem Herzog und späteren König Vratislav, unterzuordnen, und zog statt dessen den Dienst am Hof Heinrichs IV. vor, wo er 7 Jahre das Amt des Kanzlers innehatte.184 Cosmas von Prag charakterisierte ihn mit den Worten: ille non 1 8 2 Zum Folgenden K ö s t e r (wie Anm. 73), S. 217—220. Über deutsche Geistliche in der böhmischen Kirche vor 1200 vgl. Sudetendeutsche Lebensbilder, Hrsg. E. Gierach, 1—3, 1926—1934. 1 8 3 Annales Altahenses maiores ad a. 1041, ed. v o n O e f e l e , S. 27: Igitur multi terrae principes una cum Pragensi episcopo caesarem adeunt, inscio duce se dedunt gratiamque obtinent; E. S t e i n d o r f f , Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich III., 1, Neudruck 1963, S. 108 f. 184
DH IV, Nr. 295—369.
56
HARTMUT
HOFFMANN
vult iussis suis [seil, regis Wratizlai] obtemperare, sed soli imperatori suum profitetur servicium, a quo aeeeperat episcopium.w5 Wie weit und seit wann die deutsche Regierung diese Auffassung teilte (daß nämlich die böhmischen Bischöfe dem „Kaiser" zum servicium verpflichtet seien), ist schwer zu sagen. Immerhin fällt auf, daß Heinrich V., als er 1110 nach Böhmen kam, um dort die Thronfolge zu regeln, alle Beteiligten nach Rokycany, einem Gutshof des Prager Bischofs, vorlud und sich somit vermutlich auf dessen Kosten verpflegen ließ. 186 Wenn dann im 12. Jahrhundert seit dem Wormser Konkordat die Investitur als Belehnung verstanden und in der Politik damit Ernst gemacht wurde, hätten die böhmischen Bischöfe eigentlich dieselben Aufgaben übernehmen müssen wie der deutsche Episkopat; und rein juristisch gesehen wurden sie dadurch ihrer Pflichten gegenüber dem Herzog ledig, mochte dieser sie auch nach altem, aber nicht scharf genug scheidenden Herkommen als seine „Kapelläne" betrachten. 187 Jedoch die Geschichte richtete sich nidit immer nach der Logik dieses Gedankens. Während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts machte Gebhards Beispiel unter seinen Nachfolgern noch keine Schule. Sie dienten weiterhin vornehmlich ihrem Herzog (und nicht dem „Kaiser"). Erst Friedrich Barbarossa, der an der lehenrechtlichen Ordnung der öffentlichen Angelegenheiten überhaupt sehr interessiert gewesen zu sein scheint, zog die Zügel straifer an. Er betraute Daniel von Prag wie nur je einen Reichsbischof mit zahllosen politischen Aufträgen. Von früheren Missionen abgesehen, war Daniel 1158 zusammen mit Vladislav II. zu dem deutschen Heer in Italien gestoßen. Als der böhmische König nach dem Sieg über Mailand die Heimreise antrat, ersuchte ihn der Kaiser, den Bischof noch einige Zeit in Italien zu lassen. Vladislav ging darauf ein, während Daniel selbst anscheinend nicht ganz einverstanden war, sich jedoch fügen mußte. 188 Barbarossa nutzte die Gelegenheit nach Kräften aus; er behielt den weltklugen Prager möglichst lange in seinem Dienst, und als dieser zwei Jahre später endlich in die Heimat zurückkehrte, hatte er einige Mühe, den Zorn des böhmischen Königs über sein langes Aus185
Chron. II, 41, ed. B r e t h o 1 z , S. 146.
188
Cosmas von Prag, Chron. III, 32, ed. B r e t h o 1 z , S. 202.
187
Gerlach von Milevsko, MG SS 17, S. 6 9 3 ; siehe unten S. 57 Anm. 191.
188
Vinzenz von Prag, Annales ad a. 1158, M G SS 17, S. 6 7 5 : Domno
episcopo
Imperator
secum in Italia remanendi
peritus et in curia imperatoris eius voluntatem.
aeeeptus
querit
licentiam;
et utilis. Quam quidem
Danieli
Pragensi
. .. erat enim Italicae
lingue
obtinet,
contra
verumtamen
Die Tübinger ms. Arbeit von P. H i 1 s c h , Daniel von Prag und das Reich,
1964, war über die Fernleihe nicht zu erhalten. W e g e n e r ,
Böhmen/Mähren, S. 129 f.,
möchte annehmen, daß Daniel I. von Prag d i r e k t vom Kaiser zur Heerfahrt aufgeboten worden sei; das läßt sich jedoch aus den (von ihm z. T. falsch zitierten) Quellen nicht beweisen.
B Ö H M E N U N D DAS D E U T S C H E R E I C H IM H O H E N M I T T E L A L T E R
57
bleiben zu beschwichtigen.189 Trotzdem ist er auch fernerhin für den Kaiser tätig gewesen. Seinen Nachfolger Friedrich gedachte Barbarossa 1174/5 in gleicher Weise in die Reichsgeschäfte einzuspannen; aber Herzog Sobeslav II. ließ den Bischof, der an sich willens war, dem Ruf zu folgen, nicht aus dem Land. 190 Es mag das einer der Anlässe gewesen sein, aus denen der Kaiser den gar zu selbständigen Herzog einige Jahre später absetzte. Bischof Friedrich von Prag starb bald danach. Sein Nachfolger amtierte zu kurz, als daß die Frage seiner Verwendung im Reichsdienst akut geworden wäre. Erst Heinrich Bretislav, der nächste Inhaber des Prager Stuhles, lenkte in die Bahnen Daniels oder mehr noch Gebhards zurück. Wie dieser war er ein Premyslide, herrschsüchtig und auf Mehrung seines Ansehens bedacht. 1187 setzte er es auf dem Hoftag zu Regensburg durch, daß er gleich den deutschen Bischöfen als Reichsfürst anerkannt und damit aus aller Abhängigkeit vom böhmischen Herzog befreit wurde. 191 Die damals ausgestellte Goldbulle hob also die Anomalie auf, die darin bestanden hatte, daß der vom Kaiser Investierte nicht nur diesem, sondern auch einem zweiten Herrn Untertan gewesen war, und stellte jetzt Prag den anderen Reichsbistümern gleich. Das Ergebnis entsprach der konsequenten Anwendung des Lehnsprinzips auf die kirchlichen Verhältnisse und war in der politischen Praxis seit langem durch die kaiserliche Beanspruchung der Bischöfe vorbereitet worden. Daß das nicht selbstverständlich war, zeigt indessen der ähnliche Fall von Olmütz. Auch hier nominierte der Landesherr und investierte der Kaiser. Auch hier hätte demnach eine Normalisierung der Rechtsverhältnisse wie in Prag nahegelegen. Aber die Beziehungen des Bistums Olmütz zum deutschen Hof waren weniger eng, und wie es scheint, hat es niemals den Rang eines Reichsfürstentums erlangt. 192 Um so 1 8 9 Vinzenz von Prag, Annales ad a. 1161, M G SS 17, S. 6 7 9 : [ r e x ] valde etenim eum [seil. Danielem] offensum habuerat, quin tamdiu contra voluntatem eius in servitio imperatoris fuerat. 190
G. F r i e d r i c h , Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae 1, 1904/7, S. 242 f.
Nr. 2 7 7 : Miramur
quare
F., Bragensem
tionem nostram nos adire non permiseris 191
episcopum,
consanguineum
Gerlach von Milevsko, MG SS 17, S. 6 9 3 : Pragensis
episcoporum
ab omni subiectione
tus vel obnoxius, investituram.
cuius imperii
Super
regale Privilegium,
ducis debeat esse liberrimus, est prineeps,
qua libertate
petivit
aurea bulla munitum;
nostrum,
secundum
peti-
etc. episcopus
more
Teutonicorum
soli tantum imperatori
subiec-
cuius visitat curias, a quo suseipit seeptrum
episcopus
et aeeepit
sacrum
pragmaticum,
et
hoc est
vgl. ebd., S. 7 0 8 ; oben S. 5 6 ; zu den Verhältnissen
der Barbarossazeit s. allgemein R. L. B e n s o n , The Bishop-Elect, 1968, S. 284 ff. 192
Die gegenteilige Ansicht ist des öfteren vertreten worden; siehe K. P o h l ,
Beiträge
zur Geschichte der Bischöfe von Olmütz im Mittelalter, phil. Diss. Breslau 1940, S. 94; W e g e n e r , Böhmen/Mähren, S. 221 f. Aus der Stellung des Bischofs von Olmütz unter den Zeugen in deutschen Königsurkunden von der Mitte des 12. Jahrhunderts kann man kaum etwas schließen, zumal da der ältere Reidisfürstenstand keine so exklusive Kaste war wie der
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stärker fällt der Erfolg Barbarossas in dem anderen Bistum ins Auge: er hat Prag ebenso in die Reichskirche eingeordnet, wie er das Herzogtum zu einem vollberechtigten Teil des Deutschen Reichs gemacht hat. Zu unserer Ausgangsfrage zurückkehrend können wir jetzt feststellen, daß die Leistungen der böhmischen Bischöfe für den König und Kaiser in dem betrachteten Zeitraum von mehr als zwei Jahrhunderten durchaus nicht unbedeutend gewesen sind. Und man darf eins vielleicht noch hinzufügen: Weder im Investiturstreit noch im alexandrinischen Schisma haben die böhmischen Bischöfe die Partei des Kaisers verlassen. Im 11. Jahrhundert ergab sich das nahezu von selbst. Eine so junge Kirche wie die böhmische, deren Entwicklungsstand sich an ihrer geringen Schriftkultur ablesen läßt, war gewiß noch nicht reif für die prinzipielle Auseinandersetzung zwischen Regnum und Sacerdotium. Der Herzog und der deutsche König waren gleichermaßen an der Herrschaft über die Geistlichkeit interessiert, und in dieser Situation konnten die Bischöfe sich höchstens entscheiden, welchem der beiden Herren sie den Vorzug geben wollten, nicht aber die Fahne des Aufruhrs gegen die weltliche Autorität aufpflanzen. Recht unangenehm hätte dagegen ein eigenmächtiges Verhalten des böhmischen Klerus im 12. Jahrhundert werden können. Es fehlte Alexander I I I . nicht an Anhängern in den Bistümern Prag und Olmütz. Aber die Bischöfe selbst hielten zu den Gegenpäpsten oder taten zumindest der kaiserlichen Kirchenpolitik keinen offenen Abbruch. 1 9 3 Gegenüber der Außenwelt konnte Barbarossa behaupten, daß das regnum Boemie auf seiner Seite stehe. 194 Es wäre für ihn ein empfindlicher Schlag gewesen, wenn (nicht nur Salzburg, sondern auch) Böhmen aus der Einheitsfront des deutschen Episkopats ausgebrochen wäre. Die Verbindung, in der die böhmische Kirche seit bald 200 Jahren zum Mainzer Erzbischof und zum Kaiser stand, hat sich hier noch einmal bewährt. Die rechtliche Abhängigkeit war auch in dieser Hinsicht keine leere Formalität. W a r nun das Deutsche Reich der alleinige Nutznießer des bestehenden Verhältnisses, oder kam Böhmen dabei ebenfalls auf seine Kosten? Mit Gewalt hatten Heinrich I. und sein Sohn sich das Land unterworfen, kaum legitimiert durch fragwürdige Ansprüche, die ihnen ihre karolingischen Vorgänger hinterlassen hatten, zumal da sie in diesem Fall nicht einmal vorgeben konnten, sie jüngere; anders F i c k e r , Vom Reichsfürstenstande 1, S. 271 f. § 2 0 1 ; S. 282 f. § 2 0 8 . Ist es nicht bezeichnend, wie Gerlach von Milevsko zu 1197 den Inhalt der privilegia angibt: investituram Pragensem
episcopum
Pragensis principem
et Olomucensis
episcoporum
fore testantur imperii
ad imperatorem
193
Novotny,
M G Const. 1, S. 274 N r . 196.
Ceske dejiny I 2, S. 921, 945 f.
sed et
(MG SS 17, S. 708)? Danach ist allein
der Prager Bischof, nicht aber der von Olmütz Reichsfürst gewesen! 194
imperialia
pertinere,
BÖHMEN UND DAS DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
59
brächten zugleich mit den Waffen das Heil des Glaubens (denn Böhmen war ja 929 bereits ein halbwegs christliches Land). Aber zumindest die Pflicht zur Verteidigung gegen den äußeren und unter Umständen auch gegen den inneren Feind haben die Ottonen mit der Eroberung übernommen. In der T a t sind deutsche Könige später gelegentlich in Böhmen eingerückt oder haben Truppen dorthin entsandt, um eine von außen kommende Gefahr abzuwehren oder um den Herzog gegen einheimische Widersacher zu unterstützen. 195 Gewiß handelten sie dabei auch im eigenen Interesse, weil des Reiches Schwäche offenkundig geworden wäre, wenn es nicht die böhmischen Grenzen gesichert oder in Prag einen Usurpator geduldet hätte. Doch um diesen Gesichtspunkt geht es hier nicht. Denn sonst könnte man umgekehrt die böhmische Hilfe für das Reich ebenso wenig als uneigennützig bezeichnen, da sie ja die Schutzmacht stärkte und damit wiederum dem Schutz des eigenen Herzogtums diente. Wollte man nämlich die Dinge so betrachten, dann liefe das am Ende bloß auf das Organismusgleichnis des Menenius Agrippa hinaus, welches die Gegensätze bekanntlich nicht aufhebt, sondern verdeckt. Die wahre Natur der deutsch-böhmischen Beziehungen begreift man dagegen erst dann, wenn man Leistung gegen Leistung abwägt; und danach sieht es so aus, als ob die Böhmen mehr gegeben als gewonnen haben. Die Unternehmungen der deutschen Könige zugunsten des böhmischen Herzogs sind ziemlich selten gewesen; und man könnte höchstens hinzufügen, daß diesem auch ganz allgemein das Prestige des Reiches zugute kam, insofern die östlichen Nachbarn dadurch von vornherein bewogen wurden, auf Angriffe zu verzichten. Doch bliebe das wiederum eine unsichere Vermutung. H a t also Böhmen so viel für das Reich und das Reich so wenig für Böhmen getan? Die scheinbar ungünstige Bilanz ließe sich damit erklären, daß den Unterlegenen gewöhnlich das härtere Schicksal trifft. Trotzdem will diese Antwort nicht recht befriedigen. Des öfteren, und besonders seit dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts, haben sich die böhmischen Herzöge nach Kräften für den Kaiser eingesetzt, selbst wenn dieser nicht die Mittel hatte, sich Gehorsam zu erzwingen. Offensichtlich schlössen sie sich den Deutschen an, weil sie sich einen Vorteil davon versprachen: die Königskrone, Rückendeckung für ihre polnische Politik, ein neues Lehen, Geld, Unterstützung in der K i r chenpolitik oder bei einer umstrittenen Thronfolge, schließlich Förderung von Verwandten im Reich oder auch die Beschäftigung des unruhigen Adels fern von der Heimat. 1 9 6 Das Verhältnis war ursprünglich durch Gewalt begründet 195
Vgl. K ö s t e r (wie Anm. 73), S. 178—182.
198
Zu den innerböhmischen Verhältnissen siehe zuletzt F. G r a u s ,
Herrscher in Böhmen vom 10. bis 13. Jahrhundert,
Adel, Land und
in: Nachr. d. Giessener
Hochschul-
gesellsch. 35 (1966), S. 1 3 1 — 1 5 3 ; weniger befriedigend F. S e i b t , Land und Herrschaft in
60
HARTMUT H O F F M A N N
worden. Aber allmählich versuchten die böhmischen Fürsten, das Beste aus dem Unausweichlichen zu machen. Der deutsche Königshof in seiner Macht und Pracht wird die Slawen nicht nur abgestoßen, sondern auch angezogen haben. Vielleicht darf man hier an die polemische Bemerkung Thietmars von Merseburg erinnern, daß Mieszko von Polen niemals das Haus des sächsischen Markgrafen Hodo im Pelzgewand zu betreten noch sitzen zu bleiben gewagt habe, wenn jener sich erhob. 197 Auf den deutschen Dünkel, der aus den Worten des Bischofs spricht, konnten die Fürsten des Ostens mit heftiger Feindseligkeit antworten oder mit Anpassung, die nach Angleichung strebte. Der zweite Weg dürfte vielfach als einfacher und klüger erschienen sein. Bedenken wir dazu, daß der Herzog von Böhmen im 10. Jahrhundert zuerst Heinrich von Bayern, dann dem Markgrafen von Meißen zugeordnet oder untergeordnet war, so dürfen wir schließen, daß die Premysliden vermutlich danach trachteten, nicht so sehr dem deutschen König — denn der stand ohnehin zu hoch —, sondern erst einmal den deutschen Fürsten gleichgestellt zu werden. Und als sie diesem Ziel nahegekommen waren, hatten sie sich mit dem Reich und seiner herrschenden Schicht bereits so weitgehend identifiziert, daß der gesellschaftliche Zwang allen früheren Freiheitsdrang überwand und überwucherte. Der Verlust der Souveränität wird sie dabei wenig bedrückt haben, da diese noch nicht als höchstes Ziel der Menschheit galt. Statt dessen lernten sie es, wie die vornehmsten Adligen des Deutschen Reiches zu denken und zu handeln: sie waren also auf ihren Nutzen bedacht, akzeptierten jedoch den Rahmen des größeren Ganzen als ein selbstverständlich Vorgegebenes. Unter Friedrich Barbarossa erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt. Der Staufer zerteilte das Herzogtum in drei Reichsfürstentümer, nämlich das eigentliche Böhmen, sodann anscheinend Mähren und schließlich das Bistum Prag. Das sollte keine besondere Demütigung sein, sondern entsprach bloß dem allgemeinen Bestreben des Kaisers, die großen Machtblöcke zu zerschlagen, so wie er auch Österreich und die Steiermark von Bayern getrennt und den Besitz Heinrichs des Löwen in Sachsen zerstückelt hatte. Heinrich V I . setzte im wesentlichen die Politik seines Vaters fort. Es schien, als sollte Böhmen für immer im Reich aufgehen, womöglich eingedeutscht werden wie die slawischen Gebiete weiter im Norden. Die Schicksalswende von 1198 hat das verhindert. Bezeichnenderweise wurde allerdings die Annäherung an das Deutsche Reich nicht einfach rückBöhmen, in: H Z 200 (1965), S. 284—315 (da das böhmische ius terre sich ebensowenig aus einem älteren Stammesrecht wie das Herzogtum Böhmen aus einem größeren Stammesgebilde ausgesondert hat, vermag es zur Beurteilung des spätmittelalterlichen deutschen Territoriums und seines Landrechts nichts beizutragen). 197
Chron. V, 10, ed. H o 11 z m a n n , S. 232.
BÖHMEN UND D A S DEUTSCHE REICH IM HOHEN MITTELALTER
61
gängig gemacht. Es blieb äußerlich beim Status quo, und nur innerlich wurde dieser durch die Sonderprivilegien ausgehöhlt, welche die Territorialherren damals allenthalben dem geschwächten Königtum abrangen und von denen der Böhme mehr als alle anderen profitierte. Ein Ausländer, der widerwillig das deutsche Joch getragen hätte, hätte im 13. Jahrhundert wohl alles daran gesetzt, es abzuschütteln und den Weg in die völlige Freiheit zu gehen. Die Premysliden haben diesen Schritt niemals erwogen. Kaum aus Reichstreue oder aus „Reichsgesinnung" — denn die ihre wird nicht größer gewesen sein als die der übrigen deutschen Fürsten —; sondern deshalb, weil ihr Egoismus sie nach Norden, Westen und Süden, kurzum ins Reich verwies und weil die deutsch-böhmische Interessengemeinschaft spätestens seit den Tagen der ersten Staufer unauflöslich zu sein schien.198 Der Böhme lief den anderen Laienfürsten den Rang ab, und unter Karl IV. wurde das Deutsche Reich sogar von Prag aus regiert. Jetzt herrschte der Kaiser nicht deshalb über Böhmen, weil es von Deutschland abhängig war; sondern der Böhme herrschte über Deutschland, weil er der Kaiser war. Die Symbiose der beiden Völker schien so eng zu sein wie in den Tagen Friedrich Barbarossas, — nur daß sie jetzt unter umgekehrten Vorzeichen stand. Aber diese Symbiose war eine Frage der praktischen Politik. Nach der juristischen Theorie waren die Bande, die das Reich mit Böhmen verknüpften, wieder viel lockerer. Denn die böhmische Krone erhielt Privilegien, die ihre Pflichten gegenüber dem Reich auf ein fast nichtssagendes Minimum beschränkten. Während also politisch die beiden Länder einander intensiv durchdrangen, verblaßte gleichzeitig die juristische Abhängigkeit. Aber nicht diesem Zustand des 14. Jahrhunderts sollen die letzten Sätze gewidmet sein. Nicht Karl IV., sondern Ottonen, Salier und vor allem die ersten Staufer müssen ins rechte Licht gerückt werden. Die Auflösungserscheinungen des späten Mittelalters können uns leicht vergessen machen, daß die früheren Kaiser anderes erstrebt und auch anderes erreicht haben. Unter die Entwicklung, die mit Karl dem Großen begonnen hatte, hat Barbarossa gewissermaßen einen Schlußstrich gezogen: Die böhmischen Lande schienen nun endgültig im Deutschen Reich aufzugehen, nicht anders als die 1 9 8 S. H. T h o m s o n , Czechoslovakia in European History, 1943, S. 24, überschätzt wohl den prophetischen Weitblick Ottokars I., wenn er ihm beim Empfang der sizilischen Goldbulle (1212) die Einsicht zuschreibt, „that his new position would enable him to participate in the affairs of the Empire, while at the same time he was safe from imperial interference", und darauf des Königs Willen zurückführt, nicht mit dem Reich zu brechen. Die nachstaufischen Verhältnisse waren 1212 noch nicht zu erahnen, ganz abgesehen davon, daß Böhmen im letzten Viertel des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts gerade infolge seiner Verbindung mit dem Reich in gefährliche Wirren gestürzt wurde.
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HARTMUT HOFFMANN
sächsischen oder die bayrischen. Die Früchte dieser Politik sind freilich nicht mehr gereift, weil die letzten Staufer in ihrem verzweifelten Kampf gegen die Päpste dem böhmischen König jene Freiheiten und Rechte wieder zugestehen mußten, die Barbarossa ihm genommen hatte. Aber der Historiker darf sich von der späteren Entwicklung nicht den Blick auf die frühere Zeit verstellen lassen. Im hohen Mittelalter hat Böhmen nicht in einem lockeren, mehr oder weniger belanglosen Verhältnis zum Reich gestanden, sondern der böhmische Herzog hat sich immer enger an den deutschen König angeschlossen und seinen beträchtlichen Anteil zur Reichspolitik beigesteuert. Und wenn er sich nach 1198 (nicht anders als die übrigen deutschen Fürsten) dem Dienst für Kaiser und Reich entzog, so wurde doch das Rad der Geschichte nicht einfach zurückgedreht. Böhmen gewann zwar seine Aktionsfreiheit zu einem guten Teil zurück und wurde seiner P f l i c h t e n gegenüber dem Reich ledig. Aber seine R e c h t e am Reich, die mit jenen Pflichten Hand in Hand gegangen waren, behielt es; und diese Rechte bewirkten, daß es sich nach dem Untergang der Staufer nicht etwa voller Feindseligkeit gegen Deutschland wandte. Es war weiterhin ein Mitglied des Reiches und machte dementsprechend auch Reichspolitik zusammen mit den anderen Reichsfürsten. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn Barbarossa den böhmischen Herzog nicht zuvor in den Reichsfürstenstand aufgenommen hätte. Des Kaisers Entscheidung hatte insofern unabsehbare Folgen: Böhmen blieb nicht nur beim Reich, trotz der Krise des Interregnums; sondern sein Herrscher wurde sogar Kurfürst, so daß Karl IV. zu seiner böhmischen noch die deutsche und die Kaiserkrone hinzuerwerben konnte. Böhmens Schicksal hieß auch im späteren Mittelalter Deutschland. Daß Friedrich Barbarossas Leistung nur in dieser abgeschwächten Form Bestand hatte, war unter dem Blickwinkel des alten Deutschen Reichs zweifellos ein schwerer Verlust. Wem dagegen der Vielklang des europäischen Konzerts lieb ist, der mag sich der tschechischen Stimme freuen, die uns ohne den Schwund der Kaisermacht im 13. Jahrhundert vielleicht nicht erhalten geblieben wäre.
H E L G A CRAMER
DIE HERREN V O N WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER BESITZ- U N D HERRSCHAFTSBILDUNG BIS 1402 * EINLEITUNG 1. Die Verhältnisse im Lande über der Oder in voraskanischer und askanischer Zeit Bevor die Askanier um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Oder überschritten und in das jenseits gelegene Land eindrangen, wechselte dieses Gebiet, d. h. der Bereich, in dem die spätere Neumark 1 lag, ständig den Besitzer. Die häufigen Streitigkeiten zwischen den pommerschen, pommerellischen, polnischen und schlesischen Fürsten erleichterten den Markgrafen ihr Vorhaben, ihren Herrschaftsbereich nach Osten über die Oder hinaus auszudehnen. Gehörte das Gebiet nördlich der Warthe ursprünglich den Pommernfürsten, so war es während der Regierungszeit des polnischen Fürsten Boleslaw III. Krzywousty (1102—1138) fast ganz unter die Herrschaft Polens gelangt,2 um am Ende des 12. Jahrhunderts wieder teilweise — bis zur Mietzel — durcii das Vordringen Herzog Bogislaws I. an Pommern zu kommen. 3 In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhoben in dem Gebiet nördlich der Warthe die pommerschen und polnischen Herzöge wie auch die schlesischen Piasten Ansprüche. Hatte zunächst der polnische Fürst Wladyslaw Odonicz das Land unter seine Herrschaft gebracht,4 so wurden er wie auch der Pommernherzog Barnim I. 5 von dem schlesischen Herzog Heinrich dem Bärtigen daraus ver* Die Kreisgrenzen auf den beiden Karten am Schluß dieses Bandes geben den Stand gegen Ende des 18. Jh.s wieder. Als Vorlage diente die Karte: Brandenburg um 1800. Bearb. von G. Heinrich, 1 : 500 000 (s. F. W. A. Bratring, Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg, 2 1968). 1
Die Bezeichnung Neumark, „Newe Mardce", kam erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts auf. Bis dahin hieß der jenseits der Oder gelegene Teil der Mark Brandenburg „Marchia transoderana" oder „Terra transoderam", vgl. H . L u d a t , Die Namen der brandenburgischen Territorien, in: FBPG 46 (1943), S. 175. 2 P. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark im Zeitalter ihrer Entstehung und Besiedlung, 1905, S. 34. 3 A. a. O., S. 39. 4 A. a. O., S. 60. 5 A. a. O., S. 63.
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HELGA CRAMER
drängt, der sich nicht nur in den Besitz aller Gebiete südlich der Warthe, die zu Polen gehörten, sondern auch nördlich davon vom Lande Zehden bis zur Netze gebracht hatte. 6 Wie weit er seinen Herrschaftsbereich nach Norden ausgedehnt hatte, zeigt eine Urkunde aus dem Jahre 1236, in der er dem Kloster Kolbatz die Dörfer Zambrisk und Latzkow bestätigt. 7 Wladyslaw Odonicz verblieb nur ein Teil der späteren Kreise Arnswalde und Königsberg. 1231 gelang es den Markgrafen, von Kaiser Friedrich II. die Lehnsherrschaft über Pommern zu erlangen. 8 Damit wird die Richtung deutlich, in die sie ihren Herrschaftsbereich auszudehnen beabsichtigten. Vielleicht haben sie schon bald danach den Versuch gemacht, Gebiete jenseits der Oder unter ihre unmittelbare Herrschaft zu bringen. Jedenfalls könnte die Tatsache, daß sich 1242 das Kloster Kolbatz unter den Schutz der Markgrafen stellte und seinen Besitz bestätigen ließ,9 auf Streitigkeiten der Askanier mit den Pommernfürsten hindeuten. Möglicherweise sah das Kloster einen Herrschaftswechsel voraus und wollte sich auf alle Fälle seine Besitzrechte sichern. Den ersten Schritt zur Erwerbung der späteren Neumark machten die Markgrafen, als sie die Hälfte des Landes Lebus an sich brachten, zu dem außer einem Anteil im Sternberger Land auch die nördlich der Warthe im Winkel zwischen Warthe und Oder gelegenen Länder Küstrin und Chinz ( = Zehden?) gehörten.10 Über die Vorgänge ist im einzelnen nichts bekannt. Fest steht aber, daß der Erzbischof von Magdeburg und die Markgrafen 1250 Burg und Land Lebus gemeinsam besaßen.11 Ende 1252 oder Anfang 1253 teilten sie das Gebiet, wobei den Markgrafen offensichtlich die nördlich der Warthe gelegenen Teile zufielen.12 Aber dieser Besitz war nicht unangefochten: Das Land Küstrin gehörte den Templern, und Zehden war von Herzog Barnim I. zurückerobert worden. 13 Es kam zu Kämpfen mit Pommern (nach 1253), die für Barnim aber erfolglos verliefen; wahrscheinlich mußte der Pommernherzog danach den ganzen späteren Kreis Königsberg bis zur Röreke und 6
J. S c h u l t z e ,
7
Pommersches Urkundenbuch (künftig zit.: PUB) I, N r . 327.
8
S c h u l t z e , Die Mark Brandenburg I, S. 141.
9
PUB I, Nr. 404.
10
Die Mark Brandenburg I, S. 157.
P. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 162.
11
Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem Hause, hrsg. von H . K r a b b o und G. W i n t e r , 12 Lieferungen, 1910—1955 (künftig zit.: K r a b b o ) , Nr. 729. Zur Erwerbung Lebus' durch das Erzbistum Magdeburg vgl. K r a b b o , Nr. 725 a. 12
P. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 162.
13
Ebd.
D I E H E R R E N V O N W E D E L IM L A N D E O B E R D E R O D E R
65
nach Osten bis zur Mietzel abtreten. 14 Nicht betroffen waren dabei die in diesem Raum gelegenen Besitzungen des Bistums Brandenburg. Auch mit den Templern kam es zu Auseinandersetzungen. Die Markgrafen veranlaßten den Orden, ihnen die Orte Küstrin, Tamsel und Vietz abzutreten (Ende 1261), die an der am Warthebruch entlang führenden Straße nach der 1257 von ihnen gegründeten Stadt Landsberg lagen. 15 Ein besonders umstrittenes Gebiet war die Kastellanei Zantoch, die den Markgrafen als begehrenswertes Ziel vor Augen gestanden haben dürfte. Die an der Warthe (östl. Landsberg) gelegene Burg Zantoch hatte nicht nur als wichtiger strategischer Punkt sondern auch als Handelsplatz und als Sitz eines Propstes Bedeutung. 16 Durch die Heirat des Markgrafen Conrad mit Constantia, der Tochter des Polenherzogs Przemyslaw I., dem seit etwa 1246 die Kastellanei gehörte, 17 kamen die Askanier in ihren Besitz, wobei allerdings die Burg Zantoch ausgenommen war. 1 8 1267 veranlaßten die Markgrafen den Bischof von Brandenburg, die dem Bistum gehörigen Dörfer um Königsberg und die Stadt selbst gegen Gebiete im Lande Löwenberg einzutauschen.19 Kurze Zeit später scheinen sie auch in das Gebiet um Arnswalde und zwischen den Ihnaarmen eingedrungen zu sein, 20 das Herzog Barnim in der Zwischenzeit wieder unter seine Herrschaft gebracht hatte. 21 Durch den Eintausch Schildbergs von den Herren von Kerkow, den Kauf des Landes Lippehne vom Bistum Kammin und die Erwerbung Bernsteins rundeten sie ihre neumärkischen Besitzungen ab. 22 14
A. a. O., S. 171.
15
Codex diplomaticus Brandenburgensis, hrsg. von A. F. R i e d e l , Abt. A (künftig zit.:
R A ) , X I X , 5 f., N r . 8 =
K r abbo ,
Nr. 869. Als Ersatz überließen sie dem Orden das
Eigentum am H o f Quartsdien und den sonstigen Dörfern und fügten noch Kalenzig hinzu. 16
J . S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg I, S. 158.
1T
Ebd.
18
Ebd., bes. Anm. 94.
19
Krabbo,
N r . 948, 9 8 6 ; vgl. v. N i e ß e n ,
Geschichte der Neumark, S. 2 4 0 ff., und
J. S c h u l t z e , Die Mark Brandenburg I, S. 156 f. 20
Die Annalen des Klosters Kolbatz verzeichnen zum Jahr 1 2 6 9 : „Marchiones monadios
nostros et conuersos de Sovin [w. Arnswalde] violenter ejecerunt et adhuc retinent absque jure", P U B I, S. 4 8 5 ; in demselben J a h r stellen die Markgrafen in Arnswalde eine Urkunde aus, Pommerellisches Urkundenbuch, bearb. von
M. P e r l b a c h ,
hrsg. vom Westpreu-
ßischen Geschichtsverein 1882 (künftig zit.: PllUB), N r . 258. 21
P. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 77 ff.
22
K r a b b o , N r . 1091 (Schildberg), N r . 1092 f. (Lippehne). Bernstein wird 1280 zum
erstenmal mit Sicherheit als neumärkisch erwähnt, K r a b b o , N r . 1218; vgl. v. Geschichte der Neumark, S. 264, Anm. 2. 5
Nießen,
HELGA
66
CRAMER
Die freiwillige Unterwerfung des ostpommerschen Herzogs Mestwin 23 unter die brandenburgische Lehnsherrschaft im Jahre 1269 2 4 eröffnete den Markgrafen die Aussicht, noch weiter nach Osten und Norden vorzudringen, wobei Danzig ein besonders begehrtes Ziel war. Anlaß zum Eingreifen bot ihnen der Streit Mestwins mit seinem Bruder Wartislaw um Danzig, 25 das sie selbst in Besitz nahmen. Allerdings wurden sie schon 1272 wieder aus Danzig vertrieben, als Mestwin nach dem Tode des Wartislaw die ihm nunmehr lästige Lehnsherrschaft der Markgrafen abzuschütteln trachtete. 26 Auch das Land Schlawe, das die Askanier 1277 von Mestwins Neffen, Wizlaw II. von Rügen, für 3600 Mark gekauft hatten, 27 konnte nicht lange gehalten werden; seit 1283 erscheint Mestwin hier als Herr. 2 8 Nach dessen Tode (1294), mit dem das Geschlecht der ostpommerschen Herzöge ausgestorben war, versuchten die Markgrafen wiederholt, sich in den Besitz der Erbschaft zu setzen. 29 Hierüber kam es nicht nur mit dem polnischen Herzog Przemyslaw, der Ostpommern an sich gebracht hatte, 30 sondern auch mit dem von diesem zu Hilfe gerufenen Deutschen Orden zu Auseinandersetzungen. Schließlich zog sich Markgraf Waldemar aus Ostpommern zurück. 1309/10 verkaufte er dem Deutschen Orden Danzig, Dirschau und Schwetz, 31 und 1316 verzichtete er auch auf die ihm noch verbliebenen Gebiete von Stolp, Schlawe und Rügenwalde. 32 Hatten die Askanier also in den ostpommerschen Gebieten letztlich nicht festen Fuß fassen können, so war es ihnen immerhin gelungen, im Anschluß an den Besitz um Arnswalde nach Norden und Nordosten vorzudringen und Gebiete über die Drage hinaus nach Osten und bis zur Rega im Nordosten 23
Ostpommern reichte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts von der Weichsel im
Osten bis zur Netze im Süden und zur Persante im Westen; vgl.
E. S a u e r ,
Der Adel
während der Besiedlung Ostpommerns (der Länder Kolberg, Belgard, Schlawe, Stolp) 1250 bis 1350, Diss. Göttingen 1939, S. 69. Nach dem Tode Herzog Swantopolks (1226) war das Land unter die beiden Söhne geteilt worden, wobei Mestwin die südliche Hälfte mit Schwetz und Wartislaw die nördliche mit Danzig erhielt. 24
P11UB, Nr. 2 3 8 ; vgl. v. N i e ß e n ,
25
Eintragung der Ann. Colb. zu 1 2 7 1 : „Marchiones Olyvam maxime dampnaverunt et
Geschichte der Neumark, S . 2 1 7 f .
totam terram Danceke devastaverunt", P U B I, S. 485. 26
F. Z i c k e r m a n n ,
Das LehnsVerhältnis zwischen Brandenburg und Pommern im 13.
und 14. Jahrhundert, in: F B P G 4 (1891), S. 79. 27
PllUB, Nr. 2 8 5 ; Schlawe war ebenso wie Stolp 1273 von Mestwin den Markgrafen zu
Lehen aufgetragen worden ( P U B II, N r . 978). Es handelt sich hier wiederum um eine Lehnsauftragung, die Besitzrechte sichern sollte. Seit 1270 aber war Schlawe im Besitz Wizlaws von Rügen, s. F. Z i c k e r m a n n , a. a. O., S. 80. 28
E. S a u e r ,
29
A. a. O., S. 139.
Adel, S. 137.
30
F. Z i c k e r m a n n , Lehnsverhältnis, S. 86.
31
Krabbo,
32
F. Z i c k e r m a n n ,
N r . 2136, 2161. Lehnsverhältnis, S. 87 ff.; E. S a u e r ,
Adel, S. 87 f.
DIE H E R R E N V O N WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
67
dem Markenbereich einzuverleiben. Aus dem Grenzvertrag, den Markgraf Albrecht III. 1280 mit dem Bischof von Kammin schloß,33 geht hervor, daß das Land Schivelbein im Besitz der Markgrafen war. Die Gegend um Dramburg („terra Welsenborch") wurde 1284 von Herzog Bogislaw IV. von Pommern als Pfand an Brandenburg abgetreten34 und fiel, als sie innerhalb der im Vertrag festgesetzten Frist von zwei Jahren nicht eingelöst wurde, endgültig an die Markgrafen. 35 Die 1284 zusammen mit Welschenburg verpfändeten und ebenfalls nicht wieder eingelösten „terrae" Daber und Belgard 36 blieben allerdings nicht lange unter markgräflicher Herrschaft. Schon zu Beginn des Jahres 1291 erscheint Bogislaw von Pommern wieder als Besitzer Belgards, 37 und im Teilungsvertrag zwischen Bogislaw und seinem Bruder Otto I. von 1295 wird Daber ebenfalls wieder als zu Pommern gehörig aufgeführt. 38 Auch Welschenburg erscheint in dieser Urkunde als pommerscher Besitz. Wenn dies den tatsächlichen Verhältnissen entsprach, kann es sich freilich nur um eine vorübergehende Rückeroberung gehandelt haben, denn 1297 verliehen die Markgrafen der Stadt Dramburg brandenburgisches Recht und dokumentierten damit ihre Besitzrechte.39 Seitdem ist das Gebiet bis zum Verkauf an den Deutschen Orden im Jahre 1400 4 0 märkisch gewesen. Vor 1300 haben die Markgrafen ihre Herrschaft auch nach Osten weit über die Drage hinaus in das Gebiet der Küddow ausgedehnt,41 wobei sie wohl die 3 3 PUB II, Nr. 1168 = R A XVIII, 212 f., Nr. 1. Dieses Gebiet gehörte dem Bistum Kammin, seitdem es 1248 die Besitzungen um Stargard gegen den östlich der Persante gelegenen Teil des Landes Kolberg eingetauscht hatte (PUB I, Nr. 475). 3 4 PUB II, Nr. 1312 = K r a b b o , Nr. 1366. 3 6 Am 24. Juni 1287 nahmen Pribislaw, Herr zu Belgard, und Richard von Friesack die Länder Belgard, Daber und Welschenburg von den Markgrafen zu Lehen, PUB III, Nr. 1431 = K r a b b o , Nr. 1426. 3 6 Belgard hatte seit 1236 dem Herzog Swantopolk von Ostpommern gehört, war aber wohl nach dem 1266 erfolgten Tod Swantopolks von Herzog Barnim von Pommern beansprucht worden, der sich dabei auf eine 1264 mit Swantopolks Sohn Mestwin getroffene Vereinbarung (PUB II, Nr. 760) berief. 1269 wurde Belgard von Mestwin den Markgrafen aufgetragen, die die Herrschaft allerdings wohl nicht angetreten haben, da sie 1284 Belgard als Pfand annahmen und von einem zwischendurch erfolgten Besitzwechsel nichts bekannt ist; vgl. E. S a u e r , Adel, S. 114 ff. 3 T PUB III, Nr. 1568; vgl. E. S a u e r , Adel, S. 117 ff., bes. Anm. 19; auch 1295: PUB III, Nr. 1730. 3 8 PUB III, Nr. 1730. 3 9 PUB III, Nr. 1769 = R A XVIII, 215, Nr. 4. 4 0 Repertorium der Urkunden zur Geschichte der Neumark, hrsg. von E. J o a c h i m und P. v. N i e ß e n , in: Schriften d. Ver. f. Geschichte d. Neumark 3 (1895) (künftig zit.: J o a c h i m), Nr. 75. 4 1 P. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 322, bes. Anm. 3; vgl. auch B. S c h u l z e , Brandenburgische Landesteilungen 1258—1317, 1928, S. 9.
5*
HELGA
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CRAMER
durch die Ermordung Przemyslaws II. von Polen (1296) veränderte politische Lage nutzten. 42 Nach der Chronik des Godyslawa haben die Markgrafen unmittelbar nach dem Tod Przemyslaws die Burg Zantoch besetzt. 43 Möglicherweise haben sie bei der Annexion der polnischen Gebiete Erbansprüche geltend gemacht,44 da mit dem Tod des Przemyslaw die Dynastie des Wladyslaw Odonicz ausgestorben war. Wie wenig gesichert allerdings das neu erworbene Gebiet war, wird aus einer Urkunde von 1303 deutlich, in der zwei kriegsbewährte Männer auf Befehl des Markgrafen mit noch unerschlossenem Land („solitudo") nahe der eben gegründeten Stadt Arnskrone (Deutsch-Krone, polnisch Walcz) belehnt werden mit der Verpflichtung, den Grenzschutz zu übernehmen. 45 Daß die Markgrafen die Herrschaft in dem Gebiet zwischen Drage, Netze und Küddow dennoch behauptet haben, zeigt ein Vertrag aus dem Jahre 1312 zwischen den Markgrafen Waldemar und Johann auf der einen und dem Bischof von Posen und seinem Kapitel auf der anderen Seite über den in diesem Bereich zu zahlenden Zehnten. 46 Allerdings blieb der Besitz dieser Gebiete während des ganzen Jahrhunderts umstritten und bildete häufig den Anlaß für Streitigkeiten zwischen Polen und Brandenburg. 47 Eine Abrundung der märkischen Besitzungen jenseits der Oder erreichte Markgraf Waldemar durch einen Vertrag mit den Piasten von Schlesien-Glogau, in dem er für Sagan und Krossen das östlich des Landes Sternberg liegende Gebiet mit den Orten Züllichau, Schwiebus, Liebenau, Bentschen und Tirschtiegel eintauschte. 48 Hatten die Askanier seit der Herrschaft Albrechts des Bären den Markenbereich um ein Vielfaches vergrößert, so war dieser Erweiterungsprozeß mit dem Tode Waldemars und dem Aussterben des askanischen Geschlechtes abgeschlossen. Bei den von den Markgrafen neuerworbenen Gebieten handelte es sich in weiten Strecken um unerschlossenes Land, dessen Besiedlung alsbald in Angriff genommen wurde. Marksteine waren hierbei die in großer Zahl durchgeführ42
J . S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg I, S. 194 f.
43
Krabbo,
41
Markgraf Conrad war mit Constantia, Przemyslaws Sdiwester, verheiratet; vgl. oben
N r . 1645.
S. 3, Przemyslaw mit Margarethe, Tochter Markgraf Albrechts I I I ; s. v. N i e ß e n ,
Ge-
schichte der Neumark, S. 317. 45
P U B IV, N r . 2093 =
K r a b b o,
46
P U B V, N r . 2696 =
Codex dipl. Brandenburgensis, hrsg. von A. F. R i e d e l , Abt. B
(künftig zit.: RB) I, 338, N r . 425 =
N r . 1872.
K r a b b o , N r . 2281.
47
Vgl. G. W r e d e ,
Grenzen der Neumark 1319—1817, Diss. Greifswald 1935, S. 92 ff.
48
J . S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg I, S. 237 f., auch O. H i n t z e , Die Hohen-
zollern und ihr Werk, 1915, S. 45.
D I E H E R R E N V O N W E D E L IM L A N D E O B E R D E R O D E R
69
ten markgräflichen Stadtgründungen.49 Allerdings kamen nicht erst mit den Askaniern deutsche Siedler ins Land östlich der Oder. Schon vor ihnen haben sich die polnischen und pommerschen Fürsten um die Besiedlung ihres Landes bemüht. So hat Wladyslaw Odonicz 1232 dem Tempelorden verschiedene Orte und 1000 Hufen in dem Winkel zwischen Ohre, Mietzel und "Warthe geschenkt mit der Erlaubnis, einen Markt nach deutschem Recht anzulegen.50 Sein Interesse an deutschen Siedlern zeigt sich in einer Urkunde von 1237, in der er dem Johanniterorden die „hereditas" Kürtow schenkt: „Concessi etiam eiusdem domus fratribus licentiam ibidem locandi Teutonicos, iure theutonico habendi tabernas et forum. . ." 5 1 Wie Wladyslaw Odonicz hat sich auch Herzog Barnim I. von Pommern während seiner ganzen Regierungszeit (1223 bis 1278) um die Besiedlung seines Landes bemüht, wobei er gleichfalls den Siedlern deutsches Recht in Aussicht stellte. Am Schluß einer Urkunde von 1229, in der er dem Johanniterorden dessen Besitzungen um Stargard (Ihna) bestätigt, heißt es: „Hoc autem factum est, ut fratres domus hospitalis libere possint hospites qualescunque iure teutonicali in omnibus villis suis collocare." 52 Audi deutsche Ritter hat er ins Land gerufen. Von 1235 an treten immer mehr Deutsche in den Zeugenreihen der Urkunden Herzog Barnims auf, die sich ihm angeschlossen hatten und nach Pommern übergesiedelt waren. 53 Neben wirtschaftlichen waren dafür wohl auch militärisch-politische Gesichtspunkte maßgebend. Vielleicht hoffte er, auf diese Weise den Markgrafen, vor denen die Pommernfürsten seit dem Beginn des Jahrhunderts immer weiter hatten zurückweichen müssen, mehr Widerstand entgegensetzen zu können. 2. Die Herkunfl der Familie von Wedel Im Zuge dieser Siedlungsbewegung ist auch ein Mitglied der Familie von Wedel in das Land jenseits der Oder gekommen, wo es mit Gebietserwer49
Landsberg, Schönfließ, Soldin; vgl. J . S c h u l t z e ,
Die Mark Brandenburg I, S. 162.
Dazu kommen später noch ( 1 2 9 7 — 1 3 0 3 ) Dramburg, Arnskrone (Deutsch-Krone), Krabbo, 50
Kallies;
N r . 1666, 1865, 1881.
„Insuper chvartsane villam . . . cum mille mansis et foro infra terminos illorum habendo
iure et more teutonicali . . . c o n t u l i . . .", R A X I X , 1 f., N r . 2 ; vgl. dazu R.
Kötzschke,
Die Anfänge des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius teutonicum), 1941, und W . K u h n ,
Kirchliche Siedlung und Grenzschutz 1 2 0 0 — 1 2 5 0 (am Beispiel des
mittleren Oderraumes), in: Ostdeutsche Wissenschaft 9 (1962). 51
Codex Pomeraniae diplomaticus, hrsg. von K. F. W . Hasselbach, J. G. L. Kosegarten
u. a., 1843 (künftig zit.: C P D ) , II, N r . 248. 62
C P D II, N r . 1 7 7 ; s. auch R A X I X , 2, N r . 3: Herzog Barnim übereignet dem Tempel-
orden das Dorf Darmietzel und 200 Hufen zu deutschem Recht. 53
Z. B. die Familien Ramstedt,
Insleben, Düring, Schwaneberg,
Kothen u. a.; vgl. E. S a u e r , Adel, S. 238 ff.
Indenburg,
Bertkow,
70
HELGA C R A M E R
bungen in Pommern den Grundstein für einen rasch anwachsenden umfassenden Komplex an Besitz- und Herrschaftsrechten gelegt hat. Die Heimat des Geschlechts liegt in Holstein. Die Verwandtschaft der Wedel jenseits der Oder mit den in Holstein ansässigen ergibt sich aus dem gleichen Geschlechtsnamen und dem gleichen Wappen — es zeigt ein Rad mit 16 scharfgezahnten Zacken und acht blattähnlichen, spitzoval zulaufenden Speichen, die um eine Nabe gestellt sind54 — ebenso wie aus den Vornamen Hasso, Heinrich und Lambrecht, die für beide Linien charakteristisch sind.55 Urkundlich erscheint das Geschlecht zum erstenmal im Jahre 1212, als die „fratres de Wedele: Heinricus, Hasso et Reinbernus" in einer Urkunde des Grafen Albrecht von Orlamünde als Zeugen genannt werden. 56 Ihren Geschlechtsnamen tragen sie offensichtlich von dem westlich von Hamburg gelegenen Dorfe Wedel, wo sich wie auch in der engeren Umgebung später Wedelscher Familienbesitz nachweisen läßt. 57 Von einer Urkunde aus dem Jahre 1224 abgesehen, in der „Hasso de Wetele et fratres sui" wiederum für Albrecht von Orlamünde testieren,58 werden Mitglieder der Familie von Wedel erst von 1248 an häufiger urkundlich erwähnt. Der Zeitpunkt, an dem ein Wedel Holstein verlassen hat und in das Land jenseits der Oder übergesiedelt ist, wie auch die näheren Umstände liegen ganz im dunkeln. Der Familienforscher Paul Heinrich von Wedel nimmt an, 5 4 H. v. W e d e l , Geschichte des Schloßgesessenen Geschlechtes der Grafen und Herren von Wedel 1212—1402, 1894, S. 3 ff. 6 6 Auch in der seit 1315 in Mecklenburg nachweisbaren Linie taucht der Name Hasso auf, s. Urkundenbuch zur Geschichte des Schloßgesessenen Geschlechtes der Grafen und Herren von Wedel, hrsg. von H. F. P. v. Wedel, Bd. 1—4 (Bd. 1—3 in 2 Abt.), 1885—1891 (künftig zit.: W U B I—1 usw.), 1—2, 82 f., Nr. 31; 84 f., Nr. 33; 88 f., Nr. 39. G. W . v. R a u m e r , (ed.), Die Neumark Brandenburg im Jahre 1337 oder Markgraf Ludwigs des Älteren Neumärkisches Landbuch aus dieser Zeit, 1837, S. 9, hält die neumärkischen Wedel für einen Zweig der in der Altmark angesessenen Familie von Jagow, der die Burg Wedel gebaut und daher den Namen angenommen habe. Abwegig ist die Annahme F. L. C a r s t e n s , The Origins of Prussia, 1954, S. 22, daß die Wedels slawischen Ursprungs seien. 8 6 Hamburgisches UB, hrsg. von J. M. Lappenberg, I, Nr. 387. Ob die in einer Urkunde Herzog Heinrichs von Sachsen von 1149 genannten Hasso und Heinrich („Hasso, filius Heinrici, advocati de Ottonebotle", Hamb. UB I, Nr. 188) für die ersten nachweisbaren Angehörigen der Familie von Wedel gehalten werden können, wie H. v. W e d e 1, Über die Herkunft, die politische Bedeutung und die Standesstellung des Geschlechtes von Wedel von der Mitte des 12. bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, 1915, S. 5 ff., glaubt, ist immerhin fraglich, da eine Beziehung der Wedel zu der Familie von Ottenbüttel, die ihren Namen von einem Dorf nördlich von Itzehoe trug und in der ebenfalls der Vorname Hasso gebräuchlich war (vgl. Hamb. UB I, Nr. 780 bzw. 781, 795), nicht festzustellen ist. 8 7 WUB 1—2, 22 f., Nr. 37: Wedel, Spitzerdorf, Lieth; 25 f., Nr. 39: Barkesbüttel u. a. 5 8 Hamb. UB I, Nr. 483.
D I E H E R R E N V O N W E D E L IM L A N D E Ü B E R D E R
ODER
71
daß jener „Hasso iuvenis", der neben „Hasso senior" 1227 in einer in Itzehoe ausgestellten Urkunde testiert, 59 im Laufe des folgenden Jahrzehnts nach Pommern ausgewandert ist. 60 Aber selbst wenn man annimmt, was zweifelhaft ist, daß es sich hierbei um Mitglieder der Familie von Wedel handelt, 81 so ist jener „Hasso iuvenis" noch elf Jahre später in Itzehoe nadiweisbar. 62 Möglicherweise ist die Ubersiedlung bald nach 1256 durch Lambrecht von Wedel erfolgt. Aus einer Urkunde von 1255 erfahren wir, daß Lambrecht ein Grundstück von sechs Joch im Dorf Grevenkop verkauft hat. 6 3 Etwa zur gleichen Zeit hat Lambrecht auch seine Güter in Wedel verkauft, wie aus einer Urkunde des Hamburger Kapitels vom 8. Februar 1256 hervorgeht, in der es heißt, daß Friedrich von Haseldorf dem Kapitel u. a. alle Güter übertragen habe, „que (bona) dominus Lambertus, miles de Wedele, possedit et dominus Frethericus ab eodem Lamberto pro sexcentis marcis denariorum, triginta marcis minus, legitime comparavit.. ." 8 4 Nach 1256 taucht Lambrecht in holsteinischen Urkunden nicht mehr auf. Es ist denkbar, daß er die Verkäufe vorgenommen hat, weil er die Absicht hatte, in das Land jenseits der Oder zu übersiedeln. Allerdings müßte er nicht allzu lange nach der Ubersiedlung gestorben sein, da er weder in pommerschen noch in märkischen Urkunden in Erscheinung tritt. Der erste im Gebiet östlidi der Oder nachweisbare Wedel ist Ludwig, der unter den pommerschen Vasallen genannt wird, die 1269 zusammen mit Herzog Barnim und dem Abt von Kolbatz von Albertus Magnus, dem ehemaligen Bischof von Regensburg, exkommuniziert wurden, weil sie die Besitzrechte des Johanniterordens in Stargard, einigen Dörfern an der Ihna und den Burgen Reetz und Kürtow mißachtet hätten. 65 In diesem umstrittenen Gebiet dürften die ersten Besitzungen der Herren von Wedel gelegen haben, die Herzog Barnim ihnen zugewiesen haben mag, um einen wirksamen Schutz gegen das 69
Sdileswig-Holstcin-Lauenburgische Regesten und Urkunden, hrsg. von P. Hasse, Bd. 1,
1886 (künftig zit.: S H L R U ) , N r . 454. 60
H . v. W e d e l ,
Geschichte des Geschlechtes von Wedel, S. 45.
F. C u r s c h m a n n ,
Die Landeseinteilung Pommerns im Mittelalter und die Verwaltungseinteilung der Neuzeit, in: Pommersche Jahrbücher 12 (1911), S. 140, Anm. 1, bezeichnet diese Datierung als „recht glaublich". 61
Vgl. oben Anm. 56.
82
„Hasso et hasso castellani in Etzehoe", S H L R U I, N r . 577.
63
Hamb. U B I , N r . 598.
64
Hamb. U B I, N r . 603.
65
P U B II, Nr. 891. Ob die Ansprüche der Johanniter zu Recht bestanden, mag dahin-
gestellt bleiben; vgl. dazu J . P f l u g k - H a r t t u n g ,
Unechte Urkunden des Johanniter-
Ordens aus dem 12. und 13. Jahrhundert, in: F B P G 11 (1898), 2. Heft, S. 1 if. Jedenfalls hat auch die 1270 erneut ausgesprochene Exkommunikation ( P U B II, N r . 914) keinen Erfolg gehabt.
72
HELGA CRAMER
Vordringen der Markgrafen zu haben. Später lassen sich verschiedene Dörfer an der Ihna zwischen Stargard und Reetz in Wedelschem Besitz nachweisen.66 Eine 1291 von ihnen ausgestellte Urkunde nennt als Ausstellungsort Kürtow, also einen jener Orte, den die Johanniter 1269 zu den ihnen gehörigen Besitzungen gerechnet hatten. 67 Noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts verfügten die Wedel hier über Besitzrechte.68 Möglicherweise gehörte dieser Ort zu dem Gebiet um Arnswalde, das die Markgrafen im Jahre 1269 unter ihre Herrschaft gebracht haben. Zu diesem Jahr berichten die Annalen des Klosters Kolbatz: „Marchiones monachos nostros et conversos de Sovin69 violenter ejecerunt et adhuc retinent absque jure." 70 In demselben Jahr stellten die Markgrafen auch eine Urkunde in Arnswalde aus.71 Das von 1272 an nachweisbare Vasallitätsverhältnis zwischen Ludwig von Wedel und seinen Brüdern Heinrich, Siegfried, Hasso, Zulis und Ludolf und den Markgrafen 72 könnte darauf zurückzuführen sein, daß die Askanier damals eben auch Kürtow an sich gebracht haben und die Wedel es nunmehr von ihnen zu Lehen trugen. BESITZBILDUNG 1. Der Wedeische Besitz in
Pommern
Die erste Nachricht über Besitzrechte der Herren von Wedel im Lande jenseits der Oder stammt aus dem Jahr 1285. Damals schenkte Ludwig von Wedel dem Nonnenkloster zu Köslin die Einkünfte von einer Hufe in Repplin.73 Dieses Dorf lag in einem größeren Komplex Wedelscher Besitzungen in dem Raum nördlich und südlich der Ihna zwischen Reetz und Stargard. Schon frühzeitig haben die Wedel hier ganze Dörfer in ihren Besitz gebracht wie 66
Siehe unten S. 72 ff. WUB II—1, 19, Nr. 30. 68 RA XVIII, 205 f., Nr. 149 (1519). 69 Die Lage Sovins ergibt sich aus der des westlich von Arnswalde gelegenen gleidinamigen Sees (Stawinsee); vgl. B e r g , Zur Vorgeschichte und Gründung von Arnswalde, in: Schriften d. Ver. f. Geschichte der Neumark 4 (1896), S. 77. 67
70
PUB I, S. 485. P11UB, Nr. 258 = K r a b b o , Nr. 969. Allerdings stießen die Markgrafen hier auf Besitzansprüche des Klosters Kolbatz, das diese noch länger als zehn Jahre geltend machte; 1282 haben sie sich endgültig durchgesetzt, s. PUB II, Nr. 1232 = K r a b b o , Nr. 1292: „Renuncciaverunt nichilominus prefati fratres terminis Sammentin et Arnswolde, quos se habere aliquando affirmabant." 71
72
WUB II—1, 3, Nr. 3. WUB II—1, 12, Nr. 16 = PUB II, Nr. 1321. — Die Untersuchung über den Wedelsdien Besitz in Pommern wird dadurch erschwert, daß die pommerschen Urkunden erst bis 1335 einschließlich im Druck erschienen sind. 73
DIE H E R R E N VON W E D E L IM LANDE ÜBER DER ODER
73
Linde, das ihnen bis 1319 gehörte. In diesem Jahr übertrug Herzog Otto I. von Pommern seinem Vasallen Johann von Liebenow das Dorf Linde, wie Hasso von Wedel es besaß. 74 Länger in Wedelschem Besitz war das südlich an Linde angrenzende Dorf Brallentin, das 1352 von den Brüdern Hasso, Ludwig und Ludeke sowie ihren Vettern Ludwig dem Älteren und Henning Poltzin an die Borcke unter der Bedingung verkauft wurde, daß sie es von den Wedel zu Lehen nähmen. 75 Daß die Nachkommen zweier Brüder aus der ersten in Pommern nachweisbaren Generation gemeinsam an dem Dorf Besitzrechte hatten, weist darauf hin, daß es sich auch schon vor 1300 in Wedelschem Familienbesitz befand. Im Besitz der Familie Borcke ist Brallentin auch noch 1388 als ein Lehen der Herren von Wedel nachzuweisen.76 Nicht festzustellen ist, wann die Wedel in dem östlich von Brallentin gelegenen Dorf Petznick Besitzrechte erworben haben, die sich aus der Zeugenreihe einer Urkunde von 1377 ergeben, in der Petznick als der Wohnsitz Heinrichs von Wedel genannt wird. 77 In dieser Urkunde verkauft Heinrichs Vetter Hasso dem Johanniterorden eine Rente von 30 Mark Finkenaugen in dem Dorf Suckow, das nördlich von Repplin auf der rediten Ihnaseite liegt und schon 1339 in Zusammenhang mit einem Wedel, als Ausstellungsort einer Urkunde Ludolfs von Wedel, genannt wird. 78 Anschließend an Petznick wird den Wedel auch das ganze Gebiet im Nordosten bis nach Reetz hin gehört haben. 79 Darauf weist der Name des Dorfes Altenwedel — dicht bei Reetz auf der anderen Ihnaseite — hin, das man zweifellos als eine Wedeische Gründung ansehen darf, wenngleich außer dem Ortsnamen keine Quellen darüber vorliegen. Der ist freilich sprechend genug. Die Gründung des Dorfes wird vermutlich noch im 13. Jahrhundert erfolgt sein, denn bei dem „Wedele", das in der 1313 für die Stadt Kallies ausgestellten markgräflichen Urkunde genannt wird, 80 dürfte es sich bereits um das märkische Neuwedel gehandelt haben, 81 das die Existenz des pommerschen Dorfes Altenwedel voraussetzt. 74
WUB II—1, 90, Nr. 153 = PUB V, Nr. 3279.
75
WUB III—1, 67, Nr. 125.
76
WUB IV, 54, Nr. 59.
77
WUB IV, 24 f., Nr. 26.
78
WUB II—2, 63 f., Nr. 94 = RA XVIII, 114 f., Nr. 27.
Audi in dem östlich von Petznick in der Neumark liegenden Dorf Schlagenthin verfügten die Wedel schon frühzeitig über Rechte; vgl. unten S. 18. 79
80
WUB II—1, 68, Nr. 117 = RA XVIII, 102, Nr. 4.
Vgl. H. F. P. v. W e d e 1, Beiträge zur älteren Geschichte der Neumärkischen Ritterschaft, 2. Teil: Das Land Schivelbein unter der Herrschaft der Herren von Wedel 1319—1384, 1887, S. 87, Anm. 1; ferner K r a b b o , Nr. 2313. Nodi 1364 wird Neuwedel nur „Wedel" genannt, RB II, 465 ff., Nr. 1072. Altenwedel wird im 14. Jahrhundert nur einmal erwähnt: WUB II—2, 20, Nr. 29 = PUB VIII, Nr. 5099 (1333). 81
74
HELGA CRAMER
Das Zentrum dieses an der Ihna gelegenen Besitzkomplexes war Cremzow, das in Zusammenhang mit einem Wedel zuerst 1305 genannt wird. 82 Cremzow ist durch das ganze 14. Jahrhundert hindurch Sitz eines Zweiges des Wedeischen Geschlechtes geblieben, das sich dort auch ein „festes Haus" gebaut hat. 83 Zu Cremzow gehörten außer den genannten Dörfern auch die am Krampehl gelegenen Orte Wulkow, Kitzerow, Pegelow und Dahlow, wie sich aus der schon erwähnten Urkunde von 1338 ergibt, in der „ Ludolf us de Wedele . . . cognominatus de Cremptzow" den Heinrich Suckow mit der Mühle zu Pegelow belehnt mit der Bestimmung, daß seine Dörfer Pegelow, Dahlow und Kitzerow nur in dieser Mühle mahlen lassen dürften. Er verspricht, den Weg dorthin von dem Dorfe Wulkow an freizuhalten. Verfügungen über Dahlow und Pegelow aus den Jahren 1374/7584 und 1390—9485 zeigen, daß sich diese Dörfer auch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch in Wedelschem Besitz befanden. Als letztes Dorf, in dem zu Cremzow gehöriger Besitz urkundlich feststellbar ist, soll Barsewitz, südöstlich von Pegelow und Dahlow gelegen, genannt werden, über das allerdings erst aus dem Jahr 1388 eine Nachricht vorliegt. In der Urkunde, in der sich die Herren von Wedel dem Deutschen Orden zum Kriegsdienst verpflichten, wird auch „Hasse von Crempsov von Wediln, wonhaftig zcu Basseviz" genannt. 86 Nur vorübergehend und offenbar in Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Pommern und Brandenburg sind die Wedel in den Besitz der an der Rega gelegenen Städte und Burgen Treptow und Plathe gelangt. In dem Friedensvertrag, den die Markgrafen Otto und Conrad 1284 mit Herzog Bogislaw von Pommern und Fürst Wizlaw von Rügen schlössen, heißt es, Herzog Bogislaw solle Ludwig von Wedel und dessen Brüdern die Städte Treptow und Plathe sowie ihre sämtlichen Güter zurückerstatten oder ihnen zumindest jene Summe zurückzahlen, die sie zur Erwerbung der genannten Güter aufgewandt hätten. Uber die Rückgabe der Burg zu Plathe sollten Markgraf Conrad und Fürst Wizlaw entscheiden; fiele die Entscheidung für die Wedel negativ aus, solle die Burg zerstört werden. Die Burg zu 82 Als Zeuge wird genannt: „Hasso de Wedele in Kremtzo", WUB II—1, 41 f., Nr. 71 = RA XIX, 446 f., Nr. 5. 83 1338 bradi Herzog Barnim von Pommern das Sdiloß Cremzow und zog den dazugehörigen Besitz wegen der Parteinahme der Wedel für den Markgrafen ein, WUB II—2, 60, Nr. 91; vgl. WUB II—2, 52 f., Nr. 77 = RB II, 12911., Nr. 748. 84
WUB IV, 7 f., Nr. 7; 10, Nr. 10.
86
WUB IV, 67, Nr. 71; 68, Nr. 72; 69 f., Nr. 74 f.
86
WUB IV, 55 ff., Nr. 61 = RA XVIII, 151 ff., Nr. 87. Die Verbindung mit Cremzow madit es wahrscheinlich, daß Barsewitz im späteren Kreis Saatzig gemeint ist und nicht Batzwitz bei Greifenberg, wie R i e d e l (Namensverzeichnis, Bd. I, S. 73) annimmt.
DIE HERREN V O N WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
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Treptow solle auf Veranlassung Conrads und Wizlaws wieder aufgebaut, andernfalls den Wedel eine entsprechende Entschädigung gezahlt werden. 87 Da Herzog Bogislaw noch 1281 „seiner" Stadt Treptow eine Urkunde ausstellte,88 kann sie erst nach diesem Zeitpunkt in Wedeischen Besitz übergegangen sein. Plathe war 1277 von Dubislaw von Woedtke gegründet worden.89 Möglicherweise hat Herzog Bogislaw 1283 Treptow und Plathe den Herren von Wedel verpfändet oder verkauft, um mehr Geldmittel für den in diesem Jahr ausbrechenden Krieg mit den Markgrafen 90 zur Verfügung zu haben, ihnen dann aber die Städte mit den von den Wedel darin errichteten Burgen — offenbar wegen ihrer Parteinahme für die Markgrafen — genommen. Wie die Bedingungen des Vertrages erfüllt wurden, ist nicht bekannt. Es lassen sich aber in den späteren Urkunden von Treptow 91 und Plathe 92 keinerlei Beziehungen der Wedel zu diesen Städten mehr nachweisen. Doch scheinen sie 1317 noch einmal versucht zu haben, Treptow an sich zu bringen. Arnold, der Abt des Klosters Belbuck, spricht in einem Schreiben aus dem Jahre 1337 von den Kämpfen des Klosters gegen die „potentos viros dictos de Wedele", die 1317 die Stadt Treptow und das Kloster angegriffen hätten, aber zurückgeschlagen worden seien.93 Ähnlich wie mit Treptow und Plathe scheint es in späterer Zeit mit Bahn (Kreis Pyritz) gewesen zu sein. In dem 1330 zwischen Markgraf Ludwig und den Herzögen Otto I. und Barnim III. geschlossenen Waffenstillstand werden unter den markgräflichen Vertragsbürgen „olden Hassen unde Wedegen van Wedel mit deme slote tu den Bane" aufgeführt. 94 Während einer der immer wieder ausbrechenden brandenburgisch-pommerschen Streitigkeiten scheint Bahn 1329 für kurze Zeit in märkische Hand gekommen und mit den genannten Wedel als Burgmannen besetzt worden zu sein. Weder vorher noch nachher sind irgendwelche Besitzrechte der Wedel an Bahn festzustellen. Wann den Wedel Polzin (östl. Schivelbein) übertragen worden ist, das sie ebenfalls von den pommerschen Herzögen zu Lehen hatten, läßt sich nicht ermitteln. E. Sauer nimmt an, daß Polzin sich in Wedelschem Besitz befand, seitdem dieses Gebiet von den Askaniern erworben wurde. Das sei um 1300 geschehen.95 Allerdings wäre es dann doch merkwürdig, daß Polzin in dem 87 88 89 90 91 92 93 94 95
WUB I I - l , 10, Nr. 15 = RB I, 176ff., Nr. 230 = K r a b b o , Nr. 1366. PUB II, Nr. 1197. PUB II, Nr. 1069. J. S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg I, S. 189 f.; vgl. dazu K r a b b o , PUB II, Nr. 1327; III, Nr. 1423; III, Nr. 1511. PUB III, Nr. 1730; V, Nr. 3393. WUB II—1, 84, Nr. 144. WUB II—2, 15 f., Nr. 33 = PUB VII, Nr. 4546. E. S a u e r , Adel, S. 122 f., bes. Anm. 47.
Nr. 1334.
HELGA CRAMER
76
Vertrag von 1312 über den Zehnten in diesem Bereich nicht mitaufgeführt wird. 96 Außerdem stellt Sauer selbst fest, daß die Gegend um Polzin sowohl 1280 als auch 1321 zum Lande Belgard gehört habe.97 Dieses Land aber hatte sich nur kurze Zeit im Besitz der Askanier befunden und gehörte von 1291 an wieder den Herzögen von Pommern. 98 Polzin wird zum ersten Mal 1331 erwähnt; 99 als Wedelscher Besitz gar erst 1337, als Hasso der Rote von Wedel Markgraf Ludwig versprach, ihm mit Haus und Stadt Polzin zu dienen gegen jedermann außer gegen die Kinder des Herzogs Wartislaw, von denen er diesen Besitz habe.100 Von diesem Jahr an wird Polzin auch als Geschlechtsname der hier ansässigen Wedel verwandt, 101 und das könnte ein Hinweis darauf sein, daß ihnen Burg und Stadt noch nicht lange vorher übertragen worden waren. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts muß Polzin in andere Hände übergegangen sein, denn nach 1353 werden Angehörige des Wedeischen Geschlechtes dort nicht mehr erwähnt, 1389 dagegen Zciczik von Polzin und Michel Manteuffel von Polzin, 1420 und 1421 ebenfalls ein Michel Manteuffel zu Polzin genannt. 102 Nördlich der zu Cremzow gehörigen Dörfer Pegelow und Dahlow liegt Lichtenhagen. Es bildete das Zentrum eines weiteren größeren Besitz- und Herrschaftsbereiches der Herren von Wedel, dessen Bildung im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts 103 eingesetzt — zum ersten Mal erwähnt wird Lichtenhagen 1324 als Ausstellungsort einer Wedeischen Urkunde 104 — und mit der Errichtung eines Stammsitzes in diesem Ort, nach dem sich der hier ansässige Zweig des Geschlechtes von 1344 an auch häufig nannte, 105 einen gewissen Abschluß erreicht haben dürfte. Wie der Wedeische Besitzkomplex um Cremzow bestand auch der um Lichtenhagen noch im 18. Jahrhundert. 106 98
RB I, 338, Nr. 425 = K r a b b o , Nr. 2281. Es werden Kailies, Tempelburg, Arnskrone, Falkenburg und Filehne erwähnt. 8T E. S a u e r , Adel, S. 123. 98 Vgl. oben S. 67. Bei der Landesteilung 1295 kam das Land Belgard an die Wolgaster Linie (PUB III, Nr. 1730); 1299 verlieh Herzog Bogislaw IV. seiner Stadt Belgard Lübisdies Recht (PUB III, Nr. 1902). Nach einer Urkunde von 1321 (PUB VI, Nr. 3491) trugen die Herzöge Belgard von der Kamminer Kirche zu Lehen. 99 PUB VIII, Nr. 4853 f. 100 W U B u _ 2 > 42 f., Nr. 64 = RA XVIII, 109, Nr. 18. 101 WUB II—2, 43, Nr. 66 = RA XVIII, 110, Nr. 20. 102 RA XVIII, 178 f., Nr. 116 (1421); G. K r a t z , Die Städte der Provinz Pommern, 1865, S. 309. 103 Vielleicht bald nach dem Tod Markgraf Waldemars im Jahr 1319; vgl. unten S. 89. 104 W U B n . 2 i I , N R . I = PUB VI, Nr. 3750. 105 106
WUB II—2, 98, Nr. 164. F. C u r s c h m a n n , Die Landeseinteilung Pommerns, S. 142.
DIE HERREN V O N WEDEL IM L A N D E ÜBER DER ODER
77
Lichtenhagen und das zugehörige Gebiet, das weitgehend ursprünglich zum Land Massow gehörte, 107 trugen die Wedel in seinem größten Teil vom Bischof von Kammin zu Lehen. 1339 bezeichneten Hasso und Friedrich von Wedel, die in Lichtenhagen saßen, den Bischof als „dominus noster". 108 1 354 stellte Bischof Johann von Kammin seine Vasallen Hasse und Yaske zu Lichtenhagen und Wedego mit seinen Brüdern dem Markgrafen als Vertragsbürgen „met eren vesten tu uchtenhagen hus und wicbelde und die land, die dartu behoren und vrienwolde stad und land, die dartu behoren". 109 Aus verschiedenen Urkunden ergibt sich ein Bild über die zu Uchtenhagen gehörigen Besitzungen. Im Jahre 1338 stellten die hier sitzenden Brüder Wedego und Henning von Wedel ihrer Stadt Neu-Freienwalde ein Privileg aus. 110 Diese Stadt, die 1322 schon bestand, 111 ist vielleicht eine Wedeische Gründung. 112 Auf jeden Fall gehörte sie ihnen schon länger, denn in der Urkunde von 1338 wird auf ein Privileg hingewiesen, das der Vater der beiden Brüder der Stadt verliehen habe. Auch das nördlich von Freienwalde gelegene Dorf Mellen war im Besitz der in diesem Gebiet ansässigen Wedel. In einer Urkunde von 1347 erklärt Wedego von Wedel, daß die Streitigkeiten eines Hermann und seiner Frau Katharina mit den Bürgern der Stadt Königsberg endgültig vor ihm „in nostra villa Meine" beigelegt worden seien. 113 Hier hatte Friedrich, ein Bruder Wedegos und Hennings, seinen Wohnsitz. 114 Noch im 16. Jahrhundert waren Uchtenhagen, Freienwalde und Mellen die Hauptorte in diesem Besitzkomplex und die Wohnsitze der daran berechtigten Familienmitglieder. In 1 0 7 A . a . O . ; S. 82 ff., 1269 verglich sich Herzog Barnim mit dem Bischof Hermann von Kammin über die Grenzen des dem Bischof gehörigen Landes Massow, PUB II, Nr. 889. 1 0 8 W U B II-2, 62 f. Nr. 93.
109 W U B m . 1 ( 89 f. Nr. 167 = R i e d e 1 (ed.), Codex dipl. Brandenburg., Abt. S (künftig zit.: RS), 29 ff. Nr. 32. 1 1 0 W U B II-2, 48 ff. Nr. 74 = R A X V I I I , 1 1 1 f. Nr. 22. 1 1 1 Aus diesem Jahr ist die älteste datierte Eintragung im Schöffenbuch, s. H. L e m c k e (ed.), Das älteste Schöffenbuch von Freienwalde in Pommern, in: Baltische Studien 32 (1882). S. 16. 1 1 2 Die Beziehung der Stadt zu Freienwalde an der Oder, nach der sie offensichtlich genannt wurde, ist nicht zu erkennen. Auffällig ist allerdings, daß Neu-Freienwalde in der Nähe von Uchtenhagen liegt, das den Namen einer neumärkischen Familie trägt, die später im Besitz von Freienwalde/Oder nachzuweisen ist (RA X I I , 384 f. Nr. 5). Die Uchtenhagen wiederum führen dasselbe Wappen wie die Wedel, vgl. L. v. Le d e b u r , Der Adel der Mark Brandenburg nadi Wappenbildern gruppiert und auf Stammesgemeinschaft zurückgeführt, in: Märkische Forschungen 3 (1847), S. 114. 1 1 3 W U B II—2, 107, Nr. 180 = R A X I X , 208, Nr. 62. 1 1 4 „Fredericus famulus dictus de Wedele morans in Meine", W U B II-2, 67, Nr. 100 = R A X V I I I , 1 1 5 f., Nr. 29.
78
HELGA
CRAMER
den Kriegsdienstpflichten der herzoglichen und bischöflichen Vasallen von 1523 heißt es, daß „die Wedelschen tho Vchtenhagen Frigenwolde und Meine" acht Pferde zu stellen hätten. 115 Zu Lichtenhagen gehörten ferner die Dörfer Kerkow und Schwerin, wie sich aus dem Privileg für Freienwalde von 1338 ergibt, in dem eine Bestimmung für das Stadtgericht enthalten ist, die sich auf die Bauern der „terra Vchtenhaghen, Kerkow, Wrienwaldis et Zweryn" bezieht, was voraussetzt, daß es sich bei diesen Orten um "Wedelschen Besitz handelt. 116 1346 schloß Wedego von Wedel für sich und seine Hintersassen („subditi") einen Vergleich mit dem Bischof und dem Kapitel von Kammin über den Zehnten der Dörfer Helmigshagen (unbekannt) und Schwerin, des im Herzogtum Stettin gelegenen Teiles von Runow 1 1 7 und von 60 dem Friedrich Krümmel „filius Frederici eiusdem cognominis" gehörenden Hufen im Dorf Sillingsdorf. 118 D a in der bereits genannten Wedelschen Urkunde von 1324 1 1 9 unter den Zeugen „Fredericus et Jacobus dicti Crommel" mit dem Zusatz „rogati ad hoc et vocati in testimonium premissorum" genannt werden, ist anzunehmen, daß die Krümmel das Dorf Sillingsdorf von den Herren von Wedel zu Lehen trugen, das demnach damals schon zum Besitz der Wedel zu Lichtenhagen gezählt hat. 1349 übereignete Markgraf Ludwig auf Bitten der Söhne des jüngst verstorbenen Henning, Wedeko, Janeke und Viviantz, dem Kloster Marienfließ das Dorf Falkenberg. 120 Da dieses Dorf an den Wedelschen Besitzkomplex anschließt — in der Urkunde wird seine Lage als „sita prope Uchtenhagen" beschrieben — dürfte kaum ein Zweifel bestehen, daß es sich hierbei um ein Wedelsches, dem Kloster geschenktes Dorf gehandelt hat. Als letztes Dorf, das sich an Hand der Quellen als im 14. Jahrhundert zu Uchtenhagen gehörig nachweisen läßt, ist Kannenberg — nordwestlich von Freienwalde — zu nennen, mit dem Markgraf Ludwig der Römer 1350 Alheid, die Gattin des 115
Matrikeln und Verzeichnisse der pommersdien
Ritterschaft vom X I V .
X I X . Jahrhundert, hrsg. von R. K 1 e m p i n und G. K r a t z , 116
bis in
das
1863, S. 180.
Was außer diesen Orten noch zu der „terra" gehörte, läßt sich nicht sicher feststellen.
F. C u r s c h m a n n ,
Die Landeseinteilung Pommerns, S. 143 f., hält es für wahrscheinlich,
daß sie den ganzen späteren „Freiwaldisdi-Wedelschen Kreis" umfaßte. 117
Die andere Hälfte gehörte zur Neumark, s. F. C u r s c h m a n n ,
Die Landeseintei-
lung Pommerns, S. 144. Im 16. Jahrhundert ist es im Besitz des Wedelschen Lehnsmannes Caspar Roden nachzuweisen ( R A X X I V , 304, N r . 313). Beziehungen zwischen der Familie Roden und den Wedel bestanden auch schon im 14. Jahrhundert, vgl. W U B IV, 7 f., N r . 7. 118
W U B II-2, 106, N r . 179 =
R A X V I I I , 119, N r . 36.
119 Vgl. oben S. 76, Anm. 104. Ein Jakob Krümmel wird auch unter den Zeugen in dem Privileg für Freienwalde ( W U B I I - 2 , 48 ff., N r . 74
=
geführt. 120
W U B I I I - l , 18, N r . 37 =
R A X V I I I , 121, N r . 40.
RA XVIII,
111 f., N r . 22)
auf-
79
D I E H E R R E N V O N W E D E L IM L A N D E Ü B E R D E R O D E R
Wedego, auf Lebenszeit belehnte, „prout idem Wedego miles habuit ipsam et habet (h)actenus". 1 2 1 Vermutlich gehörten aber auch damals schon die beiden Dörfer Rossow und Harmelsdorf zu Uchtenhagen, die im 15. Jahrhundert zusammen mit Kerkow und Kannenberg genannt werden: die Herren von Wedel, so heißt es in einer Eintragung im Stadtbuch von Freienwalde zum Jahr 1480, hätten sich beschwert, daß Antonius von Werten vier Dörfer „in dem lande zur Lichtenhagen, Nemblich Rossow, Karmensdorf, Kannenbergk und K e r k o w " abgebrannt habe". 1 2 2 Gleichfalls vom Bistum Kammin zu Lehen hatten die Wedel Besitzungen in der „terra" Bublitz (östl. Belgard, Kreis Köslin), über die wir allerdings nur aus einer einzigen Urkunde Nachricht erhalten und deren Erwerbung zeitlich nicht festzulegen ist. Im Jahr 1339 verkauften mehrere Wedel aus den Häusern Schivelbein, Falkenburg und Uchtenhagen zusammen mit Angehörigen der Familien Spening und Saynitz dem Bischof Friedrich von Kammin „bona nostra castri, civitatis et terre Bubulcick" mit allen Zubehörungen, Rechten, Abgaben, Diensten und Erträgen, wie sie diese Güter vom Bischof zu Lehen getragen hätten. 1 2 3 Schließlich seien in diesem Zusammenhang noch zwei Burgen in Ostpommern erwähnt, die kurzfristig im Besitz Ludolfs oder — wie er auch genannt wird — Ludekes von Wedel waren: Schlawe und Pollnow. Im Jahre 1307 schlössen die Markgrafen Otto, Hermann und Waldemar einen Vertrag mit Peter von Neuenburg, seinem Vater und seinen Brüdern und belehnten sie mit den Burgen Rügenwalde, Schlawe, Pollnow, Tuchel und Neuenburg. 1 2 4 Ludeke von Wedel habe, so heißt es in dem Vertrag, vor den Markgrafen auf Schlawe und Pollnow verzichtet. Schon lange hatten die Askanier, wie erwähnt wurde, 1 2 5 versucht, die ostpommerschen Gebiete in ihre H a n d zu bekommen. Erst 1305 gelang es ihnen, von König Wenzel II. von Böhmen, der seit 1300 auch König von Polen war, 1 2 6 die Zusicherung zu erhalten, daß er 121
W U B I I I - l , 23, Nr. 45 =
R A X V I I I , 122, N r . 42. Auf Grund welcher Besitzrechte
der Markgraf über diese beiden Dörfer verfügen konnte, ist nicht sicher festzustellen. Sie lagen im Land Uchtenhagen, das nidit zur Neumark gehörte, vgl. G. W r e d e , Grenzen der Neumark, S. 19 ff. und 39 ff. Es ging im 14. und auch noch im folgenden Jahrhundert vom Bisdiof von Kammin zu Lehen. In einer Urkunde von 1334 nennt Bischof Friedrich von Kammin Markgraf Ludwig „dominus noster" ( P U B VIII, Nr. 5207), und so ist immerhin denkbar, daß der Markgraf oberlehnsherrliche Rechte über Falkenberg und
Kannenberg
geltend machte. 122
E x t r a k t aus dem Verzeichnis des Stadtbuches zu Freienwalde aus dem Jahr
zit. nach G. W r e d e , 123
Grenzen der Neumark, S. 47 f. Anm. 26.
W U B II-2, 60 f., N r . 92 =
im w u b n . ^
49>
N r
.
8 3
=
P U B
R A X V I I I , 113 f., Nr. 26. I V )
N r
. 2355 =
K r a b b o , N r . 2024.
125
Vgl. oben S. 66 f.
126
J . S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg I, S. 199.
1480,
80
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ihnen gegen die Rüdsgabe des Landes Meißen Ostpommern überlassen wolle; 127 doch mußten sie ihren Anspruch Wladyslaw Lokietek gegenüber, der sich nach der Ermordung Wenzels III. (1306) zum Herrn Polens und Ostpommerns gemacht hatte, durchsetzen.128 Erst nach 1305 also wird die Belehnung Ludekes mit Schlawe und Pollnow erfolgt sein. Fraglich bleibt allerdings, ob eine Besitzergreifung wirklich stattgefunden hat und es sich nicht überhaupt nur um eine Manifestation markgräflicher Besitzansprüche gehandelt hat. 2. Die ersten Besitzungen der Herren von Wedel in der
Neumark
Frühzeitig finden wir die sechs Brüder Wedel auch in der Mannschaft der Markgrafen von Brandenburg, von denen sie für ihre Dienste ebenfalls mit Grundbesitz belehnt wurden. So ist nicht nur eine Ausdehnung des Wedelsdien Besitzes von dem Gebiet um Arnswalde als dem vermutlichen Ausgangspunkt aus nach Nordwesten sondern auch im Bereich der Neumark in südlicher und südöstlicher Richtung festzustellen. In der 1291 in Kürtow, das während der folgenden zwei Jahrhunderte in Wedelschem Besitz blieb,129 von Zulis und Ludolf ausgestellten Urkunde schenken die beiden Brüder dem ein Jahr zuvor von Markgraf Albrecht gegründeten Nonnenkloster zu Bernstein sechs Hufen in ihrem Dorf Falkenberg, 130 das sie zur Hälfte vom Kloster Kolbatz zu Lehen trugen. 131 Falkenberg blieb bis 1317 in Wedelschem Besitz. In diesem Jahr verkaufte Herzog Otto von Stettin dem Marienkloster zu Bernstein 28 Hufen mit dem Krug zu Falkenberg „mit aller gerediticheit, inmaten Henninck van Wedel sollikes vorhenn inne gehatt" 132 . Ebenfalls vom Kloster Kolbatz zu Lehen hatten die Wedel das Dorf Wendisch-Latzkow (südwestl. Falkenberg), worüber eine Verkaufsurkunde von 1324 Auskunft gibt. 133 Im Landbuch der Neumark Brandenburg von 1337 wird Wendisch-Latzkow als ein Dorf der „terra" Bernstein aufgeführt, 134 die in der zweiten Hälfte des 127
RB I, 263 f., Nr. 335 = K r a b b o , Nr. 1966.
128
M. W e h r m a n n , Geschichte von Pommern I, 2 1 9 1 9 , S. 120.
129
130
Vgl. oben S. 72. IJ_ 1> 1 9 > N r . 30.
W U B
1 3 1 1282 bestätigten die Markgrafen Otto IV. und Conrad dem Kloster Kolbatz alle Redite und Besitzungen, u . a . „mediam villam valkenberg" (PUB II, N r . 1232); vgl. auch PUB III, Nr. 1295 und V, Nr. 2816.
132
P U B
133
W U B II-2, 1, Nr. 1 = PUB VI, Nr. 3750.
V )
N r
.
3 1 5 3
.
Das Neumärkische Landbuch Markgraf Ludwigs des Älteren vom Jahre 1337, bearb. von L. Gollmert, 1862 (künftig zit.: G o l l m e r t , Landbuch), S. 2 7 ; v. R a u m e r , Landbuch (s. Anm. 55), S. 104. Über das Landbuch vgl. unten S. 91 ff. 134
D I E H E R R E N V O N W E D E L IM L A N D E Ü B E R D E R O D E R
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13. und während des 14. Jahrhunderts des öfteren zwischen Brandenburg und Pommern gewechselt hat. 135 Außer Wendisch-Latzkow und Falkenberg, das allerdings im Landbuch nicht zur „terra" Bernstein geredinet wird, 136 besaßen die Herren von Wedel in diesem Gebiet noch das Dorf Gottberg, das 1313 anläßlich seiner Übertragung an Johann von Hagen durch die Brüder Hasso, Beteko und Henning von "Wedel zum ersten Mal erwähnt wird. 137 Schon fünf Jahre später verpfändeten die genannten Brüder Gottberg an einige Bürger zu Stargard, 1 3 8 konnten es aber offensichtlich nicht termingerecht einlösen, da 1320 der Verkauf des Dorfes von Herzog Otto bestätigt wurde. 139 In derselben Urkunde, in der Hasso, Betekin und Henning dem Johann von Hagen Gottberg übertragen, belehnen sie ihn auch mit zehn Hufen in Schlagenthin (nördlich an Arnswalde angrenzend), in dem die Wedel ebenfalls schon frühzeitig über Rechte verfügten — 1299 verliehen sie dem Kloster zu Reetz das Patronat über die Kirche zu Schlagenthin 140 —, und mit 23 Hufen zu Kranzin sowie dem dienstfreien Hofe dort und acht dazugehörigen Hufen, was ungefähr die Hälfte des Dorfes ausmachte. 141 Aber schon bald gingen den Herren von Wedel die lehnherrlichen Rechte über den Besitz zu Kranzin verloren, denn 1319 gab Markgraf Waldemar dem Johann von Hagen die 31 Hufen zu Lehen „sicut idem miles ab ipsis de Wedel prius noscitur possedisse". 142 Weiterhin besaßen die Wedel das nördlich von Kranzin gelegene und im Osten an Kürtow angrenzende Dorf Radun, das ihnen aber ebenfalls noch in askanischer Zeit wieder verlorenging. In derselben Urkunde, in der Markgraf Waldemar dem Henning von Hagen den Besitz in Kranzin übertrug, belehnte er ihn mit dem Dorfe Radun, „sicut illi de Wedele a nobis possiderunt". 1 3 5 Bernstein war 1280 neumärkisch ( K r a b b o , N r . 1218), wurde 1315 von Markgraf Waldemar an Herzog Otto von Stettin verkauft (RA X V I I I , 75, Nr. 22), war aber 1328 (RA X V I I I , 75 f., N r . 23) ebenso wie bei der Aufnahme des Landbuches wieder märkisch, muß kurz darauf wieder zu Pommern gekommen sein (RB II, 125ff., N r . 747) und wurde 1364 wieder zur Neumark geredinet (RB II, 465 ff., N r . 1072).
136 Vermutlich hat Falkenberg aber früher zur „terra" Bernstein gehört. 1296 — also in einer Zeit, in der auch die „terra" Bernstein märkisch war — stellten die Markgrafen in Falkenberg eine Urkunde aus (RA X V I I I , 5 f., N r . 5), während 1317, zwei Jahre nach dem Verkauf Bernsteins an Pommern, Herzog Otto über Falkenberg verfügte (PUB V, N r . 3153). 1 S T W U B I I - l , 66 f., N r . 114. 138 P U B v , N r . 3232. 139 P U B V j N r - 334 8 . 140 p u B V, N r . 2871. 1 4 1 Nach dem Neumärkischen Landbuch von 1337 hatte Kranzin 64 Hufen, G o 11 m e r t , Landbuch, S. 25. 1 4 2 WUB I I - l , 87, N r . 150 = R A X V I I I , 103 f., N r . 6.
6
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östlich von Kranzin liegt Plagow. Hierum handelt es sich wohl bei dem „Nyenplawen" genannten Dorf, das noch vor dem Ende des 13. Jahrhunderts von Hasso, Zulis und Ludolf von Wedel dem Kloster Marienwalde geschenkt wurde, worüber wir aus der markgräflichen Bestätigungsurkunde von 1296 Aufschluß erhalten. 143 Eine weitere Schenkung machte Hasso dem Kloster 1305 über zehn Hufen in seinem Dorfe Regenthin, 144 dessen Rest allerdings auch bald veräußert worden sein muß, denn 1317 befand sich Henning Blume im Besitz des ganzen Dorfes. 145 Nur wenig läßt sich über Glambeck ermitteln, in dem die Wedel um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert Besitz hatten. In einer Urkunde von 1301 wird in der Zeugenreihe der markgräfliche Vogt Hasso von Glambeck aufgeführt, 146 der zweifellos mit dem in den folgenden Jahren genannten Vogt Hasso von Wedel147 identisch ist und in Glambeck seinen Wohnsitz hatte. In Verbindung mit Glambeck wird er auch 1308 noch einmal erwähnt. 148 Dieser Besitzkomplex — auch der nordwestlich von Regenthin gelegene Große Pritzensee gehörte dazu 149 —, der sich von Arnswalde aus in einem breiten Streifen quer durch die Neumark bis fast zur Drage hinzieht, scheint im Laufe der letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts in erster Linie von Zulis von Wedel erworben worden zu sein. Die Verkäufe und Übertragungen der Besitzungen in Kranzin, Schlagenthin, Gottberg und Falkenburg wurden von seinen Söhnen Hasso, Beteko und Henning durchgeführt, denen auch Radun gehört hatte, 150 ebenso wie Kürtow, in dem sie 1321 eine Urkunde ausstellten 151 und wahrscheinlich sogar ihren Wohnsitz hatten. 152 Und an NeuPlagow war Zulis ebenfalls mitberechtigt gewesen. Da sich auch nordöstlich von Kürtow ein größeres Landgebiet im Besitz der Wedel befand — denn die Stadt Neuwedel weist schon durch ihren Namen auf eine Wedeische Gründung, die in der Zeit vor 1313 erfolgt sein wird 153 —, liegt die Ver143
WUB II-l, 25, Nr. 41 = RA XVIII, 5 f., Nr. 5.
144 W U B n . 1 ( 145
146
41 f ( N r 71 =
R A XIX> 446 f t N r
5
RA X I X , 455 f., Nr. 16.
I M j 34> N r 5 8 = R A XVIII, 72 f., Nr. 18. WUB I I - l , 35 f., Nr. 60, 38, Nr. 64, 46, Nr. 77. 148 WUB I I - l , 53, Nr. 91 = PllUB, Nr. 663 = K r a b b o , Nr. 2073. 149 1308 schenkten Ludolf von Wedel und seine Söhne zusammen mit den Söhnen seines verstorbenen Bruders Zulis dem Kloster Marienwalde den „Stowinge" des Pritzensees, WUB I I - l , 51 f., Nr. 88 = RA X I X , 450, Nr. 8. 150 1321 belehnten Hasso, Beteko und Henning den Henning von Hagen mit Radun, WUB I I - l , 100, Nr. 171. 151 Ebda. 152 1326 werden sie als „filii de Kurictowe" bezeichnet, WUB II-2, 5, Nr. 7. 153 Vgl. oben S. 73, Anm. 81. 147
W U B
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mutung nahe, daß auch das zwischen Kürtow und Neuwedel gelegene Dorf Zühlsdorf, im Landbuch von 1337 „Czulstorp" genannt, 154 dieser Familie gehörte, ja von jenem ebengenannten Zulis von Wedel angelegt wurde, wenngleich dies urkundlich nicht zu belegen ist. Immerhin spricht für die vermutete Beziehung zwischen den Wedel und Zühlsdorf außer dem Namen Zulis auch die Tatsache, daß des öfteren Personen, die sich nach diesem Dorf nannten, in Wedeischen Urkunden als Zeugen auftreten. So testierte 1305 ein „Petrus de Kulitzdorff" in einer Urkunde Hassos von Wedel, 155 1314 ein „Gerardus Sulstorp" in der von Heinrich und Johann von Wedel für ihre Stadt MärkischFriedland ausgestellten Urkunde 156 und 1321 ein „Cristianus deZulisdorp" für die Brüder Hasso, Beteko und Henning. 157 Nicht undenkbar ist, daß auch das südöstlich von Glambeck und nördlich von Neuwedel gelegene Dorf Hassendorf, das 1337 als Wedelscher Besitz erscheint,158 von ihnen gegründet wurde. Das gleiche könnte bei dem südwestlich von Regenthin gelegenen Dorf Lämmersdorf, das ursprünglich Lambrechtsdorf hieß, 159 der Fall sein. Jedoch fehlt hier außer dem Namen Lambrecht, einem der Leitnamen der Wedeischen Familie, jeder weitere Anhaltspunkt. Schließlich muß zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch die Burg Driesen an der Netze in Wedeischen Besitz gekommen sein. Driesen hatte als Grenzfeste zwischen Brandenburg und Polen eine große militärische Bedeutung und war während der ganzen zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein Streitobjekt zwischen den Askaniern und den polnischen Herzögen gewesen. 160 An die Wedel war die Burg von den Markgrafen wohl deshalb übergeben worden, weil sie sich von der mächtigen Familie eine wirksamere Grenzsicherung in diesem Gebiet versprachen. Die erste Nachricht über die Wedel in Driesen stammt aus dem Jahr 1305. Damals stellte „Hasso, dictus de Wedele, in Castro Drysen residens" eine Urkunde aus. 161 1306 wird er als „Hasso miles de Wedele, nunc dictus de Drysen" bezeichnet.162 Diese WenG o 11 m e r t , Landbuch, S. 25. WUB I I - l , 41 f., Nr. 71 = R A X I X , 446 f., Nr. 5. 158 WUB II-l, 71 f., N r . 122 = R A X V I I I , 102 f., Nr. 5.
154
155
WUB I I - l , 100, N r . 171. Im Neumärkischen Landbuch wird Hassendorf unter den Dörfern der „terra" Falkenburg aufgeführt. G o l l m e r t , Landbuch, S. 29; vgl. dazu unten S. 93 ff. 1 5 9 R A X I X , 447 f., N r . 6; 452 f., Nr. 12 u. ö. 1 6 0 Vgl. K r a b b o , N r . 911, 982, 989, 1024. 1 6 1 WUB I I - l , 41 f , N r . 71 = R A X I X , 446 f., N r . 5. 1 6 2 WUB I I - l , 47, N r . 71 = R A X I X , 449, N r . 7. P. v. N i e ß e n hält das „in Castro Drysen residens" nicht für einen Beweis dafür, daß die Wedel die Burg innehatten (Geschichte der Neumark, S. 337, Anm. 1); es wird aber dadurch, daß Hasso sich nach ihr benannte, dodi wahrscheinlich gemacht. Eine Urkunde von 1321 nennt einen „filius domini Hassonis de Dresen", R B I, 474 ff., Nr. 569. 157 158
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dung deutet darauf hin, daß ihm die Burg nicht lange vor dieser Zeit übertragen wurde. Sie gehörte den Wedel auch nur kurz: 1317 belehnte Markgraf Waldemar die von der Ost, ein ebenfalls mächtiges neumärkisches Rittergeschlecht, mit Burg und Stadt Driesen und den dazugehörigen Gütern. 163 Hatten die Herren von Wedel, wie sich gezeigt hat, einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Erschließung und Besiedlung des ihnen übertragenen Landes in der „terra" Arnswalde, so war das in gleichem Maße im nördlichsten Teil der Neumark, der „terra" Schivelbein, der Fall und in den Gebieten um Falkenburg und Märkisch-Friedland. Der Zeitpunkt, an dem die Wedel hier Besitz erwarben — wobei offensichtlich Ludolf, der jüngste der sechs Brüder, führend war —, ist nicht genau zu bestimmen. Schivelbein, das schon 1280 als märkisch bezeugt ist,164 wurde zwölf Jahre später von Markgraf Albrecht III. aus der ottonischen Linie an Otto IV. und Conrad, seine Vettern aus der johanneischen Linie, verpfändet, 165 die Schivelbein wahrscheinlich 1296 Stadtrecht verliehen.166 Da die Wedel seit ihrem Erscheinen in der Neumark nur in Urkunden der Markgrafen aus der johanneischen Linie genannt werden, haben sie also wohl auch erst nach 1292 Land in dieser Gegend erworben, möglicherweise mit dem Auftrag, die Besiedlung in Angriff zu nehmen. Im Jahre 1313 verkaufte Ludolf von Wedel den Brüdern Dietrich und Otto von Elbe das südlich von Schivelbein gelegene Dorf Ventzlaffshagen und stellte ihnen außerdem, falls sie die wüste Heide bewohnen und bearbeiten wollten, weitere 64 Hufen als Lehen in Aussicht.167 Ausgestellt ist diese Urkunde zu Falkenburg an der Drage. Wann diese Gegend der Mark einverleibt wurde, ist ungewiß, doch ist die Zeit kurz nach der Ermordung des polnischen Herzogs Przemyslaw (1296) die wahrscheinlichste.168 Sicher ist die Zugehörigkeit 163
RA XVIII, 282 f., Nr. 1.
164
Vgl. oben S. 67.
166
RA XVIII, 213 f., Nr. 2.
166
J. S c h u l t z e , Die Mark Brandenburg I, S. 195, G. K r a t z , Die Städte der Provinz Pommern, S. 341. 167
„Insuper si desertum merice inhabitare, colere et operari decreverint, ipsis porrigemus LXIIII mansos cum omni i u r e . . . " , WUB I I - l , 65 f., Nr. 113. Die Größe von 64 Hufen hatte in der Regel ein in der Neumark neuangelegtes Dorf, vgl. P. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 376 ff., R. K o s e r , Geschichte der brandenburgisch-preußisdien Politik I, 1913, S. 56. Für 122 der 279 Dörfer des Neumärkischen Landbudis wird diese Größe angegeben. Vgl. auch die Urkunde über die Gründung der Stadt Arnskrone (RB I, 248 ff., Nr. 318); von den 208 der Stadt zugewiesenen Hufen sollen 64 für die Anlage eines der Stadt gehörenden Dorfes verwandt werden. Je 64 Hufen sollen auch die Freunde der Gründer erhalten, die diesen folgen werden. 168
Vgl. oben S. 67 f.
DIE H E R R E N V O N WEDEL IM L A N D E ÜBER D E R ODER
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jedoch erst für das Jahr 1312.169 1333 verliehen zwei der sieben Söhne Ludolfs von Wedel, Ludeke und Hasso, ihrer Stadt Falkenburg brandenburgisches Recht.170 Hasso hatte sich schon 1322 nach diesem Ort genannt. 171 Es ist anzunehmen, daß er, ebenso wie die allerdings erst 1317 urkundlich bezeugte Burg,172 auch 1313 schon in Wedeischen Händen war. Vielleicht war beides von Ludolf selbst angelegt worden. Daß die Wedel in diesem Gebiet, das wahrscheinlich gleich nach dem Erwerb von den Markgrafen an Ludolf von Wedel übertragen wurde und einen nicht unbeträchtlichen Umfang gehabt haben dürfte, siedlerisch tätig waren, geht aus dem Namen des zwischen Dramburg und Falkenburg gelegenen Dorfes Zühlshagen („Zullishagen") hervor, 173 das nach dem Landbuch von 1337 zur „terra" Falkenburg 174 und mithin den Wedel gehörte,175 ebenso wie aus der Gründung der südlich von Falkenburg gelegenen Stadt Märkisch-Friedland („Nuva Vredeland"), deren Grenzen die Brüder Heinrich und Johann von Wedel, ebenfalls Söhne Ludolfs, im Jahre 1314 festsetzten.176 Daß es sich auch hier um eine größere Besitzung gehandelt hat, zeigt sich schon daran, daß die Stadt von den Brüdern mit der Feldmark („locus ville") des nördlich angrenzenden 64 Hufen großen Dorfes Latzig („Kawrens las") ausgestattet werden konnte. Sehr wahrscheinlich hat sich auch schon zu dieser Zeit das zu Tütz gehörige Gebiet („terra Tenczick") im Besitz Ludolfs von Wedel und seiner Söhne befunden, das nach dem Landbuch von 1337 Ludwig, der zweite Sohn Ludolfs, innehatte; 177 denn in der Gründungsurkunde der Stadt Märkisch-Friedland werden unter den Zeugen „Nicolaus et Johannes fratres dicti Knokendorp, fundatores premisse civitatis Nuve Vredeland et consules ibidem" genannt, die, offensichtlich Vasallen der Herren von Wedel, aus dem Dorf Knakendorf, 169 RB I, 338, Nr. 425 = K r a b b o , Nr. 2281: In dem Vertrag zwischen den Markgrafen und dem Bischof von Posen über den Zehnten in dem Gebiet zwischen Netze, Drage und Küddow wird auch Falkenburg genannt.
wo W U B j I . 2 ; 20 ff., Nr. 30 = RA X X I V , 17 ff., Nr. 28. Zwar ist schon 1317 (RA XVIII, 217 f., Nr. 8) von einer „civitas" Falkenburg die Rede, doch wird es sich dabei nur um eine größere Ansiedlung, einen Flecken, nicht um eine Stadt im Rechtssinne gehandelt haben, vgl. P. v. N i e ß e n , Über die Gründung der Stadt Falkenburg, in: Monatsbll. d. Gesellsch. f. pommersche Gesch. u. Altertumskunde 47 (1933), S. 49 f. 171 PUB VI, Nr. 3637. 172 RA XVIII, 217 f., Nr. 8. 173 Wann die Dörfer Wedelsdorf (sö. Nörenberg) und Zühlskamp (sö. an Falkenburg angrenzend), die zweifellos ebenfalls von den Wedel gegründet wurden, angelegt wurden, ließ sich nicht ermitteln. 174 G o l l m e r t , Landbuch, S. 29. 175 Vgl. unten S. 93 ff. 176 WUB I I - l , 71 ff., Nr. 122 = R A XVIII, 102 f., Nr. 5. 177 G o l l m e r t , Landbuch, S. 27.
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südlich von Märkisch-Friedland, stammten. Dieses Dorf aber ist im N e u m ä r kischen Landbuch ein Bestandteil der „terra" T ü t z („Tenczick"). 1 7 8 3. Die Erwerbung
Schivelbeins
Aus der obengenannten U r k u n d e von 1313, in der Ludolf von Wedel den Brüdern Dietrich und O t t o von Elbe das Dorf Ventzlaffshagen verkauft und weiteres Land in Aussicht stellt, zeigt sich, daß die Herren von Wedel zu Beginn des 14. Jahrhunderts über Besitz in der „terra" Schivelbein verfügten. Wesentlich vermehrt wurde dieser Besitz, als Markgraf Waldemar, der sich wohl in Geldschwierigkeiten befand, im J a h r 1319 Wedego von Wedel und Nikolaus Olafson, dem ehemaligen Truchseß des dänischen Königs, „Schivelbeyn H u s und Stad mit Luten, mit Lande, mit Gute . . . " f ü r 11 000 M a r k Brandenburgischen Silbers verkaufte. 1 7 9 Zwei Jahre zuvor hatte Markgraf Waldemar „terram civitatem et Castrum" f ü r 6000 M a r k an den Bischof von Kammin verpfändet, 1 8 0 in der Zwischenzeit aber offensichtlich wieder eingelöst. Die allgemein gehaltene Formulierung der Verkaufsurkunde von 1319 wirft zwei Fragen auf; einmal, welchen U m f a n g die „terra" Schivelbein zum Zeitp u n k t des Verkaufes hatte, zum anderen, welchen U m f a n g das in diesem J a h r v e r k a u f t e Gebiet hatte. Denn d a ß der Verkauf nicht die g a n z e „terra" betroffen haben kann, macht das Landbuch von 1337 wahrscheinlich, in dem 21 zu Schivelbein gehörige D ö r f e r a u f g e f ü h r t werden, wobei aber weder von Besitzrechten der Wedel noch der Erben des Nikolaus Olafson die Rede ist. 181 Jedoch zeigen U r k u n d e n aus der Zeit nach 1337, d a ß die Wedel den ihnen hier übertragenen Besitz keineswegs in der Zwischenzeit wieder veräußert hatten, wobei vor allem eine U r k u n d e von 1384 zu nennen ist, in der „Johannes de Wedeln et dominus de Schivelbein" sich „cum omnibus bonis videlicet Castro et opido Schivelbein . . . cum villis, terris, possessionibus . . . " dem Deutschen O r d e n gegen Bezahlung seiner Schulden übergibt. 1 8 2 Der Familienforscher Heinrich von Wedel geht davon aus, daß das Gebiet des Landbuchs, das im N o r d e n im großen und ganzen mit der Rega abschließt — nur das jenseits davon gelegene Dorf Nelep und vielleicht Grössin 1 8 3 sind märkisch — 178 Ebda. 179 W U B n - l , 88 f., Nr. 152 = RA XVIII, 218 f., Nr. 9, „tu rechteme lene gelegin mit samender Hand vnde vorcoft tu rechteme cope . . . " . 180 RA XVIII, 217 f., Nr. 8. 181 Vgl. G o 11 m e r t , Landbuch, S. 26. 182 WUB IV, 41 f., Nr. 43 = RA XVIII, 236 f., Nr. 33. 183 Ob das westlich von Nelep gelegene Grössin mit dem „Gressen" bei v. R a u m e r , Landbuch, S. 103, aber „Breszen" bei G o 11 m e r t , Landbuch, S. 26, genannten Dorf identisch ist, ist fraglich.
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und als das südlichste Dorf Sarranzig nennt, dem 1319 verkauften entsprach. Infolgedessen kann er die Tatsache, daß die Wedel im Landbuch nicht als Besitzer der „terra" Schivelbein auftauchen, nur mit dessen Unzuverlässigkeit erklären. 184 Demgegenüber versucht Paul v. Nießen, dem ich mich anschließen möchte, eine andere Deutung. 185 V. Nießen stellt zunächst fest, daß das 1384 dem Orden verkaufte Gebiet im Norden fast ganz mit dem des späteren Kreises Schivelbein übereinstimmt. Die nördlich der Rega gelegenen Dörfer des späteren Kreises, die im Landbuch fehlen und 1321 auch noch dem Bistum Kammin gehörten, 186 müssen kurz nach der Aufnahme des Landbuches märkisch geworden sein, denn 1341 verfügte Markgraf Ludwig über zwei dieser Dörfer, Pribslaff und Beustrin. 187 Da es offensichtlich zwischen dem Markgrafen und dem Bischof von Kammin, der die „terrae" Schivelbein, Falkenburg und Lippehne als ihm nach dem Tode Markgraf Waldemars heimgefallene Lehen beanspruchte, Auseinandersetzungen gegeben hatte, die erst 1337 beendet wurden, dadurch daß Markgraf Ludwig diese Gebiete vom Bischof zu Lehen nahm, 188 hält v. Nießen es für wahrscheinlich, daß infolge dieser Einigung auch die nördlich des Regabogens gelegenen Dörfer zur Mark zurückkamen, die nach seiner Ansicht schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Tode Waldemars — und damit auch zum Zeitpunkt des Verkaufs — den Askaniern gehört hatten, bald darauf aber vom Bischof von Kammin an sich gebracht worden waren. Um diese Dörfer nun habe es sich im wesentlichen bei dem Verkauf von 1319 gehandelt. Wenn diese Interpretation infolge mangelnder urkundlicher Quellen zunächst auch bloße Hypothese bleiben muß, so hat sie doch den Vorzug, einen plausiblen Grund für die Tatsache zu liefern, daß die Herren von Wedel im Landbuch nicht als Besitzer der „terra" Schivelbein genannt werden, vor allem als spätere Urkunden zeigen, daß sie in diesem Gebiet nördlich der Rega tatsächlich Besitz hatten. So betrafen die 1341 stattgefundenen Verfügungen über Pribslaff und Beustrin Angehörige der Familie von Wedel: Markgraf Ludwig verlieh Jutha, der Gattin Hassos des Älteren von Wedel, auf dessen Ersuchen als Leibgedinge 40 H u f e n in Pribslaff sowie die Mühle in Beustrin. Im 184
H. F. P. v. W e d e 1 (wie Anm. 81) II, S. 14.
185 p v N i e ß e n , Die Entstehung einer Territorialherrschaft im Lande Schivelbein und die Ausdehnung dieses Landes im 14. Jahrhundert, in: Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Neumark 4 (1896), S. 109 ff. 186 p u b v i , Nr. 3491: Die pommerschen Herzöge Otto I., Wartislaw IV. und Barnim III. setzen die Grenzen ihres Landes gegen das Bistum Kammin fest. 187
WUB II-2, 74, Nr. 111 = RA XVIII, 118, Nr. 33.
188
R A XVIII, 76 f., Nr. 25.
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Jahre 1370 übertrug Markgraf Otto der Gattin Johanns von Wedel, Berta, die Dörfer Teschenbusch („Tesbedorp"), Klötzin („Clotzin") und die Mühle Beustrin, „sicut prefatus Johannes a nobis in pheodum habet". 189 Fünf Jahre später belehnte Hans von Wedel seinen „lyven getruwen man" Koppen zu Labenz mit vier abgabefreien Hufen im Dorf Technow, wie sie bereits der Vater des Koppen vom Vater des Hans zu Lehen getragen habe.190 Audi das westlich an Teschenbusch angrenzende Dorf Leckow läßt sich als Wedelscher Besitz erschließen, denn ein Kurt, der sich nach diesem Ort nannte und dort Besitz hatte, 191 wird in der Zeugenreihe einer Urkunde des Hans von Wedel von 1378 als Wedelscher Vasall bezeichnet.192 Genauso verhält es sich vermutlich auch bei dem südlich von Teschenbusch gelegenen Dorf Klemzow. Dessen Namen trug ein Ludeke, 193 der zwar nicht ausdrücklich als Vasall der Wedel aufgeführt wird, doch offensichtlich auch zu ihrer Mannschaft gehörte, denn er wird in der Zeugenreihe einer Urkunde des Hans von Wedel von 1383 hinter dem Koppen zu Labenz genannt, 194 der schon früher als Vasall des Hans bezeichnet worden war. Schließlich weist eine Urkunde von 1386, in der Caspar von Prittitz, der vom Deutschen Orden in dem zwei Jahre zuvor erworbenen Gebiet eingesetzte Vogt, der Kirche zu Schivelbein fünf Hufen in Falkenberg (nördl. Leckow) übereignet,195 darauf hin, daß auch dieses Dorf zu dem von Hans von Wedel verkauften Besitzkomplex gehört hat. Das einzige mit Sicherheit im Landbuch genannte nördlich der Rega gelegene Dorf, Nelep, kam nachweislich erst nach 1349 in Wedeischen Besitz. In diesem Jahr übertrug Markgraf Ludwig Hasso dem Älteren von Wedel „singula bona et redditus, que vel quos Henningus de Sagantz et Hen. de Woppersnow, quondam nobis fideles dilecti bone memorie, in villa Nilep a nobis in pheudo tenuerunt". 196 Hasso oder sein Sohn Hans muß dann den Besitz in diesem Dorf an die Erben des Henning von Wopersnow weiterverliehen haben; 1389, fünf Jahre nach dem Verkauf von Schivelbein an den Deutschen 189 190 191
WUB III-2, 97 f., Nr. 157 = RA XVIII, 229, Nr. 24. WUB IV, 9, Nr. 8 = RA XVIII, 231 f., Nr. 27.
Im Jahre 1399 verkauften ein Hans Lekow und sein Sohn Jacob einen Zins von 20 Mark auf ihrem Gute Lekow, J o a c h i m , (s. Anm. 40), Nr. 73. Noch 1499 wird ein „Leko zu Leko" genannt, R i e d e l (ed.), Cod. dipl. Brandenburg., Abt. C (künftig zit.: RC) II, S. 440. 192 WUB IV, 28 ff., Nr. 30. 193 D a ß diese Familie in Klemzow Besitz hatte, zeigt die Nennung von „Hennigk, Ludeke, Erke von Clemptzo zu Clemptzo", R C II, S. 440. i m WUB IV, 40, Nr. 42 = RA XVIII, 235 f., Nr. 32. 195 Regesta Historiae Neomarchicae. Die Urkunden zur Geschichte der Neumark und des Landes Sternberg, bearb. von K. Kletke, in: Märk. Forschungen 10 (1867) u. 12 (1868) (künftig zit.: K 1 e t k e , MF 10 bzw. 12), MF 10, S. 383. 196 WUB III-l, 6, Nr. 11.
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Orden, verkauften die Gebrüder von Wopersnow der Fronleichnams-Brüderschaft in Schivelbein sieben Hufen „in bonis nostris ville Nelep . . . coram Domino nostro", d. h. dem Ordensvogt Macharius von Swidnitz, 197 der die Übertragung vornahm, wozu ihm das Recht eben seit dem Verkauf Schivelbeins zukam. Spricht dies alles für die Vermutung, daß der Hauptteil des 1319 verkauften Gebietes nördlich der Rega lag, mit dem Wedego von Wedel dann zwischen dem am 14. August 1319 erfolgten Tod Waldemars und 1321 unter die Lehnsherrschaft des Bischofs von Kammin kam, so wird sie noch dadurch unterstützt, daß es auf diese Weise möglich ist, einen Zusammenhang mit der Tatsache herzustellen, daß derselbe Wedego auch im Besitz des zum größten Teil vom Kamminer Bischof zu Lehen gehenden Landes Lichtenhagen war, was nunmehr an einen Beginn der Erwerbung dieses Besitzes in der Zeit zwischen 1319 und 1324, der ersten Erwähnung Lichtenhagens, denken läßt. 198 Aber auch in dem im Landbuch als markgräflich aufgeführten Teil der „terra" Schivelbein haben die Wedel Dörfer an sich gebracht. In der Urkunde von 1349, in der Markgraf Ludwig Hasso von Wedel, den zweiten Sohn Wedegos, mit den Gütern in Nelep belehnte, verlieh er ihm die Anwartschaft auf den Besitz des Matheus Drossete im Dorf Simmatzig (östlich an die Stadt Schivelbein angrenzend), sobald dieser sterben sollte, ohne rechtmäßige Erben zu hinterlassen.199 In einer Urkunde von 1376 wird Simmatzig dann noch einmal erwähnt, als Hans von Wedel das Pfarramt der Kirche in diesem Dorf, deren Einkünfte für den Unterhalt eines eigenen Pfarrers nicht ausreichten, dem Pfarrer des südlich angrenzenden Dorfes Klützkow übertrug. 200 Auch andere im Landbuch genannte Dörfer der „terra" Schivelbein sind später als Wedelscher Besitz nachweisbar, ohne daß dabei allerdings urkundliche Zeugnisse für die Übertragung vorliegen. 1383 befreite Hans von Wedel Michel von der Elbe auf Gumtow und dessen an Gumtow mitberechtigte Vettern von allen auf diesem Gute lastenden Diensten, 201 und 1386 belehnte der Vogt Caspar von Prittitz denselben Michel mit einer Hufe im Dorf Labenz mit allen Rechten und Zubehörungen, „alse Hans de Schivelbeen de beseten heft unde alse se tu deme orden gekomen ist". 202 Als Wedeische Vasallen treten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Fritz, der sich nach dem Dorf 197
RA XVIII, 242, Nr. 42. Vgl. oben S. 76. Im Besitz von Lichtenhagen war später die Nachkommenschaft des Wedego. 199 W U B III-l, 6, Nr. 11. 200 W U B I V > 1 6 ) N r 1 7 = R A XVIII, 232, Nr. 28. 201 WUB IV, 40, Nr. 42 = RA XVIII, 235 f., Nr. 32. 202 WUB IV, 51, Nr. 55 = RA XVIII, 241, Nr. 40. 198
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Rützow nannte, 203 und Heyne Hinrichsdorf, dessen Vorfahren nach dem Landbuch von 1337 acht Lehnshufen in Panzerin besaßen, 204 in Erscheinung. Leider läßt sich durch das Fehlen weiterer Urkunden nicht verfolgen, auf welche Weise und in welchem Maße die Herren von Wedel ihre Besitzungen in diesem Gebiet ausdehnen konnten. Doch da auch keinerlei Zeugnisse für Verfügungen über die anderen im Landbuch genannten Dörfer von markgräflicher Seite vorliegen, ist die Vermutung v. Nießens naheliegend, daß das 1384 von Hans von Wedel dem Deutschen Orden verkaufte Land Schivelbein den Umfang der „terra" Schivelbein des Landbuches zuzüglich des nördlich der Rega gelegenen Teiles des späteren Kreises gehabt hat. 205 Diese Vermutung wird entscheidend gestützt durch eine Urkunde über den Verkauf Dramburgs und des zugehörigen Gebietes von Seiten des Markgrafen Sigmund an den Deutschen Orden im Jahre 1400. 200 Als Grenzen dieses Gebietes werden u. a. die Dörfer Janikow und Gienow und der Klanzig-See (nordöstlich Dramburg) genannt. Damit ergibt sich eine Grenzziehung gegen Schivelbein, die der des Landbuches im großen und ganzen entsprach. Hätte der südliche Teil der „terra" Schivelbein zu dieser Zeit noch nicht dem Deutschen Orden gehört, d. h. wäre er 1384 nicht ein Bestandteil des von Hans von Wedel verkauften Landes Schivelbein 207 gewesen, so wäre er sicherlich im Jahre 1400 mitverkauft worden. Als letzter Punkt, auf den in diesem Zusammenhang eingegangen werden muß, bleibt die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Besitzungen des Wedego von Wedel und des Nikolaus Olafson zu klären, die die Güter 1319 „mit samender H a n d " erhalten hatten. Heinrich von Wedel sagt dazu: „Das wenigstens steht fest, Niels Olafson hat thatsächlich seinen märkischen Besitz nie angetreten, ja es erscheint fraglich, ob er Schloß Schivelbein jemals gesehen." 208 So sicher, wie von Wedel meint, ist das aber keineswegs. Zwar gibt keine Urkunde darüber Aufklärung, ob der Besitz etwa aufgeteilt oder zunächst gemeinsam verwaltet wurde. Daß Nikolaus oder sein Sohn aber durchaus seinen Besitz hier wahrgenommen hat und auch ansässig geworden ist, zeigt sich an dem 1322 erwähnten Namen „Droste von Simmartzick". 209 Dieses Dorf gehörte zum Anteil des Nikolaus Olafson, wie ganz deutlich aus 203 204
9, Nr. 8 = RA XVIII, 231 f., Nr. 27; WUB IV, 28 ff., Nr. 30. r . 8 = R A XVIII, 231 f., Nr. 27; G o 11 m e r t , Landbuch, S. 26.
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IV)
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I V > 9> N
205 p v N i e ß e n , Territorialherrschaft Schivelbein, S. 115. 2 0 a J o a c h i m , Nr. 75 (bisher nodi nidit gedruckt). BOT WUB IV, 42, Nr. 44 = RA XVIII, 237, Nr. 34. 208
S. 12. 209
H. F. P. v. W e d e l , Beiträge zur Geschichte der Neumärkischen Ritterschaft II, P U B
VI>
Nr. 3637.
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einer Urkunde von 1338 zu erkennen ist, in der es heißt, daß Matheus Drost, der Sohn des ehemaligen dänischen Drosten Nikolaus, der Kirche zu Schivelbein vier Hufen Land auf dem Symmatzkenfelde vermacht habe. 210 Nach 1349 ist Matheus gestorben; 211 mit ihm scheint das Geschlecht in der Mark erloschen zu sein, denn weitere Nachkommen lassen sich nicht mehr nachweisen. Wie seine Güter in Simmatzig wird auch sein übriger vom Vater in der „terra" Schivelbein ererbter Besitz an die Wedel übergegangen sein. 4. Der Besitzstand nach dem Neumärkischen
Landbuch von 1337
Die wichtigste Quelle für die Kenntnis der Verhältnisse in der Neumark in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stellt „Das Neumärkische Landbuch Markgraf Ludwigs des Älteren vom Jahre 1337" dar, das auch für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse ist, als sich aus ihm ein Uberblick über die Ausdehnung des Wedeischen Besitzes in diesem Zeitraum gewinnen läßt. Dieses Landbuch, das auch wohl für die anderen Teile der Mark Entsprechungen gehabt hat — darauf weist der Eingang: „Hic incipit terra transoderana" 212 hin — bildete die Grundlage für einen außerordentlichen Landschoß, mit dessen Hilfe Markgraf Ludwig im Jahre 1338 die 1328 an Herzog Rudolf von Sachsen mit Wiederkaufsrecht nach zwölf Jahren verpfändete Niederlausitz 2 1 3 einlösen wollte, 214 und war vermutlich aus diesem Grunde angelegt worden. Im Original ist es nicht mehr erhalten. Als es 1837 zum erstenmal von G. W. v. Raumer herausgegeben wurde, lagen der Ausgabe zwei Abschriften zugrunde, die ihrerseits auf eine kurz vor 1815 entstandene Kopie zurückgehen. 215 Neu ediert wurde es 1862 von L. Gollmert nach einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert, die er in einem damals der Witwe des Generals von Wedell auf Ludwigsdorf in Schlesien gehörigen Codex mitten zwischen Abschriften zahlreicher neumärkischer Urkunden gefunden hatte. 2 1 6 Das Landbuch gibt den Bestand an Dörfern — Städte, Burgen und „oppida" finden keine Berücksichtigung — an, ihre Hufenzahl sowie die der Kirchenund Ritterlehen, die Höhe der Pacht und die Zahl der Krüge und Mühlen. Ein2 1 0 K 1 e t k e , MF 10, S. 148, nach: B e c k m a n n , burg, 3. hdschr. Bd., S. 512.
Topographie der Mark Branden-
211
WUB III-l, 6, Nr. 11.
212
v. R a u m e r , Landbuch, S. 79; G o l l m e r t , Landbuch, S. 11.
213
RB II, 51 f., Nr. 652; vgl. J. S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg II, S. 40.
214
J. S c h u 11 z e , a. a. O., S. 56.
216
G o 11 m e r t , Landbuch, S. 3 ff. A. a. O., S. 6 f.
216
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geteilt ist es in „terrae" genannte untere Gerichts- und Verwaltungsbezirke. 217 Zunächst werden die Dörfer der „terrae" Bärwalde, Königsberg, Schildberg, Lippehne, Soldin, Landsberg, Friedeberg, Arnswalde, Schivelbein und Bernstein aufgeführt. Danach beginnt ein zweiter Abschnitt, wie sich aus der Entsprechung der Formulierungen der Überschriften ergibt. Hieß es am Eingang: „Hic incipit terra transoderana et primo Civitatis Bernwolde", so heißt es nun: „Hec est terra illorum de Wedel et primo terra Tenczick que est domini Llud. de wedel." 218 Es folgen die „terrae" Kailies, als deren Besitzer Heinrich von Wedel genannt wird, 219 Böthin („Bentin") und Falkenburg und die „bona illorum de Gruthow." 220 Den Schluß bilden die Heidegebiete („mericae") Massen, Döltzig, Tankow, Driesen, Golin, Schmolwitz, Schildberg. Die „terra" Tütz („Tenczick") umfaßt im Landbuch ein Gebiet von zehn — davon sechs wüsten — Dörfern. Im Nordwesten bildet Knakendorf, im Norden Lubsdorf, im Südosten Mellentin und im Südwesten Birkholz die Grenze. Neun dieser Dörfer haben die charakteristische Größe von 64 Hufen, nur für Lubsdorf werden 44 Hufen angegeben,221 was allerdings leicht ein Schreibfehler sein kann. 222 Das bedeutet wohl, daß der ganze Bezirk besiedelt wurde, nachdem er dem Markenbereich einverleibt worden war, was kurz vor 1300 geschah,223 ebenso wie das Gebiet der nur fünf Dörfer umfassenden „terra" Kailies, von denen vier ebenfalls 64 Hufen groß waren. Nicht zum Wedeischen Besitz gehörte die dieser „terra" den Namen gebende Stadt Kailies, die 1303 von den Askaniern Otto, Conrad, Johann und Waldemar gegründet worden war 224 und bis 1350 in markgräflichem Besitz blieb,225 wohl aber die östlich an die „terra" Kallies angrenzende Stadt Märkisch-Friedland, deren Grenzen 1314 von demselben Heinrich von Wedel, der im Landbuch die „terra" Kallies besitzt, festgesetzt worden waren. 226 Daß dennoch Kallies und nicht Friedland den Namen der „terra" bestimmte, dürfte seinen Grund darin fin217
W. S c h l e s i n g e r , Die Entstehung der Landesherrschaft, Neudruck 1964, S. 15.
218
G o l l m e r t , Landbuch, S. 27.
219
A. a. O., S. 28.
220
A. a. O., S. 28 ff.
221
A. a. O., S. 27.
222
XLIIII statt LXIIII; vgl. die Angaben des Landbuchs über Klein-Mellen, das einmal mit 64 Hufen („terra" Falkenburg, G o l l m e r t , Landbudi, S. 29) und einmal mit 44 Hufen („terra" Arnswalde, G o l l m e r t , Landbudi, S. 25) geführt wird, vgl. unten Anm. 234. Die erste Lesung verdient den Vorzug, vgl. oben S. 84, Anm. 167. 223
Vgl. oben S. 67 f.
224
RA XVIII, 101, Nr. 3 = K r a b b o , Nr. 1881.
225
Vgl. RA XVIII, 101 ff. 1350 wurde Hasso von Wedel mit der Stadt Kallies belehnt, WUB III-l, 30, Nr. 55 = R A XVIII, 124 f., Nr. 46. 226
WUB I I - l , 71 ff., Nr. 122 = RA XVIII, 102 f., Nr. 5.
DIE H E R R E N VON WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
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den, daß dieses Gebiet auch schon vor seiner Eingliederung in die Neumark diese Bezeichnung trug. 227 Da es nun schon mehr als 20 Jahre vor der Zeit des Landbuchs in den Händen der Herren von Wedel war, ebenso wie wohl auch die „terra" Tütz, 228 ist es wahrscheinlich, daß beide Bezirke gleich nach dem Erwerb durch die Markgrafen an Ludolf von Wedel übergeben wurden, auf dessen Veranlassung dann die Dörfer angelegt wurden. Wie Ludolf dabei vorgegangen sein wird, zeigt sich in der schon genannten Urkunde von 1313, in der er 64 Hufen wüster Heide („desertum merice") in der „terra" Schivelbein den Brüdern Otto und Dietrich von der Elbe anbot, die ihm dafür, sobald das Land den vollen Ertrag bringen würde, mit einem Lehnpferd dienen sollten. 229 Nach den „terrae" Tütz undKallies und vor den „bona illorum deGruthow" führt das Landbuch die „terrae" Böthin (nordöstl. Tütz) und Falkenburg auf, wobei aber keine genaueren Angaben über deren Besitzer gemacht werden. Es kann jedoch kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß auch diese Gebiete mit zur „terra illorum de Wedel" zu rechnen sind. Dafür spricht schon allein die Reihenfolge im Landbuch und die Tatsache, daß die Herren von Wedel später als Besitzer des „Landes" Falkenburg nachweisbar sind. 230 Außerdem hatte sich bereits aus der Gründungsurkunde der Stadt Falkenburg im Jahre 1333 gezeigt, daß die Wedel auch hier über einen größeren Besitzkomplex verfügten. 231 2 2 7 Zum einen ist eine vordeutsche Burganlage erwähnt (in einer Urkunde von 1313 wird dem Ritter Kenstel eine „area castri" in Kailies übertragen, R A XVIII, 102, Nr. 4); zum anderen ergibt sich schon aus dem Namen „Kallies", der von der heutigen Stadt Kaiisch in Posen übernommen worden ist (vgl. E. M u c k e , Die slawischen Ortsnamen der Neumark,in: Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Neumark 7 (1898), S. 115 und Codex diplomaticus majoris Poloniae, Posen 1877—1908 (künftig zit.: CdmP), I, Nr. 66: Wladyslaw Odonicz bezeichnet sich als „dux de Calis", außerdem wurde Kallies 1307 „Nova Calys" und 1310 „Nigen Kalys", J o a c h i m , Nr. 3 und 5 genannt), daß hier bereits in polnischer Zeit eine Siedlung bestand; denn die Markgrafen werden kaum eine von ihnen ganz neu angelegte Stadt nach einer anderen benannt haben, die nicht in ihrem Herrschaftsbereich lag. Nicht überzeugend ist die Annahme v. N i e ß e n s , Geschichte der Neumark, S. 338: . . . zum Hohn auf den von den Markgrafen auch nach seinem Tode stets nur als Herzog von Kaiisch bezeichneten König Przemysl sollte die Stadt ihren Namen tragen, und einen Adler, der sich auf einen flüchtigen Hasen stürzt, setzte man in ihr Wappen". 228 Vgl 4 oben S. 85 f. Nach H. J. S c h m i t z , Geschichte des Netze-Warthelandes insbesondere der Grenzmark Posen-Westpreußen, 1941, S. 70, besaßen die Wedel „schon 1296 das Land um Tütz"; d e r s . , Deutsches Städtebuch, Bd. I, S. 256, die Stadt Tütz, der 1331 die Brüder Ludwig und Lambrecht ein Privileg ausgestellt hätten, habe von 1306 bis ins 18. Jahrhundert den Herren von Wedel gehört.
229 230 231
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U
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6 5
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1 1 3
WUB IV, 4 ff., Nr. 5 = R A XVIII, 148 f., Nr. 84. WUB II-2, 20 ff., Nr. 29 = R A X X I V , 17 ff., Nr. 28.
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Das Gebiet der „terra" Böthin, das sich von den westlich des Böthinsees gelegenen Dörfern Brunk und Marzdorf bis in die Gegend um Deutsch-Krone erstreckte und nur ein in dieser Zeit bewirtschaftetes Dorf (Marzdorf) und sieben Wüstungen umfaßte, hatte im 13. Jahrhundert dem Deutschen Orden gehört: 1224 hatte Wladyslaw Odonicz als Fürst von Nakel dem Orden 500 H u f e n um den Böthinsee geschenkt. 232 Die „terra" Böthin wird wohl in der gleichen Zeit wie Falkenburg und Tütz in den Besitz Ludolfs von Wedel übergegangen sein. Mitberechtigt zur Zeit des Landbuchs war offensichtlich der zweite Sohn, Ludwig, denn 1341 wurden dessen Söhne Ludwig, Lambert und Hasso mit dem vierten Teil der „terra" Böthin belehnt. 233 Die „terra" Falkenburg unterscheidet sich von den vorher genannten Gebieten durch ihren sehr viel größeren Umfang: sechs bewirtschaftete und 29 wüste Dörfer gehören zu ihr. Allerdings fällt auf, daß 20 dieser Dörfer — fast alle zwischen Reetz und Dramburg gelegen — in derselben Quelle als zur „terra" Arnswalde gehörig aufgeführt werden. 234 D a ß es sich dabei nicht um einen Abschreibfehler des Kopisten handelt, zeigt sich daran, daß sowohl die Schreibweise, als auch die Reihenfolge der Orte in den beiden „terrae" verschieden sind. Sechs dieser Dörfer — Köntopf, Karwitz, Klausdorf, Zehrten, Groß-Mellen und Spiegel — lassen sich nun später als Wedelscher Besitz nachweisen, 235 und in Glambeck war ein Hasso von Wedel ja schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts ansässig gewesen. 236 Es ist darum sehr wahrscheinlich, daß 232
PUB II, Nr. 223". W. v. S o m m e r f e l d , Geschichte der Germanisierung des Herzogtums Pommern oder Slavien bis zum Ablauf des 13. Jahrhunderts, 1896, S. 142, verlegt diese 500 Hufen zwar in die Gegend zwischen Tempelburg und Neu-Stettin, vgl. aber W. K u h n , Kirchliche Siedlung und Grenzschutz 1200—1250 (am Beispiel des mittleren Oderraumes), in: Ostdt. Wissenschaft 9 (1962), S. 27. Noch 1275 ließ sich der Orden diesen Besitz vom Papst bestätigen, ebda. 233 WUB II-2, 72, Nr. 107 = RA XVIII, 117, Nr. 32. 234 Folgende Dörfer werden doppelt aufgeführt, G o l l m e r t , Landbuch, S. 25 und 29: („terra" Arnswalde): Spiegel (64 H), Dynow (64 H), Samsow (64 H), Zerten (54 H), Roten mellen (76 H), Kunikdorp (64 H), Selenow (84 H), Hassendorp (40 H), parva Silborn (50 H), Lloytz (54 H), Zullishagen (74 H), Bogarden (64 H), parva mellen (44 H), Welsenburg (64 H), Garwitz (42 H), Antiqua Zilburg (54 H), Grassee, Klausdorp, Zedendorp, Glampeck. („terra" Falkenburg): Züllishagen (74 H), Bobgarden (64 H), Parva mellen (64 H), Chungsdorp, Grasse, Garwitz, Llovitz, Klasdorp, Welsenberg, Samsou, Gynow, Zertin, Magna Kellen, Spiegel, Klappeck, Hassendorp, Magna Silburg, Parva Silburch, Zodensdorp, Szellenow. Bei diesen Dörfern handelt es sich fast durchweg um Wüstungen, nur für Zühlshagen und Baumgarten werden unterschiedliche Angaben gemacht: In der „terra" Falkenburg gelten sie als bewirtschaftet, in der „terra" Arnswalde als wüst. 236 WUB I I I - l , 91, Nr. 96; 96, Nr. 177 = RA XVIII, 133 f., Nr. 61. 236 Vgl. oben S. 82.
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alle diese Dörfer den Wedel gehörten. Wann dieses Gebiet allerdings, das zwischen 1269 (die Gegend um Arnswalde) und 1284 (die „terra" Welschenburg) der Mark einverleibt wurde, von ihnen erworben wurde, läßt sich nicht feststellen. Bei dem größten Teil der Dörfer handelt es sich um Wüstungen, die vielleicht auf den verheerenden Einfall zurückzuführen sind, den Wladyslaw Lokietek zusammen mit den Litauern im Jahre 1326 in die Neumark unternommen hatte. 237 Möglicherweise haben die Herren von Wedel damals die unruhige Lage und die Schwäche der Landesherrschaft 238 genutzt, um sich in den Besitz des ganzen Gebietes, in dem sie wahrscheinlich schon Streubesitz hatten, zu setzen, so daß man sich zur Zeit der Aufnahme des Landbuchs über die Zugehörigkeit im unklaren war. Daß auch die Falkenburger Wedel hier Anteile hatten — und damit wird erklärlich, warum das Gebiet zur „terra" Falkenburg gerechnet werden konnte —, zeigt sich daran, daß Markgraf Ludwig der Römer 1354 die Brüder Hasso und Henning, die Enkel Hassos von Falkenburg, mit den Dörfern Mellen, Spiegel, Zehrten und Steinberg belehnte, wie Hasso der Rote von Wedel sie besessen hatte. 239 Von den 20 im Landbuch doppelt genannten Orten gehörten im 16. Jahrhundert nur Baumgarten, Köntopf und Zühlshagen zur Herrschaft Falkenburg, dafür aber zwölf nicht im Landbuch aufgeführte Dörfer, 240 die fast alle nördlich der Drage liegen. Zwei dieser Dörfer — Friedrichsdorf und Teschendorf — werden auch schon vor 1337 erwähnt, und zwar in der Urkunde von 1333, in der Ludeke und Hasse von Wedel ihrer Stadt Falkenburg brandenburgisches Recht verleihen. 241 Aus der Bestimmung: „ . . . Vortmehr so geven wie der vorbenomeden Stadt . . . bede Cupitzen (Seen), . . . ewig tho besittende, wenne de Buren van Frederiksdop, die moten wol vischen mit klenen touuen vppe den Cupitzken" geht hervor, daß Friedrichsdorf auch zum Wedeischen Besitz um Falkenburg gehört hat. Da nun außerdem in der einem 237
J. S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg II, S. 43 und 57.
Nachdem 1 3 1 9 Markgraf Waldemar und 1320 der Knabe Heinrich, der letzte A n wärter auf die Markgrafsdiaft aus askanischem Hause, gestorben waren, dauerte es drei Jahre, bis die Mark wieder einen legitimen Herrn erhielt: 1323 belehnte König Ludwig seinen gleichnamigen Sohn mit der Mark Brandenburg, der zu diesem Zeitpunkt allerdings erst sieben Jahre alt war und bis zur offiziellen Mündigkeitserklärung (1333) die Regierung der Mark unter der Vormundschaft des Grafen von Henneberg führte, vgl. J. Sc h u 1 1 z e , Die Mark Brandenburg II, S. 9—32. 238
239
W U B I I I - l , 91, Nr. 169.
G. S e 11 o , Geschiditsquellen des bürg- und schloßgessenen Gesdilechts von Borcke, 1901 ff., II, S. 188. Die Dörfer sind: Ritzig, Gersdorf, Klebow, Alt-Wuhrow, Wusterwitz, Zetzin, Grünow, Tesdiendorf, Reppow, Friedrichsdorf, Bütow und Hundskopp. Für die meisten dieser Orte vgl. auch R A X V I I I , 199 f., Nr. 141. 2 4 1 W U B II-2, 20 ff., Nr. 30 = R A X X I V , 17 ff., Nr. 28. 240
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Sohn Ludolfs von Wedel gehörenden „terra" Tütz ein Vasall genannt wird, Merten Klebow, 242 der den Namen eines dieser Dörfer trägt, die sich kurz nach 1500 als zu Falkenburg gehörig nachweisen lassen, ist wahrscheinlich dieses ganze Gebiet, zu dem vermutlich auch das nördlich von Ritzig gelegene Dorf Brunow zu zählen ist,243 schon für die Zeit des Landbuchs zu Falkenburg zu rechnen. Der Grund, warum es im Landbuch nicht genannt ist, dürfte derselbe sein wie bei dem nördlich der Rega gelegenen Teil Schivelbeins;244 ebenso wie dieser war es 1321 im Besitz des Bischofs von Kammin. 245 Dafür spricht außerdem, daß der Bischof in diesem Zeitraum auch das südöstlich angrenzende Land Tempelburg besaß,246 das zu Lebzeiten Waldemars gleichfalls zur Mark gehört hatte. 247 Nach den Angaben des Landbuches waren die Herren von Wedel in geringem Maße auch noch in anderen „terrae" der Neumark begütert. So heißt es von dem in der „terra" Soldin gelegenen Dorf Schönfeld (Schonenvelde): „illi de Wedel tenent" 248 und von den Dörfern Dölzig (Toltzick) und Wartenberg (Wardenbergh) in der „terra" Bärwalde: „quondam dedit precariam, sed nunc Hasso habet" bzw. „quondam dedit precariam, nunc tenet Hasso de wedel". 249 Schließlich besaßen „illi de wedel" noch den Lehendienst in dem in der „terra" Königsberg gelegenen Dorf Dürren-Selchow (Selichow).250 Keine Angaben macht das Landbuch über Besitzrechte der Wedel in der „terra" Bernstein, die kurz nach der Aufnahme des Landbuchs wieder zu Pommern gekommen sein muß. Hier war die Familie gegen Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts begütert gewesen, und auch 1337 muß noch eine Beziehung zu Bernstein bestanden haben, wie eine Urkunde von 1338 über den zwischen den Herzögen von Pommern und Markgraf Ludwig geschlossenen Frieden und Erbvergleich ergibt. 251 Worauf sich die darin enthaltene Bestimmung: „Waer och, daz di von Wedeln Bernstein den Herzogen nicht wider geben wolten durch unser bet willen, was dann unser herr der kaiser für ein recht darumb spricht, Da sullen sich die Herzogen an lan benugen" 242
G o 11 m e r t , Landbuch, S. 27. 1 369 verkauften die Brüder Ritzerow ihren Anteil an Brunow, wozu „Hasso miles et Tydricus patruus dicti de Wedel in Valckenborch" ihren lehnsherrlichen Konsens gaben, WUB III-2, 94 f., Nr. 152 = RA XVIII, 228 f., Nr. 23. 244 Vgl. oben S. 86 ff. 246 PUB VI, Nr. 3491. 246 PUB VIII, Nr. 5197. 247 RB I, 338, Nr. 425 = K r a b b o , Nr. 2281. 248 G o 11 m e r t , Landbuch, S. 20. 249 A. a. O., S. 12 f. 250 A. a. O., S. 15. 251 WUB II-2, 52, Nr. 76 = RB II, 125 ff., Nr. 747. 243
DIE HERREN VON WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
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allerdings genau bezieht, ist nicht zu erkennen. Doch scheinen die Herzöge, als sie sich in den unmittelbaren Besitz Bernsteins setzen wollten, auf den Widerstand der Herren von Wedel gestoßen zu sein. 252 Ob ein kaiserlicher Schiedsspruch erfolgt ist, ist nicht überliefert. Die Entscheidung scheint sich aber lange hingezogen zu haben; in einer Urkunde von 1350, in der Markgraf Ludwig den Henning von Wedel mit der Stadt Kailies belehnt, heißt es: „Und alle brieffe und dedingen, de wy mit em gehath hebben und geven umme Bernstein, don he dath den hertogen van zick voranthverde, Scholen äff zin und keyne macht mer hebben . . . " 2 5 3 Und an demselben Tag verpfändete der Markgraf dem Henning die Stadt Nörenberg als weiteren Ersatz für die im Land Bernstein erlittenen Besitzverluste, soweit diese nicht durch Kallies ausgeglichen seien. 254 Seit dieser Zeit sind keinerlei Besitzrechte der Wedel in der „terra" Bernstein mehr nachweisbar. 5. Die Besitzentwicklung
bis 1402
Als Unterlage für die Kenntnis der Wedeischen Besitzungen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dienen außer einzelnen Kaufs-, Verkaufs- oder Belehnungsurkunden die Beschreibung der Mark Brandenburg von 1373, die anläßlich des Ubergangs der Mark von den Wittelsbachern an die Luxemburger entstanden ist, 2 5 5 eine Huldigungsurkunde der Herren von Wedel für König Wenzel von 1374, in der der Wedeische Besitz in der Neumark aufgeführt wird, 2 5 6 und das Landbuch Karls I V . aus dem J a h r 1375, das für die Neumark zwar kein Dorfregister enthält, sie aber bei der topographischen Beschreibung der ganzen Mark mitbehandelt. 2 5 7 Waren die Wedel noch zur Zeit des Neumärkischen Landbuchs in den westlichen Teilen der Neumark nur wenig begütert, so haben sie in den folgenden 252
Es hat sidi doch offenbar um ganz reale Besitzansprüche gehandelt und nicht darum,
daß „nur die Wedels dort die pommersche Hoheit nicht anerkennen"
wollten, wie
G.
W r e d e , Grenzen der Neumark, S. 47, diese Stelle interpretiert. 253
W U B I I I - l , 30, N r . 55 =
254
W U B
256
R B III, l f f . , N r . 1138. Auch gedruckt in J . S c h u l t z e
jjj.^
31>
N r
5 6
=
R A X V I I I , 124 f., N r . 46. X V I I I , 124, N r . 45.
R A
(ed.), Das Landbuch der
Mark Brandenburg von 1375, 1940 (künftig zit.: Schultze, Landbuch), S. 1—5. 256
W U B IV, 4 ff., N r . 5 =
RA XVIII,
148 f., N r . 84. H . M ü n d t ,
Die Heer- und
Handelsstraßen der Mark Brandenburg vom Zeitalter der ostdeutschen Kolonisation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, P. v. N i e ß e n ,
1932, S. 36, hält die Urkunde für gefälscht, und audi
Der „Markgrafenweg" die alte Heerstraße nach Preußen, in: F B P G
14
(1901), S. 259, spricht von einer „nicht unbedingt echten Urkunde", ebenfalls ohne nähere Begründung. Demgegenüber
macht
Anm. 10, keine Bedenken geltend. 257
7
S c h u l t z e , Landbuch, S. 66.
J.
Schultze,
Die Mark
Brandenburg
II,
S. 117,
98
HELGA CRAMER
Jahrzehnten auch hier einen umfangreichen Besitz erworben, zunächst bei dem Städtchen Schildberg, das ihnen schon einmal bis 1334 gehört hatte. In diesem Jahr belehnte Markgraf Ludwig die Brüder Henning, Mathias und Arnold von Jagow mit dem „opidum dictum Schiltberg" mit allen Rechten, wie Heinrich von Wedel genannt Anesele es besessen habe.258 Später muß Schildberg wieder in Wedeischen Besitz übergegangen sein, denn 1362 übertrug Markgraf Ludwig der Römer der Margarethe, Tochter Hennings von Wedel, der wiederum ein Sohn des Heinrich Anesele war, das Städtchen als Leibgedinge.259 In der Zwischenzeit hat Henning auch die nördlich und nordwestlich von Schildberg gelegenen Dörfer Kerkow, Golzow und Rufen an sich gebracht. In Kerkow hatte er seinen Wohnsitz, wie sich aus einer Urkunde von 1347 ergibt, in der er als „Henningus de Wedel in Kerkow residens" erscheint.260 1365 verlieh Markgraf Otto dem Nickel von Erdmannsdorf und seinem Onkel das Angefälle von Hennings Gütern, d. h. des Städtchens Schildberg und der Dörfer Golzow, Kerkow und Rufen. 261 Allerdings hat diese Urkunde einen Besitzwechsel offensichtlich nicht zur Folge gehabt, denn 1372 belehnte Markgraf Otto den Hasso von Wedel von Mellen mit den Orten Kerkow, Büssow (unbekannt) und Golzow, 202 nachdem er kurz vorher dessen Gattin Hilla 120 Mark jährlicher Einkünfte in Schildberg als Leibgedinge verliehen hatte. 263 Hasso hat seinen Wohnsitz nach Schildberg verlegt; in einer Urkunde von 1377 wird er „Hasso von Wedel in Schildberg"264 und von 1388 „Hasse von Wedeln, wonhaftig zcu Schiltberg"265 genannt. Mit dem Dorf Gossow in der „terra" Bärwalde belehnte Markgraf Ludwig der Römer 1354 den Günter von Wedel,266 der auch das nördlich davon gelegene Dorf Gellen („terra" Königsberg) an sich gebracht hatte, wie aus einer Urkunde von 1370 hervorgeht, in der Markgraf Otto dem Nonnenkloster zu Zehden das Dorf Gellen übereignet mit allen Rechten, wie es der verstorbene Günter von Wedel zu Lehen getragen habe. 267 Erbberechtigt an Gellen waren die Wedel zu Uchtenhagen gewesen, denen Markgraf Otto 1371 als Ersatz für die Auflassung dieses Besitzes das wüste Dorf Helpe (östl. Arnswalde) 258
WUB II-2, 24, Nr. 31 = RA XVIII, 105, Nr. 9. WUB III-2, 57, Nr. 102 = RA XVIII, 137, Nr. 66 (mit falschem Datum). 260 WUB II-2, 109, Nr. 185 = RA XXIV, 41, Nr. 74. 261 WUB III-2, 79 f., Nr. 135 = RA XVIII, 139, Nr. 69. 262 WUB III-2, 132 f., Nr. 216 = RA XVIII, 146, Nr. 81. 263 RA XVIII, 145, Nr. 79. 264 WUB IV, 22 f., Nr. 24 = RA XIX, 268, Nr. 147. 265 WUB IV, 55 ff., Nr. 61 = RA XVIII, 151 ff., Nr. 87. 26« W U B III-l, 94 f., Nr. 175. 267 WUB III-2, 101 f., Nr. 164 = RA XIX, 85, Nr. 36; vermutlich das „Gilandt" des Neumärkisdien Landbuchs, G o l l m e r t , Landbuch, S. 14. 259
DIE HERREN V O N WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
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übertrug, 268 während die Güter zu Gossow nach dem Tode Günters von Wedel im Jahre 1369 von Markgraf Otto an andere Familien verliehen wurden. 269 An den Kammermeister Johann aus der Linie der Falkenburger Wedel verpfändete Markgraf Otto 1354 die Bede und andere Rechte der westlich von Gellen gelegenen Dörfer Jädickendorf und Woltersdorf, 270 die schon 1341 als dem Kloster Chorin gehörig bezeugt sind.271 Offenbar haben die Wedel in späterer Zeit versucht, auf Grund der ihnen 1354 übertragenen Rechte auch den Grundbesitz dieser Dörfer an sich zu bringen: 1395 entschied der Vogt der Neumark, Caspar von Donyn, den Streit des Abtes zu Chorin mit Hasso von Wedel dahingehend, daß dem Kloster der ungestörte Besitz der zwei Güter Jädickendorf und Woltersdorf verbleiben solle.272 Ebenfalls in den Besitz der Falkenburger Wedel kam 1355 die Hälfte „von dem Husse und Stetechen zu Oderberg", die sie in diesem Jahr zusammen mit dem halben Finow- und Lunowsee von der Familie von Uchtenhagen kauften. 273 Nach 13 6 7274 muß Markgraf Otto, der sich bei der Belehnung 1355 das Recht des Rückkaufs vorbehalten hatte, von diesem Recht Gebrauch gemacht haben, denn seither wird Oderberg nicht mehr als zu ihrem Besitz gehörig erwähnt. 275 Wann die Wedel Berneuchen (östl. Bärwalde), das noch 1351 der Familie Morner gehörte,276 an sich gebracht haben, läßt sich nicht feststellen. Von 1367 an ist aber die Feste „Bernow" in ihrem Besitz nachzuweisen.277 Berneuchen wird auch im Huldigungsbrief von 1374 noch aufgeführt, muß aber im Laufe des Jahres veräußert worden sein, da es im Landbuch Karls IV. unter den „municiones, civitates, castra et opida" des Markgrafen genannt wird. 278 Das gleiche scheint bei dem Städtchen Küstrin der Fall zu sein, das sowohl in der Beschreibung der Mark von 1373 als auch in der Huldigungsurkunde („Koste268
WUB III-2, 110 f., Nr. 179 = RA XVIII, 143, Nr. 75. WUB III-2, 93 f., Nr. 150 = RA XVIII, 142, Nr. 73 und WUB III-2, 97, Nr. 156 = RA XVIII, 143, Nr. 74. 270 RA XVIII, 80 f., Nr. 31. 271 RA XVIII, 253 f., Nr. 76. 272 W U B I V > 7 2 > Nr. 78 = RA XVIII, 272, Nr. 106 (mit falschem Datum). 273 WUB III-l, 117, Nr. 219 = RA XII, 354 f., Nr. 6. 274 In diesem Jahre gehörte den Wedel Oderberg noch, vgl. WUB III-2, 81 f., Nr. 138 = RA XII, 383, Nr. 3. 275 Vgl. S c h u 11 z e , Landbuch, S. 5. 276 RA XIX, 23, Nr. 39. 277 WUB III-2, 81 f., Nr. 138 = RA XII, 383, Nr. 3; au& RA XIX, 258 ff., Nr. 137 (1373). 278 S c h u 11 z e , Landbudi, S. 66. 269
7»
100
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reyn daz Stetichin mit dem Wagentzolle"), nidit mehr jedoch im Landbuch als Wedelscher Besitz erscheint.279 Im äußersten Nordwesten der Neumark schließlich haben die Uchtenhagener Wedel noch einen zusammenhängenden Besitzkomplex erworben. Die Urkunde von 1374 nennt in diesem Raum die Dörfer Nieder- und Hohenkrähnig, Saaten und Grabow als Wedeische Güter. D a im Jahr 1375 Hasso von Wedel von Lichtenhagen über Grabow verfügt, 280 ist anzunehmen, daß sich auch die anderen drei Dörfer in seinem Besitz befanden. Diesen Komplex kann Hasso nicht vor den 60er Jahren an sich gebracht haben, denn noch 1359 schenkte Lambert Grellen dem Rat der Stadt Königsberg sechs Hufen zu Grabow, 2 8 1 und für 1360 sind die Fidichow als Besitzer des Dorfes „wentzchen kregenik" nachweisbar. 282 Weder im Landbuch von 1337 noch in der Huldigungsurkunde von 1374 wird das östlich an die Stadt Königsberg angrenzende Dorf Wedeil genannt, das, zweifellos ebenfalls eine Wedeische Gründung, 1386 in einer Urkunde, die „Kerstian van Wedel, wonaftich in dem houe to Wedel" der Königsberger Kirche ausstellte, zum erstenmal erwähnt wird. 283 Nichts ist gleichfalls darüber bekannt, wann die Wedel das Städtchen Fürstenfelde (südöstl. Bärwalde) erworben haben, das zur Zeit des Neumärkischen Landbuchs der Familie von Uchtenhagen gehörte 284 und als Wedelscher Besitz nur ein einziges Mal, in der Beschreibung der Mark von 1373, genannt wird; 2 8 5 dagegen läßt sich erschließen, wann Zantoch, das im Landbuch Karls IV. unter den Wedeischen „municiones" aufgeführt wird, an sie gekommen ist. Im Jahre 1365 hatten die Brüder von der Ost die Burgen Driesen und Zantoch von dem polnischen König Kasimir zu Lehen genommen, 286 doch wurde Zantoch unmittelbar nach dem Tode Kasimirs (1370) von Hasso von Wedel von Uchtenhagen, der damals markgräflicher Vogt war, belagert und für Brandenburg zurückerobert 287 und ihm dafür wohl von Markgraf Otto 2 7 9 A . a . O . , S. 5; WUB IV, 4 ff., Nr. 5 = RA XVIII, 148 f., Nr. 84; S c h u l t z e , Landbuch, S. 66. 1397 übertrug König Sigmund „unser offen Stete Cüstrin und Kys mit der Festen" an Johann von Wartenberg, RA X I X , 36, Nr. 58. 2 8 0 WUB IV, 10, Nr. 11. 2 8 1 RA X I X , 237, Nr. 104. 2 8 2 RA X I X , 238 f., Nr. 106. 2 8 3 WUB IV, 49 f., Nr. 53 = RA X I X , 278 f., Nr. 163. 2 8 4 G o 11 m e r t , Landbuch, S. 16. 2 8 8 S c h u 11 z e , Landbuch, S. 5. 3 8 6 R A X X I V , 77, Nr. 129. 2 8 7 WUB III-2, 109, Nr. 177; auch RA X I X , 254, Nr. 130. Vgl. dazu H. Lüpke, Zantoch zur Johanniter- und Ordenszeit, in: Zantoch. Eine Burg im deutschen Osten, hrsg. von A. Brackmann und W. Unverzagt, 1936, S. 44 f.
DIE HERREN VON WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
101
als Lehen übertragen. 288 Wie lange Zantoch in den Händen der Wedel blieb, ist nicht festzustellen, es muß aber schon vor 1400 von König Sigmund an den Johanniterorden verpfändet worden sein.289 Auch ihre Besitzungen um Arnswalde und Neuwedel konnten die Wedel abrunden. Hasso der Rote von Wedel brachte die Dörfer Blockshagen, Steinberg, Stolzenfelde und Pammin in seinen Besitz, wie aus einer Urkunde von 1354 hervorgeht, in der Ludwig der Römer die Söhne Ludekes von Wedel, Ludwig und Hasso, Hennings Sohn Hasso und Heinrichs Söhne mit dem Besitz des verstorbenen Hasso des Roten belehnt. 290 Daß die Wedel auch in dem Dorf Nantikow, das schon 1336 in Zusammenhang mit den Wedel genannt wurde — Markgraf Ludwig der Ältere verlieh der Katharina, Gattin Hennings von Wedel, als Leibgedinge 50 Stück („frusta") jährlicher Einkünfte in diesem Dorf, wie Henning sie bisher besessen habe, 291 — über Besitzredite verfügten, geht daraus hervor, daß sich ein Hans von Wedel in zwei Urkunden aus den Jahren 1389 und 1397 nach Nantikow nannte. 292 Diese Dörfer werden zu dem in der Huldigungsurkunde als „Land Neuwedel" und schon 1362 als „land tho wedel" 293 bezeichneten Bezirk gehört haben, der auch noch die südliche Hälfte der im Neumärkischen Landbudi doppelt aufgeführten Orte umfaßt haben wird, wobei Zehrten der nördlichste Punkt gewesen sein dürfte; denn von einigen der um Dramburg gelegenen, 1337 doppelt aufgeführten Dörfern ist nachzuweisen, daß sie um diese Zeit nicht mehr in Wedelschem Besitz waren, wie von den zum „Haus Becheler" (unbekannt) gehörenden Dörfern Karwitz, Lowitz, Klausdorf und Welschenburg, mit denen Markgraf Otto 1365 die Brüder Burchard und Eckart von dem Wolde und Rickow von Warzholt belehnt hatte; 294 und Grassee trugen die von Borne zu Lehen, wie aus dem Landbudi Karls IV. ersichtlich ist.295 388
Die Angabe der Beschreibung der Mark von 1373: „de uchtenhagen cum Castro et opido Czantoch" meint wohl die Uchtenhagensdien Wedel und nidit, wie man annehmen könnte, die neumärkische Familie von Uchtenhagen, vgl. P. v. N i e ß e n , Die Burg Zantodi und ihre Geschichte, in: Schriften d. Ver. f. Gesdi. d. Neumark 2 (1894), S. 37 f. 289 Vgl. J o a c h i m , Nr. 77 f. «so W U B j n . ^ 9 6 j N r 1 7 7 = R A XVIII, 133 f., Nr. 61. 291 WUB II-2, 31, Nr. 45 = RA XVIII, 106, Nr. 13. 292 WUB IV, 61 f., Nr. 64: „Johannes von Nantkow habitans in Norenberg"; 74, Nr. 81 = RA XVIII, 153, Nr. 88: „Czules und Hennynge vom Wedel, Hanncze von Falckenburg, Hassen von Neuenwedel, Hanncze Nantkow". 283 WUB III-2, 54, Nr. 96. 294 RA XXIV, 76 f., Nr. 128. Diese Dörfer hatten 1337 vermutlich zur „terra" Falkenburg gehört, denn die 1365 damit belehnten von dem Wolde waren 1398 an Falkenburg mitberechtigt, vgl. unten S. 104. 295 S c h u 11 z e , Landbuch, S. 66. Die Familie Borne war noch am Ende des 15. Jahrhunderts im Besitz von Grassee und damals auch des östl. angrenzenden Dorfes Zamzow, vgl. RC III, S. 440.
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Weiterhin nennt die Huldigungsurkunde „Falkenburg, Haws, Stat und land, Schyvelbein, Haws, Stat und land", die Burgen und Städte Reetz und Nörenberg sowie die Burgen Hochzeit und Klein-Mellen. Das „Castrum et opidum" Hochzeit, dessen Bedeutung darin bestand, daß es an einem DrageUbergang nach Polen lag, 296 hatte Markgraf Ludwig der Römer 1350 Hasso dem Roten von Wedel übertragen, 297 das „Castrum" Hochzeit 1353 an Henning Poltzin von Wedel. 298 Mit der Stadt Nörenberg als Ersatz für die Schulden, die der Markgraf bei ihm hatte, wurde 1354 Henning der Ältere unter Vorbehalt des Rückkaufsrechtes belehnt. 299 Ob sie wieder eingelöst wurde, ist fraglich; jedenfalls übertrug Markgraf Otto 1372 den Brüdern Ludwig von Wedel und Hasso von Wedel von Mellen Nörenberg zu Lehen mit der Erlaubnis, dort ein Schloß zu errichten.300 Haus und Stadt Reetz schließlich kamen im Jahr 1370 in den Besitz der Brüder Hasso, Wedige und Titze von Lichtenhagen, 301 nachdem ihnen beides schon ein Jahr zuvor verpfändet worden war. 302 Besitzverluste scheinen die Wedel im Gebiet von Kailies erlitten zu haben, da die Urkunde von 1374 nur „Calys, Haws und Stat" nennt. Jedoch ging ihnen noch in demselben Jahr auch das Schloß Kallies verloren, mit dem Markgraf Sigmund den Heinrich von Güntersberg zusammen mit der „Fogtyen zwischen netze und drawe" belehnte, 303 ebenso wie bald auch die Stadt, die im Landbuch Karls IV. als landesherrlich bezeichnet wird. 304 Schließlich nennt die Huldigungsurkunde noch 5000 Hufen „weide und heiden, der ein teil grenitzen an Prussen mit dem wasser die Codow genant, ein teil an Polan mit dem wasser die Netze genant und ein teil an der hertzogen land von Newen Stetyn an dem wege, der genant ist der Markgrauenwek und gehet von dem dorffe Plawen gen dem dorffe Prussenw a l d e . . ," 3 0 5 Auffällig ist hierbei, daß nur von Wäldern und Heiden die 286
H . M ü n d t , Heer- und Handelsstraßen, S. 37.
WUB I I I - l , 38, N r . 72 = R A X V I I I , 125 f., N r . 48. WUB I I I - l , 74, N r . 140 = R A X V I I I , 130 f., N r . 56. Hochzeit ist auch in den Lehnsbriefen der Herren von Wedel aus dem 16. Jahrhundert noch enthalten, s. B. S c h u l z e , Neue Siedlungen in Brandenburg 1500—1800, 1939, S. 41. 29» W U B j j j . ^ 9 8 f^ N r > 1 8 1 = R A X V I I I , 134 f., N r . 62. 3 0 0 WUB III-2, 123, N r . 201 = R A X V I I I , 144 f., N r . 78. 3 0 1 WUB III-2, 102 f., N r . 165 = R A X V I I I , 33, N r . 51. 302 W U B m . 2 ) 92, N r . 149 = R A X V I I I , 31 f., N r . 49. Reetz blieb bis ins 18. Jahrhundert Mediatstadt der Wedel, vgl. B. S c h u l z e , Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935, S. 134. 297
298
R A X V I I I , 151, N r . 86. S c h u 11 z e , Landbuch, S. 66. 306 W U B I V > 4 ) N r > 5 = R A X V I I I , 148 f., N r . 84. 303 304
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Rede ist, nicht aber von den in diesem Gebiet gelegenen Wedelschen Städten, Burgen und Dörfern, obwohl aus derselben Urkunde hervorgeht, daß z. B. die Städte Märkisch-Friedland und Tütz durchaus noch in ihrem Besitz waren. Der Grund dafür scheint der zu sein, daß um diese Zeit die Städte nicht mehr zur Neumark, sondern zu Polen gehörten. Da die Stadt Deutsch-Krone, in der die "Wedel ebenfalls schon seit längerer Zeit Besitzrechte hatten 306 und die noch 1364 ebenso wie Tütz zur Mark gerechnet wurde, 307 in den Jahren 1368 und 1370 als polnisch nachweisbar ist 308 und auch Tempelburg 1368 zu Polen gekommen war, 3 0 9 vermutet Wrede wohl mit Recht, daß zu derselben Zeit auch das übrige östliche Gebiet der Neumark unter die polnische Herrschaft gelangte, 310 wo es bis zur ersten Polnischen Teilung blieb. 311 Wenn im Landbuch Karls IV. unter der Überschrift „Idem territorium transoderanum habet eciam has municiones" die als „illorum de Wedel" gekennzeichneten Städte Deutsch-Krone, Tütz und Märkisch-Friedland aufgeführt werden, 312 so besagt das nicht, daß sie in der Zwischenzeit wieder der Mark einverleibt worden wären, und auch nicht unbedingt, „daß die 1370 in den Besitz der ganzen Mark gelangten Luxemburger die Gültigkeit der von Otto dem Faulen abgeschlossenen Grenzverträge nicht anerkannten und durch Aufführung dieser Städte im Landbuch ihre Ansprüche daran wahren wollten", wie Wrede meint. 313 Denn unter den im Landbuch summarisch aufgeführten Wedelschen Besitzungen erscheinen auch die gleichfalls nicht in der Neumark, sondern in Pommern gelegenen Burgen Uchtenhagen, Mellen und Freienwalde. Allerdings deutet die Tatsache, daß im Huldigungsbrief von 1374 die 5000 Hufen zwischen den Flüssen Küddow und Netze und dem Land Neu-Stettin als 3 0 8 W U B III-l, 11, Nr. 22 = R A X V I I I , 457 f., Nr. 25: „Hans von der Crone"; vgl. auch W U B III-2, 73 f., Nr. 127 = R A X V I I I , 138, Nr. 68 (1364): „Hannus von Wedel von der Cronen". 3 0 7 RS, 35 ff., Nr. 37: Im Teilungsvertrag zwischen den Markgrafen Ludwig und Otto werden unter den „Steten, Vesten und Slosz" auch „Crone", „Thutz" und „Sloppe" aufgezählt. 3 0 8 CdmP III, Nr. 1596 (1368): Kasimir, König von Polen, bestätigt seiner Stadt Welcz (Deutsdi-Krone) das ihr von den Markgrafen im Jahr 1303 verliehene Privileg; vgl. dazu G. W r e d e , Grenzen der Neumark, S. 96 ff., bes. Anm. 81. 3 0 9 R A X X I V , 80, Nr. 133. 3 1 0 G. W r e d e , Grenzen der Neumark, S. 98. So auch H. J. S c h m i t z (wie Anm. 228), S. 71. 3 1 1 Vgl. Deuts dies Städtebuch I, S. 202 (Märkisch-Friedland), 156 (Deutsch-Krone), 256 (Tütz). Allerdings scheint ein Teil des zu Tütz gehörigen Gebietes märkisch geblieben zu sein, denn 1490 belehnte Kurfürst Johann Matzke und Jakob von Wedel zu Tütz mit dem Dorf Prochnow: „Wu sie und ore vorfarn bether in besittung gehatt", R A X V I I I , 197 f., Nr. 138. 3 1 2 S c h u 1 1 z e , Landbuch, S. 66. 3 1 3 G. W r e d e , Grenzen der Neumark, S. 9 7 ; die gleiche Interpretation bei H. J. S c h m i t z , a. a, O., S. 75.
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HELGA
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markgräfliches Lehen mitaufgeführt werden, doch darauf hin, daß die Zugehörigkeit dieses Gebietes keineswegs unumstritten war. Die wichtigste Besitzveränderung gegen Ende des 14. Jahrhunderts betraf „hus, stat und land Schiuelbeyn", das Hans von Wedel 1384 aus Geldnot dem Deutschen Orden verkaufte 3 1 4 und offenbar auch von dem daran mitberechtigten Zweig des Geschlechts 315 nicht gehalten werden konnte. Und auch die „terra" Falkenburg war nicht mehr allein in den Händen der Herren von Wedel: Seit 1398 werden gleichzeitig die von dem Wolde als „Herren von Falkenburg" bezeichnet. 316 6.
Zusammenfassung
Im Uberblick über die knapp anderthalb Jahrhunderte vom ersten Auftauchen der Herren von Wedel im Lande über der Oder bis zum Verkauf der Neumark an den Deutschen Orden im Jahre 1402 kann über die Besitzbildung folgendes festgehalten werden: Die ersten Besitzungen lagen um Arnswalde und zwischen den Ihnaarmen; sie waren der Familie als Lehen von Herzog Barnim von Pommern übertragen worden, 3 1 7 vielleicht in der Hoffnung, mit der Zuweisung eines größeren Komplexes an ein söhnereiches und kriegstüchtiges Geschlecht dieses gefährdete Gebiet gegen das Vordringen der Markgrafen von Brandenburg besser sichern zu können. Schon bald jedoch (seit 1272 nachweisbar) schlössen sich Ludwig von Wedel und seine fünf Brüder auch an die Markgrafen an; vermutlich, weil diese ihre Herrschaft über das Gebiet um Arnswalde ausgedehnt hatten (1269), in dem ein Teil der Wedeischen Besitzungen lag, die die Herren von Wedel nunmehr von den Markgrafen zu Lehen nahmen. Die Wedel wußten die ihnen aus dieser Doppelvasallität erwachsenden Vorteile zu nutzen: Sowohl im Herzogtum Pommern-Stettin als auch in der Neumark konnten sie ihren Besitz beträchtlich vergrößern. 3 1 8 Besonders in dem letzten großen von den Askaniern 314
W U B IV, 41 f., N r . 43 f. =
N r . 54 = 315
R A X V I I I , 2 3 6 f., N r . 33 f.; vgl. auch W U B I V , 50 f.,
R A X V I I I , 2 4 0 f., N r . 39.
W U B IV, 50 f., N r . 54 =
R A X V I I I , 2 4 0 f., N r . 3 9 : Henning von Wedel erklärt, daß
seine Streitigkeiten mit dem Deutschen Orden wegen seiner Ansprüche auf Schivelbein gütlich beigelegt worden sind und verzichtet auf seine Rechte. Welcher Linie Henning angehört, konnte allerdings nicht festgestellt werden. 316
W U B IV, 75, N r . 82 =
R A X V I I I , 154, N r . 89; vgl. auch R A X V I I I , 189, N r . 127
(c. 1440). 317
Im Gegensatz also zu F. M o r r e ,
Der Adel in der deutschen Nordostsiedlung des
Mittelalters, in: Deutsche Ostforschung, Ergebnisse und Aufgaben seit dem ersten Weltkrieg, 1942, S. 476, der den Weg der Wedel als von der Neumark nach Pommern führend beschreibt. 318
Dazu kam in späterer Zeit noch die Lehnsbeziehung zum Bistum Kammin, von dem
sie ebenfalls einen umfangreichen, im Herzogtum Pommern gelegenen Besitz hatten, vgl. oben S. 77 ff.
DIE HERREN VON WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
105
erworbenen Gebietskomplex zwischen Netze, Drage und Küddow zeigen sich die Wedel später reich begütert. Augenscheinlich haben die Markgrafen den größten Teil dieses Gebietes — bis auf die Gegenden, in denen sie 1303 die Städte Deutsch-Krone und Kailies gründeten — sofort nach dem Erwerb an einige wenige mäditige Rittergeschlechter weiterverliehen, 319 die in der Lage waren, sich selbst und damit gleichzeitig auch die Grenze gegen Polen und Pommern zu schützen,320 daneben aber wohl auch den Auftrag hatten, die Besiedlung des weitgehend noch unerschlossenen Landes zu übernehmen. Mit welchen Schwierigkeiten dies verbunden war, wird schon daraus deutlich, daß die Markgrafen der Stadt Deutsch-Krone bei ihrer Gründung 16 Freijahre schenkten.321 Auffällig ist außerdem die nach dem Neumärkischen Landbuch von 1337 gerade in diesem Gebiet sehr hohe Zahl an Wüstungen, die wohl nicht allein mit dem Polen- und Litauereinfall von 1326 erklärt werden kann. Offensichtlich wurde das Land schematisch in je 64 Hufen große Dörfer aufgeteilt, ohne daß es gelang, genügend Lokatoren und Bauern für ihre Besetzung dorthin zu holen. Der Kauf Schivelbeins im Jahre 1319 leitete die zweite Phase der Besitzerwerbung der Herren von Wedel ein. Nicht mehr die Notwendigkeit der Sicherung und Erschließung neu eroberten Landes, sondern die finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich die Markgrafen, besonders die Wittelsbacher, häufig befanden, waren der Grund für weitere Besitzübertragungen. So konnten die Wedel nicht nur weite Strecken zwischen ihren Gütern um Arnswalde und im Norden und Osten, sondern auch noch eine Reihe bisher landesherrlicher Städte und Burgen an sich bringen, die ihnen von den Markgrafen zur Deckung ihrer Schulden übertragen wurden. 322 Erwachsen waren 319
Nach dem Neumärkischen Landbuch hatte in diesem Gebiet audi eine Familie von „Gruthow" großen Besitz, G o l l m e r t , Landbuch, S. 29 f., und die Gründungsurkunde von Märkisch-Friediand nennt die mit dem Wedeischen Besitz zusammenstoßenden „bona dominorum de Lybenow", WUB II-l, 71 ff., Nr. 122 = RA XVIII, 102 f., Nr. 5. Die Ritter Ulridi von Schöning und Rudolf von Liebenthal erhielten bei der Gründung der Stadt Deutsch-Krone ein Gebiet von 320 ( = 5 X 64) Hufen in der Umgebung für die „fundationis labor", RB I, 248 ff., Nr. 318 = K r a b b o , Nr. 1865. 320
Vgl. PUB IV, Nr. 2093.
321
RB I, 248 ff., Nr. 318 = K r a b b o , Nr. 1865.
322 W U B n i - 1 , 74, Nr. 140 = RA XVIII, 130 f., Nr. 56 (Hochzeit); WUB III-l, 98 f., Nr. 181 = RA XVIII, 134 f., Nr. 62 (Nörenberg); WUB III-2, 132 f., Nr. 216 = RA XVIII, 146, Nr. 81 (Kerkow, Büssow, Golzow) usw. 1377 war den Wedel außerdem die Hälfte der Einnahmen aus der „stura sive lantbete" der nodi immediaten Städte der Neumark verpfändet, s. S c h u l t z e , Landbuch, S. 27.
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H E L G A CRAMER
diese Schulden zum großen Teil aus der Verwaltung der Neumark, an der häufig Mitglieder des Wedeischen Geschlechtes beteiligt waren. 323 Im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts konnten die Herren von Wedel nicht nur keine Neuerwerbungen mehr machen, sondern mußten sogar Besitzverluste hinnehmen, deren bedeutendster Stadt, Land und Haus Schivelbein betraf. In demselben Zeitraum ist auch eine Verminderung ihres politischen Einflusses festzustellen.324 HERRSCHAFTSBILDUNG Im folgenden Teil sollen die Herrschaftsrechte der Herren von Wedel und ihre Stellung in ihren Besitz- und Herrschaftsbereichen dargestellt werden. Dabei wird auch ihr Verhältnis zur Landesherrschaft, ebenso wie ihre Position innerhalb des märkischen Adels beleuchtet werden. Da Ludwig von Wedel in der ersten markgräflichen Urkunde, in der er genannt ist,325 unter den „milites nostri" aufgeführt wird, soll zunächst ein Blick auf die rechtliche und soziale Stellung der Ritter geworfen werden. 1. Rechtliche und soziale Stellung der Ritter in der Mark
Der seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts häufig in den märkischen Urkunden auftauchende Begriff „miles" (Ritter) bezeichnet einen Stand, der zum größten Teil aus dem der früheren Ministerialität, der unfreien Dienstmannschaft des Markgrafen, erwachsen war. 326 Auf die Ministerialen, die ihnen infolge ihrer Unfreiheit in ganz anderem Maße verbunden waren als die nach weitgehender Unabhängigkeit strebenden freien Vasallen, hatten sich die Markgrafen vornehmlich bei der Erweiterung des Markengebietes, bei der Umwandlung der Markgrafschaft in einen Territorialstaat, der Errichtung der Landesherrschaft, gestützt, ebenso wie bei der Verwaltung der Mark. Dies hatte zu einem Prozeß des sozialen und rechtlichen Aufstiegs der Ministerialen geführt, der ihre alte Unfreiheit in Vergessenheit geraten ließ. Für ihre Dienste wurden die Ministerialen von den Markgrafen mit Gütern ausgestattet, die sie schon bald als erbliche Lehen erhielten. Nunmehr nahmen sie 323 Vgl. WUB I I I - l , 36, Nr. 68; 39 f., Nr. 74 = RA XVIII, 126 f., Nr. 49; WUB I I I - l , 66 f., Nr. 124 = RA XVIII, 129 f., Nr. 54; WUB III-l, 86 f., Nr. 164 = RA X V I I I , 226 f., Nr. 20 usw., außerdem unten S. 121 ff.
324 Vgl. ¿¡e Aufstellung über die Landvögte in der Neumark in bayrischer, luxemburgischer und hohenzollernsdier Zeit bei M. L i e b e g o 1 1 , Der Brandenburgische Landvogt bis zum XVI. Jahrhundert, 1906, S. 12—20 und unten S. 124. 326 328
WUB I I - l , 3, Nr. 3. Hierzu G . W i n t e r , Die Ministerialität in Brandenburg, 1922.
D I E H E R R E N V O N WEDEL IM L A N D E ÜBER D E R O D E R
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in der Besitzform, den Dienstleistungen ebenso wie in der Lebensführung die gleiche Stellung ein wie die freien Vasallen des Markgrafen, denen sie auch rechtlich gleichgestellt waren: Beide Gruppen waren vom Landgericht eximiert; sie hatten ihren Gerichtsstand vor dem Markgrafen. Das markgräfliche Hofgericht hatte sich zu einem Standesgericht für Ministeriale und freie Vasallen entwickelt, die zu einem neuen, einheitlichen Geburtsstand, der niederadligen, landsässigen Ritterschaft, zusammengeschmolzen waren. Diese umfaßte den gesamten brandenburgischen Adel, da die wenigen märkischen Grafen- und Herrengeschlechter ausgestorben oder von den Markgrafen verdrängt worden waren. 327 Der durchschnittliche, vom Markgrafen zu Lehen gehende Besitz eines Ritters betrug in der Alt- und Mittelmark sechs Hufen. 328 In der Neumark hatten die Lehengüter nach dem Landbuch von 1337 eine Größe von acht bis zwölf Hufen. Für diesen Besitz, der praktisch steuerfrei war — in den Jahren 1280 und 1281 hatten die Markgrafen die Abschaffung jeder Art von Bede gegen die Zahlung einer jährlichen Steuer zugestanden, wobei jeder Ritter aber für sechs und jeder Knappe für vier Hufen auch von dieser Steuer befreit war 329 —, hatten die Ritter nicht wie die Bauern Zins zu zahlen, sondern dem Markgrafen Lehendienst zu leisten: Heerfolge bei seinen Kriegszügen und Verwaltungsdienste. Allerdings mußten die Markgrafen sie für diese Dienste bezahlen, und da sie häufig in Geldnot waren, übertrugen sie ihnen den größten Teil ihres grundherrlichen Besitzes, womit in den meisten Fällen auch die niedere Gerichtsbarkeit verbunden war, d. h. das Recht, einen Schulzen zu ernennen oder das Schulzenamt selbst auszuüben und die niederen Gerichtsgefälle einzuziehen.330 Doch konnten die Ritter bald auch noch einige andere Herrschaftsrechte an sich bringen: das Kirchenpatronat, die obere Gerichtsbarkeit und den Anspruch auf die Dienste der Bauern für die Landesverteidigung, 331 die die Markgrafen als Vermögensobjekte den Rittern verpfändeten oder verkauften. Einen guten Eindruck von dem Ausmaß dieser Übertragungen verschafft das Landbuch Karls IV.: Der Markgraf besaß nur noch in ganz wenigen Dörfern volle Grundherrschaft und obere Gerichtsbarkeit. 327
Vgl. H. K. S c h u 1 z e , Adelsherrschaft und Landesherrschaft. Studien zur Verfassungsund Besitzgeschichte der Altmark, des ostsächsischen Raumes und des hannoverschen Wendlandes im hohen Mittelalter ( = Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 29), 1963, passim. 328
H. S p a n g e n b e r g , H o f - und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittel-
alter, 1908, S. 243, Anm. 2; G. W i n t e r , Ministerialität, S. 86. 329
R C I, 9 ff., Nr. 8 f. = K r a b b o , Nr. 1223, 1253.
330
G. W i n t e r , Ministerialität, S. 88.
331
R. K o s e r , Geschichte der brandenburgisch-preußischen Politik I, S. 57.
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HELGA
2. Herrschaftsrechte
CRAMER
der Herren von
Wedel
Im ersten Teil der Arbeit hat sich gezeigt, daß die Wedel über einen ungewöhnlich umfangreichen Landbesitz verfügten, der bei weitem die Größe eines durchschnittlichen Rittergutes überstieg. Über diesen Besitz standen ihnen die grundherrlichen Rechte zu, d. h. vor allem der Zins, die Abgabe der Bauern für das ihnen zu Erbzinsrecht zur Bewirtschaftung übertragene Land, das — wie auch sonst in diesem Gebiet 332 — zwei Hufen betragen haben wird. Jedenfalls ergibt sich diese Größe aus einer Urkunde von 1377, in der Hasso von Wedel dem Johanniterorden eine Rente von 30 Mark Finkenaugen in dem Dorf Suckow verkauft, die von drei Bauern auf je zwei Hufen zu zahlen sei. 333 Auch an Kossäten war Land ausgegeben worden, das im allgemeinen eine Hufe groß gewesen sein wird: 1394 verkaufte Hasso von Wedel zu Cremzow dem Kloster Marienfließ „virtein houen met hoeuen und met kosten, szo yck se hadde, in deme dorpe und up der veitmarke Pegelow"; in der Urkunde werden auch die Namen der Kossäten genannt, von denen jeder „ene (houe) buweth". 334 Und 1398 belehnten verschiedene Brüder und Vettern von Wedel zusammen mit Hans von dem Wolde und dessen Brüdern den Johan Ryn mit dem Schulzenamt ihres Dorfes Dalow sowie „myd soes huuen und vyf koten, de in deme suluen dorpe gheleghen sint". 3 3 5 Ob und in welchem Maße die Bauern und Kossäten den Herren von Wedel als ihren Grundherren auch Hand- und Spanndienste leisten mußten, ist aus den Urkunden nicht zu ersehen. Weiterhin erhielten die Wedel in ihrer Eigenschaft als Grundherren Abgaben der Krug- und Mühlenbesitzer. 330 Schon frühzeitig haben sie aber auch über ursprünglich landesherrliche Befugnisse verfügt wie die untere und obere Gerichtsbarkeit („iudicium infimum et supremum") und das Patronatsrecht. 1313 verkauften die Brüder Hasso, Beteko und Henning von Wedel dem Henning von Hagen das Dorf Gottberg „cum supremo judicio sive jure patronatus et quitquit ad ipsum jus patronatus dinoscitur pertinere". 337 In derselben Urkunde belehnen sie den Henning mit Besitzungen im Dorf Kranzin „cum precaria et omni exaccione, cum servicio curruum necnon cum omnibus j u r i b u s . . . " Auch die Bede („pre332 Yg]_ p. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 403. 333
W U B IV, 24 f., N r . 26.
334
W U B IV, 69 f., N r . 74.
335
W U B IV, 75, Nr. 82 =
33« Vgl
R A X V I I I , 154, N r . 89.
Spangenberg,
H o f - und Zentralverwaltung, S. 220. Nach dem Neumär-
kischen Landbuch waren in den „terrae" Tütz, Kallies, Böthin und Falkenburg (G o 11 m e r t , Landbuch, S. 27 ff.) zusammen zwölf Krüge, bei denen teilweise Angaben über die Höhe der Einkünfte gemacht werden, und sechs Mühlen vorhanden, über deren Abgaben nichts gesagt wird; vermutlich waren sie alle nicht mehr in unmittelbarem Besitz der Wedel. 33T
W U B I I - l , 66 f., N r . 114.
DIE H E R R E N VON WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
109
caria") und der Wagendienst („servicium curruum") waren landesherrliche Rechte. Die Bede war eine in den Verträgen von 1280 und 1281 festgelegte jährliche Steuer, mit der das frühere Recht des Markgrafen auf außerordentliche „freiwillige" Beden abgelöst worden war. 3 3 8 Gewöhnlich wurde zusammen mit der Bede auch der Wagendienst übertragen, der Anspruch des Markgrafen auf einen bei einer Heerfahrt von den Bauern bereitzustellenden Wagen oder dessen Ablösung in Geld. 339 Diese Rechte scheinen generell auf die Wedel übergegangen zu sein, zum mindesten aber haben sie eine Befreiung von diesen Lasten erreicht: 1324 verkauften fünf Brüder Wedel dem Denekin Tölz das Dorf Wendisch-Latzkow mit allen Rechten, „quo et nos nostra bona . . . possedimus, absque omni servitio et precaria nec non servicio curruum.. ."34° Eine wichtige Voraussetzung für adlige Herrschaftsbildung ist die Verfügungsgewalt über eine zu Diensten stehende Mannschaft, und so haben auch die Herren von Wedel einen großen Teil ihres Besitzes zur Ausstattung von Lehnsleuten benutzt, die nunmehr ihnen und nicht den Markgrafen Dienste zu leisten hatten. Zwar werden erst in Wedeischen Urkunden aus dem ausgehenden 14. Jahrhundert Zeugen mit dem Zusatz „myne man" 341 oder „myne lybin getruwen" 342 und damit als Vasallen der Wedel charakterisiert. 343 Doch 3 3 8 R C I, 9 ff., Nr. 8 f.; vgl. H. S p a n g e n b e r g , Hof- und Zentralverwaltung, S. 338, und O. M e r k l i n g h a u s , Die Bedeverfassung der M a r k Brandenburg, in: FBPG 8 (1895), S. 86. 3 3 9 H. S p a n g e n b e r g , Hof- und Zentralverwaltung, S. 337 f., Anm. 3. 3 4 0 WUB II-2, 1 f., Nr. 1. 3 4 1 WUB IV, 28 ff., Nr. 30. 3 4 2 WUB IV, 42, Nr. 44 = R A XVIII, 237, Nr. 34. 3 4 3 Audi in den früheren Wedeischen Urkunden lassen sich manche Zeugen als Vasallen der Wedel nachweisen, doch ist im allgemeinen Vorsicht geboten, da häufig auch befreundete Ritter den Wedel Zeugendienste leisteten, wie umgekehrt die Wedel auch anderen Rittern (vgl. W U B I I - l , 58, Nr. 100; 107, Nr. 177; WUB II-2, 12, Nr. 17 = R A X X I , 454, Nr. 11; PUB VI, Nr. 3637; WUB I I - l , 74, Nr. 125 usw.). Ob z . B . die 1338 in dem Privileg für Freienwalde (WUB II-2, 48 ff., Nr. 74 = R A XVIII, 111 f., Nr. 22) aufgeführten Ludolphus Mellenthin, Heinrich von Klockow, Henning Spenyng, Henze Zilbur wirklich Wedelsdie Vasallen waren, ist längst nicht so sidier, wie H. v. W e d e l (wie Anm. 54), S. 218, hinstellt, da sie sonst in keinen Beziehungen zu den Wedel nachweisbar sind, dafür aber auch bei den Markgrafen oder den Herzögen von Pommern testieren (vgl. PUB V, Nr. 3058, 3165; RB I, 215, Nr. 279; ein „Heinrich von Mellenthin", der wahrscheinlich ein Vorfahre des obengenannten Ludolphus Mellenthin ist, wird in einer markgräflichen Urkunde von 1286 nach „Hasso, Lüdike, Henrich von Dossen unser Advocat" genannt, R A XVIII, 2 f., Nr. 2). Auch daß sie alle nach Jakob Krümmel aufgeführt werden, der als Lehnsmann der Wedel sdion identifiziert wurde (vgl. oben S. 78), beweist v. Wedels Annahme nicht unbedingt, da die Krümmel ritterbürtig waren und in unmittelbaren Beziehungen zu den Herzögen von Pommern standen (vgl. PUB VII, Nr. 4219) und somit keinen geringeren sozialen Stand einnahmen als die anderen Zeugen.
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HELGA
CRAMER
haben die Wedel schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts Landbesitz als Lehen ausgegeben mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß ihnen dafür Lehendienst zu leisten sei: Am Schluß der Urkunde von 1313, in der die Brüder Hasso, Betekow und Henning dem Henning von Hagen verschiedene Besitzungen übertragen, heißt es: „Pro hiis siquidem bonis cunctis prenominatis . . . dominus Henningus et sui successores sive posteri legitimi nobis servire tenentur tantum cum dextrario fallerato". 3 4 4 Zuweilen wurde den Wedel die Lehnsherrschaft gleichzeitig mit dem Grundbesitz übertragen: 1371 belehnte Markgraf Otto die Brüder Hasso, Wedego und Titze von Wedel-Uchtenhagen mit dem Dorf Helpe, „also das die Czenden, die das selbe dorff und gut von uns nu czu lehen haben, vortmer czu lehen empfahen und haben sullen von den egenanten hern Hassen . . ." 3 4 5 Uber den Grundbesitz, der unterschiedlich groß war — im Neumärkischen Landbuch liegt er zwischen vier und zwölf Hufen; das Lehen konnte aber auch ein ganzes Dorf umfassen 346 —, standen den Vasallen die grundherrlichen Rechte zu. Sie konnten diesen Besitz auch veräußern, mußten dafür aber den lehnsherrlichen Konsens der Herren von Wedel einholen: 1374 übertrugen die Brüder Hasso, Heinrich und Ludwig von Wedel zu Cremzow dem Augustinerkloster in Stargard den vierten Teil des Dorfes Dahlow, den die Brüder Degenhart und Jakob Schönebeck mit ihrer Zustimmung („matura deliberatione et consilio ac nostra voluntate et consensu praehabitis") dem Kloster verkauft hatten. 347 Auch Mühlen wurden als Lehen an Wedeische Vasallen übertragen — 1339 belehnte Ludolf von Wedel zu Cremzow den Heinrich Suckow und dessen Familie zu gesamter Hand mit der Mühle zu Pegelow 348 — und vermutlich auch Krüge, daneben aber auch Ämter wie das Schulzenamt, das wohl generell in der Hand eines Vasallen lag. Allerdings liegt nur ein einziges urkundliches Zeugnis für eine derartige Übertragung vor, und zwar belehnten 1398 mehrere Wedel zusammen mit den Brüdern von dem Wolde als Herren von Falkenburg den Herrn Johan Ryn mit dem Schulzenamt ihres Dorfes Dahlow, den zugehörigen Gütern sowie dem „drudden del van alleme broke, de vor recht kummen", 349 also dem „iudicium infimum". 350 WUB I I - l , 66 f., N r . 114. WUB III-2, 110 f., Nr. 179 = R A X V I I I , 143, Nr. 75. 3 4 6 Vgl. WUB I I I - l , 67, Nr. 125; WUB I I - l , 100, N r . 171. 3 4 7 WUB IV, 7 f., N r . 7. 3 4 8 WUB II-2, 63 f., Nr. 94 = R A X V I I I , 114 f., N r . 27. 349 W U B I V > 7 5 > N r 8 2 ^ R A X V I I I , 154, N r . 89. 3 5 0 In der zweiten H ä l f t e des 14. Jahrhunderts bedeuteten das „iudicium infimum" und „iudicium supremum" nicht mehr die Aufgliederung nach der Straftat, sondern „unter iud. inf. verstand man den dritten Teil der Gerichtseinnahmen und das mit diesem verbundene Ernennungsrecht des Schulzen, unter iud. supr. dagegen lediglich die anderen zwei Dritteile 344
345
DIE HERREN VON WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
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Die Vasallen unterschieden sich nicht nur hinsichtlich der Besitzform und -große von den bäuerlichen Hintersassen der Wedel, sondern auch in ihrer rechtlichen Stellung. In dem Privileg, das die Brüder Wedigo und Henning von Wedel-Uchtenhagen 1338 ihrer Stadt Freienwalde ausstellten,351 ist die Bestimmung enthalten, daß alle Bauern der „terra" Lichtenhagen, Freienwalde, Kerkow und Schwerin, die den Bürgern von Freienwalde verschuldet seien und den Rückzahlungstermin versäumten, vor das Stadtgericht zu ziehen seien, sobald sie in der Stadt aufgegriffen würden: „Item . . . prenarate civitati nostre dedimus et nostris civibus constitucionem hanc nove prerogative et juridicionis, ut quincunque villanorum terre Uchtenhaghen, Kerkow, Wrienwaldis et Zweryn bona predictorum civium acomodaverit et si termino persolutionis debite non persolverit et in civitate repertus fuerit, coram nostro prefecto et scabinis antedicte civitatis ad judicium trahatur satisfaciendo debitis pro eisdem, exceptis nostris prefectis et vasallis." Von dieser Bestimmung werden also die Wedeischen Schulzen („prefecti") und Vasallen ausgenommen. Anschließend heißt es weiter: „sed si quis prefectorum predictorum in fideiussione vel acomodacione arbitratus fuerit secundum suum arbitrium, judicialiter satisfaciet quacunque eciam contradictione non obstante." Für die Schulzen war demnach ein eigenes Gericht zuständig, das für sie Recht sprach „secundum suum arbitrium", über das aber keine näheren Ausführungen gemacht werden. Da die Schulzen jedoch von den Herren von Wedel eingesetzt wurden, werden diese es vermutlich auch gewesen sein, vor denen sie ihren Gerichtsstand hatten, und zwar bildete dieses Gericht offensichtlich die letzte Instanz, da ein Einspruch nicht erlaubt wurde („quacunque eciam contradictione non obstante"). Ob es auch für die übrigen Vasallen zuständig war, wird in der Urkunde nicht gesagt, ist aber doch wahrscheinlich, da in der vorherigen Bestimmung zusammen mit den „prefecti" auch die „vasalli" vom Stadtgericht eximiert werden. Um ein Urteil über Vasallen scheint es sich auch in der Urkunde des Wedego von Wedel-Uchtenhagen von 1347 gehandelt zu haben, in der er erklärt, daß der Streit eines Hermann und seiner Frau Katharina mit den Bürgern der Stadt Königsberg endgültig vor ihm beigelegt worden sei: „ . . . ad ultimum coram nobis in nostra villa Meine in finem debitum est redacta et amicabiliter terminata". 352 Wahrscheinlich befand sich in Mellen ein Lehnhof über die Vasallen der Wedel, wie auch einer „bis auf die neuesten Zeiten" in Neuwedel bestanden haben soll.353 der Strafgefälle, welche der Schulze an den Landesherrn bzw. Grundherrn ablieferte", H. S p a n g e n b e r g , Hof- und Zentralverwaltung, S. 263. 351 WUB II-2, 48 ff., Nr. 74 = RA XVIII, 111 f., Nr. 22. 352 WUB II-2, 107, Nr. 180 = RA XIX, 208, Nr. 62. 353 v. R a u m e r , Landbuch (s. Anm. 55), S. 49, und a. a. O., S. 55.
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Allerdings zeigt eine kurfürstliche Entscheidung über einen Streit zwischen den Borcken und ihren Lehnsleuten Meseritz aus dem Jahr 15 22, 354 nach der diese den Borcken dienen sollten, „In massen wie den von wedell und Bercken Erbare lehenlewt von dergleichen affterlehen zu dienen pflegen", daß in späterer Zeit zumindest die ritterbürtigen Aftervasallen an das landesherrliche Gericht appellieren durften: Die Bordien, so heißt es, sollten „Inen die appellationen an landesfursten als affterlehen vorbehaltten". Außerdem sollten im Lehengericht „ebenburttige mannen, wie sich geburt", Recht sprechen. Zweifellos ist diese Entscheidung auch auf die vorher mitgenannten „Erbare lehenlewt" der Herren von Wedel zu beziehen, die sich damit als Lehnsherren auch ritterbürtiger Vasallen erweisen. Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts lassen sich adlige Lehnsleute der Wedel nachweisen, die, obwohl grundsätzlich von gleicher Standesqualität wie die Wedel selber, von diesen Lehen genommen und sich in ihre Mannschaft begeben hatten. Der 1313 und 1321 von den Brüdern Hasso, Betekin und Henning belehnte Henning von Hagen wird in den Urkunden als „strenuus miles" und „dominus" bezeichnet.355 Ritterbürtige Vasallen der Wedel waren auch Angehörige des in Pommern und in der Neumark begüterten und angesehenen Geschlechts der Borcke 356 und die Familie Krümmel in Pommern. 357 Die Angehörigen dieser Familien waren gleichzeitig noch unmittelbare Lehnsträger der Landesherren 358 und nahmen zweifellos eine unabhängigere Stellung den Wedel gegenüber ein als die nicht ritterbürtigen Vasallen. Ebenfalls ritterlicher Abstammung waren die in der „terra" Schivelbein begüterten von der Elbe, die mit den Brüdern Dietrich und Otto im Jahr 1313 zum erstenmal in Verbindung mit den Wedel genannt wurden. 359 Allerdings ergibt sich das erst sicher aus einer Urkunde von 1386, in der der Vogt von Schivelbein, Caspar von Prittitz, den „erbaren knecht" Michel von der Elbe mit Besitzungen zu Labenz belehnt. 360 Die von der Elbe verloren im Laufe des 14. Jahrhunderts die noch 1337 bestehende unmittelbare Beziehung zur Landesherrschaft. 301 Als ritterbürtig lassen sich noch der „Erbar man Her R A XVIII, 209 f., Nr. 153. WUB II-l, 66 f., Nr. 114; 100 f., Nr. 171. 3 5 8 Zum mindesten trugen sie das Dorf Brallentin von den Wedel zu Lehen, vgl. oben S. 73. 1374 wird Hinricus Borcken in der Zeugenreihe hinter anderen Wedeischen Vasallen genannt, WUB IV, 7 f., Nr. 7. 3 6 7 Vgl. oben S. 78. 3 6 8 WUB II-l, 87, Nr. 150 = K r a b b o , Nr. 2683; RA XVIII, 100, Nr. 1; PUB VII, Nr. 4219, 4563. 3 6 9 WUB II-l, 65 f., Nr. 113. 3 9 0 WUB IV, 51, Nr. 55 = RA XVIII, 241, Nr. 40. 3 6 1 Vgl. G o 11 m e r t , Landbuch, S. 26. 364
365
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Johan Ryn", der 1398 mit dem Schulzenamt zu Dalow belehnt wurde, 362 und der Fritz Rossow, der in zwei Urkunden von 1375 in der Zeugenreihe vor den von der Elbe genannt wird, 363 nachweisen. Unterschiede im Verhältnis zu den Wedel zwischen diesen und den zuerst genannten ritterlichen Familien — z. B. in ihrer rechtlichen Stellung — lassen sich urkundlich nicht feststellen. Generell kann man aber wohl sagen, daß die Abhängigkeit der ersteren von den Wedel sehr viel größer gewesen sein wird. Die geringere soziale Stellung zeigt sich schon daran, daß sie — anders als die Hagen, Borcke, Krümmel — nur in den Zeugenreihen Wedelscher Urkunden auftreten. Weitere Vasallen der Herren von Wedel sind nicht mit Sicherheit als ritterbürtig nachzuweisen. Doch muß ihre Zahl beträchtlich gewesen sein, denn 1388 schlössen eine Reihe Wedel aus verschiedenen Häusern einen Soldvertrag mit dem Deutschen Orden, dem sie sich „mit hundert wolgewapent rittern unde knechten unde dortzu mit hundert schuczin" verpflichten konnten. 364 Ein weiteres Herrschaftsrecht, über das die Wedel verfügt haben und das ursprünglich ausschließlich landesherrlich war, ist die Stadtherrschaft. Eine Anzahl neumärkischer Städte ging durch Verkauf oder zur Deckung landesherrlicher Schulden in Wedeischen Besitz über wie Schivelbein, Kailies, Nörenberg, Reetz. 365 Daneben aber haben die Wedel selbständig Städte gegründet oder schon bestehenden Ortschaften Stadtrecht verliehen; in den darüber ausgestellten Urkunden ist weder von einer Beteiligung der Markgrafen noch von einer Autorisation durch sie auch nur andeutungsweise die Rede. Damit zeigen sich die Wedel in einer Machtposition, in die, soweit ich sehe, kein anderes neumärkisches Rittergeschlecht gelangt ist. Sonst waren Ritter bei Stadtgründungen lediglich als Lokatoren im Auftrag der Markgrafen beteiligt. 366 Im Jahr 1314 setzten die Brüder Heinrich und Johann von Wedel die Grenzen ihrer Stadt Märkisch-Friedland („Nuva Vredeland") fest. 367 Daß es sich dabei um eine Neugründung gehandelt hat, geht aus der Zeugenreihe der Urkunde hervor, in der „Nicolaus et Johannes fratres dicti Knokendorp, fundatores premisse civitatis Nuve Vredeland et consules ibidem", genannt WUB IV, 75, Nr. 82 = RA XVIII, 154, Nr. 89. 363 W U B I V ) 9 > N r . g = RA XVIII, 231 f., Nr. 27; WUB IV, 28 ff., Nr. 30 = RA XVIII, 232 f., Nr. 29. 3 8 4 WUB IV, 55 ff., Nr. 61 = RA XVIII, 151 ff., Nr. 87. 3 6 5 Vgl. oben S. 86, 97, 102. 3 6 6 Vgl. die Urkunden über die Gründung von Landsberg (RA XVIII, 369 f., Nr. 6 = K r a b b o , Nr. 813), Dramburg (RA XVIII, 215, Nr.4 = K r a b b o , Nr. 1666) und Deutsch-Krone (RB I, 248 ff., Nr. 318 = K r a b b o , Nr. 1865). 3 8 T WUB II-l, 71 f., Nr. 122 = RA XVIII, 102 f., Nr. 5. 362
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werden. Die beiden Brüder, die ihren Namen von einem Dorf in der auch den Wedel gehörigen „terra" Tütz tragen, hatten also die Gründung durchgeführt. 368 Man geht kaum fehl in der Annahme, daß die Wedel es waren, die den Auftrag dazu erteilt hatten. Auch die Stadt Neuwedel ist eine Wedelsche Gründung. Sie dürfte zeitlich noch vor der von Märkisch-Friedland liegen.369 Allerdings wird die „stad to Wedel" erst 1363 zum erstenmal als solche bezeichnet.370 Vielleicht ist der Stadtgründung die Anlage einer Burg vorangegangen. Schließlich bestimmten im Jahr 1333 die Brüder Ludeke und Hasso von Wedel die Grenzen ihrer Stadt Falkenburg, der sie auch brandenburgisches Recht verliehen, „als gemene unsers herren staede des marggreven hebben".371 Als Stadtherren konnten die Herren von Wedel über den Grundbesitz der Stadt verfügen und über die zu leistenden Abgaben. 372 Einen Teil der Stadtherrschaft machte die Gerichtsherrschaft in der Stadt aus. In der Urkunde über die Stadtrechtsverleihung an Falkenburg behielten sich Ludeke und Hasso ausdrücklich das oberste Gericht vor. Als Hans von Wedel 1378 die bei einem Brand vernichteten Privilegien der Stadt Schivelbein erneuerte, überwies er ihr „den drudden pennynk an allen broeken, de yn der sulven stat gevallen moghen". 373 Die Rechte der Wedel als Gerichtsherren werden auch in dem Privileg für ihre Stadt Neu-Freienwalde sichtbar, in dem sie den Bürgern zugestehen, daß für sie in allen Fällen, einschließlich der Blutsgerichtsbarkeit, 368
Es ist folglich nicht richtig, wenn v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 411, schreibt, die Gründung der Mediatstadt Friedland sei ohne die Vermittlung eines Unternehmers erfolgt. Als „fundatores" werden z. B. auch die Ritter Ulrich von Schöning und Rudolf von Liebenthal bezeichnet, denen die Markgrafen 1303 die Gründung der Stadt DeutsdiKrone übertragen hatten, RB I, 248 ff., Nr. 318. 389
Vgl. oben S. 73.
370 WUB III-2, 64, Nr. 114 = RA XVIII, 138, Nr. 67. Die erste Erwähnung eines Rates ist allerdings nicht erst aus dem Jahr 1381, wie H . W i t t l i n g e r , Untersuchungen zur Entstehung und Frühgeschichte der neumärkischen Städte, in: Die Neumark 8 (1932), S. 57, schreibt, sondern aus dem Jahr 1362, vgl. WUB III-2, 54, Nr. 96. 371
WUB II-2, 20 ff., Nr. 30 = RA XXIV, 17 ff., Nr. 28.
372
Der Stadt Märkisch-Friedland verliehen Heinrich und Johann von Wedel allen Zins der Tuch-, Fleisch- und Schuhbänke sowie zwei Drittel des Arealzinses und des „census areas mensurandi" (WUB I I - l , 71 f., Nr. 122 = RA XVIII, 102 f., Nr. 5); Falkenburg erhielt „allen marktins, scharnentins, kramertins, wandschnidertins . . . hustins bi dem markede unde worttins umme den kerkhoff, den tins van den boergerlanden, gardentins" (WUB II-2, 20 ff., N r . 30 = RA XXIV, 17 ff., Nr. 28). Dafür konnten die Wedel als Stadtherren, ebenso wie die Markgrafen in den landesherrlichen Städten, eine jährliche Steuer („plege" in Falkenburg, „oerbede" in Schivelbein, WUB IV, 28 ff., Nr. 30 = RA XVIII, 232 f., Nr. 29) erheben; vgl. dazu H . S p a n g e n b e r g , H o f - und Zentralverwaltung, S. 348 ff. 873
WUB IV, 28 ff., Nr. 30 = RA XVIII, 232 f., Nr. 29.
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nur ihr, d. h. der Wedel, Schulze und die Schöffen der Stadt zuständig seien und sie nicht vor ein anderes Gericht gezogen werden dürften: „Item si contigerit aliquem civium excedere contra alium wlnerando ipsum aut occidendo et generaliter omnes cause civium debent coram nostro prefecto et scabinis nostre civitatis secundum formam iuris Brandenburgensis finaliter terminari, ita quod nullatenus a nobis vel ab aliquo successorum nostrorum dicti cives ad alium judicem aut juridicionem pertrahantur." 374 Der Schulze („prefectus") war ein Beamter der Wedel, ihr Vertreter in der Stadt, den sie für seine Dienste mit Einkünften ausstatteten: In der für Märkisch-Friedland ausgestellten Urkunde wird ein Drittel des Wort- und Vermessungszinses dem Schulzenamt zugewiesen. In der Stadt Schivelbein wurden die herrschaftlichen Rechte von „amptesluden" wahrgenommen, die allerdings vielleicht nur für die Zeit der Abwesenheit des Stadtherrn zuständig waren: 1338 gestand Hasso der Alte von Wedel dem Rat von Schivelbein zu, daß das in seiner Abwesenheit von seinen Amtsleuten erlassene Verbot der Kornausfuhr künftig nur noch mit Zustimmung beider Seiten, d. h. des Rates und des Stadtherrn, Gültigkeit haben sollte.375 Gleichzeitig zeigt sich auch hier, ebenso wie bei den landesherrlichen Städten, 376 das Bestreben, mehr Unabhängigkeit vom Stadtherrn zu erlangen und die städtischen Angelegenheiten allmählich in die eigene Hand zu bekommen. Außer den Städten kamen in der Organisation der Mark audi den Burgen eine große Bedeutung zu. Sie spielten eine wichtige Rolle in der Landesverteidigung, vor allem in der feindlichen Angriffen besonders häufig ausgesetzten Neumark. Ursprünglich war auch der Burgenbau und -besitz ein ausschließliches Vorrecht des Landesherrn gewesen.377 Waren die Ritter zunächst nur als Beamte in den Burgen eingesetzt gewesen, so wurden diese ihnen mit den zugehörigen Besitzungen bald auch als erbliche Lehen übertragen. Auch die Herren von Wedel lassen sich früh als Besitzer einer Burg nachweisen: Noch vor dem Ende des 13. Jahrhunderts hatten sie die Burg Kürtow inne.378 Im Laufe des folgenden Jahrhunderts läßt sich noch eine große Anzahl weiterer Burgen in Wedelschem Besitz feststellen: Zantoch, Driesen, Schildberg, Hochzeit, Neuwedel, Reetz, Gabbert, Kailies, Mellen, Nörenberg, Falkenburg, 374
WUB II-2, 48 ff., Nr. 74 = RA XVIII, 111 f., Nr. 22.
3T5
WUB II-2, 47, Nr. 72 = RA XVIII, 221, Nr. 12.
378
Vgl. K. S c h r ä d e r , Studien zur Geschichte der märkischen Städte unter den Askaniern und Wittelsbachern (1134—1373), Diss. Göttingen 1930, S. 70 ff.; ferner H. W i t t I i n g e r , Untersuchungen, S. 118. 377 H. S p a n g e n b e r g , sterialität, S. 115. 378
8*
Vgl. oben S. 71 f.
H o f - und Zentral Verwaltung, S. 480; G. W i n t e r ,
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Schivelbein, Polzin, Cremzow, Lichtenhagen, Freienwalde. 379 Zuweilen bekamen die Wedel von den Markgrafen auch die Erlaubnis, selbst eine Burg zu errichten; so gestattete Markgraf Ludwig der Römer 1337 dem Heinrich Anesele von Wedel, ein „fortalicium sive Castrum" bei dem Dorf Gabbert zu errichten. 380 Allerdings behielt sich der Markgraf, wie er es auch bei Belehnungen mit Burgen zu tun pflegte, 381 das öffnungsrecht vor: „ . . . tali tarnen conditione interposita vel adiecta, quod id ipsum Castrum nobis, heredibus et successoribus nostris contra quoscunque, cuiuscunque nominis, dignitatis, status aut conditionis sint vel fuerint, sine sucgestione doli, totiens quotiens necesse fuerit, sine contradictione qualibet parere debebit, tenebitur et patere." 3 8 2 Die Herren von Wedel waren also im Besitze mannigfacher Herrschaftsrechte. D a diese jedoch mit einer Ausnahme, auf die noch näher eingegangen wird, zeitlich und räumlich isoliert auftreten, fügen sie sich nicht zu einem geschlossenen Bild Wedelscher Herrschaft zusammen. Es hat sich aber gezeigt, daß sich die Herrschaftsrechte auf die im ersten Teil geschilderten Zentren des Wedeischen Besitzes konzentrierten. Auf diese soll deshalb unter dem Blickwinkel der Herrschaft noch einmal eingegangen werden. 3. Die Stellung der Herren von Wedel in ihren „terrae" bzw.
„landen"
Der Wedeische Besitz in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts umfaßte zu einem großen Teil ein räumlich geschlossenes Gebiet in der Neumark, das darum im Neumärkischen Landbuch von 1337 die zusammenfassende Bezeichnung „terra" erhielt: „Hec est terra illorum de Wedel." 3 8 3 Eingeteilt ist diese „terra" in die Besitz- und Herrschaftsbereiche Tütz, Kallies, Böthin und Falkenburg, die wiederum auch als „terrae" bezeichnet werden. 384 D a sie im Landbuch genauso behandelt werden wie die vorhergehenden, dem Markgrafen gehörigen „terrae", wird es sich um gleichartige Gebilde gehandelt haben. Diese „terrae" waren als untere Gerichts- und Verwaltungsbezirke charakterisiert 379 Ygi 0 b e n s. 72—104. Wie ungewöhnlich hoch die Zahl der Burgen war, die die Herren von Wedel innehatten, zeigt ein Vergleich mit den anderen märkischen Adelsgesdilechtern, Sc h u 11 z e , Landbuch, S. 2—5 und S. 62—66. 3 8 0 WUB II-2, 34 f., Nr. 51 f. = RA XVIII, 108 f., Nr. 16 f.; vgl. auch WUB III-l, 91 f., Nr. 170 = RA XVIII, 133, Nr. 60. 881
H. S p a n g e n b e r g ,
882
WUB II-2, 34 f., Nr. 51 f. = RA XVIII, 108 f., Nr. 16 f.
Hof- und Zentralverwaltung, S. 480.
383
G o 11 m e r t , Landbuch, S. 27.
Wie sich diese vier „terrae" herausgebildet haben, ist im einzelnen nicht zu erkennen. Wahrscheinlich war das Gebiet, das an Ludolf von Wedel übertragen wurde, schon vorher in diese Bezirke gegliedert, vgl. für Kallies oben S. 92 f. 384
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worden. 385 Sie unterstanden einem Vogt, der als landesherrlicher Beamter die Rechte des Markgrafen in diesen Bezirken wahrnahm. Der Vogt war für die höhere Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit zuständig, während das Niedergericht den ihm untergeordneten Dorfschulzen zufiel, zog die dem Markgrafen zu leistenden Abgaben ein und hatte auch militärische Funktionen. 386 Von dieser markgräflichen Verwaltungsorganisation scheinen die Wedelschen „terrae" nicht betroffen gewesen zu sein. Offenbar kamen den Herren von Wedel diese Rechte selber zu; denn es sind in diesen Gebieten während der Zeit, in der sie den Wedel gehörten, keine markgräflichen Vögte erwähnt. 387 Außerdem war der Wedeische Besitz, wie sich schon aus verschiedenen Urkunden aus früherer Zeit gezeigt hat, 388 in weitem Maße von der Vogtei eximiert. Darum ist anzunehmen, daß die Wedel in ihren „terrae" nicht nur über die Grundherrschaft verfügten, sondern auch über die in den anderen Gebieten von Vögten wahrgenommenen Herrschaftsrechte. Es ist im einzelnen dabei freilich nicht festzustellen, ob ihnen diese Herrschaftsredite sogleich mit der Grundherrschaft übertragen wurden — etwa zum Ausgleich für die zu leistende Siedlungsarbeit —389 oder ob sie, was auch denkbar wäre, zunächst als Vögte in diesem Gebiet eingesetzt wurden, 390 es dann aber verstanden, die ihnen eigentlich nur als Beamten des Markgrafen zustehenden Rechte sehr bald auf sich selbst übergehen zu lassen. Daß sie hier schon in askanischer Zeit über Herrschaftsrechte verfügten, die über die vogteilichen Befugnisse hinausgingen, zeigt die Gründung der Stadt Märkisch-Friedland (1314), wo die Herren von Wedel nicht nur Bestimmungen über den Grundbesitz und die zu leistenden Abgaben, sondern auch über eigentlich landesherrliche Rechte wie z. B. das Jagdregal („Etiam damus eidem civitati libertatem venandi intra 385
Vgl. oben S. 91 f.
386
H . S p a n g e n b e r g , H o f - und Zentralverwaltung, S. 168 f., 143,497; F. J. K ü h n s , Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses in der Mark Brandenburg, 1865, I, S. 134 ff. Allerdings war zu dieser Zeit längst der Prozeß der Auflösung der Vogteiverfassung durch zahlreiche Exemtionen im Gange. D a ß für jede markgräfliche „terra" noch ein eigener Vogt zuständig war, ist sehr unwahrscheinlich. 387 Kallies scheint später, als es nicht mehr den Wedel gehörte, der Sitz einer Vogtei gewesen zu sein, vgl. RA XVIII, 151, Nr. 86 und oben S. 102. 388
Vgl. oben S. 108—116.
389
Vgl. oben S. 84, 105.
390
Im Jahre 1303, kurz nach der Gründung der Stadt Deutsch-Krone, belehnten „Leutzius et Hassius de Wedel" die Brüder Briesewitz mit Land in der Nähe der Stadt „ad mandatum" der Markgrafen mit dem Auftrag, für den Grenzschutz zu sorgen (K r a b b o , Nr. 1872). Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Hassius um den zwischen 1301 und 1307 erwähnten „advocatus" Hasso von Wedel (WUB I I - l , 34, Nr. 58; 35 f., Nr. 60 = RB I, 248 ff., Nr. 318: Gründungsurkunde von Deutsch-Krone; WUB I I - l , 48, Nr. 82 = R A X I X , 69, Nr. 8).
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ipsius metas limitatas") trafen. 391 Und die Urkunde für Falkenburg von 1333 zeigt, daß sie im Besitz des Mühlenregals („Weret dat de Stadt genog vlete hadde, dar man moelen moedite up buen, dessen schoelen se niehten") und der Fischereigerechtigkeit („Vortmer so geven wi der vorbenoemeden Stadt . . . de vischeri up dem Vansoschen dike bi der Stadt ewig tho besittende") waren. 392 Eine klare Aussage über die Entstehung einer ihrer Herrschaften kann nur für den Besitz um Schivelbein, der in späteren Urkunden ebenso wie Falkenburg die Bezeichnung „Land" erhielt, 393 gemacht werden; denn in der Urkunde, die Markgraf Waldemar 1319 über den Verkauf Schivelbeins an Nikolaus Olafson und Wedego von Wedel ausstellte, werden die dazugehörigen Besitz- und Herrschaftsrechte ausführlidi aufgeführt: „Hus unde stat mit luden, mit lande, mit gude, mit gerichte ouerst unde sidest, mit muntpennigen, mit holte, mit brukede, mit heide, mit honeghe, mit wesen, mit weide, mit allen wateren vlietende unde stände, mit vischerye dar inne, mit ackere gewunnen und ungewunnen, mit watermoelen, mit wintmoelen gebuwet oder noch tu buwende, tu hebbende unde tu besittende, mit aller bede leenes unde erues wo et si, ane allerleie dienest, et si man dienest oder burdienest oder wagendienest, mit jaget aller dierte gande oder vliegende, gehege tu hebbende unde tu makende swor en lustet, mit aller nut unde aller schiede des landes, mit aller ertze unde mit herscop slichtes unde umbeworren, et si bouen der erde oder under der erde, mit allen leenen werlik unde geistlik", und, zusammenfassend, „mit alleme rechte, alse wie et haddin". 394 Der Markgraf übergab also das Gebiet mit allen ihm hier zustehenden Herrschaftsrechten. Was ihm als dem Landesherrn verblieb, war lediglich die Oberlehnsherrschaft, deren Wert aber noch dadurch gemindert wurde, daß von diesem Besitz kein Vasallendienst geleistet werden mußte. Sogar auf das öffnungsrecht für die Burg Schivelbein, das sich die Markgrafen sonst generell vorbehielten, hat Waldemar offensichtlich verzichtet; jedenfalls wird es nicht erwähnt bei der Erlaubnis, „sloth Schiuelbein, hus unde stat" zu befestigen. Der Verzicht auf Vasallendienst und öffnungsrecht führte dazu, daß sich der Markgraf die Unterstützung der Herren von Schivelbein bei Kriegsfahrten mit einem speziellen Soldvertrag sichern mußte. Ein solcher Vertrag ist aus dem Jahre 1354 erhalten. 395 Darin bestellt Markgraf Ludwig der Römer den 391
WUB II-l, 71 f., Nr. 122 = RA XVIII, 102 f., Nr. 5.
392
WUB II-2, 20 ff., Nr. 30 = RA XXIV, 17 ff., Nr. 28.
393
WUB IV, 4 ff., Nr. 5 = RA XVIII, 148 f., Nr. 84; WUB IV, 42, Nr. 44 = RA XVIII, 237, Nr. 34. 3M
WUB I M , 88 f., Nr. 152 = RA XVIII, 218 f., Nr. 9.
385
WUB III-l, 86 f., Nr. 164 = RA XVIII, 226 f., Nr. 20.
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Hasso von Wedel-Uchtenhagen 396 zu „unsern houptmanne zu dem Schyvelbeyn" mit der Weisung, stets 100 gewappnete Mann zu halten. Im einzelnen wird ausgeführt, daß Hasso von Lichtenhagen ein Drittel und Otto von Schlieben, der als neumärkischer Landvogt („unser voygt over Oder") 200 Mann halten solle, zwei Drittel der anfallenden Gewinne („id sie an dingnisse, 397 an gevanghen oder an welchen zachen daz zie") erhalten sollen. In dieser Urkunde kommt noch einmal die Sonderstellung der Herrschaft Schivelbein in der Neumark klar zum Ausdruck: Sie war von der Landvogtei eximiert; der Hauptmann von Schivelbein stand gleichberechtigt neben dem neumärkischen Landvogt. Die weitgehende Unabhängigkeit zeigt sich schließlich auch bei dem Verkauf Schivelbeins an den nicht der markgräflichen Landesherrschaft unterstehenden Deutschen Orden im Jahre 13 84. 3 9 8 Von den Rechten des Markgrafen, etwa seiner vorher dazu eingeholten Zustimmung, ist dabei nicht die Rede. Hans von Wedel, „herre czv Schiuelbeyn", verfügte darüber wie über Eigentum. Lediglich eine später ausgestellte Urkunde, in der König Wenzel auf Ersuchen des Deutschen Ordens den Verkauf bestätigte, macht die landesherrlichen Rechte geltend: Der Deutsche Orden solle Schivelbein besitzen, „doch mit beheltnisse unsir und unsirs brudirs marggraf Segismundes czu Brandenburg rechten an den egenanten sachen". 399 Diese nahezu landesherrliche Stellung der Herren von Wedel zu Schivelbein hat sich nicht nur auf das ihnen 1319 übertragene Gebiet, sondern offenbar auch auf den inzwischen von ihnen erworbenen südlichen Teil der „terra" Schivelbein 400 erstreckt. Auf welche Weise sie hier die weitgehenden Besitzund Herrschaftsrechte erworben haben, ist nicht festzustellen. Erwägenswert scheint mir die von P. v. Nießen aufgestellte Hypothese, daß die Wedel den ihnen 1319 nicht verkauften Teil der „terra" Schivelbein zunächst als Vögte verwalteten und dank ihrer einflußreichen Stellung allmählich dazu übergehen konnten, die vogteilichen Befugnisse zu eigenem Rechte auszuüben. „Als dann die Wedel durch drei Generationen in Schivelbein gesessen hatten, da war allmählich auch das Bewußtsein geschwunden, daß sie für einen Teil des H. F. P. v. W e d e 1, Beiträge zur Geschichte der Neumärkischen Ritterschaft II, S. 31, nimmt an, daß Hasso von Lichtenhagen die Hauptmannschaft als nächster Verwandter des noch minderjährigen Hans von Wedel von Schivelbein erhalten habe. Diese Vermutung ist durchaus stichhaltig, da Hasso der Alte von Schivelbein 1352 zum letzte:. Male (WUB III-l, 53, Nr. 98), sein Sohn Hans erst 1364 (WUB III-2, 73 f., Nr. 127 = RA XVIII, 138 f., Nr. 68) zum ersten Male genannt wird. 396
3 8 7 „Dingnis" bedeutet in Norddeutschland: „Schongeld zur Vermeidung von Plünderung, Brandsdiatzung", Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. II, 1932—1935, Sp. 983. 3 9 8 WUB IV, 41 f., Nr. 43 ff. = RA X V I I I . 236 f., Nr. 33 f. 399 w u b I V i 4 6 > N r _ 4 8 = R A XVIII, 239 f., Nr. 38. 4 0 0 Vgl. oben S. 90.
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Landes eigentlich nur Vögte waren; es hatte sich ein Prozeß vollzogen, der sich in nichts unterscheidet von der Art, wie im Reich die Grafengewalt allmählich erblich und zu einer Territorialherrschaft wurde." 4 0 1 In zwei Urkunden aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird noch ein den Herren von Wedel gehöriges „land tho Wedel" 4 0 2 bzw. „land Neuwedel" 4 0 3 erwähnt. Dieser Herrschaftsbereich scheint sich erst spät — um die Mitte des 14. Jahrhunderts — herausgebildet zu haben und umfaßte wohl den Wedeischen Besitz zwischen Kürtow und Nörenberg; ein großer Teil der hier gelegenen Dörfer war im Landbuch von 1337 sowohl zur „terra" Arnswalde als auch zur „terra" Falkenburg geredinet worden. 404 Möglicherweise war die Bildung dieses Herrschaftsbereiches dadurch erschwert worden, daß innerhalb dieses Gebietes einige Städte lagen (Arnswalde, Reetz, Nörenberg), die die Markgrafen lange in ihrem unmittelbaren Besitz hatten. Nörenberg wurde 1354 und Reetz erst 1370 den Wedel übertragen, während Arnswalde im ganzen 14. Jahrhundert Immediatstadt blieb. Die späte Bildung dieses Herrschaftsbereiches hat auch zur Folge gehabt, daß sie nicht so weit fortschreiten konnte wie in den anderen Herrschaftsbereichen, wie aus einer Urkunde aus dem Jahr 1368 deutlich wird. 405 Darin belehnt Markgraf Otto Hasso und Ludekin von Wedel und Hasso, Ludekins Bruder, mit den ihnen durch den Tod Hennings, Hassos Bruder, zugefallenen Gütern — es wird sich um die Dörfer Mellen, Spiegel, Zehrten und Steinberg gehandelt haben, mit denen die Brüder Hasso und Henning 1354 zu gesamter Hand belehnt worden waren —, 4 0 8 aber „usgenomen den roesdinst, den wagendinst und die lichtepflege und was wir rechtis vor an den selben gueteren gehabt haben und noch von rechte h a b e n . . . " . Es zeigt sich, daß hier die Wedel nicht im Besitz aller Rechte in ihren Dörfern waren, sondern daß sich die Markgrafen noch einige zurückbehalten hatten. Über die beiden Besitz- und Herrschaftsbereiche in Pommern, UchtenhagenFreienwalde und Cremzow, liegt ebenfalls nur wenig urkundliches Material vor. Für die Herrschaft Uchtenhagen läßt sich aber immerhin feststellen, daß sie einen geschlossenen Gerichtsbezirk gebildet hat, der nur der Jurisdiktion der Herren von Wedel unterstand. 407 Und daß die Wedel auch in ihrem 401
402
P. v. N i e ß e n , Territorialherrschaft Schivelbein (s. Anm. 185), S. 115 f. III-2, 54, Nr. 96.
W U B IV, 4 5 , Nr. 5 = R A X V I I I , 148 f., Nr. 84. Vgl. oben S. 94 f. 405 i n - 2 , 86, Nr. 141 = R A X V I I I , 140, N r . 70. 406 w u b n i - 1 , 91, Nr. 169. 40t Ygi_ d a s Privileg für Freienwalde von 1338. Die darin genannte „terra Vditenhaghen, Kerkow, Wrienwaldis et Zwerin" umfaßte wahrscheinlich den ganzen Herrschaftsbereich, vgl. oben S. 78, bes. Anm. 116. 403
404
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Herrschaftsbereich Cremzow eine weitgehend unabhängige Position einnahmen, zeigt sich z. B. daran, daß sie im Besitz des Mühlenregals waren: Als Ludolf von Wedel 1339 den Heinrich Suckow mit der Mühle zu Pegelow belehnte, versprach er, keine weitere Mühlenanlage am Krampehl zu gestatten, soweit dieser durch seinen Besitz fließe.408 Weiterhin verlieh er ihm die Fischereigerechtigkeit in diesem Fluß. Allerdings ging die Selbständigkeit doch nicht so weit, daß sie völlig frei über ihren Besitz hätten verfügen können. Obereigentümer blieb immer der Landesherr. Zur Ubereignung des zum Wedeischen Besitz zählenden Dorfes Pegelow an das Kloster Marienfließ im Jahre 1393 sagt Hasso von Wedel von Cremzow: „Dat heft myn here dy hertoge ghedan dorch myner bede wille und met myme vulborde." 409 4. Das Verhältnis der Herren von Wedel zum und zum Herzog von Pommern
Markgrafen
Schon bald nach ihrem Auftauchen im Lande über der Oder nahmen die Herren von Wedel eine hervorragende Position nicht nur innerhalb des neumärkischen, sondern des gesamten brandenburgischen Adels ein, was sich in der Stellung in den Zeugenreihen markgräflicher Urkunden dokumentiert, wo sie immer eine der vorderen Stellen einnehmen,410 wie audi in der Tatsache, daß sie mehrfach im Besitz von Hofämtern waren. 411 Wenn P. v. Nießen meint, daß die soziale Stellung der Wedel um 1280 noch nicht so hoch gewesen sei wie kurze Zeit später, da sie in dem Bedevertrag von 1280412 nicht unter den Vertretern der neumärkischen Ritterschaft aufgeführt seien,413 so hat er übersehen, daß dieser Vertrag von den Markgrafen der jüngeren Linie abgeschlossen wurde, die Wedel aber nur in der Mannschaft der älteren in Erscheinung treten. 414 Daß sie dort aber eine führende Rolle spielten, zeigt sich z. B. daran, daß sie des öfteren von den Markgrafen als Schiedsrichter oder Vertragsbürgen eingesetzt wurden. 415 408
WUB II-2, 63 f., Nr. 94 = RA XVIII, 114 f., Nr. 27: „ . . . nec debent aliqua dina edificari sursum vel inferius super aquam, que Crampel nuncupatur, quam diu meas possessiones". 409 WUB IV, 68, Nr. 72. 410 Vgl. WUB II-l, 10, Nr. 14 = RA XXI, 94 f., Nr. 9; WUB I M , 14, Nr. 21 XXI, 96 f., Nr. 11; WUB III-l, 13, Nr. 26 = RA IV, 56, Nr. 26 usw. 411 WUB I M , 9, Nr. 12 f. = RB I, 159 f., Nr. 212 f. u. ö. 412 RC I, 9 f., Nr. 8. 413 P. v. N i e ß e n , Geschichte der Neumark, S. 470. 414 Vgl. oben S. 84. 415 WUB II-l, 10 f., Nr. 15 = RB I, 176 ff., Nr. 230 (1284); WUB I M , 16, (1289); WUB I M , 21, Nr. 33 (1292) usw.
molentransit
= RA
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Nach dem Aussterben der Markgrafen aus askanischem Hause, während der Zeit, in der die Mark ohne einen rechtmäßigen Herrscher war (1319—1323/24), versuchten die Herren von Wedel offenbar, ihre Besitz- und Herrschaftsrechte auf Kosten der Landesherrschaft auszudehnen. Jedenfalls könnte man auf diese Weise eine Urkunde von 1321 interpretieren, in der die Brüder Hasso, Betekin und Henning von Wedel den Ritter Henning von Hagen mit dem Dorf Radun gegen die Leistung eines einfachen Lehendienstes belehnen; 416 denn mit diesem Dorf war Johann von Hagen erst zwei Jahre zuvor direkt vom Markgrafen belehnt worden. 417 Den Wedel war augenscheinlich daran gelegen, die ihnen zur Verfügung stehende Mannschaft zu vergrößern. Allerdings scheinen sie mit diesem Versuch keinen Erfolg gehabt zu haben, denn in späteren Urkunden, die Radun betreffen, werden nie irgendwelche Rechte von ihrer Seite erwähnt. 418 König Ludwig hatte nach dem Aussterben der Askanier die Mark als heimgefallenes Lehen eingezogen. In der Folgezeit waren es dann landfremde Fürsten, die die Markgrafschaft innehatten, und diesen Umstand haben die Herren von Wedel genutzt, um ihren Einfluß immer mehr zu vergrößern. Als König Ludwig 1327 dem Grafen von Henneberg die Vormundschaft über seinen minderjährigen gleichnamigen Sohn, den er 1323 mit der Markgrafschaft belehnt hatte, 419 übertrug, geschah das auf den Rat der „nobilium et prudentum virorum", Graf Günther von Lindow, Vogt Heinrich Reuß, Propst Seger in Stendal und Hasso von Wedel. 420 Unter den Wittelsbachern waren auch häufig Mitglieder des Wedeischen Geschlechts an der Verwaltung des Landes beteiligt. Schon während der Regierungszeit Markgraf Ludwigs des Älteren waren verschiedene Wedel als Hauptleute oder Vögte eingesetzt. 421 Im Jahr 1345 war Hasso von Wedel neben dem Grafen Ulrich von Lindow Vertreter des Landesherrn bei dem erstmalig abgehaltenen allgemeinen Landtag in Berlin. 422 Noch mehr verpflichtete sich Markgraf Ludwig den Herren von Wedel, als diese nach dem Auftauchen des angeblichen Markgrafen Waldemar, des letzten Askaniers, im WUB II-1, 100, Nr. 171 = J o a c h i m , Nr. 17. WUB II-l, 87, Nr. 150 = RA XVIII, 103 f., Nr. 6. 4 1 8 Vgl. J o a c h i m , Nr. 21, 25, 33, 35 usw. Die von Hagen saßen noch im 15. Jahrhundert in Radun, vgl. J o a c h i m , Nr. 157. 4 1 9 J. S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg II, S. 24 f. 420 W U B n _ 2 i 9 ( N r . 1 2 = Rß II, 35 f., Nr. 637. 4 2 1 WUB II-2, 17, Nr. 25 = RB VI, 59, Nr. 2273; WUB III-l, 3, Nr. 6 = R A XVIII, 120, Nr. 38; WUB III-l, 7, Nr. 14 = RA XVIII, 19, Nr. 26; WUB III-l, 36, Nr. 68; 39 f., Nr. 74 = R A XVIII, 126, Nr. 49. 4 2 2 WUB II-2, 103, Nr. 174 = RA IV, 53 f., Nr. 23. Außer den Herren von Wedel (WUB II-2, 18 f., Nr. 27 f. = RA XVIII, 104, Nr. 7 f.) hatten auch die Grafen von Lindow 416
DIE HERREN V O N WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
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Jahre 1348 auf der Seite des Wittelsbachers blieben.423 Auch nachdem Markgraf Ludwig der Ältere auf seine Rechte in der Mark verzichtet hatte und nunmehr sein jüngerer Bruder, Ludwig der Römer, Landesherr in Brandenburg war, behielten die Wedel ihre führende Rolle. Mehrfach wurde das Amt des neumärkischen Landvogts mit ausgedehnten Befugnissen an einen Wedel übertragen: Im Jahr 1352 bestellte der Markgraf Hasso von Wedel-Uchtenhagen „thu unsem Hoptman In alle unssen Lande over der Oder stede unnd man, dath hie sie vorstan schal alze unse Houptman". 424 Er überwies ihm die gesamten Einnahmen aus Stadt und Land. In seiner Abwesenheit solle Hasso von Lichtenhagen alle Angelegenheiten nach eigenem Ermessen regeln bis auf Belehnungen, die der Markgraf sich vorbehielt. Als er 1354 den Hasso von Wedel von Falkenburg zum „advocatus et capitaneus terrarum et civitatum nostrarum ab ista parte ödere" einsetzte, dem er die Ritter Henning von Wedel, Betekin von der Ost, Henning von Uchtenhagen, Otto Morner und vier „consules" der Städte Arnswalde, Königsberg, Friedeberg und Landsberg zur Seite stellte, versprach er, ohne ihre Zustimmung keinerlei Entscheidung im Lande über der Oder zu treffen, solange Hasso die Vogtei innehabe, und ermächtigte sie zur Ausübung seiner Rechte.425 Wie bedeutend die Stellung der Herren von Wedel in der Mark geworden war, wird am deutlichsten aus einer Urkunde von 1355, in der Markgraf Ludwig den Hasso von Wedel von Falkenburg zum „Hoffemeister . . . ober all in der Marke zu Brandenburg, zu Lusitz" ernannte, „szo das er nymandes ober zieh schal haben, wan uns alleyne". 426 Der Markgraf übertrug ihm die Einsetzung aller Vögte und Beamten und versprach, nichts ohne Hassos Zustimmung zu unternehmen: „ . . . und geloben, das wir alle die wile und er an unserm Ampt ist der hovemeisterscafft, nimmer ichtes vorliehn, vorgeben, voreygenen, vorsetten edder vorkouffen willen, tedyngen noch enden . . . wir tun es denne met zinen rate vnd volborth . . . vnd sullen keynen breff geben eder heyssen geben, wir tun denn das met zinen rate und kuntschaft, das zollen em vnse schriber geloben, die unses Ingesegel mechtig und weldich zin . . M a r k g r a f Ludwig begab sich also weitgehend seiner Selbständignadi der Mündigkeitserklärung Ludwigs im Jahr 1333 den Markgrafen ihres Beistandes versichert, R. K o s s e r , Gesdiidite der brandenburgisdi-preußischen Politik I, S. 66. 423 WUB III-l, 4, Nr. 8 = RA XIX, 213, Nr. 69. Vgl. dazu J. S c h u 11 z e , Die Mark Brandenburg II, S. 74 ff. 424
WUB III-l, 66 f., Nr. 124 = RA XVIII, 129 f., Nr. 54. WUB III-l, 101, Nr. 184 = RA XVIII, 135, Nr. 63: „ . . . sine quorum consilio nullas causas vel negocia terminare in dicta terra et civitatibus volumus nec debemus, quam diu dictus Hasso noster advocatus et capitaneus existit et ipsi nostri consiliarii.. 425
428
WUB III-l, 108 f., Nr. 195 = RC I, 35 f., Nr. 37.
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HELGA CRAMER
keit in der Regierung der Mark. Hasso von Wedel von Falkenburg erlangte eine Position, die vor ihm kein anderer märkischer Ritter eingenommen hat. Die einzige Einschränkung bestand darin, daß ihm für alle Landesteile Räte an die Seite gestellt wurden, die der Markgraf bestimmte. Eine Urkunde aus demselben Jahre zeigt, daß der Markgraf den Herren von Wedel Zugeständnisse machen mußte, die das Streben dieses Geschlechts nach wachsender Selbständigkeit nur fördern konnten: Der Markgraf verpfändet die Abgaben der Städte Woldenberg und Berlinchen an Hasso und Wedego von Wedel-Uchtenhagen. Die markgräflichen Vögte sollen bei der Eintreibung dieser Abgaben behilflich sein. „Teten vnse voygede des nicht, wan zie (Hasso und Wedigo) des van en eyschen, zo geue wir Hassen vnd Wedigen van Wedel . . . vnse fülle gewalt vnd macht, das sie es selben mögen ton mit vnsen guten willen ane allerley geferde . . ," 427 Im Jahre 1360 übertrug Markgraf Ludwig dem Wedigo von Wedel „die voytie unser stede ober Ader, Arnswalde, Retcz, Soldin, Llippen, Schonvliet, Königsberg, Dravenborch vnde der gantczen lande die darzcu gehorenn" ; 428 unter Markgraf Otto, dem letzten Inhaber der Markgrafschaft aus dem Hause der Wittelsbacher, war Hasso von Wedel auf Lichtenhagen Vogt. 429 Die Verknüpfung der finanziellen Abhängigkeit der Markgrafen von dem reichen und mächtigen Rittergeschlecht mit dessen Tätigkeit in der Landesverwaltung kommt in einer Urkunde von 1372 zum Ausdruck, in der Markgraf Otto den Brüdern Hasso und Titze von Wedel-Uchtenhagen für deren Schuldforderungen die „voitie des gantzen landes obir Odir" verpfänden mußte. 430 Hasso von Wedel auf Uchtenhagen war es auch, der 1373 von Markgraf Otto die Vollmacht erhielt, die Mark Brandenburg an Kaiser Karl und seine Söhne zu überweisen. 431 Nachdem die Mark aus den Händen der Wittelsbacher an die Luxemburger übergegangen war, wurde der politische Einfluß der Herren von Wedel — auf die gleichzeitige Verminderung ihres Besitzes wurde schon hingewiesen — 432 merklich geringer. In den Zeugenreihen markgräflicher Urkunden werden sie nicht mehr genannt. N u r noch einmal wurde ein Wedel, Hans von Schivelbein, im Jahre 1381 von Markgraf Sigmund zum neumärkischen Landvogt ernannt. 433 Danach spielten die Wedel in der Landesverwaltung keine Rolle 42t 428
w u b
WUB III-2, 48 f., Nr. 86.
429 W U B 430 431 432 433
h i _ i j n i f . , Nr. 199 = RA XVIII, 81, Nr. 33. l n . 2 ) 110>
Nr. 178.
WUB III-2, 135 f., Nr. 220 = RA XVIII, 146 f., Nr. 82. WUB III-2, 144 f., Nr. 237 f. = RB III, 15 ff., Nr. 1144 f. Vgl. oben S. 104, 106. WUB IV, 37 f., Nr. 39 = RA XVIII, 234 f., Nr. 30.
DIE HERREN V O N WEDEL IM LANDE ÜBER DER ODER
125
mehr, weder in der Zeit nach dem 1402 durchgeführten Verkauf der Neumark an den Deutschen Orden, in der die Vogteien mit Ordensbrüdern besetzt waren, 434 noch nach der unter den Hohenzollern erfolgten Rückkehr der Neumark zu Brandenburg. 435 Die Wedeischen Besitz- und Herrschaftsbereiche Cremzow und UchtenhagenFreienwalde gingen nicht vom Markgrafen von Brandenburg, sondern vom Herzog von Pommern bzw. vom Bischof von Kammin zu Lehen,436 und die hier ansässigen Herren von Wedel unterstanden nicht der Landesherrschaft der Markgrafen, sondern der der Herzöge von Pommern, denen es im Jahre 1338 endlich gelungen war, die Lehnsfreiheit von den Markgrafen offiziell vom Kaiser bestätigt zu bekommen.437 Des öfteren lassen sich auch Mitglieder des Geschlechts der Wedel in den Diensten der Herzöge nachweisen: Im Jahr 1313 wird ein Vogt Lambert von Wedel genannt, 438 1 3 1 7 und 1318 war Wedego von Wedel herzoglicher Marschall,439 1 3 87 Hasso von Cremzow herzoglicher Vogt.440 Auf die weitgehend selbständige Stellung, die die Herren von Wedel auch hier einnahmen, wurde schon hingewiesen.441 Besonders deutlich wird diese noch aus einem Dienstvertrag von 1337, in dem Hasso der Rote von Wedel dem Markgrafen Ludwig verspricht, ihm Schloß und Stadt Polzin — zum Herzogtum Pommern gehörig — offenzuhalten und ihm zu dienen, „wanne er oder sine amptlude gebiten, mit fünf helmen vnd mit fünf rennern". 442 Der herzoglichen Rechte wird nur bei der Einschränkung gedacht, daß Schloß und Stadt dem Markgrafen gegen jedermann zu öffnen seien mit Ausnahme gegen die Herzöge von Pommern, von denen Hasso diesen Besitz habe. Als Gegenleistung nimmt der Markgraf Hasso in seinen Schutz und sichert ihm zu, ihn in allen Streitsachen — bis auf die mit den Herzögen — zu vertreten, soweit sie nicht „hals und lide" betreffen. Spätere Urkunden zeigen, daß Hasso der Rote von Wedel gleichzeitig auch Lehnsbesitz in der Mark hatte. 443 Wie Hasso waren die meisten anderen Wedel, die ihren Hauptbesitz in Pommern hatten, zu gleicher Zeit auch Vasallen der Markgrafen, an die sich besonders die Uchtenhagener Wedel eng 434 K. H e i d e n r e i c h , Der Deutsche Orden in der Neumark (1402—1455), Diss. Königsberg 1931, S. 84. 435 Vgl. M. L i e b e g o t t , Der Brandenburgische Landvogt, S. 17 ff. 43e Vgl. oben S. 72 ff. 437 Vgl. F. Z i c k e r m a n n , Lehnsverhältnis (s. Anm. 26), S. 107 ff. 438 WUB II-l, 69, Nr. 119; 70, Nr. 120: „dominus Lambertus noster advocatus." 439 WUB II-l, 81, Nr. 138; 85, Nr. 146. 440 WUB IV, 52 f., Nr. 57. 441 Vgl. oben S. 120 f. 442 W U B n _ 2 ( 42 f., N r . 6 4 f. = R A XVIII, 109 f., Nr. 18 f. 443 Vgl. WUB III-l, 38, Nr. 72 = RA XVIII, 125 f., Nr. 48; WUB III-l, 91, Nr. 169.
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angeschlossen hatten. 444 Diese Doppelvasallität bot den Herren von Wedel eine gute Möglichkeit, ihre Selbständigkeit nach beiden Seiten hin weiter zu vergrößern. Bei Streitigkeiten zwischen den Herzögen und den Markgrafen scheinen sich die Wedel allerdings immer an die Brandenburger als die Mächtigeren angeschlossen zu haben. So brach Herzog Barnim von Pommern im Jahr 1338 das Schloß Cremzow wegen der Parteinahme der Herren von Wedel für den Markgrafen und zog auch die zugehörigen Güter ein. 445 In dem kurz darauf zwischen Pommern und Brandenburg geschlossenen Friedensvertrag heißt es dann, daß die Herzöge Otto und Barnim sich mit ihren Vasallen, die auf der Seite des Markgrafen gegen sie gekämpft hätten, namentlich den Luskow, Schwerin, Stegelitz, Winterfeld, Wedel und Meisholz, versöhnen und ihnen allen abgenommenen Besitz zurückerstatten wollten. 446 Eine ähnliche Abmachung ist in dem 1358 von Herzog Albrecht von Mecklenburg vermittelten Friedensvertrag zwischen den Markgrafen und den Pommernherzögen enthalten. 447 Als letztes Zeugnis für die weitgehende Selbständigkeit der Herren von Wedel gegenüber ihren Landesherren soll der Soldvertrag erwähnt werden, den mehrere Wedel aus den Herrschaftsbereichen Uchtenhagen-Freienwalde, Falkenburg, Neuwedel und Cremzow im Jahr 1388 mit dem Deutschen Orden schlössen.448 Sie verpflichteten sich, dem Orden Kriegsdienste gegen den König von Polen innerhalb der nächsten 15 Jahre mit 100 Rittern und Knechten, 100 Schützen und 400 Pferden gegen eine Soldentschädigung von 18 000 Mark Preußischer Münze zu leisten. Die Landesherren werden in diesem Vertrag mit keinem Wort erwähnt. Die Herren von Wedel zeigen sich in der Lage, eine selbständige Politik zu betreiben. SCHLUSSBEMERKUNGEN Es hat sich gezeigt, daß die Herren von Wedel nicht nur über einen großen Besitz verfügten, sondern in diesem Besitz, der ein räumlich nahezu geschlossenes Gebiet umfaßte, auch über umfangreiche Herrschaftsrechte und eine Vgl. oben S. 122 ff. WUB II-2, 60, Nr. 91. 4 4 6 WUB II-2, 51 ff., Nr. 76 f. = RB II, 125 ff., Nr. 747 f. 4 4 7 WUB III-2, 20 f., Nr. 36 = RB II, 409 f., Nr. 1022: „Ok sdiole wy minne und rechtes weldidi wesen tusdien unsen vorbenommenden omen (den Herzögen) und eren mannen, de sik mit den markgreven unsen sweghern eder mit dem bisdiope vorbenomet mit iennigen denste edder ener andern wyse vorredet hebben, und bi namen tusdien unsen omen und al den van Wedele und eren vrunden . . 444
445
448
WUB IV, 55 ff., Nr. 61 = R A XVIII, 151 ff., Nr. 87.
DIE H E R R E N VON WEDEL IM LANDE OBER DER ODER
127
weitgehende Selbständigkeit. Dies verlieh ihnen ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein, was sich z. B. darin dokumentiert, daß sie in einer Urkunde von 1291 die Devotionsformel für sich in Anspruch nahmen. 449 Die Stellung, die sie in ihren Besitz- und Herrschaftsbereichen einnahmen, ähnelt der, in der gegen Ende des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts einige märkische Adelsfamilien, ursprünglich ministerialischer Herkunft, nachzuweisen sind, wie die der Herren von Putlitz, von Plotho und von Friesack, die in der Prignitz und im Havelland ansässig waren. 450 Allerdings sind die Herren von Wedel in der Herrschaftsbildung nicht ganz so weit gekommen wie diese Geschlechter, die für eine gewisse Zeit völlig selbständig waren. Sie verfügten in ihren Herrschaftsbereichen über das Eigentumsrecht — die Gänse von Putlitz haben ohne landesherrliche Zustimmung die „proprietas" von Besitzungen vergeben —, 4 5 1 verliehen Stadtrecht, 452 besaßen das Münz- und Zollregal, 453 nannten sich „von Gottes Gnaden" 4 5 4 und zeigten sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes in keinerlei Lehnsverhältnis mit den Markgrafen verbunden. 455 Die Familie von Putlitz war sogar in der Lage, ein Familienkloster zu gründen. 456 Demgegenüber war der Besitz der Herren von Wedel immer nur Lehnsbesitz, und die Herrschaftsrechte waren nur übertragene Rechte. Das Bewußtsein dessen ist selbst in dem Gebiet mit der größten Unabhängigkeit, Schivelbein, nicht verlorengegangen, wie z. B. darin klar zum Ausdruck kommt, daß der Markgraf es war, der 1341 die Ehefrau Hassos des Älteren auf dessen Ersuchen und 1370 die Gattin Hans' von Wedel mit Besitzungen in diesem Gebiet als Leibgedinge ausstattete. 457 Und ebenso weist auch die Huldigungsurkunde von 1374 das Land Schivelbein klar als markgräfliches Lehen aus. 458 Daß es den Herren von Wedel nicht gelungen war, ihren Besitz, in dem sie, wie gezeigt wurde, auch umfangreiche Herrschaftsrechte wahrnehmen konnten, 449
WUB II-l, 19, Nr. 30: „Tzulis et Ludekinus dei gratia milites."
450 Vgl, g . H e i n r i c h , Die Grafen von Arnstein (Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 21), 1961, S.431—444; J . S c h u l t z e , Die Prignitz. Aus der Geschichte einer märkischen Landschaft (Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 8), 1956, S. 54 ff. 461
RA I, 242, Nr. 2; 244, Nr. 5; 246, Nr. 8; 248, Nr. 13.
452
RA I, 122 f., Nr. 1 (Putlitz); RA III, 341, Nr. 7 (Plotho).
4 5 3 G. W i n t e r , S. 435. 454
Ministerialität, S. 113 f.; G. H e i n r i c h ,
Die Grafen von Arnstein,
G. Wi n t e r , a. a. O., S. 112; G. H e i n r i c h , a. a. O., S. 434 f.
465
J. S c h u 11 z e , Die Prignitz, S. 56 f.
456
Kloster Marienfließ (Stepenitz), J. S c h u l t z e , a. a. O., S. 59.
4 5 T WUB II-2, 74, Nr. 111 = XVIII, 229, Nr. 24. 488
RA XVIII, 118, Nr. 33; WUB III-2, 97 f., Nr. 157 =
WUB IV, 4 ff., Nr. 5 = RA XVIII, 148 f., Nr. 84.
RA
128
HELGA CRAMER
völlig von der Bindung an die Landesherrschaft freizumachen und — wenigstens zeitweise — zu einer eigenen zu gelangen, liegt wohl zum großen Teil daran, daß zu dem Zeitpunkt, als sie im Lande über der Oder ansässig wurden, die markgräfliche Landesherrschaft schon zu weit ausgebaut und festgefügt war, als daß sie die Entstehung kleinerer selbständiger Herrschaften neben sich geduldet hätte, während sie zu der Zeit, in der die Putlitz, Plotho, Friesack ihre Herrschaften erwarben — was wohl zu Recht mit dem Wendenkreuzzug von 1147 in Zusammenhang gebracht wird, der durchaus eine Herrschaft auf Grund selbständiger Eroberung begründen konnte — 4 5 9 noch im Entstehen begriffen war. Aber auch diese Geschlechter hatten sich ja auf die Dauer nicht neben den Markgrafen behaupten können. Noch im 13. Jahrhundert waren sie verdrängt oder mediatisiert worden. Dem markgräflichen Ausdehnungs- und Unterordnungsbestreben hatten nur die Grafen von Lindow-Ruppin Widerstand leisten können, die vielleicht ebenfalls im Wendenkreuzzug ihre Herrschaft erworben haben 460 und gegenüber den Markgrafen schon insofern eine stärkere Position einnehmen konnten, als sie dem Hochadel angehörten und mit verschiedenen Fürstenhäusern durch Heirat verbunden waren. 461 Die Herren von Wedel nahmen zwar innerhalb des märkischen Adels eine hervorgehobene Stellung ein: Sie zählten zu den „Schloßgesessenen", den Inhabern von Burgen, denen auf Grund der damit verbundenen militärischen Bedeutung ein hohes soziales Ansehen zukam. 4 6 2 Diesem trug die markgräfliche Kanzlei seit dem Herrschaftsantritt der Luxemburger dadurch Rechnung, daß sie diesen Geschlechtern, die in Urkunden der Wittelsbacher als „strenui viri", „honesti viri", „erbar lüde" 4 6 3 bezeichnet worden waren, das Prädikat „nobilis", „edel" zuerteilte, 464 was aber keineswegs eine besondere Herrschafts4 5 9 Vgl. J. S c h u l t z e , Die Prignitz, S. 58 f.; d e r s . , Der Wendenkreuzzug 1147 und die Adelsherrschaften in Prignitz und Rhingebiet, in: J. Sdiultze, Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1964, S. 49 f. Derselben Ansicht sind auch G. H e i n r i c h , Die Grafen von Arnstein, S. 439, und H. K. S c h u l z e , Adelsherrschaft und Landesherrschaft, S. 171 f. 4 6 0 Vgl. J. S c h u 11 z e , Der Wendenkreuzzug, S. 53 f., bes. Anm. 25. 4 6 1 G. H e i n r i c h , Die Grafen von Arnstein, S. 159 ff. 4«2 Vgl. A. F. R i e d e 1, Von dem Unterschied zwischen beschlossenen und unbesdilossenen Geschlechtern der brandenburgischen Ritterschaft, in: Märkische Forschungen 1 (1841), S. 271 f.; F. P r i e b a t s c h , Die Hohenzollern und der Adel der Mark, in: HZ 88 (1902), S. 200. 4 6 3 Vgl. WUB II-2, 24, Nr. 31 = RA XVIII, 105, Nr. 9; WUB II-2, 30, Nr. 42 = RA VI, 352, Nr. 10; WUB II-2, 31, Nr. 45 = RA XVIII, 106, Nr. 13; WUB II-2, 33, Nr. 49 = RA XII, 351, Nr. 2 usw. 4 6 4 Vgl. S c h u 11 z e , Landbuch, S. 2—5; WUB IV, 3, Nr. 4; 13 ff., Nr. 16; 21, Nr. 22 u. ö.
D I E H E R R E N V O N WEDEL IM L A N D E ÜBER D E R ODER
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Stellung begründete, wie sie sich etwa bei den Herrschaftsinhabern in der Niederlausitz herausbilden konnte. 465 Wie es allgemein die schloßgesessenen Geschlechter nicht erreicht haben, sich von den übrigen Adelsfamilien der Mark entscheidend abzuheben und einen eigenen Stand zu bilden, so ist es auch den Herren von Wedel nicht gelungen, über Ansätze zu einer eigenständigen Herrschaft hinauszukommen.
Vgl. R. L e h m a n n , Die Herrschaften in der Niederlausitz. Untersuchungen zur Entstehung und Geschichte (Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 40), 1966, S. 93. 465
9
HERBERT OBENAUS
VERWALTUNG UND STÄNDISCHE REPRÄSENTATION IN DEN REFORMEN DES FREIHERRN VOM STEIN Die Gedanken über eine Reform des preußischen Staats nach den Niederlagen von Jena und Auerstedt kreisten immer wieder um die Frage, wie die Nation stärker am Staat interessiert werden könne. Der Zusammenbruch der Monarchie offenbarte eine Spaltung zwischen Nation und Staat, nun sollten beide Sphären neu miteinander verbunden werden. Das bedeutete vor allem, der Nation die Möglichkeit zu geben, ihren Willen besser artikulieren zu können. Die Nation mußte eine Repräsentation erhalten, die ihr eine Teilnahme an der Regierung erlaubte. Die Verbindung zwischen Nation und Staat sollte aber auch dadurch verstärkt werden, daß Beauftragte der Stände unmittelbar in der Verwaltung mitwirkten. So entstand der Gedanke, „ständische Repräsentanten" in den Kriegs- und Domänenkammern, den späteren Regierungen, mitarbeiten zu lassen. Die folgende Untersuchung soll der zeitgenössischen Diskussion über die ständischen Repräsentanten nachgehen und dabei die Pläne für eine Reform der Stände in der Monarchie einbeziehen. Beide Institute, die ständischen Repräsentanten in der Provinzialverwaltung und die Repräsentation durch Stände überhaupt, standen in einem engen staatsrechtlichen und sozialen Zusammenhang. Die Untersuchung fragt nach den historischen Voraussetzungen der Reformpläne und ihrem Standort im Staatsdenken der Zeit, sie fragt nach ihrer Verwirklichung unter den Nachfolgern Steins. Eine Geschichte der ständischen Repräsentanten rechtfertigt sich daraus, daß sie bisher noch nicht geschrieben worden ist. Das Experiment der Repräsentanten wird in den verfassungsgeschichtlichen Handbüchern kurz erwähnt, 1 ebenso in den Biographien der großen Männer der preußischen Reformzeit, vor allem denen des Freiherrn vom Stein. 2 Ernst von Meier und Ernst Walter Zeeden widmeten den stänE. R. H u b e r , Deutsche Verfassungsgeschidite seit 1789, 1, 1957, S. 165. V f . dankt den Verwaltungen der in den folgenden Anmerkungen jeweils näher bezeichneten Archive für die Genehmigung zur Benutzung ihrer Bestände. 1
V E R W A L T . U N D R E P R Ä S E N T . I N D E N R E F O R M E N F R E I H . v. S T E I N S
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dischen Repräsentanten bereits eingehendere Darstellungen, zogen aber die Akten der Zentralverwaltung nur teilweise heran und berücksichtigten die lokale Aktenüberlieferung nur ganz unzulänglich.3 Wichtiger noch als die Unvollständigkeit der bisher herangezogenen Quellen ist die Unzulänglichkeit der historischen Beurteilung. Die Einbeziehung ständischer Repräsentanten in die Regierungskollegien war bereits unter den Zeitgenossen umstritten, sie stieß schon bald auf völlige Verständnislosigkeit. Eine neue Untersuchung soll versuchen, diesen Teil der Reformüberlegungen verständlich zu machen. Den ersten zusammenhängenden Reformplan, in dem der Gedanke ständischer Repräsentanten in der Verwaltung der Provinzen enthalten war, entwarf der Freiherr vom Stein. Er verfaßte im Juni 1807 seine Schrift „Uber die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-, Finanz- und Polizeibehörden in der preußischen Monarchie", die sogenannte „Nassauer Denkschrift". 4 Sie bezog sich in ihrem ersten Teil auf die zentralen Behörden der Monarchie, im zweiten auf die Verwaltung der Provinzen. Im ersten Teil gab es keine Hinweise auf die Einführung einer Repräsentation; nur von der Verwaltung, insbesondere der Umbildung des Generaldirektoriums im Sinne des Realprinzips, war die Rede. 5 Die Neuorganisation der Provinzialbehörden im zweiten Teil der Denkschrift dagegen bezog — ausgehend von der historischen Verfassung der Provinzen — Formen der Repräsentation durch Stände ein. Die Nassauer Denkschrift erkannte damit ein wesentliches Prinzip des Staatsaufbaus in Preußen an: das Nebeneinander von provinzieller Eigenständigkeit und zentraler Verwaltung. Dieses Bauprinzip wurde durch die Überlegung Steins bestätigt, den Wünschen der Bürger zunächst auf der Provinzialebene ein Organ zu gewähren. Reichsstände, die es in der preußischen Monarchie ja noch nie gegeben hatte, sah Stein offensichtlich erst für einen späteren Zeitpunkt vor. 6 2
M.
Lehmann,
Freiherr vom Stein 2, 1903, S. 83 ff. G.
politische Biographie, 3. Aufl. 1958, S. 194 f. H . H a u ß h e r r ,
Ritter,
Stein. Eine
Hardenbergs Reformdenk-
schrift Riga 1807, in: H Z 157 (1938), S. 284 ff. P. G. T h i e 1 e n , Karl August von Hardenberg 1750—1822, 1967, S. 209 f. 3
E. v o n M e i e r , Die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Harden-
berg, 2. Aufl. 1912, S. 215 ff. E . W . Z e e d e n , Hardenberg und der Gedanke einer Volksvertretung in Preußen 1807—1812, Diss. phil. Freiburg/Br. 1940, S. 48 ff. 4
Freiherr
vom
Stein,
Briefe und amtliche Schriften, bearb. v. E.
Botzenhart,
neu hrsg. v. W. H u b a t s c h 2, 1959 (künftig zit.: Stein 2), S. 3 8 0 — 3 9 8 . 5
Vgl. dazu H . H a u ß h e r r ,
Verwaltungseinheit und Ressorttrennung vom Ende des
17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, 1953, S. 199 f. 6
Lehmann
2
(s. Anm. 2), S. 77, hat die Gewährung von Provinzialständen als eine
„Abschlagszahlung" bezeichnet; denn auf die Repräsentation in den Provinzen habe die in der ganzen Monarchie folgen sollen. Zustimmend dazu O. H i n t z e , 9'
Stein und der preu-
132
HERBERT
OBENAUS
Die Überlegungen zur Neubildung einer Repräsentation gingen von einer Kritik am bestehenden Ständewesen aus, sie unterschieden zwischen mehr oder weniger sinnvollen Ständeverfassungen in den Ländern der Monarchie, wobei die Basis der Repräsentation, zugleich aber auch die mehr oder weniger weit reichende Beteiligung der Stände in der ProvinzialVerwaltung die beiden wesentlichen Kriterien bildeten. Besonders vorbildlich erschien Stein in bezug auf das zweite Kriterium das Administrationskollegium in Ostfriesland, dem „Hauptzweige der Staatsverwaltung übertragen", oder die Geldernsche Verfassung, wo Landstände Mitglieder der Landeskollegien seien.7 Die von Stein in seiner Denkschrift vorgesehene neue Repräsentation sollte auf der Basis „sämtlicher Besitzer eines bedeutenden Eigentums jeder Art" beruhen. Dadurch wurde die Ungleichheit der historisch gewachsenenen Repräsentation gemildert. Alle Eigentümer von Vermögen sollten „mit gleichen Verpflichtungen und Befugnissen an den Staat gebunden" werden. 8 Die untere Ebene der Provinzialrepräsentation bildeten die Kreistage, auf denen „die adligen Gutsbesitzer" und Deputierte der städtischen und bäuerlichen Gemeinden erschienen. Der Landtag wiederum setzte sicli aus Deputierten der Kreistage zusammen. Er verhandelte und beschloß über die inneren Angelegenheiten der Provinz und deren Finanzierung. 9 Er schlug schließlich dem König zur Auswahl und Ernennung „Deputierte" vor, „die als Mitglieder der Kammerkollegien die Provinzial-Angelegenheiten bearbeiten" sollten. 10 Ihre Tätigkeit wurde auf sechs Jahre bei Möglichkeit der Wiederwahl begrenzt. Der Aufgabenbereich der ständischen Deputierten in den Kammern erstredete sich allein auf die Provinzialverwaltung im engeren Sinne; Angelegenheiten der Provinz als Teil der Monarchie, also „die Verwaltung des öffentlichen Einßische Staat, in: H Z 94 (1905), S. 428. R i t t e r (s. Anm. 2), S. 196, hat sich über die Ansichten Steins zur Zeit der Nassauer Denkschrift vorsichtiger geäußert und den „Eindruck des Altfränkischen" betont. S. 275 meint er, Stein habe damals „an Reichsstände gar nicht zu denken gewagt". Allerdings dürfen daneben die Überlegungen Steins über die Einführung von Reichsständen während seiner Ministertätigkeit nicht vergessen werden; vgl. a. a. O., S. 278 ff., ferner G. W i n t e r , Stein und die Verwaltungsreform 1806—1808, in: Westfalen 16 (1931), S. 125. D a z u auch unten S. 145 Anm. 59. 7 S t e i n 2, S. 389. D a s Vorbild der westfälischen historischen Landesverfassung betonen W i n t e r , a. a. O., S. 124, und E. B o t z e n h a r t , Stein und Westfalen, in: Westfalen 15 (1930), S. 21 ff. 8 S t e i n 2, S. 393. 9 Die Aufgaben des Landtags skizzierte Stein mit folgenden Stichworten: „Provinzialgesetzbuch, Milderung und Bestimmung der bäuerlichen Verfassung, innere Polizei, Unterrichts-, Armen-Anstalten, Landesverbesserung durch Gemeinheitsteilung, Abtrocknung, Wege, Wasserbau usw., endlidi Verwilligung der zur Ausführung dieser Entwürfe erforderlichen Gelder aus Provinzialfonds": ebd. 10
Ebd.
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kommens, Militärsachen, die oberste polizeiliche Aufsicht", nahmen weiter allein die Kriegs- und Domänenräte wahr. 11 Die in der Nassauer Denkschrift angeregte Einrichtung der ständischen Repräsentation in den Provinzen bedeutete einen tiefen Eingriff in die bestehende Ständeverfassung. Sie war eine Reform von oben, sie sah die Dekretierung einer neuen Provinzialverfassung vor. Stein dachte an eine allgemeine und in allen Provinzen gleiche Verfassung der Stände; das ließ eine Neuorganisation durch die einzelnen Landstände untunlich erscheinen. Wahrscheinlich hatte er auch keine Hoffnung, die historisch gewachsenen Landstände, soweit sie überhaupt noch existierten, zu einer Regeneration und Modernisierung ihrer Verfassung aus eigener Kraft bewegen zu können. Die bestehenden Ständeverfassungen waren für Stein nur mehr oder weniger brauchbare Modelle, über die er zum Zwecke einer Neuschöpfung verfügte. Er ignorierte daher auch die bisherige staatsrechtliche Basis der Stände, die Privilegien. Stein setzte an die Stelle dieser zu den verschiedensten Gelegenheiten und Zeiten und in ganz unterschiedlichem Ausmaß erworbenen Rechte der Stände die nach seiner Auffassung der Zeit und der sozialen Entwicklung angemessene Verfassung. Die Landtagsberechtigung wurde jedem „bedeutenden Eigentum" in Stadt und Land zuerkannt und damit die bisherige Basis der Landstandschaft, durch die ja vor allem die Bauern benachteiligt wurden, aufgegeben. Aber auch die Kompetenz der Stände wurde beschnitten und auf die Provinz beschränkt. Eine ganz wesentliche Einrichtung schließlich, die ständischen Ausschüsse, wollte Stein vollständig beseitigen. Sie waren von großer Bedeutung, da sie die Stände auch zwischen den Landtagen präsent und in gewissem Rahmen handlungsfähig machten. Auch besondere Ausschüsse der Stände für die Kontrolle der landschaftlichen Rechnungen oder die Verwaltung der landschaftlichen Kasse waren in der Nassauer Denkschrift nicht mehr vorgesehen. Statt der ständischen Ausschüsse, die in Kontakt mit der Verwaltung Provinzialangelegenheiten bearbeiteten, plante Stein die Berufung ständischer Deputierter, die in den Kriegs- und Domänenkammern als „Mitglieder" der Kollegien tätig werden sollten. Er zog „diese Verbindung der Übertragung gewisser Geschäftszweige an ein besonderes landschaftliches Kollegium vor, weil auf diese Art die zwischen verschiedenen konkurrierenden Behörden notwendigen Reibungen vermieden, Eintracht und ein gemeinschaftlicher Geist erhalten wird". 1 2 Die Argumentation Steins zielte ganz wesentlich darauf ab, 11
Ebd.
Ebd. Vgl. den ähnlichen Kommentar Steins zum Gutachten Vinckes über die ostfriesische Ständeverfassung, 1808 März [24]; „Die Administratoren [das Administrationskollegium] standen neben den Kammern, ich halte es besser, sie in die Kammern zu setzen": a. a. O., S. 690. 12
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Nation und Verwaltung miteinander in Verbindung zu setzen, um „Gemeingeist und Bürgersinn" zu beleben, das Gefühl „für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre" zu erneuern. 13 Die Ausschüsse, in denen sich der Antagonismus von Ständen und Verwaltung institutionalisiert hatte, sollten beseitigt werden. Um die Tragweite der Vorschläge Steins kenntlich zu machen, seien vergleichsweise Vorschläge herangezogen, die im Jahre 1790 vom Generaldirektorium zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Landständen und Verwaltung gemacht wurden. Landtagskommissare, die damals zur Untersuchung der ostfriesischen Landesbeschwerden von 1787 eingesetzt worden waren, stellten ein tiefes Mißtrauen zwischen dem ständischen Administrationskollegium und der Kriegs- und Domänenkammer in Aurich fest. Sie glaubten, man könne dieses Mißtrauen beheben, wenn die Kammer das Kollegium häufiger zu ihren Beratungen heranziehe und zu Gutachten auffordere. 14 Die Kommissare schlugen vor, bei diesen Kontakten solle nicht immer gleich danach gefragt werden, ob die Stände zu solchen Gutachten berechtigt seien oder nicht. Man hoffte, durch verbesserte Kontakte zu einer verbesserten Atmosphäre zu kommen und so den Antagonismus zwischen Ständen und Verwaltung zu beseitigen oder zu mildern. Man bemühte sich um Reformen im Bereich der politischen Umgangsformen und der Praxis. Stein hingegen suchte die Reform in der Verfassungsänderung, in der vollständigen Aufhebung der Ausschüsse. Die Radikalität Steins, die gerade vor dem Hintergrund der Vorschläge von 1790 besonders deutlich wird, mag mit der am Ende des 18. Jahrhunderts weit verbreiteten Aversion gegen die landständischen Ausschüsse zusammenhängen. Gegen die Ausschüsse wurde in der Zeit einer Uminterpretation der Landstände im Sinne der Repräsentativverfassung viel polemisiert, insbesondere weil sie ihr Mandat überschritten, nicht genügend Aktivität für ihre Mitstände entwickelt und mit dem Fürsten zum Nachteil der Stände paktiert hätten. 15 Ausfluß dieser Aversion könnte die Bemerkung Steins sein, in A. a. O., S. 394. Schlußbericht der beiden Kommissare, des Kammerpräsidenten von Buggenhagen und des Geheimen Regierungsrats von Schlechtendahl; Cleve, 1790 Nov. 1 9 : Kop., Niedersächsisches Staatsarchiv Auridi Dep. I Nr. 591. 13 14
1 5 Das Paktieren mit den Fürsten wies etwa F. L. v o n . B e r l e p s c h für den Ausschuß der Calenberger Stände nach; vgl. seine Schrift „Pragmatische Geschichte des landschaftlichen Finanz- und Steuerwesens der Fürstentümer Calenberg und Göttingen", 1799, S. 66 f f . Zur Polemik gegen die landständischen Ausschüsse vgl. auch E. v o n M e i e r , Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680—1866, 1, 1898, S . 2 5 1 ff., ferner H. O b e n a u s , Versuche einer Reform der Hildesheimer Ritterschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Nds. Jahrb. f. Landesgesch. 37 (1965), S. 105 f f .
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zahlreichen Landständen würden „bereits von Syndicis, Deputierten, Direktoren usw. Gehälter als Sinekuren genossen". 16 Allerdings sah Stein die Reform der Ausschüsse nicht vom Standpunkt der Stände, sondern von dem des Staats. Die innerständische Polemik mochte höchstens eine Unsicherheit der Stände gegen ihre Ausschüsse bewirken. Wo die Ausschüsse erst einmal fragwürdig waren, konnte über ihre Abschaffung gesprochen werden. Mit dem Interesse gewisser Kreise der Stände konnte Stein vielleicht insofern rechnen, als auch mit der Abordnung ständischer Deputierter in die Provinzialverwaltung alten Tendenzen der Stände entgegengekommen wurde. Denn zwischen Ständen und Verwaltung herrschte eine alte Konkurrenz: beide betrachteten sich als die „Räte" des Fürsten. Die fürstliche Verwaltung hatte sich seit dem späten Mittelalter nur allmählich von der ständischen Beteiligung lösen lassen, nur langsam waren die Stände aus der Rolle der fürstlichen Räte gedrängt worden. Diese Auseinandersetzung reichte bis ins 18. Jahrhundert und war auch dann in vielen Territorien des Reichs noch nicht abgeschlossen.17 Zu berücksichtigen bleibt, daß Stände als fürstliche Räte in der altständischen Verfassung rechtlich anders gestellt waren als in der Nassauer Denkschrift. Der von den Landständen nominierte fürstliche Rat beruhte auf Privilegienrecht, war eine Position, auf die die Landstände ein Anrecht hatten; sie diente der Versorgung von Landtagsberechtigten, insbesondere aus der Ritterschaft, sie sicherte den ständischen Einfluß im Kollegium der fürstlichen Räte. Ganz anders die ständischen Repräsentanten in den Kriegs- und Domänenkammern: Sie waren nicht als Beamte im üblichen Sinne eingestellt, vor allem nicht auf Lebenszeit; vielmehr schlug Stein eine Tätigkeit von nur sechs Jahren vor. Von Versorgung konnte im Falle der ständischen Deputierten überhaupt keine Rede mehr sein. Stein dachte nur an „eine mäßige Entschädigung . . . für die Mehrkosten ihres Aufenthalts an dem Wohnsitz des Kollegiums", 18 also wesentlich an eine ehrenamtliche Betätigung. Steins Pläne waren von einem neuen Ständeverständnis geprägt. Stände erschienen nicht mehr als die Nutznießer ihrer Rechte, als die Verteidiger ihrer Privilegien, kurz: als „zivilprozessuale Streitgenossenschaft", die sich auf dem Rechtsweg gegenüber dem Landesherrn in ihrem Status zu erhalten versuchten, die sich aber auf Grund dieses rechtlichen Ansatzes auch weit16
S t e i n 2, S. 394.
17
Vgl. die Formulierung in J . J . M o s e r , Von der deutschen Reichsstände Landen, deren
Landständen, Untertanen, Landesfreiheiten, Beschwerden, Schulden und Zusammenkünften, 1769, S. 840: Die Landstände sind „des Regentens geborene R ä t e " . Dazu auch L e h m a n n , Freiherr vom Stein 2, S. 83 Anm. 2. 18
S t e i n 2, S. 394.
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gehend auf eine statische Politik festlegten.19 Stein sah die Stände nicht mehr als privatrechtliche Streitgenossenschaft, sondern als öffentlich-rechtliche Repräsentanten, die mit aller Dynamik und soweit ihre Sachkenntnis und das Erfordernis des Staats es zuließ, das Interesse der Nation wahrnehmen sollten. Der „Wiedereinzug" der Stände in die Verwaltung unter die Räte des Fürsten vollzog sich gleichzeitig mit einer Änderung ihrer staatsrechtlichen Stellung. Die von den Landständen nominierten Vertreter in den Kriegs- und Domänenkammern waren nun Repräsentanten der Nation. Neben dieser neuen Konzeption wirkten die Überlegungen zur Behebung des Mißtrauens zwischen dem ostfriesischen Administrationskollegium und der Kriegs- und Domänenkammer aus dem Jahre 1790 schwach und unbedeutend. Damals — vor Jena und Auerstedt — ein Kurieren an Symptomen, jetzt der Versuch einer Neukonstruktion, die die Beziehung zwischen Ständen und Verwaltung in der preußischen Monarchie auf eine neue Basis stellte. Es ist also festzuhalten, daß die Überlegungen Steins Modelle der altständischen Verfassung berücksichtigten.20 Gerade in den Vorwürfen gegen das ständische Ämterwesen und gegen die Ausschüsse, aber auch gegen die landfremden Beamten schimmern immer wieder Denkformen der altständischen Welt durch. Vor allem der Grundgedanke Steins, nämlich die Kassierung der ständischen Ausschüsse und die dafür vorgeschlagene Introduktion der ständischen Deputierten in die Provinzialverwaltung, geht von den Erfahrungen mit den historischen Ständen aus. Der Standort Steins liegt aber auf der Grenze zwischen dem alten und dem neuen staatsrechtlichen Denken. Immer wieder hat sich Stein die vom Absolutismus noch nicht deformierten ständischen Verfassungen westdeutscher Territorien, vor allem Westfalens und Ostfrieslands, von Kennern darstellen, 21 immer wieder sich Entwürfe für eine neue Repräsentativverfassung ausarbeiten lassen, in denen dann die Fülle der altständischen Verfassungsformen wie ein Steinbruch für den Neubau verwendet wurde. Die einzelnen Elemente und Erfahrungen aus der altständischen Verfassung wurden auf ihre Brauchbarkeit geprüft und im Sinne einer mehr oder weniger rational durchdachten und durchkonstruierten Repräsentation neu verwendet. Stein hat diese Methode der Verfassungsreform selbst beschrieben. „Soll eine Verfassung gebildet werden, so muß sie 19
Vgl. R. R e n g e r , Landesherr und Landstände im Hockstift Osnabrück in der Mitte des 18. Jahrhunderts ( = Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts f. Gesdi. 19), 1968, S. 38 ff., insbes. S. 44 ff. 20 Vgl. R i 11 e r , Stein, S. 187. 21 S t e i n 2, S. 690 mit Anm. 3 (Ostfriesland), 793 (Westfalen). Vgl. L e h m a n n 2 (s. Anm. 2), S. 83 und oben Anm. 7.
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geschichtlich sein. Wir müssen sie nicht erfinden, wir müssen sie erneuern, ihre Elemente in den ersten Zeiten der Entstehung unseres Volkes aufsuchen und aus diesen sie entwickeln." Ausgangspunkt aller Verfassungspläne muß also die Erforschung der Geschichte sein. Ist eine historische Verfassungsform erkannt, so ist sie zu „verbessern" und zu „vervollkommnen"; jeden Umsturz lehnte Stein unter ausdrücklicher Distanzierung von der Französischen Revolution ab.22 Zur Methode dieser Neukonstruktion aus dem Formenschatz der Geschichte gehörte auch die Sachlichkeit, mit der Stein die bei Verwirklichung seiner Pläne zu erwartenden Einsparungen diskutierte. In den Städten erübrigte sich die Besoldung der Magistrate, diese hatten nun ehrenamtlich zu wirken. Bei den Ständen wurden die Kosten der Ausschußmitglieder und anderer Ämter eingespart, bei der Verwaltung die für zahlreiche Kriegs- und Domänenräte; die neuen ständischen Deputierten wollte Stein mit einer „mäßigen" Aufwandsentschädigung zufrieden stellen.23 Ihm schwebte das englische Vorbild vor, wo die Verwaltungskosten durch die „Übertragung der administrativen Stellen an Eigentümer unter der Bedingung, sie auf ihre eigenen Kosten zu verwalten", eingeschränkt wurden. 24 Er meinte, durch seine Reformen bei der Provinzialverwaltung 150 000 Reichstaler einsparen zu können. Sehr groß war diese Summe nicht, insbesondere, wenn man sie an den Gesamtausgaben der preußischen Monarchie mißt. 25 Stein selbst hat denn auch die Bedeutung dieses Arguments für seine Reformvorschläge gleich wieder eingeschränkt. Weit wichtiger als die Einsparung von Etatsmitteln war der Einklang zwischen der Nation und der Verwaltung. „Die Provinzial-Angelegenheiten kommen nunmehr an die obersten Behörden in Berlin, gehörig vorbereitet vermittelst der Verhandlungen mit den Landständen, sie sind mit dem Resultat der öffentlichen Meinung begleitet." 26 Zugleich wurde der Geist der Verwaltung selbst erneuert. Der „Formenkram und Dienstmechanismus in den Kollegien wird durch Aufnahme von Menschen aus dem Gewirre des praktischen Lebens zertrümmert, und an seine Stelle tritt ein lebendiger, fortstrebender, schaffender Geist und ein aus der Fülle der Natur genommener 22 Vgl. Denkschrift Steins, 1816 Aug. 20: S t e i n 5 (s. Anm. 4), 1964, S. 539; ferner Stein an Kapodistrias, 1819 Aug. 9: a. a. O. 6, 1965, S. 124 (dort französisch). Dazu E. B ö t z e n h a r t , Die Staats- und Reformideen des Freiherrn vom Stein 1, 1927, S. 29 ff. 23
S t e i n 2, S. 394.
24
A. a. O., S. 390.
25
Dazu bereits R i t t e r
26
S t e i n 2, S. 394.
(s. Anm. 2), S. 187.
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Reichtum von Ansichten und Gefühlen". 27 Die Landstände hätten — und Stein nahm damit wieder altständische Argumente auf — ein engeres Verhältnis zu den Problemen ihrer Provinz als die in Sold und Pflicht stehenden Beamten, denen oft Ortskenntnis und das rechte Verständnis für die Eigenart einer Landschaft und ihrer Bewohner abgehe.28 Hier lagen die entscheidenden Ursachen für die Richtung der Steinschen Reformvorschläge, hier resultierten die Reformen unmittelbar aus dem Erlebnis und aus der Analyse der Krise von 1806. Die Verwaltung hatte nach weitverbreiteter Auffassung versagt, sie war nur noch die ausgefahrenen Wege der Routine gewöhnt und hatte in der Zeit der Not vielfach nicht die notwendige Elastizität und Improvisationsgabe aufbringen können. Stein hoffte, daß die mit der Praxis des Lebens und des Berufs vertrauten ständischen Deputierten der Verwaltung einen neuen Geist vermitteln würden. Sie sollten zugleich die Stände wieder mit dem Staat verbinden, deren Trennung vom Staat rückgängig machen. Er war davon überzeugt, daß die an die Verwaltung und an den Staat gebundenen Stände sich dem Einfluß eines neuen „Gemeingeists" nicht mehr würden entziehen können. Das Mittel zur Verbindung von Staat und Nation war in Dorf, Stadt und Provinz die Selbstverwaltung. Eine übermächtige Verwaltung hatte die Gesellschaft deformiert, hatte sie unfähig zu allen selbständigen Äußerungen gemacht und die Untertanen in einem Zustand der Unmündigkeit gehalten. Das wollte Stein ändern. „Man muß die Nation daran gewöhnen", so lautete sein Grundsatz, „ihre eigenen Geschäfte zu verwalten und aus jenem Zustande der Kindheit herauszutreten, in dem eine immer unruhige, immer dienstfertige Regierung die Menschen halten will." Stein verstand die Selbstverwaltung, die er gegen den totalen Verwaltungsanspruch der Bürokratie durchsetzen wollte, als Mittel der Erziehung. Die Nation hatte durch sie selbständiges Handeln zu lernen. Später einmal, wenn das gelernt war, mochte „man sie zu großen Versammlungen berufen und ihr große Interessen zur Diskussion anvertrauen". 281 Noch war die Nation aber nicht reif für große repräsentative Versammlungen, wobei sicher an solche oberhalb der Provinzebene gedacht war. Die Selbstverwaltung sollte sie erst dazu fähig machen. Die Reformpläne Steins richteten sich sowohl gegen die Beamten als gegen die Landstände, wie sie zu seiner Zeit bestanden. Von beiden forderte er 27
A. a. O., S. 394 f. Vom Nachleben dieser Argumente in der Mentalität des kurmärkischen Adels im Vormärz berichtet Karoline v o n R o c h o w , geb. von der Marwitz, in ihren Erinnerungen: Vom Leben am preußischen H o f e 1815—1852, bearb. v. L. v o n d e r M a r w i t z , 1908, S. 214. 28 * Stein an Hardenberg, 1807 Dez. 8: S t e i n 2, S. 562 (Vorlage französisch). 28
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. v. STEINS 139 Änderungen, beide sollten sich erneuern. Die einen sollten von „Formenkram und Dienstmechanismus" lassen, die anderen sollten kostenlos ihre Erfahrungen zur Verfügung stellen, beide aber alte Positionen aufgeben. Die Frage bleibt natürlich, welche Seite stärker getroffen wurde. Die Ausschaltung der ständischen Ausschüsse war ein alter Programmpunkt absolutistischer Politik. Getroffen wurden hier immer die Stände. Audi die Übernahme der Ausschüsse in die Staatsverwaltung war ein naheliegender Gedanke, er war bereits von Josef II. in Österreich praktiziert worden. Otto Hintze hat auf diese Parallele hingewiesen, 29 sie soll hier kurz erwähnt werden. Josef II. versuchte im Zusammenhang seiner großen Staats- und Verwaltungsreform auch die Verwaltung der Länder zu vereinfachen und zu verbilligen. Zugleich mit der Regierung der Länder sollte die ständische Verwaltung gestrafft und teilweise zusammengelegt werden. Gegen den Widerstand der Stände setzte der Kaiser das auch durch: die staatlichen und ständischen Verwaltungen verschiedener Länder wurden im Jahre 1782 zusammengelegt, die ständischen Buchhaltungen mit den staatlichen Landesbuchhaltungen vereinigt und den Ständen die freie Verfügung über das Landesvermögen genommen. Die bestehenden ständischen Ausschüsse löste der Kaiser auf, zwei neu gewählte Ausschußmitglieder erhielten statt dessen das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Gubernien, der Landesregierungen. Damit war „die politische Stellung der Stände . . . restlos vernichtet". 30 Man wird die jeweiligen Stufen der geistig-sozialen Entwicklung, auf der die Reformen von Josef II. und Stein angestrebt wurden, immer auseinanderhalten müssen. Der Kaiser dachte nur an die Straffung der Verwaltung und an die finanziell günstigste Organisation, Hochabsolutismus und Ständefeindlidhkeit waren hier eins. Der Gedanke einer Verbindung von Verwaltung und Nation, der für Stein den Angelpunkt bildete, spielte noch keine Rolle. Die Macht der Stände wurde aber 1782 und 1807 grundsätzlich bedroht. Stein hat die Pläne Josefs II. nicht erwähnt, 31 und es ist wohl eher zu ver2 9 Vgl. O. H i n t z e , Der österreichische und der preußische Beamtenstaat im 17. und 18. Jahrhundert, in: O. Hintze, Staat und Verfassung, Gesammelte Abhandlungen 1, 2. Aufl. 1962, S. 357. L e h m a n n 2 (s. Anm. 2), S. 83 Anm. 2 und R i t t e r (s. Anm. 2), S. 194 übernehmen den Hinweis Hintzes weitgehend kommentarlos. Vgl. auch H a u ß h e r r , Reformdenkschrift (s. Anm. 2), S. 286. 3 0 F. W a l t e r , Die Geschichte der österreichischen Zentralverwaltung 1780—1848, 1: Die Zeit Josefs II. und Leopolds II. ( = Veröffentlichungen d. Komm. f. neuere Gesch. Österreichs 35), 1950, S. 12 ff. Vgl. für die Entwicklung in der Steiermark A. M e l i , Grundriß der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Landes Steiermark, 1929, S. 616 f. Vgl. auch H . H a s s i n g e r , Die Landstände der österreichischen Länder, in: Jahrb. f. Landeskunde von Niederösterr. 36 (1964), S. 1035. 31
Vgl. R i t t e r
(s. Anm. 2), S. 194 mit Anm. 42.
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muten, daß er nicht an sie angeknüpft hat. 32 Der Gedanke aber, daß den Ständen ihre dualistische Position zum Staat genommen werden müsse, deckte sich mit dem Josefs II. Die geistige Verwandtschaft beider ist hier zu suchen. Und so wurden die Stände bei beiden entmachtet. Es bleibt zu prüfen, ob die geistige Distanz zwischen ihnen, die vor allem im neuen Verständnis der Ständevertreter in den Regierungskollegien als Repräsentanten zu sehen ist, die Reform Steins für die Stände trotzdem akzeptabel machte. Zustimmung fanden die Pläne Steins bei Altenstein und Hardenberg. Vor allem Altenstein übernahm ohne Vorbehalt den Grundgedanken einer unmittelbaren Verbindung der Nation mit der Verwaltung. 3 3 Seine Denkschrift vom 11. September 1807 deduzierte in wohlabgewogener Form die Grundlinien einer Erneuerung von Verfassung und Gesellschaft; es ging ihm vor allem um die Herstellung „möglichster Freiheit und Gleichheit aller Staatsbürger in Beziehung auf ihr Verhältnis zu dem Staat". 3 4 Nach Altenstein hatten sich die einzelnen Stände der Monarchie daran gewöhnt, „alle Sorge für das Ganze der Regierung zu überlassen". Wie Stein war er der Meinung, der Zusammenhang zwischen Ständen und Staat sei verlorengegangen. Die Regierung ihrerseits habe diese Entwicklung noch verstärkt, da sie angesichts des „Kastengeists" der Stände nur dann die Staatsaufgaben erfüllen zu können glaubte, wenn sie „alles übernahm und in die Hände bloß besoldeter Diener" legte. 35 Altenstein beabsichtigte nicht, die Stände und deren Verfassung aus der vorabsolutistischen Epoche wieder herzustellen. Statt dessen dachte er wie Stein an eine Zuziehung von gewählten „Repräsentanten" zu den Behörden. Wie dieser ging er von einer Neubildung der Verwaltung in den Gemeinden Anders H i n t z e (s. Anm. 29). Die Übernahme der Gedanken Steins wird von Altenstein ausdrücklich bestätigt: Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und Hardenberg 1, Allgemeine Verwaltungs- und Behördenreform 1, hrsg. v. G. W i n t e r ( = Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven 93), 1931, S. 406. Vgl. E. S p r a n g e r , Altensteins Denkschrift von 1 8 0 7 und ihre Beziehungen zur Philosophie, in: Forschungen z. brand. u. preuß. Gesdi. 18 (1905), S. 507 f., ferner W . W a g n e r , Die preußischen Reformer und die zeitgenössische Philosophie, o. J . [1956], S. 45 f f . 32
33
Reorganisation, S. 397, umgeformtes Zitat. A. a. O., S. 392 f., umgeformtes Zitat. A. a. O., S. 404, versucht Altenstein den Rückzug der Stände aus der Verwaltung mit der zunehmenden Kompliziertheit der Staatsverhältnisse zu erklären. „Solange die inneren und äußeren Verhältnisse des Staats einfach waren, genügten sie [die Stände] vollkommen. Es war wenig Bildung, beinahe bloße gesunde Vernunft, Erfahrung und Rechtlichkeit erforderlich, um dem Staat in der Verwaltung mit Rat und Tat beizustehen. Sowie die Tendenz des Staats komplizierter wurde, änderte sidi dieses. Die Stände konnten das Ganze nicht mehr verfolgen und bildeten daher bald eine lästige Opposition." 34
36
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aus. Ihnen sei die Selbstverwaltung bei weitgehender Ausschaltung staatlicher Einmischung zuzugestehen. In den Gemeinden sollten Repräsentanten gewählt werden, die an der Arbeit der staatlichen Behörden in den Kreisen teilzunehmen hätten. 36 Aus diesen Repräsentanten „wird der Repräsentant zu der Provinzialbehörde gewählt werden können und aus den Repräsentanten bei sämtlichen Provinzialbehörden endlich die Repräsentanten zu der obersten Staatsbehörde zunächst an dem König". 3 7 Altenstein berührte das Problem der sozialen Basis für die Repräsentanten nur kurz. Er plante, an die Stelle der traditionellen Landstände eine „Nationalrepräsentation" treten zu lassen. 38 Nicht nach Ständen sollte gewählt werden — das würde den Kastengeist verstärken. „Es sollen diese Repräsentanten nicht die Sachen ihrer Wähler vertreten, sondern deren Anteil an der ganzen Staatsverwaltung. Hierin liegt ihr wesentlicher Unterschied von Landständen." 3 9 Dementsprechend lehnte Altenstein auch jede Instruierung der Repräsentanten durch ihre Wähler ab; nur eine Vollmacht sollten die Wähler ausstellen. Damit nahm Altenstein die seit der Französischen Revolution verbreitete und auch in der Diskussion über die altständischen Verfassungen in Deutschland nicht unbekannte Unterscheidung zwischen Repräsentanten und Deputierten auf, wonach der erste das freie Mandat, der zweite den durch Instruktion festgelegten Auftrag hatte. 40 D a auch Altenstein keine Bezahlung der Repräsentanten in den Behörden wünschte, dachte er offensichtlich ebenfalls nur an die vermögende Schicht der Staatsbürger. Mit einer öffentlichen Auszeichnung sollte dem guten Willen der Gewählten nachgeholfen werden. Vgl. a. a. O., S. 405 und 544. Auf der Kreisebene sollte der Charakter einer staatlichen Verwaltungsbehörde zugunsten des einer ständischen weitgehend abgebaut werden: a . a . O . , S. 544. 36
3 7 A. a. O., S. 405. Die Anzahl der Repräsentanten im Kammerbezirk richtete sich nach dessen Umfang. „Auf drei Wählende würde ein Repräsentant für die höhere Behörde zu wählen sein, z. B. bei sechs Kreisrepräsentanten zwei Kammerrepräsentanten": a. a. O., S. 541. 38
A . a . O . , S.404.
39
A. a. O., S. 405.
4 0 Vgl. z. B. L. Th. Frhr. v o n S p i t t l e r , Vorlesungen über Politik, hrsg. v. K . W ä c h t e r , Spittlers Werke 5, 1828, S. 97 f. Uber das freie Mandat in der Historiographie W. H u b a t s c h , Stein und die ostpreußischen Liberalen, in: Osteuropa und der deutsche Osten I 4, 1958, S. 38 Anm. 19. Auch sonst spielte in den Überlegungen der Reformzeit die Ablehnung von Instruktionen eine große Rolle, da man so die ständische Zerklüftung der Nation, den „Kastengeist", zu überwinden hoffte. Vgl. die Kabinettsordre an Auerswald, 1808 J a n . 31; „ N u r auf diesem Wege der Stimmfreiheit, wodurch die Verantwortlichkeit der Meinung dem Abstimmenden selbst zugewendet und jeder Einzelne genötigt wird, den Gegenstand von allen Seiten zu erwägen, kann ein lebendiger und wirksamer Geist in die Beratschlagungen über gemeinsames Interesse gebracht werden . . . " : S t e i n 2, S. 640.
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An die Qualifikation der Repräsentanten stellte Altenstein etwas höhere Anforderungen als Stein. Wie dieser meinte er, daß längere Behördentätigkeit verbilde; von den Repräsentanten der Provinz oder der Zentral Verwaltung erwartete er aber mehr oder weniger gute „staatswirtschaftliche Kenntnisse". 41 Die Ubereinstimmung einzelner Gedanken Altensteins darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Plan als Ganzes wesentlich von dem Steins abwich. Nach Auffassung Steins sollten die Kreistage die Deputierten der Landtage wählen und diese wiederum die bei den Kriegs- und Domänenkammern. Die Deputierten bei der Verwaltung standen also jeweils in einem staatsrechtlichen Zusammenhang mit einer Ständeversammlung. Bei Altenstein hingegen ist eine grundsätzliche Abneigung gegen ständische Versammlungen erkennbar. Und er zog aus dieser Abneigung die äußerste Konsequenz: er sah sie in seinem Verfassungsplan gar nicht mehr vor. 42 Von einem neben der Verwaltung arbeitenden, über die Provinzialfinanzen und -gesetze bestimmenden und die Verwaltung kontrollierenden Landtag ist bei ihm überhaupt nicht die Rede. Durch die Ausschaltung jeder Versammlung der Stände oberhalb der Kreisebene wurde diesen die Beratung und Beschlußfassung in der Provinzialversammlung unmöglich gemacht; die Stände waren damit staatsrechtlich und politisch geschwächt. Es war kein Ausgleich, daß — anders als Stein in der Nassauer Denkschrift — Altenstein das System der Repräsentanten auch auf die Zentralverwaltung ausdehnen wollte. 43 Auch die Repräsentanten „um den König" sollten mit keiner Ständeversammlung, hier also den Reichsständen, kombiniert sein. Der von Altenstein recht weit gefaßte Aktionsradius der Repräsentanten hätte kaum Ersatz für die Aufhebung der Ständeversammlung geboten. Wenn er ausführte, die Repräsentanten könnten „mit und neben der besoldeten Behörde die Stimme erheben", so wollte er ihnen damit 4 1 Reorganisation (s. Anm. 33), S. 405. Dauer der Repräsentantentätigkeit bei Altenstein 5—6 Jahre: a . a . O . , S. 406. 4 2 Er wendete sich ja nidit nur gegen die Unvollkommenheit der Repräsentation. Bei ihm findet sich auch der bereits im 18. Jahrhundert von der Verwaltung immer wieder gegen die Stände vorgebrachte Einwand, „es würde das Ganze zu schwerfällig machen, wenn man sie von allem genau unterrichten wollte": a . a . O . , S. 404. Vgl. auch R i t t e r , S t e i n , S. 197, ferner H a u ß h e r r , Reformdenkschrift (s. Anm. 2), S. 285. 4 3 Reorganisation (s. Anm. 33), S. 405 f. Allerdings räumte auch Stein in seiner Stellungnahme zur Rigaer Denkschrift Altensteins ein, man könne der Gesetzkommission ständische Repräsentanten beiordnen: S t e i n 2, S. 469; vgl. den Immediatberidit zum Organisationsplan der obersten Staatsbehörden, 1807 N o v . 23: a . a . O . , S. 505. Die Verordnung, die veränderte Verfassung der obersten Verwaltungsbehörden betr., von 1808 N o v . 24 sah dann ständische Repräsentanten für die Gesetzkommission vor, desgleichen das Publikandum betr. die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden von 1808 Dez. 16.
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. v. STEINS 143 gewiß eine eigene politische Aktivität zugestehen. Er dachte an Kontakte mit den Wählern, an eine Beeinflussung der Stände und damit der öffentlichen Meinung zugunsten der Verwaltung, 4 4 ferner an Kontakte mit den vorgesetzten Behörden, also den Ministerien in Berlin. Die Konsultationen mit der vorgesetzten Behörde hatten bei jedem strittigen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung — waren also von einiger Bedeutung. 45 Letztlich aber blieben die Repräsentanten bei Altenstein ein Teil der Verwaltung; sie konnten dieser niemals kontrollierend gegenübertreten. Altenstein selbst verdeutlichte die Stellung der Repräsentanten durch die Formulierung, die Stände würden an die Verwaltung „gefesselt". 4 6 Die treffendste Charakterisierung des Altensteinschen Versuchs einer Verbindung von Verwaltung und Repräsentation gab Hardenberg: Er sprach von einer „Amalgamierung" beider Bereiche. 47 Er gab sich sehr befriedigt über den Versuch, den überkommenen preußischen Staat durch die Einbeziehung von Repräsentationselementen zu reformieren, die Verwaltung von den Vorzügen der Repräsentanten, ihrer Informiertheit, Freiwilligkeit und Billigkeit profitieren zu lassen, ohne daß sie dabei etwas von ihrer autoritären Stellung nachzugeben habe. „Die Idee einer Nationalrepräsentation . . . ohne Abbruch der monarchischen Verfassung ist schön und zweckmäßig. Der Begriff gefährlicher Nationalversammlungen paßt nicht auf sie. Durch die Amalgamierung der Repräsentanten mit den einzelnen Verwaltungsbehörden wird sie den Nutzen gewähren, ohne den Nachteil zu haben. Sie soll keinen besonderen konstitutiven Körper, keine eigene Behörde bilden." 4 8 Mit der Ernennung des Freiherrn vom Stein zum Leiter aller Zivilangelegenheiten des Preußischen Staats vom 4. Oktober 1807 begann der Versuch, die Reformpläne zu verwirklichen. Der Gedanke einer Zuziehung von Repräsentanten der Nation zu den Verwaltungsbehörden wurde nun vielfach diskutiert und praktiziert. Stein erwog die Beiordnung von Vertretern aus Stadt und Land bei der Prüfung der Einkommenssteuererklärungen oder die Zuziehung einer ständischen Kommission zum Direktorium der Staatsbank; er billigte „die Teilnahme ständischer Deputationen an der öffentlichen Verwaltung und deren Mitwirkung bei der Verteilung der Kriegslasten" in Schlesien. 49 Die Verbindung der Nation mit der Verwaltung sollte das Ver4 4 Reorganisation, S. 406. Die Repräsentanten sollten zur Ausführung von Verwaltungsmaßnahmen auf die „zunächst auf sie nach unten folgenden Repräsentanten des Kreises oder gewisser Bezirke einwirken": a. a. O., S. 541. 4 5 A . a . O . , S. 541. 4 6 A . a . O . , S. 406. 4 T Uber die Reorganisation des preußischen Staats; Riga, 1807 Sept. 12: a. a. O., S. 318. 4 8 A. a. O., S. 318. Vgl. H a u ß h e r r , Reformdenkschrift (s. Anm. 2), S. 285. 4 9 Vgl. S t e i n 2, S. 564, 658, 789.
144
H E R B E R T OBENAUS
trauen in den Staat angesichts der großen Finanz- und Autoritätskrise wieder herstellen. Zugleich ging es Stein darum, die Pläne für eine Zuziehung ständischer Vertreter zur Provinzialverwaltung zu realisieren. Hier hatte er zunächst die Tendenz von Altenstein und Hardenberg zu überwinden, ständische Versammlungen weitgehend auszuschalten. Stein forderte ein Nebeneinander von ständischer Repräsentation und Verwaltung und eine Verbindung beider Bereiche durch Repräsentanten bei der Provinzialverwaltung. Er setzte diese Auffassung gegenüber Altenstein durch, der den Organisationsplan konzipierte und mit dem Begriff des „ständischen Repräsentanten" zunächst auch gewisse Überlegungen aus seiner Denkschrift vom 11. September 1807 übernahm. Wie in seiner Denkschrift sah Altenstein im Organisationsplan Kontakte der Repräsentanten zu ihren Wählern und zur vorgesetzten Behörde vor. Die Wähler — die Repräsentanten der Kreise und Bezirke — sollten „nach den Beschlüssen des Kollegiums zur Mitwirkung" „instruiert" werden. 50 Sie waren ganz entsprechend der wenig repräsentationsfreundlichen Tendenz Altensteins zu ausführenden Organen, ja Propagandisten der Verwaltung degradiert. Gegenüber der vorgesetzten Behörde behielten die Repräsentanten das Recht, „bei Gegenständen, die auf der Ausführung beruhen . . w e n n sie unter sich einig sind, eine Anfrage . . . über ihre Zweifel zu verlangen, wenn nicht Gefahr auf den Verzug haftet". Altenstein begründete das Anfragerecht der Repräsentanten damit, daß sie gegenüber den besoldeten Räten eine Minderheit bildeten. 51 Beide Kontaktmöglichkeiten der Repräsentanten akzeptierte Stein jedoch nicht. Nach seiner Ansicht waren die Repräsentanten dem Kollegium voll einzugliedern, eine Sonderstellung kam ihnen im Auftreten nach außen hin nicht zu. Zum Vorschlag einer „Instruierung" der Wähler durch die Repräsentanten notierte Stein: „dies würde die Tätigkeit des Kollegiums lähmen. — Sie sind gewählte ständische Mitglieder des Kollegiums, aber sie bleiben Mitglieder". 52 Die Änderung des Konzepts von Altenstein durch Stein stellte den Grundgedanken der Nassauer Denkschrift wieder her: das Nebeneinander von ständischen Repräsentanten und Provinziallandtag und damit die Existenz des von Hardenberg abgelehnten „konstitutiven Körpers". 5 3 Bereits der Immediatberidit Steins vom 23. November 1807, der die Grundzüge einer Neuordnung der oberen Staatsbehörden enthielt, sah die Organisation von StänDas Reformministerium Stein. Akten zur Verfassungs- und Verwaltungsgesdiidite aus den Jahren 1807/08, hrsg. v. H. S c h e e l , bearb. v. D. S c h m i d t , 1—3, 1966—1968 (künftig zit.: Reformministerium), S. 264 Anm. 33. 6 1 A. a. O., Anm. 28. 5 2 A. a. O., Anm. 33. 5 3 Vgl. oben S. 143 mit Anm. 48. 60
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. v. STEINS
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den und deren „Teilnahme und Einwirkung auf die Administration" durch Repräsentanten v o r . 5 4 Eine neue Verwaltung und neue Stände waren von Anfang an gleichermaßen das Ziel Steins, dem sich Altenstein dann anpaßte. 5 5 Der Ende Dezember dem König vorgelegte Organisationsplan für die P r o v i n zialbehörden rechnete fest mit einer Neuorganisation der Stände, in der dann Bestimmungen über Wahlmodus, Qualifikation, Tätigkeitsdauer und Anzahl der Repräsentanten ihren P l a t z haben sollten. 5 6 Allerdings schritten die Arbeiten über die Neuordnung der Verwaltung und der ständischen Verfassung unterschiedlich schnell voran. Während Stein von den Organisationsplänen
für die oberen und unteren Behörden
dem
König am 2 4 . Februar 1 8 0 8 bereits eine revidierte Fassung vorlegen konnte, wartete er noch auf die Gutachten über eine ständische Verfassung, „da es hierbei", so meinte er erklärend, „sehr auf besondere 5 7 Verhältnisse ankommt, um die Hauptgrundsätze eines Organisationsplans . . . zu entwerfen". 5 8 Stein ging in den Erwägungen über eine ständische Verfassung von der besonderen Entwicklung der einzelnen Provinzen aus. Die neue ständische Verfassung sollte die bestehenden Landes- und Sozialverhältnisse berücksichtigen. Das aber kostete viel Zeit. Wenn demgegenüber Reinhart Koselleck 5 9 behauptet, daß eine „politische Organisation der Stände" nur ein „Fernziel" Steins ge54
Stein sprach in der Nassauer Denkschrift von „ständischen Deputierten": s. oben S. 132;
Altenstein dagegen von „Repräsentanten": s. oben S. 140, gelegentlich auch von
„Volks-
repräsentanten": s. Reorganisation (s. Anm. 33), S. 541. Bereits in der Stellungnahme von 1807 O k t . 15 übernahm Stein die Terminologie Altensteins: S t e i n Lehmann,
2, S. 469. Vgl. dagegen
Freiherr vom Stein 2, S. 404. Im internen Gebrauch der ostpreußisdien Land-
stände kommt später der Terminus „Regierungsrepräsentanten" auf: [ G . ] B u j a c k ,
Das
erste Triennium des Komitees der ostpreußischen und litauischen Stände, 1887, S. 39. 55
Das Nebeneinander von Stände- und Verwaltungsreform geht auch aus anderen Quellen
hervor, etwa aus dem Brief Steins an G r a f von Reden von 1807 O k t . 17, in dem „ein Plan zur Organisation der schlesischen Stände mit Ausschluß des Kastengeistes" erbeten wird: S t e i n 2, S. 472. 1807 Dez. 21 werden Vorschläge über die Einberufung des ostpreußisdien Generallandtags genehmigt; das Recht zur Repräsentation soll über den Adel hinaus „an den Stand der assoziationsfähigen Gutsbesitzer geknüpft" werden: a. a. O., S. 581. 56
Reformministerium, N r . 78 mit Datierung 1807 Dez. [ 2 6 / 2 7 ] . Unverändert die Tendenz
des überarbeiteten Organisationsplans für die Unterbehörden, den Stein 1808 Aug. 2 9 Auerswald zur Begutachtung vorlegt: Kop., Staatl. Archivlager Göttingen, ehem. Staatsarchiv K ö nigsberg (Stiftung Preußischer Kulturbesitz) ( = S T A L ) , Rep. 21 Tit. 3 N r . 21 S. 5 5 — 5 6 ; vgl. Stein 57
2, N r . 802.
Konzept: „bestehende"; vgl. Reformministerium, S. 409.
58
S t e i n 2, S. 665 f.
59
Preußen zwischen Reform und Revolution ( = Industrielle Welt 7), 1967, S. 174. — Eine
andere Frage ist es, wie weit Stein schon an die Einrichtung von Reichsständen gedacht hat. Diese waren tatsächlich ein Fernziel. Vgl. seinen Brief an Alexander von Humboldt J a n . 2 7 ] : S t e i n 2, S. 637. 10
[1808
HERBERT
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OBENAUS
wesen sei, so werden damit dessen Bestrebungen mißverstanden. Denn Stein wußte, daß das Institut der Repräsentanten in der Provinzialverwaltung auf einem funktionierenden Unterbau der Stände basieren mußte. Ohne den Unterbau einer reformierten ständischen Verfassung konnte Stein nicht auf die gewünschten Repräsentanten für die Provinzialverwaltung hoffen — ein Problem, das im folgenden noch mehrfach begegnen wird. Zweifellos verknüpften sich mit der ständischen Verfassung die allgemeinen und politischen Bedenken des absolutistischen Staates gegen Landstände, Bedenken, die sich seit der Französischen Revolution bis zur Ängstlichkeit gesteigert hatten. Typisch dafür war die bereits referierte Warnung Hardenbergs vor „gefährlichen Nationalversammlungen". Typisch war auch die Begründung, mit der Friedrich "Wilhelm III. der Einführung von ständischen Repräsentanten bei der Provinzialverwaltung zustimmte: durch sie lasse man die Nation einen „regeren Anteil an der Wohlfahrt des ganzen Staatskörpers n e h m e n . . . , ohne daß hieraus andere Inconvenienzen entstehen könnten". 6 0 Der König hielt die ständischen Repräsentanten in der Verwaltung für ungefährlich, und er stimmte deshalb ihrer Einführung zu. E r äußerte zugleich seine Reserve gegen andere Formen einer ständischen Repräsentation im Staate. Immerhin ist festzustellen, daß die Vorbehalte gegen eine ständische Verfassung in der Amtszeit Steins im wesentlichen nur eine unter- und hintergründige Rolle spielten; sie bestimmten die politische Arbeit noch nicht. Die kurz nach der Entlassung Steins am 26. Dezember 1808 erlassene Verordnung wegen besserer Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden ging von einem Nebeneinander von ständischer Repräsentation und Verwaltung aus. 61 Ausdrücklich hieß es, daß die ständischen Repräsentanten von einer als „Generalversammlung" bezeichneten Repräsentation der Provinz gewählt werden sollten, und zwar jeweils zwei Kandidaten für jede der neun Stellen, die für eine Regierung vorgesehen waren. Einen der Kandidaten bestätigte dann der König. Wählbar war jeder, der auch in die Generalversammlung gewählt werden konnte. Die Amtszeit der Repräsentanten betrug drei Jahre, jedes Jahr schied der dritte Teil aus. 02 00
Friedrich Wilhelm III. an Stein, 1807 Dez. 2 7 :
61
Sammlung der für die Königlichen Preußischen Staaten erschienenen Gesetze und Ver-
Stein
2, S. 598.
ordnungen von 1806 bis zum 27. Oktober 1810, 1822, N r . 63. Vgl. eine Vorstufe der endgültigen Verordnung [1808 Sept. 2 7 ] : Reformministerium, N r . 265. Dazu Gegenvorschläge Altensteins, 1808 Okt. 3 1 : a . a . O . , N r . 295. Über Friese als Urheber der Verordnung von 1808 Dez. 26 vgl. E . L o e n i n g ,
Gerichte und Verwaltungsbehörden in
Preußen, in: Verwaltungsarchiv 2 (1894), S. 465 ff., ferner B. H a r m s ,
Brandenburg-
Karl
Ferdinand
Friese, ein wackerer Staatsmann im Spiegel einer großen Zeit, in: Altpreuß. Monatsschrift 51 (1914), S. 85. 62
Sammlung, S. 469.
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. v. STEINS
147
Damit war das Institut der ständischen Repräsentanten in der Provinzialverwaltung etabliert, Steins Vorschläge für eine direkte Verbindung zwischen Nation und Verwaltung waren Gesetz geworden. 63 Die Vorschläge hatten im einzelnen eine nähere Bestimmung gefunden, das Prinzip war unverändert aus allen Diskussionen hervorgegangen. Zu den näheren Bestimmungen gehörte etwa, daß die Repräsentanten in den Regierungen als Korreferenten der Räte tätig und insofern einem Referenten fest zugeordnet werden sollten. 84 Stein folgte hier dem Gutachten von Klewitz. 6 5 In der Verordnung vom 26. Dezember 1808 hieß es, daß die Repräsentanten „die gewöhnlichen Korreferenten in den wichtigeren Verwaltungszweigen" seien; sie „können dem Regierungspräsidium die Fächer vorschlagen, in denen sie vorzüglich beschäftigt zu sein wünschen". 66 Eine gewisse Kompromißbereitschaft äußerte Stein in der Diskussion über die ständischen Repräsentanten hinsichtlich der Besoldung. Auerswald etwa hatte bereits in seiner Stellungnahme zur Nassauer Denkschrift Bedenken, ob man Grundeigentümern, ohne Entschädigung ein Verwaltungsamt anvertrauen könne. Man müsse also Fonds bereitstellen, aus denen die Repräsentanten bezahlt werden sollten, und er dachte dabei an die Einkünfte der Amtshauptmannschaften — ein für Ostpreußen naheliegender Gedanke 67 — und der Domstifter. 68 Das gleiche Bedenken kehrte im Gutachten Vinckes zum Organisationsplan wieder. Er erkannte zwar an, daß der Impetus zur Bewältigung der Krise von Staat und Nation zu großen Opfern befähige, bezweifelte aber die Nachhaltigkeit und Dauer dieser Bewegung. 69 Graf von Reden Vgl. auch die Übernahme der Begründung Steins in die Verordnung: a. a. O., § 18. Vgl. die Formulierung im Organisationsplan für die Unterbehörden: Reformministerium, S. 264, hingegen die Einfügung im revidierten Plan von 1808 Febr. 24: a . a . O . , Klammer zu Anm. 29. — Die Edition von Scheel und Schmidt hält die ursprüngliche Fassung des Organisationsplans für die Unterbehörden von 1807 Dez. 26/27 und die Überarbeitung von 1808 Febr. 24 nicht genügend auseinander. Nur die Kombination von Reformministerium, S. 408 Anm. 6 und S. 255 (Uberlieferung von Nr. 78) klärt den Leser über die verschiedenen Fassungen des Organisationsplans auf. 0 5 Vgl. dessen Gutachten von 1807 Dez. 24: a. a. O. S. 254 mit Anm. 16. 8 8 Sammlung (s. Anm. 61), S. 469 § 20. Vgl. auch die Instruktion für die Regierungen, 1808 Dez. 26: a . a . O . , S. 488 § 2 3 . In § 2 1 der Verordnung weitere Bestimmungen über die Verantwortlichkeit der Repräsentanten. 6 7 Die Amtshauptmannschaften waren seit den letzten Regierungsjahren Friedrichs II. nicht mehr besetzt worden, ihre Einkünfte in die Generalkriegskasse geflossen: H. J u h r , Die Verwaltung des Hauptamtes Brandenburg/Ostpreußen von 1713 bis 1751, Diss. phil. FU Berlin 1967, S. 43. 6 8 Denkschrift Auerswalds [1808 Jan. 28]: Reformministerium, S. 349. Vermutungen über die Autorschaft Professor Hoffmanns an dieser Denkschrift: Th. W i n k l e r , Johann Gottfried Frey und die Entstehung der preußischen Selbstverwaltung, 1957, S. 123. 6 9 Gutachten von 1808 März 24: Reformministerium, S. 449 f. 83 64
10»
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und Minister von Schrötter befaßten sich in ihren Gutachten mit dem gleichen Problem. 70 Stein dagegen äußerte zum Gutachten Vinckes, es gäbe „so viele Sinekuren bei den Ständen, daß man aus ihren Gehältern Fonds erhalten würde für die arbeitenden Mitglieder". 71 Aus der Reaktion auf die Einwendungen Schrötters geht jedoch deutlich hervor, daß er gegen eine Besoldung der Repräsentanten nur hinhaltenden Widerstand leistete: die Zukunft werde weisen, „ob sie Remunerationen . . . erhalten". 72 Die disziplinarrechtlichen Schwierigkeiten der gemeinsamen Arbeit von Repräsentanten und Beamten in einem Kollegium hat Graf von Reden besonders klar formuliert. Er forderte dringend „eine Dienst- und Verschwiegenheitsverpflichtung, ohne welche das Band der Dienerschaft aufgelöst... und ein Unterschied von Freien und Gebundenen in dem nämlichen Collegio eintreten würde". 73 Ähnlichen Bedenken Schrötters, vor allem der Furcht vor Indiskretionen der Repräsentanten, vor einer Mitteilung der Voten der Beamten in der Öffentlichkeit 74 oder — wie Vincke es formulierte 75 — vor der Nichtanwendbarkeit der „Regeln der Subordination" trug dann die Verordnung vom 26. Dezember 1808 Rechnung.76 Die Repräsentanten wurden zur Verschwiegenheit verpflichtet und durften nichts von ihren dienstlichen Angelegenheiten „eher in das Publikum kommen . . . lassen, als bis solches auf dem offiziellen Wege geschieht, auch ebensowenig die Stimmen und Äußerungen der einzelnen Mitglieder bekannt werden . . . lassen".77 Dieser Paragraph war natürlich für Mitglieder des Regierungskollegiums üblich, mußte aber für die „Repräsentanten" schwierige Probleme aufwerfen. Offensichtlich widersprach er geradezu der in der Nassauer Denkschrift ausgesprochenen Hoffnung, daß nämlich die Provinzialangelegenheiten erst nach einer Kontaktaufnahme mit 70 Gutachten des Grafen von Reden [1808 April 6 ] : a. a. O., Nr. 146. — Schrötter an Stein über den Organisationsplan für die Unterbehörden, 1808 Aug. 15; Konzept von Friese: a. a. O., Nr. 237. Dem Konzept Frieses trat Wildeens in einem Gutachten von 1808 Aug. 9 bei: a. a. O., Nr. 231. 71
A. a. O., S. 450. Auch Graf von Reden dachte an ein Gehalt „aus den landständischen Fonds": a . a . O . , S. 482. 72 Stein an Schrötter, 1808 Aug. 25: a. a. O., S. 793. 73 A . a . O . , S. 481. Ebd. fordert Graf von Reden „eine ungeteilte Verantwortlichkeit und Subordination", ferner „möglichst gleiche Kondition der Mitglieder eines Collegii". 74 A. a. O., S. 751. Stein hatte die Sorge wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen kurzerhand bagatellisiert, „ein Geheimnis in der Kammer kommt selten vor, und es können in vorkommenden Fällen Räte kommittiert werden": a. a. O., S. 793. 75 A. a. O., S. 450. 76 Vgl. oben Anm. 61. 77 Sammlung (s. Anm. 61), S. 470 § 22. Ursprünglich war der Artikel noch drastischer formuliert; vgl. Reformministerium, S. 879. Vgl. auch über die Rechte und Pflichten der Repräsentanten die Instruktion für die Regierungen, 1808 Dez. 26: Sammlung, § 9 3 .
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den Ständen nach Berlin ins Ministerium gelangen würden, begleitet „mit dem Resultat der öffentlichen Meinung". 78 Die ständischen Repräsentanten durften jetzt die von Stein gewünschten Kontakte mit der Öffentlichkeit gar nicht mehr herstellen, denn sie waren ja zur Verschwiegenheit verpflichtet. Es wird im folgenden noch zu prüfen sein, wieweit die Angleichung an den Beamtenstatus den Repräsentanten überhaupt noch Bewegungsfreiheit im Sinne ihrer Repräsentantenfunktion ließ. Massiv und kompromißlos wurde dagegen die Replik Steins dort, wo die Kritik an die Substanz des Instituts der ständischen Repräsentanten ging. Vincke äußerte skeptisch, von den Arbeiten der Repräsentanten könne man wohl nicht viel erwarten; sie seien ohne wissenschaftliche Ausbildung und ohne Geschäftskenntnis. 79 Dazu Stein: „Geschäftskenntnis erhält man durch Geschäfte." 80 Vincke wie auch Schrötter befürchteten, daß die Repräsentanten ein Fremdkörper in der Behörde bleiben würden, daß ihre Integrierung in das Kollegium mißlinge. Sie hielten auf Grund ihrer Kenntnis des Korpsgeists der Beamten die „Amalgamierung" der Repräsentanten mit der Verwaltung nicht für möglich. Statt der Reibungen zwischen der Provinzialverwaltung und dem ständischen Ausschuß sahen sie nun solche zwischen Beamten und Repräsentanten innerhalb des Kollegiums voraus. Vincke und ähnlich Graf von Reden erwarteten eine „Opposition" der Repräsentanten im Kollegium, Schrötter eine Verlangsamung und Behinderung der Verwaltungstätigkeit. 81 Vincke und Schrötter nahmen also Steins Begründung für die ständischen Repräsentanten nicht an; sie glaubten nicht, daß diese durch Ortskenntnis und „tätiges Inter78
Vgl. oben S. 137.
79
Reformministerium, S. 450. Schrötter wies dazu auf die Erfahrungen hin, die man mit
den westpreußischen Landräten gemacht habe, „denen es vor einigen Jahren nachgegeben wurde, den Sitzungen der pp. Kammer von Zeit zu Zeit beizuwohnen, und die auch beinahe sämtlich nach Marienwerder kamen, um bei derselben zu arbeiten, deren Arbeiten indessen dem größten Teil nach nicht zu braudien waren, sondern gewöhnlich von den Räten, die ihnen an die Seite gesetzt wurden, gemacht werden mußten. Geschähe dies bei Männern, die mit den öffentlichen Geschäften schon etwas bekannt waren, wieviel mehr wird es bei solchen geschehen, denen sie noch ganz fremde sind": a. a. O., S. 750. Graf von Reden äußerte sich ebenfalls skeptisch: „Selten wird die Wahl der Erwartung [Vorlage: Erwerbung] entsprechen, noch seltener werden die designierten Glieder in der Versammlung
routinierter
Geschäftsleute vorbereitet und sich vorteilhaft auszeichnend erscheinen": a. a. O., S. 480 f. Das Gutachten von Kunth zum Organisationsplan von 1808 April 12 braucht hier nicht berücksichtigt zu werden: a . a . O . , S. 499 ff. E r riet, die Zuziehung von Repräsentanten zunächst auf die Gemeindeverwaltung zu beschränken und später eventuell auf den „landrätlichen Bezirk" auszudehnen. Zum Problem ständischer Repräsentanten in der Provinzialverwaltung trug er, abgesehen von seiner Skepsis und Ablehnung, nichts bei. 80
A. a. O., S. 450.
81
A . a . O . , S. 450, 481, 7 5 0 f.
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esse für den verwalteten Bezirk" den traditionellen Beamten überlegen sein würden. 8 2 Die Kritiker Steins sahen im Beamtentum einen Beruf, der eine bestimmte Ausbildung und eine bestimmte Befähigung erfordere. Sie glaubten auch nicht daran, daß man auf den „Formenkram" der Verwaltung ohne Nachteil verzichten könne. Hinter den Bedenken Schrötters und Redens stand deutlich und ausdrücklich die Auffassung, daß landständische Repräsentation und Verwaltung unterschiedliche staatsrechtliche Positionen einnehmen. Exekutive und Legislative sollten nicht vermischt werden. Schrötter unterschied zwischen der Ausführung und der Beurteilung einer Verwaltungsangelegenheit. Die Ausführung stehe der Verwaltung zu; die Repräsentanten aber sollten „auf die Kontrolle, Revision und Verbesserung derselben beschränkt werden". 8 3 Graf von Reden ging in seinem Gutachten von dem Prinzip aus: „Landschaften, Landstände, Landstandschaften sollten ihrer Natur, Verfassung und Bestimmung nach sich aller Einmischung in die eigentliche exekutive Gewalt enthalten." 8 4 Er bezeichnete die Beschränkung der Repräsentanten in der Zentralverwaltung auf das Gesetzgebungsdepartement und die Gesetzkommission als weise, glaubte aber, daß die Repräsentanten in der Provinzialverwaltung dem gewünschten Zweck nicht entsprachen. 85 Eine begrenzte Kombination von Exekutive und Legislative hielt er also immerhin für möglich. Schrötter und Reden betonten die Fremdheit der ständischen Repräsentanten im Kollegium, ihre Unverträglichkeit mit dem traditionellen Beamtentum; sie akzentuierten damit die staatsrechtliche Unterscheidung zwischen Exekutive und Legislative. Dem entsprachen die Gegenvorschläge, die Schrötter und sein Konzipient Friese zum Organisationsplan unterbreiteten. Auch sie schlössen die ständischen Repräsentanten von der Exekutive aus, gestatteten ihnen aber die Kontrolle der Verwaltung. 86 Diese betraf auch das landesherrliche Einkommen 8 7 oder Veruntreuungen von Beamten, die Beratung neuer 82
Vgl. Stein an Schrötter, 1808 Aug. 25: a. a. O., S. 793. Schrötter an Stein, 1808 Aug. 15: a. a. O., S. 752. 84 A . a . O . , S. 480. Ebd. ist in der Edition das von Reden angegebene Zitat weggefallen; dieser berief sich nämlich auf den anonymen Briefwechsel über das Königl. preußische Edikt, den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend, in: Annalen des Ackerbaus, hrsg. von A. T h a e r , 7, 1808, S. 203. 83
86
Reformministerium, a. a. O. Im folgenden hat dann Graf von Reden nach Darlegung aller Bedenken gewisse Bedingungen für die Einführung der ständischen Repräsentanten genannt. Er nahm seine grundsätzlichen Bedenken aber deshalb nicht zurück. Über die Zuziehung ständischer Repräsentanten zur Gesetzkommission vgl. oben Anm. 43. 86 A. a. O., S. 752. 87 Schrötter ergänzt, „wovon sie nach dem itzt entworfenen Organisationsplan ganz ausgeschlossen sein sollen": ebd.
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Gesetze und Einrichtungen. D i e ständischen Repräsentanten sollten sich vierteljährlich a m Sitz der Regierungen versammeln, ein Ausschuß „derselben lege ihnen alles vor, was sie zu inspizieren wünschen, und gebe ihnen über alles A u s k u n f t " . 8 8 Keine Geheimnistuerei dürfe es mehr geben; es w a r sogar daran gedacht, die Repräsentanten an den Sitzungen der Kollegien teilnehmen zu lassen, wenn sie sich zur Geheimhaltung der behandelten Angelegenheiten bis zur allgemeinen Veröffentlichung bereit erklärten. „ N u r die eigentliche Ausführung in der Administration bleibe f r e i " v o m Einfluß der Repräsentanten, „ u n d man räume ihnen darin höchstens nur eine konsultative Stimme ein". 8 9 D e r wesentliche E f f e k t der Schrötterschen Gegenvorschläge w ä r e gewesen, daß die Repräsentanten ihre Q u a l i t ä t als Mitglieder des Kollegiums verloren hätten. D a b e i gingen Schrötter und Friese auf das alte Modell f ü r die Beziehungen zwischen L a n d t a g und Verwaltung zurück: D i e Repräsentanten bei den Regierungen wurden als Ausschuß der Stände verstanden, der mit einem Ausschuß der Regierung in K o n t a k t steht und sich so f ü r die Kontrolle und Verbesserung der Verwaltung einsetzt. Sieht m a n d a v o n ab, daß Schrötter einzelnen Repräsentanten das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Kollegien einräumte, so bedeutete sein Vorschlag die Rückkehr z u m ständischen Ausschußwesen, das Stein j a gerade beseitigen wollte. Schrötters V o r schlag glich dem oben erwähnten der K o m m i s s a r e für die Landesbeschwerden der ostfriesischen Stände von 1790. 9 0 Sein Prinzip lautete: Verbesserung der K o n t a k t e und der Zusammenarbeit zwischen Ständen und Verwaltung auf der Basis grundsätzlicher Trennung von E x e k u t i v e und Legislative. D e r V o r w u r f , das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt zu haben, z w a n g Stein zu gewissen Erläuterungen. E r distanzierte sich von der Formulierung des Organisationsplans, daß die ständischen Mitglieder des Kollegiums „ R e präsentanten" seien. Stein w a r sich bewußt, daß der Repräsentant, selbst wenn er keine Instruktion empfing, 9 1 durch den allgemeinen Wählerauftrag, das ungebundene M a n d a t anders verpflichtet w a r als der Beamte. D e r Repräsentant hätte einen A u f t r a g g e b e r außerhalb der dienstlichen Subordinationssphäre gehabt. D i e Bemühungen der Kritiker gingen dahin, die besonderen Bindungen der Repräsentanten auszuschalten, den Unterschied von „gebundenen und ungebundenen" Mitgliedern des Kollegiums zu vermeiden. Stein erwiderte daher Schrötter: „ E s ist gar nicht von Nationalrepräsentanten, sondern von Deputierten der Provinzialstände in den Kollegien die Rede, die 88 89 90 91
Ebd. Ebd. Vgl. oben S. 134. Vgl. oben S. 141.
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wirklich als Offizianten, nicht als Volksrepräsentanten handeln"; und weiter: „Den Ausdruck Repräsentanten halte ich f ü r ganz unpassend. Es sind ständische Mitglieder der Kollegien." 92 Damit distanzierte sich Stein zugleich von der Terminologie des Organisationsplans, in den der Konzipient Altenstein den Begriff des Repräsentanten eingeführt hatte. 93 Er meinte so den Bedenken Schrötters zu entsprechen. Und seine Definition, die Abgesandten der Stände seien „ständische Mitglieder der Kollegien", hätte seine Kritiker wohl befriedigen können. Sie kam der Bedingung gleich, unter der Graf von Reden die Mitarbeit von Ständen im Kollegium mit dem Prinzip der Gewaltenteilung für vereinbar hielt. 94 Stein wie Reden konnten an das historische Vorbild der ständischen Beamtenstellen anknüpfen. Diese Klärung wurde aber sogleich wieder beeinträchtigt, indem Stein den Begriff des Repräsentanten durch den des Deputierten ersetzte. Denn gerade der Deputierte ist der Abgesandte mit festem Auftrag, für den die altständische Verfassung feste Vorbilder bot. 95 Das Zurückweichen vor dem Begriff des Repräsentanten, das Ausweichen auf den des Deputierten, der dem Kritiker die gleichen und neue Angriffsflächen bieten mußte, offenbart eine Schwäche in der Erwiderung Steins. Ganz offensichtlich war die mangelhafte terminologische Strenge nur Ausdruck seines staatsrechtlichen Denkens. Stein hatte keinen Sinn f ü r die Forderung einer vollständigen Trennung von Exekutive und Legislative. Im Sinne Montesquieus und im Sinne der als Modell und gelegentlich als Vorbild verstandenen historischen Ständeverfassung war die Trennung von Exekutive und Legislative f ü r Stein kein starres Dogma. 9 6 So wie es in der Praxis der historischen Stände und Landesverfassungen mancherlei Überschneidungen zwischen Exekutive und Legislative gab, so auch nach seiner Auffassung in staatsrechtlichen Neuschöpfungen. 97 Die Argumente Schrötters und Frieses f ü r die Gewaltenteilung vermochten Stein daher nicht zu überzeugen. Von der Zusammenführung von Beamten und ständischen Repräsentanten innerhalb des Regierungskollegiums und der Aufhebung getrennter staatlicher 92 Reformministerium, S. 793. Ähnlich übrigens schon zum Konzept Altensteins für den Organisationsplan der Unterbehörden: a. a. O., S. 264 Anm. 33. 93
Vgl. oben S. 145 mit Anm. 54.
94
Vgl. Reformministerium, S. 481, insbes. ebd. zu 3.
95
Vgl. oben S. 141 mit Anm. 40.
96
Vgl. B o t z e n h a r t , Staats- und Reformideen (s. Anm. 22), S. 43 f., ferner audi M. I m b o d e n , Montesquieu und die Lehre der Gewaltenteilung ( = Schriftenreihe der juristischen Gesellschaft 1), 1959, S. 8 f. 97 R i 11 e r (s. Anm. 2), S. 194 meint, Stein sei die Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung „wohl niemals zum Bewußtsein gekommen".
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und ständischer Verwaltungen ging Stein nicht ab. Er wollte die alte Ständeverfassung überwinden, ihre Ausschüsse als „konkurrierende Behörden" ausschalten. Mit der Aufhebung des dualistischen Staats sollte auch die dualistische Verwaltung verschwinden. Daß die Verwaltung einer eigenen Disziplin bedurfte, war ihm klar, und in dieser Hinsicht sollten die ständischen Repräsentanten keinerlei Sonderrechte genießen. Mehr wollte er aber nicht zugeben; denn er erhoffte sich von der Kooperation zwischen Beamten und Repräsentanten einen neuen Geist innerhalb der Verwaltung, für den er sich sein Leben lang eingesetzt hat. Er hatte deshalb wohl auch das Gefühl, sich hier in einer Machtfrage durchsetzen zu müssen. Und er setzte sich durch, wenn auch weniger mit Argumenten. 98 Es war nur konsequent, daß in der Replik Steins das jede Diskussion beschließende Argument nicht fehlte, der König habe ja den Organisationsplan bereits genehmigt; allein deshalb komme eine Änderung nicht mehr in Frage." Immerhin wurde durch die Verordnung vom 26. Dezember 1808 den Einwendungen, daß mit der Einführung der ständischen Repräsentanten eine Gruppe von ungebundenen Beamten entstehe, weitgehend Rechnung getragen. Die Repräsentanten waren tatsächlich nur noch OfFizianten, der Repräsentantenbegriff traf auf sie nicht mehr zu. Die Verordnung schränkte ihre Kontakte mit den Wählern aufs äußerste ein. Man kann sogar sagen, daß legale Kontakte in den wesentlichen, zur jeweils aktuellen Verwaltungstätigkeit gehörenden Fragen nicht vorgesehen waren. Damit aber war ein Ziel der Reform, die Verbindung von Nation und Verwaltung bedroht. Dies war nicht durch eine bewußt antiständische Haltung der Verwaltung verursacht. Die Reform der Verwaltung durch die Verwaltung versuchte nur konsequent deren innere Ordnung und Disziplin zu bewahren, wie sie traditionell sich entwickelt hatte. Die Unterwerfung der Repräsentanten unter diese Disziplin aber mußte deren Aufgaben sehr erschweren, ja den Gedanken der Repräsentation überhaupt in Frage stellen.— Die Wahl der ständischen Repräsentanten sollte nach der Verordnung vom 26. Dezember 1808 durch die Generalversammlung der Provinz geschehen.100 Bei der Einführung des Instituts der ständischen Repräsentanten mußte die Verwaltung also mit den Ständen Kontakt aufnehmen. Die Stände, die ja nach dem Wunsch der Reformanhänger an die Verwaltung herangeführt werden sollten, waren bisher nicht konsultiert worden. Sie waren durch die 08
Dafür spricht auch der höfliche und distanzierte Vermerk Schrötters auf Steins Erlaß
von 1808 Aug. 2 5 : Reformministerium, S. 792 Anm. 4. Vgl. ferner a. a. O., S. 870. 99 100
A. a. O., S. 792. Vgl. oben S. 146.
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Verordnung vom 26. Dezember und auch durch Andeutungen in der Presse 101 informiert, geäußert hatten sie sich bisher aber noch nicht. Es wird im folgenden zu beobachten sein, wie sie sich zum Institut der ständischen Repräsentanten verhielten. Zugleich ist danach zu fragen, wie die Nachfolger Steins seine Pläne zu verwirklichen versuchten. Vor der Wahl der Repräsentanten gab es zunächst noch einmal Bedenken in der Verwaltung. Immer wieder war in den Diskussionen des Jahres 1808 das Nebeneinander von Verwaltungs- und Ständereform betont worden; man war sich darin einig, daß sich die Erneuerung dieser Sphären gegenseitig bedingte. Nun war die Verwaltung auf der Ebene der Provinzen neu geordnet, die Reform der Landstände aber noch im Stadium der Planung. Am 21. Februar 1809 antwortete daher das Ministerium Dohna-Altenstein dem Oberpräsidenten Auerswald auf Vorschläge zur Wahl der ständischen Repräsentanten bei der ostpreußischen Regierung, darüber ergehe noch eine allgemeine Bestimmung. 102 Am 26. März wurden die Vorbehalte in einem von Friese konzipierten Bericht des Ministeriums an den König genauer definiert. Die überkommenen Stände wären nicht fähig zur Wahl von solchen Repräsentanten, die das allgemeine Interesse der Nation über das ihres Standes stellen. Dohna und Altenstein behielten sich deshalb Reformvorschläge „für sämtliche Provinzen" vor; sie lehnten vorläufige und besondere Maßnahmen für die ostpreußische Regierung ab. 103 Allerdings blieb das Ministerium nicht konsequent bei dieser Auffassung. Als die Ostpreußische Generallandschaftsdirektion sich weigerte, einen Beschluß über die Form der an Napoleon auszuliefernden Pfandbriefe zu fassen, und deshalb der Generallandtag einberufen werden mußte, hielt man es für 1 0 1 Das von August Wilhelm Heidemann in Königsberg herausgegebene Bürgerblatt Ost- und Westpreußen betonte etwa den „Wert" der ständischen Repräsentanten in den gierungen: A. S e r a p h i m , August Wilhelm Heidemann, 1913, S. 65. Datum und Inhalt Artikels im Bürgerblatt ließen sich nicht genauer bestimmen, da bisher kein Exemplar Zeitung ermittelt werden konnte.
für Redes der
1 0 2 Konz., Deutsches Zentralarchiv Historische Abteilung II, Merseburg, ehemaliges Preußisches Geheimes Staatsarchiv ( = D Z A II) Rep. 77 Tit. 197 Nr. 11 Bl. 70. Der Bericht Auerswalds, 1809 Jan. 27: Ausf., a . a . O . , Bl. 7 ff. Auerswald schlug vor, die Wahlen bis zum nächsten Generallandtag des landschaftlichen Kreditwesens auszusetzen. Dieser könne dann „zugleich auch über die Gehälter und Diäten der gewählten Mitglieder der Regierung beschließen . . . , weil vorauszusehen ist, daß ehe nicht über letzteren Punkt etwas bestimmt wird, die gewählten und bestätigten ständischen Mitglieder ihre Stellen nicht antreten würden. Denn man kann ihnen nicht zumuten, daß sie mit Vernachlässigung ihrer Ökonomie an einem so teueren Orte wie Königsberg ohne Remuneration längere Zeit sich aufhalten sollen". 103
Konz., a. a. O., Bl. 118—118V; dazu Angabe von Friese: a. a. O., Bl. 113—113V.
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zweckmäßig, diesen mit einem „Ständischen" Landtag zu verbinden. 104 Man kam damit auf den eben erwähnten Vorschlag Auerswalds wieder zurück. Die gleiche Regelung wurde für den nach Marienwerder einberufenen Generallandtag vorgeschlagen. 105 Tagesordnung des Ständischen Landtags war in Königsberg und Marienwerder die Versorgung der noch von den französischen Truppen besetzten Oderfestungen Stettin, Küstrin und Glogau und die Wahl der ständischen Repräsentanten bei den Regierungen. Der Generallandtag, das Organ des landschaftlichen Kreditwesens, mußte zu diesem Zweck erweitert werden. Ihm gehörten außer den Departementsdirektoren aus jedem Kreis zwei Deputierte der Adligen und ein Deputierter „der köllmischen oder anderen bürgerlichen Güter" an. 106 Durch Beiziehung von Deputierten der Städte aller steuerrätlichen Kreise sowie der Städte Königsberg, Memel, Tilsit und Ragnit wurde der Generallandtag zum Ständischen Landtag erweitert. 107 In gleicher Weise wurde der westpreußische Generallandtag zum Ständischen Landtag umgeformt. Der Ständische Landtag für die Provinz Ostpreußen fand in der Zeit vom 1. bis 7. Mai in Königsberg statt. 108 Die Wahl der Repräsentanten für die 104 Altenstein an den Generallandschaftsdirektor Freiherrn von Korff, 1809 April 10: Kop., STAL Rep. 21 Tit. 23 N r . 2 Bl. 15—16; als Druckschrift: a. a. O., Bl. 33—33V. Die Einberufung des Generallandtags erfolgte bereits durch Kabinettsordre für Auerswald von 1809 April 3: Ausf., a . a . O . , Bl. 2. Vgl. das Schreiben Auerswalds an Korff, 1809 April 6: Konz., a. a. O., Bl. 6—6 V , wo als Termin f ü r den Generallandtag der 1. Mai genannt wird. Vgl. dazu M. H e i n , Geschichte der Ostpreußischen Landschaft, 1938, S. 52. 105
Dohna und Altenstein an Auerswald, 1809 April 11: Ausf., STAL a. a. O., Bl. 14. Vgl. auch Auerswald an die Regierung Marienwerder 1809 April 13, worin er einen landschaftlichen Generallandtag für den 15. Mai anberaumt, der „mit einem ständischen Generallandtag verbunden werden soll": Konz., a. a. O., Bl. 22—24V. 106 Revidiertes ostpreußisches Landschaftsreglement, 1808 Dez. 24: Sammlung (s. Anm. 61), S. 406 § 160. 107
Altenstein an den Regierungsrat Grafen Dohna-Wundlacken, 1809 April 10: Kop., STAL a. a. O., Bl. 17—17 v . Ebd. auch die Grundsätze für die Wahl der Repräsentanten. Eine Druckschrift des Erlasses von 1809 April 10: STAL Rep. 21 Tit. 23 N r . 3 Bl. 1. 108 Gedrucktes Protokoll, a. a. O., Bl. 54—70V. Tagungslokal war der Kneiphöfsche Junkernhof. Das Protokoll ist ediert: [G. B u j a c k ] , Der Landtag vom 1.—7. Mai i. J. 1809, in: Verhandlungen des neunten Provinziallandtags der Provinz O s t p r e u ß e n . . . , 1886, Drucksache N r . 12 Anlage I I 1 S. 72—99. Die Edition wurde jedoch wegen ihrer Unübersichtlichkeit nicht benutzt.
Den Druck des Landtagsprotokolls rechtfertigte Auerswald damit, daß nur so die erforderlichen Abschriften schnell verfügbar waren. „Ich habe indes zur Vermeidung der Publizität die Hartungsche Buchdruckerei, wo der Abdruck besorgt ist, auf das strengste d a f ü r verantwortlich gemacht, daß nicht mehr als die bestimmte Zahl von Exemplaren abgedruckt, diese auch bloß in meine H ä n d e abgeliefert werden": Auerswald an Dohna und Altenstein, 1809 Mai 12; Konz., STAL, a. a. O., Bl. 6—6V.
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Regierung in Königsberg wurde gleich am ersten Tag vollzogen. 109 Die Wahl f ü r die Regierung in Gumbinnen fand am 2. Mai statt. 110 Als Remuneration wurden von den Deputierten des platten Landes für jeden Repräsentanten 1000 Taler pro Jahr festgesetzt. Dem schlössen sich die Städte des ostpreußischen Regierungsbezirks an. Die litauischen Städte wollten sich mit den Repräsentanten über die Remuneration selbst einigen. 111 Am dritten Verhandlungstag beantragten dann aber Deputierte der litauischen landrätlichen Kreise, die Anstellung der Repräsentanten bei der Regierung Gumbinnen „annoch auf eine unbestimmte Zeit und so lange, bis die Provinz in eine bessere Lage gekommen sein würde", auszusetzen; die Kosten seien ihnen „bei den schon vorhandenen vielen Auflagen" zu beschwerlich. Auerswald, der als königlicher Kommissar dem Landtag vorstand, nahm diesen Antrag nicht an, da er einem für alle Provinzen gültigen Gesetz widerspreche. Er konnte nur anbieten, sich deshalb direkt an den König zu wenden. 112 Die beiden Sitzungen des Ständischen Landtags in Marienwerder fanden am 18. und 19. Mai statt. 113 Hier beantragte der landrätliche Kreis Krone, „die Stände von dieser Repräsentation ganz zu entbinden oder wenigstens solche sehr zu vermindern". Er fand die Zustimmung der übrigen Deputierten. Auerswald als Kommissar erwiderte erneut, er könne diesen Antrag überhaupt nicht annehmen und auch keine Abstimmung darüber zulassen, da er „geradehin" der Verordnung vom 26. Dezember widerspreche. Es gelang ihm dann auch, die Stände für eine Eventualwahl zu gewinnen, falls der König den Antrag auf Sistierung der Repräsentation im Regierungskollegium nicht 109
Liste der Repräsentanten für die Regierung Königsberg: a . a . O . , Bl. 57. Liste für die Regierung Gumbinnen: a. a. O., Bl. 5 7 v . 110 A. a. O., Bl. 58V. Für Memel, das am 2. Mai noch keinen Repräsentanten nannte, wird später der Agent Wachsen gewählt: a. a. O., Bl. 65. 111 A . a . O . , Bl. 58V, 62V. Memel bewilligte seinen Repräsentanten 1200 Rtlr.: a . a . O . , Bl. 65. Die Repräsentanten für die Stadt Königsberg wollten die Arbeit im Regierungskollegium unentgeltlich versehen. Bestimmungen über die Aufbringung der Remuneration: a. a. O., Bl. 6 2 v — 6 3 . Die Einhebung und Verwaltung der Remunerationsgelder wird den ständischen Repräsentanten überlassen. 112
A. a. O., Bl. 62. Der Kommissar bemühte sich darum, wenigstens für den Fall einer abschlägigen Resolution des Königs eine Erklärung über die Remuneration der Repräsentanten zu erhalten. Die Deputierten konnten sich dazu jedoch „vor jetzt nicht entschließen". 1809 Mai 4 wendeten sich die litauischen Deputierten an den König. „Wir weisen die uns zugedachte Gnade nicht von uns ab, aber wir bitten Eure Königliche M a j e s t ä t . . . , daß uns Zeit gelassen werde, diese neue Einrichtung ganz zu durchschauen, und besonders, daß wir bessere Zeiten abwarten dürfen, w o wir uns von unsern Kriegsdrangsalen erholt haben . . . " : D Z A II Rep. 89 A X X V I 4 Vol. 2 Bl. 38—38V. 113
Gedrucktes Protokoll, D Z A II Rep. 77 Tit. 149 Nr. 2 Bl. 2—1IV.
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bewilligen werde. 114 Darauf benannten die landrätlichen Kreise je zwei Kandidaten, von denen nach Ausfall von zweien, die „landrätliche Posten" bekleideten, gerade die geforderten zwölf blieben. Die Städte schlugen sechs Kandidaten vor. Anschließend einigte man sich über das Gehalt der Repräsentanten und die Umlage der Kosten. Im Bericht über die Wahl der ständischen Repräsentanten in Marienwerder wiederholte Auerswald seine Erklärung vor dem Landtag, daß den Ständen die Repräsentation im Regierungskollegium keinesfalls erlassen werden könne. Doch erkannte er einen späteren Antrag der Stände an, „worin sie bloß um Suspension der Repräsentation in der Regierung gebeten" hatten; dies sei „ihnen in Hinsicht der jetzigen Armut der Provinz wohl zu bewilligen". 115 In der Kabinettsordre vom 10. Juli 1809 bestätigte der König sieben Repräsentanten für die Regierung Königsberg. 116 Er genehmigte die vorläufige Sistierung einer ständischen Repräsentation in der Regierung Gumbinnen und entsprach damit dem Wunsch der litauischen Stände. 117 Die gleiche Resolution erging wegen des Antrags der westpreußischen Stände, die Repräsentation in der Regierung Marienwerder zu suspendieren. 118 Die Ständischen Landtage in den Provinzen Ost- und Westpreußen verhalfen also der Staatsleitung nur zu ständischen Repräsentanten in der Regierung Königsberg. Mit dem Ausfall der Repräsentantenwahlen war das Ministerium nicht zufrieden. Es sei die Absicht gewesen, „die öffentliche Administration mit der Nation in unmittelbare Verbindung zu setzen, den Geschäftsbetrieb zu beleben und die Mängel der Administration nach Erfahrung aus dem praktischen Leben zu verbessern". Man habe die Wahl also zwar nach Ständen vornehmen lassen, nicht aber um „Repräsentanten jener einzelnen Stände, sondern Repräsentanten des Landes zu haben, die sich über das einzelne Interesse des Standes, dem ihr Individuum angehört, hinwegzusetzen wissen, wenn von dem Wohl des Ganzen die Rede ist". 1 1 9 Besonders falsch verstanden fühlte sich das Ministerium durch die Wahlen der Städte. Aus der Reihe der von 114
A. a. O., Bl. 4V—5.
115
Auerswald an Dohna und Altenstein, 1809 Mai 2 2 : Ausf., a . a . O . , Bl. 102—102V.
1809 Mai 2 9 legte Auerswald noch eine Liste mit den von ihm vorgeschlagenen neun ständischen Repräsentanten vor: Ausf., a. a. O., Bl. 1 0 0 — 1 0 0 v . 116
Von Sydow auf Kloben, Graf zu Dohna-Lauck, Graf von Finckenstein auf Gilgen-
burg, von Bardeleben auf Rinau, Landschaftsrat Göbel, Dr. Jachmann, Negoziant Müller: Kabinettsordre für Auerswald; Ausf., STAL, a. a. O., Bl. 90V. 117
Vgl. oben Anm. 112.
118
Kabinettsordre für Auerswald, 1809 Juli 10: Kop., D Z A II, a. a. O., Bl. 119.
119
Kabinettsordre für Auerswald, 1809 Juli 10: Ausf., STAL, a . a . O . , Bl. 90V. Druck bei
Bujack,
Landtag (s. Anm. 108), S. 107—110, Auszüge bei J. V o i g t ,
Darstellung der
ständischen Verhältnisse Ostpreußens vorzüglich der neuesten Zeit, 1822, S. 97.
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HERBERT
OBENAUS
diesen vorgeschlagenen Repräsentanten für die Regierung Königsberg wurden nur Dr. Jachmann und der Kaufmann Müller aus der Hauptstadt bestätigt, die Vorschlagsliste der übrigen Städte dagegen geschlossen abgelehnt, da sie nur „Offizianten und Justizkommissarien" enthalte, also Verwaltungsbeamte und Advokaten. Die gleichen Vorbehalte äußerte das Ministerium gegenüber den Wahlen der Städte auf dem westpreußischen Landtag. 1 2 0 Es sei nicht die Absicht, „solche Männer als Bevollmächtigte der Stände in die Regierung kommen zu lassen, sondern Männer, die selbst Mitstände sind und zur gewerbetreibenden Klasse gehören". 121 Man wollte durch die ständischen Repräsentanten neue Aspekte aus der Praxis oder noch genauer: aus Handel, Gewerbe und Industrie gewinnen. Verwaltungsbeamte und Advokaten konnten nach Auffassung des Ministeriums den Horizont der Behörde nicht erweitern. Ihre Wahl zu Repräsentanten wurde geradezu als Perversion des neugeschaffenen Verwaltungsinstituts aufgefaßt, da bei den gewählten Verwaltungsbeamten und vor allem bei den Advokaten die Vermutung bestand, daß sie bei einem Auftreten als Vertreter der Stände auf Grund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten leicht den Kern einer Opposition innerhalb des Kollegiums bilden und damit den sachlichen und bedächtigen Gang der kollegialen Beratung gefährden könnten. Die Wahl von Verwaltungsbeamten und Advokaten sagt aber auch einiges darüber aus, wie das Institut der ständischen Repräsentanten auf Seiten der Stände verstanden wurde. Verwaltungsbeamte und Advokaten waren mit dem Geschäftsgang der Verwaltung immer mehr oder weniger vertraut, sie hatten die Chance, wirklich in der Regierung mitzuarbeiten und ein Urteil abzugeben. Zudem mochten die Advokaten mit Rechtskenntnis und einer zum Berufsbild gehörenden Gewandtheit im Auftreten gegen die traditionellen Beamten in der Behörde eine vorteilhafte Position einnehmen. Man darf also darauf schließen, daß die Stände bei ihren Wahlen von einem bestimmten Ziel geleitet wurden, von dem Ziel nämlich, Einfluß in der Regierung zu gewinnen, sich Einsicht in alle Vorgänge zu verschaffen, letztlich eine Kontrolle der Verwaltung auszuüben. 122 Diese Vorstellungen deckten sich mit Anträgen, 1 2 0 Vgl. Dohna und Altenstein an den König, 1809 Juni 16: Konz., D Z A II, a.a.O., Bl. 1 1 0 v . Der Entwurf stammt von Koehler. 1 2 1 Dohna und Altenstein an Auerswald, 1809 Juli 23: Ausf., S T A L , a . a . O . , Bl. 89. — Die ostpreußischen Städte außer Königsberg hatten einen Kriegsrat und einen Kriminalrat — zwei Offizianten — und einen Justizkommissionsrat und einen Justizrat — zwei Advokaten — vorgeschlagen. Zur Bedeutung der Titel vgl. K . v o n S t a s z e w s k i - R . S t e i n , Was waren unsere Vorfahren? ( = Einzelschriften des Vereins für Familienforsdiung in Ost- und Westpreußen 2), 1938. 1 2 2 Die Tendenz der Städte zur Wahl von „Offizianten und Justizkommissaren" war so dominierend, daß sie auch bei der vom Ministerium angeordneten Wiederholung der Wahl
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die auf dem Landtag über die Tätigkeit der Repräsentanten in der Regierung gestellt wurden. Die Stände forderten eine besondere Instruktion f ü r die Repräsentanten. In ihr sollte deren Wirkungskreis „nicht bloß auf die ihnen als Re- oder Korreferenten zugeschriebenen Sachen" beschränkt werden, „sondern ihnen auch in anderen Angelegenheiten ihre ständische Mitwirkung zu gestatten sein", ferner wurde verlangt, „daß ihnen auch die Befugnis zustehe, zu jeder Zeit Akten aus der Registratur zu erhalten und hieraus das Erforderliche durch schriftliche Anträge zum fernerweitigem Beschluß zu veranlassen". 123 Der Antrag wurde abgelehnt und die Stände auf die bereits erlassene Instruktion f ü r die Regierungen vom 26. Dezember 1808 verwiesen. 124 Die Unterwerfung der ständischen Repräsentanten unter diese strenge Instruktion wurde nicht gelockert. Das Ministerium war nicht daran interessiert, die Einflußmöglichkeiten der Repräsentanten in der geforderten Richtung noch ausdrücklich zu verstärken. Die ständische Aufgabe der Kontrolle sollte von den Repräsentanten im Regierungskollegium nicht wahrgenommen werden. Was von Seiten der Stände als Versuch zu sehen ist, innerhalb der Regierung durch die Repräsentanten Einfluß zu gewinnen und die eigenen Interessen zu vertreten, das war f ü r die Verwaltung die Zerstörung ihres Geistes der Objektivität und der gesellschaftlichen Neutralität. Altenstein hatte in seiner Denkschrift von 1807 die Verdrängung der Stände aus der Verwaltung damit erklärt, daß der Kastengeist ihnen die Erfüllung der Staatsaufgaben unmöglich gemacht habe; die Verwaltung des Fürsten sei so gezwungen worden, „alles zu übernehmen". Die Verwaltung allein war in der Lage, für „das Ganze" zu sorgen, während die Stände f ü r sich isoliert waren und wieder durchbrach: die Wahl der fünf Städte des braunsbergischen landrätlichen Kreises fiel auf den Kriegsrat Velhagen und wurde daher vom Ministerium wieder abgelehnt; vgl. den Vorschlag der städtischen Deputierten an Dohna, 1809 Sept. 8: Ausf., DZA II Rep. 77 Tit. 197 Nr. 13 Bl. 25—26. Ablehnung Dohnas 1809 Sept. 22: Konz., a . a . O . , Bl. 27. Die Deputierten wählten darauf den Lederfabrikanten Johann Ernst Preuß aus Braunsberg. Sie meinten es nun besonders richtig machen zu müssen und begründeten ihre Wahl so: „Der Fabrikant Preuß hat auf der Schule und auf der Universität zu Königsberg einen guten Unterricht erhalten und sich auf seinen Reisen durch Frankreich, die Schweiz und Deutschland noch mehr ausgebildet. Auch macht es ihm keine Schwierigkeiten, einen schriftlichen Bericht oder Protokoll aufzusetzen, wovon er als Stadtverordneter und Mitglied der Baudeputation noch mehrere Beweise ablegt": die Deputierten an Dohna, 1809 Sept. 27; a . a . O . , Bl. 30—31. Vgl. dazu die Wahlprotokolle der städtisdien Deputierten: STAL Rep. 21 Tit. 23 Nr. 4. 123
Protokoll des Ständischen Landtags, 1809 Mai 2: STAL a . a . O . , Nr. 3 Bl. 59, vgl. a. a. O., Bl. 57. Soweit aus dem Protokoll zu entnehmen ist, ging der Antrag auf Wünsche der neu gewählten Repräsentanten zurück. 124 Yg[_ 0 b e n g 145 m j t Anm. 6 i ; ferner Anm. 77.
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„feindliche, sich wechselseitig selbst lähmende Kräfte" darstellten. 125 Die Verwaltung trug den Staat, sie handelte gerecht und gemeinnützig — die Stände hingegen waren egoistisch, sie dachten nur an ihr eigenes Interesse. Altenstein beschrieb damit genau das Selbstverständnis der Verwaltung, das vor allem in der politischen Aufklärung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herrschte und das die politische Praxis wesentlich beeinflußte. Ganz im Sinne dieses Selbstverständnisses äußerte sich Friese in seinem Votum zum Bericht Auerswalds über die Repräsentantenwahlen, einem Votum, das die Haltung des Ministeriums zunächst bestimmte. In den Repräsentantenwahlen sei wieder der „Isolierungstrieb und Kastengeist" zum Durchbruch gekommen, der die Entwicklung der „geistigen und physischen Kräfte" hemme. Nach dem Plan der Reform sollten „nicht Repräsentanten des Adels oder der adligen Güter, nicht Repräsentanten des Kölmer- und Bürgerstandes, nicht Repräsentanten der Städte oder einzelner Gewerbe in die Regierungen kommen, sondern Repräsentanten des Landes, des Allgemeinen — Repräsentanten, die großherzig und fähig genug sind, sich über das einzelne Interesse des Standes, dem ihr Individuum angehört, hinwegzusetzen, wenn von dem Wohl des Ganzen die Rede ist". 126 Um eines Tages solche Repräsentanten zu gewinnen, sei es erforderlich, in die bestehende Ständeverfassung einzugreifen, die Gliederung der Gesellschaft in Stände aufzuheben, „die mannigfachen Scheidewände, welche bisher die einzelnen Stände voneinander trennten und der Natur der Sache nach voneinander trennen mußten, erst sämtlich ,zu zerstören' und die einzelnen Stände in die moralische Notwendigkeit ,zu versetzen', das gemeinschaftliche Interesse mehr in das Auge zu fassen. Solange es noch für jeden Stand verschiedene Verfassungen gibt, solange noch jeder Stand gesetzlich die Meinung hegen darf, nur auf ihm allein beruhe die Wohlfahrt des Staats, solange die Verfassung ihn noch hindert, zu der Einsicht zu gelangen, daß er nur ein einzelnes Glied in der großen Kette sei und nur das Zusammenpassen aller einzelnen Glieder das Ganze erhalten könne: so lange bleibt alles nur palliativ, keine Radikalkur". Es war wohl konsequent, daß Friese bei einer solchen Auffassung eine Zuziehung ständischer Repräsentanten vorläufig nicht für sinnvoll hielt und eine Sistierung forderte. Zunächst müsse die Trennung der Stände aufgehoben und damit jenes „große Ziel" weiter angestrebt werden, dem sich das Ministerium des Innern „bloß durch den übermäßigen Druck der kurrenten Arbeiten" noch nicht stärker habe annähern können. 127 Friese fiel diese Ablehnung sicher 125
Reorganisation (s. Anm. 33), S. 392 f., Zitate teilweise umgeformt. Vgl. oben S. 140. Die Formulierungen des Votums sind teilweise in der Kabinettsordre für Auerswald von 1809 Juli 10 wiederzufinden; vgl. oben S. 157 mit Anm. 119. 127 Votum Frieses, 1809 Mai 27: D Z A II Rep. 77 Tit. 149 Nr. 1 Vol. 1 Bl. 110—113. 126
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. v. STEINS 161 nidit schwer; er war bereits zweimal als Gegner des Instituts der ständischen Repräsentanten aufgetreten, einmal grundsätzlich als Konzipient Schrötters, das andere Mal eher sistierend als Konzipient des Berichts über die Vorschläge Auerswalds. 1 2 8 Der erneute Vorschlag einer Sistierung der Zuziehung von Repräsentanten ist dennoch nicht eine Fortsetzung der grundsätzlichen Ablehnung mit dem Mittel des Aufschubs und der planmäßigen Verzögerung. Vielmehr war die Hoffnung, daß die Zerstörung der ständischen Trennung und Abschließung den Sinn für das Gemeinwesen automatisch neu erwecken und ein gleichgerichtetes Interesse für den Staat erzeugen würde, die große Hoffnung des Zeitalters. Sie wurde vor allem durch die Schriften Fichtes verbreitet. Friese stand wie viele andere Anhänger einer Gesellschaftsreform in Preußen unter ihrem Einfluß. Den Reformern schwebte ein neues Staatsideal vor, das „Ideal der höchsten Kraftäußerung". Sie hatten das Bewußtsein, eine neue Epoche einzuleiten, in die die alte Ständeordnung nicht mehr hineinpasse. 129 Die optimistischen Erwartungen, die Friese gegenüber der neuen, noch zu schaffenden Gesellschaft ohne ständische Schranken hegte, ließen es ihn für möglich halten, daß die ständischen Repräsentanten tatsächlich eines Tages frei von persönlichen Interessen nur für das Gemeinwohl handeln könnten. Sie mochten dann auch imstande sein, so wie die Verwaltung im Sinne der Objektivität und der gesellschaftlichen Neutralität zu handeln. Beamte und ständische Repräsentanten hätten dann vielleicht wirklich innerhalb der Regierungen zu einer nützlichen Kooperation kommen können. Das Votum Frieses wurde von Dohna und Altenstein gebilligt, die wesentlichen Formulierungen von Koehler für seine Angabe zum Konzept eines Berichts an den König verwendet. 130 A m 14. Juni 1809 notierte dann Koehler zu dem bereits fertiggestellten, die Zuziehung von ständischen Repräsentanten erst einmal sistierenden Konzept: „Nach dem anderweiten Beschluß des Herrn Staatsministers Grafen zu Dohna ist die Fassung des Berichts . . . geändert." 1 3 1 So kam es zu der bereits referierten Kabinettsordre an Auerswald, die den Repräsentantenwahlen mit Bedenken zustimmte und nur für die Wahlen der Städte eine Wiederholung forderte. 1 3 2 Die Sinnesänderung Dohnas mag damit zusammenhängen, daß man die von den Ständen nun einmal geforderten und Vgl. oben S. 150, 154. Vgl. S p r a n g e r (s. Anm. 33), S. 501 ff., ferner R i t t e r (s. Anm. 2), S. 197. 1 3 0 Konz., DZA II, a . a . O . , Bl. 118—128. Angabe dazu: a . a . O . , Bl. 114—115V. Für das Finanzministerium formulierte Staegemann die Zustimmung, die dann Altenstein abzeidinete: a. a. O., Bl. 113. 1 3 1 A. a. O., Bl. 120. 1 3 2 Vgl. oben S. 157 f. 128
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auch durchgeführten Wahlen nicht einfach als ungeschehen hinstellen konnte. Die Kabinettsordre für Auerswald sprach offen aus, daß man das „Vertrauen" der Stände, „in welchem diese Wahl — wenngleich nicht mit der bezweckten Vollkommenheit — vorgenommen ist, n i c h t . . . täuschen" wolle. 133 In ihrem Immediatbericht plädierten Dohna und Altenstein entgegen der ursprünglich beabsichtigten Ablehnung für Akzeptierung der Repräsentantenwahlen, damit die mit dem Institut verfolgte Absicht, „wenn auch nicht in der bezweckten Vollkommenheit, doch in einigem Grade schon jetzt erreicht werde". Sie meinten, diesen Rat um so mehr geben zu dürfen, als durch das jährliche Ausscheiden eines Drittels der Repräsentanten ein Mittel gegeben sei, die Unvollkommenheit der Wahlen zu korrigieren. In drei Jahren würde „das jetzige Repräsentantenpersonal" sowieso abtreten und „die Vervollkommnung des Repräsentativsystems in den Provinzen ohne Zweifel vollendet" sein. 134 So wurde denn Oberpräsident Auerswald am 23. Juli 1809 aufgefordert, die bestätigten ständischen Repräsentanten in das Königsberger Regierungskollegium einzuführen, 135 was am 4. September auch geschah. Der Oberpräsident nahm die Einführung persönlich vor, verpflichtete die Repräsentanten durch Handschlag und wies sie in einer kurzen Ansprache auf den Paragraphen 18 der Verordnung vom 26. Dezember 1808 hin, worin ihre Aufgaben umrissen worden waren. Die Repräsentanten sollten sich mit dem Geist der Staatsverwaltung vertraut machen und verstehen lernen, „das Ganze der Staatsverwaltung im Zusammenhang zu übersehen, sich von einseitigen Ansichten einzelner Teile derselben, die öfters nur in ihrem Eingreifen ins Ganze ihre Rechtfertigung finden, zu bewahren und nicht nur sich selbst zu richtigen Urteilen über die Grundsätze und über die Führung der Administration zu leiten, sondern auch unreife und unbillige Beurteilungen bei ihren Mitständen zu berichtigen und das Vertrauen der Nation zu ihrer Regierung zu beleben". Als den „edelsten Teil ihrer Bestimmung" bezeichnete Auerswald, Mängel der Gesetze und ihrer Ausführung aufzuzeigen. Er bat ausdrücklich darum, kein Mißtrauen gegen die Beamten aufkommen zu lassen. 136 Die endgültige Verteilung der neuen Repräsentanten auf die fünf Deputationen der Regierung fand erst zu Anfang des Jahres 1810 statt, nachdem noch einige 133
1 809 Juli 23: Ausf., STAL Rep. 21 Tit. 23 Nr. 3 Bl. 90V.
Dohna und Altenstein an den König, 1809 Juni 16: Ausf., DZA II Rep. 89 A X X V I 4 Vol. 2 Bl. 40—44. 134
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Dohna und Altenstein an Auerswald: Ausf., STAL, a. a. O., Bl. 89.
Text der Einführungsrede Auerswalds: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Geheimes Staatsarchiv Berlin, Rep. 92 Auerswald Nr. 1. Vgl. Bericht der Ostpreußischen Regierung an das Ministerium des Innern über die Einführung der Repräsentanten, 1809 Sept. 9: Ausf., DZA II Rep. 77 Tit. 197 Nr. 13 Bl. 23—24. 136
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. v. STEINS 163 Neu- und Nachwahlen durchgeführt worden waren. 1 3 7 Die Geschäftsverteilung sah so aus: 1. Polizeideputation: Dr. med. Jachmann aus Königsberg, Spediteur Kaiser aus Pillau, Kommerzien- und Admiralitätsrat Schnell aus Königsberg. 2. Geistliche und Schuldeputation: Graf zu Dohna-Lauck, von Bardeleben auf Rinau. 3. Militärdeputation: von Sydow auf Kloben, Lederfabrikant Preuß aus Braunsberg. 4. Finanzdeputation: Landschaftsrat von Bergfeld auf Schellenberg, Landschaftsrat Göbel. 5. Akzise- und Zolldeputation: Schnell, Preuß (sie waren also in zwei Deputationen tätig). 1 3 8 — Am 28. Juli 1809 informierte Dohna die Oberpräsidenten Sack und von Massow — den einen für Pommern, die Kur- und Neumark, den andern für Schlesien — über die Wahl und Bestätigung der Repräsentanten in der ostpreußischen Regierung. Das neue System einer ständischen Repräsentation sei zwar noch nicht zustande gekommen, aber man wolle die Wahl von Repräsentanten für die Regierungen überall da gestatten, wo sie von den Ständen gewünscht werde. Dohna äußerte gegenüber den Oberpräsidenten den Wunsch, daß das Beispiel der ostpreußischen Regierung „wenigstens zum Teil Nachfolge finde".139 Klar war dieser Erlaß nicht. Vor allem fehlte eine Definition des Begriffs „Generalversammlung der Provinz", von dem nach der Verordnung vom Vgl. die Wahl des Fabrikanten Preuß oben Anm. 122. Anordnung des Regierungspräsidenten Wißmann, 1810 Febr. 9 : STAL Rep. 21 Tit. 3 Nr. 34 Bl. 14—14V. Wißmann hielt sich dabei an das Votum des Regierungsdirektors Johann Gottfried Frey, 1810 Febr. 8: a . a . O . , Bl. 13—13V. Die Verteilung der Repräsentanten ersdieint unverändert in der Druckschrift: Geschäftsverteilung, eingeführt bei der Königlichen Regierung von Ostpreußen . . . , Königsberg 1810. — Die Verteilung der Repräsentanten folgte nur teilweise der Geschäftsinstruktion der Regierungen, 1808 Dez. 26: oben Anm. 66, a . a . O . 13T
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Der Versuch des Vf.s, die Tätigkeit der ständischen Repräsentanten aus den Akten der Regierung Königsberg zu ermitteln, scheiterte leider völlig, da der im Staatlichen Archivlager Göttingen befindliche Bestand sehr lückenhaft ist. Der Jährliche Hauptbericht des Oberpräsidenten Auerswald für das Ministerium von 1810 Jan. 22, also kurz nach Einführung der ständischen Repräsentanten, erwähnt nur deren Beteiligung bei der Umlage der Kosten für Pferdelieferungen an die Armee vom Herbst 1806. „Nachdem die landständischen Repräsentanten in das hiesige Regierungskollegium eingetreten waren, ist darauf mit deren Zustimmung über das beschlossene Prinzip die Verteilung sowohl in Ostpreußen als in Litauen bewirkt": Konz., STAL Rep. 21 Tit. 3 Nr. 36 Bl. 14V. 1 3 9 Kop., DZA I I Rep. 77 Tit. 489 Nr. 1 Vol. 1 Bl. 69—69V. — Vgl. zum folgenden, soweit nicht anders belegt, Z e e d e n (s. Anm. 3), S. 58 ff.
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26. Dezember 1808 bei der Wahl der ständischen Repräsentanten auszugehen war. 1 4 0 Audi blieb offen, welche Stände Repräsentanten wählen konnten. In Ost- und Westpreußen hatten im Mai 1809 Generallandtage des landschaftlichen Kreditwesens stattgefunden, mit denen man Ständische Landtage verband; in ihnen fand man Versammlungen, denen die Wahl von Repräsentanten proponiert werden konnte. In den anderen Oberpräsidialbezirken ging man nicht so zielstrebig vor. Das Ergebnis war diffus, der Erfolg blieb aus. Die Ritterschaft der Neumark fragte, ob auch die Städte Repräsentanten wählen sollten. Die pommerschen Städte bemerkten, die bestehende Ständeverfassung sei nicht geeignet, „das Ganze zu vertreten". Die Landsyndici von Vor- und Hinterpommern fragten, „von welcher Generalversammlung die W a h l . . . geschehen... und . . . aus welchen Klassen die künftige Repräsentation bestehen solle". Die auf dem pommerschen Landtag vom September 1809 versammelten Stände schritten dann zur Wahl von zwei Repräsentanten, die aber nicht in das Regierungskollegium eingeführt wurden, da Sack vorher mit Genehmigung des Ministeriums die Aufforderung zur Wahl zurücknahm. 141 Die kurmärkischen Stände weigerten sich überhaupt, Repräsentanten in die Regierungen zu entsenden. Sie hatten bereits zu Beginn des Jahres 1809 Vorschläge des Oberpräsidenten abgelehnt, die ständische Verwaltung wegen ihrer Kostspieligkeit einzuschränken und einzelne ihrer Zweige auf die Regierung zu übertragen, wo dann die ständischen Repräsentanten an der Bearbeitung beteiligt sein sollten. 142 In Schlesien kam es zu gar keiner Stellungnahme der Stände, da die Anweisung Dohnas nur zu einer Diskussion innerhalb der Verwaltung führte, darüber hinaus aber ohne Effekt blieb. Die Verwaltung hatte wieder ähnliche Bedenken, wie sie schon in den Gutachten über den Organisationsplan gegenüber Stein geäußert worden waren. Massow befürchtete bei der Aufnahme von ständischen Repräsentanten „Verletzung des Amtsgeheimnisses, unnötige Widersprüche und Debatten, mangelnde Einigkeit". 143 Eine Opposition „gegen alle Maßregeln der Regierung", sofern sie nicht den Absichten der Gutsbesitzer entsprachen, habe man bisher von den kurmärkischen Ständen zu spüren bekommen — erklärte die Regierung in Potsdam. Ein allgemeines Zusammenwirken der Stände war nach Sack erst möglich, wenn es ein neues Repräsentativsystem gebe und dann Vgl. oben S. 146. O. E g g e r t , Stände und Staat in Pommern im Anfang des 19. Jahrhunderts ( = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern 8), 1964, S. 165 f f . 1 4 2 O. S c h ö n b e c k , Der kurmärkische Landtag vom Frühjahr 1809, in: Forsch, z. brandenb. u. preuß. Gesch. 20 (1907), S. 13. 1 4 3 E. B r e i t b a r t h , Beiträge zur Einführung der Verwaltungsreform von 1808 bei den schlesisdien Regierungen, in: Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. Sdilesiens 50 (1916), S. 279 Anm. 1. 140
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„jeder Eigentümer Stimme erhalte — folglich die große Klasse der Eigentumsbauern mitrepräsentiert werde". Der Oberpräsident bat abschließend, die Wahl von ständischen Repräsentanten für seinen Bezirk zu sistieren. Positiv äußerte sich allein der Breslauer Regierungspräsident Merckel, der eine beschleunigte Wahl auch deshalb verlangte, da er in den ständischen Repräsentanten die Vorstufe einer „Nationalrepräsentation" sah. Er vertrat gegenüber dem Oberpräsidenten Massow die Auffassung, daß die Bauern unbedingt Repräsentanten stellen müßten, während dieser noch das altständische Argument verfocht, die Bauern würden durch die Ritterschaft vertreten, „ungeachtet der Aufhebung der Untertänigkeit". Allerdings setzte sich Massow damit im Ministerium nicht durch; Dohna bestand auf Berücksichtigung der Bauern. Er gab aber zu, daß man aus diesem Stand zur Auswahl mehr Kandidaten als die vorgesehenen zwei benötige; für jede Repräsentantenstelle sollten drei bis sechs oder noch mehr Kandidaten vorgeschlagen werden. Dann dürfe „eine zweckmäßige Auswahl wahrscheinlich minder schwierig sein". Die Auswahl von Wahlmännern für die Vorschlagsliste selbst übertrug man den Landräten. So kam man bei dem Versuch, das Institut der ständischen Repräsentanten ohne vorherige Erneuerung der ständischen Verfassung einzuführen, aus den Notbehelfen nicht mehr heraus! Wie um zu beweisen, daß man in eine Sackgasse geraten war, meldeten die meisten Landräte, daß sie nur einen oder zwei geeignete Wahlmänner nennen konnten, einige kannten überhaupt keine. Obendrein wurden von der Liegnitzer Regierung Bedenken angemeldet, man räume den Bauern durch diesen Wahlmodus zu viele Rechte ein. So blieb die Auswahl bäuerlicher Wahlmänner in der Ausführung Stedten, zu den Wahlen der Repräsentanten von Ritterschaft und Städten ist es darüber überhaupt nicht mehr gekommen. 144 — Die Sonderstellung, die Ostpreußen durch die Einführung der ständischen Repräsentanten in der Monarchie gewann, ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß der Ständische Landtag von 1809 bereits von einer Reform des Generallandtags im Jahre 1808 ausgehen konnte. Stein hatte auf dem Generallandtag die Zuziehung der Kölmer gefordert, 145 sie wurde durch das Revidierte Generallandschaftsreglement schließlich vollzogen. 146 Damit fehlten zwar noch alle aus der Abhängigkeit entlassenen Domänen- und Privatbauern, die Präponderanz der adligen Gutsbesitzer war aber bereits eingeschränkt. Ferner wurde der Antrag des Generallandtags auf Einsetzung eines fünfköpfigen „Komitees der Landeigentümer" genehmigt; die Stände Vgl. B r e i t b a r t h , a. a. O., S. 277—286. Kabinettsordre für Auerswald, 1808 Jan. 31: Reformministerium, N r . 110. 1 4 6 Vgl. oben S. 155 mit Anm. 106. Vgl. auch die Eingabe der Deputierten der Besitzer bürgerlicher Güter, 1808 Febr. 12: Reformministerium, N r . 114. 144
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erhielten damit für die Verhandlungen mit der Verwaltung eine ständige Repräsentation. 147 Der Landtag von 1809 setzte die Reformen fort: Durch Zuziehung städtischer Repräsentanten wurde der Generallandtag zum Ständischen Landtag, 1 4 8 durch Zuziehung von drei städtischen Repräsentanten wurde das Komitee zu einer Vertretung der Landtagsberechtigten in Ostpreußen und Litauen. 149 Schließlich stimmte der König dem Antrag des Landtags zu, daß das Komitee in den Kreisen und Städten von den dortigen Landständen Korrespondenten wählen lassen dürfe, „um mit diesen in vorkommenden Fällen Verhandlungen zu pflegen und durch sie auch die zur allgemeinen Beratschlagung geeigneten Sachen an die Kreise" zu bringen. 150 Allerdings wurde diese Einrichtung nur provisorisch und bis zur Einrichtung einer verbesserten Ständeverfassung genehmigt. In der Provinz Ostpreußen begegneten sidi also auf dem Landtag von 1809 zwei Reformbewegungen: eine ständische und eine staatliche. Die staatliche bemühte sich um die Verwirklichung jenes Teils der Verordnung vom 26. Dezember 1808, der die Mitwirkung der Stände erforderte, also die Wahl der ständisdien Repräsentanten. Deren Zuziehung zu den Regierungen sollte den Bereich früherer Reibungen zwischen Landständen und Verwaltung, den ständischen Ausschuß, beseitigen. Die ständische Reformbewegung hatte gerade die entgegengesetzte Richtung. Sie verstärkte den ständischen Ausschuß, verbreiterte seine soziale Basis und verstärkte die Kontakte zur Provinz durch ein Netz von Korrespondenten. Staatliche und ständische Reform widersprachen sich also völlig, von einer Verwirklichung der ursprünglichen Gedanken Steins konnte nicht die Rede sein, ja, das Ergebnis war eigentlich nur als Pervertierung der Ideen Steins zu verstehen. Man hatte das mit der EinBericht Auerswalds über den ostpreußischen Generallandtag, 1808 Febr. 18: Reformministerium, Nr. 120. Es heißt dort, das ständische Komitee habe audi „schon bisher, jedodi ohne öffentliche Anerkennung, bestanden": a. a. O., S. 383. Genehmigt wurde der Antrag des Generallandtags 1808 Febr. 27: B u j a c k , Triennium (s. Anm. 54), S. 4. 147
1 4 8 Vgl. oben S. 155 mit Anm. 107. Es gab auf den Landtagen von 1808 und 1809 darüber hinaus Diskussionen über eine gleiche Repräsentation der Stände, die hier aber unberücksichtigt bleiben können.
Antrag der Städte auf dem Ständischen Landtag, 1809 Mai 4: Gedrucktes Protokoll, STAL, a . a . O . , Bl. 66. Genehmigung durch die Kabinettsordre von 1809 Juli 10: a . a . O . , Bl. 92, vgl. B u j a c k , Landtag (s. Anm. 108), S. 109, V o i g t (s. Anm. 119), S. 98 f. 149
1 5 0 Kabinettsordre für Auerswald, 1809 Juli 10: STAL a . a . O . , Bl. 92. Die Genehmigung entsprach der Formulierung des Antrags auf dem Landtag, 1809 Mai 4: a . a . O . , Bl. 6 6 v . — Das System der Korrespondenten ermöglichte eine Mobilisierung ständischer Aktivität, die die Regierung später ängstigte. 1811 Mai 21 etwa ging beim Komitee der ostpreußisdien und litauischen Stände eine Anweisung Auerswalds ein, die „Kreisbevollmächtigten sollten nicht in den Kreisen korrespondieren": B u j a c k , Triennium (s. Anm. 54), S. 94.
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. V. STEINS 167 führung der ständischen Repräsentanten verfolgte Ziel Steins völlig aus dem Auge verloren. Das Vorgehen der Stände war konsequent. Sie bauten ihre alten Institutionen aus und gewannen durch die neuen vergrößerte Einflußmöglichkeiten. Sie sahen auch die ständischen Repräsentanten unter diesem Gesichtspunkt, wobei allerdings ein Unterton von Skepsis nie verstummte. Die litauischen Stände hatten sich den Repräsentantenwahlen mit Hinweis auf den wirtschaftlichen Ruin ihres Departements entzogen. Sie hatten aber auch erklärt,, ihnen möge Zeit gegeben werden, um „diese Einrichtung ganz zu durdischauen". 151 Versuche der Staatsleitung oder des Oberpräsidenten Auerswald, das Anwachsen der ständischen Institutionen im Sinne Steins aufzuhalten oder zurückzudrängen, sind in Ostpreußen nicht erkennbar. 152 D a f ü r war aber der Augenblick wohl auch nicht günstig, denn die großen Kriegsschulden der Monarchie ließen eine Politik gegen die Landstände nicht zu. 1 5 3 In diesem Dilemma verlegte sich das Ministerium aufs Abwarten. Man hoffte, daß die Zukunft und die erwartete grundlegende Reform der Landstände auch dem Institut der ständischen Repräsentanten eine sinnvolle Position geben werde. Immerhin gab es außer der Skepsis gegen die ständischen Repräsentanten unter den Ständen auch eine Tendenz, das neue Institut möglichst nutzbringend auszugestalten, ja es zu erweitern. Deputierte des Ständischen Landtags von 1809 stellten den Antrag, daß jede Provinz wie in der Regierung auch im Staatsrat Repräsentanten haben solle. Die Repräsentanten bildeten danach „ein Ganzes", „welches unter Direktion eines ihrer Mitglieder zusammentrete und beratschlage, was wohl für das Beste der P r o v i n z . . . vorzutragen sei". Zwischen den Repräsentanten in Regierung und Staatsrat müsse eine Verbindung in der Weise hergestellt werden, daß alle Anträge der Repräsentanten, die die Regierung „ohne Grund" verwerfe, an die Vertreter der Stände im Staatsrat gebracht werden dürfen. „Diese, welche außer ihren gewöhnlichen Geschäften im Staatsrat ein besonderes Kollegium zur Vertretung der Nation bilden, könnten solche Anträge . . . in Anregung bringen, und wenn ihnen hier Hindernisse und Schwierigkeiten in den Weg gelegt würden, sich von der König151 Ygj 0 b e n s . 156 mit Anm. 112, ferner S. 159. Der Repräsentant von Sydow schreibt 1809 Sept. 19 an Altenstein über sein Amt. „Gleich anfangs merke idi es zu deutlich, daß man von der Einführung der Repräsentanten überhaupt nichts erwartet; und ich sehe mit Schmerz, daß ich der einzige bin, der Glauben an dieser hohen Idee hat": Ausf., DZA II Rep. 151 I B Nr. 101 Bl. 42. 1 6 2 Im Januar 1809 hat dagegen der Oberpräsident Sack mit den kurmärkischen Ständen nodi wegen einer Übertragung der ständischen Verwaltung auf die Regierungen verhandelt. Er argumentierte dabei mit der Einführung der ständischen Repräsentanten in die Regierung. Die Stände lehnten den Vorschlag ab: vgl. oben S. 164 mit Anm. 142. 1 6 3 Vgl. S c h ö n b e c k (s. Anm. 142), S. 5, 103, K o s e 11 e c k (s. Anm. 59), S. 171.
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liehen Majestät die Erlaubnis ausbitten, solche Anträge unmittelbar" bei ihr vorbringen zu dürfen. 154 Der Antrag der Stände leistete das, was im Plan der Staatsverwaltung noch fehlte: die Einordnung der ständischen Repräsentanten in eine gesamtstaatliche Repräsentation. Anlaß mögen Gerüchte über Pläne gewesen sein, die eine Mitwirkung von Repräsentanten im Staatsrat oder in der Gesetzkommission vorsahen. 155 Wesentlich ist an dem Antrag, daß die Repräsentanten auf beiden Verwaltungsebenen eine eigene Aktivität entwickeln konnten. Sie durften danach jederzeit als Gruppe zusammentreten und selbständig zu Initiativen greifen. Neben dem Instanzenweg der traditionellen Verwaltung entstand ein solcher der ständischen Repräsentanten, der seinen Abschluß in der Person des Königs hatte. Ein solches unabhängiges Agieren war den Repräsentanten aber durch die Verordnung vom 26. Dezember 1808 gerade untersagt worden. Verordnung und Instruktion hatten besonders die Unterscheidung zwischen „gebundenen" und „ungebundenen" Beamten ausschließen und überhaupt eine Sonderstellung der Repräsentanten im Regierungskollegium vermeiden wollen, die die Kritiker befürchtet hatten. 1 5 6 Der Gedankengang der Deputierten widersprach also geradezu dem der Verwaltung, er lief darauf hinaus, die Repräsentanten zu Funktionsträgern der Stände zu machen, sie den eigenständigen Interessen der Stände nutzbar zu machen. In welchem Umfang all diese Probleme auf dem Landtag zur Sprache gekommen sind, ist nicht mehr festzustellen. 157 Aus dem Protokoll ist nur zu entnehmen, Auerswald habe auseinandergesetzt, daß der Antrag mit großen Schwierigkeiten verbunden sei. Darauf weigerte sich die Mehrheit der Deputierten, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Später, im Jahre 1810, haben die Stände ihren Wunsch auf Zuziehung von Repräsentanten zum Staatsrat 164
1809 Mai 1: B u j a c k , Landtag (s. Anm. 108), S. 136, Zitate teilweise umgeformt. Der
Antrag enthält in der überlieferten Form keine Unterschrift, die Urheber bleiben deshalb leider unbekannt. 165
Vgl. oben S. 142 mit Anm. 43, S. 150 mit Anm. 85, ferner M e i e r , Reform (s. Anm. 3),
S. 161. Die Zuziehung von Repräsentanten sah audi der Beridit des Ministeriums an den König von 1810 März 17 vor. Der Staatsrat sollte entgegen den Plänen Steins in ein „ausschließlich beratendes Konseil" umgewandelt werden, „dessen Gutachten, besonders in Angelegenheiten der Gesetzgebung und bei neuen allgemeinen Einrichtungen, einzuholen wären". Doch sollte vorher die Reform der Provinzialstände abgewartet werden. Vgl. R .
Lobe-
t h a l , Verwaltung und Finanzpolitik in Preußen während der Jahre 1808—1810, Diss. phil. Berlin 1914, S. 38 ff., H . S c h n e i d e r , Der preußische Staatsrat 1817—1918, 1952, S. 19 f. 156
Vgl. oben S. 148 mit Anm. 73.
157
Protokoll des Ständischen Landtags, 1809 Mai 3 : STAL, a . a . O . , Bl. 63. Die Ein-
tragung im Protokoll ist, gemessen an dem referierten Antrag, sehr unpräzise gehalten und enthält nur den Gedanken einer Zuziehung von Repräsentanten zum Staatsrat.
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nodi einmal wiederholt, diesmal aber ohne eine Relation zu den Repräsentanten im Regierungskollegium herzustellen.158 Die Haltung zum Institut der ständischen Repräsentanten hatte sich inzwischen aber auch weiter geändert, worüber noch zu referieren sein wird. Audi nach dem Landtag blieben die Repräsentanten weiter ein Gegenstand spekulativer Erwägungen. Die Verordnung vom 26. Dezember 1808 hatte die Kompetenz der Repräsentanten ganz auf den Bereich der Verwaltungstätigkeit der Regierungskollegien beschränken wollen. Die Stände versuchten nun gerade, Kontakte zwischen den Repräsentanten und dem Komitee der Stände herzustellen. Nur zwei Wochen nach der Einführung der Repräsentanten in das Regierungskollegium wendete sich einer von ihnen, von Sydow, an Finanzminister Altenstein und schlug vor, den Repräsentanten zu erlauben, mit in den Kreisen gebildeten Komitees der Stände zu korrespondieren. Sie würden dann „nicht fremde mit dem, was in den Provinzen vorgeht". 159 Sydow trug sich also mit dem gleichen Plan, den der Landtag von 1809 über die Verbindung des ständischen Komitees mit den Kreisen entwickelt hatte. Es ist sogar anzunehmen, daß er an eine Verbindung der Repräsentanten mit den gleichen Korrespondenten dachte, die der Landtag vorgeschlagen hatte. 160 Altenstein lehnte den Vorschlag ab, da „die Ausführung eine verbesserte allgemeine Repräsentation und Kreisverfassung" voraussetze.161 Sydow hat den Gedanken jedoch weiter verfolgt. Er trug ihn dem Oberpräsidenten Auerswald vor und erhielt den Bescheid, daß sidi die Repräsentanten mit dem Komitee der Stände in Königsberg „in jede . . . beiderseitig vorteilhafte Berührung setzen könnten". Sydow bat darauf das Komitee um Vorschläge, wie eine entsprechende Kooperation der „verschiedenen Stellvertreter der Provinz organisiert werden könne". Das Komitee stimmte der Zusammenarbeit zu, meinte aber, man brauche dafür keine besondere Form festzulegen.162 Die Praxis führte tatsächlich zu einer engen Kooperation zwischen dem Komitee und den Repräsentanten in der ostpreußischen Regierung. Die Reprä158 Sitzungsprotokoll des Komitees der Stände, 1810 Sept. 28: B u j a c k , Triennium (s. Anm. 54), S. 71, 73. 159 1809 Sept. 19: Ausf., D Z A II, a . a . O . , Bl. 42. Z e e d e n (s. Anm. 3), S. 54 charakterisiert die Vorschläge Sydows unzutreffend. 160 Vgl. oben S. 166. 161 1809 Okt. 8: Konz, nach Angabe von Wilckens, D Z A II, a. a. O., Bl. 45. Teildruck bei Z e e d e n (s. Anm. 3), S. 55 Anm. 55. Altenstein wies auch darauf hin, daß ein ähnlicher Plan „sogleich bei dem ersten Entwurf über die Organisation zur Sprache gekommen und reiflich erwogen worden" sei. Diese Diskussion wurde bereits oben S. 143 referiert. 162 1 809 Dez. 13: [G.] B u j a c k , Das Kommissorium der Landesdeputierten der Provinz Ostpreußen und Litauen in Berlin im Jahre 1811, 1889, S. 27 f.
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sentanten nahmen an wichtigen Sitzungen des Komitees teil, 1 6 3 gelegentlich sogar auf ausdrücklichen Wunsch der Kreisstände. 1 6 4 Gegen Ende des Jahres 1810 informierte Sydow die Stände des Kreises Heilsberg direkt von den Hardenbergschen Plänen für eine Reform der Staatsfinanzen und regte zugleich an, Repräsentanten und Komitee sollten die Pläne gemeinsam prüfen und Protest einlegen. Die Stände stimmten zu. 1 6 5 A m 11. September 1809 wendeten sich die Gutsbesitzer des Kreises Mohrungen an den König wegen der Bemühungen, die Patrimonialgerichtsbarkeit aufzuheben und die „noch unentbehrliche Polizei zu beschränken". Sie baten darum, daß der Plan zur Modifizierung einer neuen Polizeieinrichtung den ständischen Repräsentanten und durch diese den Kreisen zur Beratung übergeben werde. 1 6 6 Gelegentlich wendete sidi das Komitee an die Repräsentanten, damit diese Rechnungen in der Regierung einsahen und mitteilten. 1 6 7 Die Verbindung zwischen Komitee und Repräsentanten ging so weit, daß es schließlich zu Doppelmitgliedschaften kam. Das Komitee sanktionierte Anfang 1811 die Wahl des ständischen Repräsentanten Preuß zum Deputierten der ostpreußischen und litauischen Städte im Komitee, 1 6 9 der Oberpräsident genehmigte sie. 170 168
1810 J a n . 3 : a . a . O . , S. 28. — Das durch den Geheimen Justizrat von Brandt ent-
worfene Konzept trat an die Stelle eines politisch ziemlich ahnungslosen des Syndikus Scheltz, der Auerswald von dem Antrag Sydows eine Mitteilung machen und darin ausführen wollte, das Vorhaben widerspreche der Verfassung des Komitees: Konz., Wojew6dzkie Panstwowe w Olsztynie ( =
Ardiiwum
W A P O , Staatliches Wojewodschaftsarchiv Alienstein), V I
37
Bl. 7. Erwägungen über eine Kooperation der verschiedenen Repräsentanten der Stände enthält auch eine Proposition des Kreises Mohrungen, 1809 Sept. 2 5 :
Bujack,
Triennium
(s.
Anm. 54), S. 31. 164
Proposition der Gutsbesitzer im Tapiauschen Kreise wegen der durch Dekret von 1810
O k t . 28 auferlegten Konsumtions- und Luxussteuer, 1810 N o v . 2 7 : [ G . ] B u j a c k , Nachtrag zum ersten Triennium des Komitees der ostpreußischen und litauischen Stände, 1888, S. 14. 165
B u j a c k , a. a. O . , S. 21 f., 25.
186
Kop., S T A L Rep. 21 Tit. 3 N r . 33 Bl. 3 — 4 . Die Vorstellung spricht zwar an der ent-
scheidenden Stelle nur von „unseren Repräsentanten", nicht von ständischen Repräsentanten. Einleitend werden diese jedoch als „unsere Repräsentanten" bezeichnet, so daß die Kombination gerechtfertigt erscheint. i«7 Vgl d e n Beschluß des Komitees auf den Antrag des Kreises Brandenburg, die 5. Landeslieferung aufzuheben, 1810 J a n . 3 : die Repräsentanten seien zu ersuchen, „daß sie sich die Rechnung von der Verwendung der Fourage vorlegen lassen, solche beprüfen und dem Komitee eine Ubersicht mitteilen möchten": B u j a c k , 169
Bujack,
170
A . a . O . , S. 78 zu N r . 18.
Triennium (s. Anm. 54), S. 39.
Triennium (s. Anm. 54), S. 77.
Das Ministerium stimmte 1809 N o v . 1 dem Antrag Auerswalds vom Sept. 13 zu, „daß diejenigen Landschaftsräte, welche als ständische Repräsentanten bei den Regierungscollegiis angestellt werden, ihr Officium als Landschaftsräte nicht behalten könnten, sondern andere
VERWALT. U N D REPRÄSENT. I N DEN REFORMEN FREIH. V. STEINS
171
Darüber hinaus gab es weitere Aktivitäten der Repräsentanten, die die Schwierigkeit einer ständischen Repräsentation in der Verwaltung verdeutlichten. Bereits im Oktober 1809 sah sich das Ministerium veranlaßt, eine Vorstellung der Repräsentanten zurückzuweisen, die unter anderm die Fourage für das königliche Gefolge und den Marstall betraf. Die Einsender, so hieß es, seien sich wohl über ihre verfassungsmäßige Stellung nicht im klaren, denn sie verständen sich „als eine Behörde", als eigene Verwaltungsinstanz. Eigene Initiativen außerhalb der Regierung Königsberg wurden nicht geduldet. 171 Trotz dieser Zurechtweisung reichten die ständischen Repräsentanten nach dem Edikt vom 12. Februar 1810 über das Darlehen von 1 500 000 Reichstalern für die Kriegskontribution an Frankreich eine neue Vorstellung beim König ein.172 Sie legten dar, was die Provinz bereits geleistet habe und in welcher Not sie sei. Sie baten den König, er möge Deputierte aus den Provinzen einberufen „und ihnen die eingegangenen Verpflichtungen und den Finanzzustand des Staats vorlegen". 173 Die Antwort des Königs war eine einzige Abweisung. Die Repräsentanten seien nur Mitglieder des Regierungskollegiums. Sie hätten danach die Pflicht, „ihre Wünsche und Anträge über die öffentlichen Angelegenheiten bei dem Regierungscollegio vorzutragen und der Beurteilung desselben den etwa nötigen Vortrag hierüber bei Seiner Königan ihre Stelle gewählt werden müßten". Das Ministerium stellt fest, daß, „wenn Landschaftsräte zu ständischen Repräsentanten bestätigt werden, die Landschaft nicht Veranlassung nehmen darf, selbige von ihren landschaftlichen Officiis gänzlich zu entbinden und andere an ihre Stelle zu wählen, sondern daß ihre Stellen bei der Landsdiaft, solange sie die Repräsentantenposten bekleiden und also zufällig und temporell an Bearbeitung ihrer landschaftlichen Geschäfte verhindert werden, von landschaftlichen Deputierten interimistisch gegen landschaftliche Diäten aus dem Gehalt dieser Räte verwaltet werden sollen": Kop., DZA I I Rep. 77 Tit. 489 Nr. 1 Vol. 1. 1X1 Kabinettsordre an Auerswald, 1809 Okt. 18: Konz, nach Angabe von Klewitz, DZA II Rep. 89 A XXVI 4 Vol. 2 Bl. 97. 172 Sammlung (s. Anm. 61), Nr. 106. 173 1810 April 23: Ausf., DZA II Rep. 89 B III Vol. 1 Bl. 5—6V. Die Vorstellung ist von allen Repräsentanten bis auf Bardeleben und Preuß unterschrieben worden. Bardeleben war offensichtlich noch beurlaubt: vgl. B u j a c k , Triennium (s. Anm. 54), S. 24 zu Nr. 34. Warum Preuß nicht unterschrieben hat, war nicht festzustellen. — Das Konzept der Vorstellung stammte von Sydow und wurde von diesem 1810 März 7 dem Komitee vorgelegt. Dieses stimmte zu, „daß ein Vorstellen an Se. Maj. abgeschickt werde, welches die Mitglieder der hier konstituierten Landesautoritäten, nämlich der Landesdeputation, Generallandschaftsdirektion, der Komitee und der Regierungsrepräsentanten promiscue unterschreiben. Jedoch ist die Versammlung des Dafürhaltens, daß auf einen allgemeinen Landtag und Offenlegung des Etats nicht angetragen, sondern statt dessen Sr. Kön. Majest. der hilflose Zustand des Landes lebhaft geschildert werde": B u j a c k , a. a. O., S. 43. Da das Konzept dann jedoch nidit dementsprechend geändert wurde, unterschrieb das Komitee die Vorstellung nicht: a . a . O . , S. 51.
172
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liehen Majestät zu überlassen. Sollte der eine oder der andere der ständischen Repräsentanten in seinem Gewissen überzeugt sein, daß der Beschluß des Kollegiums mit so erheblichem Nachteil für Seine Königliche Majestät verknüpft ist, daß er sich nicht dabei beruhigen dürfe, so muß er, so wie jeder andere Diener, die Sache bei der vorgesetzten Behörde und nötigenfalls bei allerhöchst denenselben unmittelbar zur Anzeige bringen." Diesen Instanzenweg sollten die Repräsentanten einhalten. Der König wolle diesmal das Vorgehen der Repräsentanten noch mit Nachsicht behandeln, bei erneuter Uberschreitung „ihrer Befugnis" aber „mit Strenge" gegen sie verfahren. Auf die Anträge selbst ging der König nicht ein.174 Dadurch, daß die Vorstellung der Repräsentanten und die Resolution vom Komitee unter den Korrespondenten in den Kreisen verbreitet wurde, war die Publizität groß. 175 Die Stände des Kreises Rhein hielten die Sache nach der Zurückweisung der Repräsentanten auch keineswegs für erledigt. Sie wiederholten den Inhalt der Vorstellung, „da wir nicht Mitglieder eines subordinierten Collegii, sondern ganz unabhängige, freie Männer und bloß dem Gesetz subordiniert sind". Sie baten den König, „die Nation mit den eingegangenen Verpflichtungen und mit dem Finanzzustand des Staats bekannt zu machen . . . " . Dann machten sie einen Vorschlag zur Einschränkung der Staatsausgaben: Die überzähligen Staatsbediensteten sollten entlassen werden. Preußen müsse „ebensowohl Lazzaronis ernähren . . . , als es früher die Neapolitanen tun mußten, denn . . . jeder überflüssige Offiziant und überhaupt ein jeder, der auf Kosten des Allgemeinen, ohne diesem einen wesentlichen Nutzen zu verschaffen oder verschafft zu haben, ernährt wird, gehört in diese Kategorie . . .".176 Das Verbot eines separaten Auftretens der ständischen Repräsentanten kann nur eine begrenzte Bedeutung für die Einschätzung des Instituts durch die Stände haben, zumal sich die Petenten der Unzulässigkeit ihres Vorgehens bewußt waren. 177 Uber Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem Amt der 174 1810 Mai 3: Konz., D Z A II, a . a . O . , Bl. 4—4V, 7. — 1810 Juli 10 forderte das Ministerium des Innern unter Bezug auf die Eingabe von 1810 April 23 den Oberpräsidenten auf, die Repräsentanten über ihre Stellung aufzuklären. Sie „gerierten" sich „als eine eigene Behörde". Davon könne gar keine Rede sein. Sie seien „bloß Mitglieder in der Regierung, und als solchen geziemt es ihnen nicht, offizielle Schritte für sich selbst zu tun": Konz., D Z A II Rep. 77 Tit. 197 Nr. 13 Bl. 55—55V. 175
Vgl. B u j a c k , Triennium (s. Anm. 54), S. 53. 1810 Aug. 5: Ausf., D Z A II Rep. 74 H I X Nr. 9 B1.2. Im fehlte der Vorschlag zur Einberufung von Reichsständen, den ja machen wollte; vgl. oben Anm. 173. 177 Die Repräsentanten erklärten einleitend, der König habe die . . . zugeeignete Bestimmung e r k l ä r e n . . . lassen, und wir sehen 176
Antrag der Kreisstände audi das Komitee nicht ihnen „sdion f r ü h e r . . . es sehr wohl ein, daß,
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Repräsentanten entschied die Alltagsarbeit im Regierungskollegium. Hier mußte sich entscheiden, ob die anfängliche Skepsis und Distanz der Stände überwunden wurde und Zustimmung an ihre Stelle trat. Die Skepsis blieb und verstärkte sich offensichtlich im Laufe der Zeit. Als Hardenberg Ende 1810 Notabein aus allen Provinzen nach Berlin berief, um mit ihnen seine Reformmaßnahmen — insbesondere im Bereich der Finanzen — zu beraten, 178 beantragten die ständischen Repräsentanten Graf Dohna, Bergfeld, Sydow, Bardeleben und Göbel ihre Entlassung. Aus dem Umstand, daß sie nicht zu den nach Berlin Berufenen gehörten, meinten sie schließen zu müssen, daß sie nicht das Vertrauen des Staatskanzlers genossen. Sie erklärten Auerswald aber auch, es sei hinreichend bekannt, „wie wenig Gelegenheit sich bis jetzt für uns Repräsentanten zu einer wahrhaft nützlichen Tätigkeit fand, ungeachtet uns von Seiten einer Königlichen Regierung keine erlaubte Mitwirkung zum allgemeinen Besten versagt wurde". 179 Nach mehr als einjähriger Tätigkeit in der Regierung zogen die Repräsentanten ein negatives Fazit. Die Gründe lagen nicht in den Beamten der Regierung, von denen vielleicht Obstruktion zu erwarten gewesen wäre. Der Regierung und dem Oberpräsidenten wird ausdrücklich das Vertrauen ausgesprochen. Die Gründe für die Resignation der Repräsentanten sind vielmehr institutioneller Natur: Die Repräsentanten fanden keine Gelegenheit, sich in ihrem Sinne, das heißt aber sicher auch im Sinne der Stände, nützlich zu betätigen. Daß von ständischen Kreisversammlungen trotzdem die Aufforderung kam, im Amt zu bleiben, widerlegte die Auffassung der Repräsentanten nicht.180 Es gab eine andere Richtung unter den Ständen, die bereits früher ihre Unzufriedenheit mit dem Institut der Repräsentanten äußerte und ihren Rücktritt forderte. 181 Massiv wurde der Wunsch nach Aufhebung des Instituts Ende 1811. Er stand nun im Zusammenhang mit der ständischen Protestbewegung gegen die Hardenbergschen Reformpläne. 182 Die Bevollmächtigten der Gutsbesitzer von sieben Kreisen stellten zugleich mit dem Beschluß zu einem Protestschreiben an Hardenberg bei Auerswald den Antrag, die Repräsentanten im Regieohne mögliche Nachteile in anderen Beziehungen, eine größere Berechtigung auch nicht füglich mit unserer hiesigen Stellung verknüpft werden kann": Ausf., D Z A II Rep. 89 B III 11 Vol. 1 Bl. 5. Offensichtlich spielten die Repräsentanten hier auf den Verweis von 1809 Okt. 18 an; vgl. oben S. 171 mit Anm. 171. 178 Z e e d e n (s. Anm. 3), S. 104. 119 1811 Jan. 6: B u j a c k , Kommissorium (s. Anm. 162), S. 31 f. 180 Protokoll der ständischen Versammlung des Kreises Barten, 1811 Jan. 28: B u j a c k , Triennium (s. Anm. 54), S. 79; desgleichen des Kreises Schaaken, 1811 Febr. 2: a. a. O., S. 83. 181 Protokoll einer gemeinsamen Sitzung des Engeren Ausschusses, des Komitees und der ständischen Repräsentanten, 1810 Sept. 28: a. a. O., S. 71, vgl. S. 56. 182 Vgl. Z e e d e n (s. Anm. 3), S. 98 ff.
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rungskollegium zu entlassen. Unter den Gründen befindet sich wieder der, die Bevollmächtigten hätten sich überzeugt, „daß die Herren Repräsentanten nicht weiter den Nutzen für die Provinz erzwecken konnten, den sie früher davon erwartet". Ferner sei die Provinz nicht in der Lage, die Kosten der Besoldung aufzubringen. 183 Tatsächlich war das Problem der Remuneration die quälende Subdominante während der Tätigkeit der ständischen Repräsentanten. Darin spiegelte sich die Armut der Provinz, gewiß aber auch die Überzeugung, daß die Nützlichkeit der Einrichtung begrenzt sei.184 Eine Konferenz des Komitees zusammen mit den Kreisbevollmächtigten und mit den Deputierten des Engeren Ausschusses des Kreditwesens erneuerte am 26. Januar 1812 den Antrag, „die Einrichtung der Repräsentation einstweilen und bis auf bessere Zeiten" zu suspendieren.183 Das Komitee glaubte diesen Antrag mit der Erklärung begleiten zu müssen, daß die Anstellung der Repräsentanten „nicht auf Ansuchen der Provinz Ostpreußen, sondern auf allerhöchstes Festsetzen geschehen ist, und der Provinz nichts zur Last gelegt werden könne, wenn sie wegen des zunehmenden Geldmangels auf die einstweilige Suspension dieser Einrichtung . . . anträgt". 1 8 6 Auerswald hatte bereits am 22. Januar 1812 die Aufhebung des Instituts der ständischen Repräsentanten beantragt. Er wiederholte den Antrag, als ihm auch die kleinen Städte Ostpreußens den Wunsch nach Entlassung der 183 Protokoll der Versammlung von 1811 Dez. 4 : B u j a c k , Nachtrag (s. Anm. 164), S. 29 f. Die Entlassung der Repräsentanten wurde auch damit begründet, daß die Kompetenz der Regierung beschnitten worden sei. 1 8 4 Die wesentlichen Akten hierüber aus dem ständischen Archiv — jetzt WAPO V I — veröffentlichte Bujack in seinen bereits zitierten Publikationen. Vgl. ferner STAL Rep. 2 1 Tit. 3 Nr. 34.
Zu erwähnen bleibt, daß ein Antrag der Stände, die Besoldung der Repräsentanten auf die Staatskasse zu übernehmen, von Hardenberg abgelehnt wurde: Hardenberg an Auerswald, 1811 Dez. 24; B u j a c k , a. a. O., S. 95. 1 8 5 Protokoll des Komitees: B u j a c k , a . a . O . , S. 107. Die Kreisbevollmächtigten hatten bereits vorher mit den einzelnen ständischen Repräsentanten über einen Amtsverzicht verhandelt: a . a . O . Einer von ihnen, Bardeleben, hatte darauf am 1811 Dez. 9 um seine Entlassung gebeten: Kop., DZA I I Rep. 74 J I V Ostpreußen Nr. 1. Befürwortung durch Auerswald, 1811 Dez. 18: ebd. Die Entlassung erfolgte mit Kabinettsordre von 1812 Jan. 23: ebd. Auerswald hatte schon 1811 Sept. 4 einen ähnlichen Antrag der Repräsentanten Jadimann, Bardeleben und Bergfeld von 1811 Sept. 1 vorgelegt, in dem diese erklärten, „daß wir mit Ablauf des zweiten Jahres seit unserer Anstellung selbige interimistisch niederzulegen und uns so lange in unsere Heimat zu entfernen gezwungen sind, bis uns durch eine reguläre und sichere Verabreichung unserer Remuneration die Fortsetzung unseres hiesigen Aufenthalts möglich gemacht wird": Kop., ebd. Die Genehmigung des Urlaubs wurde darauf 1811 Sept. 24 konzipiert, jedoch von Hardenberg nicht vollzogen: Konz., ebd. 186
1812 Febr. 1: B u j a c k ,
a. a. O., S. 111 f.
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ständischen Repräsentanten vortrugen. 187 Er konnte nun tatsächlich vom „einstimmigen Wunsche" der Stände sprechen. Zur Entschuldigung bediente er sich des gleichen Arguments wie das Komitee, daß nämlich die Anstellung der Repräsentanten „nicht freier Wille und noch weniger der Wunsch der Stände" gewesen sei, „daß vielmehr nur die damaligen oberen Staatsbehörden diese Einrichtung anordneten". 188 Im übrigen kein Wort von einem Wunsch der ostpreußisdien Regierung, die ständischen Repräsentanten beizubehalten. Vielmehr war sie es, die den Antrag auf Entlassung wiederholte, als aus Berlin keine Antwort kam. 189 Am 8. Juni 1812 endlich genehmigte der König die Aufhebung der ständischen Repräsentation in der Regierung, da sie „weder nötig noch nützlich" erscheine.190 Entscheidend für die Entlassung der Repräsentanten war ein Bericht des Allgemeinen Polizeidepartements im Ministerium des Innern unter Schuckmann. Konzipient war Friese, der sich schon mehrfach über die Repräsentanten negativ ausgesprochen hatte und nun sicher nicht ohne Genugtuung die Aufhebung des Instituts beantragte. Die Erfahrungen in Ostpreußen hätten gelehrt, „daß die Einrichtung nicht den Nutzen gewährt, den man sich von ihr versprochen" habe. Der eigentliche Aufgabenbereich ständischer Repräsentanten sei die Gesetzgebung und die Kontrolle, dagegen nicht die „Exekutive der öffentlichen Administration". Ähnlich hatte Friese als Konzipient Schrötters bereits gegenüber Stein die Einführung der ständischen Repräsentanten abgelehnt.191 Die Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung erscheint wieder als das wesentliche Argument. Im gleichen Sinne hatten sich bald nach der Amtsübernahme Hardenbergs auch Wilhelm von Humboldt 192 und Theo187 Auerswald schreibt, der Wunsch nach Entlassung sei bei Gelegenheit der Wahlversammlung für die nach Berlin zu sendenden Nationalrepräsentanten geäußert worden. Es hing vielleicht audi mit der als Last empfundenen Besoldung der Repräsentanten zusammen, daß einer von ihnen, Preuß, 1812 März 19 zum Nationalrepräsentanten gewählt wurde: Ausf. des Wahlprotokolls, STAL Rep. 21 Tit. 23 Nr. 13 Vol. 1 Bl. 208—208V. Auf diese Weise wurde das zusätzliche Gehalt für den Nationalrepräsentanten gespart! 188 Auerswald an Hardenberg, 1812 März 25: Ausf., D 2 A II, a . a . O . In diesem Bericht wird auf den von 1812 Jan. 22 angespielt. 189
Polizeidepartement der Ostpreußisdien Regierung an das Allgemeine Polizeidepartement im Ministerium des Innern, 1812 April 29: Ausf., D Z A II Rep. 77 Tit. 197 Nr. 13 Bl. 60 bis 61V. 190 Friedrich Wilhelm III. an Schuckmann; Ausf., D Z A II, a. a. O., Bl. 63. Von Hardenberg vollzogenes Konz., D Z A II Rep. 74 J IV Ostpreußen Nr. 1. Die Angaben über die Dauer des Instituts der Repräsentanten bei Z e e d e n (s. Anm. 3), S. 55 f. sind entsprechend zu berichtigen. 191 Vgl. oben S. 150. 192 [1810, zwischen Juni 10—16]: W. von Humboldts gesammelte Schriften, hrsg. von der Kgl. preuß. Ak. d. Wiss. 10, 1903, S. 297.
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dor von Schön193 geäußert. Schließlich meinte Friese noch, daß die Bestimmung der Verordnung vom 26. Dezember 1808 über die Repräsentanten durch die Zusammenberufung einer Nationalrepräsentation nach Berlin verändert und aufgehoben sei.194 Das traf sicher nicht zu, weder nach den Verordnungen über die Nationalrepräsentation noch nach denen über die ständischen Repräsentanten. Stein plante die ständischen Mitarbeiter in den Regierungskollegien gerade immer neben und außer einer Provinzial- oder Reichsversammlung der Stände. Aber die große Konzeption von 1808 war vergessen, der Denkansatz leuchtete nicht mehr ein. Später sind dann zwar wieder Versuche gemacht worden, auf die ständischen Repräsentanten der Verordnung vom 26. Dezember 1808 zurückzugreifen. Zu Anfang des Jahres 1816 beantragte der Berliner Magistrat bei Hardenberg, Repräsentanten der Bürgerschaft sollten zu den Sitzungen der Regierung Potsdam hinzugezogen werden. 195 Im Jahre 1845 baten die Westfälischen Provinzialstände darum, daß „zu sämtlichen Provinzialregierungen ständische Mitglieder . . . ernannt werden". 196 Beide Anträge wurden nicht genehmigt. Von einer neuen Zuneigung der Stände zum Institut der ständischen Repräsentanten zeugten die Anträge nicht. Vielmehr suchten die Stände in der Zeit einer fehlenden oder einer unzulänglichen Repräsentation nach neuen verfassungsmäßigen Grundlagen für ihre Aktivität — so entdeckten sie die Möglichkeiten der Verordnung von 1808. Eine Rechtfertigung für den Plan Steins über die ständischen Repräsentanten waren diese Anträge nicht. Sein Plan war bereits gescheitert. Abschließend ist noch einmal nach den Gründen für das Scheitern des Instituts der ständischen Repräsentanten zu fragen. Eingeführt wurde es nur in der Regierung von Ostpreußen. In den Regierungen von Westpreußen und Litauen wurden die Wahlen auf Bitten der Stände sistiert. In den Oberpräsidialbezirken Brandenburg-Pommern und Schlesien kamen ordnungsgemäße Wahlen nicht zustande, was im wesentlichen auf das Fehlen oder auf die Mängel der 193
1810 Juli 18: Reformministerium, S. 1089 Anm. 3; vgl. M e i e r , Reform (s. Anm. 3), S. 245. — Meier erwähnt auch eine Immediateingabe Vinckes von 1810 April 7, in der er sich negativ über die ständischen Repräsentanten ausließ. Positiv, wenn auch in ganz allgemeinen Wendungen, äußerte sich über die ständischen Repräsentanten der Innenminister Graf zu Dohna, 1810 Juli 6: B e z z e n b e r g e r , Aktenstücke des Provinzialarchivs in Königsberg aus den Jahren 1786—1820 betreffend die innere Verwaltung Ostpreußens, 1898, S. 6. 194
Schuckmann an den König, 1812 Mai 24: Ausf., D Z A II Rep. 74 J IV Ostpreußen Nr. 1. Dazu Angabe Frieses: D Z A II Rep. 77 Tit. 197 Nr. 13 Bl. 60—61V, v g l . Bl. 61—62. 195 1816 März 3: M e i e r , Reform (s. Anm. 3), S. 246 mit Anm. 143. 166 Verhandlungen des 8. Provinziallandtages der Provinz Westfalen, 1846, S. 87, 206. Vgl. H . v. W a l l t h o r , Die landschaftliche Selbstverwaltung in ihrer Entwicklung seit dem 18. Jahrhundert 1 ( = Veröffentlichungen des Provinzialinstituts für westfälische Landes- und Volkskunde I 14), 1965, S. 118 mit Anm. 62.
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. V. STEINS
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dortigen Landesversammlung zurückzuführen war. Die Neuorganisation einer ständischen Repräsentation, die Stein zunächst noch zugleich mit der der Verwaltung plante, war zunehmend in Rückstand geraten und behinderte nun auch Teile der Verwaltungsreform selbst. Das Institut scheiterte aber nicht nur an den fehlenden ständischen Voraussetzungen. Es scheiterte auch an seiner eigenen Konstruktion. Die Stände erkannten nämlich, daß es ihren Interessen nicht förderlich war. Die Verwaltung wurde zwar dazu gebracht, die ständischen Repräsentanten zu akzeptieren. Sie hielt den Sachverstand der durch eine harte Instruktion disziplinierten Repräsentanten sogar bisweilen für nützlich. Die Stände hingegen machten zunächst zwar Versuche, das Institut sich im Sinne einer zusätzlichen Kontroll- und Interventionsmöglichkeit zu adaptieren. Auf die Dauer wurden sie enttäuscht. Die Schwierigkeiten der Besoldung lagen gewiß auch an der katastrophalen Wirtschaftslage Ostpreußens, waren letztlich aber Zeichen einer Unzufriedenheit mit den Möglichkeiten, die das Institut den Ständen bot. Anders hätte man energischer versucht, sich wenigstens eine neue Wahl von Repräsentanten für bessere Zeiten zu reservieren. Die Unzufriedenheit der ostpreußischen Stände wiegt doppelt schwer, da die Repräsentanten für sie eine Zugabe zu den schon bestehenden ständischen Institutionen waren, vor allem zum Komitee. Stein dagegen wollte aber gerade die Ausschüsse kassieren und die Repräsentanten in der Regierung zu den einzigen ständigen Vertretern der Nation zwischen den Sessionen des Landtags machen. In Ostpreußen entstand durch die Einführung der ständischen Repräsentanten die groteske Situation, daß nun noch mehr ständische Beamte tätig wurden als vorher, daß insbesondere der Reibungen zwischen Regierung und Ständen erzeugende Ausschuß fortexistierte. Die Stände konnten selbst unter diesen günstigen Umständen in dem neugewonnenen, zusätzlichen Amt keinen rechten Vorteil erkennen. Die Situation wäre anders gewesen, wenn die ostpreußischen Stände keinen Ausschuß mehr gehabt hätten. Die ständischen Repräsentanten wären als einzige permanent handlungsfähige Vertretung der Stände sicher aufgewertet worden. Ob den Ständen die administrierenden Repräsentanten damit auch sinnvoller und nützlicher erschienen wären, muß man bezweifeln. Die Praxis in Königsberg bewies, daß die Teilnahme an der Verwaltung des Regierungsbezirks die Stände nicht befriedigte. Weitergehende selbständige Aktivitäten wurden rigoros unterbunden. Sie aber wären ja gerade dann wichtig geworden, wenn die Repräsentanten nach den Vorstellungen Steins anstelle der Ausschüsse die einzige permanente ständische Vertretung geworden wären. So benachteiligte der Plan Steins, den er gegen die Verwaltung und gegen die Stände zu verwirklichen versuchte, im wesentlichen nur die Stände. Zwar 12
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sollte auch die Verwaltung durch die Teilnahme von ständischen Repräsentanten in Geist und Wesen verändert werden. Doch konnte daraus nach der entgegen den ursprünglichen Plänen Steins durchgeführten völligen Integration der Repräsentanten in das Kollegium kaum noch etwas werden. Gewiß, die Repräsentanten mochten in die Beratungen der Verwaltung manches an praktischen Kenntnissen und Erfahrungen einbringen. Aber dadurch wurde der Geist der Verwaltung nicht geändert. Um die Verwaltung zu ändern, bedurfte es der Aufsicht und Kontrolle durch Stände, des Kontaktes zur öffentlichen Meinung — wie Stein noch selbst in der Nassauer Denkschrift gefordert hatte. Beide Funktionen, die der Kontrolle und die des Kontaktes, konnten die ständischen Repräsentanten nicht ausüben. Die Diskussion Steins mit seinen Ratgebern machte das bereits klar. Dennoch blieb Stein allen Argumenten unzugänglich. Er setzte sich schließlich in seiner Replik gegen Schrötter nicht mit Scharfsinn, sondern mit der Autorität des Befehlenden durch. Stein hatte den Plan, mit dem Institut der ständischen Repräsentanten zugleich Verwaltung und Repräsentation zu reformieren. Die damit verbundene Kassierung der Ausschüsse stand an sich im Einklang mit den staatsrechtlichen Tendenzen der Zeit. Das Ausschußwesen der Stände war unter dem Gesichtspunkt einer Trennung von Staat und Gesellschaft durchaus reformbedürftig. Die Wahrnehmung „staatlicher" Aufgaben wie die Steuererhebung durch Stände entsprach nicht mehr dem Stand der gesellschaftlichen und staatsrechtlichen Entwicklung. Audi die Aufgabe der Ausschüsse, eine permanente Repräsentation der Stände gegenüber Regierung und Verwaltung darzustellen, blieb nicht unbestritten. Ihre Repräsentationsbefähigung wurde schon in der Zeit der altständischen Verfassung angezweifelt, auch Stein hat sie während seines Ministeriums nicht anerkannt. Uber das Komitee der ostpreußischen und litauischen Stände bemerkte er kritisch: „Der Zweck aller ständischen Versammlungen ist, Gemeingeist zu erhalten und Teilnahme an dem Wohl des Ganzen, auch ein Organ zu haben, welches die Wünsche und Bedürfnisse der Untertanen dem Regenten vorlegt. Diese Zwecke werden durch ein solches aus wenig Personen bestehendes Comité nicht erreicht, sondern es muß jährlich ein Landtag versammelt werden." 197 Tatsächlich kam es bei der Abschaffung der Ausschüsse sehr stark auf die Häufigkeit der Landtage an. Die Permanenz der ständischen Ausschüsse ließ sich nur durch die Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Landtage kompensieren. 1 9 7 Marginalie Steins zum Immediatberidit Auerswalds über den ostpreußischen Generallandtag von 1808 Febr. 18: Reformministerium (s. Anm. 50), S. 384 Anm. 3. Eine entsprechende Kabinettsordre an Auerswald, 1808 Febr. 27: Ausf., S T A L Rep. 2¡ Tit. 23 N r . 1 Bd. 2 Bl. 140.
VERWALT. UND REPRÄSENT. IN DEN REFORMEN FREIH. V. STEINS 179 Die Organisation der Provinzialstände in den Jahren 1823 und 1824 sah dann weder Ausschüsse noch jährliche Landtage vor. Das Experiment der ständischen Repräsentanten war 1812 gescheitert, nun scheiterte mit der restriktiven Organisation des Landtags auch die Reform der Repräsentation. Steins Versuch einer Neuordnung des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Repräsentation war mißlungen.
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WOLFGANG SCHARFE
T O P O G R A P H I S C H E A U F N A H M E N IN B R A N D E N B U R G 1816—1821 DAS D E C K E R S C H E
KARTENWERK
Unter den Kartenserien, die die Mark bzw. Provinz Brandenburg als Ganzes oder in großen Teilen darstellen, ist das sogenannte „Deckersche" Kartenwerk bisher am wenigsten in die Öffentlichkeit getreten, obgleich es als Beginn der das 19. Jahrhundert bestimmenden Militärkartographie in Preußen einen bedeutsamen Markstein bildet und für landeskundliche Forschungen hohen Quellenwert besitzt. Die betreffenden Sektionen befinden sich in der Kartensammlung der Westdeutschen Bibliothek (Staatsbibliothek) — Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin-Marburg/Lahn, 1 und das einzige bisher bekannte Erläuterungsheft dazu, statistisch-landeskundliche Angaben enthaltend, fand sich unter den Beständen des ehemaligen Dépôt de la Guerre beim Service historique de l'Armée in Vincennes (Carton A 14)? Auf dem Wiener Kongreß war zwischen dem Leiter des Statistischen Bureaus, J. G. Hoffmann, und dem Chef des Generalstabes, General Karl Wilhelm Georg v. Grolmann, die Vereinbarung getroffen worden, die gesamte Landesaufnahme dem Ressort v. Grolmanns zu übertragen.3 Im Jahre 1810 hatte diesen Aufgabenbereich das Statistische Bureau zugeteilt erhalten, als dessen Hauptvertreter für kartographische Belange der Kriegsrat F. B. Engelhardt fungierte. Zwischen 1810 und 1816 beschränkte sich die Tätigkeit des Bureaus auf diesem Gebiet im wesentlichen auf eine erste Triangulierung Brandenburgs durch den Hauptmann v. Textor und den Leutnant Karl Wilhelm v. Oesfeld, die mit den Arbeiten beauftragt wurden. 4 Weitere Unternehmungen geodätischer Art und eine topographische Aufnahme selbst mußten Die im folgenden angeführten Signaturen Kart N... beziehen sich auf dieses Ardiiv. An dieser Stelle möchte ich der v.-Humboldt-Ritter-Penck-Stiftung bei der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin für die Bereitstellung der finanziellen Mittel und der Historischen Kommission zu Berlin für die Bewilligung eines Arbeitsurlaubs zur Durchführung einer Ardiivreise nach Wien und Paris danken. 3 H. Degner, Die Aufnahmearbeiten des Preußischen Generalstabes nach den Freiheitskriegen. In: Mitt. d. Reichsamtes f. Landesaufn. 16 (1940), S. 8. 4 H. Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg, Bd. 1, Brandenb./Havel 1854, S. 14 ff. 1 2
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infolge der Kriegsereignisse unterbleiben. Erst 1816 konnten die Triangulationen fortgesetzt und topographische Arbeiten begonnen werden. Der Beginn der Landesaufnahme in Brandenburg war mit Schwierigkeiten verschiedener Art verbunden. Dieses neue Tätigkeitsfeld stellte an das Militär ungewohnte Anforderungen, da vorher eine systematische oder audh nur halbwegs geordnete Landesaufnahme von militärischer Seite nicht durchgeführt worden war. Man suchte dem in organisatorischer Hinsicht durch die Einrichtung einer Astronomisch-trigonometrischen und einer Topographischen Abteilung (vorher Aufnahme- und Zeichenbureau) beim Generalstab Rechnung zu tragen. Die beiden „Vermessungs"-Brigaden der Topogr. Abt. wurden den Hauptleuten Decker und v. Rau unterstellt. 5 Nach dem Leiter der 1. Brigade, dem späteren Generalmajor Carl v. Decker,6 ist das Kartenwerk benannt, das im folgenden erläutert werden soll. Uber die Tätigkeit des Hauptmanns v. Rau ist bisher noch wenig bekannt. Überdies entbehren die von den Mitgliedern seiner Brigade angefertigten Blätter jeder Angabe über Bearbeiter und Aufnahmejahr. Das Personal zu den Aufnahmen setzte sich in der Mehrzahl aus jungen Offizieren, Leutnants und Oberleutnants zusammen, die in der Regel für drei Jahre zum Generalstab kommandiert wurden, daneben beteiligte man Ingenieur-Geographen. Hierbei waren es besonders die jungen Offiziere, die — wenn überhaupt — lediglich eine theoretische Vorbildung mitbrachten und sich erst in das für sie noch ungewohnte Gebiet einarbeiten mußten. Ihre Leistungen beim Kartieren stehen dementsprechend qualitativ hinter denen der Ingenieur-Geographen zurück, die neben anderen, technischen Disziplinen das Aufnehmen auf Grund ihrer Spezialkenntnisse beherrschten. Einige der durch den Leutnant v. Zülow angefertigten Blätter mußten sogar wegen Unbrauchbarkeit ein zweites Mal in Angriff genommen werden. Somit hatten die Brigade-Führer nicht nur die Pflicht, die topographischen Arbeiten zu leiten, sondern gleichzeitig den abkommandierten Offizieren eine kartographische Ausbildung zukommen zu lassen, die während der Wintermonate auch das 8
H. Degner, a. a. O., S. 3. Carl [v.] Decker, * Berlin 21. 4. 1784, f 29. 6.1844. 1797 Eintritt i. d. Militärdienst (Artillerie), 1800 Ltn., Feldzüge 1806/07 i. d. Kompanie seines Vaters (Pr. Eylau Pour le Mérite), 1809 Rittmeister i. Korps d. Hz. v. Braunsdiw.-Oels (England, Spanien). 1813 preuß. Hptm. i. Generalstab, Feldzüge 1813/14 (Leipzig, Waterloo). Kartogr. Tätigkeit seit 1814, 1816 Brigadechef i. d. Top. Abt., 1817 Major u. Nobilitierung, 1818 Lehrer Art.- u. Ing.-Sdiule. 1822 Duell u. Festungshaft, danach Mitglied d. Obermilitärexaminationskomm. u. Lehrer f. Taktik a. d. Allg. Kriegsschule (zahlreiche entsprechende Werke). 1827 z. Garde-Art. aggr., 1831 ArtBrigadier, 1833 Oberstltn., 1835 Oberst, 1841 Abschied mit Ernennung z. Gen.maj. 1842. Mit Rühle v. Lilienstern zus. Hrsg. d. Militär-Wochenblattes, Mithrsg. d. Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges, Verfasser von Lustspielen (Pseudonym Adalbert vom Thale). 6
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Kopieren und Verkleinern bereits vorhandener Karten und Pläne einschloß. Vor der Heeresreform gab es eine derartige Ausbildungsmöglichkeit nicht. Neben den Verzögerungen und Neubearbeitungen, die durdi die Unerfahrenheit der Offiziere verursacht wurden, behinderte das Fehlen von geeigneten Lehrbüchern und Aufnahmevorschriften anfangs das Unternehmen. Decker selbst hatte ein entsprechendes Werk 7 verfaßt, das jedoch Methoden darbot, die auf anderen Voraussetzungen — Kriegszustand und Aufenthalt in feindlichem Land — fußten, und das daher nur bedingt verwendbar war, d. h. diesem Mangel kaum abhelfen konnte. Erst die gleichfalls von Decker konzipierte und 1818 mit der Unterschrift v. Grolmanns im Druck erschienene Vorschrift mit Musterblättern8 für die topographischen Aufnahmen bedeutete eine erste Basis. Sie muß bereits als Manuskript den 1816 und 1817 an den Arbeiten beteiligten Offizieren und Ingenieur-Geographen vorgelegen haben. Die Vorschrift gab die zu verwendenden Signaturen, Farben und Schriften an und ermöglichte damit die gleichmäßige inhaltliche und graphische Gestaltung der einzelnen Sektionen. Es mußte von Nachteil für die Genauigkeit der Karte insgesamt werden, daß die trigonometrischen Messungen unter Leitung des Majors v. Oesfeld und unter Mitwirkung des Hauptmanns v. Gelbke und des Artillerie-Leutnants Assmann (Odertriangulation) 9 noch recht weitmaschig blieben und ohne eine umfassende Planung durchgeführt wurden. Sie erhielten erst am 15. Januar 1821 durch die Instruktion des Generals v. Müffling,10 der einige Tage zuvor die Leitung der gesamten Landesaufnahme in Preußen übernommen hatte, eine verbindliche Grundlage. Beide Instruktionen, sowohl die Grolmannsche als auch die Müfflingsche, wurden dann für die Erstellung der sogenannten „Urmeßtischblätter" bestimmend.11 1. Quadratmeilenblätter
(Maßstab 1 : 25
000)n
Den Ausgangspunkt des Netzes, auf Grund dessen die Aufteilung in Sektionen vorgenommen wurde, bildete die alte Berliner Sternwarte in der Dorotheenstraße. Parallel zum Meridian der Sternwarte und der in diesem Punkt C. Decker, Das militärische Aufnehmen. Berlin 1816. Erläuterungen zu den Musterblättern für die topographischen Aufnahmen des Königlid) Preußischen Generalstaabes. Nebst drei Musterblättern und einem Schriftmesser. Berlin 1. März 1818. 9 H. Berghaus, a. a. O., S. 19 ff. 10 Instruction für die topographischen Arbeiten des Königlich Preußischen Generalstabes. Berlin 15. Januar 1821. Lithographie. — Herrn Dr. H. Kleinn, Münster, gilt mein besonderer Dank für die Überlassung von Kopien der Grolmannschen und Müfflingsdien Instruktionen. 7 8
Vgl. J. Schroeder-Hohenwarth, Die preußische Landesaufnahme von 1816—187}. Nachrichten a. d. Karten- u. Vermessungswesen. R. I : Dt. Beiträge u. Informationen. Frft./M. 1958. 12 Kart N 1036. 11
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darauf gefällten Senkrechten gezogene Linien im Abstand von jeweils einer preußischen Meile13 ergaben die Einteilung der Aufnahmesektionen. Für jedes Blatt existieren zwei Kennzeichnungen, von denen die eine, auf der Anlage des Blattschnitts mit Berlin als Mittelpunkt beruhend, jede Sektion durch einen kleinen oder großen Buchstaben und eine römische oder arabische Zahl charakterisiert, durch die andere dagegen werden die Sektionen fortlaufend numeriert (1—670). 14 Das erste Verfahren scheint das ursprüngliche zu sein, da es bereits 1817 verwendet wurde,15 damals aber eine andere fortlaufende Numerierung (1—100) als die heute vorliegende galt. Der Karteninhalt sei an Hand der Grolmannschen Erläuterungen kurz skizziert. Musterblatt I I. Wohnungen etc.: Stadt, Marktflecken, Dorf, einzelnes Gehöft, Kirche, einzelnes Haus, Schloß, Park, Garten, Pachthof, Meierei, Amt, Vorwerk. Steinerne Gebäude und Umfassungen werden mit purpurroter, hölzerne mit schwarzer Tusche gezeichnet, Stadtviertel durch Schlagschatten und Schattenstrich, ausgezeichnete Gebäude durch kräftiges Purpur hervorgehoben, Kirchtürme genau markiert. II. Wegegemeinschaft: Chaussee, Landstraße, gewöhnlicher Feldweg, Fußsteig, Erd-, Knüppel-, Steindamm, Hohlweg. III. Gewässer: Strom, Fluß, Bach, Kanal, Teich, Graben, Sandbank, Buhne, Brücke (hölzerne, steinerne, hölzerne mit steinernen Jochen, Zug-, Schiff-, fliegende Brücke), Fähre, Furt, Wehr. Außerdem werden unterschieden, und zwar durch Schriftzusatz: Musterblatt II IV. Öfen, Fabriken etc.: Teerofen, Ziegelei, Kalkofen, Eisenhütte, Eisenhammer, Glashütte, Salzwerk, Blech-, Kupferhammer, Salpeterhütte, Gipsofen, Alaun-, Messingwerk. V. Bergwerke: verschiedene Signaturen für Gewinnung von Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Zinnober, Quecksilber, Vitriol, Steinkohle. VI. Gruben: Sand-, Lehm-, Kiesgrube. VII. Steinbrüche: durch Schriftzusatz wird die Art des Gesteins angegeben. VIII. Mühlen: Windmühle (Bock-, steinerne und hölzerne holländische Mühle), Wassermühle. IX. Vermischte Bezeichnungen: Chaussee-, Chausseewärterhaus, Meilen-, Grenzstein, Grenzhügel, -bäum, ausgezeichneter Baum, trigonometrisches Si13 14 15
1 pr. Meile = 2000 pr. oder rhld. Ruten = 7 532,48 m. Siehe Tablean zur Deckerscben Karte. Siehe Erläuterungsheft.
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gnal, Signalbaum, Einsiedelei, Kreuz, Kapelle, Galgen, Telegraph, Bake, Leuchtturm, Warnungstafel, Wegweiser, Forsthaus, Grenzen. X. Chorographiscbe Gegenstände: trockene, nasse Wiese, Bruch (Morast), Torfstich, Moosbruch, Heide, Weichland (Feld mit Sommerwasser), Wald, Blöße (Lichtung), junges Holz (Schonungen, einzelnes Gestrüpp), Weinberg. XL Darstellung der Berge: Lehmannsche Schraffenmanier mit Skala bis 45 Grad Neigungswinkel. Sechs verschiedene Schriftarten differenzieren den Karteninhalt noch weiter, und für jedes Objekt war eine bestimmte Schriftart und -große angegeben. Die auf dem Tableau verzeichneten Blätter bilden die Gesamtheit der Aufnahmen, d. h. weitere als die angegebenen Sektionen können kaum existiert haben, da die Urmeßtischblätter 16 der Jahre 1822—182617 direkt an die Quadratmeilenblätter anschließen. Gegenwärtig jedoch fehlen die Sektionen 108—111 (b XIV—b XI), 113—138 (b IX—b 8, a XVII—a IX), 140—144 ( a V I I — a l l ) und 146—155 (a I—a 8, alO). 1 8 Die Aufnahmedaten dieser Blätter konnten jedoch mit Hilfe älterer Tableaus und des Erläuterungsheftes ergänzt werden. Die topographischen Aufnahmen begannen im Sommer des Jahres 1816 zwischen Königswusterhausen, Teltow und Beelitz durch die Ingenieur-Leutnants Donat und Kressner, den Leutnant Reichard und den Ingenieur-Geographen Prenschen. Dabei handelte es sich — unter Hinzuziehung von Ingenieur-Offizieren als Fachleuten — wahrscheinlich um eine erste vorbereitende Tätigkeit, da die Verteilung der fertiggestellten Sektionen noch keine Planmäßigkeit erkennen läßt und die Beteiligten bis auf den Leutnant Reichard in der Folgezeit nicht mehr als an dem Kartenwerk tätig nachweisbar sind. Auch liegen diese Blätter von 1816 nicht mehr im Original vor, sondern als 1820—1822 geschaffene Umzeichnungen, so daß nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob Blattschnitt, Maßstab und Darstellung der späteren Ausführung entsprechen. Im folgenden Jahr beginnen die Arbeiten der beiden Brigaden in vollem Umfang mit einem Personalstand von 26 Mann, 19 15 bei der 1. Brigade (Dekker), 11 bei der 2. (Rau) (Leutnants Becky, Engelhardt, Feige, v. Goldbeck, Hartwich, v. Kleist, Klipfei, Lindemann, Gr. v. Lüttichau, v. Pelkowsky, 18
Siehe auch G. Engelmann, Die Kartographen und Kartenbearbeiter der Preußischen Urmeßtischblätter. In: Kartengeschichte und Kartenbearbeitung. Festschrift z. 80. Geburtstag v. W. Bonacker. Bad Godesberg 1968, S. 227—232. 17 Ein Probeblatt entstand schon 1820, ein weiteres 1821. 18 Auf dem Tableau gestrichelt. 19 Siehe Amtsblatt d. Kgl. Reg. zu Frankfurt a. d. O. Jg. 1817, S. 278—280.
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v. Quast, Reichard, Röhl, Röhse, Rosenstiel, Salviati, Schnicke, v. Vitzthum, v. Zülow; Ingenieur-Geographen Christmann, Emphinger, Gläser, Hoff mann, Kellermann, Neumann, Wolf). Während die 2. Brigade in'Sachsen aufnimmt, kartiert Deckers Abteilung die Umgebung Berlins, und auch der Major v. Decker nimmt selbst ein Blatt auf (172/A I I : Gatow, Pichelsdorf, Jagdschloß Grunewald). Diese Arbeiten lassen ein Programm erkennen: aus der fortlaufenden Zählung der Sektionen, wie sie im Erläuterungsheft angegeben ist, und dem Umfang der mit diesem Jahr datierten Blätter geht hervor, daß ein Gebiet von 100 Quadratmeilen mit der Berliner Sternwarte als Mittelpunkt kartographisch erfaßt werden sollte. Dieses Vorhaben wurde auch im großen und ganzen durchgeführt, wenn auch einige Aufnahmen im Laufe der beiden nächsten Jahre wiederholt werden mußten. Drei Sektionen (Luckenwalde und Umgebung) reichen sogar über den Rahmen der 100 Quadratmeilen hinaus. Der Bereich innerhalb der Berliner Stadtmauer wurde nicht kartiert, vermutlich weil durch die Bebauung die Geländedarstellung, auf die man bei der Ausbildung sehr großen Wert legte, nicht möglich war. Außerdem existierten schon Stadtpläne von Berlin. Von den 1817 beteiligten Personen bleiben im Sommer 1818 noch acht, sechs Offiziere und die beiden Ingenieur-Geographen Gläser und Wolf, bei der Aufnahmegruppe v. Deckers, während die übrigen nicht mehr erwähnt werden. Neu treten fünf Offiziere (Leutnants v. d. Dollen, Heim, v. Manstein, Schenkendorff, Sdinicke) und der Ingenieur-Geograph Weissig hinzu, so daß die Abgänge ausgeglichen werden. Außerdem erhält der Major v. Decker als Gehilfen den Hauptmann Hähnel (Haenel) zugeteilt, der zum Teil die Überwachung und Revision der Aufnahmen übernimmt. Das Aufnahmegebiet der 1. Brigade erstreckte sich im Anschluß an die schon fertiggestellten Sektionen über Rathenow und Genthin im Norden und Brandenburg und Ziesar im Süden bis nach Magdeburg. Daneben schlössen im Osten und Südwesten des 100-Meilen-Quadrats zwei schmale Streifen an. Somit bedeckten die Aufnahmen am Ende des Jahres 1818 den größten Teil des Kreises West-Havelland, das gesamte Ost-Havelland, den Nordosten der Zauche, fast vollständig die Kreise Niederbarnim und Teltow und reichten in den Oberbarnim und nach Beeskow-Storkow hinein, während im Westen der sächsische Kreis Jerichow I erfaßt wurde. Gewiß eine stattliche Leistung, wenn man berücksichtigt, daß nur in den Monaten Mai bis Oktober im Gelände gearbeitet wurde. Die 2. Brigade kartierte in diesem und in den beiden folgenden Jahren im Gebiet der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt. Das Jahr 1819 bringt für den Major v. Decker den Höchststand an Mitarbeitern: für die vier abgehenden Offiziere kommen acht neue (Leutnants v. Olszewsky, Camin, Nast, v. Perpitz, v. Luttitz, v. Hann, v. Pelkowsky, Scaupae) hinzu, so daß 15 Offiziere und drei Ingenieur-Geographen tätig sind.
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Wieder liegt der Schwerpunkt dieser Arbeiten im Westen, im nördlichen Havelland, im Kreis Jerichow und in der Altmark. Südöstlich des 1818 bearbeiteten Streifens von Brandenburg bis Magdeburg nehmen hauptsächlich die Leutnants Feige, v. Olszewsky und v. Luttitz und der Ingenieur-Geograph Wolf auf, im Anschluß an seine vorjährigen Blätter der Ingenieur-Geograph Gläser allein sogar acht Sektionen zwischen Teupitz und Baruth. Uber 80 Blätter entstehen in diesem Jahr neu, und wie bereits 1817 werden — offensichtlich planmäßig — auch 1818 und 1819 keine verstreut liegenden Einzelsektionen, sondern zusammenhängende Gebiete kartiert, die nunmehr einen geschlossenen Streifen von Arendsee bis Eberswalde, von Oranienburg bis Luckenwalde ausmachen. Im nächsten Jahr wechselt die 1. Brigade in den Osten der Mittelmark und bearbeitet, durch den Abgang von 12 und einen Ersatz von nur zwei Offizieren (Leutnants v. Kutschenbach, v. Rahden) auf acht Mann zusammengeschrumpft, die Sektionen östlich der Linie Fürstenwalde—Wriezen bis zur Oder (Kr. Oberbarnim und Lebus). Das Ergebnis sind mindestens 34 Blätter. Auf der Sektion 32/f 6 finden sich zum erstenmal Höhenangaben, und zwar für den Pimpernellenberg, auf dem ein trigonometrisches Signal stand, und den Pegel Oderberg. Den Abschluß der Aufnahmen 1821 bilden der Südteil der Prignitz, der Norden der Altmark und Teile des Regierungsbezirks Frankfurt. Zuletzt standen Decker noch 7 Offiziere und 2 Ingenieur-Geographen zur Verfügung, wogegen die 2. Brigade 24 Offiziere und 2 Ingenieur-Geographen umfaßte. Die Beendigung der Arbeiten auf der Basis des verwendeten Blattschnitts und der vorhandenen, größtenteils unzureichenden trigonometrischen Grundlagen ist vor allem darauf zurückzuführen, daß v. Müffling wegen seiner Erfahrungen bei den Aufnahmen am Rhein (Fortsetzung der Tranchot-Aufnahmen) eine zweckmäßigere neue Entwurfsgrundlage für die Blatteinteilung einführte und auch die Mängel in der Militär-Geodäsie beseitigte. An den von v. Grolmann bzw. v. Decker eingeführten Vorschriften für die graphische Gestaltung der Karten änderte v. Müffling nichts, sondern betonte, daß beide Instruktionen eine Einheit bilden sollten. Auch die Kommandierung von geeigneten Offizieren zum Generalstab und deren Verwendung bei der Landesaufnahme wurden beibehalten. Als Leiter von Abteilungen der Aufnahme waren v. Decker und v. Rau noch 1822 tätig. Für den Major v. Decker endete dann die Beteiligung an den kartographischen Arbeiten, während v. Rau bis 1834 in dieser Stellung verblieb. Besondere Aufmerksamkeit verdienen noch die 68 Sektionen um Zerbst, Wittenberg, Dessau, Bitterfeld und Delitzsch, von denen fünf mit dem Süden des Kreises Zauch-Belzig auch brandenburgisches Gebiet einschließen. Schon
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auf den ersten Blick stellt man fest, daß hierbei die schon erwähnte Instruktion von 1818 sicher nicht zugrunde gelegen hat, während der Blattschnitt dem der übrigen Sektionen gleicht. Prinzipielle Abweichungen von der „preußischen" Ausführung sind bei den Farben, der Darstellung der Bodenbedekkung und der Schrift festzustellen, die mit ihren oft schwungvollen Bögen und Schleifen gegenüber der sonst verwendeten „Druckschrift" nahezu altmodisch anmutet. Die Urheber dieser so abweichenden Blätter dürften im sächsischen Topographenkorps zu suchen sein. 2. Das
Erläuterungshefl20
Zu siebzehn der Quadratmeilenblätter existiert ein Heft mit statistischen Bemerkungen, die ebenso wie die entsprechenden Sektionen von den Leutnants Hartwich und v. Zülow angefertigt wurden. Die Entdeckung eines derartigen Dokuments, von dem noch nicht ermittelt werden konnte, wie es nach Paris gelangte, zu einer Gruppe von Blättern rückt die Tätigkeit der Aufnahmegruppen in ein neues Licht. Zum einen erweisen sich damit die Arbeiten dieser Jahre als eine echte „Bestandsaufnahme" des Landes durch Karte und Text, andererseits wird die spezifisch militärische Seite des Unternehmens erst recht deutlich, da der Karteninhalt und seine Gestaltung kein Ubergewicht in dieser Hinsicht besitzen. Unter heutigen Aspekten bilden die Angaben dieses Heftes interessante Beiträge zur Historischen Geographie und Wirtschaftsgeschichte, und es läge, handelte es sich dabei um eine komplette Sammlung von Heften gleicher Art für das gesamte Gebiet der Deckerschen Karte und nicht nur um ein Unikum, eine einzigartige Quelle vor. Der eigentliche Zweck dieser Erläuterungen, dem sie ihre Entstehung verdanken, war jedoch, Aussagen über diejenigen Verhältnisse des Landes zu fixieren, die kartographisch schwer, unvollkommen oder überhaupt nicht darstellbar schienen, an denen aber der Generalstab für die taktische und strategische Planung großes Interesse haben mußte. Das Zusammentragen der Einzelheiten, die wahrscheinlich zum Teil durch Befragung in Erfahrung gebracht wurden, verkürzte die Zeit zur Aufnahme der Blätter, die oft in einem Monat entstanden sind. Die Offiziere und Ingenieur-Geographen müssen ständig unterwegs gewesen sein, wenn sie die umfangreiche Arbeit bewältigen wollten. Es bietet sich, vor allem bei den Zahlenangaben, ein Vergleich zwischen den hier angeführten und den entsprechenden aus der Zeit vor den Kriegen an, wofür am besten die Topographie von F. W. A. Bratring 2 1 herangezogen wird. 20
Siehe Anhang.
F. W. A. Bratring, Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg. Bd. 1—3. Berlin 1804—1809; Kritisch durchgesehene u. verbesserte Neuausg. v. O. Büsch 21
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Eine solche Betrachtung liegt nicht im Rahmen dieses Aufsatzes und soll lediglich angeregt werden. Dabei ist der Umstand als fruchtbar anzusehen, daß das datenmäßig erfaßte Gebiet mit dem märkischen Industriezentrum Eberswalde und den südlich anschließenden Städten und Dörfern zwei unterschiedlich gestaltete Wirtschaftsräume enthält und auch einen Teil der unmittelbaren Umgebung Berlins umgreift. D i e äußere Gestaltung des Erläuterungsheftes und die Gliederung des Inhalts lassen keine Zweifel aufkommen, daß es sich hierbei um nur eines von vielen handelt, wofür auch der beiliegende Notizzettel spricht. Außerdem galt es in dieser Zeit als durchaus üblich, zuweilen sogar als notwendig, Berichte derartigen oder ähnlichen Inhalts einer zu militärischen Zwecken angefertigten Karte beizugeben, um alle für Truppenbewegungen relevanten Besonderheiten des Terrains kennenlernen und in Rechnung stellen zu können. Von den Aufnahmen der Urmeßtischblätter her werden entsprechende Textbeilagen wie die unten wiedergegebene nicht erwähnt, und zum Deckerschen Kartenwerk ist bislang leider nur dieses eine Heft bekannt. Im J a h r 1821 wurden zwar die Aufnahmen beendet, nicht jedoch die Arbeiten an den Quadratmeilenblättern überhaupt. Bis 1822 erstreckten sich die Neuzeichnungen einzelner Sektionen, die durch häufige Benutzung (die Blätter südlich Berlins weisen starke Gebrauchsspuren auf) oder Witterungseinflüsse bei der Aufnahme unansehnlich und unbrauchbar geworden waren, und noch 1833 wurden Einzelheiten, um 1840 die ersten Eisenbahnlinien nachgetragen. Weiterhin wurde das Kartenwerk nochmals gezeichnet, und zwar in größerem Format. 3. Großblätter
(Maßstab
1 : 25 000f
2
Den wesentlichen äußeren Unterschied stellt der Blattschnitt dieses 107 Sektionen umfassenden Werkes dar. Zwar bleibt die Berliner Sternwarte als Zentrum des Netzes erhalten, aber die Randparallelen der Blätter werden im Abstand von je 2666 a / 3 (Nord-Süd-Richtung) und je 3666 2 / 3 pr. Ruten (Ost-West-Richtung) gezogen. Handelte es sich bei den Quadratmeilenblättern um ein Format, das, für die Aufnahme im Gelände handlich, einer landesüblichen Einheitsfläche entsprach, so erscheint die Ausdehnung der Großblätter von 55 cm Breite und 40 cm Höhe für den Handgebrauch wesentlich praktischer. Entscheidend jedoch in bezug auf die wissenschaftliche Grundlage und u. G. Heinrich. Berlin 1968 ( = Veröffentl. d. Hist. Komm, zu Bln. Bd. 22 Neudrucke Bd. 2). Für die Zustände auf geographisch-statistischem Gebiet um 1800 siehe darin G. Heinrich,
Friedrich Wilhelm August Bratring. Lehensweg und Werk.
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die Genauigkeit ist die Tatsache, daß die Blatteckenwerte in der Astronom.trigonom. Abteilung bestimmt und für die eigentlichen Zeichenarbeiten durch die schon oben erwähnten v. Gelbke und Assmann und den später und noch heute weithin bekannten Heinrich Berghaus auf den Blättern festgelegt wurden. Dadurch blieben bei diesen Sektionen die bei den Quadratmeilenblättern auftretenden Schwankungen des Formats — zum Teil betragen sie mehrere Millimeter — aus. Die erzielte Genauigkeit des Formats darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß diejenige des Karteninhalts ihr nicht adäquat ist. Dieser wurde von den kleinen Aufnahmesektionen mit Hilfe eines Kopiergitters übertragen und gleichfalls gemäß den bestehenden Vorschriften gestaltet. Einige Blätter im Gebiet zwischen Halle und Torgau sind noch unvollendet und bieten einen interessanten Einblick in die Zeichenmethoden und den Ablauf der Arbeiten. Bei der Umzeichnung entstanden zahlreiche Fehler im Detail, vor allem bei den Gebäuden, die oft willkürlich verstellt wurden, und den in vielen Fällen abgerundeten oder begradigten Konturen von Wäldern, Wiesen, Seen usw. Auch das Relief verlor in der Kopie einige individuelle Formen und wirkt im Gegensatz zu den Vorlagen zwar sauberer gezeichnet, aber uniform. Die Unterschiede der Zeichenart, die bei den Quadratmeilenblättern sehr deutlich auf verschiedene Urheber und ihre Fähigkeiten schließen ließen, fehlen in den großen Sektionen fast völlig. Der ursprünglichen Lebendigkeit und wechselnden Intensität graphischen Ausdrucks folgt mit den Großblättern eine nivellierende und ohne Bezug zum Gelände ausgeführte Einförmigkeit. Als weiteres Novum weisen die Großblätter eine Bezeichnung auf, die von den Zahlen- und Buchstabenkoordinaten abweicht. In einer Gro&-Section mit einer Nord-Süd-Erstreckung von 16 000 und einer Ost-West-Ausdehnung von 22 000 Ruten sind 36 Blätter zusammengefaßt, je vier von ihnen unter der gleichen Ziffer (1—9) und durch die Buchstaben a—d voneinander unterschieden. Die somit geschaffene Einrichtung der Groß-Sectionen (Berlin, A, B,. . ., 1A, IB,. . IIA,..) wurde bei den Karten der Maßstäbe 1 : 50 000 und 1 :150 000 (siehe unten) beibehalten. Leider sind die Großblätter nicht in dem Umfang erhalten geblieben wie die Quadratmeilenblätter. Vollständig liegt nur die Groß-Section Berlin vor, in der das Stadtgebiet von Berlin wieder fehlt; von den südlich anschließenden Groß-Sectionen A und B existieren noch je 12 Blätter, weitere 47 (IA:24, IB:22, IIA: 1) bilden deren Fortsetzung nach Westen, so daß der Bereich zwischen Stassfurt und Herzberg, zwischen Luckenwalde und der südlichen Aufnahmegrenze vollständig gedeckt ist. Die Groß-Section Berlin enthält glücklicherweise einen Teil des Gebiets der gegenwärtig fehlenden Quadratmeilenblätter.
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Aus den Daten der Originalsektionen, den auf den Großblättern im Maßstab 1 :25 000 und den Handzeichnungen in 1 : 50 000 befindlichen Jahreszahlen läßt sich für den Beginn der Zeichenarbeiten der Winter 1818/19 ableiten. In dieser Zeit konstruierte auch H . Berghaus die Kartenrahmen. Auf den Karten des südlichen Brandenburgs und Sachsens sind ebenso wie auf den Quadratmeilenblättern Daten über die Entstehungszeit und die Namen der Zeichner nicht enthalten. Wenn auch darüber spezielle Angaben fehlen, so ist doch zu vermuten, daß durch die neue Konzeption v. Müfflings den Arbeiten an diesem Kartenwerk ein Ende gesetzt wurde. Außer den Namen von sechs schon an der Aufnahme selbst beteiligten Offizieren und Ingenieur-Geographen erscheinen fünf neue bei den Unterschriften auf den Kopien. Der Leutnant Röhl, der einige der Originalblätter revidierte und damit eine gewisse Sonderstellung bekleidet hatte, übte auch während der Umzeichnungsarbeiten eine Aufsichts- bzw. Kontrollfunktion aus, da er dafür verantwortlich zeichnet, daß die Blätter aneinanderpassen. Eine Einflußnahme des Majors v. Decker auf die Entstehung der Großblätter ist nicht festzustellen. Infolge der Geschäftsverteilung innerhalb der beiden kartographisch tätigen Abteilungen des Generalstabes kann es aber kaum Zweifel darüber geben, daß die Brigadechefs neben den Aufnahmen auch die Zeichenarbeiten leiteten und überwachten. 4. Handzeichnungen
und Drucke (Maßstab
1 : 50 000)23
Mit der Umzeichnung der Aufnahmesektionen in das große Format war im Verlauf der Bearbeitung der Karten und ihrer Vorbereitung zum Druck der erste Schritt getan. Ein weiterer folgte mit der Reduktion in den Maßstab 1 : 50 000. Auf der Grundlage der oben erwähnten Karten entstanden mindestens 13 neue Sektionen, und zwar im gleichen Blattschnitt und Format wie die Großblätter. Die mit der gleichen Ziffer bezeichneten Großblätter 1 : 25 000 wurden zu einer neuen Sektion zusammengefaßt und erstmals auch mit dem geographischen Koordinatennetz versehen. Die Auswahl der Signaturen usw. erfolgte wiederum gemäß der Grolmannschen Vorschrift. Diese Handzeichnungen entstanden im Winter 1818/19, eventuell auch erst Ende 1819 unter Mitwirkung meist der von den topographischen Aufnahmen her bekannten Personen, wobei an einer Sektion mehrere Offiziere bzw. Ingenieur-Geographen gearbeitet haben. Neben dem in dieser Funktion schon erwähnten Leutnant Röhl waren an der Revision der Blätter der Kapitän v. Westin, in einem Fall auch der Leutnant v. Manstein beteiligt. 23
Handzeichnungen Kart N 3643, N 4185; Drucke Kart N 3644.
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Bei der vorgenommenen Verkleinerung sind Ansätze zu einer maßstabsgerechten Generalisierung schon erkennbar, aber es überwiegt im allgemeinen das Bestreben der Bearbeiter, den Inhalt der Vorlagen vollständig in die Karten des Maßstabes 1 : 50 000 zu übersetzen. Ein Vergleich für die Umgebung Berlins zeigt, daß in erster Linie die Großblätter als Grundlage gedient haben und nur nebenher die Originalaufnahmen herangezogen wurden. Dadurch übertrug man die Kopierfehler und fügte außerdem, namentlich wieder bei den Gebäuden, noch eine große Anzahl von Abänderungen hinzu: Teile des Karteninhalts wurden weggelassen oder neu hinzugefügt, in ihrer Lage und Kontur verändert, ohne daß man von einer Generalisierung sprechen könnte. Die mangelnde, nur durch langjährige Tätigkeit zu erwerbende Übung und Erfahrung der Zeichner zeigen sich an der Reduktion des Reliefs am deutlichsten. Eine klare Vorstellung der morphologischen Gegebenheiten an Hand dieser Blätter ist kaum noch möglich, und es werden eigentlich nur die Unterschiede zwischen Hügel und Vertiefung zum Ausdruck gebracht. Auch die Handzeichnungen liegen geschlossen nur für das Gebiet der Gro&-Section Berlin24 vor (Kart N 3643), an die sich im Westen die Blätter Friesack und Brandenburg, im Süden Beizig und Treuenbrietzen (Kart N 4185) angliedern. Dies ist jedoch kein Hinweis auf die ehemalige Existenz von Großblättern im Maßstab 1 : 25 000 für diesen Bereich, da auch die Quadratmeilenblätter allein als Reduktionsvorlage gedient haben können. Die Drucke schließlich, genauer Lithographien, gleichfalls im Maßstab 1 : 50 000, zu deren Vorbereitung die Umzeichnung und Reduktion der Quadratmeilenblätter unternommen wurde, sind im Gegensatz zu allen bisherigen Handzeichnungen einfarbig. 25 An die Stelle verschiedener Farben für die Bodenbedeckung mußten flächig zu setzende Signaturen und Symbole treten. Zwar ging man bei der Wahl der Zeichen sehr geschickt vor, drängte diese aber so stark zusammen, daß eine klare Ubersicht über die Gliederung der Landschaft verloren ging. Infolge der noch unausgereiften Stich- und Drucktechnik wird eine plastische Wirkung der Reliefdarstellung kaum noch erzielt. Die Unterscheidung von Bächen und Wegen, von Gestellwegen und Straßen erfordert einige Mühe. Im Vergleich mit den vorhergehenden Bearbeitungsphasen sind bei der Übertragung des Karteninhalts auf den Druckstein wesentlich weniger Fehler festzustellen. Alle Einzelheiten samt der Schrift wurden nach Größe und Stellung exakt nach den handgezeichneten Vorlagen in Stein geschnitten. Der Stich erfolgte in dem 1817 dem Generalstab angegliederten Lithographischen In24
Das Stadtgebiet fehlte ursprünglich und wurde erst später aufgeklebt.
28
Es existieren audi kolorierte Exemplare.
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WOLFGANG SCHARFE
stitut unter Leitung des Majors v. Reiche durch die Lithographen Beleke, Voss, Schwartzkopff, Meyer, Ohmann, Rabe, Anstatt, Asch, v. Scheidt, Emmel, Siegmund und Ludwiger. Die Druckqualität läßt bis auf die oben erwähnten Einschränkungen nichts zu wünschen übrig, soweit es die neun Sektionen Berlins und seiner Umgebung betrifft. Bei den übrigen Blättern (Friesack, P r i t z erbe, Burg, Genthin, Brandenburg, Loburg, Beizig, Treuenbrietzen) ist dies nicht der Fall. A n einigen Stellen wird dort die "Wiedergabe so schwach, daß der spätere Benutzer die Linien und Signaturen nachzog. Diese Drucke haben aller Wahrscheinlichkeit nach namentlich in Kreisen des Militärs große Verbreitung gefunden, da es Karten dieses Maßstabes und der — trotz aller Mängel — für diese Zeit hervorragenden Qualität vorher nicht zu kaufen gab. Die Blätter erlebten im Laufe der dreißiger J a h r e mindestens eine weitere Auflage, in der die inzwischen vorgenommenen Aufnahmen berücksichtig sind, und eventuell eine dritte kurz nach 1 8 4 0 . Vollwertiger E r s a t z für dieses W e r k entstand erst durch die Topographische nächst um Berlin26
Karte
des Landes
zu-
im J a h r e 1 8 4 6 , die auf den Urmeßtischblättern fußt.
Es bleibt noch ein Blatt im Maßstab 1 : 1 5 0 0 0 0 2 7 zu erwähnen, das gleichfalls mit den bisher erwähnten K a r t e n in Zusammenhang steht. A u f ihm ist die Groß-Section Berlin in einer graphisch sehr ansprechenden Weise zusammengefaßt, wenn auch die Darstellung mancher Details zu fein ausfällt. Die Generalisierung
gelang hier im Gegensatz
zu der bei den Sektionen
in
1 : 5 0 0 0 0 durchaus befriedigend. A u f dem Blatt erscheint von unbekannter H a n d gezeichnet das Gitter der Quadratmeilenblätter,
welches durch ein
weiteres von H . Berghaus berichtigt wurde. Maßstab und Blattschnitt dieser allein vorhandenen K a r t e und die übrigen Blätter, auf die sie zurückzuführen ist, deuten auf ein Projekt hin, das durch den Einfluß v. Müfflings nicht zur Ausführung gelangte. M a n plante v o r 1821 die Schaffung zweier K a r t e n werke in den Maßstäben 1 : 5 0 0 0 0 und 1 : 1 5 0 0 0 0 und der vorliegenden Einteilung 2 8 für den östlichen Teil der Monarchie, von denen das eine im Maßstab der Schrötterschen K a r t e von Ostpreußen entsprach, das andere als großmaßstäbiges Spezialwerk vorgesehen sein mochte. Bedeutung im nationalen Rahmen erlangte der Maßstab 1 : 5 0 0 0 0 bekann dich erst in unserem Jahrhundert, wogegen der verwendete Blattschnitt später nicht mehr auftritt. Hrsg. v. Preußischen Generalstab. Berlin 1846. Zunächst 48, dann erweitert auf 60 Sek3794 tionen. Kart N 3794, N 2 2T Kart N 367J. 26
2 8 Kühne, Militärisches Zeichnen und Aufnehmen 2. Aufl. Bd. 1. Berlin 1835, S. 85.
(=
Handbibl. f. Offiziere. Bd. 10),
Übersichtsskizze zum Erläuterungsheft ©
Stadt
©
Flecken
©
DorfmitKirche
O
Dorf ohne Kirche
Fabrik
O
Kolonie
Chaussee
£
Vorwerk, Rittergut, kl.Ansiedlung
Straße
Entwurf:W.Scharfe. Kartographie: H.-J.Nilschke.
XIX
XVIII
XVII
XVI
XV
XIV
XIII
XII
Tableau zur Deckerschen Karte Quadratmeilenblätter 1 : 2 5 0 0 0 A u f n a h m e 1816-1821
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
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Die Bedeutung des Deckerschen Kartenwerkes besteht in erster Linie darin, daß für große Teile der Provinzen Brandenburg und Sachsen exakte kartographische Unterlagen erstellt wurden, die den Zustand des Landes zu Beginn des 19. Jahrhunderts wiedergeben. Sie bilden damit ein wichtiges Glied in der Reihe des Baibischen (1748/49) und des Schmettauschen Kartenwerkes (etwa 1770—1786),29 der Urmeßtischblätter und den verschiedenen gedruckten Ausgaben der Meßtischblätter. 30 Betrachtet man die erwähnten Kartenwerke und den Verlauf ihrer Entstehung, so wird ersichtlich, welche umfangreiche und schwierige Aufgabe in Anbetracht nicht gerade günstiger Voraussetzungen zufriedenstellend gelöst wurde. Dabei ruhte die Hauptarbeit auf den Schultern einiger weniger Männer, die schon vor der offiziellen Übertragung der Landesaufnahme an den Generalstab sich mit dieser Materie mehr oder weniger intensiv vertraut gemacht hatten. Das Verdienst des Majors v. Decker besteht hauptsächlich darin, als erster das Neuland einer systematischen topographischen Aufnahme mit einer Handvoll unerfahrener Offiziere und einigen wenigen Ing.-Geographen in Brandenburg betreten und dafür ein allseitig befriedigendes Konzept erarbeitet zu haben, das später den Urmeßtischblättern als Vorlage dienen sollte. Die Tätigkeit v. Textors und v. Oesfelds für das Statistische Bureau hatte schon gezeigt, daß diese Institution für grundlegende Arbeiten nicht über eigenes Personal verfügte, in der Armee aber solches vorhanden war. Andererseits muß die Übernahme der gesamten kartographischen Tätigkeit durch das Militär, das vor der Ausbreitung der die Geographie revolutionierenden Gedanken v. Humboldts und Ritters wohl die größten und vielseitigsten Anforderungen an die Karte stellte, als Abkehr von der statistisch-kameralistischen Inhaltsgestaltung gerade der großmaßstäbigeren Karten gewertet werden. Diese Entwicklung war zwar am Ende des 18. Jahrhunderts schon vorbereitet, aber nicht konsequent vorangetrieben worden. Die Wahl Brandenburgs als Experimentierfeld für neue Methoden und Praktiken topographischer Aufnahme und kartographischer Darstellung findet in der Lage der Hauptstadt der Monarchie seine Ursache, und Berlin hat seit den Zeiten Samuel v. Schmettaus innerhalb Preußens wohl am häufigsten eine Abbildung in Karten erlebt. Die Vielseitigkeit des Karteninhalts, der an Hand der vorliegenden Einteilung und Aufgliederung deutlich ausweist, daß nicht nur militärische Belange, sondern auch geographische Interessen und die der Verwaltung berücksichtigt wurden, begründete nicht zuletzt den guten Ruf der preu29 BranZu Balbi und Schmettau siehe M. Hanke, Geschichte der amtlichen Kartographie denburg — Preußens bis zum Ausgang der Friderizianischen Zeit. Bearb. v. H. Degner, Geogr. Abh. 3. R. H. 7. Stuttgart 1935. 30 Siehe u. a. Das Reichsamt für Landesaufnahme und seine Kartenwerke. Berlin 1931.
13
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ßischen und später der deutschen Kartographie militärischen Ursprungs. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß erst nach der Mitte des 19. J a h r hunderts die geodätischen Arbeiten auf das Niveau der topographischen angehoben werden konnten. Bis zur Erreichung des gesteckten Zieles war ein langer, dornenreicher Weg zurückzulegen, von dem das Wirken des Majors v. Decker einen bedeutsamen Ausschnitt widerspiegelt. ANHANG Erläuterungsheft
zur Deckerschen
Karte
Anmerkung: Da der aufgeführte Inhalt im Original spaltenweise gruppiert ist, einer solchen Anordnung in diesem Format aber drucktechnische Schwierigkeiten entgegenstehen, werden im Folgenden die Zahlenangaben und Texte mit dem vollen Wortlaut der Überschrift der Tabellenspalte oder hinter Kurztiteln wiedergegeben. In den Fällen, in denen in den Spalten des Originals ein Strich bzw. ein vacat erscheint, bleiben die Rubriken unerwähnt. Spaltenüberschriften
des Originals I.
(Kurztitel)
Städte
Namen — Zahl der Einwohner (E.) — Zahl der Feuerstellen (F.) — öffentliche Gebäude: Kirche, Gemeinhäuser — Stallungen für wieviel Pferde — Wieviel Zugvieh im Orte: Pferde (Pf.), Ochsen (O.) — Hervorstehende Nahrungszweige — Schiffahrt: Schiffe, große Kähne, Nachen — Lohgerbereien — Beschaffenheit der Umfangsmauern u. Tore, Bauart der Häuser, der wievielste Teil massiv — Etablissements zur Hervorbringung von Kriegsmaterialien: — Mühlen Waffen-Fabriquen, Pulvermühlen, Salpeter-Siedereien — Grad des Wohlstandes und von welcher Größe und Art sie sind — Bemerkungen. II. Marktflecken
und
Dörfer
Namen — Zahl der Einwohner (E.) / Feuerstellen (F.) — öffentliche Gebäude: Kirche, Gemeinhäuser — Mühlen und von welcher Art sie sind. — Schmiedestellen — Brunnen: Pump-, Schöpf Zugvieh: Pferde (Pf.), Ochsen (O.) — Stärke der Herden: Stüde Vieh, Schafe — Bauart der Häuser — Beschaffenheit des Bodens und was für Getreidearten vorzüglich gebaut werden (Boden) — Ob der Ort außer Ackerbau noch andere Nahrungsquellen besitzt (Erwerbszweige außer Ackerbau) — Lage und Beschaffenheit der Kirche, des Kirchhofes, der herrschaftlichen Gebäude, ob sie massiv, hölzern, ummauert oder dies alles nicht sind (Militärtopographie) — Bemerkungen. III.
Flüsse, Kanäle
und
Bäche
Namen — Breite — Tiefe — Grade der Schnelligkeit des Stroms (Strömungsgeschwindigkeit) — Gefälle — Beschaffenheit der Talsole, ob sie sandig, sumpfig, gang- oder ungangbar (Beschaffenheit der Talsole) — Beschaffenheit der Wege, welche das Tal durchschneiden, ob es Dämme, schlechte oder gute Wege (Wege durch das Tal) — Furten für Wagen, Reiter, Fußgänger — Übergänge: Stege, Fähren, hölzerne, steinerne, Schiff-, fliegende Brücken — Veränderungen, welche die verschiedenen Jahreszeiten auf das in den vorigen Rubriken ausüben (Einfluß der Jahreszeiten) — Was für Mühlen auf oder an dem Flusse liegen und von was für Art und Größe (Mühlen) — Grade der Schiffbarkeit — Auf ihr sind befindlich: Schiffe,
TOPOGRAPHISCHE AUFNAHMEN IN BRANDENBURG 1816—1821
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große Kähne, Nachen — Schleusen und Zweck derselben — Flößbarkeit und an was für Orten befinden sich Holz-Niederlagen u. von was für Holz (Flößbarkeit, Holzablagen) — Mehrere oder mindere Leichtigkeit des Zufrierens (Zufrieren) — Bemerkungen. IV.
Moräste
Bezeichnung derselben durch Angabe der Ausdehnung, im Fall er keinen eigenen Namen hat — Beschaffenheit des Bodens unter ihm (Boden) — Grad der Gangbarkeit für die verschiedenen Arten des Fortkommens und von welcher Art die auf der Karte angegebenen Passagen sind (Gangbarkeit) — Namhaftmachung der trocknen, hohen Gegenden, die im Fall einer Gefahr den Einwohnern zur Zuflucht dienen können (vacat) — Einfluß der Jahreszeiten auf die beiden zunächst vorderen Rubriken (Einfluß der Jahreszeiten) — Bemerkungen. V. Straßen Bezeichnung der Straße — Ob es eine Post- oder Handelsstraße ist, und welche Hauptorte vorzüglich durch dieselben in Verbindung kommen — Ob sie Dämme, Chausseen oder bloße Erdwege überhaupt, oder es nur teilweise sind (Straßenbelag) — Zustand der auf ihr befindlichen Brücken, Fähren, Furten u. dgl. und von welcher Art die ersten sind (Brücken) — Ob sie für Kolonnen aller Waffen gangbar ist (Gangbar für alle Waffen) — Einfluß der Jahreszeiten auf die Rubriquen. VI.
Wälder
Bezeichnung des Waldes durch Angabe der Grenzen, im Fall er keinen Namen hat — Beschaffenheit des Bodens in ihm (Boden) — Grade der Gangbarkeit für die verschiedenen Arten des Fortkommens und von welcher Beschaffenheit die auf der Karte angegebenen passagen sind (Gangbarkeit) — Namhaftmachung der freien, trocknen Gegenden, welche sich durch ihre Lage zum Zufluchtsort für die Einwohner eignen (Trockene Gebiete als Zufluchtsorte) — Einfluß der Jahreszeiten auf das in den vorderen Rubriken gesagte — Anmerkungen. l t e Vermessungs-Brigade. 3te Abteilung. Quadrat-Meile
8,
9,10
e 3, 4, 5
18,19,20
d
3,4,5
28,29,30
c
3,4,5
37,38,39,40
b 2, 3, 4, 5
47,48,49,50
a 2, 3, 4, 5
D a v o n bearbeiteten H a r t w i c h und v . Z ü l o w gemeinschaftlich Meile 8, 9, 10, 2 0 , 2 9 und 3 0 . V . Z ü l o w bearbeitete allein Meile 18, 19, 2 8 , 4 0 und 5 0 . H a r t wich bearbeitete allein Meile 3 7 , 3 8 , 3 9 , 4 7 , 4 8 , 4 9 . I m S o m m e r 1 8 1 7 bearbeitet v o n H a r t w i c h , Lieutenant im 2ten Regiment Garde, und v . Z ü l o w , Lieut. im 2 7 . I n f . R e g m t . Statistische
Bemerkungen
D a die Bemerkungen in der Reihenfolge eingetragen sind, wie die A u f nahmen selbst erfolgten, es mithin schwer sein würde, irgend einen O r t in 13»
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einer bestimmten Meile aufzusuchen, so ist die Meile, in welcher jeder O r t liegt, mit roter Tinte dabei bemerkt"''). I. STÄDTE N e u s t a d t E b e r s w a l d e — 9te Quadratmeile: 2 881 E., 327 F.; 2 Kirchen, außerdem 2 Kapellen, wovon die eine bereits zum Strohmagazin eingerichtet; 1 Rathaus. Ställe für 150 Pferde; Zugvieh: 187 Pf., 20 O. Der größte Teil der Einwohner treibt die in jeder Stadt üblichen Gewerbe, jedodi beschäftigt die Messerfabrique über 200 Menschen. Audi beschäftigt Ackerbau einen Teil der Einwohner. Schiffahrt: 3 gr. Kähne, 20 Nachen. 5 Lohgerbereien. Die Stadt ist ringsum mit einer etwa 18 Fuß hohen ziemlich festen Ringmauer umschlossen, deren Brüche an einigen Orten durch Gebäude gesperrt sind. Das Obertor hat 2 hintereinander liegende Eingänge. Das Unter- und Neuetor sind durch Brücken gedeckt. Die Häuser sind von Holz wenig hab. 16 nur ganz massiv. Waffen-Fabriquen: In der Schidderschen Messerfabrique werden für die Gewehrfabrique in Potsdam Bajonette und Ladestöcke geschmiedet und geschliffen, wozu vorzüglich die eine der 3 Schleifmühlen, nämlich auf dem Zainhammer, bestimmt ist. Grad des Wohlstandes: mehr schlecht als mittelmäßig. Mühlen: 1 Mehlm. mit 6 Gängen, 1 Sägern., 1 ölm., 1 Walkm., 3 Schleifm. Bemerkungen: Der zur Stadt eingepfarrte Kupferhammer steht unter der Rubrique Dörfer. S t r a u s b e r g — 50te Q. M.: 2 687 E., 271 F.; 1 Kirche, 1 verfallene Kapelle wird als Magazin gebraucht; das gr. Landarbeitshaus. Ställe für 120 Pferde; Zugvieh: 68 Pf., 178 O. Außer allen andren Handwerkern, die für die umliegende Gegend arbeiten, sind angänglich Tuchmacher. Ein großer Teil der Bürger treibt Ackerbau. Schiffahrt: 8 Nachen. 2 Lohgerbereien. Die Stadt ist mit einer festen Ringmauer umschlossen, die sogar an einigen Stellen durch Wälle gedeckt sind. Die Mauer selbst hat 15—20 Fuß Höhe, in derselben sind 3 Tore und eine nach dem See herunter führende Pforte. Das Landsberger Tor hat einen unbedeutenden Graben mit einer steinernen Brücke vor sich. Grad des Wohlstandes: mittelmäßig. Mühlen: 3 Windm., 5 Wasserm. längs des Biestes vom Straus- nach dem Stinitzsee. Darunter sind 1 Walk- und 1 Schneidern. A l t L a n d s b e r g — 48. u. 49. Q. M.: 973 E., 110 F.; 2 Kirchen, Ställe für 250 Pferde; Zugvieh: 119 Pf., 79 O. Hervorstehende Nahrungszweige: Ackerbau. 1 Lohgerberei. Die 16—18 Fuß hohe Stadtmauer ist an mehreren Orten herum [dem] Einstürze nahe. Durch dieselbe führen 4 Tore. Zu dem südlichen und östlichen gelangt man auf einem Damme, der beim östlichen bis ans Tor führt. Dicht vor beiden Toren sind noch Brücken und Gräben, *) Die im Original rot verzeichneten Stellen erscheinen im folgenden kursiv.
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beim südlichen von ansehnlicher Tiefe. Die beim nördlichen Tore f ü h r e n in die Vorstadt. Die ganze Stadt ist mit nassen, nicht zu passirenden Wiesen umgeben. G r a d des Wohlstandes: mittelmäßig. Mühlen: Zwei Wasserm. und zwei W i n d m . Außerdem gehört noch zur Stadt die % Meile entlegene Bruchmühle, w o hingleich eine Sägern, (gehört zum Amte). Bemerkungen: In der Stadt befinden sich 314 Rinder und 520 Schafe. II. M A R K T F L E C K E N U N D D Ö R F E R Dorf H e g e r m ü h l e — 9te Q.M.: 1 Schmiede (2 Essen), 19 Schöpfbrunnen.
158 E., 31 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle (Bockm.),
Zugvieh: 28 Pf., 26 O . H e r d e n : 24 Kühe, 16 Kälber, 18 Schweine zus. 58; 200 Schafe. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Boden: sandig, trägt Roggen. Erwerbszweige außer Ackerbau: 10 Familien gehören zum Messingwerk bei Hegermühle, nähren sich von verschiedener Hüttenarbeit. Militärtopographie: die Kirche ist alt und sehr fest gemauert mit einem sehr kleinen T u r m u. abgekürzten Dach, die Kirche steht mitten auf dem schwach ummauerten Kirchhofe am Abhang des rechten Fine-Ufers. Bemerkungen: das Dorf liegt zu beiden Seiten des Canals, durch eine Pfahlbrücke verbunden, die oberhalb gelegene Schleuse h a t 12 Fuß 10 Zoll Gefälle. Z u Hegermühle eingepfarrt sind: a) das Königl. M e s s i n g w e r k , am K a n a l oberhalb — 9. Q . : Durch den Canal werden getrieben 1 Messingwalzwerk, 1 Messingdrahthütte, außerdem sind v o r h a n d e n : 1 Messinggießerei, 4 Kesselhütten, 2 Kesselbereiterwerkstellen, 2 Lattunschaberwerkstellen, 1 Beitzhaus, 3 Beckenschlägerwerkstellen, 1 Walzwerk, 1 Eisendrahtzug, 2 Scheibenzieherwerkstellen. 3 P u m p b r u n n e n . Zugvieh: 3 P f . Bauart der H ä u s e r : hölzern, die Fabrikhäuser massiv. Boden: hat keinen eigenen Acker. Erwerbszweige außer Ackerbau: weiter nichts als durch das H ü t t e n w e r k . Militärtopographie: die Gebäude stehen alle auf dem linken U f e r , die vom Wasser getriebenen Werke stehen auf Inseln. Eine Hauptbrücke f ü h r t über den C a n a l mit gemauerter A n f a h r t , der Übergang von Holz. Bemerkungen: das Königl. Messingwerk u. die Eisenspalterei haben gemeinschaftlich 1 gr. K a h n u n d 3 Nachen. b) Papiermühle W o l f s w i n k e l , unterhalb mit der dazu gehörigen 8 Fuß fallenden Schleuse — 9 : 17 F. Die Papiermühle w i r d von einem A r m e des Canals getrieben. Bauart der H ä u s e r : die Fabrique von H o l z , die Arbeitswohnhäuser massiv. Militärtopographie: liegt zwischen dem Canal und einem A r m desselben. Bemerkungen: Dicht bei der Mühle oberhalb befindet sich eine Königl. Holzablage. c) der Königl. D r a h t h a m m e r , jetzt E i s e n s p a l t e r e i unterhalb — 9: 13 F. Die Eisenspalterei w i r d vom A r m des Canals getrieben, enthält: 1 Packhammer, 1 Zainhammer, 3 Frischfeuer. Bauart der H ä u s e r : halb von H o l z , halb massiv. Militärtopographie: liegt mit Ausnahme der Werkstätten auf dem linken U f e r . Bemerkungen: Es befinden sich dort als Privat-Eigentum 3 Nachen.
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d) der Königl. K u p f e r h a m m e r — 9: 7 F., die dabei gelegene Colonie u. Schleuse 15 F. Wird vom Canal getrieben, hat 1 Kupferhammer, 1 Kesselhütte, 1 Walzwerk. 2 Pumpbrunnen. Bauart der Häuser: massiv, die dazugehörige Colonie v. Holz. Militärtopographie: auf dem rechten und linken Ufer des Canals. Bemerkungen: hat 1 gr. Kahn u. 2 Nachen. Die Brücke über den linken Arm des Canals ist von Stein, die andere v. Holz. e) Papiermühle S p e c h t h a u s e n , priv. Anlage: 200 E., 25 F. Die Papiermühle wird von dem Zusammenfluß der Schwärze u. des Nonnenfließes getrieben. 2 Pump-, 1 Schöpfbrunnen. Bauart der Häuser: von Holz. Boden: schlecht, trägt Roggen. Militärtopographie: auf dem linken Ufer der Schwärze. Dorf S o m m e r f e l d — lOte Q. M.: 120 E., 21 F. 14 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 40 Pf., 26 O. Herden: 41 Rinder, 147 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: sandig, trägt Roggen. Militärtopographie: die Kirche liegt auf dem höchsten Punkte des Dorfes. Der Kirchhof ist von einer festen Mauer mit 1 Haupteingang und 2 Pforten eingeschlossen. Dorf T o r n o w — 10: 281 E., 48 F. 1 Wind- und 1 Wassermühle, jede zu 1 Gang. 30 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 65 Pf., 26 O. Herden: 43 Rinder, 500 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: mittelerer Art. Militärtopographie: die Kirche liegt mitten im Dorfe, ist zwar ummauert, wegen umstehender Gebäude aber nicht zu halten. Die herrschaftlichen Wirtschaftsgebäude sind von Holz und Fachwerk, nicht ummauert. Dorf H o h e n F i n o w — 10: 445 E., 61 F.; 1 Kirche, 1 Wind-, 1 Wasser- u. 1 Krappmühle, genannt Carls Gewerk, 2 Pump-, 20 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 76 Pf., 45 O. Herden: 120 Rinder, 600 Schafe. Bauart der Häuser: die herrschaftlichen Gebäude zum Teil massiv, zum Teil wie die übrigen im Dorfe von Holz. Boden: gut, trägt Weizen. Militärtopographie: die Kirche steht auf dem höchsten Punkte des Dorfes, das von dem ummauerten Kirchhofe fast ganz dominirt wird. Die herrschaftlichen Gebäude bilden ein geschlossenes länglichtes Viereck. Bemerkungen: zu den Feuerstellen gehört der Strubenberg, das Carls Werk und die Ziegelei mit. Flecken N i e d e r F i n o w — 10: 477 E., 55 F.; 1 Kirche. Die oberhalb der Schleifmühle an der Rogäse gelegene Mühle gehört zum Orte. 1 Schmiede, 7 Pump-, 20 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 44 Pf., 24 O. Herden: 150 Stck. Vieh, 250 Schafe. Bauart der Häuser: mit Ausnahme von 2 ganz massiven von Holz und Fachwerk mit Lehm und Steinen. Boden: sandig, trägt Roggen. Erwerbszweige außer Ackerbau: Fisdierei. Militärtopographie: der Kirchhof ist nicht ummauert u. liegt am Abhänge der ihn gänzlich dominirenden Höhen. Bemerkungen: zum Orte gehören zwei gr. Kähne und dreißig Nachen. Dorf A m a l i e n h o f — 10: 256 E., 50 F.; 10 Schöpfbrunnen.
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Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Erwerbszweige außer Ackerbau: die Einwohner sind Tagelöhner und Schiffer, meist Colonisten. Bemerkungen: zum O r t e gehören 3 gr. Kähne und 7 Nachen. Rittergut C ö t h e n — lOte Q. M.: 149 E., 26 F.; 1 Kirche, 5 P u m p - , 4 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 16 P f . H e r d e n : 20 Kühe, 500 Schafe. Bauart der H ä u s e r : gut und d a u e r h a f t , 8 Feuerstellen ganz, 18 halb massiv mit Fachwerk von Stein. Boden: gut Roggenland 1. u. Gersteland 2. Classe. Militärtopographie: alle G ä r t e n sowie der Kirchhof innerhalb und außerhalb des Dorfes sind mit hohen festen Steinmauern umzogen, welche so wie die massiven Gebäude sehr gute Brustwehren sind. So wie von hier an südlich fast alle D ö r f e r bis Steinbek u. Leuenberg ganz ummauert sind mit Felssteinen, die auch auf den Feldern o f t Mauern bilden. Bemerkungen: zu Cöthen gehören die O r t e D a n n e n b e r g (Bauerndorf mit herrschaftlichem H o f e ) , F a l k e n b e r g (Fisdierort) mit 1 Mehl- u. 1 Papiermühle, B r o i c h s d o r f (Colonistendorf) mit 1 Mehlmühle, alle 3 % Meile östlich. Dorf T r a m p e — 20: 250 E., 40 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 2 P u m p - , 10 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 60 Pf., 54 O . H e r d e n : 90 Rinder, 100 Schweine, 1400 Schafe. Bauart der H ä u s e r : Fachwerk, die herrschaftlichen Gebäude größtenteils massiv. Boden: Roggenland. Militärtopographie: der Kirchhof ist z w a r ummauert, aber von Gebäuden u m schlossen. Die herrschaftlichen Gebäude sind nicht ummauert. Dorf G e h r s d o r f — 20: 180 E., 26 F.; 1 Kirche, 5 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 26 Pf., 20 O . H e r d e n : 26 Rinder. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Boden: schlechtes Roggenland. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, jedoch nur schwach, und leicht zu umgehen. Bemerkungen: das Dorf gehört zu Trampe. Rittergut K r u g e — 20: 102 E., 13 F.; 1 Schmiede, 4 Pump-, 2 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 14 Pf., 36 O . H e r d e n : 19 Rinder, 1380 Schafe. Bauart der H ä u s e r : von H o l z und Fachwerk, das herrschaftliche H a u s ist massiv. Boden: gut, trägt Weizen u. Gerste. Erwerbszweige außer Ackerbau: außer dem Schmiede sind nur Tagelöhner im Orte. Militärtopographie: nördlich und westlich von den herrschaftlichen Gebäuden sind Teiche. Die G ä r t e n sind größtenteils ummauert. Dorf H e c k e 1 b e r g — 20: 214 E., 30 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 5 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 32 Pf., 50 O . H e r d e n : 20 Rinder, 200 Schafe. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk, auch einige halb massiv. Boden: Mittelland f ü r Roggen. Militärtopographie: der Kirchhof liegt hoch und ist ummauert. Bemerkungen: trotz der angegebenen 5 Brunnen leidet das Dorf o f t gänzlichen Mangel an Wasser u. m u ß es % Meile weit holen, von Bruno, welches auch nur einen stets e r g i e b i g e n Brunnen hat. Dorf B r u n o — 20: 110 E., 15 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 2 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 14 Pf., 21 O . H e r d e n : 16 Rinder, 660 Schafe. Bauart der H ä u s e r : von H o l z und Fachwerk, nur der ganze herrschaftliche H o f h a t massive Gebäude. Boden: gut f ü r Roggen, Gerste, zum Teil audi Weizen. Militärtopographie: der
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Kirchhof liegt etwas höher als das Dorf, das fast gar keine hölzernen Zäune, sondern nur Steinmauern hat. Dorf L e u e n b e r g — 30. Q. M.: 217 E., 26 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Sdimiede, 2 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 8 Pf., 48 O. Herden: 40 Rinder, 934 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: Mittelland, Roggen u. Gerste. Militärtopographie: das Dorf ist größtenteils mit Steinmauern umzogen. Der ummauerte Kirchhof liegt hoch und dominirt das Dorf ganz, sowie die zum Teil ummauerten herrschaftlichen Gebäude. Das Defilee durch den Gamengrund zwischen beiden Seen. Das Dorf kann von dieser Seite nur von Tirailleurs umgangen werden. Bemerkungen: der Kirchturm ist vielleicht der höchste Punkt auf 4 Meilen ins Gevierte, man sieht von ihm südwestlich bis Werneuchen, Bernau und Berlin. Dorf W ö l s i k e n d o r f — 20: 165 E., 24 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 1 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 34 Pf., 33 O. Herden: 50 Stck. Vieh, 1080 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk, die herrschaftlichen Gebäude meist massiv. Boden: Mittelland für Roggen und Gerste. Militärtopographie: mitten im Dorfe ist ein Teich, dessen Ufer von dem höher liegenden, ummauerten Kirchhofe dominirt werden, alle Gärten sind mit Steinmauern umgeben. Bemerkungen: auch auf den Feldern und den Wegen finden sich mitunter Steinmauern, der Albertswald ist ganz ummauert. Dorf S t e i n b e c k — 30: 100 E., 18 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 3 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 10 Pf., 26 O. Herden: 17 Rinder, 800 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk, das herrschaftliche Wohngebäude massiv. Boden: schlecht. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, der herrschaftliche Garten sowie das Dorf teilweise. Dorf F r e u d e n b e r g — 29: 95 E., 26 F.; 1 Kirche, 1 Sdimiede, 18 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 18 Pf., 34 O. Herden: 25 Stdc. Vieh, 200 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: schlecht mit 10- bis 12jährigem Brachland. Militärtopographie: der Ort liegt am südlichen Abhänge einer sanften Höhe an den Ufern dreier Teiche, in deren Mitte der ummauerte, jedoch schwer zu verteidigende Kirchhof liegt, mit der dazugehörigen Colonie T i e f e n s e e : 16 E., 5 F.; 1 Pumpbrunnen. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk, mit Ausnahme des massiven Chaussee-Hauses. Boden: hat keinen Acker, nur Gärten. Militärtopographie: liegt auf beiden Seiten der Chaussee. Dorf B e y e r s d o r f — 29. Q. M.: 181 E., 35 F.; 1 Kirche, 2 Windmühlen, 1 Sdimiede, 2 Pump-, 4 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 42 Pf., 52 O. Herden: 65 Rinder, 300 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: schlecht, zum Teil 10jährig[e Brache]. Militärtopographie: der O r t liegt frei u. ist von allen Seiten zugänglich. Der Kirchhof ist ummauert, liegt aber tief u. ist von Gehöften eingeschlossen. Dorf S c h ö n f e l d e — 29: 116 E., 28 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 2 Pump-, 2 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 57 Pf., 76 O. Herden: 40 Rinder, 400 Schafe.
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Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Beyersdorf]. Militärtopographie: der Ort liegt auf der dominirenden Höhe der Gegend gegen Beyersdorf und Tiefensee, der Kirdihof ist ummauert und wohl zu halten. Dorf T e m p e l f e l d e — 28: 162 E., 31 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 2 Pump-, 14 Sdiöpfbrunnen. Zugvieh: 34 Pf., 26 O. Herden: 52 Stck. Vieh, 200 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Beyersdorf]. Militärtopographie: der Ort liegt am nördlichen Abhänge einer sanften Höhe. Der Kirdihof ist ummauert und dominirt die Straße des Dorfes. Dorf H i r s c h f e l d e — 39: 140 E., 20 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 2 Pump-, 1 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 28 Pf., 40 O. Herden: 29 Stck. Vieh, 900 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk, das herrschaftliche Wohnhaus massiv. Boden: Mittelland, gut Roggen. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, aber eng und von andern Gebäuden eingeschlossen. Dorf W e g e n d o r f — 39: 137 E., 25 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 2 Pump-, 16 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 34 Pf., 57 O. Herden: 41 Stck. Vieh, 350 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Hirsdifelde]. Militärtopographie: der Kirchhof liegt hoch, ist ummauert und dominirt das Dorf gegen Norden. Dorf W i e s e n t h a 1 [Wesendahl] — 39: 177 E., 24 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle % Stunde vom Dorf, 1 Schmiede, 2 Pump-, 7 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 24 Pf., 32 O. Herden: 30 Stck. Vieh, 600 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: mittelmäßig. Militärtopographie: der ummauerte Kirchhof dominirt den westlichen Teil des Dorfes, die herrschaftlichen Gebäude sind massiv, aber nicht ummauert. Bemerkungen: zum Dorfe gehört eine Ziegelei. Dorf K r u m m e n s e e — 38: 162 E., 20 F.; 1 Kirdie, 1 Laufschmiede, 1 Pump-, 9 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 34 Pf., 42 O. Herden: 50 Stck. Vieh, 500 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk, das Amtshaus massiv. Boden: gut für Roggen, mittelmäßig für Gerste. Militärtopographie: der Kirchhof liegt hoch und ist ummauert, die ebenfalls hölzernen herrschaftl. Häuser bilden ein geschlossenes Quadrat. Dorf S e e f e l d — 38: 153 E., 30 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 1 Pump-, 17 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 52 Pf., 47 O. Herden: 62 Stck. Vieh, 310 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: gut Gerste und Roggen. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, aber mit Gebäuden umgeben, würde sonst beide Eingänge dominiren. Dorf L ö h m e — 38. Q. M.: 141 E., 25 F.; 1 Kirdie, 1 Schmiede, 2 Pump-, 6 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 33 Pf., 37 O. Herden: 70 Stck. Vieh, 604 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fach werk, das Amtshaus massiv. Boden: gut Roggen- und Weizenland. Erwerbszweige außer Ackerbau: eine Familie nährt sidi von Fischerei. Militärtopographie: der ziemlich hoch liegende Kirchhof ist ummauert, aber eingeschlossen. Die Amtsgebäude umschließen einen geräumigen Hof.
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Dorf B l u m e n b e r g — 38: 350 E., 60 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 4 Pump-, 22 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 123 Pf., 108 O. Herden: 167 Stck. Vieh, 1800 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk, das herrschaftliche Haus massiv. Boden: Weizen, Roggen und Gerste. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, aber von allen Seiten eingeschlossen, der herrschaftliche Hof ist ummauert. Bemerkungen: zu Blumenberg gehört das Vorwerk Hellersdorf in der 47. Meile. Dorf W e s o w — 28, 29, 38 u. 39: 157 E., 26 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 4 Pump-, 20 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 50 Pf., 60 O. Herden: 53 Stck. Vieh, 430 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: gut Roggenland. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert und dominirt den größten Teil des Dorfes. Flecken W e r n e u c h e n
— 39: 445 E., 70 F.; 1 Kirche, 2 Windmühlen, 1 Schmiede,
5 Pump-, 45 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 115 Pf., 88 O. Herden: 129 Stck. Vieh, 708 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. 4 Wohnhäuser und einige Ställe sind massiv. Boden: gut Roggenland, zum Teil für Gerste. Erwerbszweige außer Ackerbau: einige Familien nähren sich vom Brandweinsschank. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, aber gänzlich eingeschlossen. Der Ort ist auf der Ostseite etwas durch den Stinitzberg gedeckt. Bemerkungen: unter den Pferden sind 78 Postpferde mitgerechnet. Rittergut B e e r b ä u m — 19: 46 E., 9 F.; 1 Pump-, 2 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 11 Pf., 10 O. Herden: 33 Stck. Vieh, 500 Schafe. Bauart der Häuser: das herrschaftliche große Wohnhaus massiv. Boden: Roggenland. Militärtopographie: die freiliegenden Wirtschafts-Gebäude sind nicht ummauert. und das dazugehörige Vorwerk G r a t z e : 1 3 E . , 3 F.; 2 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 2 Pf., 8 O. Herden: 15 Stck. Vieh, 700 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Beerbaum]. Dorf K l o b b i k e — 19: 205 E., 31 F.; 1 Kirche, 2 Wassermühlen, 1 Schmiede, 18 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 28 Pf., 32 O. Herden: 28 Stck. Vieh, 300 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Beerbaum]. Militärtopographie: der nicht ummauerte Kirchhof ist von Gebäuden umschlossen. Dorf T u c h e n — 19: 200 E., 28 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle, 1 Schmiede, 14 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 20 Pf., 14 O. Herden: 23 Stck. Vieh, 250 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Beerbaum]. Militärtopographie: dto. [wie Beerbaum]. Dorf S c h ö n h o l z — 19: 96 E., 15 F.; 4 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 4 Pf., 14 O. Herden: 12 Stck. Vieh, 200 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: schlecht Roggenland. Bemerkungen: zu Schönholz gehört eine Sägemühle. Dorf M e l c h o w — 18: 120 E., 24 F.; 2 Pump-, 4 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 8 Pf., 14 O. Herden: 14 Stck. Vieh, 40 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Schönholz]. Militärtopographie: der Amthof ist teilweise ummauert.
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Dorf D a n e w i t z — 18: 187 E., 37 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 1 Pump-, 7 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 23 Pf., 16 O. Herden: 28 Stck. Vieh, 500 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Sdiönholz]. Militärtopographie: der Kirchhof ist unbedeutend ummauert, größtenteils mit Häusern umgeben. Marktflecken B i s e n t h a 1 — 18: 1029 E., 146 F.; 1 Kirche, 1 Rathaus, 1 Wind-, 3 Wassermühlen, 2 Schmieden, 11 Pump-, 17 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 116 Pf., 20 O. Herden: 80 Stck. Vieh, 180 Schafe. Bauart der Häuser: größtenteils Holz und Fachwerk, teils mit Lehm, teils mit Steinen, der 30ste Teil massiv. Boden: Sandboden, Roggen. Erwerbszweige außer Ackerbau: die Hauptnahrung ist der Ackerbau, da aber jährlich 2mal Markt ist, so sind eine große Menge Gastwirte und einige Handwerker vorhanden. Militärtopographie: die Stadt liegt hodi und ist fast ringsum mit Wiesen umgeben, deshalb nur von der Ost- und Westseite zu nehmen. Die Kirche liegt versteckt. Das Königl. Amt: 100 E., 33 F.; 1 Pump-, 3 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 15 Pf., 18 O. Herden: 43 Stck. Vieh, 2000 Schafe. Dorf R ü d n i t z — 18: 205 E., 40 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle, 1 Schmiede, 8 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 16 Pf., 30 O. Herden: 32 Stck. Vieh, 300 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: Roggenland. Militärtopographie: die Kirche ist schwach ummauert, größtenteils von Gebäuden umgeben. Dorf S i d o w — 18: 114 E., 19 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 3 Pump-, 8 Schöpfmühlen. Zugvieh: 38 Pf., 18 O. Herden: 40 Stck. Vieh, 1500 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fach werk. Boden: gut Roggen- und Gersteland. Militärtopographie: die Kirche und herrschaftlichen Gebäude liegen beisammen mitten im südlichen Teile des Dorfes und sind ummauert. Dorf G r ü n d e 1 [Grüntal] — 18: 107 E., 16 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 10 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 18 Pf., 24 O. Herden: 37 Stck. Vieh, 800 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: schlecht. Militärtopographie: die Kirche ist schwach ummauert, das herrschaftliche Wohnhaus massiv. Dorf M e h r o w — 48: 102 E., 16 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 3 Pump-, 4 Schöpfbrunnen, Zugvieh: 24 Pf., 23 O. Herden: 78 Stck. Vieh, 400 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: gut Roggen- und mittelmäßig Gersteland. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, dominirt das Dorf gegen Osten und steht gegen Süden in Verbindung mit dem ebenfalls ummauerten herrschaftlichen engl. Garten. 1 Haus ist massiv. Dorf H ö n o w — 48: 300 E., 38 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 8 Pump-, 4 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 56 Pf., 52 O. Herden: 61 Stck. Vieh, 249 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Mehrow]. Militärtopographie: das Dorf ist von der Westseite durch den See durchaus gedeckt. Der Kirchhof dominirt das jenseitige Terrain sowie das Dorf selbst.
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Dorf S e e b e r g — 48: 96 E., 18 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 9 Pumpbrunnen. Zugvieh: 28 Pf., 26 O. Herden: 33 Stck. Vieh, 110 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Mehrow]. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert und dominirt den größten Teil des Dorfes. Dorf N e u e n h a g e n — 48: 146 E., 18 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 10 Pump-, 1 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 33 Pf., 53 O. Herden: 50 Stck. Vieh, 655 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fach werk. Boden: dto. [wie Mehrow]. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, dominirt aber nicht, da er mit Gebäuden umgeben, der herrschaftl. Hof ist nicht massiv und nicht ummauert. Dorf B u c h h o l z nebst der Mühle — 49: 97 E., 17 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle, die Spitzmühle, 2 Pump-, 7 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 25 Pf., 38 O. Herden: 68 Stck. Vieh, 542 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: gut Roggenland. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert gewesen und an einigen Orten noch. Der herrschaftliche Hof ist ummauert, das Wohnhaus massiv. Dorf B ö r n i k e — 28: 106 E., 25 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 10 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 34 Pf., 40 O. Herden: 68 Stck. Vieh, 800 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: mittel Roggen- und Gersteland. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert und liegt frei. Die herrschaftlichen Gebäude nicht ummauert. W i l m e r s d o r f — 28: 220 E., 30 F.; 1 Kirche, 1 Mühle, 1 Schmiede, 14 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 41 Pf., 26 O. Herden: 42 Stck. Vieh, 600 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: gut Roggen- und Gersteland. Militärtopographie: die schwach ummauerte Kirche ist von Häusern eingeschlossen. G i e l s d o r f — 40: 96 E., 21 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle, 1 Schmiede, 1 Pump-, 10 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 24 Pf., 44 O. Herden: 61 Stck. Vieh, 1000 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: schlecht Roggenland. Militärtopographie: die hochliegende Kirche ist mit einer verfallenen Mauer umzogen, die hölzernen herrschaftlichen Häuser sind es nicht. mit dem dazugehörigen Vorwerk: 8 E., 1 F.; 1 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 2 Pf., 8 O. Herden: 16 Stck. Vieh, 200 Schafe. W i l k e n d o r f — 40: 72 E., 18 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle, 1 Schmiede, 1 Pump-, 3 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 28 Pf., 32 O. Herden: 34 Stck. Vieh, 200 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Gielsdorf]. Militärtopographie: die Kirche so wie in Gielsdorf. Rittergut B i e s o w — 30: 30 E., 8 F.; 1 Kirche, 1 Pump-, 3 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 6 Pf., 24 O. Herden: 16 Stck. Vieh, 200 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fadiwerk. Boden: schlecht. Militärtopographie: die Kirche (Capelle) und der herrschaftliche Hof sind nicht ummauert.
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W e r d e r — 50: 113 E., 36 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle, 1 Schmiede, 7 Pump-, 10 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 30 Pf., 60 O . H e r d e n : 45 Stck. Vieh, 600 Schafe. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Boden: mittel Roggen- und Gersteland. Militärtopographie: der Kirchhof liegt frei und ist gut ummauert. G a r z a u — 50: 120 E., 24 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle, wobei zugleich ö l - und Schneidemühle, 1 Schmiede, 7 Pump-, 3 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 15 Pf., 33 O . H e r d e n : 40 Stck. Vieh, 650 Schafe. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Boden: dto. [wie Werder]. Militärtopographie: die Kirche ist von Gebäuden eingeschlossen, die herrschaftlichen Gebäude sind mit Ausnahme des Wohnhauses von H o l z und nicht ummauert. E g g e r s d o r f — 49: 169 E., 26 F.; 1 Kirche, 1 Wasser-, 1 Sägemühle, 1 Schmiede, 1 P u m p - , 12 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 18 Pf., 33 O . H e r d e n : 52 Stck. Vieh. 130 Schafe. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Boden: dto. [wie W e r d e r ] . Militärtopographie: die Kirche ist von Gebäuden eingeschlossen und nur umzäunt. 5 Feuerstellen sind massiv. P e t e r s h a g e n — 49: 122 E., 27 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 3 P u m p - , 12 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 36 Pf., 34 O . H e r d e n : 48 Stck. Vieh, 500 Schafe. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Boden: dto. [wie Werder], Militärtopographie: die Kirche ist z w a r ummauert, aber nur äußerst schwach und liegt sehr versteckt. Das A m t A l t L a n d s b e r g — 48, 49: 52 E., 8 F.; die Brudimühle mit 1 Mehl- u. 1 Sägemühle, 8 Pumpbrunnen. Zugvieh: 24 P f . H e r d e n : 97 Stck. Vieh. Bauart der H ä u s e r : zur H ä l f t e massiv. Boden: gut Roggen- und Gersteland. Militärtopographie: die Amtsgebäude sind zerteilt in 2 geschlossenen Vierecken auf beiden nördlichen Ecken der Stadtmauer. dazu gehören: a) die A m t s F r e i h e i t : 142 E., 22 F.; 2 Pumpbrunnen. Zugvieh: 2 P f . Bauart der H ä u s e r : zur H ä l f t e massiv. Erwerbszweige außer Ackerbau: nein, Einwohner sind Tagelöhner. Militärtopographie: bildet die Vorstadt nördlich von der Stadt Landsberg. b) Vorwerk W o l f s h a g e n — 49: 18 E., 1 F.; 1 P u m p b r u n n e n . Zugvieh: 50 O . Bauart der H ä u s e r : H o l z u n d Fachwerk. Boden: gut Roggen- u n d Gersteland. Militärtopographie: die im geschlossenen Viereck stehenden H ä u s e r liegen zwischen einer Wiese und dem Abhänge eines Berges. c) das N e u e V o r w e r k — 49: 40 E., 2 F.; 1 Pumpbrunnen. H e r d e n : 1800 Schafe. Bauart der H ä u s e r : massiv. Erwerbszweige außer Ackerbau: Einwohner H i r t e n und Tagelöhner. Militärtopographie: dto. [wie Wolfshagen]. d) Colonie R a d e b r u e k — 49: 46 E., 12 F.; 1 Schöpfbrunnen. H e r d e n : 7 Stck. Vieh. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Erwerbszweige außer Ackerbau: Einwohner Tagelöhner. Militärtopographie: die Häuser liegen in einer Reihe am Wege. e) Colonie N e u H ö n o w — 49: 40 E., 7 F.; 1 Schöpfbrunnen. H e r d e n : 2 Stck. Vieh. Bauart der H ä u s e r : H o l z und Fachwerk. Erwerbszweige außer Ackerbau: Einwohner Tagelöhner. Militärtopographie: dto. [wie R a d e b r u e k ] .
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Dorf S t e i n f ü h r e [Steinfurt] — 8: 381 E., 67 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 3 Pump-, 30 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 60 Pf., 65 O. Herden: 100 Stck. Vieh, 500 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: mittelmäßig Roggenland. Erwerbszweige außer Ackerbau: Schiffahrt. Militärtopographie: die Kirche ist zwar ummauert, liegt aber sehr niedrig und versteckt. Daneben ist eine ummauerte massive Brauerei. Bemerkungen: zum Dorfe gehören 1 gr. Kahn und 1 Nachen. S c h o p f ü h r e [Sdiöpfurt] — 8: 226 E., 26 F.; 1 Kirche, 1 Wassermühle mit 6 Gängen und 1 Sägemühle, 1 Pump-, 13 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 30 Pf., 36 O. Herden: 40 Stck. Vieh, 250 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: schlechtes Roggenland. Militärtopographie: der ummauerte kleine Kirchhof liegt hoch und dominirt einen großen Teil des Dorfes. Bemerkungen: zum Dorfe gehören 3 Nachen. B i r k h o l z — 37: 127 E., 26 F.; 1 Kirdie, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 16 Pump-, 3 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 40 Pf., 90 O. Herden: 51 Stck. Vieh, 370 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: mittelmäßig Roggen- und Gersteland. Militärtopographie: der Kirchhof liegt hoch, ist fest ummauert und dominirt die Straße des Dorfes. S c h w a n e b e c k — 37: [E. u. F. o. A.] 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede. [Vieh o. A.] Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: gut Roggenland. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, liegt oben sehr versteckt. Der südliche Teil der Dorfstraße ist sehr durch Gärten coupirt. L i n d e n b e r g — 37: 241 E., 40 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 26 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 72 Pf., 50 O. Herden: 68 Stck. Vieh, 470 Bauart der Häuser: Holz und Fach werk. Boden: gut Roggen und phie: der ummauerte, an einem Teiche liegende Kirchhof dominirt Dorfes und ist besonders gut zu verteidigen.
1 Schmiede, 9 Pump-, Schafe. Gerste. Militärtopograden südlichen Teil des
M a r z a h n e — 47: 219 E., 35 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 3 Pumpbrunnen. Zugvieh: 58 Pf., 10 O. Herden: 77 Stck. Vieh. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Lindenberg]. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert und liegt hoch mitten im Dorfe, jedoch nicht frei. H o h e n s c h ö n h a u s e n — 47: 118 E., 18 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 6 Pump-, 1 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 35 Pf., 16 O. Herden: 73 Stck. Vieh, 250 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: mittelmäßig Roggenland. Militärtopographie: die hochummauerte Kirche dominirt die Straße des Dorfes und den nördlichen Ausgang. Der herrschaftl. Hof ist ummauert. W a r t e n b e r g — 47: 121 E., 23 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 9 Pumpbrunnen. Zugvieh: 40 Pf., 32 O. Herden: 56 Stck. Vieh, 700 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Hohen Schönhausen]. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert und beherrscht den mittlem Teil des Dorfes, der herrschaftl. Hof liegt am Ausgange frei.
TOPOGRAPHISCHE AUFNAHMEN IN BRANDENBURG 1816—1821
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F a l k e n b e r g — 47: 140 E., 21 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 3 Pump-, 5 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 50 Pf., 28 O. Herden: 50 Stck. Vieh, 520 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Hohen Schönhausen]. Militärtopographie: der Kirchhof ist ummauert, liegt aber eingeschlossen. Die herrsdiaftl. Gebäude bilden ein großes Viereck, das Wohnhaus ist massiv. A r e n s f e l d e — 47: 148 E., 23 F.; 1 Kirche, 1 Windmühle, 1 Schmiede, 2 Pump-, 17 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 48 Pf., 42 O. Herden: 68 Stck. Vieh. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Hohen Schönhausen]. Militärtopographie: der ummauerte Kirchhof liegt am nördlichen Ausgange des Dorfes, den er dominirt. E i c h e — 47: 141 E., 19 F.; 1 Kirche, 1 Schmiede, 14 Schöpfbrunnen. Zugvieh: 42 Pf., 16 O. Herden: 60 Stck. Vieh. Bauart der Häuser: Holz und Fachwerk. Boden: dto. [wie Hohen Schönhausen]. Militärtopographie: der hochliegende ummauerte Kirchhof dominirt den östlichen Ausgang des Dorfes. Vorwerk H e l l e r s d o r f — 47: 18 E., 2 F.; 2 Pumpbrunnen. Zugvieh: 12 Pf., 12 O. Herden: 56 Stck. Vieh, 700 Schafe. Bauart der Häuser: Holz und Fach werk. Boden: dto. [wie Hohen Schönhausen]. Militärtopographie: die Gebäude bilden ein geschlossenes Viereck. III. FLÜSSE, CANÄLE U N D BÄCHE Die F i n e entsteht in der 18ten Quadratmeile dicht bei Biesenthal aus dem Zusammenflusse mehrerer kleiner Bäche, geht eine Meile nordwärts bis Grafenbrük, vereinigt sich im dortigen Teiche mit dem Fine Canal, dessen Namen sie hier annimmt, geht durch 11 Schleusen als schiffbarer Fluß drei Meilen gegen Osten in die Wiesen des Oderbruches und ergießt sidi bei Liepe in die alte Oder. — 18., 8., 9. u. 10. M. Breite: bis Grafenbrük ist es ein Bach von verschiedener Breite, nachher erhält sie eine Breite von 20—30—60 und mehreren Füßen. Tiefe: die Tiefe kann nirgends genau angegeben, und an den meisten Stellen sind 1—2 Faden Wasser und dann weicher Morast, der fast überall unergründlich. Nur unterhalb der Schleuse in Neustadt [Eberswalde] ist eine feste Furt, wo im Sommer Pferde durchsetzen können. Strömungsgeschwindigkeit: im Durchschnitte der lOte Teil der Schnelligkeit eines Fußgängers, sie ist wegen der Schleusen jedoch nicht überall gleich. Gefälle: innerhalb der 3 Meilen von Grafenbrük bis Nieder-Finow 100 Fuß decm. NB: bei den Schleusen ist das Gefälle der verschiedenen Schleusen angegeben. Beschaffenheit der Talsole: von Gräfenbrück bis Schöpführe morastig und unzugänglich, von hier bis zum Kupferhammer sind die Ufer eng, jedoch wegen des spinigen Bodens hier nicht immer zugänglich; vom Kupferhammer bis Niederfinow ist die Talsole breiter, jedodi nur zur trocknen Jahreszeit an mehreren Orten zugänglich. Wege durch das Tal: die auf der Carte angegebenen Wege passiren alle an engen Stellen, wo keine Dämme nötig sind, indem die Ufer durch die Brücken verbunden werden. Nur bei Niederfinow führt ein Steindamm bis an das rechte Ufer. Übergänge: bei jeder Schleuse sind passagen für Fußgänger (Stege); 8 hölzerne Brücken, außerdem zwischen Neustadt u. Finow zwei für Reiter, jedoch nur im Sommer zu passiren.
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Einfluß der Jahreszeiten: die Wiesen an beiden Ufern trocknen im Sommer so aus, daß man sich an vielen Orten dem Ufer des Flusses nähern kann, wo zum Teil auf Faschinen Fußwege für die Schiffer laufen. Zur nassen Jahreszeit sind sie jedoch durchgehend unzugänglich. Mühlen: der Fine Bach treibt eine Mehlm., die Wernm., von 2 Gängen; die schiffbare Fine treibt in Schöpführe und in Neustadt Mehlmühlen, also 2, jede zu 6 Gängen. Die in Neustadt liegt zwar am Ufer der Fine, wird aber von der Schwärze getrieben. Bei beiden Mühlen finden sich zugleich audi Sägemühlen. Sdiiffbarkeit: mit großen Kähnen zu passiren. Auf ihr sind befindlich 7 gr. Kähne, 72 Nachen. Schleusen und Zweck derselben: da die Fine an sich nicht Tiefe genug hat, so muß sie durch Schleusen zu schiffbarer Höhe gestaut werden, zu dem Ende sind von Gräfenbrück bis Nieder Finow elf Schleusen, nämlich 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
10 Gräfenbrück mit 11 Schöpführe mit 3 Steinführe mit 12 Hegermühle mit 8 Wolfswinkel mit 12 Eisenspalterei mit Kupferhammer mit 13 Neustadt mit 10 6 an der Rogäse mit an der Stechenschleuse mit 6 bei Niederfinow mit 7 bei bei bei bei bei bei bei bei
Summa des.
Fuß 6 Zoll Gefälle Gefälle Fuß Gefälle Fuß Fuß 10 Zoll Gefälle Gefälle Fuß Fuß 6 Zoll Gefälle Gefälle Fuß Fuß 6 Zoll Gefälle Gefälle Fuß Fuß Gefälle Fuß Gefälle
100 Fuß
8 Zoll Gefälle
Flößbarkeit, Holzablagen: Die Schiffbarkeit verbietet das Flößen. Holzablagen für Brenn- und Bauholz sind bei Gräfenbrück, Wolfswinkel, Neustadt und Kahlenberg. Zufrieren: die Fine friert wegen des morastigen Grundes nur teilweise zu. Das Eis ist nur an wenigen Orten haltbar. Bemerkungen: die in den Rubriken angegebenen großen Kähne sind nur die, deren Eigentümer an der Fine selbst wohnen, es befinden sich aber zu jeder Jahreszeit bedeutend mehr Fahrzeuge auf derselben, sowohl zum Gewerbe, als auch um dort zu überwintern. Die S c h w ä r z e entspringt in der 8ten Meile aus einem See beim Schwarzschen Teerofen unweit der Straße von Hegermühle nach Biesenthal u. geht 1 Meile nordöstlich bis Neustadt, wo sie sich in die Fine ergießt. — 8. u. 9. Breite: bis etwa 1000 Schritte vor Spechthausen ist es nur ein Bach zum Überspringen, hier bildet sie einen schmalen See und vereinigt sich mit dem Nonnenfließ, wodurch sie abwechselnde Breite von 5—20 Fuß erhält. Tiefe: hat nach der Vereinigung mit dem Nonnenfließ stets sehr morastigen Boden. Strömungsgeschwindigkeit: sehr verschieden, vom 5—30 Teile der Schnelligkeit eines Fußgängers. Gefälle: kann etwa im Vergleich mit der convergirenden Fine 50 Fuß betragen. Beschaffenheit der Talsole: Talrand und Ufer sind eins bis zum Zainhammer, wo sie durch einige nasse Wiesen läuft. Die Ufer sind aber hoch und deshalb nur bei den Bänken zu passieren.
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Furten: eine für Reiter, die Reisfurt zwischen Specinhausen und dem Teerofen. Ubergänge: 4 hölzerne Brücken. Einfluß der Jahreszeiten: die Wiesen, welche sie durchläuft, sind vorzüglich beim Teerofen, nur im Sommer zu passieren. Mühlen: die Papiermühle Spechthausen, die Messerschleif-M. am Zainhammer, eine gleiche bei Neustadt und am Zusammenfluß mit der Fine 1 Mehlm. von 6 Gängen und 1 Sägern. Auf ihr sind befindlich 3 Nachen. Schleusen und Zweck derselben: 3 bei den Mühlen. Zufrieren: friert nur teilweise zu. Das N o n n e n f l i e ß entspringt bei Trampe in der 20ten Meile, geht westlich bis Spechthausen in die Schwärze, nimmt kurz zuvor den Tudiener Mühlenbach auf. — 8. u. 19. Breite: fast überall zu überspringen. Tiefe: 1—3 Fuß. Strömungsgeschwindigkeit: bestimmt, je nach dem hoher oder kleiner Wasserstand ist.
un-
Beschaffenheit der Talsole: vacat. Die Ufer sind von Bornemanns Pfuhl für Reiter und Wagen zu hoch. Wege durch das Tal: die auf der Carte angegebenen Wege sind überall gut zu passiren. Furten: für Fußgänger fast überall. Ubergänge: Stege fast überall, 2 hölzerne Brücken. Mühlen: 1 Stampfm. für Lumpen unweit der Papiermühle Spechthausen. Zufrieren: friert nur teilweise zu. Die R o g ä s e — 9 : kommt von Britz nördlich 1 Meile, tritt mit etwa 3—6 u. 8 Fuß Breite in die lOte Meile, durchläuft sie in südlicher Richtung etwa zweitausend Schritt und fällt bei der nach ihr benannten Schleuse in die Fine. Sie treibt schon weiter nördlich einige Mühlen und auf der Grenze der lOten Meile eine Messerschleifmühle, dort und bei Macherslust sind hölzerne Brücken, wo sie wegen der hohen Ufer nur zu passieren ist. Das T u c h e n e r M ü h l e n f l i e ß — 19: ist ein ähnlicher Badi, mehr als Abzugsgraben einiger Teiche in der 19ten Meile zu betrachten, er ergießt sich in das Nonnenfließ. Durch Schleusen aufgestaut, treibt er 3 Mehl- und 1 Schneidemühle. Seine Ufer sind flach, obgleich nur für Fußgänger an den mehresten Orten zu passiren. Die P a n k e — 37: geht als unbedeutender Bach innerhalb einer breiten, nassen, mit Elsen bestandenen Wiese durch die nordwestliche Grenze der 37ten Meile. Zur trocknen Jahreszeit können sich zwar Fußgänger, an einigen Orten vielleicht auch Reiter dem Ufer nähern und es überspringen, bei nassem Wetter verbietet dies aber der morastige Wiesengrund ihrer Ufer, weshalb sie in der 37ten Meile auch nur bei Zepernick und Buch zu passiren ist. Mit Hilfe einer Schleuse treibt sie bei Buch eine Mühle. Die W ü h l e — 47: entsteht in der 37ten Meile aus dem See Reien, geht in gerader südlicher Richtung innerhalb einer 50—200 Schritt breiten nassen Wiese mit einer Breite von 4—8 Fuß und einer Tiefe von 2—5 Fuß bis an die südliche Grenze der 47ten Meile. Sie nimmt bei Eiche den Abfluß des faulen Sees und der Kolbäke bei Falkenberg, und bei Vorwerk Hellersdorf den Abfluß der Seen zwischen Mehrow und Hönow auf. Fußgänger passiren sie im Sommer fast überall, dann ist audi bei Hellersdorf eine Furt für Wagen, sonst ist sie nur bei Arensfelde und auf der Landsberger Straße vermöge steinerner Brücken zu passiren. 14
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SCHARFE
Die Z o c h e — 48 : so heißt später der Abfluß des großen Sees bei Löhme, des Haus-, Spute- u. Krummen Sees in der 38ten Meile, er geht ohne Talsole südwärts mit bald sehr bald wenigen steilen, bald flachen Ufern mit abwechselnder, größtenteils gegebener Tiefe von 5 bis sogar 20 Fuß bis an den Black- und Balhtafsee in der 48ten Meile, hier bildet er eine T a l sole von nassen Wiesen und erhält den Namen Z o c h e g r a b e n ,
und ergießt sich in der
58. Meile in die Stinitz bei V . W . Hopfgarten. — Von Seefeld bis zum Balhtafsee ist er für Reiter und Wagen nur auf den in der K a r t e angegebenen Brücken zu passiren, von hier bis Seeberg sind im Sommer mehrere Furten. Von Seeberg südlich ist durchaus nur die eine passage über die Brücke am Wege von H ö n o w nach Neuenhagen. Fußgänger überspringen ihn nur mit Mühe an einigen Orten. Die S t i n i t z oder Landsberger Mühlenfließ — 38., 39. u. 4 8 : bildet sich in der 39ten Meile bei Werneuchen aus den Wiesengräben zwischen Beyersdorf, Wesow und Werneuchen, läuft direkte südlich innerhalb einer größtenteils nassen Wiese von 5 0 — 2 0 0 Schritt Breite. — Ihre Breite ist von ein bis zu zwölf F u ß abwechselnd, mit 2 F u ß Wassertiefe und sehr morastigem Boden, die U f e r sind größtenteils mit Elsen bewachsen. Zum Uberspringen ist sie zu breit. Ubergänge für Reiter und Wagen sind nur folgende: bei Werneuchen eine hölzerne Brücke, auf dem Wege von Krummensee nach Wegendorf eine Furt, bei Landsberg zwei hölzerne und bei Bollersdorf eine steinerne Brücke. Das G i e l s d o r f e r
Mühlenfließ
— 39., 49. u. 5 0 : entsteht in der 39ten Meile bei
Hirschfelde in dem sdion 2 Meilen südwärts kommenden Gamengrunde, treibt die Gielsdorfer und Wiesenthaler Mühle innerhalb einer sehr nassen Wiese, geht durch den großen Sängersee, treibt die Spitzmühle auf der Landenge zwischen dem Sänger- und dem Boltzsee, geht durch diesen und fließt dann in der Talsole einer nassen Wiese an der Lisière der Landsberger Stadtheide, wo es in Eggersdorf eine Mühle treibt, bis Colonie Radebrück, vereinigt sich hier mit den von Wegendorf und Buchholz kommenden Bächen, treibt die Bruchmühle und geht dann in einem sehr nassen, durchaus nicht zu passirenden Eisbruche bis Petershagen und Fredersdorf. Passagen für jede Art des Fortkommens sind nur bei den angegebenen Mühlen, auf der Strausberger Straße beim hungrigen W o l f und in Petershagen und Fredersdorf auf der Grenze der 49ten Meile. Das S t r a u s b e r g e r
Mühlenfließ
oder Abzug des großen Straussees — 5 0 : Breite:
verschieden, von 4 — 2 0 Fuß. T i e f e : 2 — 4 Fuß, an vielen Orten Moorgrund.
Strömungs-
geschwindigkeit: sehr ungleich, nach Beschaffenheit des Terrains. Beschaffenheit der Talsole: vom Hermessee an geht es in einer nassen Wiese von 4 0 — 6 0 Fuß Breite. Wege durch das T a l : am Stinitz und beim Igelpfuhl gehen Furten durch, anderwärts verbinden Brücken beide U f e r . Furten: 2. Übergänge: 7 Stege, 1 hölzerne, 2 steinerne Brücken. Einfluß der Jahreszeiten: schwillt durch Schneewasser oft bedeutend an. Mühlen: 5 Mehlm. u. 1 Sägern. Schleusen und Zweck derselben: bei jeder Mühle eine. Zufrieren: friert teilweise zu. IV. M O R Ä S T E In der 8., 9., 10. und 18. Quadratmeile sind keine andere Moräste als die Talsole des Fine Baches und nachherigen Canals, welche überall von gleicher Beschaffenheit. Boden: torfartig. Gangbarkeit: nur im trocknen Sommer von Fußgängern zu passiren. Passagen für Reiter und Wagen sind nur über die auf der Carte angegebenen Brücken, welche alle wegen der darüberführenden Straßen stets in gutem Stande gehalten werden müssen.
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Einfluß der Jahreszeiten: sehr trockne Sommer machen es dem Fußgänger möglich, fast überall durchzukommen, im Winter und Frühling ist jede Art des Fortkommens unmöglich. Bemerkungen: die Wiesen und Moräste, in welchen Bädie fließen, sind schon in der Rubrik Bäche mitbeschrieben, die nicht angeführten zu unwichtig, um ihrer besonders zu erwähnen. Der K a m m und die übrigen Wiesen in der 19. u. 20. Meile rings um Trampe. Boden: torfartig. Gangbarkeit: im Sommer an den mehresten Orten sogar mit Wagen zu passiren. Einfluß der Jahreszeiten: im Frühlinge größtenteils mit Wasser bedeckt oder doch sumpfig. Der Wiesenzug in der 37ten Meile, von Birkholz ab über Sdiwanebeck und Lindenberg südwestlich. Boden: gemischt Torf und Sand. Gangbarkeit: im Sommer für jede Art des Fortkommens gangbar mit Ausnahme des faulen Pfuhls und alten Kirchhofes. Einfluß der Jahreszeiten: in nassen Jahreszeiten ganz mit Wasser bedeckt, wird jedoch im Sommer gemäht und von Vieh abgeweidet. Die Talsole des Gielsdorfer Mühlenfließes. Boden: Moor und Torf. Gangbarkeit: ist durchaus nur auf den angegebenen Brücken zu passiren, wohin Dämme führen. Einfluß der Jahreszeiten: dto. [wie Wiesenzug in der 37. Meile]. Die Wiese zwischen Wartenberg und Falkenberg, Meile 47. Boden: torfartig und naß. Gangbarkeit: nicht zu passiren. Einfluß der Jahreszeiten: dto. [wie Wiesenzug in der 37. Meile]. Der B a i h t a f bei Hönow, Meile 48. Boden: torfartig und naß. Gangbarkeit: nicht zu passiren, aber leicht zu umgehen. Einfluß der Jahreszeiten: dto. [wie Wiesenzug in der 37. Meile]. V. STRASSEN Die Straße von Berlin über Strausberg nach Wriezen, geht durch die 47., 48., 49. u. 50. Meile von West nach Ost. Von ihrem Eintritt in die 47. Meile bei Hohen Schönhausen bis Landsberg ist es nur H a n delsstraße, von da weiter Poststraße für die Innenpost von Vogelsdorf nach Wriezen. Sie verbindet die Städte Wriezen, Strausberg, Alt Landsberg und Berlin. Straßenbelag: ist überall nur sandiger Fahrweg ohne besondere Schwierigkeiten des Terrains, durch Dörfer und in der Nähe derselben ist Steindamm. Brücken: die auf ihr befindlichen Brücken sind gegenwärtig noch alle gut conditionirt. Gangbar für alle Waffen. Einfluß der Jahreszeiten: da es nur Sandboden ist, so finden wenig Veränderungen statt. Die Chaussée von Berlin nach Freienwalde, geht in nordöstlicher Richtung durch die 47., 37., 38., 39., 29., 30. und 20. Meile. Post- und Handelsstraße. Verbindet Berlin und Stettin, sowie den Handelsverkehr mit dem Oderbruch, der Neumark und Pommern. Straßenbelag: überall Chaussée. Brücken: dto. [s.o.]. Gangbar für alle Waffen. Die Straße von Berlin über Bernau, Neustadt Eberswalde, geht nordöstlich durch die Meilen 37, 28, 18, 19 und 9. H»
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Post- und Handelsstraße. Verbindet Stralsund und Stettin mit der Hauptstadt, unterhält den Handelsverkehr mit der Uckermark. Straßenbelag: ist überall nur Sandweg, ausgenommen in den Dörfern. Brücken: dto. [s.o.]. Gangbar für alle Waffen. Einfluß der Jahreszeiten: leidet nur wenig Veränderungen, da es nur Sand ist. Die Straße über Biesenthal nach der Uckermark. Handelsstraße zum Verkehr der Uckermark mit Berlin. Straßenbelag: ist überall nur Sand weg, ausgenommen in den Dörfern, nur führt sie bei Biesenthal durch Wiesen, welche zur nassen Jahreszeit etwas morastig, aber gut zu passiren sind. Brücken: dto. [s. o.]. Gangbar für alle Waffen. Einfluß der Jahreszeiten: dto. [s.o.]. Die Straße von Werneuchen nach Wriezen. Handelsstraße zum näheren Verkehr des Oderbruches mit Berlin. Straßenbelag: Sandweg. Brücken: dto. [s.o.]. Gangbar für alle Waffen. Einfluß der Jahreszeiten: dto. [s.o.]. VI. W Ä L D E R Die Königl. B i e s e n t h a l s c h e F o r s t , d i e B i e s e n t h a l e r Bürgerheide, die N e u s t a d t E b e r s w a l d e r , die F i n o w s c h e , C ö t h e n s c h e und G r u n d i e r H e i d e bilden einen Wald von 3 Meilen Länge von Ost nach West und von 1 Meile Breite von Norden nach Süden — 8., 9. u. 10. Boden: größtenteils Sand, nur teilweise Lehm. Holzarten: hauptsächlich Fichten, dann Buchen und Eichen, zum Teil auch Birken und Haselstauden. Gangbarkeit: Fußgänger und Reiter kommen fast überall durch, Wagen können nur teilweise mit Mühe durchgebracht werden. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: der Wald ist so groß und mannigfach, daß es dem dort bekannten Einwohner nicht schwer wird, an allen Orten dicht verwachsene Gegenden zu finden, vorzüglich aber mal an den Ufern der Schwärze vom Teerofen bis Spechthausen. Einfluß der Jahreszeiten: die angegebenen Holzarten deuten schon auf die hohe Lage des Terrains, worauf die Jahreszeiten wenig oder gar keinen Einfluß haben. Anmerkungen: die dicht angrenzende Berbaumsche Heide ist nur ein kleiner Distrikt von etwa 118 Quadratmeile Flächeninhalt, enthält nur sehr lichtes Fichtenholz und bedarf keiner besonderen Erwähnung. Der verschiedenen Dorfschaften gehörige Wald zwischen Rüdnitz, Tempelfelde und Börnike, etwa 1 U Quadratmeile — 28. Boden: Sand. Holzarten: Fichten und etwas Birken. Gangbarkeit: für Fußgänger und Reiter überall zu passiren, nötigenfalls auch für Wagen. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: zu diesem Zwecke zu licht. Das L ö h m e r F o r s t r e v i e r , V8 Quadratmeile — 38. Boden: Lehm, teilweise Sand. Holzarten: Birken, wenig Fichten. Gangbarkeit: für Wagen und Reiter nur auf den angegebenen Wegen u. einigen verwachsenen Holzwegen zu passiren. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: der ganze Wald kann dazu dienen. Einfluß der Jahreszeiten: ist fast lauter Laubholz, aber ganz trockner Boden. Der große B l u m e n t h a l , etwa IV2 Quadratmeilen groß — 40 u. 50. Boden: abwechselnd Sand und Lehm. Holzarten: Fichten, Eichen, Buchen, Birken und Haselstauden. Gangbarkeit: im Wald sehr bekannte Boten würden Wagen und Reiter viel-
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leicht in allen Richtungen durchbringen, der Unbekannte kommt nur auf den angegebenen Wegen fort. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: der bekannte Einwohner findet unzählige dgl. Stellen. Einfluß der Jahreszeit: der Wald liegt hoch, die Hauptbeschaffenheit bleibt also dieselbe. Anmerkungen: wichtig in diesem Walde ist der Gamengrund, eine schon in der Cöthenschen Heide anfangende, wie ein tiefes Flußbette fortlaufende Schlucht, welche sidi durdi den westlichen Teil des Waldes erstreckt und südlich vom Heidekruge die nasse Talsole des Gielsdorfer Mühlenfließes wird. Sie ist durchaus nur auf den angegebenen Wegen zu passiren. Die A l t L a n d s b e r g e r
Bürgerheide,
Quadratmeile — 49.
Boden: Sand und teilweise Lehm. Holzarten: Fichten und Eichen. Gangbarkeit: dto. [wie der große Blumenthal]. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: dto. [wie der große Blumenthal]. Einfluß der Jahreszeiten: da der Wald ringsum mit Eisbruch und Wasser eingeschlossen ist, so kann man in nassen Jahreszeiten nördlich nur auf den angegebenen Wegen in den Wald eindringen, südlich verbietet es auch in der trockensten Jahreszeit das Eggersdorfer Mühlenfließ. Der P e t e r s h a g e n s c h e
B u s c h längs dem Bache von der Bruchmühle bis Peters-
hagen — 49. Boden: im ganzen Sumpf, nur teilweise hoch und trocken. Holzarten: Birken und Elsen. Gangbarkeit: im Sommer fast für jede Art des Fortkommens gangbar, im nassen Winter gar nicht, höchstens nur an einigen Orten, welche der bekannte Einwohner aufsucht. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: dgl. sind viele, besonders zur nassen Jahreszeit. Einfluß der Jahreszeiten: im Winter sehr naß und coupirt. Die königl. E g g e r s d o r f e r
Forst,
fällt nur zum Teil in die östliche Grenze der
49ten Meile. Boden: Sand. Holzarten: Fichten und etwas Birken. Gangbarkeit: der des Terrains Kundige kann Wagen in mehreren Richtungen durchführen. Reiter kommen überall selbst durdi. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: dgl. sind mehrere an verschiedenen Orten, vorzüglich am Stinitzsee. Die S t r a u s b e r g e r S t a d t - H e i d e — 50, dazu gehören die Cavelländer, die Spitzheide, der Q u a s t und der Dickmantel, zusammen beinahe Va Quadratmeile. Boden: Sand. Holzarten: Fichten und etwas Birken. Gangbarkeit: dto. [wie Eggersdorfer Forst]. Trockene Gebiete als Zufluchtsorte: dto. [wie Eggersdorfer Forst]. [BEILIEGENDER ZETTEL:] Colpin*
Werder*, den 18. Aug. 18. Wieviel Feuerstellen sind im Orte? Wieviel sind davon massiv? Wieviel Seelen in Summa? *Kreis Beeskow-Storkow
35 2 252
24 3 136
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WOLFGANG SCHARFE Wieviel Pferde 49 Wieviel Ochsen? 95 Wieviel Kühe und Jungvieh? 123 Wieviel Schafe? 800 Wieviel Brunnen? 11 Wieviel Plumpen? 11 Gehören Mühlen zum Orte u. in welcher Art? 1 Ist eine Laufsdimiede oder eine stehende Schmiede hier? 1 Welche Getreidearten werden vorzüglich gebaut? Roggen und Gerste
2 34 46 200 1 2 2 2 Roggen
Topographisches Register zum Erläuterungsheft Die Seitenzahlen verweisen auf längere Ausführungen zu dem Stichwort Ahrensfelde 207 Alt Landsberg 196, 205 Alt Landsberger Bürgerheide 213 Amalienhof 198 Amts-Freiheit (Alt Landsberg) 205 Balhtaf 211 Beerbaum 202 Beerbaumsche Heide 212 Beiersdorf 200 Biesenthal 203 Biesenthaler Bürgerheide 212 Biesenthaler Forst 212 Biesow 204 Birkholz 206 Blumberg 202 Blumenthal, Forst 212 Börnicke 204 Broichsdorf 199 Brunow 199 Buchhob 204 Danewitz 203 Dannenberg 199 Drahthammer 197 Eggersdorf 205 Eggersdorfer Forst 213 Eiche 207 Eisenspalterei 197 Falkenberg (Kr. Niederb.) 207 Falkenberg (Kr. Oberb.) 199 Finow 207 Finow-Kanal 207
Finowsche Heide 212 Freudenberg 200 Garzau 205 Gersdorf 199 Gielsdorf 204 Gielsdorfer Mühlenfließ 210 Gratze 202 Grüntal 203 Grüntaler (Grundler) Heide 212 Heckelberg 199 Hegermühle 197 Hellersdorf 207 Hirschfelde 201 Hönow 203 Hohenfinow 198 Hohenschönhausen 206 Kamm 211 Karlswerk 198 Klobbicke 202 Kothen 199 Köthensche Heide 212 Kolpin (Kr. Beeskow-Storkow) 213 Kruge 199 Krummensee 201 Kupferhammer 198 Landsberger Mühlenfließ 210 Leuenberg 200 Lindenberg 206 Löhme 201 Löhmer Forst 212
T O P O G R A P H I S C H E A U F N A H M E N I N BRANDENBURG 1816—1821 Marzahn 206 Mehrow 203 Melchow 202 Messingwerk 197 Neu Hönow 205 Neuenhagen 204 Neues Vorwerk 205 Neustadt Eberswalde 196 Neustadt Eberswalder Heide 212 Niederfinow 198 Nonnenfließ 209 Panke 209 Petershagen 205 Petershagener Busch 213 Radebrüdc 205 Rogäse 209 Rüdnitz 203 Schönfeld 200 Schönholz 202 Schöpfurt 206 Schwärze 208 Schwanebeck 206 Seeberg 204 Seefeld 201 Sommerfelde 201 Spechthausen 198 Steinbeck 200
Steinfurt 206 Stinitz 210 Strausberg 196 Strausberger Mühlenfließ 210 Strausberger Stadtheide 213 Struwenberg 198 Sydow 203 Tempelfelde 201 Tiefensee 200 Tornow 198 Trampe 199 Tuchen 202 Tudiener Mühlenfließ 209 Wartenberg 206 Weesow 202 Wegendorf 201 Werder (Kr. Niederb.) 205 Werder (Kr. Beeskow-Storkow) 213 Werneuchen 202 Wesendahl 201 Wilkendorf 204 Willmersdorf 204 Wölsikendorf 200 Wolfshagen 205 Wolfswinkel 197 Wühle 209 Zoche 210 Zochegraben 210
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PETER
LÖSCHE
BERICHT ÜBER DIE INNERPOLITISCHE ENTWICKLUNG W Ä H R E N D DES KRIEGES Seit den Veröffentlichungen Fritz Fischers wird die wissenschaftliche Diskussion der deutschen Geschichtsforschung durch die Auseinandersetzung um die deutschen Kriegsziele im ersten Weltkrieg beherrscht. Dabei ist das Interesse zuweilen einseitig auf diplomatiegeschichtliche Aspekte konzentriert und selbst dort, wo sich die Debatte um außenpolitische Fragen zu einer generellen Imperialismus-Diskussion erweitert, werden die innenpolitischen Voraussetzungen einer bestimmten Außenpolitik nicht immer deutlich. Die nachstehend zum erstenmal veröffentlichte, an Wilhelm II. gerichtete Denkschrift des preußischen Innenministeriums vom November 1915, „Bericht über die innerpolitische Entwicklung während des Krieges", kann dazu beitragen, jene zum Teil noch im Dunkel liegende Region unserer Vergangenheit besser zu durchleuchten, ist sie doch nach dem Grundsatz verfaßt, daß „der größte Teil der herrschenden auswärtig-politischen I d e e n . . . eine innerpolitische Grundlage" habe. 1 Darüber hinaus gibt sie Aufschlüsse darüber, was das preußische Innenministerium zum Ausgang des Jahres 1915 unter jener schon bald nach Kriegsausbruch und nach der Proklamation des Burgfriedens zum Schlagwort gewordenen Politik der „Neuorientierung" verstand. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage nach der „Machtverteilung zwischen Regierung und Volksvertretung", 2 also die Frage nach der als möglich oder unmöglich angesehenen Parlamentarisierung von Reich und Preußen. Damit war zugleich die Frage nach Funktion und Position der einzelnen Parteien und des Parteiensystems überhaupt innerhalb einer „neuorientierten" Verfassungswirklichkeit verbunden. Ernst Fraenkel hat mit Nachdruck auf die historischen Vorbelastungen des deutschen Parlamentarismus hingewiesen:3 Der Bismarcksche Verfassungs1
Vgl. den nachfolgenden „Bericht", unten S. 234.
2
Vgl. „Bericht", unten S. 251.
3 Vgl. Emst F r a e n k e l , Historische Vorbelastungen des deutschen Parlamentarismus, in: Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart 1964, S. 13 ff. Vgl. im selben Band
ÜBER DIE INNERPOL. ENTWICKLUNG WÄHREND DES KRIEGES
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kompromiß von autoritärer Regierungsform und quasiparlamentarischer Struktur und die Divergenz zwischen der verfassungspolitischen Entwicklung im Reich und in Preußen verhinderten das Zustandekommen eines funktionierenden parlamentarischen Regierungssystems. Die Ausschließung der Parlamentarier von Regierungsfunktionen begünstigte die weder zu einem personalnoch zu einem sachpolitischen Kompromiß gezwungene und letztlich niemandem verantwortliche Agitation der Parteien im Parlament. Die Parteien wurden zwischen starrer Bindung an eine Ideologie und taktischem Nachgeben gegenüber wirtschaftlichen und sozialen Interessen hin und her gerissen. Das Parlament galt nicht als jener Ort, an dem die divergierenden Interessen ausgetragen und schließlich ausgeglichen wurden. Vielmehr verstand sich der einzelne Parlamentarier allein als Abgesandter des ganzen Volkes, als „Volksbote", und nicht auch als Vertreter von Partikularinteressen. Diesem mystifizierten Volksbegriff setzte die Regierung — und das wird in der vorliegenden Denkschrift des preußischen Innenministeriums besonders deutlich — einen ebensolchen mystifizierten Staatsbegriff entgegen, dessen Legitimation sich in dem nebulösen Begriff eines irgendwie gearteten Gemeinwohls finden sollte. So heißt es in der Denkschrift, die Regierung müsse als Repräsentant des Staates die Neuorientierung bringen, müsse Herr über die Parteien bleiben, über die Köpfe der Parteien hinweg ihren Willen durchsetzen, und sie dürfe ihre Politik nicht parteipolitisch absichern. Der innerpolitische Zustand Preußen-Deutschlands werde nach dem Kriege ein anderes Gesicht haben als vor Kriegsausbruch, doch ende der Weg der Regierung dort, wo die Demokratie den ihren zu beginnen wünsche: vor Verfassungsproblemen, nämlich vor der Frage nach der Verteilung innenpolitischer Macht zwischen Regierung und Volksvertretung. Im vorliegenden Dokument werden die verschiedenen Gründe für die Ablehnung der Parlamentarisierung des Reiches und Preußens genannt, die — zusammen mit konkreten sozialen Interessen — sowohl im Staatsverständnis der preußischen Regierung als auch in ihrem Antiparteienaffekt zu suchen sind. Bezeichnend ist, daß die Wahlrechtsfrage, die durch die Demonstrationen der Sozialdemokratie schon vor dem Weltkrieg zu einem zentralen innenpolitischen Thema Preußens geworden war, nicht ausdrücklich, sondern nur kursorisch abgehandelt wird. Mit zunehmender Dauer des Krieges wurde aber die Notwendigkeit des Verfassungswandels immer wichtiger, wenn den kämpfenden Soldaten und der leidenden Bevölkerung nachgewiesen werden sollte, daß sie in Deutschland mitregierten und daß sie als Subjekte Ernst F r a e n k e 1, Die repräsentative und plebiszitäre Komponente im demokratischen Verfassungsstaat, besonders S. 95 ff., und Gerald D. F e l d m a n , Army, Industry, and Labor in Germany 1914—1918, New Jersey 1966, S. 11 ff.
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und nicht als Objekte des Staates den Krieg mitführten. 4 Umgekehrt ist in diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, ob die deutschen Parteien während des ersten Weltkrieges überhaupt das parlamentarische Regierungssystem anstrebten. Grosser kommt zu dem Ergebnis, daß das konstitutionelle Regierungssystem den Parteien die Durchsetzung sozialer und wirtschaftlicher Interessen ermöglichte, sie also nicht unbedingt nach voller politischer Macht innerhalb eines parlamentarischen Regierungssystems streben mußten. Vor 1914 fand sich unter den deutschen Parteien keine Mehrheit für die Parlamentarisierung. Erst im Herbst 1916 bahnte sich eine linke Mehrheit aus Teilen des Zentrums, der Nationalliberalen, der Fortschrittlichen Volkspartei und der Sozialdemokratie an, die sich in ihrer Forderung nach innenpolitischen Reformen einig war. Doch scheiterte der Übergang zum parlamentarischen System an den Mittelparteien, an Zentrum und Nationalliberalen, die befürchteten, daß sich Sozialdemokratie und Fortschritt gegen sie durchsetzen und sie in die Opposition drängen würden. 5 Grosser stellt die These auf, daß das deutsche Parteiensystem, wie es sich während des Krieges entwickelt hatte, „keineswegs eine völlig ungeeignete Basis für das parlamentarische System darstellte", da einige der Voraussetzungen zum Funktionieren des Parlamentarismus — wie die Abschwächung ideologisch-prinzipieller Gegensätze zwischen den Parteien, die Loslösung der Parteien von ökonomischen und sozialen Sonderinteressen und das Vorhandensein ministrabler Abgeordneter in den Parlamentsfraktionen — durchaus gegeben waren. 6 4
Vgl. Arthur R o s e n b e r g , Entstehung der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1961, S. 82, und Dieter G r o s s e r , Konstitutionalismus und Parlamentarismus. Das parlamentarische Regierungssystem im Urteil der deutschen Parteien 1907—1918, Habil. Sdirift FU Berlin 1967, S. 316. An dieser Stelle möchte ich Herrn Grosser nochmals dafür danken, seine bisher unveröffentlichte Arbeit einsehen zu dürfen. Sie wird noch in diesem Jahr unter dem Titel „Vom monarchischen Konstitutionalismus zur parlamentarischen Demokratie. Die Verfassungspolitik der deutschen Parteien im letzten Jahrzehnt des Kaiserreichs" bei Nijhoff, Den Haag, erscheinen. Die Haltung der preußischen Regierung, ihr antiparlamentarischer und antiparteilichet Affekt, läßt sich aus den Protokollen der Sitzungen des Königlichen Staatsministeriums ebenfalls ablesen. So bemühte man sich während des Krieges, Einfluß darauf zu gewinnen, daß das preußische Herrenhaus und Abgeordnetenhaus nur selten und dann nur kurz zusammentraten, um der „Staatsregierung freie Hand zu verschaffen". Zu Beginn des Krieges einigte man sich auf folgende Taktik im Landtag: Sollte die Sozialdemokratie auf die Wahlrechtsfrage eingehen, so wollte man keinerlei bindende Erklärung abgeben und lediglich darauf hinweisen, daß die Wahlrechtsreform zu den unter den Parteien umstrittenen Fragen gehöre und ihre Erörterung die Einmütigkeit der Parteien gefährden könne. Vgl. Protokoll der Sitzungen des Königlichen Staatsministeriums vom 29. August 1914 und 6. Februar 1915 in den Akten des Preußischen Justizministeriums (Bundesarchiv Koblenz P 135/1985). 5 Vgl. G r o s s e r , a. a. O., S. 7 f., 259, 286 f., 298 f., 310, 461 f. 6 Vgl. G r o s s e r , a. a. O., S. 468 ff.
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Aus der vorliegenden Denkschrift geht hervor, daß das preußische Innenministerium die Entwicklung der einzelnen Parteien und die Veränderungen des Parteiensystems während des Krieges sehr scharf zu analysieren verstand. Hier wurde erkannt, daß schon bald nach Abschluß des Burgfriedens — unmittelbar provoziert durch die Lebensmittelknappheit — die wirtschaftlichen und ideologischen Gegensätze der Parteien wieder durchbrachen und daß die weitgehende Identität von Wirtschafts- und Parteipolitik notwendig im unüberbrückbaren Konflikt der Interessen mündete. Die Parteien blieben — mit Ausnahme des Zentrums — auch während des Krieges „Agenturen der Verbände", so daß sie ihre dogmatische Einstellung zu politischen Fragen nicht aufgaben. 7 Gleichwohl wird vermerkt, daß die bisher oppositionellen Parteien sich wegen der integrierenden Wirkung des im Kriege mobilisierten Nationalismus dem Staate zuzuwenden begannen. Liberalismus und Sozialdemokratie konnten jetzt relativ leicht zusammenarbeiten und durch die — wenn auch noch als unwahrscheinlich angesehene — Gewinnung des Zentrums im Reichstag eine Mehrheit bilden. In dem Augenblick, in dem linker Flügel des Zentrums und des Liberalismus sich mit der Sozialdemokratie zusammenschlössen — wie es im Reich 1917 dann auch tatsächlich geschah —, erwuchs dem konstitutionellen System ein erbitterter Gegner im Parlament. 8 Diese Gefahr wurde zwar als theoretische Möglichkeit gesehen, doch zunächst als irrelevant abgetan. Die preußische Regierung glaubte nicht nur, ihre Politik von den Parteien losgelöst durchsetzen zu können, sondern durch die Polarisation des Parteiensystems blieb der Regierung auch faktisch die politische Entscheidungsfunktion überlassen: Die Rechte agitierte für nationalpolitische Ziele und gegen Reformen, die Linke für liberale Reformen nach dem Kriege, war aber skeptisch gegenüber „machtpolitischen Forderungen". So sah sich das preußische Königliche Staatsministerium gerade durch das Verhalten der Parteien darin bestätigt, die Beteiligung der Parteien am Staat durch eine eventuelle Parlamentarisierung auch weiter abzulehnen. Der AntiparteienafFekt der Reichsregierung und des preußischen Staatsministeriums, den die Vorurteile des Bürgertums gegen die Parteien — die Reichsgründung als das Werk Bismarcks und nicht der Parteien; der Wandel der Parteien von der Honoratiorenzur Massenorganisation als Widerspruch zum Ideal der kraftvollen Individualität etc. — nur verstärkten, stabilisierte das konstitutionelle Regierungssystem. Trotz der Schärfe der Analyse bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen, die sich in den Parteien manifestierten, vermochten es die Verfasser der Denkschrift nicht, mit ihrer Konzeption von der Neuorientierung der T
Vgl. F r a e n k e l , a. a. O., S. 29.
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Vgl. R o s e n b e r g , a . a . O . , S.45 und G r o s s e r , a . a . O . , S. 299 f.
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Politik die endgültig aufreißende Kluft zwischen Staat und Gesellschaft auch nur theoretisch zu schließen. Längere Passagen des „Berichts über die innerpolitische Lage" handeln über die deutsche Sozialdemokratie. Dabei wird betont, daß die SPD 1914 nicht gegen die Volksstimmung auftreten konnte und daß sie durch ihre Bereitschaft zur Bewilligung der Kriegskredite das Odium unnationaler Gesinnung verloren habe. Daher könne nicht mehr daran festgehalten werden, „daß der Sozialdemokratie ein den anderen Parteien nebengeordneter Platz im nationalen politischen Leben" zukommt. 9 Vielmehr sei die Eingliederung der Sozialdemokratie eines der Probleme, die im Krieg gelöst werden müßten. Soweit die Sozialdemokratie den Klassenkampf in der alten Form nicht fortführe, dürfe sie auch gesellschaftlich und politisch nicht mehr geschnitten werden. Tatsächlich bestand zwischen der sozialdemokratischen Fraktionsführung im Reichstag und Bethmann Hollweg so etwas wie ein persönliches Vertrauensverhältnis. 10 Im November 1914 beschloß das preußische Staatsministerium auf Anregung des Innenministers von Loebell, daß die Aufsichtsbehörden „nach sorgfältiger Prüfung" auch sozialdemokratische Kommunalbeamte in ihren Ämtern bestätigen sollten,11 so daß die bisherige prinzipielle Ausschließung der Sozialdemokraten von öffentlichen Ämtern wenigstens partiell durchbrochen wurde. Es gab also durchaus konkrete Ansätze für eine Integrierung der sozialdemokratischen Arbeiterschaft in den Staat, die jedoch dort ihre Grenze fanden, wo die Beteiligung der SPD und anderer Parteien an der Regierung hätte beginnen müssen und wo die konstitutionelle von der parlamentarischen Monarchie abgelöst worden wäre. 12 9 10
Vgl. „Bericht", unten S. 242. Vgl. Fritz F i s c h e r , Griff nach der Weltmacht, 3. Aufl. Düsseldorf 1964, S. 431.
11
Vgl. Wolfgang R u n g e , Politik und Beamtentum im Parteienstaat. Die Demokratisierung der politischen Beamten in Preußen zwischen 1918 und 1933, Stuttgart 1965, S. 47 ff. 12 Das Königliche Staatsministerium war sichtlich bemüht, der Sozialdemokratie wenigstens verbal entgegenzukommen. So einigte sich die Staatsregierung bei der Vorbereitung einer Sitzung des Abgeordnetenhauses darauf, gegenüber der SPD zu erklären, daß die „Interessengegensätze innerhalb unseres Volkes" während des Krieges so gemildert werden würden, „daß auch späterhin die Stellung der Staatsregierung zur Sozialdemokratie eine andere sein könne, als sie es in vergangenen Zeiten unter dem Zeichen des Klassenkampfes hätte sein müssen". Vgl. Protokoll der Sitzung des Königlichen Staatsministeriums am 6. 2. 1915 in den Akten des Preußischen Justizministeriums (Bundesarchiv Koblenz P 135/1985). Es muß allerdings betont werden, daß die zögernden und zaghaften Schritte der preußischen Regierung gegenüber der SPD ohne eine Änderung des Wahlrechts und ohne die Parlamentarisierung Preußens und des Reiches unglaubwürdig blieben und die innenpolitische Zuspitzung der Jahre 1917/18 eher provozierten als verhinderten.
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Die innenpolitischen Auseinandersetzungen der Parteien während des Krieges wurden in der Haltung der Parteien zu außenpolitischen Fragen reflektiert: So versuchte z. B. die politische Rechte mit der Formulierung „positiver" Kriegsziele das monarchisch-konstitutionelle System zu erhalten. Auch in der vorliegenden Denkschrift wird dieser enge Zusammenhang zwischen innenpolitischer Position und außenpolitischer Forderung bei den einzelnen Parteien ausgeführt. Zwar hatte sich die Diskussion um die deutschen Kriegsziele im Herbst 1915 noch nicht zur Alternative des Frühjahrs 1917 — Verständigungsfriede oder Siegfriede — zugespitzt, 13 doch wurde in der Benennung des „Hauptfeindes" die eigene innenpolitische Zielsetzung deutlich: etwa England und Frankreich als Hort der Demokratie und des Parlamentarismus oder Rußland als Hort der Reaktion. Die Debatte der Parteien um die deutschen Kriegsziele hatte, wie die Verfasser des „Berichtes" nachzuweisen suchen, innenpolitische Motive. Zugleich wurde dabei der Burgfriede weiter durchlöchert und dem „Parteienhader" Raum gegeben, dem die Regierung verständnislos gegenüberstand. Friedrich Wilhelm G. von Loebell (1855—1931) war Preußischer Minister des Innern von 1914—1917, also in jener Zeit, in der die unten veröffentlichte Denkschrift entstand. Er gehörte zu jenen altpreußisch-konservativen Politikern, die für eine weitgehende Annexion im Osten und für die Germanisierung des polnischen Grenzstreifens eintraten, ohne zugleich russisches Gebiet besetzen zu wollen.14 Innenpolitisch repräsentierte von Loebell im preußischen Staatsministerium jene konservative Opposition, der es im Frühjahr 1917 gelang, die von Bethmann Hollweg vorgeschlagene Einführung des Reichstagswahlrechts für Preußen zu verhindern. 15 Die Genesis des nachfolgend veröffentlichten Dokuments hat sich nicht vollständig aufklären lassen. Der Herausgeber hat das Schriftstück von einer ehemaligen Sekretärin der sozialdemokratischen Fraktion des preußisdien Landtags erhalten. Sie hatte nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Frühjahr 1933 einige wenige, zufällig herausgegriffene Teile der Akten der SPD-Fraktion an sich genommen, um sie vor dem Verbrennen oder dem Zugriff durch die Nationalsozialisten zu bewahren. Darunter befand sich die Denkschrift. Aus einem Schreiben des preußischen Landtagsabgeordneten Ernst Brandenburg (SPD) vom 9. August 1930 an den Vorsitzenden seiner Fraktion, Ernst Heilmann, geht hervor, daß Brandenburg dieses Aktenstück zusammen mit anderen Akten kurz vor dem Kapp-Putsch „an sich genommen" 13 14 15
Vgl. F i s c h e r , a. a. O., S. 429. Vgl. F i s c h e r , a.a.O., S. 132, 347ff. Vgl. F i s c h e r , a. a. O., S. 439.
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hatte und er es jetzt dem Archiv der SPD oder dem Archiv der Fraktion zur Verfügung stellen wolle. Wie die Denkschrift in die Hände Brandenburgs gelangt ist, konnte nicht festgestellt werden. Die Vermutung, daß Brandenburg vor dem Kapp-Putsch als politischer Beamter im preußischen Innenministerium oder in einer Stelle des Berliner Polizeipräsidiums gearbeitet habe und so während der Krise im März 1920 leicht Zugang zu den Akten des Innenministeriums oder des Staatsministeriums gehabt haben könnte, war nicht zu bestätigen. Die genaue Herkunft dieses Archiv-Sprengstücks ließ sich also nicht klären. Ebenso konnten die Archive der D D R nicht benutzt werden, um die einzelnen Phasen der Entstehung der Denkschrift im preußischen Innenministerium an Hand der vorliegenden Materialien nachzuvollziehen. Dennoch läßt sich mit Sicherheit sagen, daß die Marginalien von der Hand Wilhelms II. stammen. Sie werden, soweit sie überhaupt von politischer Relevanz sind und nicht lapidare Bemerkungen wie „richtig" oder „ j a " enthalten, in den Fußnoten angegeben. Die längeren Ausführungen am Ende der Denkschrift entstammen nicht der Hand Wilhelms II. Sie wurden vermutlich durch Schreiberhand nach Diktat des Monarchen aufgenommen und sind in dieser Publikation in einer Fußnote dem Text der Denkschrift angefügt. Stil und Rechtschreibung wurden — soweit nicht offensichtlich Irrtümer im maschinenschriftlichen Manuskript vorlagen — unverändert gelassen. Der „Bericht über die innerpolitische Entwicklung während des Krieges" wird im folgenden ungekürzt veröffentlicht. B. 22. Nov. 1915 BERICHT ÜBER DIE INNERPOLITISCHE ENTWICKLUNG WÄHREND DES KRIEGES. 1
In den drei großen Kriegen, die Deutschland vor diesem Weltkriege geführt hat, waren die Behauptung und Erweiterung der äußeren Macht verbunden mit der Lösung großer innerpolitischer Fragen. In den Jahren 1813—1815 galt es die Erringung der Freiheit zu nationaleigenem innerpolitischem Leben überhaupt. Die Kriege 1866 und 1870/71 waren verbunden mit den beiden großen entscheidenden Phasen der deutschen Einheitsbewegung: der Bestätigung der preußischen Vormachtstellung und der Gewinnung von Umfang und Rechtsform des Deutschen Reiches. Vor allen drei Kriegen war der innerdeutsche Zustand als unbefriedigend empfunden worden, und zwar nicht nur von einzelnen Gruppen und Klassen, sondern von der Gesamtheit der urteilsfähigen Deutschen. 1
Schaulen 13. XII. 15., W., vollkommen einverstanden.
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Der Ausbruch des Krieges im August 1914 traf das deutsche Volk mitten in einer ruhigen Entwicklung, die nahezu auf allen Gebieten des geistigen, des wirtschaftlichen, des öffentlichen Lebens seit Jahrzehnten rüstig vorwärts schritt. Der größte Teil der Entwicklungshemmungen war überwunden, die sich ergeben hatten im Zuge der rapiden Entfaltung des industriellen Lebens und des Kapitalumlaufs, durch den rasch vollzogenen Eintritt Deutschlands in den Weltmarkt, durch den schnell erfolgten Aufbau der Sozialpolitik und den zweimal in kurzer Zeit vorgenommenen Wechsel der Agrarpolitik. Das stets schwierige und in Deutschland besonders umkämpfte Verhältnis zwischen industriellen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war sichtlich entlastet, seitdem durch die Organisation der Arbeitgeber die Durchführung von Streikbewegungen erheblich erschwert worden war. Abnahme und wachsende Mißerfolge der Streiks bewiesen diese Tatsache ebenso deutlich, wie das prozentual stärkere Wachstum der wirtschaftsfriedlichen und der christlichen Arbeiterorganisation gegenüber den freien, sozialdemokratischen Gewerkschaften. Nichts sprach dafür, daß der Rest ungelöster Fragen des nationalen Lebens nicht auch im Verlauf der friedlichen, durch keinerlei äußere Katastrophen unterbrochenen Entwicklung zur Lösung gebracht werden konnte. Wenn es je eine Epoche deutscher Geschichte gegeben hat, die zur Lösung ihrer wichtigsten Probleme außerordentlicher Mittel n i c h t bedurft hat, so war es das Zeitalter friedlicher deutscher Kulturentwicklung, in das hinein der Blitz des Kriegsausbruches schlug. Auch die scheinbar schwierigsten und tatsächlich zu schwer genommenen Fragen, die der Parteipolitik und des Verhältnisses der einzelnen Parteien zu Regierung und Staat, waren im letzten Jahrzehnt mehr und mehr auf den Weg zu befriedigender Beantwortung eingelenkt bzw. geleitet worden. Gerade diejenigen Parteien, mit denen die Regierungen Preußens und des Reiches am schwersten und oft unter den ungünstigsten Bedingungen hatten kämpfen müssen, Sozialdemokraten, Freisinnige und Zentrum, waren in kurzer Zeit mehr oder minder schwer innerlich getroffen. Die Freisinnigen hatten nadi einer Folge von Niederlagen die Konsequenz gezogen, daß sie mit der Aufgabe ihrer Opposition in nationalen Fragen Anlehnung an den mehr gemäßigten Liberalismus suchten. Dem Zentrum war in nachdrücklicher parlamentarischer Niederlage das oppositionelle Zusammengehen mit der Sozialdemokratie verleidet worden. Die Sozialdemokraten, erst in einem unglücklichen Wahlkampf zu der Erkenntnis wenigstens ihrer wahltaktischen Uberwindbarkeit geführt, sahen sich nach dem großen Sieg der Reichstagswahlen von 1912 gezwungen, positiv mitzuarbeiten, wenn sie die ihren Interessen und ihrer parlamentarischen Machtstellung günstige Mehrheit der Linken zusammenhalten wollten. Der den meisten Sozialdemokraten selbst überraschend gekommene Erfolg verleitete sie nur vorübergehend zum parla-
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mentarischen Ubermut. Binnen kurzem sahen die Führer ein, daß die für die Sozialdemokratie mutmaßlich überhaupt zu erringende Höchstmacht eine parlamentarische Ohnmacht bleiben müsse, ohne eine grundsätzliche Änderung ihrer Taktik und Praxis im Parlament. Die Fraktion trat deshalb als stärkste Macht in eine Mehrheit der Linken. Das bedingte in gewissem Umfange positive Mitarbeit, eröffnete aber einerseits die Möglichkeit, durch do, ut des eigenen politischen und wirtschaftlichen Forderungen eine Mehrheit zu gewinnen, auf der anderen Seite die Hoffnung, allmählich den Liberalismus mehr und mehr demokratisch zu durchdringen und sozialdemokratischer Werbearbeit zugänglich zu machen. Eine radikal-sozialistische Gruppe widerstrebte schon im Frieden dem klugen taktischen Vorgehen der Parteimehrheit. Die gesamte parteipolitische Lage in Deutschland war jedenfalls vor dem Kriege in einer Bahn, die wohl zu Kämpfen führen mußte, keineswegs aber zu solchen unerträglichen Verwicklungen, deren Lösung kaum anders als durch das reinigende Gewitter einer auswärtig-politischen Explosion zu erwarten war. Das innere nationale Leben Deutschlands wies bei Kriegsausbruch nirgends ein Problem auf, dessen Entwirrung vom ausgebrochenen Kriege und seinen Erfolgen unmittelbar und allgemein erhofft und erwartet werden konnte. Im Gegensatz zu den vergangenen Kriegen bot sich eine natürliche, vom Bewußtsein der Volksgesamtheit sofort und elementar ergriffene Verbindung des Krieges mit der inneren Politik nicht dar. Gerade dieser Umstand schafft jetzt die große Schwierigkeit für die Deutung des organischen Zusammenhanges zwischen den Erschütterungen des Krieges und ihren Wirkungen auf die Fortentwicklung der inneren Politik. Denn stellte die innere nationale Lage auch dem Kriege nicht von vornherein eine besondere Aufgabe, so ist es doch selbstverständlich, daß auch dieser Krieg auf die innere Politik gewirkt hat und wirken wird und dementsprechend neue Situationen hervorbringt und neue Aufgaben stellt. Der große Unterschied ist nur der, daß 1813, 1866 und 1870 der vorangegangene innerpolitische Zustand des Friedens dem Kriege und seinem Ergebnis die Aufgabe zuwies, während gegenwärtig der Krieg selbst der kommenden inneren Politik des Friedens eine Reihe schwerer Fragen zur Beantwortung anheimgibt. Dieser Unterschied allein verbietet es, die historische Vergangenheit zum Vorbild und Muster für die Gegenwart zu nehmen. Nur einige wenige Einzelfragen gestatten den rein äußerlich zu verstehenden Hinweis auf eine Parallelität der Ereignisse. Für die durch den Krieg gebotenen neuen innerpolitischen Aufgaben und die neuartige Durchführung alter Aufgaben ist maßgebend die innerpolitisdie Lage, die der Krieg geschaffen hat. Bei der Beurteilung dieser Lage müssen jedoch unbedingt unterschieden werden diejenigen Erscheinungen, die, vom
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Kriege erzeugt, mit dem Kriege wieder vergehen, von denjenigen innerpolitischen Wandlungen und Veränderungen, die als fortdauernde Wirkung des Krieges angesprochen zu werden verdienen. Zur Zeit scheint es, daß allgemein eine viel zu große Zahl aktueller, mit dem Kriege als solchem zusammenhängender Stimmungen und Situationen für bleibende neue Bedingungen des innerpolitischen Lebens angesehen werden. Es ist nur notwendig zu beobachten, wie sehr sich schon während der vergangenen Kriegsmonate die politischen Stimmungen, die Ideen vom Neubau der inneren Politik im Volke geändert haben, um von einer Überschätzung der bisherigen Wirkungen des Krieges auf die innerpolitische Lage im ganzen und in den Einzelheiten geheilt zu werden. Die seltene Treue, mit der der Deutsche in N o t und Tod an der Verfechtung seiner nationalen Ideale gegen das feindliche Ausland festhält, hat nicht ihr Gegenstück an der Treue gegenüber dem innerpolitischen Idealismus, der sich bisweilen an großen und an frohen Ereignissen entzündet. An dem Versuche, von der innerpolitischen Schwungkraft eines glücklichen Momentes mehr tragen zu lassen, als einen großen innerpolitischen Augenblickserfolg, ist die deutsche Staatskunst mehr als einmal in naher und ferner Vergangenheit gescheitert. Sehr im Gegensatz zu anderen Völkern zieht dies tüchtigste Volk der Gegenwart für die Behandlung seiner eigenen Angelegenheiten die Nüchternheit, Sorglichkeit und Geschäftigkeit des Alltags einer lange andauernden innerpolitischen Sonntagsstimmung vor. Das zeigten auch die Abwandlung und Strömung der inneren nationalen Stimmungen und Ideen während des vergangenen Kriegsverlaufes sehr deutlich. Der dem gesamten Volke mit Ausnahme der wenigen, die die Tragweite der österreichisch-ungarischen Note an Serbien übersahen, vollkommen überraschend kommende Kriegsausbruch schuf auch innerpolitisch eine außergewöhnliche Lage. Die sich überstürzende Gewalt der auswärtig-politischen Ereignisse erzeugte zunächst Bestürzung, Verblüffung. Ehe irgendwelche auf einem stichhaltigen Urteil begründete Besorgnis aufkommen konnte, ehe die Parteien sich irgendwie sammeln und scheiden konnten, auch wenn es in ihrer Absicht gelegen hätte, trieb der weltpolitische Konflikt zu der gegen Deutschland gerichteten kriegerischen Explosion. Das Volk sah sich in den Zustand dringendster Notwehr versetzt. Die gewaltige Erschütterung der nationalen Gemüter fand in einer durch keine Überlegung komplizierten, geradlinigen und darum so großartigen patriotischen Begeisterung ihren Ausdruck. Eindringlicher, als nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte angenommen werden konnte, sprach aus dem deutschen Volk ein nationaler Wille gegen das Ausland, ein Wille, der sich in der auf der preußischen Tradition gegründeten neuen Geschichte des Reiches fast unbemerkt und vielfach unbewußt so stark entwickelt hatte, daß aller parteipolitischer Eigenwille und Eigensinn 15
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zunächst fast vollends niedergedrückt wurde. Es zeigte sich jetzt, eine welche Fülle nationalen Ehrgeizes und Stolzes in diesem Volke gewachsen war. Es zeigte sich, daß ganz im Gegensatz zur historischen Fama die Deutschen viel spontaner allen innerpolitischen Streitigkeiten und Zerwürfnissen den Rücken kehren als Franzosen und Briten, wenn das Vaterland in Gefahr steht und die Wege des nationalen Ehrgeizes sich öffnen, des Ehrgeizes, den die kühne Politik der großen preußischen Könige dem Volke in die Seele gelegt hatte. So fremd und wider die Natur dem Deutschen Regungen eigentlichen Hasses gegen das Ausland, gegen den Feind sind, so eigen und natürlich ist ihm die Liebe zu Größe, Ehre und Ruhm geworden. Gehässigkeit gegen einen oder den anderen unserer Feinde lebt nur in Zeitungen und wird von ihnen nicht selten in Verfolg irgendwelcher Sonderinteressen gepflegt. Nationaler Ehrgeiz ohne Rücksicht auf alle Feinde lebt im ganzen Volke, und wo er in einer oder der anderen Richtung bekämpft wird, geschieht es entweder ebenfalls im Verfolg von Sonderinteressen oder aus Doktrinismus. Bei Würdigung und Wertung der nationalen Stimmung vom August 1914 und der bis heut unverkümmert gebliebenen Waffenfreudigkeit der Volksgesamtheit darf keinesfalls die Schwungkraft eines gewaltig gespannten nationalen Ehrgeizes außer Rechnung bleiben. Der im wesentlichen doch negative Wille zur Verteidigung hätte nie und nimmer für die Dauer vermocht, was der Wille zur Größe und zum nationalen Ruhm leistet. Der gerade und einhellig gegen das Ausland gewandte nationale Wille fand nach innen gegenüber dem eigenen Staat sein natürliches Widerspiel in einem unvermittelt und manchem unvermutet aufkommenden Glauben an die Autorität, insbesondere an die Kraft und das alleinige Vermögen der Monarchie zur Führung. Mit dem Augenblick, in dem das Volk verstand, daß es galt, die gesammelten moralischen und physischen Kräfte Deutschlands nach außen einzusetzen, fand es zurück zu der Unterordnung unter die Monarchie, die dem Deutschen von je in Blut und Herz gelegen hat, die durch die von der preußischen Monarchie in Deutschland erfüllten Aufgaben in der modernen deutschen Geschichte neues Leben gewonnen hat. Ein jedes Volk klammert sich beim Hereinbruch auswärtiger Gefahren fester an die bestehende Regierungsgewalt, als es im Frieden gewohnt war. Doppelt gilt das vom deutschen Volke, das ohne Autorität und Autoritäten auch da nicht leben mag, wo es demokratischen Einrichtungen und Bewegungen folgt. Wenn bei Kriegsausbruch dem Deutschen Autorität und Monarchie sogleich eins wurden unter Umgehung aller Zwischenautoritäten einschließlich der sonst mächtigen Parteiführungen, so sprach neben dem altererbten monarchischen Gefühl maßgebend mit, daß die Krone selbst im entscheidenden Augenblick entschlossen die Führerschaft an sich nahm. So wurde der an sich notwendige Vorgang der
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Einswerdung innerer Herrschaft über allen Spaltungen und äußerer Führung des einmütigen nationalen Wollens beschleunigt und die Großartigkeit dem Volke zum Erlebnis gemacht durch die Initiative der Krone. Gegen die aus dem geschichtlichen Augenblick geborene einige Kraft, von der das deutsche Volk im August 1914 durchdrungen war und gleichsam naturgewaltig getragen ward, konnte keine Partei, kein Stand, keine Klasse mit irgendwelcher Aussicht auf Nachfolge im Volke angehen. Willen und Stimmung der Nation waren über die Parteigedanken längst hinweggeschritten, als die Parteien an Entschlußfassung und Meinungsäußerung denken konnten. Sie waren in der Tat vom Tage des sichtbaren Ausbruches der Weltkrisis an ohnmächtig, wie sehr sich die Führer auch immer den Anschein geben mochten, als wären die Parteiorganisationen noch Herr des Volkswillens. Die Parteien Deutschlands waren bei und kurz vor Kriegsausbruch nur noch als Parlamentsgruppen vorhanden, und diejenige Fraktion des Reichstags, die im August 1914 vom Wege der allgemeinen nationalen Stimmung abgewichen wäre, hätte rettungslos der Partei ein ebenso katastrophales wie unrühmliches Ende bereitet. Im August 1914 war die Machtverteilung unter den Fraktionen des Reichstags als Ausdruck des Volkswillens tatsächlich nur noch eine Fiktion. Die spätere politische Entwicklung erst schuf aufs neue die Anfänge zu einem wirklichen Zusammenhange zwischen Partei- und Volksmeinungen, wobei jedoch das im Felde stehende Volk in Waffen außer Rechnung bleiben muß. 2 In der mit dem Nahen und dem Ausbruch des Krieges eingetretenen Loslösung der Volksstimmung und des nationalen Willens von aller Parteimeinung ist auch unbedingt die Erklärung zu suchen für die Haltung der Sozialdemokratie. Daran kann nichts geändert werden durch die späteren geschickten und scharfsinnigen Versuche sozialdemokratischer Publizisten und Politiker, den Kriegspatriotismus der Parteileitung zu begründen mit alten Parteigrundsätzen und Parteitagsbeschlüssen oder mit weit ausschauenden politischen Plänen und innerpolitischen Erwartungen. Als die Führung der sozialdemokratischen Partei sich über ihre Haltung in der ersten Kriegssitzung des Reichstags schlüssig werden mußte, gab es in der einen Frage, der das Volk lebte und zu der Stellung zu nehmen war, keine Sozialdemokraten mehr, geschweige denn eine der letzten sozialdemokratischen Wählerzahl entsprechende Masse. Das wußten die klugen und vorsichtigen sozialdemokratischen Führer sehr wohl. Sie wußten, daß sie bei negativer Haltung alles, bei zustimmender gar nichts wagten. Nichts kann unberechtigter sein, als die zuweilen gehörte Frage: „Wie wäre es geworden, wenn die Sozialdemokratie nicht in die nationale Front eingeschwenkt wäre?" Zu einer Unterschätzung der Geschick2
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Aber nicht für die Zeit nach dem Kriege.
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lichkeit und Voraussicht der sozialdemokratischen Führung, die zu dieser Frage führen konnte, hat die Sozialdemokratie bisher niemals den geringsten Anlaß gegeben. Keine deutsche Partei hat über einer schwierigen Gegenwart jemals weniger die Zukunft vergessen als sie. Auch nicht das Zentrum. Eine ablehnende, unpatriotische H a l t u n g der sozialdemokratischen Führung — und nur um diese konnte es sich handeln — hätte im schlimmsten Falle zu einigen mehr oder minder turbulenten Demonstrationen einer Anzahl organisierter Fanatiker geführt. Der kümmerliche Verlauf der Friedensdemonstrationen des Juli konnte der Parteileitung erneute Versuche in ähnlicher Richtung kaum empfehlenswert erscheinen lassen. D a f ü r aber wäre die fernere Existenz der Partei überhaupt aufs Spiel gestellt worden. Die sozialdemokratische Sache hätte ihren in jahrzehntelanger emsiger und umsichtiger P r o p a g a n d a und T a k tik gewonnenen breiten Boden im Volke mit einem Schlage verloren und würde sich nach dem Kriege, bzw. bei der ersten Neuwahl wiedergefunden haben als die kleine radikale Organisation, die sie ausgangs der siebziger J a h r e des neunzehnten Jahrhunderts gewesen war. D i e an die Arbeit im Staat und mit den Staatseinrichtungen im Frieden schon gewohnten, im Kriege auf sie angewiesenen Gewerkschaften, denen die an Vaterland, S t a a t und Nationalwirtschaft interessierten Industriearbeiter angehören, hätten möglicherweise der sozialdemokratischen Partei vollends und endgültig aufgesagt. Die sozialdemokratischen Führer, die Seelen- und Geistesrichtung der deutschen Arbeiterschaft zu wohl kennen, wußten lange, daß in der Stunde großen nationalen Schicksals nie und nimmer der sozialdemokratische Parteigedanke den K a m p f aufnehmen konnte mit dem Nationalgefühl. Daher schon im Frieden die wiederholten lauten Betonungen patriotischer Gesinnung bei faktisch unpatriotischer Politik. Der große Vorteil, den die H a l t u n g der Sozialdemokratie nach außen und im Inneren für Deutschland gebracht hat, wird nicht geringer angeschlagen, wenn den Gründen einiges von ihrer nachträglich hineingelegten Idealisierung und Voraussicht genommen wird. Die Tatsache, daß die Sozialdemokratie mit ihrer Haltung bei Kriegsbeginn auch parteipolitisch a m besten ihre Rechnung fand, kann auch nichts daran ändern, daß eben diese H a l t u n g zunächst der künftigen inneren Politik andere, neue Voraussetzungen geschaffen hat. Die Reichs- und Staatsleitung hat es j a weniger mit den Motiven, als mit den Leistungen der Parteien zu tun. D i e alten und in den meisten Beziehungen bleibenden Gegner der Sozialdemokratie werden es jedoch in Erkenntnis der klugen und realistischen Rechnung der Sozialdemokratie angesichts des übermächtigen und einmütigen nationalen Willens bei Kriegsausbruch späterhin ablehnen, die sozialdemokratische H a l t u n g mit dem Gemüt und idealistisch zu begreifen. D a s wird in den kommenden politischen K ä m p f e n in dem Maße
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verstärkt zum Ausdruck kommen, in dem die Sozialdemokratie auf ihre Haltung im Kriege parteipolitische Ansprüche im Frieden gründet. Ansprüche, die bei den generell abwegigen Strebungen der Sozialdemokratie meist auf den entschlossenen Widerstand derjenigen Parteien stoßen werden, für die sich die Haltung beim Ausbruch des Krieges selbstverständlich aus ihrer allgemein auch im Frieden bewährten Gesinnung ergab. Die Forderung der Erhaltung des Burgfriedens, die nach Erklärung des Belagerungszustandes die militärische Kommandogewalt erhob, entsprach zu Kriegsbeginn durchaus dem allgemeinen nationalen Empfinden und dem Interesse aller Parteien. Die Gemüter waren alsdann so vollständig mit der Bewältigung des ungeheuren Erlebnisses beschäftigt, das Interesse war so ausschließlich dem Verlaufe der ersten kriegerischen Entscheidungen zugewandt, daß eine Neigung zur Befassung mit innerpolitischen, zumal mit parteipolitischen Fragen nicht aufkommen konnte. Die Presse hatte in der ersten Zeit mit der Verarbeitung des ungewohnten Stoffes vollauf zu tun und hatte sich in die Rechtsverhältnisse des Belagerungszustandes einzuleben. Für die erneut auftretende Neigung zur Behandlung innerpolitischer Fragen trotz des erklärten Burgfriedens und bald gegen ihn kamen vornehmlich drei Momente, Momente sehr verschiedener Art in Betracht. Das Versiegen der Nachrichten vom Hauptkriegsschauplatz in den kritischen Septembertagen 1914 verursachte eine gewisse Stimmungsleere, die bisher ganz nadi vorwärts gerichteten Blicke wandten sich rückwärts, eine Enttäuschung war unleugbar, und sie wäre bei der damals noch nicht gewonnenen Festigkeit zu stärkerer Wirkung gekommen ohne die ersten großen Erfolge im Osten. Dem mächtigen Einfluß, den zu jenem Zeitpunkt die Erfolge Hindenburgs auf die Stimmung der breitesten Massen hatten, ist in erster Linie die Popularität des Feldmarschalls zuzuschreiben. Wenn die ersten ernsthaften Verstöße gegen den Burgfrieden in die Tage des unerwarteten Stockens der Westoffensive fielen, so darf da keineswegs ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen vermutet werden. Es handelt sich vielmehr um einen kaum jemals ganz auszumessenden ursächlichen Zusammenhang. Die Seelenstärke der Nation entsprach damals noch nicht ihrem Wollen und Können. Ein zweites Moment, das zur Befassung mit innerpolitischen Fragen zurückführte, lag in den allmählich recht fühlbar werdenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Krieges, auf die das Volk in keiner Weise gefaßt und vorbereitet war. Bei der Verschiedenartigkeit der wirtschaftlichen Interessen, die die Parteien vertreten, oder besser, bei der Identität von Wirtschafts- und Parteipolitik in allen Parteien mit Ausnahme des Zentrums, war es fast unvermeidlich, daß bei der Behandlung wirtschaftlicher Fragen die Parteien, die Partei-
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Zeitungen aneinandergerieten. Die Gerechtigkeit gebietet zu betonen, daß der Anstoß von links kam, wie auch in Äußerungen von links her die ersten Zeichen der Nervosität in den kritischen Septembertagen ausgingen. Wieweit die spätere innerpolitische Entwicklung während des Krieges mit diesen Anfängen im Zusammenhange steht, läßt sich schwer beurteilen. Als drittes, doch keineswegs als letztes Moment wirkten auf die Neubelebung des innerpolitischen Lebens und damit auf die allmähliche "Wiederaufnahme politischer Kämpfe und Reibungen die Eitelkeit und der Eigenwille der Parteiführer. Die demokratischen Formen und Auswüchse des parteipolitischen Lebens im Reiche haben es mit sich gebracht, daß eine verhältnismäßig große Zahl von Berufspolitikern und politischen Zeitungsschreibern Sitz und Stimme im Parlament oder maßgebenden Einfluß in den Parteien oder beides haben. War bei Kriegsbeginn die Volksstimmung über die bisherige Wichtigkeit dieser Männer hinweggeschritten, so waren sie im Kriege und unter dem Burgfrieden nahezu überflüssig im nationalen Gesamtleben geworden. Sie sahen sich abseits der großen Ereignisse gestellt, sahen auch im inneren Reichs- und Staatsleben die wichtigen Entscheidungen fallen, ohne um ihre von ihnen selbst entsprechend hoch eingeschätzte Meinung gefragt zu werden. Sie hatten den Sinn und Zweck ihres Lebens gestellt auf das Vorhandensein der politischen Gegensätze und deren Anwendung in den Äußerungen und Beschlüssen der Parteien. Die Nervosität der Parteiführer und ihr Drang zu politischer Tätigkeit und Betriebsamkeit mußte naturgemäß in dem Maße größer sein, in dem ein eigentlicher ausfüllender praktischer Lebensberuf (neben dem politischen Beruf) fehlte. Es kam hinzu, daß, anders als in den letztvergangenen Kriegen, die Volksstimmung in diesem Kriege in keiner Weise eine Wendung genommen hatte, die über die verstärkte oder verminderte Hinneigung zu einer bestimmten Partei und Parteirichtung zunächst etwas aussagte. Die Ruhe des Burgfriedens gab dieser parteipolitischen Unsicherheit Dauer. Wohl hatten sich die Parteien unter autoritativem Drude bereit gefunden, in etwa notwendigen Nachwahlen ihren äußeren parlamentarischen Besitzstand gegenseitig zu achten, aber eine Reihe führender Parteipolitiker, und zwar vor allem solche, die besondere Fühlung zur parteipolitischen Presse hatten, gewann es doch nicht über sich, auf jede Betätigung zur Erhaltung und möglichen Vermehrung der Parteianhängerschaft zu verzichten. So ward erst vorsichtig mit der Empfehlung der eigenen Partei und gelegentlichen Spitzen gegen den politischen Gegner begonnen. Bei der alsbald folgenden allgemeineren Beteiligung konnte die Tonart trotz Zensur allmählich schärfer werden. Einzelne besonders erregende Fragen wurden herausgegriffen. Es folgten Parlamentssitzungen, die bei allem Scheine äußerer Eintracht reichlich Gelegenheit zu Parteisitzungen und der Formulierung von
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Sonderwünschen und Forderungen boten. Bei dem gewohnheitsmäßigen Mangel an Verschwiegenheit in parlamentarischen Körperschaften konnte es nicht ausbleiben, daß die Parteien die Entschlüsse und Zukunftforderungen von einander erfuhren. Es kamen Pakte zusammen zwischen Parteien auf Grund gemeinsamer Ziele und Abneigungen. Das Vertrauen, das die Regierungsstellen allen Parteien und ihren Vertretern gleichmäßig entgegenbrachten, wurde von einzelnen Parteien dahin mißbraucht, daß sie sich mündlich und publizistisch den Anschein gaben, als genössen sie besonderes Vertrauen, als fänden sie ein ausnahmsweises Entgegenkommen. Für die Regierung war es schwer, wenn nicht unmöglich, das Gegenteil unzweideutig zu erklären, ohne zu verletzen. So konnten sich in anderen Parteien Mißtrauen und bis zu einem gewissen Grade Gereiztheit festsetzen. Die Aufrechterhaltung des Burgfriedens in der Form einer Vermeidung jeglicher politischer Auseinandersetzung war schon nicht mehr möglich, als die Parlamente tagten und die ersten Zusammenstöße von Parteivertretern im Plenum erfolgten. Die Konflikte waren in allen Fällen durch unzeitgemäße Verstöße von Rednern des radikalen Flügels der Sozialdemokratie veranlaßt, denen gegenüber die Vertreter anderer Parteien nicht die Selbstüberwindung zu rednerischer Zurückhaltung fanden. O b die sozialdemokratische Parteileitung bei festem Willen nicht die Kraft hätte haben können, die Provokationen aus der Mitte der Gesamtpartei zu verhindern, muß dahingestellt bleiben. Die parteipolitischen Gegner der Sozialdemokratie bejahen diese Frage und nehmen an, daß die sozialdemokratische Partei ganz gern für alle Fälle und Möglichkeiten der nächsten und ferneren Zukunft die Tür zu radikaler Opposition offenhält. Regten die parlamentarischen Ereignisse zu einer loseren Auffassung des Burgfriedens an, so mußten sich die Zügel vollends lockern, als die Ernährungssorgen in den Vordergrund traten und die Mitarbeit der in jedem einzelnen fühlbar getroffenen Volksgesamtheit forderten. Die Presse konnte zur Aufklärung der Bevölkerung über die fast elementar hereinbrechende Gefahr gar nicht entbehrt werden. Eine gewisse Aufregung der öffentlichen Meinung war sogar geboten. Noch einmal standen die Parteien zusammen angesichts der neuen nationalen Not, und mit ihrer Hilfe gelang es, unter Aufrechterhaltung der entschlossenen nationalen Stimmung, dem Volke den vollen Ernst der Lage zum Bewußtsein zu bringen. Aber zugleich meldeten sich in den Zeitungsbesprechungen der wirtschaftlichen, der Nahrungsfragen die alten so fest und lange in den Parteigegensätzen verankerten wirtschaftlichen Gegensätze zum Wort. Die durch die moderne Entwicklung entstandene Durchdringung des parteipolitischen Lebens mit wirtschaftlichen Fragen, die mehr und mehr herausgebildete Verschmelzung von Partei- und Interessenpolitik kamen
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anläßlich der Ernährungssorgen bald zu häßlichstem Ausdruck. Die wirtschaftlichen Interessengruppen, längst gewohnt, im Vertreter anderer wirtschaftlicher Interessen auch den politischen Gegner zu sehen, waren nur zu bereit, die Schuld an jedem schmerzlich empfundenen Ubelstande in der Volksernährungsfrage mehr noch als der Regierung dem alten wirtschaftspolitischen Widersadier aufzubürden. N u r für verhältnismäßig kurze Zeit vermochten Regierung und wohlmeinende Parteimänner von Einfluß die Zuspitzung der Gegensätze zu verhindern. Die von der Regierung eingeleitete und geleistete Aufklärungsarbeit wirkte für die Wirkungsdauer, die dem gesprochenen und geschriebenen Wort eigen ist, beruhigend. Aber soldie Aufklärungsarbeit mußte sich und muß sich ferner auf die Erfassung der Kulminationspunkte der ganzen Bewegung beschränken, will sie nicht alle Stoßk r a f t für den gefährdeten Moment einbüßen. Maßnahmen der Zensurbehörden konnten, vor allem im Anfange der Entwicklung, um so weniger mit voller Schärfe einsetzen, als einmal, wie erwähnt, die Mitarbeit der Presse in Anspruch genommen werden mußte, vor allem aber sich in immer neuen Formen neue Mißstände und Schwierigkeiten nach Uberwindung der zuvor angefaßten Probleme ergaben. D a s Recht zu klagen und Mißstände in der Ernährungsfrage zu kennzeichnen, konnte der Presse und auch wirtschaftlichen Organisationen nicht wohl bestritten werden. D a war natürlich die Form, in der die Klagen publizistischen Ausdruck fanden, schwer zu regulieren und zu zensieren. Diese Formen wirtschaftlicher Auslassungen in der Presse und im Anschluß auch im Parlament wurden aber sehr bald die altgewohnten politischer Kontroverse und wirtschaftsegoistischer Verdächtigung zu politischem Zweck. Das von den linksstehenden Parteien vertretene Konsuminteresse war schon in allen Zoll- und Wirtschaftsfragen im Frieden mit dem von rechtsstehenden Parteien vertretenen Produzenteninteresse wiederholt hart aneinandergeraten. Mißtrauen und Feindseligkeit der sozialistischen Arbeiterschaft gegen die agrarischen Produzenten sind so alt wie die neuere deutsche Volkswirtschaft. Politische und wirtschaftliche Gegensätze haben sich in dieser Feindschaft dauernd gegenseitig angeheizt. Die wenig glückliche Politik der agrarischen Parteien und Organisationen im letzten Friedens; ahrzehnt hat dazu beigetragen, den natürlichen Gegensatz zu verschärfen. War auch diese innerpolitische Feindschaft zu Kriegsbeginn von der Gewalt der nationalen Bewegung niedergehalten worden, so war ihr Aufleben unvermeidlich, sobald Fragen aktuell wurden, die in ihrer spezifisch nahrungswirtschaftlichen Natur den Gegensatz zwischen Konsumenten- und Produzenteninteressen unmittelbar berührten. So sehr nun immer zugegeben werden muß, daß in der jüngsten Vergangenheit von agrarischer Seite wiederholt gegen das allgemeine Volksempfinden
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gesündigt worden ist, so unumwunden anzuerkennen ist, daß im Verlauf der Ernährungskrisis nicht immer nach den Grundsätzen peinlichster Gewissenhaftigkeit gehandelt wurde, so steht doch fest, daß agitatorisch und politisch jetzt im Kriege die Landwirtschaft der vom Sozialismus und der großstädtischen Demokratie angegriffene Teil war. Und die Angriffe erfolgten und erfolgen in einer Zeit, in der bei Arbeiter-, Arbeitsvieh- und Futtermangel die Landwirtschaft ihre unentbehrliche Produktion unter den allerschwierigsten Verhältnissen versehen muß. Dabei zeigen fast alle Auslassungen von sozialistischer und großstädtischer demokratischer Presse, wie vollkommen verständnislos Sozialismus und Demokratie ihre Anhängerschaft bei aller Belehrungsund Werbearbeit gegenüber den Lebensbedingungen landwirtschaftlicher Produktion, gegenüber den Zusammenhängen des volkswirtschaftlichen Lebens überhaupt gehalten haben. Der Großstädter, gleichviel ob Proletarier oder Kleinbürger, weiß heute noch nicht mehr und nichts Besseres, als daß jede Lebensmittelteuerung im unrechtmäßigen Profit des Landwirts ihren Grund hat und jeder Nahrungsmittelmangel in der selbstsüchtigen Zurückhaltung von Vorräten durch die Agrarier. Eine jahrzehntelange, aus parteipolitischen Motiven betriebene Verhetzung rächt sich bitter in dieser Zeit erster wahrhaft großer nationalwirtschaftlicher Not. Ein großer Teil der Bevölkerung war in einen Zustand höchster Gereiztheit gegen die landwirtschaftliche Bevölkerung versetzt in einem Zeitpunkt, in dem nicht nur die Einigkeit des Volkes erstes nationales Gebot ist, sondern in dem heimischer Konsum und heimische Produktion völlig aufeinander angewiesen sind, einander verstehen müssen, um einander befriedigen zu können. Abgesehen von der nicht unbedenklichen allgemeinen nationalen Gefahr, die in der Ausmünzung der Ernährungsfrage zu einer parteiischen Agitation eines Teiles des Volkes gegen den anderen liegt, ist die Folge auf die sonstige innerpolitische, parteipolitische Entwicklung nicht ausgeblieben. Die auf dem wirtschaftlichen Gebiet in aller ihrer sonst durch den Krieg gehobenen Volkstümlichkeit sehr ernsthaft bedrohten rechtsstehenden Parteien fühlten sich zu einer gegen links gerichteten Gegenaktion gedrängt, die ihnen auf anderem Gebiet Boden im Volk mit Sicherheit zu gewinnen versprach. Sie fanden dabei Unterstützung in den anderen Unternehmerkreisen, die im Zusammenhange mit den Lebensmittelfragen in Lohnfragen angegriffen wurden und besorgt waren im Hinbiidt auf verschärfte sozialistische und neue sozialpolitische Forderungen. Unleugbar haben solche taktischen Rücksichten beim Aufwerfen der sogenannten „Kriegsziel-Frage" maßgebend mitgesprochen, wenn auch später die Bewegung einen anderen Charakter und größere Dimensionen angenommen hat.
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Die Auseinandersetzung über Kriegsziele wie über unsere etwa verschiedene Stellung zu den gleichmäßig bekämpften Feinden ist eine der seltsamsten und im Grunde widernatürlichsten Begleiterscheinungen dieses Krieges, sie hat aber wie kaum eine andere Frage bisher bestimmend auf die innerpolitische Lage im Kriege gewirkt. Die eigenartige Entwicklung dieser Frage, die seltsame Rolle, die sie spielt, zeigt, daß trotz der jahrzehntelangen Passivität der Parteien gegenüber den Dingen der auswärtigen Politik, einer Passivität, die nur selten gebrochen wurde, das deutsche parteipolitische Leben von internationalen Fragen nicht unangefochten geblieben war. Freilich, während in der modernen, von wirtschaftlichen, von Fragen des praktischen Lebens beherrschten Zeit die deutschen Parteien sich daran gewöhnt haben, von Interessen geleitet zu sein, ist der deutsche Politiker in den Angelegenheiten der auswärtigen Politik ganz und gar Gefühlsmensch geblieben. An dieser Tatsache wird auch nichts geändert, wenn gelegentlich von einzelnen die rein gefühlsmäßige Auffassung mit dem Mantel weitausschauend wirtschaftspolitisch verstandener Erwägungen umkleidet wird. Letzten Endes gibt nicht eine nüchterne richtige Rechnung, sondern es geben Liebe und Haß gegenüber den anderen Staaten und Völkern bei der Meinungsbildung den Ausschlag. Das Volk von einzigartiger, überlegenster Waffentüchtigkeit ist, in der auswärtigen Politik an starke, an souveräne Führung gewohnt, in den Dingen der großen Politik unselbständiger und urteilsloser geblieben als die so oft und heldenhaft besiegten Feinde. 3 Das gilt von allen den in den verschiedensten Richtungen debattierenden Kriegszielpolitikern, den sozialistischen wie den konservativen. Die Leidenschaftlichkeit und Empfindlichkeit hüben und drüben erklärt sich aus dem gefühlsmäßigen Ursprung der Ideen. Und es meint ein jeder auf seine Art grundehrlich. Gewisse internationale Vorurteile, Ideale und Utopien sind nun seit langer Zeit eng mit den Parteibildungen und -Strömungen verknüpft. Das darf nicht Wunder nehmen, da die Gestaltung des deutschen Parteilebens eng zusammenhängt mit den großen Entscheidungen der deutschen Geschichte, die auf dem Felde der auswärtigen Politik fielen, und, da der Deutsche verhältnismäßig früh und fest zu geschlossenen Vorstellungen in innerpolitischen Dingen kam und die halb oder gar nicht verstandenen Fragen internationaler Politik auf die verstandene innere und Parteipolitik bezog. Der größte Teil der herrschenden auswärtig-politischen Ideen hat eine innerpolitische Grundlage. Das wird am sichtbarsten in den Extremen, wie sich ja auch heut an den Extremen der Kriegszielstreit entzündet hat. Die preußisch-konservativen Elemente 3 Ist ein Erzübel der Germanen auf dem Europ. Kontinent, das niemals sich ändern wird. Der Germane ist kein und wird niemals ein Politiker werden. Darin ist ihm der Lateiner über. Ebenso sein Vetter in Angelsachsen.
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waren aus innerpolitischen, nicht zuletzt aus monarchistischen Gründen von je Rußland zugeneigt, standen als Träger der preußischen Kriegstradition in Abneigung gegen Frankreich, eine Abneigung, die ihre volle Schärfe dadurch erhielt, daß ihnen Frankreich wie in geringerem Maße auch England Träger und Propagandaherde demokratischer und parlamentarischer Ideen waren. Im Gegensatz dazu war dem maßvollen Liberalismus England, dem demokratischen Frankreich Heimat der politischen Ideale, und Rußland wurde als Hort und Herd der Reaktion gehaßt, ein Haß, der beim Sozialismus vollends zur fixen Idee geworden war und manches Mal die auswärtige Politik des Reiches gestört hat. Diese so verschieden verteilten Sympathien und Antipathien konnten denn zu der in diesem Kriege gegen alle Welt ganz gewiß grotesken Frage führen, wer der am meisten zu hassende, wer der am ehesten zu liebende Feind sei. Im Grunde hat sich aus dieser Frage die ganze Kriegszielbewegung entwickelt. Gesündigt worden ist hüben und drüben, soweit man bei Gefühlsäußerungen davon sprechen kann. Es wäre besser gewesen, wenn die Sozialdemokratie ihrer ersten Erklärung nicht eine auswärtig-politische Sondertendenz gegeben hätte, wenn in der Presse die in ihrem Zweck nur mißverständlichen Versuche unterblieben wären, das Maß der Schuld am Weltkriege verschieden zu verteilen. Minderwertige Zeitungsartikel, die mitten im unausgetragenen Waffengange völlig verfrüht einen dereinstigen Ausgleich mit England empfahlen, waren von unglücklicher Wirkung. Sie mußten zum Widerspruch reizen. Dasselbe gilt von Artikeln, die ohne alle Tatsachenunterlagen ins Blaue hinein einem Sonderfrieden mit Rußland das Wort redeten. Daß die mehr akademischen Betrachtungen gutmütiger Kulturpolitiker über einen späteren deutsch-französischen Ausgleich wegen der ja fraglos vorhandenen geistigen, kulturellen Verbindungen, günstig gewirkt hätten, wird auch niemand behaupten können. Kurz, es ist auf diesem Gebiet vieles geschrieben und gesprochen worden, was besser verschwiegen geblieben wäre im Hinblick auf die vorhandenen, keineswegs unbekannten alten gegensätzlichen Empfindungen im Volke. Da über Frankreich weniger gesprochen worden war, mußte es schließlich dahin kommen, daß die rechtsstehenden Parteien in alter Überlieferung England, die linksstehenden gleichfalls überlieferungsgemäß Rußland als „Hauptfeind" verkündeten. Das wäre am Ende nur ein volkspsychologisches Kuriosum gewesen, wenn sich nicht dabei die alten, kaum geschlossenen Parteigegensätze geöffnet hätten. Bei der Erneuerung der Gegensätze ist natürlich doppelt beklagenswert, daß sie sich vollzog im engsten Zusammenhange mit eben der gewaltigen weltpolitischen Erschütterung, die die volle Einigung der Nation vor kurzem erzwungen hatte.
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Leider hat der Kriegszielstreit eine weitere auch schließlich an das Verhältnis der Parteien zur Regierung rührende Verschärfung erfahren durch Veröffentlichung und Reden über erwünschte und ungewünschte, begehrte und bekämpfte deutsche Gebietserwerbungen nach dem Kriege. Der gesunde, in ruhmvoller Geschichte eingewurzelte nationale Ehrgeiz der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes drängt ganz natürlich zu einer Vergrößerung auch der äußeren Machtfülle des Deutschen Reiches. Anders ist es nicht zu erwarten bei einem Volk, das alle seine staatliche Größe und Macht mit dem Schwerte errungen hat. Jeder deutsche Schuljunge lernt die Erfolge preußisch-deutscher Siege auf der Landkarte ausmessen. Kriegsgewinn und Landgewinn haben immer nebeneinander gestanden. Das deutsche Volk hat sein eigenes Heimatland auf den Schlachtfeldern für sich erwerben müssen und mußte, entblößt von natürlichen nationalen Grenzen, den Grenzschutz in erobertem Lande suchen. Preußen zumal war meist in der Lage, nach dem Recht auf eigenes freies Leben bei seinen Gebietserwerbungen mehr fragen zu müssen, als nach formalem Recht und etwa älteren Rechten anderer. Seine Geschichte selbst hat den Deutschen im Sinne des Danteschen Wortes denken gelehrt: „Wisset, daß auch, was durch das Gottesurteil der Waffen gewonnen wird, ehrlich von Rechts wegen gewonnen ist." Diese dem deutschen Volke geschichtlich zu eigen gewordene Denkweise wurde im gegenwärtigen Kriege von Anfang an besonders verschärft dadurch, daß bekannt wurde, welche Gebietsverstümmelungen die Feinde dem Deutschen Reiche im Falle des Sieges zugedacht hatten. So geschah im Grunde nur das Natürliche, als sich nach den ersten großen Waffenerfolgen die Blicke der Deutschen über die Grenzen hinauswandten, als Wünsche laut wurden nach bleibendem Besitz schwer und blutig eroberten Feindeslandes. Die ersten Unterhaltungen in der Presse über Annexionsfragen waren verhältnismäßig recht harmlos, zum großen Teil ungewöhnlich unbeholfen und unwirklich. Älteste historische Reminiszenzen an mittelalterliche deutsche Reichsherrlichkeit vermischten sich denkbar unorganisch mit neuen Siedlungsideen. Die erste positive Forderung, die nahezu spontan, jedenfalls ohne jeglichen Nebengedanken und ohne taktische Absicht erhoben wurde, war die der Einbehaltung Belgiens, nachdem das Land bis auf einen kleinen Grenzstreifen in deutsche Hand gefallen war. Hierbei, das verdient bemerkt zu werden, spielten keinerlei historische und keinerlei moderne Idole mit. Belgiens Besitz ist niemals deutscher Wunsch, niemals deutsche Idee gewesen. Wohl aber hatte die Ausnutzung der sogenannten belgischen Frage durch das feindliche und neutrale Ausland in der Mehrheit des deutschen Volkes etwas wie einen trotzigen Gegenwillen ausgelöst und das Gefühl, daß die Tatsache des
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dereinst endgültig errungenen deutschen Sieges dem Auslande nicht stolzer, nicht eigenwilliger zum Bewußtsein gebracht werden könne, als durch die Angliederung eben des Landes, um dessentwillen die ganze Welt Deutschland schmähte. Die schweren Unbilden, die unsere Truppen in Belgien hatten erleiden müssen, hatten ein dem Deutschen sonst fremdes Revanchegefühl erweckt. Stimmen aus England hatten dem deutschen Volk besonders klargemacht, daß die Besetzung Belgiens jenseits des Kanals als eine englische Niederlage empfunden wurde. D a die Uberzeugung der Unbesiegbarkeit Englands zur See in Deutschland fast allgemein ist, war es um so verständlicher, daß man sich an den über England in Belgien errungenen Erfolg um so fester hängte. Eine klare Vorstellung der praktischen Vorteile des Besitzes Belgiens war anfangs keineswegs in weiteren Kreisen vorhanden. Die politischen und wirtschaftspolitischen Argumente wurden allgemein erst erörtert, als ein Streit für und wider entstanden war. Der Ausgang des Streites und die Ursache seiner tiefgehenden innerpolitischen Wirkungen lag im Grunde darin, daß erst die sozialdemokratische Presse, dann die sozialdemokratische Partei es für nützlich und politisch angezeigt hielten, mit einer prinzipiellen Stellungnahme gegen Gebietserwerbungen hervorzutreten. Hätte die Sozialdemokratie den politischen Weitblick und die parteipolitische Selbstlosigkeit aufgebracht, die Annexionsfrage nicht zu einer sozialdemokratischen Parteifrage zu machen, so wäre mit Gewißheit der ganze Streit vermieden worden; es hätten sich gegenüber den Phantasten und den theoretischen Konquistadoren die ruhigen, die besonnenen Stimmen ganz von selbst Gehör geschaffen. Dachten doch selbst maßgebende und sehr einflußreiche Politiker aller rechtsstehenden Parteien sehr maßvoll, ja skeptisch über Annexionsfragen. Aber die schroffe Stellungnahme der einen extremen Partei mußte notwendig die entgegengesetzte Stellungnahme am anderen Extrem zur Folge haben. Die Sozialdemokratie bot allen ihren alten Gegnern die Flanke. Die Annexionsfrage wurde aus einer unwirklichen, akademischen zu einer sehr wirklichen parteipolitischen. Die nationalen, auswärtig-politischen Fragen waren wieder einmal hoffnungslos auf den Sand der Parteipolitik geraten. Die Gründe, die die Sozialdemokratie zu ihrer unglücklichen Stellungnahme veranlaßten, waren zweifacher Natur. Der eine unklug, aber nicht schlecht gemeint. Der andere politisch bewußt, aber parteiegoistisch. Die Sozialdemokraten, nach deren Uberzeugung die städtische Lohnarbeiterschaft schwerer unter der Kriegsnot zu leiden hat als alle anderen Volksklassen, waren des guten Glaubens, es werde ein erklärter deutscher Verzicht auf Gebietserwerbungen zur Abkürzung oder gar zur alsbaldigen Einstellung der Feindseligkeiten führen. So naheliegend und beweiskräftig der Gegeneinwand war, daß
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eine derartige Erklärung vom Gegner nur als Geständnis der Schwäche, der Unterlegenheit angesprochen wird, so ist es doch nicht berechtigt, der Sozialdemokratie in dieser Hinsicht den guten Glauben absprechen zu wollen. Sie ist nun einmal in eine seltsam ideologische, unhistorische und unpolitische Auffassung des Völker- und Staatenlebens eingewöhnt. Was aber vielen Sozialdemokraten fraglos bei ihrer Propaganda gegen deutsche Gebietserwerbungen, gegen die Eingliederung anderer Volks- und Staatsbestandteile weiterhin vorschwebte, das war der Gedanke an die Wiederherstellung, die Wiederbelebung ihrer zerstörten „Internationale". Sozialdemokraten haben das offen und vertraulich wiederholt zugestanden. Den Sozialisten des Auslandes, zumal den belgischen, die eine besonders hervorragende Rolle in der sozialistischen Internationale spielen, sollte neues Vertrauen zur deutschen Sozialdemokratie gegeben werden, die Wert darauf legte, vom anderen deutschen Volk unterschieden zu sein als Vertreterin des Selbstbestimmungsrechtes auch der Feinde. Die deutsche Sozialdemokratie warb um die verlorenen sozialistischen Gesinnungsgenossen des Auslandes. Sie allein hat es ja von jeher mit der sogenannten „Internationale" ernst gemeint. Der Internationalismus war immer das Stück Idealismus im sozialdemokratischen Programm, und mit diesem in der sozialistischen Form ganz und gar mißverstanden und mißbrauchten Weltbürgertum war die Sozialdemokratie am Ende deutscher als mit allen ihren anderen vom Auslande hergeliehenen und abgelernten Parteiforderungen. Von der Phrase der internationalen Arbeiterverbrüderung ist der deutsche Arbeiter immer auf seine Art ehrlich begeistert worden, sie war von ganz eigener Zugkraft. Die sozialdemokratischen Führer, die kein klares Urteil haben, ob und wie weit bei den im Felde stehenden Wählern das nationale Ideal 4 an die Stelle des internationalen getreten ist, mögen vorerst auf die bisher so stark werbende Kraft des Ideals der „Internationale" nicht verzichten. Gegen das sozialdemokratische ungeschickte Vorgehen hat sich alsbald die Gegenbewegung organisiert. Audi sie getragen von Motiven verschiedenen Wertes, verschiedener sittlicher Berechtigung. Die entschlossene und alsbald scharfe Wendung der der Sozialdemokratie an sich abgeneigten Parteien, Organisationen und Zeitungen gegen die sozialdemokratische Haltung entsprang in erster Linie naturgemäß der entgegengesetzten nationalen Überzeugung, entgegengesetztem politischen und historischen Bewußtsein. Die nicht sozialdemokratische Mehrheit des deutschen Volkes ist mit Ausbruch des Krieges weltbürgerlichen Ideen und Rücksichten auf andere Völker vorerst auf längere Zeit abgeneigt worden. Die Uberzeugung, daß Deutschland auch 4
Ist unzweifelhaft sehr stark der Fall!
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an geographisch meßbarer Macht stärker werden muß auf Kosten der Feinde, die den Krieg provozierten, ist jenseits der Sozialdemokratie denn doch nationales Allgemeingut geworden. Die erwähnten historischen Uberlieferungen stärken diese Uberzeugung auch gefühlsmäßig. Gibt sich die Sozialdemokratie wirklich der Hoffnung hin, was nicht wahrscheinlich ist, sie könne ihrem Standpunkt praktisch und faktisch Geltung über die Nation schaffen, so weiß sie, daß das nur auf dem Wege parteipolitischen Machtkampfes möglich sein kann. Das versteht man auf der politischen Gegenseite natürlich sehr wohl. Die etwas demonstrative Eingabe der großen Wirtschaftsverbände war keineswegs Anstoß des Streites, sondern sie erschien als Antwort auf eine schon langandauernde versteckte und offene Agitation der sozialistischen Presse und sozialdemokratischer Parteigruppen mit der bekannten Friedenserklärung, die die Lage wesentlich verschärfte. Bei den für ihre Zukunft besorgten rechtsstehenden Parteien erkannte man sehr schnell, daß die Sozialdemokratie sich mit ihrer Haltung in der Kriegsziel-Frage eine schwere Blöße vor dem Volk gegeben hatte. Das Parteiinteresse trieb zur politischen Ausnutzung der Lage. Die resolute Betonung der der Sozialdemokratie entgegenwirkenden Meinung mußte mächtigen Anklang im Volk finden und breite Schichten den rechtsstehenden Parteien wieder zuwenden. Dieser Rechnung konnte ein besonders fester Boden gewonnen werden, wenn eben die rechtsstehenden Parteien sich zu Vertretern größerer Bewegungsfreiheit in der Erörterung der Kriegsziele aufwarfen und ihrerseits die Zensurbeschränkungen anfochten. In diesen Formen hat sich das taktische Vorgehen abgespielt. Gegenwärtig besteht das politische Kuriosum, daß die Demokratie bis zu einem gewissen Grade und gegen ihre politischen Grundanschauungen in der Kriegsziel-Frage Verteidiger der Militärdiktatur ist, aus Gegnerschaft gegen die Konservativen, während die Konservativen ebenfalls gegen ihre innere Uberzeugung gegen die Zensur angehen im Zuge des Kampfes gegen die Demokratie. Ist die äußerste Linke nicht freizusprechen von der Verantwortung dafür, daß mitten im Kriege sich ein Streit über die Frage der Gestaltung des Friedensschlusses erhoben hat, und zwar in den sichtbaren peinlichen Formen, so hat die Rechte in der publizistischen und rednerischen Behauptung und Propagierung der entgegengesetzten Auffassung nicht immer die Formen eingehalten, die von den besonderen innerpolitischen Notwendigkeiten der Kriegszeit geboten waren. Der Inhalt der Kriegsziel-Erörterungen steht ja in diesem Zusammenhange nicht nur Erörterung, sondern lediglich die Wirkungen auf den innerpolitischen Zustand. Für diesen trat eine erneute, weitere Erschwerung dadurch ein, daß sich bald nach Eröffnung des Kriegsziel-Streites
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die Regierung in eine mißliche Lage gesetzt sah. Außerstande, nach der einen oder anderen Seite sachlich Stellung zu nehmen, sah sie sich gezwungen, in offiziösen Erklärungen jeweils gegen die Seite auftreten zu müssen, die sich in der Kriegszielfrage wider den Burgfrieden weit vorgewagt oder sich in der Form der Polemik absichtlich oder unabsichtlich augenfällig vergriffen hatte. D a das, zwar nicht im Anfange, wohl aber im späteren Verlauf meist von der rechten Seite geschah, wurde sie von den offiziösen Monita vorwiegend getroffen. Die Folge war regelmäßig und politisch ganz selbstverständlich eine ausdrückliche Unterstreichung der Meinungsverschiedenheit zwischen Regierung und der Rechten durch die linksstehende Presse. Das auf diese Weise in einer so empfindlichen Frage scheinbar hervortretende Einvernehmen der Regierung und der Linken verstimmte die Rechte gegen die Regierung, ohne daß man sidi eigentlich Rechenschaft darüber ablegte, daß für Absicht genommen wurde, was Folgeerscheinung gewesen war. Die um einen noch in keiner Weise übersehbaren Frieden hadernden Parteigruppen haben vor der öffentlichen Meinung die Regierung in ihren Streit gezogen und eine innerpolitische Konstellation geschaffen, die wenig geeignet erscheint, den bevorstehenden Aufgaben des Neubaus und Wiederaufbaus der inneren Politik parteipolitisch vorzuarbeiten. Parteien, die in einer so fundamentalen nationalen Lebens- und Zukunftsfrage, deren Beantwortung in hohem Maße von Gefühlsargumenten diktiert wird, in Feindschaft geraten sind, werden sich sehr schwer zur Lösung von Aufgaben zusammenfinden, die an sich parteipolitische Zugeständnisse fordern. Die befriedigende Durchführung einer politischen Neuorientierung, die bleibende künftige Zustände schaffen soll, kann ja nur möglich sein, wenn sie praktisch und tatsächlich nicht unter ausdrücklicher Ausschaltung einer bedeutsamen politischen Richtung erfolgt. Das hat sich stets gerächt. Denn niemals bleibt eine der in Geschichte und Volkscharakter gegründeten politischen Strömungen auf sehr lange Dauer allein mächtig. Sie wird zu irgendeinem Zeitpunkt von der Gegenströmung abgelöst, die, zur Macht gelangt, an der Zerstörung der Zustände arbeiten wird, an denen sie nicht mitarbeiten durfte. Erfahrungsgemäß wechseln die politischen Stimmungen und Meinungen in einer unmittelbar dem Kriege folgenden, noch aufgeregten, erschütterten und verwirrten Zeit schneller als in friedlicher Entwicklung. Was nach diesem Kriege innerpolitisch geschaffen wird, muß aber über den Wechsel der Stimmungen erhoben bleiben. Und dazu ist es notwendig, daß gerade die nicht allein nach der Zahl sondern auch nach der inneren Berechtigung bedeutenden politischen Parteien zu gemeinsamem Wirken zusammengeführt werden. Das wird einerseits durch den Inhalt der Reformen erreicht werden können, andererseits durch zugleich willensstarke und gelassene Behandlung der Parteien.
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Es ist natürlich, daß die Ansichten über Grenzen und Formen der in Aussicht gestellten innerpolitischen Neuorientierung im Volke weit auseinandergehen. Gleichwohl wird in dieser Frage verhältnismäßig große Zurückhaltung geübt. Weite Kreise der Bevölkerung erkennen in den gewaltigen Kriegsleistungen Deutschlands die endgültige Rechtfertigung der vielangefochtenen vergangenen Friedensarbeit. Sie sehen jetzt eben die K r ä f t e am siegreichen Kriegswerk, die bisher gegen die Demokratisierung des Staatslebens, gegen die Lockerung der Gesellschaftsordnung wirksam gewesen sind und die Zustände erhalten und getragen haben, mit denen Deutschland in den Krieg eintrat. Diese Anschauung sieht in jeder Aufgabe bestehender Ordnungen und Einrichtungen die Schaffung künftiger Unsicherheiten an Stelle vergangener Sicherheiten. Was durch den Sieg die Zukunft bereitete, soll auch die weitere Zukunft bestimmen. Es liegt nahe, daß solche Denkweise nach einem siegreichen Kriege breiteren Boden gewinnen muß als nach einem unglücklichen. Sie darf sich auf die Tatsache stützen, daß glücklichen Kriegen selten, verlorenen stets große innerpolitische Umgestaltungen gefolgt sind. D a ß die Konservativen die Wortführer dieser Anschauung sind, ist natürlich. Aber die Anschauung wird geteilt von allen den Kreisen, die sich durch weitausschauende Reformen in alten Interessen und Rechten bedroht fühlen. Die Zahl dieser in weitestem Sinne konservativen Elemente muß sich umso stärker vermehren, je radikaler die Reformansprüche in Inhalt und Form zum Ausdruck kommen und je näher die Gefahr erscheint, daß mit der Durchführung einer sehr tiefgreifenden Neuorientierung ein Wechsel der innerpolitischen Macht- und Stärkeverhältnisse verbunden sein kann. Sind es doch immerhin breite Schichten der Bevölkerung, die bei einer Neugestaltung der innerpolitischen Dinge mehr zu verlieren als zu gewinnen haben. Man darf neben den bekannten politischen und wirtschaftlichen Gegensätzen nur an die Rivalität der christlichen und freien Gewerkschaften denken. Den im großen und ganzen auf die Erhaltung der bestehenden zielenden Strebungen gegenüber sind natürlich die auf Neuerungen und Änderungen gerichteten Bewegungen sehr stark. Die innere Politik der preußischen und deutschen Regierung war nach dem großen demokratischen Zugeständnis der Einführung des Reichstagswahlrechts im wesentlichen darauf gerichtet, eine weitere Demokratisierung des politischen Lebens zurückzuhalten und mit allen Gesetzgebungsakten ein Tempo stetiger, langsamer und organischer Entwicklung zu wahren. Konnten auch in Einzelfällen die Wünsche der linksstehenden Parteien Erfüllung finden, so blieb in allen Grundfragen die Abneigung gegen Konzessionen an die Linke vorherrschend. Neben den doch wohl unverändert fortbestehenden Bedenken auf dem Gebiete des Verfassungslebens war für die zurückliegende innere Politik der Regierung maßgebend die radikale, 16
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national negative und ganz auf Klassenkampf eingestellte Haltung der Sozialdemokratie, die je länger desto fester Anschluß an die bürgerliche Linke suchte und fand. Auch die bürgerliche Demokratie war sich nicht im Unklaren darüber, daß die Existenz der ganz im Klassenkampf aufgehenden, eifernden und unverträglichen Sozialdemokratie veranlaßte, größte Zurückhaltung gegenüber liberalen und demokratischen Ansprüchen zu üben. Daher das stete Bemühen der bürgerlichen Linken, schon in vergangener Friedenszeit die sozialdemokratischen Bestrebungen weniger ernsthaft zu zeichnen als Regierung und Rechte sie ansahen; daher die unverdrossenen, im Erfolg freilich negativen Versuche der Freisinnigen, auf dem Umweg über den Revisionismus einen Ausgleich freisinniger und sozialistischer Politik zu finden. Der bürgerliche Liberalismus aller Schattierungen war tatsächlich in der Verfolgung seiner wirklich liberalen Forderungen in einer prekären Lage: bei den mehr rechtsstehenden Parteien einschließlich des Zentrums fand er Gegenliebe und unter Bewilligung großer Zugeständnisse, im Zusammengehen mit der Sozialdemokratie stieß er auf die Abneigung der Regierung und mußte den entschiedenen Unwillen eines großen Teiles der staats- und königstreuen liberalen "Wählerschaft besorgen. Für sich allein ist und bleibt seit dem Erstarken des Sozialismus der bürgerliche Liberalismus eine schwache Minorität im Volke. Die Änderung in der Haltung der Sozialdemokratie bei Kriegsausbruch hat die Situation zugunsten der Linken wesentlich geändert. Die Sozialdemokratie hat ihr schlimmstes Odium, das unnationaler Gesinnung, verloren. Damit ist die unübersteigbarste Schranke zwischen Regierung und Sozialdemokratie gefallen. Die Regierung kann bei aller Gegnerschaft gegen den Sozialismus in wirtschaftlicher Hinsicht und in Verfassungsfragen nicht mehr daran festhalten, daß der Sozialdemokratie ein den anderen Parteien nebengeordneter Platz im nationalen politischen Leben nicht zukommt. Weder die Regierung noch die anderen Parteien können ein liberales Zusammengehen mit der Sozialdemokratie zur Erreichung demokratischer Zugeständnisse als unpatriotisch brandmarken, und ein nationaler Denkweise entspringender Unwillen der liberalen Wählerschaft ist für die liberalen Parteivertreter nicht mehr zu fürchten. Der Weg zu Reformen, die der Linken zugute kommen, wird nun als offen angesehen, das Hindernis, das die bisherige Haltung der Sozialdemokratie war, gilt als fortgeräumt. So ist in Liberalismus und Demokratie die Hoffnung aufgelebt, daß nach dem Kriege eine durch Reformen im liberalen Sinne hervorstechend gekennzeichnete Ära beginnt. Die alten Forderungen und Wünsche werden aufs neue laut und neue, viel weiter greifende Ansprüche werden erhoben. Dazu verlangt die Sozialdemokratie die Aufhebung aller der Bestimmungen und Gesetze, die geschaffen waren mit dem Zweck, der Ausbreitung sozialdemokratischer Propaganda Grenzen zu setzen.
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Alle diese Änderungen, Reformen und Neuerungen würden dem innerpolitischen Zustande Preußen-Deutschlands ein anderes Gesicht geben, als die innere Politik vor dem Kriege zeigte. So stehen sich auch in der Auffassung der künftigen inneren Politik zwei Lager gegenüber. Welches nach dem Kriege stärker sein wird, ob überhaupt ein wirklich nennenswerter Stärkeunterschied vorhanden sein wird, das hängt mit davon ab, welche Rolle die Kriegszielfrage auf der einen, die wirtschaftlichen Fragen auf der anderen Seite bei der Gruppierung der politischen Parteien und Meinungen spielen werden. Die Fragen der politischen Neuorientierung allein werden über die Gruppierung der innerpolitischen Kräfte nicht entscheiden; denn alle Parteien wissen aus Erfahrung, daß für die Lösung aller innerpolitischen Aufgaben dann Kompromisse möglich sind, wenn den Parteien in Rücksicht auf gemeinsame größere politische Ziele oder gemeinsame wirtschaftliche Interessen ein ferneres Zusammenhalten geboten erscheint. Soviel ist heut erkenntlich, daß sich in allmählicher Abwendung vom Burgfrieden, von der anfänglichen allgemeinen Einigkeit, die politische Gruppierung nach zwei Richtungen hin vollzieht. Hat dabei die vergangene Friedensentwicklung naturgemäß mitgewirkt, so haben doch Tatsachen, die mit dem Kriege zusammenhängen, wesentlich entschieden. Die mehr rechts stehende Gruppe hat ihre Stoßkraft in der Vertretung der weitausholenden nationalen, machtpolitischen Ansprüche, die als Ziel des Krieges erklärt werden, sie hat ihre Schwächen in ihrem Widerstande gegen mancherlei innerpolitische Wandlungen, die der Krieg vorbereitet hat und heraufführen muß. Umgekehrt hat die nach links neigende Gruppe ihre werbende Kraft in der Vertretung innerpolitischer liberaler und demokratischer Forderungen, die die dem Kriege folgende Friedenszeit erfüllen soll, sie hat ihre Schwächen in ihrer teils ablehnenden, teils kühlen und skeptischen Betrachtung der machtpolitischen Ansprüche. Wie sich die einzelnen vorhandenen Parteien auf die beiden Gruppen verteilen und damit über deren Stärke und Bedeutung bestimmen werden, das ist einstweilen noch nicht zu übersehen und wird schließlich abhängen sowohl von den ersten Wendungen der allgemeinen Volksstimmung bei und nach Friedensschluß, wie auch von der Stellungnahme der Regierung. An den beiden Polen, dem konservativen und dem sozialdemokratischen, scheint vorerst das politische Leben gegensätzlich fest geworden zu sein. Die Nationalliberalen neigen anscheinend mit ihrem gegenwärtig führenden rechten Flügel zur Rechten hin, die Freisinnigen unter Trennung von den Nationalliberalen nach links. Jedoch sind bei der Eigenart dieser Parteien Schwenkungen stets möglich und können eintreten, wenn einerseits die Konservativen sich innerpolitisch unzugänglich zeigen oder anderer16*
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seits die Sozialdemokraten den Bogen sozialistischer Forderung überspannen beziehungsweise in der Kriegszielfrage allzu einseitig und unpopulär operieren. Das Zentrum, das jede deutliche Stellungnahme konsequent vermeidet, um die Geschlossenheit seiner Reihen zu erhalten, wartet ab, um, von beiden Seiten umworben, schließlich Herr der Lage sein zu können. Bei dem Gedanken an die mögliche Aufhebung derjenigen Gesetzesbestimmungen, die bisher der Werbearbeit der freien Gewerkschaften entgegenstanden, ist dem Zentrum sicherlich unbehaglich, weil die dann zu erwartende Verstärkung der freien Gewerkschaften sich auf Kosten der christlichen vollziehen würde. Zumal ohnehin Bestrebungen im Gange sind, die auf eine Einigung aller Arbeiterorganisationen zielen. Daß die Einigung sich im Enderfolg vollziehen müßte, ist nur zu naheliegend. In Fragen der sonstigen innerpolitischen Neuorientierung ist das Zentrum wohl grundsätzlich zu Zugeständnissen im demokratischen Sinne bereit, aber ebensowohl imstande, auf der Basis größter Zurückhaltung mit der Rechten zu paktieren. Das würde dann sofort eintreten, wenn schul- und kirchenpolitische Fragen in liberalem Sinne beantwortet würden. Bei der Beurteilung der Gestaltung des Friedensschlusses werden ultramontane Gesichtspunkte mitwirken, aber es wird am Ende die Rücksicht auf die populäre Volksstimmung ausschlaggebend sein. Idealistische und gefühlsmäßige Motive werden jedenfalls für die Haltung des Zentrums von keinerlei Einfluß sein, und es wird sich auch der Regierung nur solange und soweit zur Seite stellen, als es greifbare Vorteile davon zu erwarten hat und sich nicht irgendwie bedroht oder beeinträchtigt sieht. Die gesamte innerpolitische Entwicklung während des Krieges läßt sich, dem ersten Anschein entgegen, nicht danach an, als werde sich die Regierung bei Wiederaufnahme der Friedensarbeiten in bequemer Lage befinden. D a voraussichtlich die rechtsstehenden Elemente ihre hochfliegenden national- und machtpolitischen Hoffnungen nicht voll erfüllt werden sehen, die Linke durch die praktische Durchführung der einzelnen innerpolitischen Reformen in ihren weitgehenden Erwartungen enttäuscht werden wird, dürfte die zustimmende Begeisterung von den politischen Extremen her ausbleiben. Ein reines Lavieren mit den maßvollen Mittelparteien läßt sich nur kurze Zeit durchführen. 5 Befriedigende Zustände werden nicht gewonnen und, da unter den Mittelparteien sich zwei so geistesverschiedene Parteien befinden wie Zentrum und Nationalliberale, ist eine derartige Politik in der Regel dann zu Ende, wenn das Zentrum nach rechts oder links abschwenkt. Ganz nach rechts kann sich die Regierung nicht verlegen, weil dann der unbedingt notwendige Versuch zu einer Eingliederung der Sozialdemokratie in das nationale politische Leben 5
Sdion unter Bülow als unmöglich erwiesen.
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unterbleiben müßte und andere notwendige Reformen undurchführbar blieben. Ebensowenig vermag sich die Regierung ganz nach links zu halten, weil die demokratischen Zugeständnisse ihre Grenzen an den staatlichen, verfassungsgemäßen Notwendigkeiten finden müssen und weil ein grundsätzlicher und dauernder Bruch mit den konservativen Elementen bei gleichzeitigem Verzicht auf konservative Tendenzen in der Politik ein so radikaler Bruch mit der bisherigen politischen Entwicklung sein würde, daß eine völlige Desorganisation des politischen Denkens die Folge wäre. Ein solches Wagnis kann aber ein monarchisch geordnetes Staatswesen nicht eingehen, das eine im monarchischen Prinzip feste konservative Oberschicht nicht entbehren kann, und in dem auf dem Wege liberaler und demokratischer Konzessionen das Ziel verhältnismäßig früh erreicht zu werden pflegt. Der Weg der Regierung endet da, wo die Demokratie den ihren eigentlich anzufangen wünscht: vor den Verfassungsfragen, vor der Verteilung der innerpolitischen Macht zwischen Regierung und Volksvertretung. Von diesem Punkt aus muß dann die Regierung zu einer im Grundzuge konservativen Politik umwenden, sie bedarf der Konservativen aller Schattierungen und muß sie in zureichender Kraft und Leistungsfähigkeit vorfinden. Die ganz gewiß für die Regierung zu Zeiten sehr unbequeme Notwendigkeit, eine einzelne politische Richtung nicht um ihrer praktischen politischen Leistungen willen und bei schwachem parlamentarischen Einfluß nur wegen der in ihr lebenden Gesinnung schonungsvoll zu behandeln, besteht für jede Monarchie, die nicht einen demokratischen Ursprung hat. Weniger noch als in irgendeiner vergangenen Epoche wird die Regierung bei Aufnahme der Friedensarbeiten in der Lage sein, ihre Politik positiv oder negativ parteipolitisch einzustellen. Verbietet es die parteipolitisch entstehende Lage, verbieten es die aller Voraussicht nach das künftige Parteileben beherrschenden besonderen Forderungen, so verbietet es vor allem die Rücksicht auf die künftige Stellung der Regierung selbst im Staat und gegenüber dem politischen Leben. Die Durchführung einer Reihe von gesetzgeberischen Reformen, die in ihrer Gesamtheit die politische Neuorientierung enthalten werden, wird nur möglich sein, wenn die Regierung den Einfluß aller Parteien in gemessenem Abstände von sich zu halten weiß. Das Bestreben der Parteien, die bevorstehende Reformzeit schon jetzt auf eine parteipolitische Formel zu bringen, ist unverkennbar. Wiederholt sind Versuche gemacht worden, durch plötzliches Aufgreifen einer besonderen Frage, auch durch Angriffe auf die eine oder andere Regierungsstelle, durch Engagierung einer Regierungsstelle gegen eine bestimmte Parteirichtung oder einer Parteirichtung gegen die Regierung eine Klärung der innerpolitischen Lage heraufzuführen oder festlegende Regie-
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rungserklärung zu extrahieren. Sämtliche Parteien ohne Ausnahme wissen sehr wohl, daß die Regierung umsomehr Herr der künftigen Lage über den Parteien wird, je mehr sie es ablehnt, sich von einzelnen Parteien und Parteibewegungen in irgendeiner Beziehung vorschieben zu lassen. Ob sich nun in einzelnen Fällen Parteien der Regierung anbieten, ob andere sich geneigt zeigen, als einstige Oppositionsparteien angesehen zu werden, es liegt hier wie dort die taktische Absicht zugrunde, mit der eigenen Haltung einen Einfluß auf die Stellungnahme der Regierung auszuüben, der Freiheit des Regierungswillens eine Bindung zu geben. Die Parteien wissen, daß sie dann am schwächsten sind, wenn die Regierung allen gleich viel und gleich wenig Gehör gibt,® um ihren Willen über die Köpfe aller Parteien hinweg zur Geltung zu bringen. Die Gefahr, daß eine willensstarke und bis zu einem gewissen Grade rücksichtslose Regierung zureichende parteipolitische Unterstützung schließlich nicht findet, besteht nur in der Theorie. In der Praxis ist die innerpolitische Macht so verteilt, daß jede Partei von der Regierung mehr zu erwarten hat, als sie der Regierung zu gewähren vermag, und, daß die innerpolitischen Machtproben, die Parteien zuzeiten durch Heraufführung von Konflikten versuchen, stets zugunsten der Regierung entschieden werden, wenn die Regierung mit festen Nerven und starkem Willen7 den Kampf bis zum Ende durchhält. Starke Regierungen haben es in Deutschland wohl schwer gehabt, aber die sind schließlich am populärsten geworden, wenn sie gerecht waren. Das Werk der innerpolitischen Neuorientierung birgt wohl scheinbar die Gefahr, zur einseitigen Stärkung bestimmter Parteirichtungen zu führen. Diese Gefahr besteht aber tatsächlich nicht, wenn die Neuorientierung von Anfang zum Ende in jeder einzelnen Reformhandlung Ausfluß des freien Regierungswillens bleibt. Die einzelnen Reformen werden vielfach notwendig in der Sache anfänglich Wünschen und alten Forderungen der Linken entgegenkommen. Sie werden aber keineswegs die weitgehenden Hoffnungen der Linken voll erfüllen können. Andererseits wird das Interesse der Staatserhaltung gebieten, eine ganze Anzahl von Einrichtungen zu bewahren, die inneres Eigentum der Rechten sind, für die die Rechte fürchtet und die die Linke korrigiert sehen möchte. Während wiederum die Rechte durch das zur Durchführung gelangende Reformwerk selbst mehr oder minder stark betroffen werden wird. Diese Lage schließt von vornherein einen Kompromißhandel zwischen Regierung und Parteien grundsätzlich aus. 8 Das Werk der Erneuerung, der Modernsierung unserer innerpolitischen Verhältnisse würde allen 6
Muß unbedingt geschehen.
7
D a f ü r werde ich sorgen.
8
Das ist sehr erfreulich! Daran habe ich sattsam genug!
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Charakter von Großartigkeit verlieren, wenn seine Zerlegung in eine Reihe parteipolitischer Streitfragen gestattet würde. Die Gefährlichkeit parlamentarischen Kompromißhandels beruht ja viel weniger darin, daß das Gesetz selbst durch Zugeständnisse einige Abänderungen erfährt, als darin, daß Kompromißverhandlungen in einen mehr oder minder leidenschaftlichen Parteihader auszumünden pflegen und starke Verstimmungen zurücklassen. Dem kann nur begegnet werden, wenn die Regierung gegenüber den Parteien auf ihrem Willen steht.9 Diejenigen Parteien, die dem Geist einer Reform zustimmen, werden es sich sehr überlegen, die Reform selbst an sich vorübergehen zu lassen, wenn ihnen nicht alle einzelnen Wendungen zusagen. Der Regierung selbst sind die verschiedenen politischen Wünsche und Bestrebungen unter den Parteien ja wohl bekannt, sie wird Rücksicht darauf mit dem sachlichen Inhalt und Zweck einer Reform wohl von vornherein vereinigen können und so aus sich heraus die parlamentarisch notwendigen Kompromisse vorwegnehmen. Die Vielseitigkeit und Unparteilichkeit der Regierung kommt in einem Gesetzentwurf selbst besser zu praktischem Ausdruck als in Zugeständnissen an Parteien im Verlauf der Gesetzesberatung. Jedes derartige Zugeständnis konstruiert eine Abhängigkeit und verursacht eine Verstimmung. Handelt es sich um eine einzelne alleinstehende gesetzgeberische Aktion, nach deren Durchführung neue andere große Aktionen für einige Zeit nicht zu erwarten sind, so mögen die erwähnten Nachteile hingenommen werden können. Anders im Verlauf einer ganzen Reihe von politischen Neuordnungen. Da ist es unerträglich, wenn aus einer jeden einzelnen Abhängigkeiten, Verdruß und Verstimmung in die nächstfolgende übergehen. Daraus kann letzten Endes nur eine vollständige Verwirrung des politischen Lebens und Denkens entstehen, und es stärkt sich in der wiederholten Erlangung wichtiger Zugeständnisse im Erfolg die Macht des Parlamentes gegenüber der Regierung. Die großen Reformzeiten Preußens standen unter der ausschließlichen Führung der Regierung, sie war der Reformator. So und nicht anders muß es auch künftig sein.10 Die Regierung und nicht das Parlament bringt die Neuorientierung, so daß die Zukunft nicht einzelnen Parteien, nicht den Parlamenten Dank weiß und schuldet, sondern der Regierung, der Monarchie. Die neue politisdie Lage, die der Krieg voraussichtlich schaffen, die Volksstimmung, die er hinterlassen wird, bringen doch gerade mit dem Neuen manche neue Unsicherheit in das innere Leben. Die nicht unrichtige Erkenntnis dieser Tatsache veranlaßt solche Kreise, die um ihrer Interessen willen jeder tiefgreifenden Änderung bestehender Zustände abgeneigt sind, allen größeren Reformen zu widerraten. Die Regierung kann sich durch Bedenk9 10
Das hat sie oft leider nicht getan. Das hört nun hoffentlich ein für allemal auf! Unbedingt.
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lichkeiten und übertriebene Vorsicht nicht abhalten lassen, auf den Ansätzen zu dem neuen Guten, das der Krieg gebracht hat, aufzubauen. Die Regierung hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zum Optimismus, da sie die Kraft hat, eine neu eingeschlagene politische Richtung dann umzuwenden, wenn sie sich in ihren optimistischen Erwartungen getäuscht sieht. Dasjenige mit dem Kriegsausbruch eingetretene innerpolitische Ereignis, das am meisten geeignet erscheint, den Charakter der innerpolitischen Zukunft anders zu bestimmen als die Vergangenheit, ist die veränderte Haltung der großen Mehrheit der sozialdemokratischen Partei in nationaler Hinsicht. Es wurde bereits erwähnt, daß künftig der Liberalismus den Entschluß zum Zusammengehen mit der Sozialdemokratie leichter finden wird. Die vom Sozialismus grundverschiedenen volkswirtschaftlichen Anschauungen der Mehrheit der nationalliberalen Partei werden ein generelles Zusammenstehen der linksstehenden Parteien allerdings auf Sozialdemokratie und Freisinn beschränken. Damit bleibt die Sozialdemokratie auch im Reichstag zur Mehrheitsbildung für sehr viele Fälle auf die kaum sehr wahrscheinliche Gewinnung der Unterstützung des Zentrums angewiesen. Die Nationalliberalen, auch in der Kriegszielfrage nach rechts orientiert, werden sich um so häufiger und entschiedener von der Sozialdemokratie abwenden, je weiter die Sozialdemokratie in der Geltendmachung von Arbeiterinteressen gegenüber dem Unternehmertum geht. Es ist dabei zu bedenken, daß die Nationalliberalen mit ihren Parteiorganisationen finanziell sehr stark vom Unternehmertum des deutschen Westens abhängen. Der Nationalliberalismus im deutschen Westen, vornehmlich in Rheinland und Westfalen ist aber im Grunde nur die örtliche Erscheinungsform des Konservatismus. Liberal sind die Nationalliberalen nur im deutschen Osten, wo sie gegen die Konservativen kämpfen wie im Westen gegen die Sozialdemokratie. Die Aussichten für die Sozialdemokratie, in der Zeit nach dem Frieden Hauptbestandteil einer festen Parlamentsmehrheit zu sein, sind also sehr gering, und keinesfalls größer sind ihre Aussichten, späterhin mit ihrer Wählerzahl über die von 1912 hinauszukommen. Mögen sozialdemokratische Führer heut aus taktischen Gründen das Gegenteil behaupten, sie wissen selbst am besten, daß ihre Behauptung nicht den Tatsachen entspricht. Mit dem Hinweis auf ihre tatsächliche, praktisch-politisch realisierbare, durch den Krieg verstärkte Macht kann die Sozialdemokratie jedenfalls nicht die Verwirklichung ihrer Wünsche und Forderungen beanspruchen. Sie kann es nur mit dem Hinweis auf ihre veränderte Gesinnung und deren Betätigung und ist durchaus auf den guten Willen der Regierung angewiesen. Es ist in diesem Zusammenhange doch noch die Tatsache zu verzeichnen, daß die Sozialdemokratie in dieser Zeit einzigartigen nationalen Aufschwungs,
OBER DIE I N N E R P O L . E N T W I C K L U N G W Ä H R E N D DES KRIEGES
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spontanen Ausbruchs des monarchischen, reichs- und staatstreuen Bewußtseins nicht Träger des nationalen Ideals gewesen ist, sondern es hat dabei bewenden lassen, die Geschobene zu sein. Und, daß sie sich als die erste deutsche Partei bereitfand, Wasser in den Wein patriotischer Begeisterung zu gießen. Damit hat sie sich für die Zukunft vor dem Volk ein Moment der Schwäche geschaffen und muß möglicherweise mit einer starken Einbuße an Wählern rechnen. Und das umsomehr, je weniger es die Parteileitung versteht, die radikal-oppositionelle Gruppe zum Stillschweigen zu bringen. Einige führende Sozialdemokraten halten es gegenwärtig für richtig mit dem selbstsicheren Hinweis auf ihre infolge dieses Krieges alsbald gewaltig anschwellende Macht, die weitestgehende Verwirklichung sozialdemokratischer Forderungen als selbstverständlich hinzustellen und der Regierung anzudeuten, daß sie sich in dieser Hinsicht gleichsam schon in einer Zwangslage befinde. Diesen kann nicht früh genug bedeutet werden, daß weder die parlamentarische noch die tatsächliche Machtstellung der Sozialdemokratie derart ist, daß sie die Regierung in ihren Entschließungen beeinflussen könnte, und daß die Regierung mit einer Berücksichtigung diskutabler sozialdemokratischer Wünsche in ihrem Reformprogramm lediglich geleitet sei von dem Willen, es der Sozialdemokratie zu erleichtern, auf dem am 4. August 1914 betretenen Wege weiterzugehen und allmählich vollständigen inneren Anschluß an die Volksgesamtheit zu finden. Unabhängig jedoch von einer Einschätzung der sozialdemokratischen Macht und sogar ohne Rücksicht auf die wohl- oder übelwollende Haltung der sozialdemokratischen Fraktionen ist der Versuch der Eingliederung der Sozialdemokratie eines der großen Probleme, die der Krieg zu lösen aufgegeben hat. 11 Die Lösung selbst wird am Ende nicht sehr viel leichter sein als es vor dem Kriege der Fall war, aber es gibt das Sinken der nationalen Schranke zwischen Regierung und Sozialdemokratie jetzt zum ersten Male der Regierung ernsthaft die Möglichkeit, den Versuch zu unternehmen. Von der Verständigkeit der anderen Parteien, dem Verständnis der Sozialdemokratie für das Erreichbare, von ihrer Maßhaltung gegenüber den politischen Gegnern und der Zucht in ihren eigenen Reihen wird es abhängen, ob die tatsächliche Annäherung der Sozialdemokratie ein Stück Weges gelingt. Denn die Regierung ist in ihren Möglichkeiten und Mitteln beschränkt, da sie die Fortbildung und vornehmlich das Retablissement des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens nicht dem Zwecke der Gewinnung einer einzelnen Minderheitspartei unterordnen kann. Die Regierung wird der Sozialdemokratie vorerst mit vertrauensvollem Optimismus begegnen. Ein großer Teil gesetzlicher Bestimmungen, die die Einschränkung der Sozialdemokratie 11
Die Sozialisten kommen aus den Schützengräben anders heraus als sie hineingingen!
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mittelbar oder unmittelbar beabsichtigen, wird fallen können. Eine Reihe sozialpolitischer Neuerungen, die hier im einzelnen nicht zur Erörterung stehen, wird auch die Erfüllung spezifisch sozialdemokratischer Wünsche in sich aufnehmen müssen. Die Verwaltungsorgane werden anzuweisen sein, die Vertreter sozialdemokratischer Anschauungen als gleichberechtigt dienstlich und persönlich zu behandeln. Das Gefühl, unter einer polizeilichen Sonderkontrolle zu stehen, muß den Sozialdemokraten genommen werden, und es ist hierzu eine Änderung der Praxis nach dem Kriege erforderlich und vielleicht während des Krieges anzukündigen. Die führenden Vertreter der Sozialdemokratie dürfen bei offiziellen gesellschaftlichen und öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr übergangen werden. Kurz, es kann gerade in persönlicher Behandlung im Frieden noch vieles über die neue Kriegsgewohnheit hinaus geschehen, was den Vertretern der sozialistischen Arbeiterschaft das Einleben in die bestehende Gesellschaftsordnung erleichtert. Freilich muß dagegen von der Sozialdemokratie unbedingt gefordert werden, daß sie den Klassenkampf in den alten Formen nicht fortführt. U n d es ist, solange die Sozialdemokratie geschlossen bleibt, die gemäßigte Führerschaft für die etwaige turbulente und ausschweifende Haltung der radikalen Parteimitglieder mit haftbar zu machen. Denn, wird der Sozialdemokratie zwar gleiches Recht gewährt, aber darüber hinaus noch das Recht eingeräumt, sich in einzelnen Gliedern gegen die Volksmehrheit und die Regierung aller Rücksichten zu begeben, so wird die Sozialdemokratie zur bevorrechtigten Partei. Die Folge würde ein Zuwachs ihrer Reihen aus der irrewerdenden Bürgerschaft sein, ein Zuwachs, den die Sozialdemokratie kraft des eigenen Nachweises ihrer politischen Berechtigung nicht gewinnen könnte. Wie sich die Sozialdemokratie unter dem Eindruck des Entgegenkommens seitens der Regierung für die Dauer stellen wird, ist eine offene Frage. Die einstige Beantwortung wird sehr davon abhängen, ob sich die Sozialdemokratie mehr von einer Wendung zu Regierung und Staat oder mehr von einer Rückwendung in die alte radikale Opposition parteipolitische Vorteile verspricht. Beide Ansichten werden heut bereits in der Sozialdemokratie vertreten. Die eine stützt sich auf die Tatsache, daß die Sozialdemokratie in reiner Opposition ihr ungeheures Wachstum erlangt hat, die andere auf die verständige Erkenntnis, daß die gegenwärtige Macht einen Höhepunkt der Entwicklung darstellt, zu dem weniger die sozialdemokratische Politik als die ungeschickte Politik der anderen Parteien geführt hat, und auf der sich die Sozialdemokratie nur durch einen Wechsel ihrer Politik halten kann. M a g nun die eine oder die andere Richtung vorübergehend oder dauernd zum Siege kommen oder mag sich eine Spaltung in der Partei vollziehen, so bringt die Einführung der Sozialdemokratie in das innere nationale Leben
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ein unverkennbares Moment der Unsicherheit. Es fehlt die große innerpolitische Chance der Vergangenheit für die Regierung, in kritischem Augenblick eine feste Mehrheit anderer Parteien unter der nationalen Fahne in Kampffront gegen die Sozialdemokratie und neben der Regierung aufzustellen. Von der Anwendung dieser ultima ratio wird solange keine Rede sein können, wie seitens der Regierung die Eingliederungsversuche der Sozialdemokratie dauern. Gelingt die Eingliederung zur möglichen Zufriedenheit, so tritt ja generell eine Entlastung des politischen Lebens zugunsten der Regierung ein. Für die Zeit der Versuche und des Uberganges muß der Ausfall der früheren taktischen Chance der Regierung, sich durch die Wendung gegen die Sozialdemokratie unter Appell an das nationale Gewissen zum Herrn der parteipolitischen Lage zu machen, ersetzt werden durch eine dauernde Festigung der Regierungsautorität gegenüber dem gesamten Parteileben. Es kommt ja ganz allgemein hinzu, daß das deutsche Volk aus diesem in jeder Beziehung opferreichen Kriege mit gestärktem nationalem und politischem Selbstbewußtsein hervorgehen muß. Wird sich dieses Selbstbewußtsein hoffentlich auf der einen Seite nach draußen kehren, so wird es sidi auf der anderen Seite auch im innerpolitischen Leben zur Geltung bringen. In welcher Richtung es geschieht, wird nicht so sehr von den Parteien, die ohne Ausnahme im Kriege eine negative Rolle gespielt haben, als von dem Willen der Regierung abhängen, der der inneren Politik die Aufgaben vorschreibt. Deshalb ist es notwendigstes Erfordernis, daß die Regierung ihren Willen rechtzeitig, resolut und weithin hörbar vernehmen läßt. Erscheinen die neuen Aufgaben, die die Regierung weist, großartiger als die alten, die die Parteien vertreten, so werden sich besonders die aus dem Felde heimkehrenden Männer lieber dem neuen Größeren zuwenden. Diejenigen Parteien, die gewisse grundstürzende Verfassungsänderungen anstreben, werden nicht zögern, das verstärkte Selbstbewußtsein des Volkes auf die Vermehrung von Volksrechten, d. h. Parlamentsrechten zu lenken. Darin liegt fraglos eine Gefahr. Ihr gilt es zu begegnen durdi ein entschlossenes Festhalten an den Grenzen der geltenden Machtverteilung zwischen Regierung und Volksvertretung, durch die eindeutige Betonung, daß eben die staatsrechtliche Ordnung, die Deutschland von den Feinden unterschied, eine der ersten Garantien des Sieges über die parlamentarisch mißleiteten Staaten war. Die eigenartige, aus der Geschichte Preußens und Deutschlands geborene Rechtsordnung kann dem Volke jetzt mehr denn je, ja, jetzt zum ersten Male zum Gegenstand nationalen Stolzes und Selbstbewußtseins erhoben werden. Das ist möglich, denn neben dem zu erwartenden vermehrten Selbstbewußtsein des Volkes ist heute ein vertieftes Staatsbewußtsein fühlbar, wenn es sich
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auch zunächst sichtbar dadurch geltend macht, daß man vom Staat mehr verlangt, als er faktisch leisten kann und sich der eigenen Initiative mehr und mehr begibt. Die Mehrheit des Volkes ist zweifellos durch den Krieg bei allem gesteigerten Selbstbewußtsein des einzelnen williger geworden, unter einer kräftigen Autorität zu leben, 12 als es vor dem Kriege war. An dieser Erkenntnis wird man sich nicht irre machen lassen dürfen durch die jetzt vereinzelt in Erscheinung tretende, später bald sicher allgemeiner werdende abwegige Haltung der Presse, die jeder Autorität abgeneigt ist, weil sie, soweit sie in den seltenen Fällen nicht parteipolitisch gebunden ist, von der Wiedergabe der Vielfältigkeit des Unwillens gegen den Staat und seine Organe journalistisch besser leben kann als vom Ausdruck der Einhelligkeit des Willens. Den in der Mehrzahl gegen Staat und Autorität gehenden Wirkungen der Presse, denen die Regierung nach Aufhebung des Kriegszustandes mit autoritativen Mitteln nicht mehr begegnen kann, wird sie künftig auf dem Betätigungsfelde der Presse selbst begegnen müssen, so schwer und so undankbar das auch anfänglich sein mag. Der Krieg ist zum Siege geworden durch die einheitliche und straffe autoritative Leitung. Anders kann auch die Ära des Friedens nicht erfolgreich sein. Wandte sich mit dem Kriege die Nation elementar zur monarchischen Führung, so wird auch die politische Neuorientierung sichtbar von der Monarchie getragen sein müssen. Der monarchische Gedanke, mit den Wurzeln im preußischen Staate ruhend, hat sich stets als eine Kraft des nationalen Lebens gezeigt, die letzten Endes der politischen Gegensätze und Schwierigkeiten Herr werden konnte. Stützt sich die Entschlußkraft der Regierung auf Willen und Machtfülle der Krone, wird so der Staatsgedanke zugleich mit dem monarchischen für die neuen Aufgaben des Friedens aufgerufen, so muß die Ära der Neuorientierung unabhängig von günstiger und ungünstiger Parteientwicklung zu einer Reformzeit werden, die vor der Geschichte würdig erscheint dieses Krieges. 13 12
D e r deutsche Militarismus.
13
Es ist m. E . die Kriegszielagitation doch nicht nur ein Ergebnis der Parteikonstellation
oder ihrer jeweiligen T a k t i k . Sie k o m m t aus dem Innern der Volksseele heraus, und ist der Ausdruck des Fühlens und Wollens des ganzen Volkes. Seitdem alles, alle Stände, Klassen, Altersstufen des V o l k e s in buntem Gemisch im Schützengraben und T r o m m e l f e u e r sein Bestes — Blut, Gesundheit und Leben — f ü r den Sieg und einen durch ihn zu erreichenden gesicherten, ehrenvollen Frieden hingibt; ist das V o l k — über die H ö h e der Verluste v o l l k o m m e n unterrichtet ebenso wie über die Leiden und S t r a p a z e n seiner K ä m p f e r — viel lebendiger bei der Einschätzung dieser Verluste und Leiden beteiligt; ebenso auch an ihrer Bewertung f ü r den Frieden. D a h e r wird es im Einverständnis mit den draußen v o r m Feinde Stehenden — sehr scharf und bestimmt über die Friedenszielfragen denken und demgemäß seine Stimme erheben wollen, mitreden wollen und auch mitreden. D a r ü b e r muß sich die Regierung voll-
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kommen im klaren sein und nicht in den Fehler verfallen, wegen etwaiger Ausnutzung sogenannter günstiger Konstellationen, einen Frieden schließen wollen, der nach Ansicht des Volkes, den Verlusten und Opfern, die es gebracht hat, nicht entspridit. Das läßt sich das Volk einfach nicht gefallen und würde der Regierung den Vorwurf machen, sie schätze das vergossene Blut nicht richtig, nicht hoch genug ein. D a ß die Parteien eine solche Mentalität des Volkes gern benutzen, um dabei ihre speziellen Parteiziele zu verfolgen, ist bedauerlich, aber nicht verwunderlich. Jedoch manches, was dort gesprochen oder geschrieben wird, kommt aus tieferem Quell des Volksbewußtseins, wenn es auch im Parteigewande erscheint. Die vom Kanzler getroffenen „Garantien" werden vom deutschen der Weise nach s e i n e r höher
Volke
in nidit mißzuverstehen-
Schätzung ausgelegt werden und je länger der Krieg dauert desto
werden. U m diese mit den etwaigen Zielen der Regierung beim Friedensschluß nicht
in Konflikt geraten zu lassen, ist es wichtig, daß sie schon bei Zeiten mit dem direkt
Fühlung
Volke
nimmt, sei es durch die Presse, oder durch private Aufklärung oder
durch die Parteien, damit nicht diese eine oder die andere Richtung im Gegensatz zur Regierung im Volke zur Festsetzung bringen und sich als Verfechter seiner
berechtigten
Wünsche gegen die Regierung aufspielen können. Libau 1 4 . 1 2 .
Wilhelm
MANFRED HAMANN
MECKLENBURGS BEITRAG ZUR DEUTSCHEN
LANDESGESCHICHTE
EIN BERICHT ÜBER DIE WICHTIGSTEN N E U E R E N FORSCHUNGSRICHTUNGEN Wer in einer beliebigen westdeutschen Stadt, die nicht über eine Spezialbibliothek verfügt, Literatur zur mecklenburgischen Geschichte sucht, tut gut, wenn er zunächst seine Erwartungen dämpft und dann damit beginnt, sich mit der systematischen Ordnung der Bücherei vertraut zu machen. Der Erfahrene weiß nämlich, daß die Bibliothekare über die Einordnung Mecklenburgs in die großen deutschen Landschaften keineswegs einer Meinung sind, zumindest ihre Ansicht im Laufe eines Menschenlebens geändert haben. Stellte man früher die „Mecklenburgica" in die Nähe der Hansestädte und SchleswigHolsteins, so findet man sie heute meist in der Sachgruppe Mittel- und Ostdeutschland, d. h. neben Brandenburg oder Pommern. Die Bibliotheken spiegeln darin nur das allgemeine Bewußtsein wider, das die Realität der Zonengrenze akzeptiert hat und den Gegensatz von Ost- und Westdeutschland als das nationale Problem der Gegenwart begreift, so wie man im vorigen Jahrhundert Nord- und Süddeutschland gegenüberzustellen sich angewöhnt hatte. Man ordnet also die Vergangenheit nach der Orientierung der Gegenwart; ein Vorgang, der nun wahrlich keine Eigenheit des 20. Jahrhunderts ausmacht, der vielmehr in allen Zeiten zu beobachten ist. Nur wäre das Interesse an der Geschichte längst abgestorben, erhielte sich unter dem vordergründigen aktuellen Denken nicht das Bewußtsein tieferer, älterer Zusammenhänge als eine Potenz, die von den jeweils herrschenden politischen Kräften zwar bekämpft oder wenigstens abgelenkt, aber selten ausgemerzt werden kann. Das Gedächtnis der Menschen ist denn doch nicht so kurz, wie es sich die Politiker gern wünschen, wie es überhaupt zu den trostreichsten Beobachtungen des Historikers gehört, daß das Völklein, läßt es sich schon nicht beliebig verbessern, denn auch nicht dauerhaft verdorben werden kann.
MECKLENBURGS BEITRAG ZUR DEUTSCHEN LANDESGESCHICHTE
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Die Einordnung Mecklenburgs in die historische Geographie Deutschlands ist also unsicher geworden, weil die heutigen mit den früheren Bezogenheiten nicht mehr übereinstimmen. Auf der einen Seite ist Mecklenburg heute ein Teil der D D R , deren Existenz dem Lande bereits unauslöschbare Spuren eingegraben, deren politische und wirtschaftliche Ausrichtung Mecklenburg tatsächlich heute dem eigentlichen Mitteldeutschland angeglichen hat. Andrerseits gehört Mecklenburg der materiellen und geistigen Kultur nach zu N o r d deutschland, besser gesagt zum niederdeutschen Volkstum, Geschichts- und Kulturkreis, freilich in einer deutlichen Übergangsstellung zum Osten. Wer vor dem Kriege von der Lüneburger Heide aus über die Elbe wanderte, traf an beiden Ufern den gleichen Menschenschlag, dieselbe Mundart, das gleiche Bauernhaus. Lübeck und — später — Hamburg waren die Großstädte, in denen oder über die sich diejenigen Bürger- und Bauernkinder ein Unterkommen suchten, denen die Heimat kein Hüsung mehr bieten konnte. N u r den südöstlichen Teil, das eigentliche Mecklenburg-Strelitz, zog seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts Berlin allmählich in seinen Bannkreis. Erst die Zonengrenze, und endgültig die Berliner Mauer, hat diesen Zug unterbunden. Die mecklenburgische Agrarstruktur freilich ist ostdeutsch. Hier wirkte sich eine gemeinsame Tradition aus, die letztlich bis auf die deutsche Siedlung im Wendenland zurückgeht, in welcher der Adel eine wesentlich günstigere Position zum — späteren — Aufbau großer Eigenwirtschaften erhielt als im nordwestlichen Deutschland. Noch wichtiger für die landläufige Unsicherheit, Mecklenburg richtig einzuordnen, scheint mir freilich ein anderes: die geringe Ausstrahlungskraft des Landes. K a u m einmal sind wesentliche Impulse für die deutsche Geschichte von hier ausgegangen, und in den zahlreichen Kriegen, welche Mecklenburg überzogen, sah sich das Land fast immer in der Rolle eines gründlich ausgeplünderten Nebenschauplatzes. Wirkten also die ungünstige geographische Lage im toten Winkel von Elbe und Oder und die im ganzen gesehen wenig glückliche Politik des Fürstenhauses dahin zusammen, daß so selten die Deutschen ihre Augen auf Mecklenburg zu lenken Ursache fanden, so war auch der Beitrag des Landes zur deutschen Geistesgeschichte nicht danach beschaffen, dieser Gewohnheit abzuhelfen. Im geistigen und musischen Bereich sind die Mecklenburger, im ganzen gesehen, wenig hervorgetreten; freilich unterscheiden sie sich dadurch keineswegs von den anderen Niederdeutschen. Doch mag es bezeichnend sein, daß der Mann, der das Verständnis für das Plattdeutsche am weitesten verbreitet hat, dessen Erzählertalent sich in der Eigenart und Beschränkung auf die niederdeutsche Volkssprache vollendete, nicht aus Westfalen oder Niedersachsen, sondern aus Stavenhagen stammt, Fritz Reuter.
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Dieser Mann hat denn auch mehr getan, Land und Leute bekannt zu machen, als die kenntnisreichsten Landeskundler. Es war schon richtig, was ein sehr gelehrter Herr seinem Freunde Ernst Boll 1847 schrieb: „Mecklenburg muß noch entdeckt werden." 1 Niemand hat das treffender umschrieben als Treitschke: „Außer den unvermeidlichen kursächsischen Kandidaten betrat selten einmal ein Hochdeutscher diese fremde Welt; die wenigsten im Reiche wußten, wie schön dies verrufene Land war mit seinen hunderten kleiner Landseen, mit seinen ragenden Buchen und üppigen Feldern, mit der Zinnenpracht seiner alten Städte Rostock, Wismar, Güstrow und Neubrandenburg." 2 Von Westdeutschland her gesehen, scheint sich daran wenig geändert zu haben. Nur sind nach dem Kriege an die Stelle der Kandidaten sächsische Parteifunktionäre getreten, von den weniger beweglichen Mecklenburgern mit dem gleichen reservierten Humor akzeptiert wie von den Vorpommern die gewandteren Stettiner. 3 Es schien mir nötig, auf diese geschichtlichen Hintergründe einzugehen, weil sie manche Eigenart der mecklenburgischen Landesgeschichte erklären helfen. Doch bevor wir uns ihr zuwenden, wird es selbst an dieser Stelle vielleicht nicht überflüssig sein festzuhalten, daß der Historiker unter Mecklenburg etwa jenen Raum versteht, der beim Zusammenbruch 1945 unter diesem Namen als Verwaltungseinheit erfaßt wurde, dessen Grenzen, wohl die beständigsten innerhalb des deutschen Reiches überhaupt, sich schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts herausgebildet haben. Erst seit 1945 verschiebt sich der Raumbegriff. Zunächst legte nach dem Kriege die Besatzungsmacht Wert darauf, daß Vorpommern als Teil des Landes Mecklenburg bezeichnet wurde. Seit 1952 hat die Bezirkseinteilung der DDR dahin geführt, daß sich für die heutigen Verwaltungsbezirke Schwerin, Rostock und Neubrandenburg Mecklenburg als Landschaftsname einbürgert. Den Sachkenner berührt es noch immer eigenartig, wenn er etwa westliche Nachrichtensprecher von dem „mecklenburgischen" Kreise Grimmen berichten hört. Doch der Historiker muß dergleichen Wandlungen in Kauf nehmen. Er freut sich um so mehr an der Lebenskraft des überkommenen Namens, und der mecklenburgische Patriot vermag sein kleines Vergnügen nicht ganz zu verbergen über die Ironie der Entwicklung, welche dazu geführt hat, daß man heute selbst die Prignitz und Uckermark als „mecklenburgisch" näher bestimmt finden kann. 1
E. B o 1 1 , Abriß der mecklenburgischen Landeskunde, 1861, S. III.
a
H. v o n T r e i t s c h k e , Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 3. Teil, 1889, S. 567.
Derartige landschaftliche Häkeleien wollen nicht allzu ernst genommen werden, doch sie illustrieren das Selbstbewußtsein der deutschen Stämme. So mag denn auch der mecklenburgisdie Spottvers einer Fußnote anvertraut werden: Im Winter ist der Pommer / noch dümmer als im Sommer. 3
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Die Wurzeln der Landesgeschichte führen in Mecklenburg in die gleichen geistigen und politischen Schichten wie in anderen Ländern. Am Anfang steht das schlichte antiquarische Interesse, der Wunsch zu erfahren und festzuhalten, wie es einmal im Lande aussah und was die Vorväter darin trieben. Diesem allgemein-menschlichen Interesse ward in neuerer Zeit eine doppelte Richtung gewiesen. Vermehrte und vertiefte Kenntnisse der Vergangenheit sollten einmal der Bestätigung und barocken Erhöhung der Gegenwart dienen, denn was sich als alt-hergebracht erweisen ließ, mußte alt-bewährt sein. Der Rostocker Professor Nikolaus Marschalk ( | 1525) — ein geschäftstüchtiger Humanist und kleiner Polyhistor — führte daher das mecklenburgische Herzoghaus bis auf Alexander den Großen und die Amazonen zurück. Erst Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich der Zweifel an dergleichen Hirngespinsten durch.4 Denn — und darin möchte ich die zweite Wurzel des verstärkten Interesses an der Geschichte sehen — jetzt beginnen sich die Juristen in zunehmendem Maße historischer Dokumente zu bedienen. Wir befinden uns ja im Zeitalter der französischen Reunionen und der bella diplomatica. In Mecklenburg wirkte sich diese Tendenz deswegen so stark aus, weil, als sich Ende des 17. Jahrhunderts die Auseinandersetzungen zwischen Landesherrschaft und Ständen zuspitzten, beide Parteien ihre Argumente dem Arsenal der Landesgeschichte entliehen. Da es jetzt darauf ankam, zuverlässige Dokumente zu Detailfragen zu erhalten und dazu die Originalurkunden möglichst vollständig vorzulegen, strömte bis dahin unbekanntes Material auf die Schreibtische der Gelehrten. Als Stoffquellen besitzen die meist dickleibigen, nicht gerade bequem benutzbaren Veröffentlichungen des 18. Jahrhunderts noch immer ihren Wert. Doch diese Arbeiten von C h e m n i t z , K l ü v e r / J a r g o w , Franck, R u d i o f f , N e t t e l b l a d t , v o n W e s t p h a l e n u. a. begründeten noch nicht die moderne Landesgeschichte.5 Ihre Grundlagen legte in Mecklenburg erst Friedrich L i s c h (1801—1883), seit 1834 Archivar am Geheimen und Hauptarchiv in Schwerin.6 Auf seine Initiative entstand — ganz im Zuge der Zeit — 1835 der „Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde", der 1836 sein erstes und 1940 sein letztes Jahrbuch herausbrachte. Mit Feuereifer nahm sich Lisch jener Aufgaben an, welche sich damals die Vereine stellten und die heutzutage auf Vgl. A. H o f m e i s t e r , Das Lied vom König Anthyrius, in: Jahrbücher d. Ver. f. mecklenburg. Gesch. u. Altertumskunde 61 (1891), S. 239 ff. 4
5
Die genauen Titel sind über die Bibliographie von H e e ß (s. unten Anm. 15) bequem zu
ermitteln. 6
H . R e i f f e r s c h e i d , Friedrich Lisch, Mecklenburgs Bahnbrecher deutscher Altertums-
kunde, in: Mecklenb. Jbb. 99 (1935), S. 261 ff.; F. S t u h r , burgischen Gesdiichts- und Altertumsvereins, in: ebd., S. 2 3 9 ff. 17
Hundert Jahre des Mecklen-
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drei Fachgebiete und eine Vielzahl von Instituten, Kommissionen und wissenschaftlichen Gesellschaften aufgeteilt sind: Geschichte (Archiv), Vorgeschichte (Bodendenkmalpflege) und Kunstgeschichte (Denkmalpflege). Das Schweriner Archiv wurde jetzt — und damit relativ früh — der Forschung liberal geöffnet und zum Mittelpunkt der weiteren Tätigkeit. Groß angelegte Quelleneditionen und zahllose Aufsätze förderten eine Lawine neuen Stoffes ans Tageslicht, so daß Lisch eine zusammenfassende Darstellung gar nicht mehr wagte. Den Namen des Friedrich Lisch haben die Historiker außerhalb Mecklenburgs heute so gut wie vergessen. Besser erinnern sich seiner die Prähistoriker, zumindest die norddeutschen. 7 Die mecklenburgische Bodendenkmalpflege hat in allerjüngster Zeit geradezu einen Faden wieder aufgegriffen, den Lisch zu spinnen angefangen hatte. 8 N u n kommt ihm in der Tat der Ruhm zu, die moderne Vorgeschichtsforschung zwar nicht begründet, doch wesentlich gefördert zu haben, so daß er als „der hervorragendste Vorgeschichtsforscher Norddeutschlands in den Jahrzehnten um die Mitte des vorigen Jahrhunderts" gelten darf. 9 Die eigentliche Historiographie hat ihm ähnliche Ruhmeskränze nicht geflochten, denn die Nationalgeschichte ging an Lisch vorbei. Landesgeschichte und Schweriner Archiv boten dem Mecklenburger wenig Gelegenheit, an dem großen Thema der deutschen Historiker im 19. Jahrhundert mitzuarbeiten, an der mittelalterlichen Kaiserzeit. Die mecklenburgische Geschichte beginnt eben sechs Jahrhunderte später als die fränkische, vier Säkula nach der sächsisch-westfälischen. Der riesige, in den Monumenta Germaniae histórica aufgearbeitete Stoff berührt Mecklenburg daher nur am Rande. N u n gilt dasselbe nicht minder für Brandenburg, Pommern oder Preußen. Aber nirgendwo hat man aus der N o t so eifrig eine Tugend gemacht und sich derart konsequent und beharrlich den Problemen der eignen Geschichte zugewandt. Konnten sich die Mecklenburger schon in Bezug auf geschichtliche Tiefe und Glanz mit anderen Landschaften nicht messen, so konzentrierten sie sich um so intensiver auf Dinge, für die man sich in Berlin, im Westen oder Süden nicht mehr interessierte, auf eben jene Fragen, die heute zum eigentlichen Gegenstand der Landesgeschichte geworden sind. Dabei wirkte sich in Mecklenburg glücklich aus, daß das Arbeitsgebiet weit genug war, um 7 E. M e y e r , Friedrich Lisch (1801—1883), in: Hammaburg 5 (1957), S. 1 ff.; H . J. E g g e r s , Einführung in die Vorgeschichte, 1959, S. 46 ff. 8 E. S c h u l d t , Neue Ausgrabungen zur Erforschung der jüngeren Steinzeit in Mecklenburg, in: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jb. 1965 (1966), S. 7 f. 9 H . G u m m e l , Die Urgeschichtsforschung und ihre historische Entwicklung in den Kulturstaaten der Erde, 1. Bd., 1938, S. 10.
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zu allgemein gültigen Beobachtungen und Schlüssen zu gelangen, aber nicht so groß, als daß man die Eigenheiten der Landschaft aus den Augen verloren hätte. Hier wenigstens zeitigte die deutsche Kleinstaaterei einmal positive Früchte, flössen der Landesgeschichte im letzten Jahrhundert Kräfte und Mittel zu, welche weder in den preußischen Provinzen noch in den mittelund westdeutschen Duodezländern zur Verfügung standen. Anspornend und befruchtend kam dann im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts hinzu, daß wenigstens ein Forschungskreis von allgemeinem Interesse das Land berührte, die Hansegeschichte. Der Irrtum jener Jahre, als man in der Geschichte der Hanse ein Stück deutscher See- und Machtgeschichte suchte, tat der Sache keinen Abbruch, da die Arbeit, von hervorragenden Gelehrten getragen, direkt der städtischen, indirekt auch der ländlichen Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte Mecklenburgs zugute kam. Die Früchte der Ära Lisch erntete die Generation, welche nach 1900 Geschichte trieb. Ihr Verdienst ist es, daß in den zwanziger und dreißiger Jahren die Erforschung der mecklenburgischen Landesgeschichte sich sowohl dem Niveau als der Breite nach mit anderen deutschen Landschaften messen, auf einzelnen Gebieten sogar als vorbildlich angesehen werden konnte. Dies war eine Folge der Tatsache, daß in jenen Jahren die wichtigsten Kristallisationspunkte, Universität und Archive, Museen und Vereine, zusammenarbeiteten und sich gegenseitig befruchteten. Hier seien die Namen der Professoren R e i n c k e - B l o c h , S p a n g e n b e r g , M a y b a u m und F o l k e r s , G e h r i g , S e d l m a i e r , T e u c h e r t und U 1 e , der Archivare W i t t e , S t u h r , S t r e c k e r , S t e i n m a n n , E n d l e r , T e s s i n , E n g e l und S t r u c k , K o p p m a n n , T e c h e n und D r a g e n d o r f f , der Museumsleute B e l t z , R e i f f e r s c h e i d und B a s t i a n herausgestellt. Gleichzeitig wirkten der alte W o s s i d 1 o , der Pastor S c h m a 11 z , die Bauräte P r i e s und L o r e n z , um weitere — zumindest dem Sachkenner — bekannte Namen zu nennen. Das Ergebnis ihrer Arbeiten fand in Einzelveröffentlichungen und Sammelbänden, vor allem in Zeitschriften ihren Niederschlag. Wir werden auf die wichtigsten einzugehen haben, deren Kenntnis, sehe ich recht, nicht sonderlich verbreitet ist, obwohl damals in Mecklenburg bereits Probleme der Verfassungs-, Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte behandelt wurden, für die sich im Westen erst nach 1945 Interesse fand. Im Lande selbst konnte auch unter den veränderten politischen Verhältnissen daran angeknüpft werden. Das Ende des Zweiten Weltkrieges wirkte sich zunächst katastrophal aus. Nur die Urgeschichtsforschung konnte bald ihre Arbeit wieder aufnehmen. Sämtliche landesgeschichtlichen Vereinigungen und Periodika stellten ihre Tätigkeit ein oder kamen über Ansätze nicht mehr hinaus. Ein schmerzlicher 17»
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MANFRED HAMANN
Aderlaß an geistiger Substanz folgte. Die meisten der oben Genannten mußten, soweit sie noch im Dienst standen, ihre Stellung, viele ihre Heimat aufgeben. Die Generation der damals Dreißig- bis Sechzigj ährigen fiel mit einem Schlage aus. Nun soll nicht vergessen werden, daß sich unter den Historikern vielleicht mehr Leute als in anderen Berufskreisen auf den 1933 hochkommenden Wellen hatten treiben lassen, daß sie der nationalistische und völkisch-emotionale Grundzug der Vorweltkriegszeit und der zwanziger Jahre in besonderem Maße anfällig machte. Aber einmal war das, was jetzt als Schritt politischer Überzeugung gewertet wurde, der Eintritt in die N S D A P , häufig geschehen, um eine sich anbietende Förderung für die Sache zu nützen, der man sich mit Leib und Seele verschrieben hatte. Zum anderen kann von einer pauschalen Schuld nicht die Rede sein. Denn die Besatzungsmacht nutzte nach 1945 die Gelegenheit, die Historiker zu entfernen, ohne in jedem Einzelfall deren Haltung genauer zu prüfen. Jedenfalls verhielt sie sich gegenüber den technischen Experten weit duldsamer. Die Älteren unter den nach dem Westen gegangenen, E n d l e r , M a y b a u m und im Grunde auch F o 1 k e r s , resignierten, die Jüngeren brauchten alle Kraft, um sich in neuen Wirkungskreisen einzuarbeiten. Erst im Laufe der fünfziger Jahre fanden sie Muße, ältere Arbeiten wieder aufzugreifen und abzuschließen. Die schier unbändige Tatkraft eines einzigen, Franz E n g e l s , reichte aus, um wenigstens organisierend weiterzumachen, aber auch er zehrte im wesentlichen von der Vorkriegssubstanz. Von den in Mecklenburg gebliebenen konnten einzelne die Ernte ihrer Lebensarbeit noch in die Scheuer bringen. So erschien 1952 der 3. Band von S c h m a l t z ' Kirchengeschichte Mecklenburgs, 1960 S t e i n m a n n s Hauptwerk: Bauer und Ritter in Mecklenburg. Fügen wir einen dritten Vertreter der älteren Generation hinzu, den Greifswalder Geographen M a g e r , dessen Geschichte des Bauerntums und der Bodenkultur im Lande Mecklenburg 1955 herauskam. Fast alle anderen Verfasser geschichtlicher Veröffentlichungen, die in der Nachkriegszeit in Mecklenburg selbst entstanden, gehören einer jüngeren Generation an oder sind zumindest vor 1945 mit mecklenburgischen Arbeiten nicht hervorgetreten. Ein solcher Kontinuitätsbruch konnte nicht ohne Folgen bleiben und erklärt, neben anderem, die geringe thematische Breite, die Einseitigkeit der landesgeschichtlichen Publikationen. Während an den Universitäten Rostock und Greifswald, vor allem aber an den Forschungsstellen, Arbeiten von beachtlichem wissenschaftlichen Niveau entstehen, vermißt man solche Beiträge, wie sie im Westen von eifrigen Archivbenutzern ohne schulmäßigen Befähigungsnachweis vorgelegt werden. Gewiß wird — auch — da viel Makulatur produziert, allein es ist der unfruchtbarste Boden, der nicht einmal Unkraut aufkommen läßt. Jede geschichtliche Darstellung bedarf eben
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einiger Übung, die zu gewinnen man dem Einzelnen Gelegenheit bieten muß, auf das Risiko gelegentlicher Mißgriffe hin. Überblickt man die Nachkriegsentwicklung in Mecklenburg, so entdeckt man zunächst Ansätze, unmittelbar an der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Die „Historische Kommission für Mecklenburg" sollte zu neuem Leben erweckt werden — übrigens ohne Erfolg — , und seit Ende der vierziger Jahre wandte man sich an der Universität Rostock wieder landesgeschichtlichen Themen zu. Es waren dies alles Arbeiten einzelner, die so gut wie ohne jeden Zusammenhang mit dem Lehrbetrieb blieben. D a sie zudem nicht gedruckt werden konnten, sind sie wenig bekannt geworden. Es ist auch nicht zu verkennen, daß man sich in Sachsen und Thüringen nach 1945 landesgeschichtlicher Probleme weit intensiver annahm. Der Weggang der Professoren aus Rostock, das Damoklesschwert drohender Auflösung, das jahrelang über der Philosophischen Fakultät schwebte, mußte den Eifer in Rostock dämpfen, beförderte dafür den der Greifswalder. Die Auflösung der Länder 1952 stellte schließlich den Rahmen der Landesgeschichte ganz in Frage. Das offizielle Interesse daran war um so geringer, als man vor allem die neueste Geschidite zu fördern bemüht war, für die in der Tat die überwiegend unpolitische Landesgeschichte wenig beizusteuern vermag. Allein, man brauchte sie wenigstens an einer Stelle, für die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Und spätestens Anfang der sechziger Jahre erkannten auch die marxistischen Historiker, in welcher Weise das Geschichtsbild verarmt, wenn aus ihm die landschaftliche Vielfalt und ihre Impulse verbannt bleiben. „Ohne ein richtiges Verständnis der regionalen Geschichte, ohne die Erforschung der lokalen und territorialen Vorgänge und Ereignisse, Zustände und Prozesse, bleiben wichtige Fragen unserer nationalen Geschidite unbearbeitet und ungelöst", so Steinmetz in einem programmatischen Aufsatz 1961. 1 0 Und er konnte vor allem auf folgendes verweisen: „Die Zahl der Freunde der Heimat- und Landesgeschichte ist größer als man oft annimmt. Viele, die durdiaus bereit sind zur Zusammenarbeit, haben sidi in den letzten Jahren zurückgehalten, da es an der Anleitung und auch an der nötigen E r munterung und Anerkennung gefehlt hat." 1 1 Es sind dies weise Worte, die gewiß doppelt wirksam gewesen wären, hätte man die nötige Ermutigung zur Arbeit nicht sofort mit der offenbar unvermeidlichen Nutzanwendung 1 0 M. S t e i n m e t z , Die Aufgaben der Regionalgeschichtsforschung in der D D R bei der Ausarbeitung eines nationalen Geschichtsbildes, in: Zs. f. Geschichtswissenschaft 9 (1961), S. 1741; vgl. K . C z o k , Zu den Entwicklungsphasen der marxistischen Regionalgesdiichtsforsdiung in der D D R , in: Jb. f. Regionalgesdi. 1 (1965), S . 9 f f . 11
S t e i n m e t z , a. a. O., S. 1745.
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MANFRED
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gekoppelt, dadurch den Kampf gegen die „militaristisch und revanchistisch ausgerichtete Geschichtsforschung in Westdeutschland" zu verstärken. Es ist nicht ohne Grund, daß die Bestrebungen, die Landesgeschichte in neuer marxistischer Gewandung als „Regionalgeschichte" wieder aufleben zu lassen, von Mitteldeutschland ausgingen. Die Tradition war hier intensiver als im Norden. Hier stieß man zuerst auf die Grenzen der — bereits vorher geförderten — Heimatgeschichte, die sich um die örtlichen Heimatmuseen schart. 12 Museen können im lokalen Rahmen Geschichte veranschaulichen, sie können aber im Regelfall unsere Kenntnisse nicht vertiefen. Der Forscher bedarf eines weiteren Rahmens, wozu sich eben die alten Länder anbieten. Als Auffangbecken landesgeschichtlicher Studien wird seit 1965 in Leipzig ein „Jahrbuch für Regionalgeschichte" redigiert. Es ist abzuwarten, ob es wirklich einen eignen Wissenschaftszweig im DDR-Maßstab begründen kann. Die Entwicklung der „Blätter für deutsche Landesgeschichte" warnt jedenfalls vor übertriebenen Hoffnungen. Und die alte Erfahrung rät noch immer, die Kirche im Ort zu lassen. Die Schwierigkeit liegt im nördlichen Bereich der D D R darin, einen Kristallisationspunkt der landesgeschichtlichen Forschung zu finden. Als solcher böte sich das traditionelle Zentrum, das Staatsarchiv Schwerin, an. Doch den staatlichen Archivaren bleibt offenbar für die herkömmliche zweite Seite ihres Berufes, die Pflege und Vertiefung der Landesgeschichte durch eigene Forschungen und die Schriftleitung wissenschaftlicher Organe, wenig Zeit. Das ist um so bedauerlicher, weil die fehlende Mitarbeit zumindest für die ältere Geschichte kaum schließbare Lücken läßt. In der ersten Nachkriegszeit befand sich das Staatsarchiv Schwerin freilich in einer besonders ungünstigen Lage: die Bestände waren ausgelagert, die Verwaltungsräume beschlagnahmt, das wissenschaftliche Personal bis auf den Direktor zusammengeschrumpft. Später konnte eine archiveigene Veröffentlichungsreihe herausgegeben werden, die mit beachtlichen wissenschaftlichen Leistungen begann. Bis zu zwei Heften ist außerdem eine kleine zweite Reihe gediehen. Eine Reihe kann ein Jahrbuch nicht ersetzen, der Mangel einer landesgeschichtlichen Zeitschrift bleibt spürbar. Doch scheinen sich nunmehr die Dinge zum Besseren zu wenden. Nach dem avantgardistischen Vorbild des „Greifswald-Stralsunder Jahrbuches" haben die weltoffeneren Seestädte ein eigenes regionalgeschichtliches Jahrbuch mit wissenschaftlichem Format unter dem Titel „Rostocker Beiträge" herausgebracht, das „den gesamten westlichen alt12
H. M o h r ,
E. H ü h n s ,
Einführung in die Heimatgeschichte, Berlin 1959; über die
Aufgaben der Museen in der D D R vgl. W. E c k e r m a n n , Studium der Geschichte, Berlin 1966, S. 178 ff.
H . M o h r , Einführung in das
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mecklenburgischen Teil" berücksichtigen will, neben den Seestädten auch die Landstädte und das flache Land. 1 3 Man darf den „Beiträgen" die besten Wünsche auf den Weg geben und hoffen, daß auch die süd- und west-mecklenburgischen Landschaften einmal zu Worte kommen werden. 14 In Westdeutschland stehen demgegenüber genügend wissenschaftliche Zeitschriften und Reihen zur Verfügung, wenn auch eine stärkere regionale oder thematische Konzentration wünschenswert wäre. Nur fehlt es an Leuten, die Wesentliches zur mecklenburgischen Geschichte beitragen können, es fehlt im Grunde auch ein breiterer Leserkreis. Uberblickt man die im Westen erscheinenden Beiträge zur Geschichte der Landschaften zwischen Zonengrenze und Oder/Neiße, fällt die ungewöhnliche Zurückhaltung der Mecklenburger auf. Die herkömmliche Stille des Landes scheint darin nachzuwirken. Mit organisatorischen Maßnahmen, etwa der Forderung nach einer neuen Historischen Kommission für Mecklenburg, wäre freilich wenig gewonnen. Man kann nur die Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Institutionen in Mecklenburg nach Kräften fördern. Die westdeutschen Bemühungen scheiterten bisher daran, daß fast alle Einladungen zu Tagungen und Vorträgen erfolglos blieben bzw. eingestellt werden mußten, weil einplanbare Zusagen nicht gegeben werden können. Geschichtliche Studienfahrten würden auf beiden Seiten das größte Interesse finden, wären sie nur vereinbar. Es bleibt nur zu hoffen, daß der allgemein verbreitete Wunsch, sich aus dem kulturellen und wissenschaftlichen Provinzialismus zu befreien, auch in den maßgeblichen Kreisen der D D R sich durchsetzt. Es läge nun nahe, die Nachkriegsveröffentlichungen im einzelnen zu besprechen. Es scheint mir aber richtiger, zunächst die älteren Fundamente freizulegen und dann allein die großen Linien zu verfolgen. Vollständigkeit kann von Hannover aus nicht geboten werden. Die lokalgeschichtlichen Beiträge und viele periodische Erscheinungen sind kaum erreichbar. Es wird sich auch zeigen, daß es um die bibliographischen Nachweisungen gar nicht so schlecht steht. Man muß sich nur von der Vorstellung trennen, daß jeder auf drucktechnischem Wege vervielfältigte Beitrag erfassenswürdig ist. Wer sich mit einem Thema der mecklenburgischen Landesgeschichte intensiv beschäftigt, wird ohne Anstrengung auf die wichtigste Literatur stoßen. Woran es fehlt, ist nach meinen Beobachtungen ein anderes: westdeutsche Arbeiten, welche die mecklenburgischen Zustände vergleichend oder gegenüberstellend heranziehen, 1 3 Rostocker Beiträge. Regionalgeschichtliches Jahrbuch d. mecklenb. Seestädte. Hrsg. v. d. Stadtarchiven Rostock u. Wismar, Bd. 1 (1967). 1 4 Ein in der Baarck'schen Bibliographie (s. Anm. 19) angezeigtes „Heimatkundliches Jahrbudi. Bezirk Neubrandenburg", Bd. 1, 1966, konnte ich nicht einsehen, so daß dessen Niveau nicht beurteilt werden kann.
264
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pflegen die Fortschritte der Nachkriegszeit zu übersehen, weil eine das Wesentliche erfassende Einführung fehlt. Beginnen wir mit den wichtigsten Orientierungsmitteln, den B i b l i o g r a p h i e n . Hier liegen die Dinge deswegen redit günstig, weil in dem H e e ß eine treffliche Zusammenfassung vorliegt, die alle älteren Literaturverzeichnisse überflüssig macht und praktisch die gesamte landesgeschichtlidie Literatur der Vorkriegszeit (bis 1940) einigermaßen vollständig erfaßt. 15 Nachträge werden in der Schweriner Landesbibliothek gesammelt.16 Neben dem Heeß — übrigens die einzige Veröffentlichung der entschlafenen Historischen Kommission für Mecklenburg — seien noch die Register zu den landesgeschichtlichen Zeitschriften erwähnt, welche die sonst schwer übersehbaren Stoffmassen im einzelnen erschließen.17 Die Nachkriegsliteratur hat für den Bereich der Bezirke Schwerin, Rostode und Neubrandenburg L e o p o 1 d i zusammengestellt.18 Den Hauptanteil der Titel nehmen darin jedoch populäre Artikel ein, welche der Forschung nicht sonderlich weiterhelfen, immerhin eine gewisse Orientierung bieten. Wissenschaftlichen Ansprüchen genügt die von G. B a a r c k zusammengestellte „Mecklenburgische Bibliographie", die vom Berichtsjahr 1965 an jährlich erscheint.19 Ihr Zweck ist die bibliographische Erschließung der landeskundlichen Literatur, die sich auf die Bezirke Schwerin, Rostode und Neubrandenburg bezieht. Der sehr vernünftige Grundsatz, Zeitungsartikel und zeitungsähnliche Veröffentlichungen nicht aufzunehmen, erhöht die Brauchbarkeit, doch ist die Zahl der Titel unter zehn Seiten immer noch groß. Da diese Bibliographie als Jahresbericht herauskommt, dürfen wir hoffen, künftig schnell und zuverlässig orientiert zu werden. Die Lücke von 1945 bis 1964 soll ein besonderer Band füllen, dessen Edition vorbereitet wird. Die geschichtliche Literatur nimmt bei Baarck, wie in allen landeskundlichen Bibliographien, nur einen beschränkten Teil ein. Der Historiker wird also lieber zunächst zu den fachlich beschränkten Werken greifen. Als recht nützlich erweist sich daher eine neuere kunstgeschichtliche Auswahlbiblio16
W. H e e ß , Geschichtliche Bibliographie von Mecklenburg I—III, 1944. Herr Dr. jur. C. M e 11 z , Karlsruhe, machte mich z. B. auf das Fehlen einer so wichtigen Arbeit aufmerksam wie P. K r e t s c h m a n n , Der Ausgang der meddenburg-strelitzsdien Dynastie, in: Archiv d. öffentl. Rechts Bd. 41 = N . F. Bd. 2 (1921), S. 128—150. 1T H e e ß , Nr. 1083, 1085, 11 616. 18 H. H. L e o p o l d i , Die mecklenburgische Heimat im Spiegel der Literatur. [1.] 1945—1952 (1955); [2.] 1955—1957 (1958). 19 Mecklenburgische Bibliographie. Berichtsjahr 1965. Hrsg. von der Mecklb. Landesbibliothek. Zusammengestellt von G. B a a r c k (erschienen Berichtsjahr 1965—1967, Schwerin 1966—1968). Soeben erschienen ist eine „Bibliographie zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburgs (Bez. Rostock, Schwerin, Neubrandenburg)" von A. H o l l n a g e l , 1968. 18
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graphie von E. F r ü n d t. 2 0 In der bibliographischen Akribie steht sie dem Heeß nach. Aber sie stellt das ältere Material geschickt zusammen, erfaßt erstmals die neueren (auch ungedruckten) einschlägigen Arbeiten bis 1 9 5 6 und gibt vor allem einleitend eine Ubersicht über die Fortschritte der kunstgeschichtlichen Forschung. Von geringerem Umfang ist eine 1962 von H . M a u r zusammengestellte Bibliographie zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Mecklenburg. 21 Weiterhin besitzt bibliographischen W e r t ein Sonderheft der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, in dem sich die Arbeiten zur mecklenburgischen Stadt- und Agrargeschichte zusammengefaßt finden.22 Eine zuverlässige Quelle der jüngeren wissenschaftlichen Literatur bilden die „Jahresberichte für Deutsche Geschichte". Der Abstand zwischen Erscheinen und Erfassen war jahrelang so groß, daß der Wert der Jahresberichte in Frage gestellt schien. Inzwischen ist die Literatur bis 1965 aufgearbeitet. 23 Allerdings wird die Benutzung für unsere Zwecke dadurch erschwert, daß die landesgeschichtlichen Arbeiten nicht gesondert nach Landschaften zusammengestellt sind. Die Jahresberichte nehmen nur die Titel auf und verweisen auf Besprechungen. Derartige Besprechungen und Übersichten der Neuerscheinungen zur mecklenburgischen Landesgeschichte nach 1945 finden sich, lassen wir die Vorgeschichte beiseite, in folgenden westdeutschen Zeitschriften: „Blätter für deutsche Landesgeschichte", Jg. 8 8 — 1 0 4 , 1 9 5 1 — 1 9 6 8 mit Besprechungen, Zeitschriftenschau und Sammelberichten; 24 „Jahrbuch für die Geschichte Mittelund Ostdeutschlands", Bd. 1 — 1 6 / 1 7 , 1 9 5 2 — 1 9 6 8 , Register zu Bd. 1 — 9 / 1 0 , 1966, Besprechungsteil erst ab Bd. 3 und auch dann alles andere als vollständig; „Hansische Geschichtsblätter", Jg. 6 9 — 8 6 , 1 9 5 0 — 1 9 6 8 , Register zuletzt Jg. 80, 1962, vorwiegend auf Mittelalter und Wirtschaftsgeschichte orientiert; „Das Carolinum", bis Jg. 34, 1 9 6 8 / 6 9 , mit kurzem Besprechungsteil. Die Aus20
E. F r ü n d t ,
Bibliographie zur Kunstgeschichte von Mecklenburg und Vorpommern
( = D t . Akad. d. Wiss. zu Berlin. Schriften z. Kunstgesdi., H . 8), 1962. 21
In: Unser Ostseebezirk 3 (1962), S. 9 4 f f . ; zu nennen wäre auch E . E i c h l e r
u. K .
H e n g s t , Bibliographie der Namenforschung in der D D R , Leipzig 1963. 92
Historische Forschungen in der D D R . Analysen und Berichte. Zum 11. Internationalen
Historikerkongreß in Stockholm August 1960 = derheft. Unger,
Darin
die Aufsätze
von
Fritze,
Zs. f. Geschichtswissenschaft 8 (1960), SonMüller-Mertens,
Schildhauer,
Forschungen zur Stadt- und Hansegeschidite in der D D R (S. 7 4 — 1 0 4 ) und G.
H e i t z , Die Erforschung der Agrargeschichte des Feudalismus in der D D R
1945—1960
(S. 1 1 6 — 1 4 1 ) . 23
Zuletzt: Jahresberichte f. Deutsche Geschichte. N . F. 17. Jg., 1965, Berlin 1968. Außer-
dem können die „Jahresverzeichnisse der Hochschulschriften" herangezogen werden. 24
Letzter Sammelbericht für Medklenburg-Pommern 1 9 6 1 — 1 9 6 5 von H . B r a n i g ( J g . 102,
1966, S. 5 2 7 — 5 4 3 ) .
266
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wähl der angezeigten Titel richtet sich naturgemäß nach dem Arbeitsbereich und Umfang der jeweiligen Zeitschrift, ihrer Tradition und nicht zuletzt ihren persönlichen Verbindungen. Am gründlichsten sind die Blätter f ü r deutsche Landesgeschichte. Allen unerreichbar bleibt zumeist die heimatkundliche Literatur, so daß gelegentlich weiterführende Beiträge entgehen. Unter den Z e i t s c h r i f t e n verdienen noch immer an erster Stelle genannt zu werden die „Jahrbücher (und Jahresberichte) des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde" (1836—1940). Ein kürzeres Leben beschieden war den von Hans W i t t e ins Leben gerufenen, nicht minder gehaltvollen „Mecklenburg-Strelitzer Geschichtsblättern" (1925 bis 1934/35). 25 Die alten Lisch'schen Jahrbücher haben, wie nicht anders zu erwarten, in einem Jahrhundert ihr Gesicht verändert. Die Kinderkrankheit, ein bloßes Auffangbecken für die erstaunliche Produktivität ihres Herausgebers zu bilden, hatten sie recht schnell überwunden. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts entwickelten sie eine beachtliche Breite, sowohl in bezug auf den Mitarbeiter- als Themenkreis. Neue Probleme tauchten auf, als sich am Ende des vorigen Jahrhunderts die Heimatvereine bildeten und Zeitschriften herausgaben, die dem Geschmack und geschichtlichen Bildungsbedürfnis breiterer Kreise mehr entgegenkamen als die immer esoterischen Geschichtsvereine und deren Organe. Als erste dieser Art erschien 1896 die in Bremen gedruckte Halbmonatsschrift „Niedersachsen". 1906 brachte der Heimatbund Mecklenburg ein eigenes Blatt heraus, „Mecklenburg", dessen Popularität in den dreißiger Jahren jedoch hinter den „Mecklenburgischen Monatsheften" (ab 1925) zurückblieb. 20 Lokal und thematisch beschränktere Heimatblätter kamen noch hinzu. Hinter dieser Entwicklung steht nicht zuletzt die vordringende Trennung von Forschung und Darstellung, von Untersuchung und schlichter Erzählung. In einer Art Rückwirkung wurden die wissenschaftlichen Zeitschriften immer langweiliger und veröffentlichten schließlich, um möglichst strengen Maßstäben zu genügen, vorwiegend Dissertationen. Dies war im Grunde ein Verstoß gegen den Zweck eines Jahrbuches. Der letzte Herausgeber, Werner S t r e c k e r ( | 1961), hat mir denn auch gelegentlich versichert, er habe diese Tendenz rückgängig machen und wieder mehr kurze Beiträge bringen wollen. Neben den genannten verdienen in unserem Zusammenhang nur noch zwei wissenschaftliche Zeitschriften, an denen sich übrigens die gleiche Beobachtung machen läßt, erwähnt zu werden. Es sind einmal die „Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostode" (1895—1941), 27 die sich aus bescheidenen Anfängen zu 25 26 27
H e e ß , 1081, 1082 und 1090. H e e ß , 1085 ff., 8624. H e e ß , 11 615 u. 11 616.
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beachtlichem Niveau steigerten, leider ohne recht Beachtung zu finden. Inzwischen hat das Rostocker Stadtarchiv gemeinsam mit dem Wismarer diese Tradition aufgenommen. Seit 1967 erscheinen wieder „Rostocker Beiträge", diesmal mit dem Untertitel „Regionalgeschichtliches Jahrbuch der mecklenburgischen Seestädte". 28 Weit bekannter geworden sind die „Hansischen Geschichtsblätter", Jg. 1, 1871 ff. In ihnen brachten die Stadtarchivare K o p p m a n n (Rostock) und T e c h e n (Wismar) Aufsätze heraus, die noch heute für die Stadtgeschichte Bedeutung behalten haben. In den dreißiger Jahren erschienen darin Dissertationen zur Geschichte Rostocks und Wismars. Nach dem Zweiten Weltkriege haben die Hansischen Geschichtsblätter diese Orientierung aufgegeben zugunsten großräumiger wirtschafts- und handelsgeschichtlicher Betrachtungen. Aber sie erwachten 1950 wenigstens zu neuem Leben, während in Mecklenburg selbst nach dem Zusammenbruch von 1945 sämtliche historischen Periodika ihr Erscheinen einstellten. Folgerichtig und bezeichnend stellten sich als erste die populären Organe wieder ein. Heimat- und landesgeschichtliche Beiträge brachten die Zeitschriften „Heute und Morgen", Jg. 1—7, 1947—1953, und die „Neuen Mecklenburgischen Monatshefte", Jg. 1—2, 1956—1957. Beiden ward, wie man sieht, das Lebenslicht recht schnell wieder ausgeblasen. Es war u. a. die unterhaltende Tendenz, welche diese Zeitschriften mißliebig machte. Ihr Nachfolger „Unser Ostseebezirk, Beiträge für die sozialistische Erziehung in Geschichte und Staatsbürgerkunde", Jg. 1, 1959 ff. erhielt daher eine lehrhafte Note. Der Irrtum der romantischen Reaktionszeit, wonach der Geschichte ein unmittelbarer politischer oder schulischer Gebrauchswert innewohne, feiert hier massive Urständ. Näher steht der üblichen Form heimatkundlicher Geschichtserzählung „Das Carolinum", die Zeitschrift eines Freundeskreises, der einstigen Lehrer und Schüler des Neustrelitzer Gymnasium Carolinum. Sie hat sich dank der Hingabe des Schriftleiters G. P i e h 1 e r zu einem Ersatz für die fehlenden Heimatblätter entwickelt. Da die Hefte einzelne Aufsätze von wissenschaftlichem Niveau enthalten und Literatur anzeigen, die den Fachzeitschriften leicht entgehen, verdienen sie hier erwähnt zu werden. Über die genannten Titel hinaus wird dem Lehrer und geschichtlich Interessierten in Mecklenburg in einer ganzen Reihe von heimatkundlichen Beiträgen, Monatsheften, Kalendern und Zeitungsbeilagen auf der Kreisebene landesgeschichtlicher Stoff näher gebracht. 29 Für die Forschung bieten diese Aufsätze im allgemeinen wenig, sie brauchen daher nicht aufgeführt zu werden. Auch in Westdeutschland erfassen die geschichtlichen Zeitschriften der28
Siehe oben Anm. 13.
Vgl. H . W o l f , Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde in den Periodica, in: Bll. f. dt. Landesgesch. 101 (1965), S. 547 ff. (Nr. 4 9 3 — 4 9 8 ) . 29
mitteldeutschen
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gleichen Schriftgut nicht. Allerdings liegen in der DDR die Dinge insofern anders, als auch Leute, die wirklich etwas zu sagen haben, sich mangels anderer Druckmöglichkeiten dieser Organe bedienen. So enthält z. B. die Schriftenreihe des Heimatmuseums Parchim zwei beachtliche Beiträge von K ü h l und B i 1 e k ,30 die des Warener Museums einen von H o b u s c h. 31 Das Warener Bezirksmuseum gibt sogar zusätzlich eine „Schriftenreihe des K a r b e W a g n e r - Archivs" heraus, die weniger ihrer Fragestellung als des Materialreichtums wegen, mit dem Mecklenburg-Strelitzer Geschichte erzählt wird, anzuführen ist.32 Als streng wissenschaftliches Periodikum hat es bisher nur die „Bodendenkmalpflege in Mecklenburg" zu einer stattlichen Reihe gebracht. Das Jahrbuch wird in allen größeren Bibliotheken zu finden sein. Einem entsprechenden Organ der (Kunst)Denkmalpflege waren die Zensoren weniger freundlich gesinnt.33 Das ist um so mehr zu bedauern, als, wie man in der DDR selbst einsah, die Denkmalpflege eines Sprachrohres bedarf und die ersetzende Fortführung, die ab 1957 erscheinenden Mitteilungen des Institutes für Denkmalpflege in der DDR, Außenstelle Schwerin, nur Rundschreiben für die ehrenamtlichen Denkmalpfleger sein wollen, mithin praktisch kaum erreichbar sind.34 Im siebenten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts bemüht man sich allenthalben wieder um zusammenfassende D a r s t e l l u n g e n der Geschichte einzelner deutscher Länder. Dem Zeitgeist wird darin Rechnung getragen, daß dabei, wenn man sich schon nicht an die heutigen Ländergrenzen hält, größere Komplexe ins Auge gefaßt werden. Als solche bieten sich die Bundesstaaten des Bismarckreiches und die ehemaligen preußischen Provinzen an. Methodische und darstellungstechnische Gründe legen ja immer wieder nahe, die alten Verwaltungseinheiten als Grundlage zu wählen. Andererseits hat sidi in 30
F. K ü h l , Beiträge zu Fragen aus der Frühgeschichte Parchims ( = Schriftenreihe d. Heimatmuseums Parchim, H. 2), 1966; J. B i 1 e k , Die Ortsnamen des Kreises Parchim ( = a. a. O., H. 3). 31 E. H o b u s c h , Geschichte des Dorfes Alt-Schwerin ( = Veröffentl. des Müritzmuseums Waren, H. 8), 1962. 32 Vgl. A. W a g n e r , Aus dem alten Neustrelitz. Erzählbilder aus der Zeit von 1730 bis 1875 ( = Schriftenreihe des Karbe-Wagner-Ardiivs, H. 2), 1968 (2. Aufl.). Hrsg. v. Bezirksmuseum Waren (Müritz). Biographischen Wert besitzt ein erstes Heft dieser Reihe: A. W a g n e r , Aus dem Leben u. Werk südostmecklenburgischer Heimatforscher, 1966 (behandelt u. a. Walter Karbe, Ernst Boll, K. Hustaedt). 33 Denkmalspflege in Mecklenburg. Jahrbuch 1951/52. Hrsg. v. Landeskonservator H. Mansfeld, Landesamt f. Denkmalpflege Schwerin. 34 Mitteilungen d. Instituts für Denkmalpflege in der DDR, Außenstelle Schwerin. Nr. 1 bis 17, 1957—1961; Nr. 18, 1968.
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unserem Fall der räumliche Begriff Mecklenburg erheblich erweitert. Möglicherweise wird sich daher eines Tages der Wunsch durchsetzen, die Geschichte der vorpommerschen Kreise in die einer großzügig angelegten mecklenburgischen einzubeziehen, wenn es darum geht, den Stand des geschichtlichen Wissens zu fixieren und für den Laien lesbar zu formulieren. 35 Der Streit darüber hat gute Weile, denn bisher hat sich weder unter den Pommern noch unter den Mecklenburgern ein Gremium von Sachkennern gefunden, das die Landesgeschichte in der Weise aufzuarbeiten vermöchte, wie dies für die Länder Sachsen und Thüringen im Augenblick geschieht. Der gleiche Mangel macht sich auch bei Verlagsunternehmen bemerkbar, wie dem Territorienploetz oder den Historischen Stätten, jedenfalls solange die Zusammenarbeit mit den Kollegen in der DDR behindert ist. Wir werden uns daher noch eine Weile mit W i t t e s 3 6 und V i t e n s e s37 Darstellung begnügen müssen, obwohl beide noch im kaiserlichen Deutschland wurzeln. In gewisser Weise ergänzen sie sich. Die gründlichere und in ihrem Urteil — trotz gelegentlicher, aus dem Geist der wilhelminischen Zeit geborener Mißgriffe — zuverlässigere Arbeit Wittes endet bei dem Jahre 1755. Mehrfachen Aufforderungen, sie an die Gegenwart heranzuführen, ist Witte bedauerlicherweise nicht gefolgt. Demgegenüber leidet Vitenses Geschichte daran, daß durch die allzu gedrängte Form die Zusammenhänge nicht mehr erkennbar werden und daß dem Verfasser zumindest für die ältere Geschichte ein eigenes Urteil fehlt. Immerhin bietet er eine Möglichkeit, wenn auch keine zuverlässige, sich über die Ereignisse bis 1920 zu informieren. Jüngeren Datums ist wenigstens eine Geschichte von Mecklenburg-Strelitz aus der Feder von E n d 1 e r. 38 Doch der Rahmen ist so klein und kurios, daß das an sich lesenswerte Büchlein mehr ein Denkmal der deutschen Duodezstaaterei denn eine Landesgeschichte darstellt. Allen älteren Darstellungen, an denen Mecklenburg, am Rande vermerkt, besonders reich ist, kommt heutzutage nur noch Bedeutung als Stoffquelle zu. Die genannten Werke betrachten die Landesgeschichte im wesentlichen noch als politische Geschichte. Witte ist von diesem Grundsatz lediglich für die Zeit des deutschen Landesausbaues abgewichen, bei dessen Behandlung er seine eigenen Forschungen auszubreiten sich nicht versagen konnte. Wir wollen heute jedoch alle Aspekte des materiellen und kulturellen Werdens einer Landschaft, die Leistungen ihrer Bewohner auf allen Gebieten menschlicher 36
In dem „Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands. Bd. 8: Sachsen", 1965, wird bereits der deutsch gebliebene Teil Schlesiens berücksichtigt. 36 H . W i t t e , Mecklenburgische Geschichte I—II, 1909, 1913. 37 O. V i t e n s e , Geschichte von Mecklenburg, 1920. 38 C. A. E n d 1 e r , Geschichte des Landes Mecklenburg-Strelitz (1701—1933), 1935.
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Tätigkeit erfassen. Diese den Zeitgenossen nahe zu bringen, war die Absicht von zwei anspruchsvoll ausgestatteten, dank der Mitarbeiterauswahl repräsentativen Sammelbänden, die kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges herauskamen, Konkurrenzunternehmen übrigens von Staatsministerium und Gauleitung in Schwerin.39 Ihre Beiträge sind zu kurz, um eine Landesgeschichte zu ersetzen, bieten aber im allgemeinen brauchbare Orientierungen. Die politische Tendenz der Vorworte und einiger Aufsätze ließ die Bücher nach dem Kriege verschwinden. Das nicht ausrottbare geschichtliche Interesse mußten nun heimatkundliche Plaudereien decken. Unter den nicht ganz wenigen, mit Graphiken und Fotos ausgestatteten Bänden ost- und westdeutscher Verlage ragt die liebevolle Schilderung von E. S c h r ö d e r 4 0 heraus. In chronologischer Folge bietet allein B e r n i 1141 eine Art Bilder zur mecklenburgischen Geschichte. Allein er fußt dort, wo er geschichtliche Episoden erzählt, auf älteren Aufsätzen und verliert sich da, wo er Neues bietet, in vordergründigen Klischees. Ein zuverlässiges Gerippe der mecklenburgischen Geschichte findet sich dagegen im T e r r i t o r i e n - P l o e t z.42 Der zweite Band soll eine Fortsetzung bis zur Gegenwart bringen, auch ist die zusammenfassende Veröffentlichung als Sonderband geplant. Um eine zusammenhängende Darstellung der mecklenburgischen Geschichte wieder greifbar zu machen, hatte sich der Verfasser auf Drängen von Franz Engel bereit erklärt, den Vitense für eine Neuauflage durchzusehen. Es stellte sich aber bald heraus, daß Vitenses Entwurf, zumindest soweit er sich auf das Mittelalter bezieht, als Grundlage einer Bearbeitung ausschied. Dagegen kann man von Witte ausgehen. Allerdings mußte einiges geändert und gestrafft, manches ergänzt werden. Immerhin befindet sich wieder eine Mecklenburgische Geschichte bis 1523 bei Böhlau, Köln, im Druck. Fraglich bleibt, da der Verfasser wegen anderer Verpflichtungen abbrechen muß, der Fortgang des Unternehmens. Denkbar wäre ein fotomechanischer Nachdruck des zweiten Bandes von Witte, evtl. um Hinweise auf neuere Literatur ergänzt. Die Entwicklung vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart würde in jedem Fall einen neuen Bearbeiter erfordern — möge er sich bald finden. 39
Mecklenburg. Ein deutsches Land im Wandel der Zeit. Hrsg. von E. S c h u l z , 1 1938, 1939 (im Auftrage des Staatsministeriums) und: Mecklenburg. Werden und Sein eines Gaues. Hrsg. von R. C r u 1 1, 1938 (Heeß 186 u. 187). 40 E. S c h r ö d e r , Mein Mecklenburger Land. Bild einer deutschen Landschaft, Schwerin 1957. 41 H. B e r n i t t , Vom alten und vom neuen Mecklenburg, Rostock 1954. 42 W. S t r e c k e r , Chr. C o r d s h a g e n , Mecklenburg, in: Geschichte der deutsdien Länder. Territorien-Ploetz. l . B d . , 1964, S. 530—546.
2
MECKLENBURGS BEITRAG ZUR D E U T S C H E N L A N D E S G E S C H I C H T E
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Die Spezialisierung der Geschichtswissenschaft hat inzwischen zu einer Zersplitterung in einzelne Arbeitsgebiete geführt, in denen die Forschung fortschreitet, in denen sie übrigens auch zur eigenen zusammenfassenden Darstellung strebt. Unter diesen muß — und nicht nur aus chronologischen Gründen — die archäologische U r - und F r ü h g e s c h i c h t e als erste genannt werden. Sie blickt auf eine beachtliche Tradition zurück. Denn Lisch hatte das Glück, für diesen Teil seines Arbeitsfeldes in Robert B e 11 z einen adäquaten Nachfolger zu finden, dessen Ausgrabungen und Inventar der Schweriner Sammlung in Fachkreisen berechtigtes Aufsehen erregten. 43 Wenn freilich auf keinem Gebiet der Landesgeschichte nach dem Kriege so viel getan worden ist wie auf diesem, so ist dies sehr wesentlich ein Verdienst von Ewald S c h u l d t . An sich war die Vorgeschichte 1945 nicht weniger diskreditiert als die allgemeine. Indem die Vorgeschichtler sich aber zunächst der — in der Tat vernachlässigten — Archäologie der Wendenzeit zuwandten, sicherten sie sich das Wohlwollen von Besatzungsmacht und Staatspartei. Die Ausgrabungen in Teterow und Behren-Lübchin, um die wichtigsten zu nennen, brachten die Archäologie wieder zu Ansehen, so daß auf breiterer Basis gearbeitet und ältere Unternehmen zu Ende geführt werden konnten. Hier wenigstens wurde die Kontinuität gewahrt, denn Schuldt, der selbst nicht aus der Zunft hervorgegangen ist, hat es verstanden, ältere Mitarbeiter festzuhalten und jüngere heranzuziehen. Die Erforschung der slawischen Burgwälle ist inzwischen soweit gediehen, daß sich seit 1964 das Schwergewidit der Ausgrabungen auf Objekte der jüngeren Steinzeit verlagert hat, auf Megalithgräber und Siedlungen des Neolithikums. Die Resultate der Ausgrabungen in den Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg werden in einem von Schuldt seit 1953 herausgegebenen Jahrbüch: „Bodendenkmalpflege in Mecklenburg" veröffentlicht. 44 Die Jahrgänge enthalten neben kürzeren Berichten reich bebilderte Grabungsinventare, zugeschnitten auf die Anforderungen der Archäologie. Sie pflegen, da die Ergebnisse einer Saison erst aufgearbeitet werden müssen, mit erheblicher Verspätung herauszukommen. Wer sich über die letzten Ausgrabungen schneller informieren will, findet die wichtigeren in dem Nachrichtenblatt „Aus43
R. B e 11 z , Die vorgeschichtlichen Altertümer des Großherzogtums MecklenburgSchwerin. Text u. Bildband, 1910. Die zahlreichen Aufsätze stellte Heeß, T. 3, S. (26) f., zusammen. 44
Bodendenkmalpflege in Mecklenburg. Jahrbuch. Hrsg. vom Museum f. Ur- und Frühgeschichte Schwerin durch E. S c h u l d t , 1953 ff. Ursprünglich erschienen im PetermänkenVerlag Schwerin, ab 1963 beim VEB Hinstorff Verlag Rostock. Prompte Inhaltsangaben bringt die Zeitschriftenschau der „Blätter für deutsche Landesgesdiichte". Siehe audi oben Anm. 8.
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MANFRED HAMANN
grabungen und F u n d e " beschrieben. 45 Neuerdings scheint m a n kleinere Funde und erste Berichte in regionalen Informationen, Mitteilungen und Arbeitsmaterialien der Bezirksfachausschüsse für U r - und Frühgeschichte in Schwerin, Rostock und Neubrandenburg zu bringen. 4 6 Die großen, aus Mitteln der Berliner Akademie geförderten Ausgrabungen und Untersuchungen werden noch einmal monographisch behandelt, wobei neben den Ausgräbern möglichst weitere Spezialisten zu W o r t e kommen. Diese Abhandlungen stellen das W e r t vollste
dar,
Schuldts
was!
zur
mecklenburgischen
Vorgeschichte
Untersuchungen der slawischen K e r a m i k ,
47
erschienen
ist:
die Ausgrabungen
von Pritzier, 4 8 Hohen-Viechein, 4 9 T e t e r o w 5 0 und Behren-Lübchin. 5 1 Daneben sind Bemühungen erwähnenswert, die Bodenfunde in Inventaren zu erfassen, vorliegend bisher für die Kreise Neustrelitz und Neubrandenburg. 5 2 N a c h längerer Anlaufzeit hat sich die Hochschularbeit der mecklenburgischen Urgeschichte zugewandt
und Dissertationen
vergeben,
welche
die
Funde auswerten, um größere Zusammenhänge zu erforschen. Soweit ich sehe, sind diese Arbeiten aber bisher ungedruckt geblieben und nur in Autorreferaten zugänglich. 5 3 Es würde den Zweck und Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, sollten alle vorgeschichtlichen Beiträge der Nachkriegszeit hier aufgeführt werden. Audi kann nur am R a n d e auf die zweite Aufgabe der Archäologen verwiesen wer4 5 Ausgrabungen und Funde. Nachrichtenblatt f. Vor- u. Frühgesdi. Hrsg. im Auftrag d. Sektion f. Vor- u. Frühgesdi. b. d. Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin, 1956 ff. Kürzere Beiträge sind zerstreut in verschiedenen Reihen, wie in den „Inventaría Ardiaeologica", „Varia Archaeologica" — z. B. W. B a s t i a n , Beobachtungen in Burg und Siedlung Alt-Gaarz Krs. Doberan. Ein Beitrag zur Lage von Rerik, in: Varia Archaeologica 1964, S. 237 S. 4 6 Genaue Titel in der B a a r c k ' sdien Bibliographie. 4 7 E. S c h u l d t , Die slawische Keramik in Mecklenburg ( = Dt. Akad. d. Wiss. z. Berlin, Schriften d. Sektion f. Vor- u. Frühgesdi., Bd. 6), 1956. 4 8 D e r s . , Pritzier. Ein Urnenfriedhof der späten römischen Kaiserzeit in Mecklenburg ( = a. a. O., Bd. 4), 1955. 4 9 D e r s., Hohen-Viedieln. Ein mittelsteinzeitlicher Wohnplatz in Mecklenburg ( = a. a. O., Bd. 10), 1961. 5 0 W. U n v e r z a g t u. E. S c h u l d t , Teterow. Ein slawischer Burgwall in Mecklenburg ( = a. a. O., Bd. 13), 1963. 5 1 E. S c h u l d t , Behren-Lübchin. Eine spätslawische Burganlage in Mecklenburg ( = a. a. O., Bd. 19), 1965. A. H o l l n a g e l , Die vor- und frühgesdiiditlichen Denkmäler und Funde des Kreises Neustrelitz, 1958; d e r s . , Die vor- und frühgesdiiditlichen Denkmäler des Kreises Neubrandenburg, 1962. 6 3 H. S c h u b a r t , Die ältere Bronzezeit in Mecklenburg, Diss. phil. Greifswald 1955; H. D ö r g e s , Die spätrömische Kaiserzeit und die Völkerwanderungszeit in Mecklenburg, Diss. phil. Leipzig 1960; H. K e i 1 i n g , Die vorrömisdie Eisenzeit im Elde-Karthane-Gebiet (Krs. Ludwigslust u. Krs. Perleberg), Diss. phil. Berlin 1964.
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den, die Funde dem Museumsbesucher nahezubringen. Sie hat im Schweriner urgeschichtlichen Museum wertvolle, weil vorzüglich ausgestattete Ausstellungsführer entstehen lassen. So bleibt nur noch festzuhalten, daß aus der Feder von Schuldt eine allgemeinverständliche Darstellung der mecklenburgischen Urgeschichte vorliegt, mit deren Hilfe der Laie in das älteste Kapitel der Landesgeschichte eindringen kann. 54 Die Spatenwissenschaft in Mecklenburg steht also durchaus auf der Höhe der Zeit, für die wendische Periode wurde sogar Pionierarbeit geleistet. Das Fundgut, das seit 1945 aus dem mecklenburgischen Boden gefördert und untersucht worden ist, hat unsere Kenntnisse der Vor- und Frühgeschichte in einem Maße bereichert, das an die stürmischen Fortschritte der Lisch'schen Glanzzeit erinnert. Heute scheint man, was die Erforschung der Frühzeit betrifft, an eine gewisse Grenze gestoßen zu sein, die der Archäologe nur noch mit Hilfe des Historikers und historisch arbeitenden Geographen überschreiten kann. Die älteren Epochen der Vorgeschichte bieten der Wissenschaft noch genug ungelöste Probleme, nur geht es hier zunächst darum, Lücken zu schließen, den Forschungsstand anderer Landschaften einzuholen. Freilich ist die Archäologie noch so im Fluß, daß glückliche Funde unser Bild wesentlich verändern können. Solchen Möglichkeiten gegenüber hat der im wesentlichen mit philologischen Methoden arbeitende Historiker die geringeren Chancen. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß irgendwo noch Schriften aus dem frühen oder hohen Mittelalter auftauchen, welche sich auf Mecklenburg beziehen. Gleichwohl vermögen scharfsinnige Kritik der vorhandenen schriftlichen Quellen, Auswertung der Ergebnisse von Archäologie, Siedlungs- und Sprachwissenschaft55 und Heranziehung von Vergleichsmaterial unser Wissen durchaus zu vertiefen. Den Beweis haben zwei Arbeiten erbracht, welche heute als Grundlage der mecklenburgischen F r ü h g e s c h i c h t e heranzuziehen sind: B r ü s k e s Untersuchungen zur Geschichte des Lutizenbundes und W. F r i t z e s Analyse der abodritisdien Staatsbildung. Es ist dabei auffällig, daß offensichtlich die Lutizen 56 mehr Interesse fanden als die Abodriten, 57 deren gesdiichtsprägende Kraft doch so stark war, daß deren Reich die räumliche Grundlage 54 E. S c h u l d t , Mecklenburg — urgesdiiditlidi. Eine allgemeinverständliche Einführung in die Ur- und Frühgeschichte, 1954 (zuletzt 1965). 65 Einen günstigen Start erhielt die Forschung durch die vor dem Kriege verhinderten Veröffentlichungen von R. T r a u t m a n n , Die slavischen Ortsnamen Mecklenburgs und Holsteins, 2 1950 und — zusammenfassend — d e r s., Die Elb- und Ostseeslavischen Ortsnamen, T. I—III, 1948—1956. 58 W. B r ü s k e , Untersuchungen zur Geschichte des Lutizenbundes. Deutsch-wendische Beziehungen des 10.—12. Jahrhunderts ( = Mitteldeutsche Forschungen 3), 1955; dazu: W. F r i t z e , Beobachtungen zu Entstehung und Wesen des Lutizenbundes, in: JGMOD 7 (1958),
18
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des deutschen Landes Mecklenburg hergeben konnte, während der Lutizenbund so vollständig untergegangen ist, daß nicht einmal dessen zentrales Heiligtum Rethra bisher mit Sicherheit lokalisiert werden konnte. Die aus dem Nebel der Vorzeit schattenhaft durchschimmernden Gestalten reizen den Scharfsinn der Forscher offensichtlich stets mehr als die scheinbar selbstverständlichen geschichtlichen Realitäten. Als Ergänzung der genannten Titel sind — neben der allgemeinen Literatur und Aufsätzen — die Studien von Brankatsch heranzuziehen. 58 Allerdings muß man beachten, daß B r a n k a t s c h die Nachrichten aus dem gesamten westslawischen Bereich zwischen Elbe, Saale und Oder auswertet, so daß seine Ergebnisse nicht ohne weiteres für die in Mecklenburg seßhaften Stämme zutreffen. Die wichtigsten der genannten Beiträge sind in Westdeutschland herausgekommen; der Abbruch der historischen Forschung im Jahre 1945 wirkt darin nach. In den letzten Jahren hat man den Rückstand aufzuholen versucht durch gemeinsame Aussprachen von Archäologen und Historikern in der DDR und die Ubersetzung polnischer Arbeiten. 59 Ähnliche Gründe und die unzureichende Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen dürften auch dafür verantwortlich sein, warum die S i e d l u n g s g e s c h i c h t e für die Wendenzeit über die glänzende Dissertation von E n g e l nicht viel hinausgekommen ist. Engel selbst hat nach der Trennung von Schwerin dieses Thema nur noch einmal aufgegriffen. 60 Größere S. 1 ff., und M. H e l l m a n n , Grundzüge der Verfassungsstruktur der Liutizen, in: Siedlung und Verfassung der Slawen zwischen Elbe, Saale und Oder, 1960, S. 103 ff. 6 7 W. F r i t z e , Probleme der abodritisdien Stammes- und Reichsverfassung und ihrer Entwicklung vom Stammesstaat zum Herrschaftsstaat, in: Siedlung und Verfassung der Slawen zwischen Elbe, Saale und Oder, 1960, S. 141 ff. Dieser Habilitationsschrift war ein Aufsatz von F r i t z e vorhergegangen: Die Datierung des Geographus Bavarus und die Stammesverfassung der Abodriten, in: Zs. f. slavische Philologie 21, H. 2 (1952), S. 326 ff. 8 8 J . B r a n k a t s c h , Studien zur Wirtschaft und Sozialstruktur der Westslawen zwischen Elbe, Saale und Oder aus der Zeit vom 9. bis zum 12. Jahrhundert ( = Schriftenreihe d. Instituts f. sorbisdie Volksforschung, Bd. 23), 1967. • 6 9 Probleme des frühen Mittelalters in archäologischer und historischer Sicht. III. Tagung d. Fachgruppe Ur- und Frühgeschichte d. Dt. Historiker-Gesellschaft vom 13.—16. April 1964 in Leipzig, Berlin 1966. Nicht mehr berücksichtigt wurde J. H e r r m a n n , Wirtschaft und gesellschaftliche Verhältnisse der slawischen Stämme zwischen Oder/Neiße und Elbe. Studien auf der Grundlage ardiäolog. Materials ( = Dt. Akad. d. Wiss. z. Berlin, Schriften d. Sektion f. Vor- u. Frühgesch., Bd. 23), 1965. 8 0 F. E n g e 1, Deutsche und slawische Einflüsse in der Dobbertiner Kulturlandschaft. Siedlungsgeographie und wirtschaftliche Entwicklung eines mecklenburgischen Sandgebietes, 1934; d e r s., Grenzwälder und slawische Burgwardbezirke in Nordmecklenburg. Ober die Methoden ihrer Rekonstruktion, in: Siedlung und Verfassung der Slawen zwischen Elbe, Saale und Oder, 1960, S. 125 ff. Eine Würdigung der Arbeiten von F. Engel enthält der Nachruf, in: Jahrbuch f. die Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 16/17 (1968), S. 717 ff.
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Unternehmen sind nun einmal ohne ständige Verbindung mit der Landschaft nicht möglich. Wer sich heute über den Stand und die Methoden siedlungsgeschichtlicher Erforschung der Wendenzeit orientieren wili, sei auf die musterhafte Untersuchung von P r a n g e verwiesen. 61 Wenden wir uns der historischen Geographie im weiteren Rahmen zu, so ist zunächst darauf zu verweisen, daß in den zwanziger und dreißiger Jahren die „Geographische Gesellschaft zu Rostock" fruchtbar tätig war und in ihren „Mitteilungen" eigene Literaturberichte zusammenstellte. 62 Dankbar darf der Historiker auch feststellen, daß wir aus der Feder des langjährigen Rostocker und Greifswalder Geographen H u r t i g eine „Physische Geographie von Mecklenburg" (einschließlich Vorpommern) besitzen. 63 Für die historische Geographie sind zwei Namen zu nennen, A. K r e n z 1 i n und B. B e n t h i e n. Frau Krenzlin hat mit ihrer Arbeit im Brandenburgischen begonnen und nach dem Kriege Mecklenburg in ihre großräumigen Betrachtungen einbezogen. 64 Den umgekehrten Weg ging Benthien. Ausgangs- und Mittelpunkt sind bei ihm die Flurformen im südwestlichen Mecklenburg, also etwa der westlichen Hälfte des heutigen Bezirks Schwerin. Doch bespricht seine Arbeit sämtliche wichtigen Fragen der mecklenburgischen Siedlungskunde und bildet damit einen guten Ausgangspunkt weiterer Forschungen. 65 Ein geographisches Spezialproblem, den Küstenschutz, behandelt C o r d s h a g e n . 6 6 Die Untersuchung basiert auf breitem Archivmaterial und beweist den Nutzen der Historie für ein heute wie früher aktuelles Problem. Im übrigen ist das Mecklenburg betreffende geographische Schrifttum in Westdeutschland bequem erfaßbar in den „Berichten zur Deutschen Landeskunde". 61
W. P r a n g e ,
Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg im Mittelalter, 1960. Vgl.
auch d e r s., Über Ausmaß und Nachwirkung der Wüstung in Ostholstein, Lauenburg und Nordwestmecklenburg, in: Wüstungen in Deutschland. Sonderheft 2 der Zs. f. Agrargesdi. u. Agrarsoziologie (1967). 82
Zuletzt 1939, vgl. H e e ß , 2 1 ; ältere Zusammenstellung des geologischen Schrifttums
H e e ß , 206, 207. 83
Th. H u r t i g , Physische Geographie von Mecklenburg, Berlin 1957.
84
A. K r e n z l i n , Dorf, Feld und Wirtschaft im Gebiet der großen Täler und Platten
östlich der Elbe, in: Forschungen z. dt. Landeskunde 70 ( 1 9 5 2 ) ; d i e s . , Historische und wirtschaftliche Züge im Siedlungsformenbild des westlichen Ostdeutschland unter besonderer Berücksichtigung von Mecklenburg, Vorpommern und Sachsen, in: Frankfurter Geogr. Hefte 1955. 65
B. B e n t h i e n ,
Die historischen Flurformen
des südwestlichen Mecklenburg.
Studie zum Problem Dorf, Feld und Wirtschaft, zugleich ein Beitrag zur geschichte der ländlichen Siedlungen im Bezirk Schwerin ( =
Eine
Entwicklungs-
Veröff. d. Staatsarchivs Schwe-
rin I), 1960. Ober den neueren Forschungsstand hat B., jetzt Professor in Greifswald, in Vorträgen berichtet. 88
H. C o r d s h a g e n ,
Der Küstenschutz in Mecklenburg. Seine Geschichte von
Anfängen bis zum Jahre 1945 ( = Veröff. d. Staatsarchivs Schwerin III), 1964. 18»
den
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Unter den Beiträgen, welche siedlungsgeschichtliche Fragen mit vorwiegend archäologischen Methoden behandeln, sind mir die Untersuchungen von B a s t i a n über die Feldmark Camin Krs. Hagenow, 67 von K a s b o h m über die deutsche Wüstung „Alt-Hinzenhagen" Krs. Güstrow 68 und die von S c h u l t z über Klinken Krs. Parchim69 aufgefallen. Selbstverständlich gehen auch die großen Ausgrabungen auf derartige Fragen ein. Ein westdeutscher, allein auf E n g e l s Initiative und fast ausschließlich auf dessen Arbeitskraft beruhender Nachkriegsbeitrag zu diesem Spezialgebiet ist der „Historische Atlas von Mecklenburg".70 Ausgangspunkt und eine Art Vorläufer bildeten die Karten, welche, vermutlich auf Engels Betreiben, dem von der Gauleitung herausgegebenen Mecklenburg-Band beigegeben waren. Anregungen aus seiner pommerschen und niedersächsischen Arbeit verwertete Engel dahin, daß einmal in zwangloser Folge vier Karten im Maßstab 1:350 000 erschienen, die geschichtliche Zustände im Kartenbild erfassen und den Blättern der üblichen historischen Atlaswerke entsprechen. Anders eine zweite Sonder reihe: die Veröffentlichung der ersten vollständigen Landesaufnahme von Mecklenburg-Schwerin um 1786 (Maßstab 1:25 000) und Mecklenburg-Strelitz um 1780 (Maßstab 1:50 000). Mit ihrer Hilfe läßt sich jetzt, ohne mühselige Archivreisen, die landschaftliche Situation am Ende des ancien régime studieren und mit der heutigen vergleichen. Der Historische Atlas ist alles andere als abgeschlossen; eine Möglichkeit, ihn fortzusetzen, vermag ich zur Zeit jedoch nicht zu sehen. Es wird sich zeigen, ob die geschichtlichen Institute in Ost und West mit ihren weit günstigeren Arbeitsbedingungen das Werk weiterführen können. Die archäologisch nachgewiesenen Kulturleistungen der mecklenburgischen Wenden, die neue, von nationalistischen Vorurteilen befreite Interpretation der Quellen haben uns klargemacht, daß der Abstand zwischen der slawischen und deutschen Zeit geringer ist als man früher meinte. Auch wissen wir, daß 67 W. B a s t i a n , Camin im Kreise Hagenow. Eine siedlungskundliche Untersuchung seiner Gemarkung, in: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jb. 1956, S. 106 ff. 88 W. K a s b o h m , Untersuchungen auf der Wüstung „Alt-Hinzenhagen", Krs. Güstrow, in: Ausgrabungen und Funde 7 (1962), S. 196 ff. 99 K. R. S c h u l t z , Die Chronik von Klinken. Die agrarhistorisdie Entwicklung der Sandbodengemeinde Klinken von der Eiszeit bis zur Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der Erträge sowie des Bodenaufbaus, in: Wiss. Zs. d. Univ. Rostock 4 (1954/55), Math.-nat. Reihe, H . 3 ( = Mecklenburgische Dorfchronik), 2 1957. 70
Historischer Atlas von Mecklenburg. Karte 1: Grundkarte des 18. Jahrhunderts, 1960; Karten 2 und 3: Ämterkarte und Besitzstandskarte von 1797 mit Erläuterungsheft, 1961; Karte 4: Karte der historischen Dorfformen, 1962; Sonderreihen: (1.) Wiebekingsdie Karte von Mecklenburg (um 1786), Bl. 1—42; (2.) Schmettausche Karten von Mecklenburg-Strelitz (um 1780), 1961 ff. Erschienen bei Bühlau, Köln.
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es sich bei der sogenannten deutschen Besiedlung um einen gemeineuropäischen, an keine Nationalität gebundenen Vorgang handelt. Dies herauszuarbeiten, ist Aufgabe geschichtlicher Darstellung. Die eigentliche Forschung hat sich der deutschen Siedlung als abgeschlossenem Arbeitsgebiet nach dem Kriege kaum mehr zugewandt. Die Erklärung liegt vor allem darin, daß über die Arbeiten von Witte und Schmaltz nicht wesentlich hinauszukommen ist, es sei denn durch die Untersuchung von Einzelfragen oder lokal begrenzten Vorgängen. Sie liegen vor in einzelnen verstreuten Aufsätzen und kleinen Schriften, 71 vor allem aber finden sie sich in größeren Arbeiten zur ländlichen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Die ungewöhnlich intensive Bearbeitung der l ä n d l i c h e n W i r t s c h a f t s - u n d S o z i a l g e s c h i c h t e beruht zunächst darauf, daß die Landwirtschaft immer den Hintergrund und die Basis der Volkswirtschaft des Landes ausgemacht hat. Wahrscheinlich wirkte sich auch positiv aus, daß sich im Rahmen der sehr breit angelegten, möglichst eine ganze Provinz umfassenden Arbeiten aus der Schule Friedrich Knapps kein Bearbeiter für die ländlichen Verhältnisse in Mecklenburg fand. So beschränkte sich die erste eindringliche Untersuchung von I h d e zeitlich auf das Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Kriege, regional auf das — allerdings besonders große — Amt Schwerin.72 Sie bot aber wegen der an sich ungewöhnlichen, aber weiterführenden Fragestellung und gründlichen Bearbeitung eine sichere Ausgangsposition, so daß .von hier aus der gleiche Gegenstand für andere Ämter oder — noch enger — einzelne Hospitäler durchforscht werden konnte. Einen wesentlichen Fortschritt brachte die Habilitationsschrift von M a y b a u m , der sich auf die wichtigste Vorstufe des Großgrundbesitzes konzentrierte, die Entstehung der Gutsherrschaft; wiederum an einem kleineren Raum dargestellt.73 Beide Arbeiten beruhen auf Archivmaterial. Was lag näher, als nun 71 F. E n g e 1, Niedersachsen, Mecklenburg, Pommern. Über die Einheit des norddeutschen Raumes seit der mittelalterlichen Ostkolonisation, 1956 und weitere Auflagen; O. W i t t e , Westfalen und Mecklenburg, in: Nordrhein-Westfalen und der deutsche Osten. Veröff. d. ostdeutschen Forschungsstelle in Nordrhein-Westfalen, Reihe A, Nr. 3, Dortmund 1961; d e r s . , Die Bedeutung des Münsterschen Humanismus für die Entwicklung des Bildungswesens im Ostseeraum, in: a. a. O., Reihe A, Nr. 12, 1967 (mit weiterer Literatur); H. T h i e r f e l d e r , Hamburger in Rostock im 13. Jahrhundert, in: Zs. Ver. hamb. Gesch. 40 (1960), S. 131 ff.; d i e s . , Bremer Beziehungen zu Rostock im 13.Jahrhundert, in: Bremisches Jb. 48 (1962), S. 203 ff.; R. M o l d e n h a u e r , Das Problem der eiectio und amotio in Mecklenburg und das Bauernlegen in Römnitz im Jahre 1285, in: Zs. f. Agrargesch. u. Agrarsoziologie 13 (1965), S. 12 ff. 72
R. I h d e , Amt Schwerin. Geschichte seiner Steuern, Abgaben und Verwaltung bis 1655, in: Jbb. d. Ver. f. meddenb. Gesch. u. Altertumskunde 77 (1913), Beiheft. 73 H. M a y b a u m , Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg (Amt Gadebusch und Amt Grevesmühlen), in: Beihefte zur VSWG 6 (1926).
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auch die materielle Uberlieferung zu diesem Thema heranzuziehen, bot das äußere Bild des mecklenburgischen Dorfes zwischen den beiden Weltkriegen doch noch reichlich geschichtlich auswertbaren Stoff. Historische und volkskundliche Forschungen verbanden sich daher in dem dritten, hier zu nennenden Buch, einer Gemeinschaftspublikation von E n d 1 e r und F o 1 k e r s über das mecklenburgische Bauerndorf. 74 Der Gegenstand der genannten drei Bände umreißt das Arbeitsprogramm der Nachkriegszeit. Es ist einerseits vertieft und andererseits über das 18. Jahrhundert an die Gegenwart herangeführt worden. Selbstverständlich spielen bei den heutigen Fragestellungen die politischen Wandlungen, vor allem die Bodenreform, eine Rolle, und unvermeidlich hat sich eine politische Tendenzliteratur eingestellt. Lassen wir die letztere beiseite und heben die wichtigsten wissenschaftlichen Werke heraus. Die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, nach dem Zusammenbruch an die Archivalien heranzukommen, führte zunächst zu einer Pause, die der damalige Greifswalder Geograph F. M a g e r benutzte, um eine zusammenfassende „Geschichte des Bauerntums und der Bodenkultur im Lande Mecklenburg" (einschließlich Vorpommerns) auszuarbeiten. 75 Sie gibt den Stand der Vorkriegsforschung wieder. Die Verbindung geographischer und historischer Kenntnisse, wie sie bis dahin in diesem Rahmen nicht geboten wurde, verleiht dem Buch jedoch einen bleibenden Wert. Daneben verdient S t e i n m a n n genannt zu werden. 76 Lag bei Mager das Schwergewicht auf der Zusammenschau, so steht hier im Mittelpunkt die eindringliche Quellenanalyse, erwachsen aus jahrzehntelanger Vertrautheit mit dem Stoff und genauer Lokalkenntnis, angewandt und vertieft aus dem Schatz eines Berufslebens als Archivar am Schweriner Staatsarchiv. Steinmann geht von zwei Ortsgeschichten aus: Goldenbow Krs. Hagenow und Colpin Krs. Neubrandenburg, erweitert den Gesichtskreis jedoch nach Bedarf auf umliegende Ortschaften, das ganze Amt und allgemein wirksame Maßnahmen der Landesregierungen. Auf diese Weise verliert er nie die Verbindung mit der Realität und bietet, da die Entwicklung bis zur Bodenreform an zwei entgegengesetzten Stellen des Landes verfolgt werden kann, dem Leser die Möglichkeit, sich selbst ein allgemeiner gültiges Urteil zu verschaffen. Für Anfänger ist das Buch 74
C . A . E n d 1 e r und J . U. F o 1 k e r s , D a s Mecklenburgische Bauerndorf, Rostock
1930. F. M a g e r , Geschichte des Bauerntums und der Bodenkultur im Lande Mecklenburg, Berlin 1955. 76
7 6 P. S t e i n m a n , Bauer und Ritter in Mecklenburg. Wandlungen der gutsherrlich-bäuerlidien Verhältnisse im Westen und Osten Mecklenburgs vom 12./13. Jahrh. bis zur Bodenreform 1945, Schwerin 1960.
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freilidi weniger geeignet, zumal die Anmerkungen sehr breit geraten sind. Als Musterbeispiel für die kleinräumige Untersuchung bäuerlicher Zustände sei die Arbeit des ehemaligen Wismarer Gymnasialdirektors K l e i m i n g e r über das Wismarer Heiliggeisthospital erwähnt. 77 Dieses Hospital besaß vier Meierhöfe und fünf Dörfer, deren wirtschaftliche Verhältnisse an Hand eines sehr ausführlichen Archivgutes genau verfolgt werden. Die Aussagekraft dieses Stoffes ist selbstverständlich begrenzt, die Wissenschaft hätte aber allen Grund zur Dankbarkeit, lägen mehr derartige Studien vor. Im Detail steckt nicht nur der Teufel, dessen Verarbeitung öffnet erst die Pforten der Wissenschaft. Dieser Einsicht hätte sich J . N i c h t w e i ß , der Verfasser des ersten, wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden marxistischen Beitrages zu diesem Thema, nicht verschlossen, wäre er nicht unter tragischen Umständen früh aus dem Leben geschieden. Unter dem Titel „Das Bauernlegen in Mecklenburg" behandelt er eine vor 1933 nicht ohne Absicht vernachlässigte Seite der mecklenburgischen Agrar- und Sozialgesdiidite, ohne freilich mehr zu bieten, als Bekanntes und Vergessenes zusammenzustellen. 78 Den Stand der Auseinandersetzung und Forschung bis 1960 hat G. H e i t z (für die gesamte D D R ) zusammengefaßt. Heitz' eigene Forschungen, die sich auf die Ubergangszeit des 18. Jahrhunderts konzentrieren, enthalten dessen Habilitationsschrift und eine Reihe von Aufsätzen und Diskussionsbeiträgen aus seiner Feder. 7 9 Den entscheidenden Durchbruch zur Gutswirtschaft im 19. Jahrhundert hat in letzter Zeit G. M o 11 verfolgt. 8 0 7 7 R . K l e i m i n g e r , Das Heiligengeisthospital von Wismar in 7 Jahrhunderten ( = Abhdlg. z. Handels- u. Sozialgesch. 4), 1962. Die letzte ungedruckte Arbeit in dieser Richtung scheint zu sein Chr. C o r d s h a g e n , Amt Neustadt. Untersuchungen zur Agrargesdiichte Mecklenburgs im 15. und 16. Jahrhundert, Diss. phil. Rostock 1966. 7 8 J . N i c h t w e i ß , Das Bauernlegen in Mecklenburg. Eine Untersuchung zur Geschichte der Bauernschaft und der zweiten Leibeigenschaft in Mecklenburg bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Berlin 1954.
G. H e i t z , Sozialstruktur und Klassenkampf in Mecklenburg im 18. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der ostelbischen Bauern in der Periode der zweiten Leibeigenschaft, Phil. Habil.schrift Leipzig 1960; d e r s . , Feudales Bauernlegen in Mecklenburg im 18. Jahrhundert, in: Zs. f. Geschichtswissenschaft 8 (1960), S. 1342ff.; d e r s . , Die sozialökonomische Struktur im ritterschaftlichen Bereich Mecklenburgs zu Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Beiträge z. dt. Wirtschafts- und Sozialgesch. d. 18. u. 19. Jh.s ( = Berl. Akad. d. Wiss., Schriften d. Instit. f. Gesch. R . I, Bd. 10), 1962, S. 1 ff.; d e r s., Bauernwirtschaft und Junkerwirtschaft, in: J b . f. Wirtschaftsgesch. T. 2, 3 (1964), S. 80 ff.; d e r s . , Bäuerliche Verhältnisse in Mecklenburg um 1600, in: Die Bauerngesellschaft im Ostseeraum und im Norden um 1600. Acta Visbyensia II, Visby 1966. Siehe auch oben A n m . 2 2 . 79
8 0 G. M o 11, Die kapitalistische Bauernbefreiung im Klosteramt Dobbertin (Mecklenburg). Zum „preußischen Weg" der Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft, Rostock 1969; d e r s . , Zum Verlauf des „preußischen Weges" der Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft Mecklenburgs, in: Wiss. Zs. d. Univ. Rostock 13 (1964), S. 345 ff.
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Die Diskussion in der D D R über die Entwicklung des 19. Jahrhunderts wird von anderen Fragestellungen und Gesichtspunkten bestimmt. Hier geht es im wesentlichen um die Herausbildung eines Proletariats, in Mecklenburg lediglich an der Landarbeiterschaft verfolgbar. Das Verhältnis von der Gutszur Bauernwirtschaft, das sich doch noch bis 1945 wandelt, tritt in den Hintergrund. Dafür konzentriert man sich auf politisdie Aktionen der Arbeiter, die in der Revolution von 1848 erstmals greifbar werden. 81 Je weiter wir uns der Gegenwart nähern, um so mehr verschiebt sich die Betrachtungsweise auf politische Fragen. Die agrarische Struktur des Landes bedingt jedodi, daß beispielsweise in P o 1 z i n s Arbeit über den Kapp-Putsch in Mecklenburg Fragen der ländlichen Bevölkerungsstruktur breit behandelt werden. 82 In diesem Zusammenhang ist eine Quellenveröffentlichung zu erwähnen, die in den dreißiger Jahren eingeleitet wurde, anfangs in den Dienst der damals geforderten Sippenforschung gestellt, von bleibendem Wert aber deswegen, weil die schwer lesbaren Registerquellen des 15. und 16. Jahrhunderts damit erschlossen werden. Vor dem Kriege kamen drei Hefte dieser „Mecklenburgischen Bauernlisten" heraus. Sie behandeln (1.) Amt Boizenburg, (2.) Amt Bukow mit der Insel Poel und (3.) Strelitzer Ämter. 83 Die Reihe ist, anspruchsvoll erweitert, nach dem Kriege mit Listen des Amtes Crivitz fortgeführt worden. 84 Weitere Editionen sind in Vorbereitung. Außerdem hat 81
K.-H. M a h l e r t , Die soziale und ökonomische Lage der mecklenburgischen Landarbeiter nach der Aufhebung der Leibeigenschaft und ihr Kampf in der Revolution von 1848—1849, Diss. phil. Potsdam 1961 (masch.-schr.). — Charakteristischerweise stellt das einzige Taschenbuch zur mecklenburgischen Geschichte die Revolution von 1848/49 in den Mittelpunkt; nämlich W. H e r f e r t h , Wetterleuchten in Mecklenburg ( = Taschenbuch Geschichte, Bd. 20), Berlin 1961. Das Buch ist jedoch so einseitig, die Zahl der Fehlurteile so groß, daß ihm über die Zusammenstellung der Fakten hinaus ein Wert für die Landesgeschichte nicht zukommt. Um so ergiebiger ist es für die Beurteilung des Zeitgeistes. Zuverlässiger erweist sich K. B a u d i s , Julius Polentz. Dichter und Publizist. Mit einer Auswahl seiner Gedichte, Aufsätze und Briefe ( = Veröff. d. Staatsarchivs Schwerin 4), 1965, der ebenfalls die Revolutionszeit von 1848 in das Zentrum rückt. Hier wird neues bzw. schwer zugängliches Material ans Licht gebracht, nur fehlt die kritische Verarbeitung. 82 M. P o l z i n , Kapp-Putsch in Mecklenburg. Junkertum und Landproletariat in der revolutionären Krise nach dem 1. Weltkrieg ( = Veröff. d. Staatsarchivs Schwerin 5), 1966. Die gequälte Aktualisierung und der Stil erschweren die Lektüre des sonst materialreichen Buches, das zahlreiche Einzelschriften zusammenfaßt. 83
H e e ß , 5938.
84
Quellen zur ländlichen Siedlungs-, Wirtschafts-, Rechts- und Sozialgeschichte Mecklenburgs im 15. und 16. Jahrhundert. Amt Crivitz. Bearb. von P. S t e i n m a n n ( = Veröff. d. Staatsarchivs Schwerin Bd. II, 1), 1962. 85 Die Mecklenburgischen Kaiserbederegister von 1496. Hrsg. von F. E n g e l ( = Mitteldeutsche Forschungen 56), 1968.
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Engel die — erhaltenen — Register einer Kaiserbede von 1496 für den Druck bearbeitet. 85 Die Geschichte eines Landes reflektiert stets mehr oder minder deutlich die allgemeine Entwicklung. Im Grunde gilt dies natürlich auch von allen Erscheinungsformen der materiellen Kultur, der Denkweise und dem Brauchtum der Bevölkerung, um die sich die V o l k s k u n d e bemüht. Sie vermag mandien Zug der Vergangenheit besser als lange Aktenauszüge anschaulich und damit verständlich zu machen. Die geschichtliche Volkskunde ist deswegen hier zu erwähnen, weil sie sich mit besonderem Eifer der ländlichen Verhältnisse angenommen hat und weil nach 1945 einige wertvolle Arbeiten entstanden sind. In den zwanziger und dreißiger Jahren begeisterte J. U. F o l k e r s , damals Professor an der Pädagogischen Hochschule in Rostock, die jungen Lehrer für volkskundliche Beobachtungen. Er hatte damit nicht angefangen. Das Verdienst, die mecklenburgische Volkskunde vor dem Ersten Weltkriege begründet zu haben, kommt R. W o s s i d 1 o (1859—1939) zu. Aber er war es, der der geschichtlichen Komponente zum Durchbruch verhalf. Auf seinem eigenen Arbeitsgebiet, der Dorf- und Hausforschung, hatte man bis dahin die vorhandene Bausubstanz zu erfassen und zu ordnen versucht. Jetzt wurden die einzelnen Bauschichten voneinander abgehoben, die Veränderungen als Folgen wirtschaftlicher Entwicklungen und Modeströmungen begriffen. Folkers selbst konnte sein Lebenswerk abschließen mit einer Monographie über den mecklenburgischen Bauernhof, die 1961 im Westen erschien.86 Das erwartete Kompendium ist es nicht mehr geworden, der Abstand von seinem einstigen Arbeitsgebiet war inzwischen zu groß. Aufgenommen und fortgeführt hat sein Werk ein ehemaliger Sdiüler von ihm, K. B a u m g a r t e n , dem das Institut für Deutsche Volkskunde an der Berliner Akademie Arbeits- und Publikationsmöglichkeiten bot. Ihm verdanken wir — neben einer Reihe von Einzelstudien, z. B. über die Scheune — eine beispielhafte Arbeit über „das Bauernhaus in Mecklenburg".87 Sie faßt die Ergebnisse der Forschung seit etwa 1920 zusammen und vereinigt Beobachtungen an der überkommenen Bausubstanz mit archivalischen Forschungen 88 J. U. F o l k e r s , Mecklenburg ( = Haus und Hof deutscher Bauern. Eine Darstellung in Einzelbänden. Bd. 3: Mecklenburg), Münster 1961; Folkers' zahlreiche Aufsätze verzeichnet H e e ß , Bd. III, S. (78). 87
K. B a u m g a r t e n , Das Bauernhaus in Mecklenburg, Berlin 1965 (die wichtige ältere Literatur wird darin genannt); nachzutragen ist: K. B a u m g a r t e n , Diele und Dreschen im mecklenburgischen Hallenhaus, in: Zs. f. Agrargesch. u. Agrarsoziologie 13 (1965), S. 21 ff.; d e r s., Der älteste Bau ländlicher Volksarchitektur im Stadtgebiet von Rostock, in: Rostocker Beiträge 1 (1967).
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sowie archäologischen Grabungen. Welche erstaunliche Aussagekraft den schriftlichen Quellen innewohnt, wenn sie richtig interpretiert werden, beweist Baumgarten zusammen mit einem jüngeren Volkskundler, U. B e n t z i e n , bei der Edition und Kommentierung eines Ribnitzer Klosterinventars von 1620.88 Die Arbeit ist deswegen so bemerkenswert, weil sie das bäuerliche Leben auf der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit erfaßt. Im übrigen hat sich Bentzien der — heute so aktuellen — Geschichte der Technik in der mecklenburgischen Landwirtschaft angenommen. Drängt sich die Agrarverfassung als das interessanteste Arbeitsfeld der landesgeschichtlichen Forschung in Mecklenburg geradezu auf, so gilt das eigentlich nicht von der Städteforschung. Es sind daher besondere Umstände gewesen, die ihr nach 1945 Auftrieb verschafften. An sich schien die S t a d t g e s c h i c h t e , zumindest die mittelalterliche, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges einem abgegrasten Feld zu gleichen. Autoritäten wie Koppmann und vor allem Techen hatten sich der beiden Seestädte energisch angenommen. Die Rostocker Historiker Spangenberg und Maybaum verteilten eine ganze Reihe von Dissertationen, die Einzelerscheinungen der mittelalterlichen Städte untersuchten. Unter ihnen ragen zwei Arbeiten heraus: H o f f m a n n s Untersuchung der Städtegründung in Mecklenburg-Schwerin und S t r u c k s Verfassungsgeschichte der mittelalterlichen Landstädte. 89 Eine Zusammenfassung des Vorkriegsstandes enthalten die Artikel des „Deutschen Städtebuches", bei denen allerdings zu beachten ist, daß diejenigen von Endler (Strelitzer Städte) hinter den übrigen zurückstehen, die mit wenigen Ausnahmen von Struck verfaßt sind.90 Ausgangspunkt der Nachkriegsarbeit waren die Stadtarchive der Seestädte von Wismar bis Greifswald, deren Stadtbücher und Steuerregister zur Auswertung nach sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten anreizten. Verfasser hat mit einer solchen Untersuchung angefangen. Intensiver und mit anderen Ergeb88
K. B a u m g a r t e n und U. B e n t z i e n , Hof und Wirtschaft der Ribnitzer Bauern. Edition und Kommentar des Kloster-Inventariums von 1620, Berlin 1963. — U. B e n t z i e n , Das Eindringen der Technik in die Lebenswelt der mecklenburgischen Landbevölkerung, Diss. phil. Berlin 1961 (masch.); nachzutragen: U. B e n t z i e n , Pferde und Ochsen als Spannvieh in der mecklenburgischen Landwirtschaft vor dem Dreißigjährigen Kriege, in: Zs. f. Agrargesdi. u. Agrarsoziologie 12 (1964), S. 21 ff.; d e r s . , Das Inventar eines Diedridishäger Hospitalbauern (1621), in: Rostocker Beiträge 1 (1967), S. 89 ff. 89
K. H o f f m a n n , Die Städtegründungen Mecklenburg-Schwerins in der Kolonisationszeit vom 12. bis 14. Jahrhundert, in: Jbb. d. Ver. f. mecklenburg. Gesch. u. Altertumskunde 94 (1930); W.-H. S t r u c k , Die Geschichte der mittelalterlichen Selbstverwaltung in den mecklenburgischen Landstädten, in: Mecklenb. Jbb. 101 (1937), Beiheft. 90 Deutsches Städtebuch, Bd. 1, 1939.
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nissen haben sich dann die jetzigen Greifswalder Professoren Schildhauer und Fritze mit diesem Thema beschäftigt. 91 Doch diese Studien wären Stückwerk geblieben, hätten kaum oder zumindest viel langsamer den heutigen Umfang angenommen ohne den „Hansischen Geschichtsverein". Eine ganze Reihe von besonderen Umständen trafen zusammen, daß ausgerechnet in Norddeutschland die Zusammenarbeit der Historiker sich dahin einspielte, daß ein letztlich privater Verein als „Arbeitsgemeinschaft des Hansischen Geschichtsvereins in der DDR" wieder auflebte, aus dessen Beiträgen eine ansehnliche wissenschaftliche Reihe gefördert und herausgegeben werden kann, nämlich die „Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte". Es ist eine Ehrenpflicht, in diesem Zusammenhang des Mannes zu gedenken, dem von der ostdeutschen Seite das Hauptverdienst darum zukommt, Heinrich S p r o e m b e r g (tl966). 9 2 Anders aber als im Westen, wo der Hansische Geschichtsverein in die Weite tendiert, weil für die Lokalgeschichte der Hansestädte und ihres Hinterlandes eigene Vereine und Zeitschriften zur Verfügung stehen, gehen die Arbeiten aus der D D R von regionalem Quellenmaterial aus, treiben sie also gewissermaßen Landesgeschichte. Mit der Geschichte der hansischen Städteverbindung haben sie so wenig zu tun wie die meisten westdeutschen Unternehmen des Vereins. Wie sollten sie auch, da zur politischen und Rechtsgesdiidite kaum viel Neues beizutragen ist. Doch der Name ist ein Ansporn, der andernorts fehlt. Fassen wir — ohne Rücksicht auf den Erscheinungsort — die stadtgeschichtlichen Arbeiten zusammen, so ergeben sich zwei Hauptgruppen: einmal Quellenveröffentlichungen, zum anderen Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Die erste Gruppe sei einzeln erwähnt: Die Geschäftspapiere der Kaufleute Krön in Rostock und Bene in Oslo aus dem 16. Jahrhundert, bearbeitet von H. T h i e r f e l d e r ; das zweite Wismarer Stadtbuch (1272 bis 1299), bearbeitet von L . K n a b e , und das älteste Rostocker Stadtbuch, bearbeitet von H . T h i e r f e l d e r. 93 Für die zweite Gruppe mögen drei Namen stehen: Schildhauer, Fritze und Olechnowitz. 91
Den Stand der Veröffentlichungen bis 1960 fassen F r i t z e u. a. (s. oben Anm. 22) zusammen. Weitere Berichte: J. S c h i l d h a u e r , Forschungen zur hansischen und hanseatischen Geschichte 1960—1962, in: Wiss. Zs. d. Univ. Greifswald 12 (1963), S. 129ff.; d e r s . , Forschungen zur Geschichte des Ostseegebietes — Literaturbericht über die in der D D R erschienenen Publikationen, in: Rostocker Beiträge 1 (1967), S. 9 ff. 92 Nachruf: HansGBll 84 (1966), S . V f f . 93 Rostock-Osloer Handelsbeziehungen im 16. Jahrhundert. Die Geschäftspapiere der Kaufleute Krön in Rostode und Bene in Oslo. Hrsg. v. H . Thierfelder ( = Abhandl. z. Handels- u. Sozialgesch., Bd. 1), Weimar 1958. — Das Zweite Wismarsche Stadtbudi 1272 bis 1297. Bearb. v. L. Knabe ( = Quellen u. Darstellungen z. Hans. Gesch. N F Bd. 14, T. 1 u. 2), Weimar 1966. — Das älteste Rostocker Stadtbuch (etwa 1254—1273). Hrsg. v. H. Thierfelder mit Beiträgen zur Gesdiichte Rostocks im 13. Jahrhundert, Göttingen 1967.
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Das Arbeitsgebiet von S c h i l d h a u e r ist durch den Gegenstand seiner Habilitationsschrift bestimmt. 94 Sie untersucht die Unruhen der Reformationszeit in Stralsund, Rostock und Wismar, wobei die wirtschaftlichen Hintergründe und die Bevölkerungsstruktur mit möglichster Genauigkeit erfaßt werden. Schildhauer hat diese Methode für den Untersuchungsbereich auf ältere Zeiten ausgedehnt und berührt sich dabei mit K. F r i t z e . Dieser ging aus von einer Monographie über Stralsund (bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts) und bezog dann die übrigen Ostseestädte der DDR ein. Er berücksichtigt stärker als Schildhauer die politischen Ereignisse, aber auch bei ihm stehen sozial- und strukturgeschichtliche Fragen im Mittelpunkt. Inzwischen liegt das Ergebnis seiner Studien in einem zusammenfassenden Buch vor. 95 Der mittelalterliche Stoff der Stadtarchive, insbesondere die Aussagekraft der Steuerlisten ist begrenzt, die Methode ohnedies strapaziert, so daß der Ansatz von Olechnowitz sich auf die Dauer als fruchtbarer erweisen dürfte. Er wendet sich der Spätzeit der Hanse zu, dem 16. und frühen 17. Jahrhundert, die bisher als Zeit des Niedergangs ein wenig am Rande liegengeblieben war, in der in Wirklichkeit, wie O l e c h n o w i t z nachweist, die hansische Schiffahrt erst ihren Höhepunkt erreicht. Aus der genauen Kenntnis technischer Einzelheiten und minutiösem Aktenstudium entsteht ein geschichtliches Bild, das — auch — für die mecklenburgische Landesgeschichte neue Akzente setzt. 96 Anzufügen, weil aus der Tradition des Hansischen Geschichtsvereins entstanden, bleibt eine Arbeit, in der Mecklenburg nur einen Teil beansprucht, die aber für die mittelalterliche Verkehrsgeschichte stets heranzuziehen ist, die Bearbeitung der hansischen Handelsstraßen. 97 Auffällig bleibt das geringe Interesse an der Stadtgeschichte nach dem Dreißigjährigen Krieg. H e i t z hat die wirtschaftliche Lage der mecklenburgischen Landstädte im späten 17. und im 18. Jahrhundert untersucht, doch schließt er mit der Anregung, durch einen größeren Arbeitskreis die Dinge J. S c h i l d h a u e r , Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen in den Hansestädten Stralsund, Rostock und Wismar im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts ( = A b handl. z. Handels- u. Sozialgesch., Bd. 2), Weimar 1959. 8 5 K . F r i t z e , A m Wendepunkt der Hanse. Untersudiungen zur Wirtsdiafts- und Sozialgesdiichte wendischer Hansestädte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ( = Veröff. d. Hist. Inst. d. Univ. Greifswald 3), Berlin 1967. 94
9 6 K . F. O l e c h n o w i t z , Der Schiffbau der hansischen Spätzeit. Eine Untersuchung zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Hanse ( = Abhandl. z. Handels- u. Sozialgesch., Bd. 3), Weimar 1960; d e r s . , Handel und Seeschiffahrt der späten Hanse ( = a. a. O., Bd. 6), Weimar 1965. 9 7 Hansische Handelsstraßen. Nach Vorarbeiten von F. Bruns bearb. von H. Weczerka ( = Quellen u. Darstell, z. Hans. Gesch. NF Bd. 13, T. 1 : Atlasband), Köln/Graz 1962; T. 2 : Textband, Weimar 1967.
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gründlich erforschen zu lassen. 98 Auf einen kurzen Ausschnitt beschränkt sich S c h i l d h a u e r , der einmal die Gesellen- und Tagelöhnerunruhen in der Zeit der Französischen Revolution verfolgt h a t . " Nimmt man eine behördengeschichtliche Untersuchung von S t r u c k hinzu, so ist bereits alles wichtigere genannt. 100 Daraus folgt nicht, daß die Zeit vor 1848 gänzlich liegengeblieben sei. Wir haben — als letzte Gruppe — noch mehrere Neuerscheinungen zu nennen, die um eine einzige Fürstengestalt des 18. Jahrhunderts kreisen, K a r l L e o p o l d , von 1713 bis 1747 Herzog von Mecklenburg-Schwerin, allerdings seit 1728 so gut wie ohne Land. Es ist eigenartig, daß gerade die zweideutigen Figuren die Historiker immer wieder faszinieren. In diesem Fall mag es daran liegen, daß dieser machiavellistische Scharlatan aber auch alle Möglichkeiten durchspielte, die sich einem deutschen Fürsten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts boten sowohl auf außenpolitischem als innenpolitischem Gebiet. Das innenpolitische Kernproblem, die — gescheiterte — Aufrichtung des Absolutismus in Mecklenburg stellt P. W i c k in den Mittelpunkt. 101 Das Thema ist damit so breit gewählt, daß gleichsam eine auf intensivem Aktenstudium basierende mecklenburgische Landesgeschichte für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts daraus geworden ist. Im gleichen Jahr, in dem die Wicksche Dissertation in Ostberlin angenommen war, promovierte in Kiel H. J . B a 11 s c h m i e t e r fast über das gleiche Thema. Er brachte neue Gesichtspunkte dadurch hinein, daß er die von Wiek geschilderten Ereignisse aus der Sicht des größten Gegenspielers von Karl Leopold, des hannoverschen Premiers von Bernstorff verfolgte. 102 In bezug auf die außenpolitischen Hintergründe sind beide überholt durch eine 1967 herausgekommene Arbeit von M e d i g e r : 9 8 G. H e i t z , Zur Rolle der kleinen mecklenburgischen Landstädte in der Periode des Ubergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus, in: Hansische Studien. Heinrich Sproemberg zum 70. Geburtstag, Berlin 1961, S. 103 ff. 99 J. S c h i l d h a u e r , Gesellen- und Tagelöhnererhebungen in den mecklenburgischen Städten von 1790 bis 1800, in: Zs. f. Geschichtswissenschaft 7 (1959), S. 1272 ff.
100 w . - H . S t r u c k , Städtepolitik im Ständestaat. Die mecklenburgische Steuer-, Polizeiund städtische Kämmerei-Kommission und ihre Tätigkeit (1763—1827), in: Ostdeusche Wissenschaft 5 (1958). 101 p W i e k , Versuche zur Errichtung des Absolutismus in Mecklenburg in der ersten H ä l f t e des 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Territorialabsolutismus ( = Dt. Akad. d. Wiss. z. Berlin, Schriften d. Inst. f. Gesch. R . II, Bd. 8), Berlin 1964; einem — wie üblich — gescheiterten zukunftsträchtigen Plan K a r l Leopolds hat Wide eine Sonderstudie gewidmet: Versuche zur Erbverpachtung und Aufhebung der Leibeigenschaft in Mecklenburg zu Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Zs. f. Wirtschaftsgesch. 1961, T. 1, S. 45 ff. 1 0 2 H.-J. B a i i s c h m i e t e r , Andreas Gottlieb von Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf (1680 bis 1720) ( = Mitteldeutsche Forschungen 26), Köln/Graz 1962.
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Mecklenburg, Rußland und England-Hannover 1706—1721. 103 Im Zentrum dieses Buches steht Peters des Großen Versuch, im Verlauf des Nordischen Krieges an der mecklenburgischen Küste (Wismar) Posto zu fassen. Der "Wert der Arbeit liegt in der eindringlichen Darstellung der Diplomatie, der mecklenburgischen wie derjenigen der nordischen Mächte. Die eigene Machtbasis Karl Leopolds war der Aufbau eines stehenden Heeres, an dessen Finanzierung sich der Ständekampf entzündete. Diesen Hintergrund findet man in einer Monographie von G. T e s s i n geschildert.104 Als letztes, freilich in der D D R am intensivsten bearbeitetes größeres Sachgebiet wäre die A r b e i t e r b e w e g u n g und Z e i t g e s c h i c h t e in Mecklenburg zu nennen. Hier ist Neuland erschlossen worden, für das die ältere Forschung wenig Anknüpfungspunkte bot. Die zahlreichen, stark verstreuten Beiträge sind mir jedoch nicht zugänglich, so daß ich die Spreu vom Weizen nicht zu trennen vermag. Der daran Interessierte wird über die bibliographischen Berichte oder über die Literaturangaben von Baudis 105 und Polzin 106 an das Material herangeführt. Im übrigen ist dieses Thema für die Landesgeschichte solange nicht wirklich zu erschöpfen, als die liberalen und konservativen Strömungen nach 1850 nicht entsprechend untersucht werden. 107 Auf allen übrigen Gebieten wären einzelne Arbeiten zu nennen, aus denen sich jedoch nicht ganze Forschungsrichtungen herauskristallisieren lassen. Sie sind dem privaten Fleiß einzelner zu verdanken oder aus besonderen Anlässen entstanden. Charakteristisch genug, lassen sich am ehesten bei der Kunstgeschichte größere Zusammenhänge verfolgen, etwa in den Heften der Reihe „Das christliche Denkmal", auch in einigen wohlausgestatteten Bildbänden. Hier kann literarisch-wissenschaftliche Produktion noch wirtschaftlich kalkuliert werden, und dort, wo Fachkenner zur Mitarbeit herangezogen werden, die sich allgemeinverständlich äußern können, profitiert auch die Landes1 0 3 W. M e d i g e r , Mecklenburg, Rußland und England—Hannover 1706—1721. Ein Beitrag zur Geschichte des Nordischen Krieges ( = Quellen u. Darst. z. Gesdi. Niedersachsens, Bd. 70, T. 1,2), Hildesheim 1967. 104 Q T e s s i n , Mecklenburgisches Militär in Türken- und Franzosenkriegen 1648—1718 ( = Mitteldeutsche Forschungen 42), Köln/Graz 1966. Aus mecklenburgischen Ardiivalien schöpft auch T e s s i n s Aufsatz: Niedersachsen im Türkenkrieg 1594—1597, in: Niedersädis. Jb. f. Landesgesdi. 36 (1964), S. 67 ff. 1 0 5 Siehe oben Anm. 81. 1 0 6 Siehe oben Anm. 82. 1 0 7 M. H a m a n n , Dr. Friedrich Witte (1829—1893), ein Rostocker Apotheker und Politiker, in: Beiträge zur Geschichte der Pharmazie u. ihrer Nadibargebiete 3 (1959), S. 5 ff.; d e r s . , Friedrich Witte (1829—1893). Eine biographisdie Würdigung, in: Die Pharmazeut. Industrie 22 (1960), S. 474 ff., 555 ff.
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geschichte.108 Das gilt insbesondere für die Neuauflage des „Dehio", dessen ausführliche Neubearbeitung durch eine Arbeitsstelle der Berliner Akademie eine zuverlässige Orientierung über den Nachkriegszustand erlaubt.109 Dagegen scheint sich die strenge Wissenschaft in ungedruckten Dissertationen, die Denkmalpflege in Rundschreiben zu verstecken. Auffallend, aber wohl zeitbedingt, zurückhaltend ist die Hochschulwissenschaft in bezug auf die Verfassungsgeschichte. Das ist um so bedauerlicher, als die mecklenburgischen Verfassungszustände im 18. und 19. Jahrhundert manche mittelalterlichen, zumindest frühneuzeitlichen Gewohnheiten bewahrt haben und somit unsere Anschauung der Verfassungsaltertümer zu bereichern vermögen. Für Unterrichtszwecke hatte der Verfasser eine mecklenburgische Verwaltungsgeschichte entworfen, die, auf Verfassungsfragen erweitert, veröffentlicht worden ist.110 Aus der Berufsarbeit der Archivare sind einige Aufsätze hervorgegangen, die Stoff zur Behördengeschichte bieten. Großangelegte Untersuchungen, etwa über die Entstehung des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs von 1755 oder die vergeblichen Reformbestrebungen nach 1866, fehlen indessen gänzlich. Das gleiche gilt von der Geistesgeschichte einschließlidi der Kirchengeschichte. Der Nationalheros Fritz Reuter ist allenthalben und mehrfach gewürdigt worden, bis zu den dii minoris Iuris will das Interesse nur noch in Ausnahmefällen reidien. Seit S c h m a l t z ' Kirchengeschichte111 scheint sich beispielsweise niemand mehr um das Verhältnis der Kirche zu Thron und Gesellschaft im 19. Jahrhundert bemüht zu haben. Besser steht es um die Geschichte der Universität Rostock. Das 1969 zu erwartende 550jährige Jubiläum der Landesuniversität dürfte Anlaß werden, deren Geschichte eingehend zu würdigen — und damit eine ganze Reihe kleinerer Beiträge zu diesem Thema zusammenfassend auszuwerten.112 108
Als besonders gelungene Beispiele seien angeführt: G. H o l t z ,
Lande. Die Dorfkirchen Mecklenburgs, Berlin o. J . ; E . F r ü n d t , Mecklenburg, Dresden 1963; W . O h l e ,
Kirchen auf dem
Spätgotisdie Plastik in
Schwerin-Ludwigslust, Leipzig o. J . ; V.
Schor-
l e r , Seestadt Rostock 1578—1586, Rostock 1965. 109
G. D e h i o ,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Die Bezirke Neubrandenburg,
Rostock, Schwerin, Berlin 1968. 1 1 0 M. H a m a n n , 24), Köln/Graz 1962.
Das Staatliche Werden Mecklenburgs ( =
Mitteldeutsche Forschungen
111
K. S c h m a l t z ,
U 2
Aus den kleineren Beiträgen ragt heraus J . H a a 1 c k , Die Gutachter, und Urteils-
Kirchengeschichte Mecklenburgs, Bd. 3, Schwerin 1952.
tätigkeit der Rostocker Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Rechtswiss. Diss. Jena 1 9 5 7 ; vgl. Wiss. Zs. d. Univ. Rostock 8 (1958/59) S. 401 ff.; vgl. d e r s .
und N .
Trotz,
Die Hexenverfolgung in der Spruchpraxis der Rostocker Juristenfakultät, in: a . a . O . (1964) S. 227 ff. Bisher erschienen P. K r e t s c h m a n n , Hochschulen 3), Köln 1969.
Universität Rostock ( =
13
Mitteidt.
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Diese Beiträge zu den genannten — und weiteren — Gebieten hier aufzuzählen, hieße nur, die Zahl der bibliographischen Berichte zu vermehren. Es wurde gezeigt, daß es darum gar nicht so schlecht steht. Verfolgt wurden auf einigen Gebieten wesentliche Fortschritte, denen, vom Westen her gesehen, bedauerliche Lücken auf anderen gegenüberstehen. Die beschränkten Veröffentlichungsmöglichkeiten in der D D R mögen unsere Blicke trüben. Dies gilt mit Sicherheit für die Kunstgeschichte. Aber auch für andere Bereiche, z. B. die Schulgeschichte, sind Dissertationen angefertigt worden, die, da sie nur maschinenschriftlich vorliegen, der allgemeinen Benutzung und Beurteilung praktisch entzogen werden. Es bleibt das Gefühl einer betonten Einseitigkeit in der D D R . Sie wird solange ein wenig ausgeglichen, als man im Osten und im Westen an der mecklenburgischen Landesgeschichte mitarbeitet. Doch diejenigen, deren Tätigkeit sich von der Vorkriegszeit zur Gegenwart spannt, müssen über kurz oder lang den Tribut an die Zeitlichkeit ihres Daseins entrichten. Die Zahl derer, die aus eigenem Erleben und Studium Mecklenburgs Vergangenheit genauer kennen, wird in Westdeutschland immer kleiner. Dem Hauch von Wehmut, der über dieser Feststellung liegt, stehen in der D D R erfreuliche Anzeichen dafür gegenüber, daß die Landesgeschichte auf breiterer Ebene zu Wort kommen kann. Der Generationswechsel wird auch dort nicht ausbleiben; er verschiebt sich nur, da die heutigen Lehrstuhlinhaber noch in den mittleren Jahren stehen. Der Zeitpunkt ist absehbar, wo die bereits in der D D R geborenen, denen die einst selbstverständliche Verbindung zu den übrigen deutschen Landschaften fehlt, nach vorn drängen. Von diesem Nachwuchs wird es einmal abhängen, ob und wie künftig an der Geschichte Mecklenburgs weitergearbeitet wird. Die Forschung in der D D R kann die westdeutsche Wissenschaft — und sei es nur um der Auseinandersetzung willen — nicht entbehren, soll nicht ein Bildungsgefälle entstehen. Das Schicksal der mecklenburgischen Landesgeschichte muß also Ost und West gemeinsame Verpflichtung und Aufgabe bleiben.
EBERHARD BÖHM ZUM S T A N D D E R W Ü S T U N G S F O R S C H U N G
IN
BRANDENBURG
ZWISCHEN ELBE U N D ODER1 Mit einer Bibliographie Die Mark Brandenburg gehört zu denjenigen Landschaften Deutschlands, die in ihren einzelnen Teilgebieten eine außerordentlich unterschiedliche Wüstungsdichte aufweisen. Die Mark kennt Landstriche, wie z. B. den alten Kreis Beeskow-Storkow, aus dem kaum eine Wüstung bekannt ist, und wiederum solche Gegenden wie etwa die alten Kreise Ruppin und Templin, deren große Wälder auf den Gemarkungen wüster Dörfer stehen, Siedlungen, die in einem weiten Raum geschlossen untergegangen sind. Zu diesem räumlichen Unterschied in der Wüstungsverteilung gesellt sich die zeitliche Schichtung: Problematisch ist hierbei vor allem die ursächliche Abgrenzung von zwei dicht aufeinander folgenden Wüstungsperioden, nämlich der slawisch-deutschen Kontaktzeit und der doch ziemlich dicht anschließenden spätmittelalterlichen Wüstungsperiode; während die letzte in ganz Mitteleuropa noch viele Fragen offenläßt, hat die erste Bedeutung nur für Ostdeutschland und benachbarte Gebiete mit ähnlicher Siedlungsstruktur. Diese einleitenden Worte sollten nur andeuten, mit welchen Schwierigkeiten die brandenburgische Wüstungsforschung zu rechnen hat. Gehört doch die Mark im Mittelalter nicht gerade zu den kleinsten deutschen Territorien, so daß sich die Wüstungsforschung, die sich ihres Raumes annimmt, mit entsprechenden naturräumlichen und historischen Problemen auseinandersetzen muß. Daher schien es auch geboten, sich allein auf die Mittelmark mit der Prignitz zu konzentrieren. Die Diskussion hat eigentlich nur dieses Gebiet berührt. Für die Neumark liegt kaum eine Arbeit vor, für die Niederlausitz hat F. B ö n i s c h (2) 1960 einen ähnlichen Bericht vorgelegt und die für 1
Hervorgegangen aus einem Referat auf einer Tagung zur Besiedlung des Westberliner
Raumes im hohen und späten Mittelalter, die von der Abteilung für Historische Landeskunde des Friedrich-Meinecke-Instituts der Freien Universität vom 19. bis 2 1 . 1 0 . 1 9 6 7 veranstaltet wurde. Die im T e x t eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die Nummern der Bibliographie. 19
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die Altmark vorliegenden Arbeiten von Z a h n (81) und H e i l a n d (18) stehen mit der mittelmärkischen Forschungsdiskussion nur in losem Zusammenhang. 2 Einen guten zusammenfassenden und einführenden Überblick der märkischen Wüstungsforschung hat Heinz-Dieter K r a u s c h (36) 1960 gegeben. Er hat die wesentliche Literatur zusammengestellt und die weniger nützlichen Titel sogleich ausgeschieden. Überhaupt ist zu sagen, daß die Vertreter der Heimatgeschichte zur Klärung der uns interessierenden Fragen kaum fördernde Beiträge geleistet haben. Sie begnügten sich in der Regel mit der Aufzählung ohnehin bekannter Wüstungsorte und hielten die Vorgänge während der Hussitenzeit und des Dreißigjährigen Krieges oder andere Gewalttätigkeiten für die Ursachen des Wüstwerdens. — Doch die allmählich in Einzelfragen immer tiefer eindringende wissenschaftlich betriebene Siedlungskunde zeigte mit den erreichten Ergebnissen zugleich immer wieder, wie neu zu fragen sei; es ist also noch manche Frage offen. Schon G l e y (14) mit seiner damals — 1926 — viel Staub aufwirbelnden Studie „Die Besiedlung der brandenburgischen Mittelmark von der slawischen Einwanderung bis 1624" hatte die beiden oben erwähnten Phasen des Wüstungsprozesses erkannt, ohne sie aber deutlich herauszuarbeiten. Diese Fixierung und überhaupt ein klares Schema, das der Problematik der ostdeutschen Wüstungen gerecht wird, verdanken wir Anneliese K r e n z 1 i n (43). Sie unterscheidet v i e r Wüstungsphasen in der brandenburgischen Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Es handelt sich 1. um die spätslawisch-frühdeutsche Ubergangszeit, also im wesentlichen um die Zeit der deutschen Ostsiedlung, 2. um die Zeit, als ehemals bäuerliche Siedlungen in Städte oder deren Fluren gezogen wurden, mit fließenden Ubergängen zur l . u n d 3. Phase, dem sogenannten Hauptwüstungsprozeß vor allem des 14. und 15. Jahrhunderts und schließlich um die 4. Phase: Die fortschreitende Gutsbildung des 18. und 19. Jahrhunderts läßt wiederum Bauerndörfer verschwinden. Es wird sich nun als praktisch erweisen, nach diesem Schema vorzugehen und die wichtigsten Arbeiten kurz zu besprechen. 1. Die spätslawisch-frühdeutscbe
Phase
Die große Menge der spätslawischen Siedlungen wird wüst. Die planmäßig in großen Räumen fortschreitende Kolonisation hat wenig Spuren der vordeutschen Besiedlung übriggelassen. Dabei ist, immer K r e n z l i n 2
Die Bibliographie enthält Literaturhinweise auch für diese Gebiete.
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(43) folgend, auf die Umlegung zu deutschen Dörfern zu achten. Für die westlichen Gebiete Prignitz, Havelland, Zauche wird besonders wichtig die Einführung der Dreifelderwirtschaft, die Hufeneinteilung des Ackerlandes und die Zusammenlegung slawischer Weiler zu einem neuen größeren (deutschen) Dorf. Mit einem Wort: Ein Prozeß der Siedlungsballung läuft ab. K r e n z 1 i n verweist in diesem Zusammenhang auf Ostpreußen, wo sich viel später, 1580, im Hauptamt Insterburg (nach Mortensen) dieselbe Entwicklung urkundlich belegen läßt. Wir wollen aber ausdrücklich bemerken, daß dieser Vorgang sehr stark von geographischen Faktoren abhängig ist. Vor allem die Niederungen und die Randgebiete der großen Täler sind betroffen, während die Platten und das Innere der Hochflächen ausscheiden. Die tiefer gelegenen Landstriche waren das von der elbslawischen Bevölkerung bevorzugte Siedelgebiet. Aber auch dort fehlt die Siedlungsballung, wenn die Einordnung in die neuen Rechts- und Wirtschaftsformen langsamer voranschritt und der Ackerbau gar nicht oder nur allmählich intensiviert wurde. In einer früheren Arbeit „Deutsche und slawische Siedlung im inneren Havelland" (41) hatte K r e n z l i n zu dieser ersten Phase instruktive Einzelbeispiele gebracht. Sie betont vor allem den Unterschied zwischen der Siedlungsstruktur des Havellandes und den östlich anschließenden großen Platten: Dort — nämlich in der westlichen Mittelmark — hätte die slawische Siedel- und Wirtschaftsweise günstige Bedingungen getroffen; an die zahlreichen Orte dieser ethnischen Schicht hätte die deutsche Siedlung direkt oder unmittelbar daneben angeknüpft; dagegen seien auf den Platten östlich der Havel die deutschen Dörfer in der Regel vollkommen neu angelegt worden, oft aus Flächenrodungen hervorgegangen, und im Gegensatz zum westlichen Brandenburg sei hier eine zentrale Organisation der Ansiedlung zu beobachten. Grob gesagt, schält sich folgendes Ergebnis heraus: Orte, deren Siedelformen (Rundling, Zeile, Gasse usw. mit entsprechender Flurform) lange Zeit der slawischen Bevölkerung zugeschrieben und die in einer „typischen" Lage (z. B. auf einer Landzunge der Diluvialplatte in einer Niederung oder auf einer Talsandinsel) angetroffen wurden, sind oft das Produkt eines siedlungsgenetischen Prozesses: Neben dem heutigen deutschen Ort läßt sich eine wüste Dorfstelle mit Gräberfeld, nach Ausweis der Funde slawisch, feststellen. Diese wird nach der Aussage der Schriftquellen in der ersten H ä l f t e des 14. Jahrhunderts wüst. Manchmal hatte schon bei ihrer Anlage die deutsche Siedlung den Namen der benachbarten slawischen angenommen. Analysiert man die Siedelform des überlebenden deutschen Dorfes, dazu die Abgaben und Rechtsverhältnisse, so lassen sich oft die zugezogene slawische Bevölkerung und deren übernommene Siedelelemente erkennen. 19»
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W i r fassen hier also einen Vorgang, den man nach dem Vorbild des Sprachausgleichs — selbstverständlich nur äußerlich — als S i e d l u n g s a u s g l e i c h bezeichnen darf. Die Analyse seiner formalen Elemente schließt auch die Feststellung wüster Dorfstellen ein. Auf diese Weise hat die Frage nach dem Verbleib der slawischen Bevölkerung in Brandenburg die Wüstungsforschung sehr gefördert. Wir dürfen auf die Tabellen zur Ermittlung eines slawischen Bevölkerungsrestes in K r e n z l i n s Buch „Dorf, Feld und Wirtschaft im Gebiet der großen Täler und Platten östlich der Elbe" (37) verweisen und auf die Dissertation von Werner V o g e l „Der Verbleib der wendischen Bevölkerung in der Mark Brandenburg" (76). Gelingt schließlich den slawischen Orten die Einordnung in die neuen Verhältnisse nicht, gehen sie unter. K r e n z l i n weist zwischen Paretz und Brandenburg sowie am Beetz- und Riewendsee eine Reihe verschwundener Dörfer derartigen Charakters nach. Nur d i e slawischen Dörfer überleben den genannten Prozeß, die am Rande der Grundmoränenplatte liegen und sich leicht den veränderten Agrarverhältnissen mit vorherrschendem Getreidebau anpassen konnten. Der Umschwung der Agrarverhältnisse sei die alleinige Ursache der Verlegung. Diesen Umschwung läßt Joachim H e r r m a n n (21) nicht als ausschließlichen Faktor der Siedlungsverlegung gelten, sondern bemerkt, daß unbedingt auch die Änderung der hydrologischen Verhältnisse in Rechnung zu stellen sei: Archäologischer und historischer Befund legen nahe, daß die von den Deutschen errichteten Mühlen mit ihren Stauwerken zu ständigen ausgedehnten Überschwemmungen der Flußauen im 13. Jahrhundert, wenn nicht schon am Ende des 12. Jahrhunderts, geführt hätten. Der Wasserspiegel lag in frühgeschichtlicher Zeit etwa 1 m unter dem heutigen. „Eine auf dieser Grundlage rekonstruierte Landschaft aber hat ein völlig anderes Aussehen als die mittelalterliche oder auch die heutige. Die großen, mit Flachmoortorf bedeckten und nur als Wiese nutzbaren, zeitweise noch unter Wasser stehenden Flächen sind verschwunden. Festes Land, bei der Qualität des Bodens wahrscheinlich zum großen Teil als Ackerland nutzbar, läge vor uns." — H e r r m a n n (20) hat gezeigt, daß Getreide gerade in den Tälern angebaut wurde. Durch den Wasserspiegelanstieg wurde die landwirtschaftliche Basis der slawischen Bevölkerung aber beträchtlich eingeengt oder ging völlig verloren. Ein geschlossenes Ausweichen in neue Siedlungsgebiete auf den Hochflächen war wohl nicht mehr möglich, weil diese inzwischen von deutschen Bauern besiedelt worden waren. Die Folge war die rasche Assimilation der slawischen Bevölkerung in den deutschen Dörfern. Hier werden zwei grundverschiedene Ansichten über die Ursachen der Siedlungsverlegnug offenbar: Während K r e n z l i n glaubt, daß die Wirtschaft-
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lieh unterlegenen Slawen sich der deutschen Wirtschaftsweise anpassen mußten und deshalb ihre Dörfer verlegten oder in den deutschen aufgehen ließen, führt H e r r m a n n die Wandlungen des Siedlungsbildes auf die durch den Mühlenstau veränderten geographischen Verhältnisse zurück. Für die Beurteilung der deutsch-slawischen Symbiose wären die Konsequenzen entsprechend. Der Vorgang einer Siedlungsverlagerung von den Niederungen auf die Höhen läßt sich wohl im allgemeinen auf die gesamte Mittelmark übertragen, sobald nur die naturräumlichen Verhältnisse der slawischen und frühdeutschen Siedlung gleiche Bedingungen wie im Havelland boten. Nun wurden aber auch Beobachtungen dazu an frühdeutschen Dörfern gemacht, die im Innern der Platten liegen oder lagen, deren topographische Situation (Wassernähe) zwar nicht der der eben beschriebenen slawischen Siedelplätze widerspricht, aber deren weiterer Umkreis bisher nicht für slawische Siedlung in Anspruch genommen worden war. Unter Umständen ist an slawische Beteiligung am frühdeutschen Landesausbau zu denken, wofür einiges spricht (12, 13, 51, 52, 53). H e r r m a n n s Gedanken über die Assimilierung passen sehr gut zu einer solchen Theorie; möglich ist aber auch ein spätslawischer Landesausbau im Innern der Hochflächen, der für die Zauche bewiesen ist (20) und an den die deutsche Siedlung direkt anknüpfen konnte. Die Wüstungsphilologie dieser im 13. und 14. Jahrhundert untergegangenen Dörfer steckt noch in den Anfängen, doch hat sich gerade in letzter Zeit eine interessante philologische Kontroverse um ein besonderes Problem entsponnen. 1926/27 wurde unter der Leitung von Johannes S c h u 11 z e mit der Sammlung der märkischen Flurnamen begonnen, deren Material im Geheimen Staatsarchiv in Berlin noch der Bearbeitung harrt. Dabei wurde, laut freundlicher Mitteilung von Prof. S c h u l t z e , besonderer Wert in den Fragebogen auf die Wüstungen gelegt. Wie die obengenannten Untersuchungen K r e n z 1 i n s und V o g e l s zeigen, kommt den Flurnamen bei der Ermittlung eines wendischen Bevölkerungsrestes und deshalb auch u. U. slawischer Wüstungen eine große Bedeutung zu. Das zeigt gerade wieder die Studie von Reinhard E. F i s c h e r über die Ortsnamen der Zauche (11). Er bezieht die namentlich bekannten Wüstungen in die Namensdeutung ein und veröffentlich im Anhang Tabellen von Wüstungen, deren Namen nicht überliefert sind, und Flurnamen, die möglicherweise Wüstungen sind, z. B. Ersatznamen wie Dorfstelle, -Stätte, Altes Dorf. Damit hat die Namenkunde zum ersten Mal eine märkische Landschaft geschlossen bearbeitet und auch ihre Wüstungen verzeichnet. Die Feldmarken
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vieler der heutigen Dörfer in gewissen Landschaften der Mark Brandenburg kennen meist am Rande der Gemarkung den F l N „Wendemark", „Wendtorf" o. ä. Die Namen weisen im allgemeinen doch auf eine abgegangene slawische Siedlung hin, obwohl diese Ansicht Widerspruch gefunden hat, so daß man in der Beurteilung von Formen des Typus „Wende m a r k " u. ä. vorsichtiger geworden ist. Der Name läßt sich auch als Wendemarke beim Pflügen erklären! In F i s c h e r s Tabellen ist eine eindeutige Scheidung nicht möglich, zumal für zwei Stellen sowohl die Benennung Wendemark als auch Wenddorf überliefert ist. Eindeutig sind aber die F l N vom Typ „Wendtorf", „Wendendorf"; an der Stelle ihres Vorkommens haben sich im allgemeinen spätslawische Siedlungsreste nachweisen lassen. Eindrucksvoll zeigen das die Untersuchungen von V o g t (77) an der „Der Wendtorf" genannten Halbinsel bei Geltow am Schwielowsee, die nur spätslawische Scherben zutage förderten. Im 19. Jahrhundert hieß dieselbe Stelle aber auch „Der Botzin", die Havel dort der „Botzinsee", und Suchodoletz3 hat auf seiner Karte „Betzinsee", Botzin/Betzin dürfte vermutlich der Name des eingegangenen slawischen Dorfes gewesen sein. Ob Bezeichnungen wie „Alte Dorfstelle" u. ä. allein für Wüstungen der Kolonisationszeit in Brandenburg nachweisbar sind, wie E n g e l (9) den Typ dieses F l N in Mecklenburg und Pommern gerade der genannten Zeit zuordnet und für das 14./15. Jahrhundert Formen wie „oll Dorp", „Woort", „oll H o f " als Wüstungsnamen nachweist, muß noch geprüft werden. In den letzten Jahren ist aber ein anderes hochinteressantes Problem diskutiert worden. Es geht um die „Siedlitzen", „Schillischen", „Sieleitzen" und ähnliche Bezeichnungen. Den Anfang machte eine Arbeit von S c h a c k (62) über die Siedlitzen, eine besondere Flurnamenform des südwestlichen Mecklenburg. Er stellt zunächst fest, daß in seinem Untersuchungsgebiet „Siedlitzen" und „Dörpstädt", „Wüstes D o r f " o. ä. auf ein und derselben Feldmark sich ausschließen (mit einer Ausnahme). Siedlitzen liegen etwa 300—500 m vom Dorf entfernt und, vom Dorf aus gesehen, immer in Richtung auf eine Niederung. Neben eisenzeitlichem Material wurde vor allem spätslawische und frühdeutsche (13./14. Jahrhundert) Wirtschaftskeramik von Abfallcharakter, wie sie Sdiack bezeichnet, festgestellt, nie aber vollständige Gefäße. Nicht alle Plätze wiesen slawische Funde auf. Die Keramik bricht nach dem 14., z. T. erst nach dem 15. Jahrhundert ab. S c h a c k glaubt, hier habe ursprünglich eine kleine Siedlung vermutlich slawischen Charakters, vielleicht auch nur ein Einzelhof bestanden. 3 Samuel de S u c h o d o l e t z , lichen Herrschaft Potsdam, 1685.
Idinographie oder eigentlicher Grundriß der kurfürst-
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Er bemerkt noch, daß die Form „Siedlitz" (Zietlitz) u. ä. nicht gleichbedeutend mit „Sielitz" (Zielitz, Zieleitz), also einer Form ohne Dental, zu sein brauche. In seinem Arbeitsgebiet lassen sich jedenfalls beide sprachlichen Formen nachweisen, und das archäologische Material läßt auch keine Scheidung zu. Es gibt für den gleichen Platz nach Karten und Volksmund die verschiedensten Formen. Außerdem wurde die mecklenburgische Vermessung des 18. Jahrhunderts von landfremden Ingenieuren durchgeführt. Diese Beobachtungen S c h a c k s sind außerordentlich wichtig, wenn die zu den Siedlitzen offenbar in sprachlicher Beziehung stehenden Formen der Mittelmarkt untersucht werden sollen. Hier hat Karl H o h m a n n (25) in einer Arbeit Material publiziert. Im nachweislich von Slawen bewohnten Gebiet der Notteniederung, das aber streng vom Hohen Teltow zu scheiden ist, konnte er Beobachtungen machen, die denen S c h a c k s entsprechen. Als Namengut führt er an: Schadlischka (dieses aber schon jenseits der Dahme) Schillische Schills-berg, -gärten, -hecken u. ä. Zillische Zühlsdie o. ä. Schellestche (S. 78, Rehagen, im Kontributionsregister von 1702). Die Lage des namentragenden Platzes entspricht S c h a c k s Siedlitzen und den Silzeizgärten K r e n z l i n s 4 im hannoverschen Wendland sowie den Plätzen, die Wolfgang M e i b e y e r (49) für das östliche Niedersachsen beschrieben hat. Mit geringen Ausnahmen konnte H o h m a n n an allen Plätzen spätslawische Scherben feststellen, immer aber frühdeutsche, bei Senzig auch geplatzte Herdsteine und Wandlehmbrocken. Etwas aus dem Bild fällt nur Rehagen: Das heutige Runddorf liegt an der Niederung, während die früher als „Schillingsenden" bezeichnete Stelle, vielleicht identisch mit der „Schellestche" von 1702, von den Einwohnern heute Alt-Rehagen genannt wird und auf der Hochfläche liegt. Hier (und in Saalow) konnten keine slawischen Scherben, wohl aber zahlreiche Flurnamen dieser Provenienz festgestellt werden. Vielleicht ist in diesem Fall das deutsche Dorf eingegangen und mit dem slawischen, das unmittelbar am Niederungsrand liegt, vereinigt worden. Zu den Ausführungen des Prähistorikers hat die Potsdamer Philologin B r e t s c h n e i d e r Stellung genommen (4): H o h m a n n hatte nach einem Etymon gesucht, das seinen lautlich recht verschiedenen Formen zugrunde liegt. Es bot sich ihm in den Siedlitzen S c h a c k s . z u denen er seine Schilli4
A. K r e n z l i n , Die Kulturlandschaft des hannoverschen Wendlands, Stuttgart 1932.
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sehen stellte und sie gemeinsam auf nso. s e d l i s c o = Siedlung, Niederlassung5 zurückführte. Diese Auffassung bestreitet B r e t s c h n e i d e r . Sie trennt zunächst die Schillischen von den Siedlitzen und Schadlischka, die noch das stammhafte -d- behalten hätten und Ableitungen von asl. sedeti = sitzen seien. Die Schillischen hält sie für Derivate des sorbischen Grundwortes so. zele = Kraut, Kräutig; nso. zelisco = großes Kraut (oso. zelisco), dazu c. zeliste = Krautfeld. Folglich seien die Schillischen ehemalige Krautgärten oder -felder der slawischen Siedler; die Bezeichnung sei dann verdeutscht und unabhängig von den slawischen Anlagen verwandt worden. Gerade die 1702 belegte Form Schellestche stehe c. zeliste sehr nahe. Zu beachten sei auch, daß zelisco nicht nur als FlN erhalten ist, sondern auch in einer Lehnübersetzung der Teltowmundart als k o 1 o f f (nd. kolhoff) = etwa Kohlgarten. Es ist nicht uninteressant, daß auf der Karte von S u c h o d o l e t z (vgl. S. 294, Anm. 3) der heutige Pohle-See bei dem 1299 Slavicum Stolp genannten Ort (heute Teil von Berlin-Wannsee) „Kohlgarten See" heißt. Sollte man nicht in diesem Fall einen slawischen Namen erwarten? Auch im östlichen Niedersachsen kommen wie im südlichen Teltow Formen mit und ohne stammhaften Dental vor: so nennt B i s c h o f f Siedeleitz und Sieleitzen.6 T r a u t m a n n a. a. O. S. 72 trennt nach zwei Stämmen, läßt aber die Beziehungen zwischen beiden ungeklärt (asl. sed, daneben altes selec mit der Grundbedeutung „Sitz"). Die Unsicherheit in der Beurteilung der Wortstämme sed- und sei- bleibt zunächst bestehen, zumal T r a u t m a n n ein dann bei B i s c h o f f angeführtes selo = fundus nicht herangezogen hat. Auch im Appellativ Sileizgärten (die als Gartenland ausgewiesen sind) des Wendlandes will B r e t s c h n e i d e r das Etymon zele = Kraut erkennen. Schillische sei mit Sileizgärten gleichbedeutend, das aber mit der Wurzel -sei und dem Suffix -ica (bei sekundärer Diphtongierung) abweicht. Doch in der Bedeutung „Krautgarten, Gemüseland" wäre eine Brücke zu den Schillischen vorhanden, so daß B r e t s c h n e i d e r eine Kreuzung der beiden bedeutungs- und lautnahen Gebilde zelisco Krautgarten mit selisco, sedlisco Sitz, Niederlassung >* selnica >Sileitz7 erwägt. W. K a e s t n e r (28) hat B r e t s c h n e i d e r s Position bezogen: Die Lautverhältnisse bei Formen wie Zielsche u. ä. bzw. Zieleitz lassen tatsächlich den 5
R. T r a u t m a n n , Die elb- und ostseeslawischen Ortsnamen, Berlin 1948—56, Bd.II, S. 72, auch: frühere Siedlung, Dorf Stätte. 6 K. B i s c h o f f , Sprachliche Beziehungen zwischen niederdeutschem Altland und Neuland im Bereich der mittleren Elbe, Berlin 1958, S. 8 u. Abb. 3. 7 T r a u t m a n n , II, S. 72, hat »altes *sedl'nica".
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Schluß zu, daß eine Kreuzung der beiden slawischen Wörter stattgefunden hat, wenn auch vielleicht erst bei einer Übernahme der slaw. FlN durdi die deutsche Bevölkerung. Das anlautende Sch- in Schillische sei aus der Assimilation des ursprünglichen Anlautes s- oder z- an das aus dem slaw. Suffix -isco entstandene nd.-isch zu erklären, oder aber diese Wörter gerieten unter den Einfluß der ähnlich lautenden nd. Flurbezeichnung s c h i l t , mnd. schilt „schildförmiges Grundstück". H o h m a n n (5) hat wiederum zu B r e t s c h n e i d e r s Ausführungen Stellung genommen: Er betont, daß an allen seinen Namensstellen Scherben gefunden seien! Daraus sei zu folgern, daß die Bezeichnung dieser Stellen einen Ausdruck für „Siedlung" enthalten müsse, und zwar nicht den O N selbst, dessen Fehlen vor allem B r e t s c h n e i d e r gestört hatte, die ein nomen proprium gesucht hatte, sondern ein Name, der soviel wie „Dorfstelle", die im 13. Jahrhundert oder etwas später abgegangen sei, bedeute. Was die Philologie angeht, verweist er auf S c h a c k , der Zielitzen neben Zietlitzen kennt. H o h m a n n glaubt, daß in der volkssprachlichen Entwicklung ein Austausch und eine Ergänzung stattgefunden hätten, wenn an einer alten Siedlungsstelle (sedlisco) ein Krautgarten (zelisco) angelegt worden sei. M e i b e y e r (49) hat in seinem Untersuchungsgebiet festgestellt, daß mit geringen Ausnahmen auf den eigentlichen Namensstellen der Zieleitzgärten keine Siedelfunde gemacht wurden, wohl aber oft in unmittelbarer Nähe. Die Zieleitzgärten u. ä. lägen stets in einem Umkreis von ca. 350—400 m vom Dorfmittelpunkt entfernt; daher könne man bei Zieleitz-Namen, die weitab von b e s t e h e n d e n Siedlungen angetroffen würden, auf eine Wüstungsstelle im Umkreis von höchstens 400 m schließen, über die sonst keine Nachrichten vorlägen. In der sprachlichen Deutung schließt er sich B r e t s c h n e i d e r an und scheidet damit die Bedeutung „Wüstung" aus, obwohl auch er Formen mit Dental beobachtet hat. 2. Ehemals bäuerliche Siedlungen werden in Städte oder Fluren gezogen
deren
Diese Phase setzt K r e n z 1 i n (43) vor die noch unten zu besprechende Hauptwüstungsperiode; sie ist aber, wie wir hinzufügen müssen, vielfach nicht von ihr zu trennen, d. h. es läßt sich nicht immer der wirkliche Grund des Wüstwerdens angeben: Ob nun das Eingehen des Ortes der wirtschaftlichpolitischen Expansion einer Stadtgemeinde zuzuschreiben ist oder der durch andere Gründe zu erklärenden Hauptwüstungsperiode, vielleicht auch nodi der slawisch-deutschen Symbiose.
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Diese Fälle verdienen Einzeluntersuchungen, so z. B., wie sie L i e b c h e n für Mittenwalde durchgeführt hat (45): Den Feldmarken auf den Plateaus nördlich und südlich der Stadt Mittenwalde, durch die Notteniederung getrennt, entsprechen zwei Wrühen (Ackerkommunen) innerhalb der Stadt. Die Fluren nördlich der Notte haben zum abgegangenen Wendisch-Ragow, die südlich des Fließes zu einem namentlich nicht bekannten, aber durch entsprechende Funde belegten Dorf gehört. L i e b c h e n verzeichnet auf einem beigefügten Plan neben der Scherbenstelle den Namen „Altstadt". Nach den noch unten zu behandelnden Parallelen ist es naheliegend, hier das Ur-Mittenwalde zu suchen. Offenbar ging um 1250, vielleicht nach der Meißner Stiftsfehde, aus diesen Orten die planmäßig angelegte Stadt Mittenwalde hervor. Auf der Dorfstelle von Wendisch-Ragow fand L i e b c h e n übrigens keine slawische Keramik, sondern nur frühdeutsche Ware vom Ende des 12. bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. Schon R i e d e l war der Zusammenhang zwischen Dorfwüstung und Stadtentstehung aufgefallen. Jeweils in der Einleitung zur Geschichte einzelner Städte, die er dem Urkundenabdruck im ersten Hauptteil (A) seines „Codex Diplomaticus Brandenburgensis" voranschickt, hat er auf diese Vorgänge hingewiesen. In Rhinow z. B. gibt es die Wrühen der Bergbürger und der Glever Bürger. Gleve ist der Name eines abgegangenen Dorfes, das in Rhinow aufgegangen ist, Berg- dürfte den Teil der Flur bezeichnen, der auf dem Plateau südlich der Stadt liegt. Audi in der Pfarreinteilung und der Entrichtung des Priesterzehnten spiegeln sich in Rhinow die alten Verhältnisse wider. R i e d e l macht auch darauf aufmerksam, daß „Ur-Rhinow" an einem anderen Platz gelegen hat, wie noch der Flurname „die aide Stad" in einer Urkunde von 1445 beweist. 8 Die Parallele zu Mittenwalde ist deutlich. Bekannt ist der gleiche Vorgang auch aus der Geschichte von Freyenstein in der Prignitz, das sich urkundlich erst seit 1287 an der heutigen Stelle befindet. Der Name „Altstadt" haftet noch an einem von Wall und Graben umgebenen Platz (48). 9 Die Urkunde berichtet, daß der Ort mehrmals zerstört worden war. Das erfahren wir auch von Liebenberg, das am Ubergang vom Barnim in das Land Lebus lag, als 1247 die Markgrafen neben anderem Besitz dem Kloster Zinna das „oppidum Levenberch ab edificiis destructum" übergaben. 10 Sicherlich war der Ort 1239 im Krieg gegen Herzog Heinrich von Niederschlesien zerstört worden. Anscheinend wurde er nicht wieder aufgebaut. Hier handelt R i e d e 1 in A VII, 13 ff. Die Urkunde A VII, S. 30, Nr. 12. W. M a t t h e s , Urgeschichte des Kreises Ostprignitz, 1929, S. 142 und Plan S. 135; S. 131 f. „Stadtstelle" von Frehne. Zu 1287: R A II, S. 262, Nr. 2. 1 0 K r a b b o , Reg. 715; E. B ö h m , K i e n b a u m , in: Zwischen Schorfheide und Spree, Heimatbuch des Kreises Niederbarnim, 1940, S. 515—520. 8 9
ZUM STAND DER WÜSTUNGSFORSCHUNG IN BRANDENBURG
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es sich offenbar um totalen Siedlungsverlust. Stadtverlegungen sind aber noch aus der Geschichte von Jerichow, 11 Wittenberge 12 und Wittstock bekannt. Bei Jerichow und Wittenberge sind die Ursachen unbekannt, vielleicht sind sie der Ungunst des Geländes zuzuschreiben. P o 11 h i e r glaubt aber, die aus der Burg Wittstock überlieferte Inschrift, daß Bischof Wilhelm von Havelberg 1244 die „civitatem Wittstock transtulit ab illo loco, ubi prius sita, ad locum, ubi nunc sita est", beziehe sich lediglich auf eine Stadterweiterung. 13 In der Frühzeit der Städte müssen wir daher wie bei den Dörfern eine Diskontinuität des Siedlungsplatzes stärker in Rechnung stellen, ohne schon die tieferen Gründe zu kennen, sieht man von Kriegszerstörungen ab. Aber bei vielen Städten hat eine dörfliche Vorgängersiedlung bestanden. Sie scheint überhaupt der notwendige Anknüpfungspunkt für eine Stadt gewesen zu sein, die in verkehrsgünstiger Lage (Rhinow, Mittenwalde) gegründet wurde. Das Dorf mag den Namen geliefert haben, hinterließ aber sonst im planmäßig angelegten Stadtgrundriß vielfach keine Spuren. Nur die Rechtsverhältnisse der Stadtgemeinde (Wrühen) deuten mitunter noch die alte Herkunft der Bürger an. Der Vorgang, daß im späteren Mittelalter die gesamte Feldmark von Dörfern zur Flur benachbarter Städte gezogen wurde und ihre Bewohner in die Stadt selbst übersiedelten, ist aus ganz Deutschland bekannt. Er läßt sich abermals am Beispiel Mittenwaldes zeigen: Ein offenbar erst nach 1375 wüst gewordenes Dorf, das der Stadt gehörte, wird mit einem anderen Kämmereidorf vereinigt, wie K r e n z 1 i n (43) zeigen konnte. Sie erklärt diese Entwicklung damit, daß die in der Kolonisationszeit vorwiegend als politischmilitärische Stützpunkte ohne eigene Feldflur angelegten Städte als Handelsmittelpunkte eine gewisse Bedeutung erlangten und bei zunehmender Bevölkerung gezwungen waren, sich eine neue Nutzfläche zu schaffen. Es ist der Mühe wert, den Anfängen von Stadterweiterungen und Doppelstädten im späten 13. und im 14. Jahrhundert nachzugehen. Sie erweisen sich vielleicht als Siedlungsnachfolger alter Dörfer und setzen den Prozeß aus der Gründungsphase fort, nur daß jetzt die von K r e n z 1 i n hervorgehobenen Gründe maßgebend sind. Das ist noch näher zu untersuchen. Jedenfalls bietet die Stadt Brandenburg für diese Vorgänge ein besonders schönes Beispiel. 1249 vergrößert Markgraf Johann die Altstadt durch die „Eingemeindung" Deutsches Städtebuch II, 553 f. Ebd. I, 673. 1 3 W. P o l t h i e r , Geschichte der Stadt Wittstock, 1933, S. 13 und S. 351. Zur Überlieferung sind die fast gleichlautenden Worte der Havelberger Bisdiofschronik heranzuziehen, R D , S. 291. 11
12
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der Dörfer Luckenberg und Blosendorf. 1295 wird abermals eine Urkunde über die „villam seu locum" Luckenberg ausgestellt. Der Ort wird der Altstadt übergeben „tali iure quod Stadt-Recht dicitur in vulgari, ita etiam, quod agri huiusmodi de civitate predicta tantummodo excolantur". Das ist deutlich genug. Von jeher umfaßte die Feldmark der Altstadt Brandenburg drei Teile: Die „Alten Hufen", die wohl zu Parduin gehörten, dagegen die „Neuen Hufen" zur eigentlichen Altstadt, und die Luckenberger Hufen. Die Lage dieses Dorfes ist bestimmt durch die Nikolai-Kirche vor den Toren der Altstadt, die wohl noch vor 1173 als Kirche von Luckenberg erbaut worden war. Blosendorf ist nicht mehr aufzufinden. 1297 wird dann die villa Planowe mit der Neustadt vereinigt, 1319 Stenow; auch diese Dörfer sind später nicht mehr nachzuweisen. Vermutlich wurde das Dorf Brielow, das 1290 ebenfalls zu Stadtrecht an die Altstadt kam, offenbar wegen der größeren Entfernung niemals wüst gelegt. 14 Der Aufschwung und die Flächenvergrößerung der Städte steht mit dem Wüstungsprozeß in der unmittelbaren städtischen Umgebung in einem deutlichen Zusammenhang. Leider hat sich bis jetzt noch keine Studie mit dem Einfluß dieser Entwicklung auf die Topographie der Städte in größerem Rahmen beschäftigt. Die Verbindung wird bestätigt durch die negative Entwicklung der o p p i d a , die man wohl am besten als „Minderstädte" nach dem Vorbild westdeutscher Landschaften bezeichnet. Ihre historische Rolle in der Mark Brandenburg bedarf dringend der Klärung. Sie hatten für das agrarische Umland vermutlich bestimmte städtisch-ökonomische Funktionen wahrzunehmen, blieben aber in ihrer Entwicklung stehen oder sanken zu Dörfern herab, wie Blumberg oder Heckelberg auf dem Barnim, wo es einige dieser oppida gab. Vielleicht ist der wüste Platz „Der Blumenthal" (1) ein solcher Flecken gewesen. Selbst civitates, also Städte waren im 14. Jahrhundert zu oppida herabgesunken, die cives waren oppidani geworden, wie die zur Geschichte der Stadt Teltow bei R i e d e l 1 5 gedruckten Urkunden lehren. Diese oppida sind anscheinend nicht durch das Wüstlegen anderer Siedlungen erweitert worden. Die „Eingemeindung" von Dörfern in eine Stadt ist niemals Ursache ihrer wirtschaftlich-politisdien Expansion, sondern nur ein kennzeichnendes Merkmal. Man wird deshalb umgekehrt behaupten dürfen, daß 14
O. T s c h i r c h ,
Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg,
Pläne der Feldmarken nach S. 112 und 114. 1249: R A
3
1 9 4 1 , S. 45 ff.
I X , S. 2, N r . 2 ; 1 2 9 5 : Ebd. S. 6,
N r . 8 ; 1297: R A VII, S. 188, N r . 128. 1319: R A I X , S. 14, N r . 19. Brielow 1290 R A S. 2, N r . 5. E. F i d i e i n ,
Die Territorien der Mark Brandenburg, III, S. 9 ;
S. 183. — Weitere Beispiele, die sich wohl vermehren ließen: Rathenow R A N r . 3, dazu R i e d e l s 16
A X I , S. 2 0 4 — 2 2 6 .
Bemerkungen, S. 394.
IX,
Landbuch,
VII, S. 409,
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301
den oppida überhaupt die Grundlage zum Aufstieg zu einer Stadt im vollen Sinne fehlte. Audi ein mögliches Zusammenlegen mit Dörfern der unmittelbaren Umgebung hätte kaum etwas am agrarischen Charakter dieser Minderstädte geändert. Sie werden wohl auch wie andere Dörfer in der Hauptwüstungsperiode des 14./15. Jahrhunderts um abgegangene Siedlungen, oder besser ihre Einwohner, erweitert worden sein. In dieser Zeit des Bevölkerungsmangels fehlte aber erst recht jede Möglichkeit zur Expansion. 3. Die Hauptwüstungsperiode
des 14.115.
Jahrhunderts
Schon G 1 e y (14) hatte in seiner Arbeit über die Besiedlung der Mittelmark die hier als Phasen 1 und 3 bezeichneten Abschnitte erkannt. Zwar war zu seiner Zeit die Wüstungskunde als eigene Forschungsrichtung noch nicht so ausgeprägt wie heute und entbehrte allgemeiner theoretischer Grundlagen. Die von ihm angeführten Ursachen des Wüstwerdens sind aber zum Teil auch noch von uns anerkannt: Neben den Folgen der zahlreichen Fehden des 14. Jahrhunderts lägen die eigentlichen Ursachen in der Übersiedlung der sandigen Gebiete, dem Wassermangel, der bei gesunkenem Grundwasserspiegel infolge der starken Rodungstätigkeit eingetreten sei und auch die Verödung selbst der fruchtbaren Geschiebemergelböden bewirkt habe. E r lehnt aber bei Verminderung der Siedlungsdichte einen Rückgang der Bevölkerungszahl ab und glaubt, daß große Teile der Landbevölkerung in die Städte gezogen seien. Eine noch heute nützliche Wüstungstabelle, die freilich vielfach zu berichtigen ist, ergänzt das Werk. In einer Reihe regionaler Untersuchungen sind diese Ansichten zumeist übernommen worden, bis dann die eigentliche Wüstungsforschung auch in der Mark Brandenburg entscheidende Impulse in der Auseinandersetzung mit den beiden größeren Arbeiten A b e l s 1 6 erhalten hat. Das zeigt besonders der an seine Thesen direkt anknüpfende Aufsatz K r e n z l i n s : Wüstungsprobleme im Lichte der ostdeutschen Siedlungsforschung (43) und die vor kurzem erschienene Arbeit von Benedykt Z i e n t a r a (82). Z i e n t a r a und K r e n z l i n beschäftigen sich im wesentlichen mit der Uckermark als der am stärksten vom Hauptwüstungsprozeß betroffenen märkischen Landschaft. Hinzu tritt eine Reihe von kleineren Studien verschiedener Verfasser, die die interessierenden Fragen oft nicht mit genügender Tiefe erfaßt haben oder einfach populären Charakter tragen. Wir können sie hier im allgemeinen übergehen. Nun hatte schon G 1 e y behauptet, daß im Altsiedeiland die Wüstungen zahlreicher wären als im Land östlich der Elbe und die Anzahl der Wüstungen 16
W . Abel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters, Stuttgart
krisen und Agrarkonjunktur, Hamburg, Berlin
2
1966.
2
1 9 5 3 ; ders. Agrar-
302
E B E R H A R D BÖHM
in der Mark von West nach Ost allmählich abnähme. Diese recht generalisierend wirkende Beobachtung suchte er durch Zahlen zu stützen: von der Magdeburger Börde mit 70 Prozent Wüstungen sänken die Zahlen bis zum Lande Lebus mit 13 Prozent. Dem mechanistischen Bilde fügen sich die uns schon bekannten von ihm angeführten Gründe nicht so recht, zumal er die Uckermark mit ihren zahlreichen Wüstungen nicht berücksichtigt. Außerdem beziehen sich seine Zahlen auf Wüstungen aller zeitlichen Abschnitte. Es kam ihm noch nicht die Einsicht, daß die von ihm erkannten unterschiedlichen Perioden auch auf verschiedene Ursachen im Wüstwerden zurückzuführen seien und daß deshalb nicht die Zahlen als Einheit verwandt werden dürfen, wenn eine solche Abnahme von West nach Ost behauptet wird. Auch P o h l e n d t (59) hält im Gefolge G 1 e y s an der absteigenden Linie der Wüstungshäufigkeit von der Elbe zur Oder fest, beachtet auch den Konzentrationsprozeß des 12. bis 14. Jahrhunderts und sieht in der Größe der hochkolonialen Plarisiedlungen ein bedeutendes Moment des Widerstandes gegenüber einem völligen Veröden. In der östlichen Mittelmark überwiegen die größeren Dörfer, daher erkläre sich dort der niedrige Wüstungsquotient. Im übrigen sind auch ihm die zahlreichen uckermärkischen Wüstungen vollkommen entgangen, wie er überhaupt die hohe Wüstungsdichte der westöstlich verlaufenden südlichen Sanderzone des baltischen Höhenrückens in seine Verbreitungskarte zwar einträgt (mit 40 bis 70 Prozent Wüstungen), seine Theorie aber nicht abändert. A b e l hat diese Karte jüngst in einem Beitrag modifiziert übernommen: „Groß war der Wüstungsanteil — mit über 40 Prozent eingegangenen Orten — auf den mecklenburgisch-nordbrandenburgischen Heide- und Ackerflächen." 17 Entsprechend deutlich ist dann auch die Karte. Die Uckermark liegt innerhalb dieses breiten Wüstungsbandes, das sich über die Sanderzone vor der pommerschen Endmoräne von der Prignitz bis in die Neumark hinzieht. Doch die naturräumlichen Gegebenheiten, d. h. der sandige Boden, sind nach K r e n z 1 i n (43) nicht die primäre Ursache des Wüstwerdens, denn die sandigen Altmoränenböden der Niederlausitz weisen nicht einen so hohen Wüstungsquotienten auf. Entscheidend sei das schwierige Bevölkerungsproblem: der Menschenmangel habe die Wiederbesiedlung verhindert. Das Sandergebiet der Uckermark ist 1375 fast gänzlich verödet, ebenso die kuppige Grundmoränenzone, deren Kleinrelief der landwirtschaftlichen Nutzung ein starkes Hindernis entgegensetzte, besonders aber der den Getreidebau bevorzugenden Dreifelderwirtschaft. K r e n z l i n stellt daher die These auf: Wo ein Mißverhältnis zwischen dem von den Kolonisten ein1 7 W. A b e l , Wüstungen in historischer Sicht, in : Wüstungen in Deutschland, Sonderheft 2 der ZAA, Frankfurt 1967, S. 3 f.
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geführten Bodennutzungssystem und naturräumlichen Gegebenheiten bestünde, sei die Neigung zum Wüstwerden besonders groß. Die Bevölkerungsabnahme sei eine der Ursachen des Wüstungsprozesses. Landbücher, Schoß- und Zinsregister ließen eine klare Bevölkerungsabnahme erkennen. Sie war nicht temporär, denn die im Landbuch von 1375 wüst aufgeführten Dörfer bleiben in den folgenden Jahrhunderten wüst und viele Teilwüstungen des 14. Jahrhunderts veröden bald gänzlich. Die mittelmärkischen Platten und das Havelland hätten nicht nur einen geringeren Wüstungsquotienten, sie hätten auch einen geringeren Bevölkerungsschwund als die Uckermark. Nur dort also, wo die Bevölkerung abnimmt, liegt der Wüstungsquotient hoch. Die von S c h a r 1 a u und vor allem von M o r t e n s e n 1 8 betonte „Entmischung" der Landschaft treffe nicht zu: Allein mit einer wirtschaftlich bedingten Änderung des Siedlungswillens, einer Intensivierung der Anbaumethoden, sei diese Hauptwüstungsperiode nicht zu erklären. Wenn man S c h a r l a u und M o r t e n s e n folgt, hätten namentlich auf den großen Platten wenn nicht gerade Haufendörfer, so doch aber Ortsformen von stärkerer Unregelmäßigkeit als die vorherrschenden Anger- und Straßendörfer entstehen müssen; das Siedelformenbild wäre gewiß mannigfaltiger. Im 14./15. Jahrhundert hätte hier der Wüstungsprozeß Änderungen im Siedelformenbild herbeiführen müssen, die aber nicht nachweisbar sind. Ein Gegenbeweis zur Ansicht vom kolonisationszeitlichen Ursprung dieser Dörfer mitsamt ihren Fluren ist noch nicht gelungen. K ä u b 1 e r (30), der K r e n z 1 i n (42) widersprochen hatte und die großen Anger- und Straßendörfer erst für Produkte des spätmittelalterlichen Wüstungsprozesses ansieht, ist entgegenzuhalten, daß ja gerade die Monotonie der Siedelformen, besonders des Ortsformenbildes, für die kolonisationszeitliche Anlage spricht. Gegen K ä u b 1 e r spricht auch, daß die Hufenzahl in den auf den Plateaus gelegenen Dörfern gleichbleibt oder abnimmt. K u h n (44) hat mit P o h 1 e n d t durchaus richtig gesehen: Die großen Dörfer des Landnahmegebietes seien schon wegen ihres Umfanges gegen ein völliges Wüstwerden widerstandsfähiger als die kleinen Orte des Altsiedellandes. Die planmäßige Anlage habe die Siedlungskonzentration schon bei der Gründung vorweggenommen, was der Grund dafür sei, daß östlich Berlins, d. h. der Havel, der Wüstungsquotient stark abnehme. (Daß die Niederungen ein anderes Bild zeigen, haben wir schon oben bemerkt.) 18
H. M o r t e n s e n , Die mittelalterliche deutsche Kulturlandschaft und ihr Verhältnis zur Gegenwart, in: VSWG 45 (1958). — K. S c h a r l a u , Neue Probleme der Wüstungsforschung, in: Berichte z. dt. Landskunde 16 (1956).
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Hierzu paßt K r e n z 1 i n s (43) Beobachtung, daß in der westlichen Mittelmark die Dörfer kleiner sind, denn in diesen Gebieten der Frühkolonisation knüpfte die deutsche Siedlung stärker an die slawische an. So beträgt die Durchschnittsgröße der Siedlungen 1375 im Havelland
35 Hufen
im Barnim
55 Hufen
in der Neumark
60 Hufen
Noch niedriger als im Havelland ist die Durchschnittsgröße der Dörfer in der Prignitz und im westlichen Mecklenburg. Besonders während des 14./ 15. Jahrhunderts ist dort überall Siedlungskonzentration zu beobachten. Als Grund der Ballung in Landschaften der Frühkolonisation wie der Prignitz vermutet K r e n z l i n (43) einen Wechsel des Anbausystems, in dieser Landschaft das späte Vordringen der Dreifelderwirtschaft. Hier habe zunächst eine Art Einfelderwirtschaft ohne Zelgeneinteilung und Flurzwang bestanden; später sei von Süden die Dreifelderwirtschaft eingedrungen, die dann die Ausbildung größerer Siedlungen bewirkt habe. Diese mit dem Nutzungssystem verbundene Tendenz zur Siedlungsvergrößerung habe der spätmittelalterliche Wüstungsprozeß erst verwirklicht. Wir wollen hier zu diesem interessanten Gedanken nur bemerken, daß der größte Teil der Prignitz ursprünglich nicht im Besitz der askanischen Markgrafen war, sondern diese konnten erst seit Mitte des 13. Jahrhunderts ihre Herrschaft dort erfolgreich errichten. Das Siedlungswerk dieser Landschaft war von adligen (ministerialen) oder geistlichen Grundherren betrieben worden. Das Eindringen der Dreifelderwirtschaft könnte mit der politischen Eingliederung in das askanische Gebiet zusammenhängen, dessen regelmäßig angelegte Dörfer diese Wirtschaftsform im allgemeinen bevorzugten. Eine ausführliche Wüstungstabelle der Westprignitz mit Datierung des keramischen Materials veröffentlicht W. B o h m (3). Dort gibt es Gemarkungen, die bis zu drei Wüstungen aufweisen. Die gleichen Beobachtungen lassen die Karten, Pläne und Tabellen zu, die M a 11 h e s (48) für die Ostprignitz vorgelegt hat: Für 233 Orte hatte er 1929 schon 100 Wüstungen ermittelt. J . S c h u l t z e (70) führt aber die vielen Wüstungen der Prignitz aus dem 14./15. Jahrhundert vor allem auf die immerwährenden Fehden zurück und dann auch auf den in ihrem Gefolge sich einstellenden wirtschaftlichen Verfall. Die Prignitz war zweifellos von allen märkischen Landschaften am meisten von Fehden, Räubereien und dergleichen betroffen. S c h u l t z e schätzt, daß am Ausgang des Mittelalters nur noch die Hälfte der ehemals bestehenden Siedlungen erhalten war. In einer Tabelle verzeichnet
ZUM STAND DER WÜSTUNGSFORSCHUNG IN BRANDENBURG
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er die Wüstungen und gibt Quellen, Literatur, Lage und allgemeines Schicksal an. Von den Dorfgrundrissen ausgehend, ließe sich, so K r e n z 1 i n (43), feststellen, daß die Dörfer nach der Entsiedlungsperiode wieder in der gleichen Weise aufgebaut, oft aber nicht mehr voll ausgefüllt wurden. Es spräche alles dafür, daß die Hauptwüstungsperiode eine Zeit des rückläufigen Ackerbaues und der landwirtschaftlichen Nutzung überhaupt gewesen war. „Von einer Intensivierung ( S c h a r l a u , M o r t e n s e n ) und damit verbundener räumlicher Konzentrierung ackerbaulicher Nutzung als primärer Ursache des Wüstungsprozesses kann man kaum sprechen." — Wie extensiv die Wirtschaft betrieben wurde, zeige auch die Tatsache, daß in den Dörfern der nicht so sehr vom Wüstungsprozeß betroffenen Landschaften (z. B. Teltow) die Kornabgabe pro Hufe von 1375 bis 1480 sank und eben nicht durch höhere Geldabgaben ausgeglichen wurde. Mit A b e l sei also im Bevölkerungsrückgang des 14./16. Jahrhunderts und der Abnahme der ackerbaulichen Nutzung eine primäre Ursache des spätmittelalterlichen Wüstungsvorganges zu sehen. Dabei könne die Änderung des Anbausystems schon vor dem Wüstungsprozeß erfolgt sein, das ihm gemäße Siedelgefüge entwickelte sich aber erst durch den Wüstungsprozeß. Die Vorgänge, die zu einer wirtschaftlich bedingten Änderung des Siedelwillens führten (M o r t e n s e n ) , hätten nicht den Wüstungsprozeß herbeigeführt, sondern sich bei der Wiederbesiedlung lenkend bemerkbar gemacht. Das soll nicht heißen, daß eine Änderung im Landnutzungssystems keinesfalls zum Wüstwerden von Siedlungen führt, wie die Phase 1 gezeigt hat und auch die Phase 4 zeigt, die mit dem Höhepunkt der Entstehung der Gutswirtschaft zusammenfällt. K r e n z 1 i n bestreitet auch das von S c h a r 1 a u 19 aufgestellte Schema, demzufolge in Altdeutschland die Hauptwüstungsperiode zu einer Verdorfung, in Ostdeutschland jedoch zur Vergüterung, wie er es nennt, geführt habe. Dieses Schema bestehe nur zu Recht, wenn man den Zustand des 19. Jahrhunderts als Endresultat betrachte, nicht aber, wenn man der Entwicklung und ihren Gründen nachgehe: Während des frühen und hohen Mittelalters sei in Altdeutschland eine Siedlungsballung zu beobachten, in Ostelbien wäre aber wegen der andersartigen historischen Situation die entsprechende Entwicklung erst später eingetreten (unsere Phase 1). In Altdeutschland seien die Ortsund Flurwüstungen dieser Zeit als ein Produkt des Überganges von einem extensiven Landwechselsystem zu einer intensiveren Ackerbautechnik, näm19
K. S c h a r l a u ,
Ergebnisse und Ausblicke der heutigen Wüstungsforschung, in: Bll.
f. dt. Landsgesdi. 93 (1957). 20
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lieh der Dreifelderwirtschaft, anzusehen. Audi habe in Ostdeutschland niemals Bevölkerungsdruck wie im West- und Süddeutschland der frühen Neuzeit geherrscht: Der Bevölkerungsmangel führte in Ostelbien im 16./17. Jahrhundert zur Gutsbildung, vielfach auf wüsten Feldmarken, während in Altdeutschland jetzt die Dörfer aufgefüllt wurden und sich vor allem jene, die um Wüstungen erweitert waren, kräftig vergrößerten. Gleichzeitig verwalden weite Gebiete wüster Fluren: im Westen schneller und früher, im Osten langsamer. In diesem Zusammenhang ist auf die Abhandlung von Helmuth J ä g e r , „Die Entstehung der großen Forsten in Deutschland" (26) hinzuweisen. Er hebt den Osten Deutschlands vom Westen klar ab und arbeitet eine Zweiteilung des landschaftlichen „Entmischungs"Vorganges heraus: Im Westen hatte die Waldzunahme auf den Höhen zu Beginn des 15. Jahrhunderts im wesentlichen ihr Ende gefunden, und die Rodungen in den Senken ebbten gegen Ende des 16. Jahrhunderts ab. Im Osten dagegen liefen diese beiden die „Entmischung" bewirkenden Vorgänge in der frühen Neuzeit gleichzeitig ab: noch weit in das vorige Jahrhundert dauerte die Waldzunahme auf den Höhen und die Rodetätigkeit in den Niederungen. Im Anschluß an diese Beobachtungen J ä g e r s kennzeichnet K r e n z l i n nun die unterschiedliche Entwicklung in Altdeutschland und Ostdeutschland durch das Vergleichspaar Forstbildung/Gutsbildung (statt Verdorfung/Vergüterung). Die Ansichten J ä g e r s konnten wertvolle Einzeluntersuchungen HeinzDieter K r a u s c h s (34, 35) für die Mark Brandenburg bestätigen, vor allem seine Untersuchung über die Menzer Heide. Die Menzer Heide liegt im Norden des Landes Ruppin, in einem Endmoränengebiet des Frankfurter Stadiums. Sie gehörte zum Siedlungsgebiet der Riaciani; zahlreich sind schon die Wüstungen aus spätslawischer Zeit. Die deutsche Siedlung mit ihrem vorherrschenden Getreidebau berührte die Sander nicht, deutsche Ortsnamen fehlen fast völlig. Ende des 15. Jahrhunderts lagen von insgesamt 46 Orten 41 wüst. Der Wüstungsquotient beträgt 89 Prozent. Die im Wald- und Seengebiet zwischen Rheinsberg und Fürstenberg liegenden Ortschaften verödeten ohne Ausnahme, der Prozeß griff aber auch auf die Plansiedlungen der südlich anschließenden Grundmoränenplatte über. Sie wurde im Gegensatz zu den wüsten Dörfern des Sandergebietes im 16./ 18. Jahrhundert wieder besiedelt. Die Menzer Heide verdankt also erst dem spätmittelalterlichen Wüstungsprozeß ihr Entstehen. Aber erst im Dreißigjährigen Krieg wurden die letzten noch genutzten Feldstücke aufgegeben. Als „Leitfossil" zur Feststellung von Restfluren können die schließlich noch bis in das vorige Jahrhundert bewirtschafteten „Forstdienstäcker" dienen. Hochäcker waren in der Menzer Heide wie übrigens bisher in der gesamten Mittelmark nicht zu ermitteln (29).
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Daß dieses Gebiet nicht mehr besiedelt wurde, mag auch damit zusammenhängen, daß es bis 1541 dem nun säkularisierten Kloster Lindow gehört hatte und eine unmittelbare Initiative zunächst fehlte. Nur allmählich siedelten sich einige Teeröfen an, was auf die Kiefer als vorherrschendes Gehölz schließen läßt. Sie und die Birke sind Pionierhölzer der beginnenden Bewaldung. Sofern nicht im 18. und 19. Jahrhundert die Reinkultur der Kiefer forstlich begünstigt wurde, hat sie sich über wüste Fluren und Dörfer zusammen mit der Birke von Kern- und Restwäldern her ausgebreitet, ehe die Laubhölzer nachrückten, und hat eigentlich die Bildung der großen Forsten Brandenburgs in der frühen Neuzeit bewirkt. Wir wollen bei dieser Gelegenheit die Berliner Dissertation Werner S o r g s von 1936 (74) verzeichnen, die eigentlich nur die außerordentlich zahlreichen wüsten Orte notiert und die tieferen Gründe des ganzen Vorganges bloß streift. Zur Beurteilung sind die Bemerkungen von Gerd H e i n r i c h zu beachten (19). Solche waldgeschichtlichen Untersuchungen wie die K r a u s c h s können entscheidend die Frage nach dem Verhältnis Offenland — Wald und damit auch der Wüstungsverbreitung beantworten. K r e n z 1 i n (40) hatte bereits 1939 darauf aufmerksam gemacht, daß im vergangenen Jahrhundert eine deutliche Zunahme des Waldes auf schlechten Böden zu beobachten sei. Die Gemarkung wüster Orte, die heute von Wald bestanden ist, kann unter Umständen noch bis in das vorige Jahrhundert landwirtschaftlich genutzt worden sein. Ein Beispiel bildet die wüste Feldmark Gersdorf auf dem Teltow, die heute völlig von Wald bestanden ist und die aufzuforsten man erst 1837 begonnen hatte. Mit den Wüstungen der Uckermark speziell und den von A b e l vertretenen Thesen setzt sich die interessante Arbeit des polnischen Historikers Benedykt Z i e n t a r a auseinander (82). 2 0 Schon der Titel des Kapitels „Die Wüstungen der Uckermark in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und die Depression der europäischen Landwirtschaft" verrät den Ausgang seiner Betrachtungen. Ohnehin steht für Z i e n t a r a als Marxisten die sozial-ökonomische Betrachtungsweise im Vordergrund, und so wird es ihm leicht, im Anschluß an A b e l s Thesen seine Untersuchung durchzuführen. Zunächst hat er die Angaben des Landbuches für die Uckermark und den Barnim quellenkritisch untersucht und festgestellt, daß die Daten häufig recht unzuverlässig sind und der Endredaktion entbehren. Er gelangt zu der doch erstaunlichen Feststellung (als Replik zur im allgemeinen falschen These von den Kriegszerstörungen und deren Folgen, s. u.), daß die hohe Zahl der 20
Vgl. Bibliographie. Der Band bietet zwei selbständige Arbeiten von E. E n g e l
B. Z i e n t a r a , 20*
und
dessen Beitrag „Die Agrarkrise in der Uckermark im 14. J h . " benannt ist.
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Wüstungen in der Uckermark darauf beruhe, daß die Befrager in ihr die verlassenen Dörfer und Hufen insgesamt verzeichnet hätten, in den übrigen Landschaften aber nicht. Daraus erkläre sich also deren geringe Wüstungsdichte gegenüber der Uckermark (S. 345). Außerdem kann Z i e n t a r a für seine Landschaft ein beträchtliches Urkundenmaterial mit Hinweisen auf Wüsrangserscheinungen heranziehen, das im allgemeinen in der Mittelmark fehlt und nur noch für die Prignitz überliefert ist, die andererseits das Landbuch nicht berücksichtigt. Das sollte ihm zu denken geben. Er kommt zu folgenden Zahlen (S. 311 f.; die Angaben zu den einzelnen Dörfern sind auf S. 387—396 gemacht): 152 Dörfer mit • .,,. detaillierten . , An§aben
total wüst zu mehr als der Hälfte wüst total wüst sind
9,2 % 19,1 % 49,2 °/c der Kossätenhöfe
dazugerechnet 11 Dorrer, über >• ' die genaue Angaben fehlen
12,3 % 17,8 %
Leider ist der Begriff „Wüstung" bei Z i e n t a r a nicht ganz klar gefaßt (oder geht diese Unklarheit zu Lasten der Übersetzung bzw. Redaktion?): Im allgemeinen spricht er von Wüstung, meint aber sicher wüste Hufen, also doch in diesem Falle Teilwüstung. So müssen sich die Angaben in der 2. Reihe der Tabelle auf wüste Hufen beziehen, die der 1. Reihe aber auf Wendungen wie: „Ista villa iacet totaliter desolata" (z. B. Landbuch 258, Werbende), also eine totale Ortswüstung. Jedenfalls gelangt er für die Dörfer mit genauen Angaben zu einem Anteil von 35,8 Prozent wüster Hufen; berücksichtige man alle Unsicherheitsfaktoren, würde man zu einem Prozentsatz kommen, der 40 Prozent gewiß überstiege! K r e n z 1 i n (43) hat übrigens 47,9 Prozent wüste Hufen errechnet. Gehe die Zahl der Ritterhufen über das Normalmaß von 4—8 hinaus, dürften es unbesetzte Hufen gewesen sein. Rechne man noch die zeitweiliger Verödung unterworfenen Freihufen hinzu, so glaubt K r e n z 1 i n , daß annähernd 65 Prozent aller Hufen wenigstens teilweise vom Wüstungsvorgang betroffen waren! Wir hatten schon gesehen, daß in der Uckermark und der im Landbuch nicht erscheinenden Herrschaft Ruppin die natürlichen Bedingungen den Entsiedlungsprozeß förderten. Kamen noch andere Faktoren, wie die von K r e n z 1 i n hervorgehobene Bevölkerungsabnahme, aus welchen Gründen auch immer, hinzu, setzt ein starker Wüstungsprozeß ein. Mit Recht kritisiert Z i e n t a r a in diesem Zusammenhang die Hypothese, daß die Wüstungen der Uckermark im wesentlichen von Kriegszerstörungen herrührten.
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Stellen wir der Uckermark als Beispiel den Teltow gegenüber, dessen spätmittelalterliche Wüstungen wohl alle bekannt sein dürften. Es sind nur einige wenige, auf denen später in der Regel wieder Vorwerke und Güter entstanden, eben weil es der Boden zuließ, der auf der Grundmoränenplatte des Teltow besser ist als in den Endmoränengebieten und Sandern der Uckermark. Dort stehen noch heute im Kreis Templin sechs Kirchenruinen unter Wald, von den Teltower Wüstungen der Hauptwüstungsperiode liegt nicht eine im Wald (außer der erst 1837 aufgeforsteten WFM Gersdorf)! Bei einer gründlichen Uberprüfung der Angaben des Landbuchs für den Teltow hätte auch 2 i e n t a r a merken müssen, daß dessen niedriger Wüstungsquotient nicht auf einen Unterschied in der statistischen Aufnahme der Beauftragten Karls IV. zurückging. Auch im Teltow sank die Bevölkerungszahl, aber doch wesentlich schwächer als in der Uckermark. Das ist an der Abnahme der Kossätenstellen und einzelner wüster Hofstellen festzustellen, besonders wenn man das Landbuch und die Schoßregister des folgenden Jahrhunderts miteinander vergleicht (42, 43). Außerdem bemerkt Z i e n t a r a selbst, daß die meisten Wüstungen auf schlechten Böden anzutreffen sind, die auch früher schon von Wald bedeckt waren, wie die Endungen auf -walde, -holz und -hagen einiger abgegangener Orte zeigen. — Die Intensivierung des Ackerbaues hätte bald eine Erschöpfung des Bodens gebracht. Erosion und Sandverwehungen wären die Folgen gewesen, wie aus einer Urkunde des Bischofs von Brandenburg hervorgeht, der sandverwehte Hufen des Klosters Himmelpfort von Abgaben befreit. 21 Aus Furcht vor Flugsand wandelt das Kloster die Fluren des Dorfes Garlin teils in Weiden, teils in Wald um. Ein breiter methodischer Ansatz, verbunden mit zahlreichen Einzelbeobachtungen am Landbuch und an weiterem Urkundenmaterial sowie die kritische Auseinandersetzung mit der Fachliteratur lassen Z i e n t a r a im ganzen ein abgeschlossenes Bild des Wüstungsprozesses in der Uckermark herausarbeiten. 22 Einige Beobachtungen seien herausgegriffen: 1383 fragen die Ritter der Uckermark den Landvogt Lippold von Bredow, ob die Bauern berechtigt seien, ihre Dörfer zu verlassen. Der Landvogt antwortet, die Bauern dürften ohne Zustimmung des Herrn dahinziehen, brauchten auch keinen Nachfolger zu benennen, sondern sollten nur den Schulzen unterrichten. 23 — Wichtig ist R i e d e l , A XIII, S. 32, Nr. 32. Vgl. die Rez. von H. Q u i r i n , in: Bll. f. dt. Landsgesch. 103 (1967), S . 6 3 1 ff. J. S c h u 11 z e , in: Historische Zeitschrift 206 (1968), S. 703 ff. 2 3 E. D e v r i e n t , Das Geschlecht von Arnim, Bd. 1, Urkundenbuch, Leipzig 1914. 21
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auch der Gesichtspunkt, daß in den Dörfern der unfruchtbarsten Teile des Barnim alle wüsten Hufen den Ritterhöfen angeschlossen waren. Diese curiae waren wohl im Gefolge des Wüstungsprozesses schon im 14. Jahrhundert entstanden, denn bei Harnekop (Landbuch 131) heißt es: „nullus rusticus moratur ibi." In den Schoßregistern fehlt der Ort. Aber audi Versuche, sich schon zur Zeit des Landbuches dem Wüstungsprozeß zu widersetzen, kann Zientara feststellen, wie z. B. in Metzelthin und Jacobshagen (Landbuch 261), wo Hufen genannt werden, die auf drei Jahre von Abgaben befreit sind, aber offensichtlich von benachbarten Dörfern bestellt werden. Als eine wesentliche Ursache des Wüstungsvorganges sieht Z i e n t a r a das Abwandern der Bauern an. Der Bauer habe sich an den neuen Boden noch nicht gebunden gefühlt. Andere Grundbesitzer (Freihufen!) und die Städte lockten! Der Boden sei gegen Ende des 14. Jahrhunderts erschöpft und überfordert gewesen, weshalb ein Umschlag zu einer vorwiegend extensiv betriebenen Wirtschaft eingetreten sei. Ein deutlicher Zusammenhang bestünde zwischen dem Aufschwung der großen Wirtschaften (?) im 13. Jahrhundert sowie ihrem anschließenden Verfall u n d dem Wachstum bzw. Verfall des OstseeGetreideexportes (S. 374). Deshalb sei überall ein rechtzeitiges Umstellen von der Eigenwirtschaft auf Zinswirtschaft zu beobachten, solange man noch Leute fand. Als Beispiel nennt er Richardsdorf/Rixdorf (heute Berlin-Neukölln), das der Templer- oder Johanniterorden wüst gelegt habe, als die Getreideproduktion noch rentabel gewesen sei. 1360 hätten aus konträren wirtschaftlichen Gründen die Johanniter die Eigenwirtschaft wieder aufgegeben und den Hof in ein Dorf verwandelt. „Ob ein Teil der Bauernwirtschaften durch die Marktverhältnisse beeinflußt wurde, ist zwar schwer zu sagen, aber doch wahrscheinlich. Das trug dann dazu bei, daß Wüstungen entstanden. Derselbe Vorgang, der in der Uckermark bewirkte, daß Eigenwirtschaften verkleinert und aufgelöst wurden, zwang so im Oberbarnim, sie zu vergrößern [nur schlechter Boden]. Natürlich wurden dann äußerst extensive Formen der Bewirtschaftung angewendet" (S. 373). Der Bauer sei marktabhängig gewesen, weil er — wenigstens in der Uckermark — die grundherrlichen Abgaben schon in Geld zahlte. Also mußte er sein Getreide in den Städten verkaufen. Bei der allgemeinen Depression und den sinkenden Getreidepreisen hätten die Bauern aber die Zinse nicht mehr zahlen können. Daher sei das Nachlassen der Abgaben, wie schon von K r e n z l i n festgestellt, von 1375 bis 1450 zu erklären. Auch wegen der im Gegensatz zu anderen brandenburgischen Landschaften hohen Lasten seien die Wüstungen in der Uckermark zahlreicher, obwohl ausreichende Angaben fehlten (!). Das Raubritterwesen der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
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hinge eng mit dem Wüstungsprozeß zusammen: der Verfall der Getreidepreise und die Marktbezogenheit des uckermärkischen Dorfes hätten den Niedergang der ritterlichen und klösterlichen Eigenwirtschaften herbeigeführt. Dem Ruin der Ritterhöfe sei der der Bauernhöfe, besonders der, die auf schlechtem Boden lagen, gefolgt. Außerdem glaubt 2 i e n t a r a , daß die noch vorhandene Mobilität der Landbevölkerung den Zug nach dem Osten habe andauern lassen und daß brandenburgische Bauern auch zu dieser Zeit noch weiter gezogen seien. Z i e n t a r a erwägt auch eine mögliche Klimaverschlechterung als Wüstungsursache. Mit diesem unter Umständen nicht ganz von der Hand zu weisenden Faktor hat sich Gertraud R i c h t e r (61) beschäftigt. Die Frage nach der Wirkung des Klimas im Wüstungsprozeß sei nur dort sinnvoll, wo nachweislich bewirtschafteter Boden ganz oder teilweise aufgegeben wurde, d. h. wo uns Flurwüstungen entgegentreten. Bei ihrer Entstehung spielten naturbedingte Vorgänge die ausschlaggebende Rolle. Auf Grund schriftlicher Quellen konstatiert sie eine von 1360 bis ca. 1430 reichende Trockenperiode und eine seit dieser Zeit bis in den Anfang des vergangenen Jahrhunderts andauernde feucht-nasse Periode. So waren im Westfläming, in der Brandtsheide — über deren Siedlungsgeschichte noch keine besondere Untersuchung vorliegt, die aber wie die Menzer Heide über wüsten Fluren und Dörfern gewachsen ist — 1487 von den rund 30 alten Siedlungen nur noch 4 vorhanden, 25 lagen wüst. Allein Wiesenburg, Jeserig, Schlamau und Reetz bestanden noch, die einzigen Ortslagen mit Wiesenboden, der z. T. eine undurchlässige tonig-merglige Unterlage aufweist. In der Ortsnähe ist auch fließendes oder stehendes Gewässer anzutreffen. R i c h t e r schließt sich Otto S c h l ü t e r an, der Orte solcher Lage in trockenen Jahren für weniger gefährdet ansah als Orte auf Sandflächen. Daher seien auch Weidewirtschaft und Großviehhaltung möglich, die dann wieder eine ausreichende Düngerversorgung sicherstellten. Wegen der Ungunst der Lage hätten die Orte der Brandtsheide die Trockenperiode nicht überdauert. Wüstungen auf trockenen, sandigen Böden seien von 1360 bis 1430 entstanden, diejenigen aber auf schwer durchlässigen Böden in der feuchten, kühlen Zeit nach 1430. 4. Wüstwerden durch
Gutsbildung
Abschließend müssen wir noch einen kurzen Blick auf die Wüstungsvorgänge in der Neuzeit werfen. Sie sind vor allem mit dem Entstehen von Vorwerken und Gütern verbunden, in Brandenburg aber nicht in dem Maße wie in gewissen Gebieten Ostdeutschlands. Extreme Verhältnisse zeigt z. B. die Insel
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Rügen: 48 Prozent aller totalen Ortswüstungen fallen in das Jahrhundert von 1780 bis 1880. 2 4 Die erste Phase der Gutsbildung, die das 16./17. Jahrhundert umfaßt, spielt sich auf den wüsten Feldmarken des späteren Mittelalters ab. Das zeigt uns klar Berthold S c h u l z e s Arbeit „Neue Siedlungen in Brandenburg 1500 bis 1800" (72). Diese Arbeit verzeichnet einen großen Teil der spätmittelalterlichen Wüstungen in der Mark; viele von ihnen sind damals mit Vorwerken oder Gütern, Teeröfen, Glashütten oder auch wieder neuen Dörfern besetzt worden, die S c h u 1 z e registriert. Die Frage der temporären Wüstungen gewinnt in der gegenwärtigen Forschung besonderes Interesse. Zur Beurteilung der Verhältnisse auch in der Mark sind die Bemerkungen von J ä g e r unentbehrlich. 25 Die Güter entstehen, wie K r e n z l i n (43) bemerkt, als der Getreidebau wieder lohnend wurde, aber die bäuerliche Bevölkerung noch fehlte, um die wüsten Gemarkungen erneut zu besiedeln. Die stärkste Gutsbildung im 17./18. Jahrhundert läßt sich dort nachweisen, wo im Spätmittelalter die stärkste Bevölkerungsabnahme stattgefunden hat, ja, sie ist ohne den Bevölkerungsrückgang und den Wüstungsprozeß des 14./15. Jahrhunderts gar nicht denkbar. K o r t h (31) hat das für die Mittelmark gezeigt: 1540 erhielt der brandenburgische Adel das Recht, Bauernstellen zur Errichtung eines Rittersitzes aufzukaufen. Ein kurfürstlicher Konsens war dazu nötig, der in der Regel auch erteilt wurde, wenn es sich um das Einziehen adeligen Streubesitzes handelte. Um 1600 habe dieses Bauernlegen eine gewisse Rolle beim Entstehen von Gütern in Mecklenburg, Vorpommern und Brandenburg gespielt. 1690 beginne ein zweiter Abschnitt der Gutsbildung, der bis in das 19. Jahrhundert angedauert habe. In Brandenburg haben aber staatliche Maßnahmen ein Bauernlegen größeren Umfanges verhindert. Im Teltow und Barnim fallen nur 15 Prozent der Güter unter das Bauernlegen um 1600, im Havelland sind es 7 Prozent, weitere Angaben macht K o r t h nicht. In der Mittelmark sind 1375 schon mehr als ein Drittel der 1860 bestehenden Gutsbetriebe vorhanden, bis 1624 kommt über ein weiteres Drittel hinzu. Neugründungen des 18./19. Jahrhunderts sind um so größer, je ausgedehnter die Wüstungen und je geringer die Bodenqualität ist. So ist im Kreis Templin knapp die Hälfte der Güter nach 1624 entstanden, fast zwei Drittel liegen auf wüsten Feldmarken des Spätmittelalters. 24 K . L e n z , Die Wüstungen der Insel Rügen ( = kunde 113), Remagen 1958. 23
H. J ä g e r ,
Forschungen zur deutschen Landes-
Dauernde und Temporäre Wüstungen in landeskundlicher Sicht, in: Wü-
stungen in Deutschland, Sonderheft 2 der ZAA, Frankfurt 1967, S. 16 ff.
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Für die Prignitz hat S c h u 11 z e (70) festgestellt, d a ß nach dem Kataster von 1686 noch etwa ein Drittel der dörflichen Gehöfte unbesetzt war. Die häufigen Anordnungen Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II. im Zuge der Repeuplierungsmaßnahmen, die wüsten H ö f e wieder zu bebauen, haben offenbar nicht viel genutzt. 1752 wurde mit dem Adel vereinbart, nur Tagelöhner und Büdner mit geringem Ackerland auf wüsten Marken anzusiedeln, um dadurch möglichst viele Arbeitskräfte zu gewinnen. Diese Gelegenheit nutzten aber die Adligen, um Bauerngüter einzuziehen; Friedrich II. verwahrte sich energisch dagegen. Dennoch wurden während des Siebenjährigen Krieges wieder 74 Bauern- und 53 Kossätenstellen wüst, deren Inhaber davongezogen waren, weil sie die Lasten, die sich neben den gutsherrlichen Diensten aus den Leistungen f ü r den Krieg ergaben, nicht mehr tragen konnten. Man darf hinzufügen, d a ß die verhängnisvolle Rolle, die der adlige Großgrundbesitz bei der Entstehung der neuzeitlichen Wüstungen durch Bauernlegen spielte, in Brandenburg nicht so extrem zur Geltung kam, weil außerordentlich viel G r u n d und Boden zur Staatsdomäne gehörte. Der b r a n denburgisch-preußische Staat hatte aber großes Interesse an neuen Siedlungen mit selbständigen Bauern.
Bibliographie Ich w a r bemüht, alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu erfassen. Arbeiten ausgesprochen populären Charakters habe ich nicht vollständig verzeichnet, ebenso in der Regel nicht Gesamtdarstellungen zur Geschichte einzelner Landesteile oder Städte usw., die auch auf die Wüstungsfrage eingehen. Einige Arbeiten, die Brandenburg nicht direkt berühren, aber f ü r die Diskussion wichtig sind, wurden mit aufgenommen. Außerdem sind Titel erf a ß t , die sich nur auf die hier nicht behandelte Altmark, N e u m a r k und Niederlausitz beziehen. — Die neuesten Arbeiten sind am besten über die Zeitschriften Ausgrabungen und Funde Berliner Blätter f ü r Vor- und Frühgeschichte Blätter f ü r deutsche Landesgeschichte Zeitschrift f ü r Geschichtswissenschaft zu erfassen. 1 A 1 b r e c h t , G., Im Blumenthal, in: Brandenburgia 10 (1901), 241—248. 2 B ö h n i s c h , F . , Der Stand der Wüstungsforschung in der Niederlausitz ( = Abh. u. Ber. d. Naturkundemuseums-Forschungsstelle Görlitz, Bd. 36, H . 2), 1960, 9—51.
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3 B ö h m , W., Vorgeschichte des Kreises Westprignitz, Berlin u. Leipzig 1937. 4 B r e c s c h n e i d e r , A., Schillische ( = Korrespondenzbl. d. Vereins f. niederdt. Sprachforschung 1963, H. 70/3), auch gekürzt abgedr. in: Veröff. d. Mus. f. Ur- u. Frühgesch. Potsdam 3 (1964), 182—185. 5 D i e s , und K. H o h m a n n , Diskussion über die Schillischen, in: Veröff. d. Mus. f. Uru. Frühgesch. Potsdam 3 (1964), 182—185.
6 D e h m l o w , F., Vergessene Dörfer im Bezirk Berlin-Zehlendorf, in: Berl. Bll. f. Voru. Frühgesch. 10 (1963), 47—89. 7 E n g e 1, E. und B. Z i e n t a r a , Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg. Mit einer Einleitung von E. Müller-Mertens, Weimar 1967. 8 E n g e 1, E., Lehnbürger, Bauern und Feudalherren in der Altmark um 1375, in: Nr. 7, 31—220. 9 E n g e l , F., Grenzwälder und slawische Burgwardbezirke in Nordmecklenburg, in: H. Ludat (Hrsg.), Siedlung und Verfassung der Slawen zwischen Elbe, Saale und Oder, Gießen 1960, 125—140. 10 F i s c h e r , G., Das Land Lebus, Frankfurt/O. 1936. 11 F i s c h e r , R. E., Die Ortsnamen der Zauche ( = Teil 1), Weimar 1967.
Brandenburgisches Namenbuch
12 G e h r m a n n , J., Die mittelalterliche Siedlung Dahmsdorf im Bezirk Berlin-Zehlendorf, in: Berl. Bll. f. Vor- u. Frühgesch. 11 (1965/6), 131—152. 13 D e r s . , Die Wüstung Krummensee. Auswertung der Ausgrabungen. Ungedr. Examensarbeit d. Pädagog. Hochschule Berlin, 1965. 14 G l e y , W., Die Besiedlung der Mittelmark von der slawischen Einwanderung bis 1624, Stuttgart 1926. 15 G r e b e , K., Der archäologische Befund der ursprünglichen ethnischen Zugehörigkeit der Anger- und Straßendörfer. Ungedr. Diplomarbeit, Berlin 1958. 16 D e r s . , Die Wüstungen bei Bernöwe und Teschendorf, in: Ausgrabungen u. Funde 5 (1960), 153—157. 17 H a n n e m a n n , H., Wüste Ortschaften im Kreis Teltow, in: Teltower Kreiskalender 1913, 58—62. 18 H e i l a n d , I., Die Flurwüstungen der nördlichen Altmark, in: Altmärk. Museum Stendal, Jahresgabe 14 (1960), 75—113. (Mit einem Vorwort von R. Käubier: Zur Wüstungsforschung in der Altmark.) [Diss. Halle i960.] 19 H e i n r i c h , G., Die Grafen von Arnstein ( = Mitteidt. Forschungen 21), Köln/Graz 1961, dort S. 492 Exkurs X X I X : Wüstungen und Forsten in der Herrschaft Ruppin. 20 H e r r m a n n , J., Die Besiedlungsgeschichte der Zauche in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, in: Nr. 11, 10—28. 21 D e r s., Wasserstand und Siedlung im Spree-Havel-Gebiet in frühgeschichtlicher Zeit, in: Ausgrabungen u. Funde 4 (1959), 90—106. 22 H i n r i c h s , A., Verschwundene Ortslagen im Kreis Prenzlau und Randgebiet. Teil 1 und 2, in: Mitt. d. Bez.-Fachausschusses f. Ur- u. Frühgesch. Neubrandenburg 5 (1961), 10—22; 6 (1962), 7—16.
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23 H o h m a n n , K., Die Besiedlung des Teltow in sieben Jahrtausenden, in: Teltower Kreiskalender 1932, 58—86. 24 D e r s., Auf den Spuren der ersten deutschen Kolonisten in Ludwigsfelde-Dahmsdorf, in: Heimat u. Ferne, Beilage zur Teltower Kreiszeitung vom 2 0 . 2 . 1 9 3 3 . 25 D e r s . , Die Schillischen und ähnliche Wüstungsnamen im Teltow, in: Märk. Heimat 4 (1960), Sonderh. 2. Vgl. auch Nr. 5. 26 J ä g e r , H., Zur Entstehung der heutigen großen Forsten in Deutschland, in: Berichte z. dt. Landeskunde 13 (1954), 156—171. 27 J ä n i c h e n , E., H. L u n k w i t z und G. H e r r m a n n , Altes Siedlungsland, in: Nationalsozialist. Erziehung, (Berlin) 1938, 4. [Behandelt Krummensee, vgl. Nr. 6, 13.] 28 K a e s t n e r , W., Schillische, in: Korrespondenzblatt d. Ver. f. niederdt. Sprachforschung 71 (1964), 39—40. 29 K ä u b 1 e r , R., Über Hochäcker zwischen Erzgebirge, Thüringer Wald und der Ostsee, in: Berichte z. dt. Landeskunde 28 (1961), 70—73. 30 D e r s., Rez. zu Krenzlin, „Historische und wirtschaftliche Züge im Siedelformenbild des westlichen Ost-Deutschland", in: Die Erde 89 (1958), 66—67. 31 K o r t h , S., Die Entstehung und Entwicklung des ostdeutschen Großgrundbesitzes, Diss. Gött. 1952 und in: Jb. Albertus-Univ. Königsberg 3 (1953), 148—170. 32 K r a m e r , S., Brunnenreste einer mittelalterlichen Wüstung [Am N.-Ufer d. Gr. Wussow-Sees, Kr. Gransee], in: Ausgrabungen u. Funde 5 (1960), 300—307. 33 D i e s . , Untersuchungen auf einer mittelalterlichen Wüstung [Zabelsdorf, Kr. Gransee], in: Märkische Heimat 4 (1960), 64. 34 K r a u s c h , H.-D., Die Menzer Heide. Beiträge zur Geschichte eines märkischen Waldes, in: Jb. f. brandenburg. Landesgesch. 13 (1962), 96—118. 35 D e r s., Die Wälder der früheren Herrschaft Baruth gegen Ende des 16. Jahrhunderts, in: Jb. f. brandenburg. Landesgesch. 15 (1964), 22—49. 36 D e r s . , Wüstungsforschung in Brandenburg, in: Märkische Heimat 4 (1960), 151—160. 37 K r e n z 1 i n , A., Dorf, Feld und Wirtschaft im Gebiet der großen Täler und Platten östlich der Elbe ( = Forschungen zur deutschen Landeskunde 70), Remagen 1952. 38 D i e s . , Zur Erforschung der Beziehungen zwischen der spätslawischen und frühdeutschen Besiedlung in Nordostdeutschland, in: Ber.: z. dt. Landeskunde 6 (1949), 133—145. 39 D i e s., Die Gestalt der mittelalterlichen Kolonisationssiedlungen in der Mark Brandenburg, in: Dt. Geogr. Bll. 42 (1939). 40 D i e s., Probleme siedlungs- und kulturgeographischer Forschung im Raum Brandenburg-Berlin, in: Zs. f. Erdkunde 7 (1939), Heft 13/14, 528—536. 41 D i e s . , Deutsche und slawische Siedlung im inneren Havelland, in: Ausgrabungen u. Funde 1 (1956), 174—185. 42 D i e s., Die mittelalterlich-frühneuzeitlichen Siedlungsformen im Räume von GroßBerlin, in: Die Erde 90 (1959), 327—343. Mit. einer Karte: Flur- und Dorfformen um 1800. 43 D i e s., Das Wüstungsproblem im Lichte der ostdeutschen Siedlungsforschung, in: Zs. f. Agrargesch. u. Agrarsoziologie 8 (1959), 153—169.
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44 K u h n , W., Geschichte der deutschen Ostsiedlung in der Neuzeit, 2 Bände, Köln/Graz 1955/57. 45 L i e b c h e n , O., Uber die ersten Anfänge der Stadt Mittenwalde, in: F B P G 44 (1932), 415—421. 46 L i p p e r t , W., Geschichte der Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark. Hrsg. von Gerd Heinrich ( = Mitteidt. Forschungen 57), Köln 1968. 47 M a t t h e s , W., Wüste Dörfer des Mittelalters in der Nordostecke der Prignitz, in: Mitt. d. Heimat- und Mus.-Ver. in Heiligengrabe 8 (1925), 19—24. 48 D e r s., Urgeschichte des Kreises Ostprignitz, Leipzig 1929. 49 M e i b e y e r , W., „Zieleitz"-Siedlungen (Forschungsbericht), in: Zs. f. Ostforschung 16 (1967), 17—25; Zusammenfassung S. 117. 50 M u c k e , E., Wüstungen, Gewässer etc. der Neumark mit slawischen Benennungen, in: Sehr. d. Ver. f. Gesch. d. Neumark 22 (1908), 77—92. 51 M ü 11 e r , A. von, Neue Forschungsergebnisse der mittelalterlichen Archäologie im Berliner Raum, in: Mitt. d. Berliner Ges. f. Anthropologie, Ethnologie u. Urgesch. 1 (19.66), 46—51. 52 D e r s., Berlin vor 800 Jahren. Städte, Dörfer, Wüstungen von der Gründung bis zum 14. Jahrhundert, Berlin 1968. 53 D e r s . , Hochmittelalterliche Siedelvorgänge östlidi der Elbe, in: Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 5 (1968), 213—224. 54 M ü l l e r - M e r t e n s , E., Hufenbauern und Herrschaftsverhältnisse in brandenburgischen Dörfern nach dem Landbuch Karls IV. von 1375, in: Wiss. Zs. d. Humboldt-Univ. Bln., G S R 1 (1951/2), 35—79. 55 N a g e l , A., Eingegangene Dörfer und Wüstungen im Kreis Prenzlau, in: Heimatkai. f. d. Kreis Prenzlau 16 (1941), 176—185. 56 H i s t o r i s c h e s O r t s l e x i k o n f ü r B r a n d e n b u r g , T. 1: Prignitz, bearb. von Liselott Enders ( = Veröff. d. Brdbg. Landeshauptarchivs 3), Weimar 1962. [Mit Wüstungsregister.] 57 P e t e r s , G., Verwehte Klänge über verwehtem Leben, in: Heimatkalender f. d. Kreis Prenzlau 1959, 99—103. 58 P i c k , M., Helwichsdorf deserta, in: Brandenburgia 48 (1939), 22—23. 59 P o h l e n d t , H., Die Verbreitung der mittelalterlichen Wüstungen in Deutschland ( = Göttinger Geogr. Abhdlgg. 3), Göttingen 1950. 60 R e i s c h e 1, G., Wüstungskunde der Kreise Jerichow I und II ( = Sachsen N R , Bd. 9), Magdeburg 1930.
G Q u . d. Prov.
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ZUM STAND DER WÜSTUNGSFORSCHUNG IN BRANDENBURG
317
64 S c h m i d t , H., Die Siedlungen des Flämings, in: Beiträge zur Landeskunde Mitteldeutschlands, Festschr. z. 23. dt. Geographentage in Magdeburg 1929, Braunschweig 1929. 65 S c h m i d t , R., Das Land der „wüsten Kirchen", in: Brandenburg (Eberswalde) 9 (1931), 273—280. [Behandelt den Kr. Templin.] 66 D e r s., Wüstungen im Oberbarnim, in: Oberbarnimer Kreiskalender 1932, 111—113. 67 D e r s . , 323 Siedlungen im Kreis Templin, in: Templiner Kreiskalender 9 (1936), 53 bis 55; 10 (1937), 35—40. 68 S c h r e i p , W., Prignitzer Wüstungen, in: Heimatkalender f. d. Kreis Ost- und Westprignitz 31 (1933), 80—87. 69 S c h u l t z , J., und W. K r e b s , Untergegangene Dörfer in der Uckermark, Heimatkalender f. d. Kreis Angermünde 1960, 107—109.
in:
70 S c h u 11 z e , J., Die Prignitz. Aus der Geschichte einer märkischen Landschaft ( = Mitteldeutsche Forschungen 8), Köln/Graz 1956. 71 S c h u l z e , B., Die Besiedlung des Niederen Barnim, in: Zwischen Schorfheide und Spree. Heimatbuch des Kreises Niederbarnim, Berlin 1940, 89—126. 72 D e r s . , Neue Siedlungen in Brandenburg 1500—1800. Beibd. z. Brandenburgischen Siedlungskarte 1500—1800 (=Einzelschr. d. Hist. Komm. d. Prov. Brandenburg 8), Berlin 1939. 73 D e r s., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter und Städte 1540—1800. Beibd. z. Brandenburgischen Ämterkarte ( = Einzelschr. d. Hist. Komm. d. Prov. Brandenburg 7), Berlin 1935. 74 S o r g , W., Wüstungen in den brandenburgischen Kreisen Ruppin und Templin und deren Ursachen, Berlin 1936. 75 S t u h l m a n n , 1935.
K., Wüste Dorfstellen im Kreis Neuhaidensieben, Neuhaidensleben
76 V o g e l , W., Der Verbleib der wendischen Bevölkerung in der Mark Brandenburg, Berlin 1960. 77 V o g t , H.-J., Slawische Siedlungsnamen und Bodenfunde. Ergebnisse einer Untersuchung im Potsdamer Raum, in: Märkische Heimat 4 (1960), Sonderheft 1, 68—74. 78 W e l s , K. H., Wüstungen auf der Strausberger Gemarkung, in: Oberbarnimer Kreiskalender 30 (1941), 116—119. 79 W e r n i c k e , G., Untergegangene Dörfer und wüste Marken im Kreis Zauch-Belzig, in: Zauche- und Fläming-Heimat. Beilage der nationalsozialistischen Zeitung „Der Streiter", 2 (1935), Nr. 13, 14, 16. 80 W i d d e l , O., Wüstgewordene Dörfer und wüste Marken im Kreis Zauch-Belzig, in: a. a. O. 9 (1942), Nr. 4, 5. 81 Z a h n , W., Die Wüstungen der Altmark ( = GQu. d. Prov. Sachsen 43), Magdeburg 1909. Rez. H . Krabbo, in: FBPG 22 (1909), 638—642. 82 Z i e n t a r a , B., Die Agrarkrise in der Uckermark im 14. Jahrhundert, in: N r . 7, 223—396.
318
EBERHARD BÖHM
Die folgende Tabelle verzeichnet die Nummern der Arbeiten, die sidi allein oder dodi ausführlich mit den Wüstungen der einzelnen alten Landesteile beschäftigen. Prignitz 3, 47, 48, 56, 68. Ruppin 16, 19, 34, 74. Havelland 21, 41, 42, 63, 77. Zauch-Belzig 11, 20, 21, 61, 63, 64, 77, 79, 80.
Teltow 6 , 1 2 , 1 3 , 17,23, 2 4 , 2 5 , 2 7 , 42, 45, 51, 52, 53. Barnim 1, 16, 42, 52, 58, 66, 71, 78. Uckermark 22, 33, 46, 55, 57, 65, 67, 69, 74, 82. Lebus 10.
F R I E D R I C H MIELKE
FRIEDRICH II., DAS NEUE PALAIS I N POTSDAM U N D PAUL DECKERS „FÜRSTLICHER
BAUMEISTER"
Uber den Entwurf zum Bau des Neuen Palais berichtet Manger in seiner „Baugeschichte von Potsdam" bei den Ereignissen des Jahres 1755: „Der König war im vorigen Jahre, bey einer Reise nach Westphalen, von da aus incognito, in Begleitung des damaligen Obristlieutenant von Balbi, nach Amsterdam gegangen, um daselbst Schildereyen für seine neuanzulegende Gallerie zu kaufen. Bey dieser Gelegenheit hatte er an der holländischen Bauart einigen Geschmack gefunden, welche durch bloße Darstellung der regelmäßig vermauerten Ziegel an den Außenwänden, ohne solche zu übertünchen, eine größere Art von Festigkeit vermuthen läßt. Er wollte also sein neues zu erbauen beschlossenes Lustschloß auf diese Weise, jedoch mit der, seiner Person anständigen Architektur aufführen lassen, und gab dazu Büringen eine Skizze." 1 Angemerkt wird ferner, daß die Skizze „von einer Meisterhand herrührete". Manger bringt den Entwurf für das Neue Palais mit der holländischen Architektur in Verbindung und tatsächlich hat das bereits 1756 von ihm in der Stadt Am Kanal 41 (Abb. 1) gebaute Modellhaus große Ähnlichkeit mit dem Haus Trip am Kloveniersburgwal in Amsterdam (Justus Vingboons 1662). Mit dem Haus Trip ist eine Einflußrichtung angedeutet, die mit Colen Campbells „Vitruvius Britannicus" verwandt ist, ein Werk, das bei Knobeisdorffs Bauten, besonders bei der Oper Unter den Linden hilfreiche Dienste geleistet hat. Wie Krieger nachweisen konnte, besaß Friedrich II. ein Exemplar des „Vitruvius Britannicus" in seiner Bibliothek zu Potsdam. 2 Bereits 1909 meinte aber Gurlitt: „Im Grundwesen greift der Bau über diesen („Vitruvius Britannicus") hinaus auf das 17. Jahrhundert zurück: 1 H. L. M a n g e r , Bd. 1, S. 209. 2
Baugesdiidite von Potsdam, 3 Bde., Berlin und Stettin
1789/90,
K r i e g e r , Lektüre und Bibliotheken Friedrichs des Großen, in: Hohenzollernjahrbuch 17 (1913), S. 152.
320
F R I E D R I C H MIELKE
Wrens' Schloß Hampton Court, der gewaltige Königssitz Wilhelms, mag Einfluß auf Friedrich ausgeübt haben." 3 Damit war der Blick von Holland auf England gelenkt. Wenn ich richtig orientiert bin, war Hans Kania der erste, der 1912 auf Vanbrughs Castle Howard in Yorkshire als Vorbild für das Neue Palais hinwies. Es ist 1699 begonnen worden, sein Westteil wurde unter dem Bauherrn Sir Thomas Robinson 1753 errichtet und gerade 1763 fertig, im selben Jahr also, als Friedrich II. den Grundstein zum Neuen Palais legen ließ. Wenn man bedenkt, daß Friedrich es liebte, fremde Vorlagen mit eigener Hand nachzuzeichnen, um diese Skizzen seinen Baumeistern als Entwurf verbindlich zu machen,4 so ist von vornherein klar, daß eine auch nur annähernd genaue Kopie des fremden Vorbildes unmöglich war. Das Vorbild mußte im Laufe der vielfältigen Interpretationen durch die Auffassung des Königs, durch die Skizzen und durch zusätzliche Befehle sowie durdhi die Auffassungsgabe und durch das bildnerische Talent des ausführenden Architekten eine neue Form gewinnen. Dieser Werdegang schließt jedoch nicht aus, daß einige dem König besonders eindrucksvoll gewordene Details auch bei der Potsdamer Nachbildung wiederkehren. Gemeinsame charakteristische Merkmale gibt es mehrere zwischen Castle Howard und dem Neuen Palais: Der Grundriß des Schlosses in Yorkshire zeigt neben der Cour d'honneur zwei kleinere Höfe, einen Kitdien Court und den (nicht ausgeführten) Stable Court. Eine ähnlich umfangreiche Anlage mit zwei Nebenhöfen bekam auch das neue Schloß bei Potsdam. Die Fassaden sind, wie schon beim Modellhaus am Kanal, durch Kolossalpilaster gegliedert, die sich ohne Verdoppelung an den Ecken jeweils über die ganze Gartenseite erstrecken. Während die Gartenseite des Schlosses Howard neun Achsen hat, bekam das entsprechende Mittelrisalit des Potsdamer Schlosses nur fünf Achsen, wie das Modellhaus. In beiden Fällen aber erstreckt sich der Dreieckgiebel (Fronton) nur über die mittleren drei Achsen (Abb. 2). Eine ungefähre Ähnlichkeit besteht ferner zwischen den Kuppeln der beiden Schlösser. Man kann die ungefüge, mit dem Baukörper nicht harmonierende Form der Kuppel auf dem Neuen Palais nicht verstehen, ohne die englische Vorlage zu kennen und ohne zu wissen, auf welchem Wege ihre Nachbildung zustandekam. Durch das englische Vorbild ist aber weder die Anordnung der Fenster mit Ochsenaugen (oeils de boeufs) in den obersten Stockwerken zu erklären, 3
C. G u r 1 i 1 1 , Historische Städtebilder, Serie 2, H e f t 5, Potsdam und Berlin 1909, S. 23. 4
M a n g e r , a. a. O., Bd. 1, S. 171.
Abb. 1
Abb. 2
Potsdam, A m Kanal 41, H . L. Manger 1756
Potsdam, Neues Palais, Gartenseite 1763—1769
Abb. 3
Potsdam, Neues Palais, Eingangsseite 1763—1769
Abb. 4
Abb. 5
P. Decker, E n t w u r f 1711
P . Decker, E n t w u r f 1711 (Ausschnitt)
FRIEDRICH II. U N D DAS NEUE PALAIS IN POTSDAM
321
noch die Verdoppelung der Pilaster an den Stirnseiten der großen Hofflügel, noch die Überfülle an Figuren auf der Attika. Für diese Motive muß eine andere Vorlage als der Vitruvius Britannicus anregend gewirkt haben. Durchsuchen wir mit der Absicht, eine entsprechende Vorlage zu finden, die Architekturwerke, die Friedrich zur Verfügung gestanden haben könnten, so dürfte Paul Deckers „Fürstlicher Baumeister der Architectura Civilis" eine solche Quelle sein. Der 1711 erschienene Entwurf eines fürstlichen Palastes weist alle jene Charakteristika auf, die wir bei dem englischen Vorbild vermissen. Besonders die Geschoßeinteilung ist dem Potsdamer Bau sehr verwandt (Abb. 3, 4, 5), und die Stirnseiten der Flügelbauten haben verdoppelte Eckpilaster. Auf der Attika wimmelt es hier wie dort von Figuren. Daß dagegen auch viele Eigenheiten vorhanden sind, die Friedrich II. nicht übernommen hat, wie z. B. den Mittelbau im Corps de logis, die mit Freitreppen kombinierte Auffahrt und die Kuppeln auf den Seitenflügeln (Abb. 4), hat wenig zu bedeuten, wenn man weiß, daß viele Anregungen zu dem neuen Plan zusammenflössen. Auch die Ornamentik der Fassaden ist in Potsdam anders, was bei dem eigensinnigen Geschmack des Königs nicht weiter wunder nimmt. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns eines Geschehnisses beim Bau des Neuen Palais, das Manger erwähnt. Als im Jahre 1766 die Decke zwischen dem Grottensaal und dem darüberliegenden Marmorsaal gebaut werden sollte, „so ward dem Könige die Vorstellung gemacht, daß es besser und dauerhafter seyn würde, wenn ein flaches Gewölbe von gehauenen Steinen über dem untern, den Fußboden des obern Saals abgäbe. Allein der König bestand auf Balken . . . der Erfolg hat die Voraussagung der geringen Dauer wahr gemacht. Die Schwere des auf diese Balkenlage gebrachten marmornen Fußbodens, die Nässe, welche bey dem Schleiffen desselben in das Holz drang, und der Mangel an Luft bey diesen vorher nicht genugsam ausgetrockneten, und noch mehr eingefeuchteten Balken, verursachte gar bald ein Stokken und Faulen derselben, welches eine Senkung des Fußbodens nach sich zog". 5 1774 mußte die Decke für mehr als 10 000 Taler durchgreifend erneuert werden, ohne daß sich Friedrich entschließen konnte, eine bessere Konstruktion zu wählen, die überdies auch billiger gewesen wäre. 6 1785 hatte sich die Decke wiederum gesenkt, eine neuerliche Reparatur mußte in Aussicht genommen werden. Die Halsstarrigkeit des Königs ist zum Teil aus seinem Grundsatz zu erklären, daß er einen einmal gegebenen Befehl niemals widerrief oder modifizierte. Zum anderen Teil könnte er aber auch für diesen Fall an Paul 5 6
21
M a n g e l , a. a. O., Bd. 2, S. 300. M a n g e i-, a. a. O., Bd. 2, S. 398.
322
FRIEDRICH MIELKE
Deckers Werk eine Art Rückhalt gehabt haben. Im Band I, Tafel 7 des „Fürstlichen Baumeisters" ist ein Schnitt durch den Palast dargestellt, der zwischen der Sala terrena und dem darüberliegenden Festsaal eine Flachdecke zeigt, obwohl sie durch eine Säulenstellung an den Wänden stark belastet ist. D a Friedrich keine bautechnischen Kenntnisse besaß, konnte ihm sehr wohl eine so prächtige Publikation der hohen Baukunst als Mentor gedient haben. Bei seinem ständigen Mißtrauen war hier eine Gelegenheit, in der Frage der Deckenkonstruktion den berühmten Baumeister Decker gegen seine eigenen Gehilfen auszuspielen. Die Wahrscheinlichkeit, daß Paul Deckers Kupferstichwerk von Friedrich II. benutzt worden ist, verstärkt sich, wenn man die anderen Tafeln betrachtet. So fällt z. B. im zweiten (1713 erschienenen) Band der „Prospect des Fürstlichen Lustgartens hinter dem Pallast" (Tafel 6) auf. Im Hintergrund erhebt sich auf einem langgestreckten Hügel über mehrfach gestaffelte Treppen ein Lustschloß, dem in einiger Entfernung zwei kleinere Bauten beigegeben wurden. Die Lage des Schlosses Sanssouci auf der Höhe des Weinberges mit den Neuen Kammern einerseits und der Bildergalerie andererseits dürfte mehr als nur ein Parallelfall sein. Ebenfalls im zweiten Band des Deckerschen Werkes ist eine Variante des Fürstlichen Palastes dargestellt, „und zwar wie derselbe ohne Frontispitio und Cuppolo anzusehen ist". Das Mittelrisalit der Hofseite erinnert an die Loggia des Pal. Barberini in Rom, doch ist sie auf fünf Achsen reduziert und ist stärker von der Flucht des Corps de logis abgesetzt, etwa so, wie die Nachbildung des Pal. Barberini in Potsdam Humboldtstr. 5—6 (1771—1772). Ob schließlich der Grundriß des bei Decker in Band II, auf Tafel 35 abgebildeten „Lusthauses wie soldies ein Vornehmer Herr auf dem Land anlegen koente" mit seinen beiden kreisrunden Räumen an den Enden als zündende Idee anregend für den Grundriß des Schlosses Sanssouci gewirkt hat, soll hier nicht behauptet, wohl aber angedeutet werden. Aus den angeführten Beispielen geht hervor, daß es viele Berührungspunkte zwischen den von Paul Decker publizierten Entwürfen und den Bauten Friedrichs II., besonders dem Neuen Palais gibt. Die Ähnlichkeit liegt mehr im Grundsätzlichen der architektonischen Idee, weniger in der Übernahme genauer Details oder ganzer Entwürfe. Aber das ist auch bei dem unzweifelhaften Vorbild des Castle H o w a r d nicht der Fall. Auch dort sind es nur einzelne Elemente, die anregend wirkten. In Verbindung mit anderen Motiven, die das Werk Deckers zu vermitteln in der Lage war, vermischt mit weiteren Einflüssen, die sich der Forschung entziehen, und nicht zuletzt pointiert durch die unbeugsamen Vorstellungen des Königs entstand das Neue Palais.
F R I E D R I C H MIELKE
PALLADIO U N D POTSDAM Es war am 29. Mai 1781 als Friedrich II., König von Preußen, während einer Mittagstafel im Schloß Sanssouci den Vorschlag machte, das Ordenswesen neu zu regeln. Dem Hause Österreich wollte er als Symbol einen donnernden Jupiter geben, für England sei der Merkur als Piratenkapitän geeignet, Frankreich gebühre der Stern der Venus und für die preußisdie Monarchie beanspruchte er einen Affen, denn, so sagte er wörtlich, „wir äffen die Großmächte nach ohne eine Großmadit zu sein". 1 Dieser Ausspruch Friedrichs trifft nicht nur für die Politik zu, sondern auch für die Baukunst, die wir nach ihrem Initiator friderizianisch nennen. Bis zum Jahre 1740 orientierte sich das Bauen in Potsdam entweder an holländischen oder französischen Vorbildern. Die Entscheidung für die eine oder die andere Richtung hing von dem Charakter des jeweiligen Landesherrn ab. Kurfürst Friedrich III., der für sein Haus Hohenzollern 1701 die Königswürde von Preußen gewann, glaubte diese Standeserhöhung durch eine Nachahmung französischer Sitten und französischer Kunst unterstreichen zu müssen. Andere Fürsten dieses Staates, deren Neigungen weniger auf eine glanzvolle Repräsentation gerichtet waren, beschäftigten sich mehr mit der Wirtschaft ihres Landes. In dieser Hinsicht wurde ihnen Holland zum Vorbild. Zusammen mit tüchtigen Bauern, Handwerkern und Ingenieuren kam der holländische Palladianismus nach Brandenburg. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der Vater jenes ersten Königs in Preußen, konkurrierte zwar auch mit Frankreich und ließ in demselben Jahr, als Ludwig X I V . den Schloßbau in Versailles begann, in Potsdam ebenfalls ein großes Lustschloß bauen, doch für dieses Schloß kamen die Anregungen nicht aus dem französischen Kunstkreis, sondern aus Holland. Wir wissen nicht, wer der Baumeister jenes 1661 in Potsdam begonnenen Schlosses gewesen ist. Es wurde der Name Philipp de Chieze genannt, der, wie sich inzwischen herausgestellt hat, vermutlich kein Architekt war. Unverkennbar jedoch ist die architektonische Verwandtschaft mit dem holländischen Schloß Honselaerdijk, das Jacob van Campen 1633 und 1645 ff. umbaute. 1
21*
F. B i s c h o f f , Gespräche Friedrichs des Großen, Leipzig 1885, S.215.
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FRIEDRICH MIELKE
Der zweite jener ökonomisch eingestellten Fürsten, König Friedrich Wilhelm I. (1713—1740), kümmerte sich nicht um die große Architektur der Welt. Er war ein vorzüglicher Volkswirt, ein großer Organisator und ein hemmungsloser Liebhaber des Militärs, besonders seiner Garde, die aus riesengroßen Grenadieren bestand. Für die Garde ließ er die Stadt Potsdam zu einer großen Kaserne werden, indem die Soldaten bei den Bürgern einquartiert wurden. In jedem Haus wohnten zwei bis sechs Mann. Um möglichst viele Soldaten unterbringen zu können, mußte die Stadt mit allen Mitteln vergrößert werden. Hatte sie im Jahre 1713, bei seinem Regierungsantritt, nur 220 sehr einfache Häuser gehabt, so waren es bei dem Tode Friedrich Wilhelms (1740) 1154 Bürgerhäuser, die mit großen Zuschüssen aus der königlichen Schatulle als Reihenhäuser gebaut worden sind. Dem König selbst war nur an einer quantitativen Vermehrung der zur zweiten Residenz erhobenen Stadt Potsdam gelegen. Er besaß jedoch Baumeister, die es verstanden, den Siedlungsbauten eine prägnante architektonische Fassung zu geben. Diese Architektur ist nicht sehr anspruchsvoll. Sie verdient aber erwähnt zu werden, weil in ihr die Prinzipien des holländischen Palladianismus mit preußischdeutschem Geist erfüllt sind. Es sind Bürgerbauten mit allen Vorteilen und Nachteilen, die diesem Genre anhaften. Ein neues künstlerisches Empfinden begann Potsdam zu beherrschen als Friedrich II. 1740 den preußischen Thron bestieg. Durch den von ihm in den Grafenstand erhobenen Venezianer Francesco Algarotti sind ihm die Werke Palladios nahegebracht worden. Algarotti schickte ihm die 1581 erschienene Ausgabe der „Quattro libri dell'Architettura" und hat selbst an der 1740 bis 1747 in Venedig verlegten dreibändigen Ausgabe der „Architettura di Andrea Palladio" mitgearbeitet, von der Friedrich II. selbstverständlich auch ein Exemplar bekam. Außerdem besaß der König die 1726 in Den Haag erschienene französische Ausgabe von Giacomo Leoni mit ihren vorzüglich gestochenen Drucken. Ein anderer Vertrauter des Königs, der Baron Bielfeld, hatte ihm schon 1741 alle erreichbaren Publikationen Inigo Jones gesandt, der in England zum Apostel Palladios geworden war. Am 9. August 1749 schrieb Algarotti an Friedrich I I . : „Voici quelques esquisses de maisons que j'ai tracées, Sire, crasso penicillo, afin que V. M. pût avoir des mouches pour celles qu'elle a déjà fait bâtir. Elles ont chacune autant de front, à peu près, qu'en a chaque terrein, qui reste depuis la dernière nouvelle maison à main droite jusqu'à la maison de Mr. de Kleist. Celle qui est au milieu des trois est la maison que Palladio s'est bâtie pour lui-même, et que l'on voit à Vicence. J e me la suis rappelée, et je crois, Sire, qu'elle répandroit de la variété dans le tout, sans trop sortir du goût des autres bâtimens. V. M., qui sait mieux que personne au monde ce que c'est
PALLADIO U N D P O T S D A M
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qu'harmonie et unité, cette âme des beaux arts, en jugera beaucoup mieux que tout autre. Pour moi, Sire, je sais bien que, fut on Apollodore même, on ne devrait présenter qu'en tremblant des dessins d'architecture à un Trajan qui sait être lui-même son Apollodore." 2 In einem Brief vom 5. Oktober 1758 an den Grafen Griscavallo schrieb Algarotti, wie von der Musik könne man auch von der Architektur sagen, sie sei zur Zeit das Grab Christi in der Hand der Ungläubigen. Als die wahren Gläubigen in der Architektur betrachtete er nur die Verehrer Palladios. Mentor des preußischen Königs in allen Fragen der Architektur war also in erster Linie Palladio. Seiner Anleitung folgte er, als er 1744 begann, Potsdam mit anspruchsvollen Bauten zu schmücken. Erster Architekt war damals der zum Surintendanten aller königlichen Schlösser, Häuser und Gärten, wie auch Directeur en chef aller Bauten in den sämtlichen königlichen Provinzen ernannte Georg Wenzeslaus Freiherr von KnobelsdorfF. Friedrich hatte ihn noch während seiner Kronprinzenzeit 1736 nach Rom und Venedig geschickt. 1740 konnte er eine zweite Reise nach Paris und Holland unternehmen. In Knobeisdorffs Skizzenbuch der Italienreise stehen neben anderen die Namen Vitruv, Palladio und Scamozzi. Als der Kronprinz wenig später König wurde, beauftragte er seinen Surintendanten Knobeisdorff 1741 mit dem Neubau einer Oper in Berlin, die Colen Campells Vitruvius Britannicus entnommen zu sein scheint. 1744 wurde der Umbau des Potsdamer Stadtschlosses begonnen, das in seiner neuen Formgebung ebenfalls englischen Vorbildern verpflichtet ist. Bei der Beurteilung und stilistischen Zuordnung des Potsdamer Stadtschlosses muß man allerdings berücksichtigen, daß die von Knobeisdorff vorgenommene Einteilung der Fassaden durch die Fenster des alten Baues gebunden war, die nicht verändert werden durften, um Kosten zu sparen. Audi ist die Form des Daches nicht italienisch oder englisch, sondern französisch, und das ornamentale Beiwerk an Figuren und Vasen hat jenen barocken Charakter, der für Potsdam typisch geworden ist. Trotz dieser Mischung verschiedener Einflüsse dürfen wir die äußere Neufassung des Stadtschlosses als ein Werk im Sinne des englischen und holländischen Palladianismus ansehen. Wir stimmen darin mit dem ausführenden Architekten überein, der die geputzten Wandflächen ziegelrot und die Pilaster in dem hellen Gelb des Sandsteines anstreichen ließ. In der Eloge zum Tode Knobelsdorffs, die der König selbst aufgesetzt hatte und am 24. 1. 1754 in der Berliner Akademie verlesen ließ, heißt es: „Er liebte 2
Correspondance de Frédéric Second Roi de Prusse avec le Comte Algarotti, Berlin 1837, S. 61.
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FRIEDRICH MIELKE
die edle Schlichtheit der Griechen, und sein feines Gefühl verwarf alle unangebrachten Verzierungen . . . in der Architektur der Alten fand er mehr Majestät als in der der Neuern", und an anderer Stelle wird bestätigt, daß Knobeisdorff für die Außenarchitektur den Italienern den Vorzug gegeben habe. Das war, wie Professor Kurth, der jüngst verstorbene Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten in Potsdam, sagte, gleichbedeutend mit einer Bevorzugung Palladios. 3 Aber auch in gewissen Bereichen der Innenarchitektur möchte Kurth das Schaffen Knobeisdorffs mit Palladio in Beziehung setzen. So behauptete er zum Beispiel, daß der zentrale Saal des Schlosses Sanssouci, der nach dem Zeugnis des Königs „imite l'interieur du Pantheon", in seiner Einstöckigkeit der Wand noch ganz im Geiste Palladios geschaffen sei. Allerdings hat Knobeisdorff seine Säulen um ein Sechstel schlanker gemacht, als es Palladio vorschreibt. Sie folgen nicht mehr dem klassischen Beispiel, sondern haben die Eleganz des Rokokos, welche auch die Kolonnade an der Hofseite des Schlosses auszeichnet. Nach Knobeisdorffs Tode, 1753, bediente sich Friedrich II. eines anderen Baumeisters, Johann Gottfried Büring, der schon 1744 beim Bau der Terrassen für das Schloß Sanssouci tätig gewesen war. Nach einigen weiteren Arbeiten in Berlin hatte er auf eigene Kosten eine Reise nach Frankreich und Italien gemacht, um seine bautechnischen Kenntnisse durch baukünstlerische Erfahrungen zu bereichern. Sein Freund und Kollege Heinrich Ludewig Manger berichtet, Büring „hatte gleichsam auf die Vorschriften des Palladio geschworen, dessen treuer Nachahmer er war". 4 Als Büring 1754 wieder nach Potsdam kam, mußte er für seine Anstellung als Baumeister drei Probezeichnungen machen, von denen der König eine zur Ausführung auswählte. Es ist die Zeichnung für das Direktorenhaus der Gewehrfabrik. Mit großem Geschick hat Büring eine römisch-dorische Ordnung frei komponiert und den Architrav mit Ochsenschädeln, einem Bukranion vergleichbar, geschmückt. Am 12. November 1753 schrieb Algarotti aus Padua: „J'ai été à Vicence où j'ai vu ce que j'espère bientôt revoir à Potzdam." 5 Tatsächlich entstanden zu dieser Zeit in Potsdam fünf Nachbildungen der Entwürfe Palladios für Vicentiner Paläste. 3
W. K u r t h , Sanssouci, Berlin 1962, S. 44.
4
H. L. M a n g e r , Baugeschidite von Potsdam, 3 Bde., Berlin und Stettin 1789/90, Bd. 3, S. 544. 6
Correspondance, S. 99.
PALLADIO U N D POTSDAM
1753 1753 1753 1754 1755
Am Alten Markt 2, Rathaus Am Alten Markt 12 Schwertfegerstraße 1 Schloßstraße 7 Am Neuen Markt 5
Pal. Pal. Pal. Pal. Pal.
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Angarano Giulio Capra Porto Barbarano Valmarana Thiene
Friedrich II. konnte nicht wissen, daß einige Projekte für Vicenza nicht ausgeführt worden sind. Er baute allein nach den Vorlagewerken und verwirklichte damit in Potsdam Pläne Palladios, die in Vicenza unerfüllt blieben. Algarotti begleitete die Potsdamer Architekturentwicklung mit gleichbleibender Aufmerksamkeit. Wir kennen von ihm einen Brief, den er am 4. August 1751 schrieb, in dem es unter anderem heißt: „Potzdam va devenir une école d'architecture autant qu'il est une école de guerre. C'est ainsi que le champ de Mars étoit orné d'édifices superbes, et que des guerriers poudreux se mettoient à l'ombre d'un portique qui étoit en même temps dessiné par un apprentif Apollodore . . . " Der König antwortete darauf: „C'est un soin dont je vous suis obligé. Je placerai volontiers ces ouvrages dans ma bibliothèque. Tout ce qui est bon, a chez moi droit de bourgeoisie, et vous savez que je n'ai là-dessus de préjugés ni pour les pays, ni pour les auteurs." 6 Bielfeld berichtet uns in einem Brief vom 19. November 1754 von einer städtebaulichen Eigenart Potsdams: „A l'ancien Quartier Hollandois on en a ajouté deux autres, dont l'un est le Quartier François, habité par des Réfugiés, & l'autre le Quartier Italien le plus près du Château. Dans le premier les bâtimens imitent l'Architecture Françoise, & dans le dernier l'on ne voit que des façades à l'Italienne, dont les desseins sont tirés de Vitruve, de Palladio, der Michel Ange, de Scamozzi, & des plus célèbres Architectes de cette Nation." 7 Diese Mitteilung ist überraschend, denn eine Überprüfung der in Potsdam entstandenen Architektur nach fremden Vorlagen ergibt, daß ein dem holländischen Viertel vergleichbares Stadtviertel mit Nachahmungen italienischer Baukunst ebensowenig zustande gekommen ist wie ein Viertel mit französischen Kopien. Allenfalls kann man den Alten Markt als einen Platz ansehen, dessen architektonische Einfassung von mehreren italienischen Fassaden bestimmt wurde. Im Süden bildete das Stadtschloß die Grenze. Die Ostseite des Alten Marktes wurde beherrscht durch eine Nachbildung des Pal. Barberini in Rom. Gleich daneben baute Knobeisdorff 1750 ein Haus, dessen Fassadenentwurf durch den Vitruvius Britannicus angeregt worden sein dürfte (Brauerstraße 10). Neben einem älteren Zwischenbau sehen wir dann links das 6 7
A. a. O., S. 86 f. B i e 1 f e 1 d , Lettres familières et autres, La Haye 1743, S. 324.
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FRIEDRICH MIELKE
Rathaus, für dessen Fassade der nicht ausgeführte Palazzo Angarano Pate gestanden hat. Der Atlas auf der Kuppel ist jedoch durch das Amsterdamer Rathaus inspiriert. Links vom Rathaus entstand 1750 eine Kopie des römischen Palastes della Sagra Consulta sul Quirinale, die Knobeisdorff ausführte. Für die anschließenden Häuser wählte der König keine besonderen Fassaden aus, weil sie vom Schlosse her wenig oder gar nicht zu sehen waren. Ihm kam es nicht darauf an, den Bürgern Paläste zu bauen, in denen sie wie Standespersonen leben konnten, sondern ihn interessierten diejenigen Häuser, die für ihn ganz persönlich sichtbar waren. Jene Häuser aber an der Nordseite des Alten Marktes wurden durch die Nikolaikirche verdeckt. Die Front der alten, 1721 bis 1724 entstandenen Nikolaikirche, die dem Stadtschloß zugewendet ist, ließ der König 1753 mit einem prächtigen Portal versehen, das der 1743 von Ferdinando Fuga begonnenen Fassade von Santa Maria Maggiore in Rom nachgebildet wurde. Friedrich II. hat sein Interesse also nicht nur der älteren Baukunst der Renaissance zugewendet, sondern war auch darauf bedacht, die neuesten Werke der italienischen Architektur für die Verschönerung Potsdams nutzbar zu machen. Dort, wo die Nikolaikirche den Blick vom Schloß her auf die Häuserfront des Platzes wieder freigibt, befahl der König zwei Eckhäuser nach Entwürfen Palladios zu errichten. Das eine ist eine Nachbildung des Pal. Giulio Capra, das andere entspricht dem Pal. Porto Barbarano. Die fünf anschließenden Häuser an der Westseite des Alten Marktes sind von einem sonst nicht weiter bekannten französischen Architekten namens Roland gebaut worden. Das Eckhaus aber, das mit dem Schloß korrespondiert, zeigt wieder die akademischen Formen des englischen Palladianismus. Damit ist unser Rundgang um den Alten Markt beendet. Immerhin waren es drei Fassaden, die dem Werk Palladios so genau, wie es die Potsdamer Verhältnisse zulassen, nachgebildet sind. Dazu kommen zwei andere Bauten, die dem Kreis des englischen Palladianismus nahestehen. Die übrigen beiden Nachahmungen palladianischer Paläste, die wir schon kennengelernt haben, befinden sich, etwas weiter entfernt, in anderen Gebieten der Stadt. Der aufmerksame Beobachter bemerkt, daß in Potsdam wohl nach Originalentwürfen Palladios gebaut worden ist, daß die Kopien jedoch unter den Händen deutscher Baumeister einen anderen Charakter erhalten haben. Diese Wandlung in der architektonischen Interpretation des gezeichneten Entwurfes hat mehrere Ursachen. 1. Seit Palladio waren zur Zeit Friedrichs II. von Preußen nahezu zwei Jahrhunderte vergangen. Der Wandel des Geschmacks und des architektonischen Gefühls konnte nicht ohne Einfluß auf die Nachahmungen bleiben.
PALLADIO U N D POTSDAM
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In Potsdam mußte die Ausführung der Entwürfe Palladios barocker sein als in Vicenza. 2. Palladio hat seine Entwürfe nicht nur f ü r eine Fassade, sondern für ein ganzes Haus gemacht. Fassade und Haus bilden bei ihm eine architektonische Einheit, die auf die Ansprüche des Besitzers zugeschnitten ist. In Potsdam wurde nicht der von Palladio entworfene Baukörper, sondern nur die Fassade benötigt. Die Fassade ist aber nur Schauseite, die allein der Ansicht von der Straße zu dienen hat. Während der Fassadenentwurf Palladios f ü r einen Palast bestimmt ist, in dem die Fenster des piano nobile seine gesellschaftliche Rolle dokumentieren, muß gerade diese Einteilung der Geschosse bürgerlichen Wohnzwecken zum Verhängnis werden. Es ist verständlich, daß das piano nobile f ü r den Gebrauch des einfachen Bürgers viel zu hoch ist und daß die Mezzaningeschosse zu niedrig sind. Die vom König anbefohlene Fassade wurde zur Zwangsjacke, in die der Bürger als Hauseigentümer sich pressen lassen mußte. Heinrich Ludewig Manger, der dem König Friedrich II. seit 1753 als Baumeister gedient hat und der die architektonische Entwicklung der Stadt aus eigenem Erleben in einem dreibändigen Werk beschrieben hat, mokierte sich über diese Bauweise und berichtet: „ . . . so konnte es gar nicht anders geschehen, als daß die Fenster der untern Geschosse bis an die Decke reichten, die sidh denn oben wieder vom Fußboden ohne eine Brüstung anfingen. Bey ersteren mußten also an den Fenstern Estraden angebracht werden, um darauf die Helle des Tages zu genießen; bey denen darüber aber mußten es sich die Bewohner gefallen lassen, sich an denselben sogut, als sie konnten, auf den Fußboden zu lagern, um Lesen, Schreiben oder andere Arbeiten verrichten zu können, zu denen am Tage Tageslicht erfordert wird." 8 3. Es hätte ein Zufall sein müssen, wenn die in Potsdam verfügbaren Bauplätze genauso groß gewesen wären wie die entsprechenden Bauplätze der Vorbilder im Ausland. Daraus ergaben sich Konsequenzen, die bei der Nachahmung zu neuartigen Lösungen führen mußten. Wählen wir als Beispiel die Nachahmung des Pal. Thiene in Potsdam Am Neuen Markt 5. Zunächst fällt auf, daß der groß angelegte, auf zwölf Achsen berechnete Entwurf Palladios in Potsdam zu einer Fassade von nur fünf Achsen geworden ist. In der Ausgabe der Quattro libri von 1581 sind allerdings auch nur zwei Achsen dargestellt. Man merkt es dem Potsdamer Bau an, daß seine Fassade gleichsam aus einer längeren Folge von Achsen herausgeschnitten ist. Die Fassade ist nicht eigenständig komponiert. Der Potsdamer Architekt 8
M a n g e r , a. a. O., Bd. 1, S. 173.
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hat das architektonische System der Vorlage nur kopiert und vervielfältigt. Diese Kopie ist in vielen Einzelheiten recht genau, an anderen Details ist zu erkennen, daß die Vorlage für Potsdamer Verhältnisse modifiziert werden mußte. Bekanntlich hat Palladio seinen Entwürfen das Maß des Vicentiner Fußes = 0,358 m zugrunde gelegt. Es mag sein, daß man in Potsdam das genaue Maß eines Vicentiner Fußes nicht kannte, jedenfalls hat man sich nicht bemüht, es zu benutzen. Die Potsdamer Fassade ist nach der in Potsdam ge-
Potsdam, Am Neuen Markt 5 J. G. Büring 1755, Kopie nach A. Palladio, Pal. Thiene in Vicenza
bräuchlichen Maßeinheit des rheinischen Fußes = 0,3138 m konzipiert. Die Proportionen entsprechen denjenigen, die Palladio vorgeschrieben hat. Die Potsdamer Nachbildung ist also um so viel kleiner, als das Maß des rheinischen Fußes kleiner ist als der Vicentiner Fuß.* Eine genaue Ubereinstimmung gibt es in der Schichtenteilung des Obergeschosses, in der Ausbildung der Fensterverdachungen und des Frieses unter dem Architrav. Mezzaninfenster unter dem Girlandenfries hatte Palladio 9 Die folgenden Proportionsuntersuchungen am Haus Neuer Markt 5 wurden im Rahmen einer Studienarbeit am Lehrstuhl für Photogrammetrie und im Lehrgebiet Denkmalpflege der T U Berlin von den Studenten Anna-Christiane Viebig und Wolf Koenig durchgeführt.
PALLADIO UND POTSDAM
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nicht vorgesehen. In der Hauptgesimszone wurde die Höhe des Kranzgesimses etwas verändert. Bei der größeren Länge der Fassade in Vicenza konnte das Hauptgesims mit Architrav etwas niedriger sein als in Potsdam. In Potsdam brauchte die kurze Fassade von nur fünf Achsen einen kräftigeren Abschluß. Das Vorbild für das stärkere Gesims mit kräftigen Konsolen fand man am Pal. Valmarana. Das Hauptgesims mit Unterglied, aber ohne Architrav, ist in Potsdam um 22,5 cm stärker als es in der Zeichnung Palladios angegeben ist. Kleine Differenzen gibt es auch bei den Fenstern. Während Palladio für die Fenster des Hauptgeschosses ein genaues Verhältnis von 4:8 Fuß = 1:2 bestimmt, sind in Potsdam die Hauptgeschoßfenster um c a . 1 / 2 Fuß höher. Sie messen also 8 1 / 2 Fuß. Dagegen sind die von Palladio auf 8 1 / 2 Fuß berechneten Erdgeschoßfenster in Potsdam genau 8 Fuß hoch gemacht worden. Sie haben also das genaue Verhältnis von 4:8 Fuß = 1:2, das Palladio für die Obergeschoßfenster vorgesehen hatte. Abweichungen vom Originalplan wurden in Potsdam vor allem unterhalb des Gurtgesimses notwendig. Die in Palladios Zeichnung blinden Lünetten sind in Potsdam zu Fenstern für ein Mezzaningeschoß geworden. Sie haben aber, genau wie bei Palladio, das Maß einer Fensterbreite = 4 Fuß zum Radius. Um Platz für die Geschoßdecke zu bekommen, mußte die in Vicenza nur schmale Zone zwischen Lünette und Fenstersturz des Erdgeschosses auf die Höhe von zwei Schichten der Rustikaquaderung vergrößert werden. Ein Problem besonderer Art stellte die Einfügung des Tores dar. Palladio hatte einen großen Bogen vorgesehen, der sich der Rundung der Lünetten anschließt. Eine solche Lösung war in Potsdam nicht möglich, weil das eingefügte Mezzaningeschoß berücksichtigt werden mußte. Man half sich, indem man die Breite des Tores dem Durchmesser der Lünetten gleichmachte und den Sturz über dem Tor waagerecht ließ wie bei den Erdgeschoßfenstern. Damit war das Problem im Prinzip gelöst, ohne Kompromisse eingehen zu müssen, welche die Proportionen, auf welche es ja ankommt, entscheidend verändern. Eine grundsätzlich andere Situation als in Vicenza ergab sich durdi die städtebauliche Stellung der Kopien in Potsdam. Im Heimatort Palladios können seine Fassaden oft nicht richtig gewürdigt werden, weil die Enge der Straßen keine Distanz des Standpunktes zuläßt, die einen Uberblick gestattet. In Potsdam dagegen sind die Straßen breit, sehr breit sogar, und es gibt viele Stellen, die sich für einen point de vue anbieten. Bei der Betrachtung des Alten Marktes haben wir bereits gesehen, daß der König großen Wert darauf legte, alle bedeutsamen Fassaden in seinem unmittelbaren Blickfeld zu haben.
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1755 wurde die Kopie des Pal. Thiene als erster und einziger Neubau an einer Stelle des Neuen Marktes errichtet, die von der Schloßstraße als point de vue wirkt. Erst 1773, 18 Jahre später, entstanden die Nachbarhäuser, die von der Schloßstraße her nicht sichtbar sind. Ähnlich geschah es mit der Kopie des Pal. Valmarana, die ihren Platz an einer Straßenecke bekam, wo sie sich besonders wirkungsvoll ausnimmt und schon von weitem gesehen werden kann. Diese auf Fernsicht berechnete Anordnung der Repräsentativbauten hat selbstverständlich andere architektonische Konsequenzen, als sie sich in der Enge der Straßen von Vicenza ergeben. Diese Konsequenzen wirken sich weniger in der Proportion der Fassade aus als vielmehr in der plastischen Behandlung der Dekoration sowie in der Ausbildung der Sockel und der Attikazone. Eine so lebhafte Gestik der Figuren wie auf der Attika der Potsdamer Nachbildung des Pal. Angarano oder auf der Kopie des Pal. Valmarana wäre in Vicenza wirkungslos. Den Nachahmungen von Originalentwürfen Palladios sind einige Kopien an die Seite zu setzen, die der Palladianischen Architektur im weiteren Sinne zugehören. 1754 entstand in der Humboldtstraße 3 eine Kopie des Pal. Pompei in Verona von Sanmicheli, dem Zeitgenossen und Gesinnungsfreund Palladios. 1755 bekam der im Vitruvius Britannicus veröffentlichte Entwurf des Lord Burlington für General Wade ein fast gleichgroßes Gegenstück in Potsdam am Blücherplatz 2. 1769 endlich mußte Georg Christian Unger, ein Schüler des bekannten Architekten Carl von Gontard, die Architektur des Schlosses Whitehall von Inigo Jones benutzen, um in Potsdam damit zwei Wohnhäuser zu dekorieren. Die Nachbildung ist nicht getreu. Der Architekt konnte den riesenhaften englischen Palast selbstverständlich nicht kopieren, sondern mußte sich damit begnügen, eine neue Gebäudegruppe nach dem von Inigo Jones entworfenen architektonischen System zu komponieren. Die Proportionen des Baues in Potsdam sind deshalb viel gedrückter als in der Vorlage. Das Schloß Whitehall sollte eine Länge von 1151 englischen Fuß bekommen, das sind mehr als 370 m. Das Potsdamer Bauwerk hat nur eine Gesamtlänge von 56 1 / 2 m. Der Achsabstand war von Inigo Jones auf etwa 5,78 m berechnet worden, in Potsdam reichte der Platz nur für ein Achsmaß von 3,10 m. Interessant ist die Farbgebung der Fassade. Die geputzten Rücklagen waren ursprünglich rot gestrichen, als ob sie aus unverputzten Ziegeln wären, alle plastischen Architekturteile bekamen den hellen Ton des Sandsteines. Die Anlehnung an englische Vorbilder ist offenkundig. Wir hatten dergleichen bereits beim Stadtschloß kennengelernt.
PALLADIO U N D POTSDAM
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Gegen Ende seines Lebens, fünf Jahre vor seinem Tode, griff Friedrich II. noch einmal auf eine Originalvorlage aus Vicenza zurück. Etwa zwischen 1734 und 1737 hatte der als Soldatenkönig bekannte Friedridi Wilhelm I. in unmittelbarer Nähe der Garnisonkirche ein langes Gebäude aus Fachwerk erbauen lassen, in dem bei schlechtem Wetter die Soldaten exerziert wurden. Weil das Gebäude so sehr lang ist, sprach man in Potsdam nur von dem Langen Stall. In der seit 1748 mit prächtigen Fassaden geschmückten Stadt machte der alte Bau aus Fachwerk einen schlechten Eindruck. Deshalb ließ der König 1781 eine Schaufront davor setzen, die, so vermuten wir, der Loggia Valmarana in Vicenza, auch Casa Valmarana dal Giardino genannt, nachgebildet wurde. Baumeister war wiederum Georg Christian Unger. War 1769 aus dem englischen Vorbild eine recht wenig englische Variante mit Potsdamer Details geworden, so wird eine ähnliche Wandlung auch bei der Fassade vor dem Langen Stall deutlich. Stilistisch zeigt sie die typischen Charakteristika der sogenannten „Zopfarchitektur", welche seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges, also etwa seit 1763, in Potsdam vorherrschte. Die palladianische Anregung ist jedoch unverkennbar. Sie gab den Impuls für eine Nachschöpfung, die sich in der plastischen Behandlung der Grundlage viele Freiheiten erlaubt. Schließen wir die Betrachtungen über die Epoche Friedrichs II. ab mit einem Zitat, das wir einem Brief Algarottis entnehmen: „En Allemagne un très grand Prince décore une ville qui est l'école de Mars, d'édifices semblables à ceux qui font le plus bel ornement de Rome et de Vicenze, et il ne dédaigne pas de manier la règle et le compas de la même main dont il manie si bien la plume et l'épée." 10 Die Regierungszeit König Friedrichs II. (1740—1786) war ein Höhepunkt in der Nachahmung Palladios. Wenn nach 1786 auch weitaus weniger in Potsdam gebaut wurde, so waren der Name und das Vorbild Palladios darum nicht vergessen. Als der Nachfolger Friedrichs II., König Friedrich Wilhelm II., sich von 1787 bis 1790 ein eigenes Schlößchen in der Nähe Potsdams baute, griff auch er auf den englischen Palladianismus zurück. Das Marmorpalais entspricht dem Typ eines Kasinos von quadratischem Grundriß, wie er z. B. der Villa Rotonda zugrunde liegt. In Potsdam fehlen, wie auch bei englischen Vorbildern, die vier Tempelfronten. Zunächst stand das Marmorpalais ganz allein am Ufer des Heiligen Sees. Erst 1797/98 und 1844—1846 sind die Seitenflügel mit den im Viertelkreis geführten Verbindungsgängen angebaut worden. 10
P. S e i d e l , Friedrich der Große und die Bildende Kunst, Leipzig und Berlin 1924, S. 137 f.
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Sehr ähnliche Grundrißlösungen findet man bei Palladio und im Vitruvius Britannicus. 11 In dem dann folgenden halben Jahrhundert ist in Potsdam wenig Bedeutendes gebaut worden. Erst 1840, mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV., wurden wieder große architektonische Projekte entworfen und ausgeführt. Er war entschlossen, Potsdam mit seiner Umgebung „in das herrlichste und grandioseste, malerisch große lebende Landschaftsgemälde zu verwandeln". Dem Geiste seiner Zeit folgend, schwärmte er für die Antike in den Formen der italienischen Renaissance. Er liebte Raffael leidenschaftlich und ließ sich von der Architektur der römischen Villen Madama und Medici und von dem Kasino der Villa Pamphili inspirieren. Die Arnofassade der Florentiner Uffizien bot ihm das Palladiomotiv, und er verwendete es mehrfach bei seiner größten Schöpfung, der Orangerie im Park von Sanssouci. Der Park von Sanssouci mit den Bauten Friedrichs II. ist für jenen König, der genau 100 Jahre später den preußischen Thron bestieg, zu einem Stimulans geworden. Uberall fühlte er die Herausforderung, sich künstlerisch mit den Werken seines großen Ahnen auseinanderzusetzen. Selbst die nähere Umgebung des Parkes bezog er in seine Pläne mit ein, und er erließ Sondervorschriften für die künstlerische Ausgestaltung des dem Park benachbarten Teiles der Stadt Potsdam. Von seinem Architekten Ludwig Persius verlangte er den Entwurf eines einheitlichen Bebauungsplanes, der für den Luisenplatz vor dem Brandenburger Tor Palladianische Häuserfronten vorsehen sollte. Wenn ein solcher Entwurf auch nicht ausgeführt wurde, so ist doch erkennbar, daß Palladio für die Stadt Potsdam, die eine Stadt der schönen Architektur sein sollte, zum Schutzheiligen geworden ist, dem sie unendlich viel verdankt.
11
A. Palladio: Die Villen Trissino in Meledo, Thiene in Cicogna, Foscarini in StrL — C. Campbell, Vitruvius Britannicus or the British Architect, London 1731, Bd. I, p. 43, Bd. II, p. 46 £., 70.
BUCHBESPRECHUNGEN A. ALLGEMEINES
1. Hilfsmittel, Fest- und Sammelschriften Friedrich, BOOMS, Hans, u. Heinz BOBERACH: Das Bundesarchiv und seine Bestände. - Boppard a. Rh.: Harald Boldt 1961. 211 S., 10 Abb. = Schriften d. Bundesarchivs, 10. DM 15,— . FACIUS,
Die hier noch anzuzeigende Bestandsübersicht des Bundesarchivs, das 1950 gegründet wurde und 1952 zu arbeiten begonnen hat, gibt einen Uberblick über das Ergebnis zehnjähriger Aufbauarbeit, über die Sammlung von Beständen verschiedenster Provenienz in der Nachfolge des Reichsarchivs und des Potsdamer Heeresarchivs. Die Gliederung, aus Gründen der Übersichtlichkeit und Benutzbarkeit an die Epochenjahre 1867 und 1945 angelehnt, entspricht nicht der Tektonik des Archivkörpers. Die hier besonders interessierenden preußischen Bestände des Bundesarchivs (Preuß. Justizministerium, Finanzministerium, Nachlässe und Deposita) sind inzwischen dem Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem zurückgegeben worden. Eine besondere Abteilung innerhalb der Übersicht nimmt das „Schriftgut militärischer Dienststellen und Einheiten Preußens und des Deutschen Reiches" ein (S. 97—113). Diese Bestände befinden sich heute im Bundesarchiv/Militärarchiv in Freiburg. Die beiden Bestandsgruppen „Obere preußische Militärbehörden" (H 02) und „Einzelne Truppenteile der preußischen Armee" (H 03) sollten ebenfalls dem Zentralarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zurückgegeben werden. Im letzten Teil werden Schriftgut von Parteien und Verbänden, Nachlässe, Zeitgeschichtliche Sammlungen, Karten, Bilder, Schaufilme und Tonträger sowie Bestände aus der Zeit nach 1945 verzeichnet. Da in den vergangenen Jahren erhebliche Umgliederungen der Bestände vorgenommen worden sind, sollte das Bundesarchiv so bald wie möglich eine verbesserte und erweiterte Neuauflage veröffentlichen. Berlin
Gerd Heinrieb
KOSZYK, Kurt: Die Presse der deutschen Sozialdemokratie. Eine Bibliographie. Unter Mitarb. von Gerhard Eisfeld. Im Namen d. Vorstandes d. Friedrich-EbertStiftung hrsg. von Fritz Heine. — Hannover: Verl. f. Literatur u. Zeitgeschehen 1966. 404 S. (Schriftenreihe d. Forschungsinstituts d. Friedrich-Ebert-Stiftung. B. Historisch-Polit. Schriften.) DM 54,— .
Für die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung hat die sozialistische Presse eine außerordentliche Bedeutung, einmal, weil viele Primärquellen nicht mehr greifbar sind, und zum anderen, weil die meisten führenden Sozialdemokraten lange Jahre Redakteure einer Parteizeitung waren und die Parteidiskussion weitgehend von den Parteizeitungen bestimmt
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BUCHBESPRECHUNGSTEIL,
ALLGEMEINES
wurde; man denke etwa nur an den in aller Offenheit ausgetragenen Revisionismusstreik. Die Erschließung dieses weit verstreuten Materials — die Partei verfügte über bis zu 200 Zeitungen — wird durch diesen Bd. wesentlich erleichtert und dem Historiker ein wichtiges Hilfsmittel an die Hand gegeben. Die Festgabe zum 60. Geburtstag Alfred Naus, des Schatzmeisters der SPD, wird von Kurt Koszyk mit einer knappen, 50 S. umfassenden, auf Anmerkungen verzichtenden Darstellung der „Grundzüge einer Geschichte der Sozialdemokratischen Presse" eingeleitet. K. verbindet allgemeine Partei- und Pressegeschichte auf recht informative Weise. Er zeigt, daß die Probleme der Parteipresse in ihrem Verhältnis zu Aufmachung, Agitation und Anzeigen von Anfang an bestanden. Verglichen mit den noch vorhandenen kläglichen Resten des Presseimperiums der SPD wird das einstmals blühende publizistische Leben der Partei deutlich, so etwa wenn man von der Auflage von 380000 (1912) des „Wahren Jacob", dem Unterhaltungsblatt der SPD, und den hohen Gewinnen, die er abwarf, liest. Zweifellos lag der Höhepunkt der Parteipresse wie der Partei selbst 1912 — 1914 mit insgesamt 91 Zeitungen und 1,5 Millionen Abonnenten bei 1,1 Millionen Parteimitgliedern. Zwar erreichte die Abonnentenzahl 1919 kurzfristig 1,7 Millionen, kam dann aber selbst 1929 bei über 200 Zeitungen — eine Folge der Erschließung des flachen Landes — nicht mehr über 1,3 Millionen. Trotzdem erscheint K.s Vergleich von Wähler- und Abonnentenzahlen vor und nach dem Krieg nicht schlüssig. Zwar stieg die Wählerzahl von (1912) 4,25 Mill. auf (1919) 11,4 Mill., doch waren in letzterer Zahl auch die erstmals wählenden Frauen enthalten, so daß die Zahl der sozialdemokratisch wählenden Haushalte selbst bei der Uberzahl männlicher SPD-Wähler nicht so stark stieg, denn immerhin bedeuteten doch 1,7 Mill. Abonnenten etwa 5 Mill. Leser. Die Darstellung K.s über den Kapp-Lüttwitz-Putsch bedarf insofern der Ergänzung, als der Generalstreik gegen den Putsch so radikal durchgeführt wurde, daß es nicht einmal der Streikleitung unter Legien gelang, die Streikenden zum Druck eines Mitteilungsblatts der Streikleitung zu bewegen, was einer der Hauptgründe dafür war, daß der Generalstreik den Händen der Gewerkschaften entglitt. Das von Gerhard Eisfeld zusammengestellte Titelverzeichnis der Sozialdemokratischen Presse 1863—1945 kann naturgemäß keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Der Rez. hat das Werk für den Anmerkungsapparat einer Memoirenedition häufiger benutzt und zahlreiche Titel nicht verzeichnet gefunden. Obwohl Eisfeld sich ausdrücklich nicht auf die offiziellen Organe der Partei und ihrer Nebenorganisationen beschränkt, so fehlen doch die meisten der für die Partei teilweise stark meinungsbildenden privaten Pressekorrespondenzen, selbst die von K. erwähnte Friedrich Stampfers. Auch die Gewerkschaftspresse erscheint ziemlich lückenhaft, ebenso Organe des Arbeitersports und der Naturfreundebewegung. Für eine Neuauflage wäre eine Verbreiterung der Erhebungsbasis zu wünschen, auch zahlreiche Angaben über Redakteure und Auflagenhöhen ließen sich dadurch nachtragen. Im 3. Teil des Bd.es gibt K. eine ausführliche bis 1966 reichende chronologische Bibliographie der „Veröffentlichungen über die Sozialdemokratische Presse". Angesichts des stattlichen Preises des Bd.es muß man allerdings feststellen, daß sich die 2006 Titel statt auf 207 auch auf 120 S. hätten abdrucken lassen, da die Repräsentativität einer Festgabe ja nicht vom unbedruckten Papier abhängig sein sollte. Berlin
Hans H. Biegert
STOLBERG, Friedrich: Befestigungsanlagen im und am Harz von der Frühgeschichte bis zur Neuzeit. Ein Handbuch. — Hildesheim: Lax 1968. X, 448 S.,
HILFSMITTEL, FEST- UND SAMMELSCHRIFTEN
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1 Übersichtskt., zahlr. Grundrisse = Forsch, u. Quellen zur Gesch. d. Harzgebietes 9. DM24,-. Ein spezielles Burgenlexikon für den Harzraum und seine engeren Randgebiete fehlte bisher. Das ist um so bedauerlicher, als der Harz mit seinen geschichtsträchtigen Reichsgutkomplexen und mit seinen alten Allodialherrschaften sich wie kaum ein anderer begehrter Herrschaftsraum für eine vergleichende verfassungs- und kunstgeschichtliche Burgenforschung anbietet. Mit dem durch zahlreiche Grundrisse und Skizzen erläuterten Werk von Stolberg, dessen Anfänge (Burgenkartei des Harzes) noch in die Jahre nach dem 1. Weltkrieg zurückreichen, wird diese Lücke weitgehend geschlossen, nachdem besonders durch die Arbeiten von Wäscher (1962) und P. Grimm (1958) für die östliche Harzseite gute Vorarbeiten zur zusätzlichen Auswertung bereitgestellt worden waren. Der Katalog, der nur durch ein kurzes Vorwort (VI—X) eingeleitet wird, erschließt das gesamte Gebiet des Harzrumpfes und der mit „dem Kernharz geopolitisch verketteten Landschaften". Die bearbeitete Fläche reicht von Heldrungen und Bleicherode im äußersten Südharz bzw. der Goldenen Aue bis nach Ohrum und Lichtenberg (Kr. Salzgitter-Watenstedt), von Seesen im Westen bis nach Sandersleben und Seeburg (Kr. Eisleben) im Osten. Unter „Burg" wird die in sich abgeschlossene Einzelbefestigung selbständigen Charakters verstanden. Demgemäß wurden Landwehren, Teile von Stadtbefestigungen und Wohnschloßbauten ohne fortifikatorischen Charakter nicht aufgenommen. Zeitlich umfaßt der Katalog auch die vor- und frühgeschichtlichen Wallanlagen und reicht bis zu den festen Renaissance- und Barockschlössern, ja vereinzelt bis zu Schanzen des 18. Jh.s. Zweckmäßigerweise wurde auf eine Aufgliederung nach Typen zugunsten einer alphabetischen Reihenfolge verzichtet. Verständlicherweise sind die Angaben wesentlich ausführlicher als in dem vor- und frühgeschichtlichen Inventar von Grimm (1958), der das vorliegende Werk im übrigen über seine grundlegenden Veröffentlichungen hinaus mit zahlreichen Hinweisen gefördert hat. Die Einzelangaben umfassen die Abschnitte: Gemarkung, Name, Meßtischblatt, allgemeine und örtliche Lage, Baugrund, Baumaterial, Beschreibung, Geschichte, Funde, Quellen und Literaturangaben. Auf die Funktion der Burg, ihren Standort im jeweiligen machtpolitischen und verfassungsrechtlichen Kraftfeld konnte im Rahmen eines solchen Sammelwerkes nicht eingegangen werden. Die Literaturangaben sind, wohl infolge der langgestreckten Entstehung des Werkes, nicht ganz gleichmäßig und vollständig. Man vermißt Hinweise auf neuere Arbeiten z. B. bei Arnstedt-Arnstein, bei Werla (Berges/Gauert) oder auch Hinweise auf Arbeiten von H. Patze. Eine kritische knappe Bewertung und Referierung von Forschungskontroversen, die auch in dem begrenzten Rahmen eines solchen Inventars möglich gewesen wäre, lag nicht in der Absicht des Vf.s. Auf der im ganzen gelungenen Übersichtskarte ist für Werla irrtümlich 469 statt 470 eingetragen worden. Das „Register" wiederholt lediglich die ohnehin alphabetisch angeordneten Burgorte und liefert Verweise. Besser wäre ein Personennamen- und Sachregister gewesen. Insgesamt jedoch ist mit diesem Werk der Forschung ein nützliches Hilfsmittel an die Hand gegeben worden, das unter Umständen nach einem Jahrzehnt eine verbesserte und erweiterte Neuauflage erleben sollte. Berlin
Gerd Heinrich
Wege und Forschungen der Agrargeschichte. Festschrift z. 65. Geburtstag von Günther Franz. Hrsg. von Heinz Haushofer u. Willi A. Boelcke. — Frankfurt/M.: DLG-Verl. 1967. 304 S. DM 39,80. Die umfassende wissenschaftliche Leistung von Günther Franz gehört zwar nicht ausschließlich, aber doch zum guten Teil und mit für ihn zentralen Fragestellungen der Agrar22
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geschichte an. Davon gibt die dieser Festschrift beigegebene „Bibliographie Günther Franz" erfreulicherweise Kunde; sollte doch keine Festschrift ohne ein solches Schriftenverzeichnis des Gefeierten erscheinen. Erst dadurch wird, abgesehen von der allgemeinen Nützlichkeit, der innere Zusammenhang zwischen der Thematik des Gelehrten und seiner in der Festschrift vertretenen Freunde und Schüler voll sichtbar. Es geht hier um Agrargeschichte in vollem Sinn des Wortes. Der Gegenstand wird daher unter den verschiedenen Aspekten, den wirtschaftlichen wie den politisch-sozialen und rechtlichen behandelt. Zudem umfassen die 22 Beiträge deutscher und ausländischer Mitarbeiter den ganzen Zeitraum vom hohen Mittelalter bis zur Gegenwart. Es ist nicht möglich, alle 22 Beiträge in gleicher Weise zu würdigen. Grundsätzliche Fragen behandeln K. B o s l , „Der Mensch und seine Werke", eine anthropologisch-humanistische Deutung seiner Geschichte, und W. J a c o b e i t , „Volkskunde und Agrargeschichte", der bemerkenswerte Feststellungen für das Verhältnis von Arbeitsgerät, Arbeitstechnik und bäuerlicher Wirtschaftsgesinnung bietet. K. B l a s c h k e stellt vorwiegend an sächsischem Material „Struktur- und Begriffswandel zwischen Agrar- und Industriegesellschaft" an dem Thema: „Vom Dorf zur Landgemeinde" dar. Im Vordergrund steht das eminente Anwachsen der gewerblichtätigen, nichtbäuerlichen Leute in den Dörfern und deren Wandlung zur Landgemeinde im Sinne des 19. Jh.s. Dazu halte man den Aufsatz von W. A. B o e l c k e „Wandlungen der dörflichen Sozialstruktur während Mittelalter und Neuzeit". Hier geht es um Aufkommen und Anwachsen einer unterbäuerlichen Schicht neben den Hufenbauern. Wichtig der Hinweis, daß die Quellen grundherrschaftlicher Herkunft (Urbare etc.) diese Leute nicht oder nicht ausreichend erkennen lassen. Die Arbeit geht von den Verhältnissen in der Lausitz aus, zieht aber zahlreiche andere Landschaften vergleichend heran. Dazu halte man U. P l a n c k s Beitrag „Hofstellenchronik von Bölgental 1650 — 1960". Hier wird ein einzelnes fränkisches Dorf, aber unter vielseitigen Gesichtspunkten, behandelt. Die Studie von K. A. E c k h a r d t , „Freibauern im Raum Eschwege", behandelt zwei bemerkenswerte Fälle. Unter den Zeugen aus den Orten Wanfried und Frieda erscheinen in einer Urkunde von 1342 drei Bauern mit dem sonst nur Geistlichen und Rittern zustehenden Prädikat „Herr", deren Nachkommen 30 Jahre später als Inhaber hessischer Mannlehen auftreten. Es handelt sich offenbar um „Altfreie", das heißt nicht erst im hohen Mittelalter angesetzte „Rodungsfreie". Der 2. Fall betrifft das Dorf Schlierbach, das bei der Auflösung des Reichsgutes in ungeklärter Rechtsstellung übrig geblieben war, 1354 aber vom Landgrafen von Hessen in seinen Schutz genommen wurde. Die landesherrlichen (schutzherrlichen) und die gemeindlichen Rechte wurden 1355 in einem vom Landgrafen beurkundeten Weistum festgelegt. Ein bemerkenswerter Beitrag zum Thema Herrschaft und Genossenschaft, das meines Erachtens mit der Formel „Eingliederung in einen bereits bestehenden Staat", geschweige denn mit einer Berufung auf Rousseau nicht ausreichend gekennzeichnet werden kann. Hier handelt es sich um Rodungsfreie. Die Vielschichtigkeit des Themas „freie Bauern" tritt auch hier hervor wie die Funktion von „Schutz und Schirm" in Herrschaftsstrukturen aller Art. Das zeigt auch der Beitrag von P. B l i c k l e , „Leibherrschaft als Instrument der Territorialpolitik im Allgäu, Grundlagen der Landeshoheit der Klöster Kempten und Ottobeuren". Die Leibeigenen waren hier freizügig, aber die Leibherrschaft zog die Gerichts-, Steuer- und Wehrhoheit nach sich. Das führt zu einer Streulage der „Landeshoheit" (wenn man diesen Terminus hier anwenden will), die Kempten bis 1560 durch Tauschverträge, aber auch durch Herabdrückung der Freien und Freizinser zu Leibeigenen und damit zu territorialen Untertanen überwand, während in Ottobeuren die „Grundherrschaft" (im engeren Sinn des Wortes) und die darauf aufgebaute Dorfherrschaft zur territorialen Untertänigkeit führte. Hier sei auch auf P. Blickles Studie, Die Landstandschaft der Kemptener
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Bauern (Zeitschr. f. bayerische Landesgeschichte 30, 1967) verwiesen, die sowohl die älteren Grundlagen wie den Strukturwandel des 17. und 18. Jh.s schildert, der Tendenzen zu modernerer Staatlichkeit, wie das Hervortreten einer organisierten „Landschaft" mit sich bringt. Kann die Stellung der Bauern ohne eingehende Berücksichtigung der „Verfassung" der Herrschaftsgebilde verschiedener Art nicht erfaßt werden, so sind die wirtschaftlichen Probleme nicht minder wichtig. W. A b e l handelt von „Preis-, Lohn- und Agrargeschichte" und verweist auf das in Göttingen deponierte Material, das M. J. Elsaß zur deutschen Preisgeschichte zusammentrug. G. Franz („Grangien und Landsiedel") gibt eine eingehende, sehr instruktive Darstellung des Wandels des grundherrschaftlichen Gefüges und der Wirtschaft des Zisterzienserklosters Haina bei Marburg von den Anfängen um 1140 bis zur Säkularisierung 1526; dabei treten ohne Zweifel typische Züge hervor, die man auch anderwärts finden wird. Ich verweise noch auf die vorsichtig kritische Skizze H. R ö ß l e r s über die „Wirkungen von 1525" und auf H. J ä g e r s Studie: „Der Dreißigjährige Krieg und die deutsche Kulturlandschaft", die sich auf Material aus dem Mainzer Erzstift stützt und das bekannte Buch von G. Franz ergänzt. Drei Untersuchungen gelten den Agrarreformen des 18. Jh.s: J. E r c z e g , „Die Theresianischen Reformen in Kroatien"; Fr. L ü t g e , „Die RobotAbolition unter Kaiser Joseph II.", der ein seit längerer Zeit wenig behandeltes Thema wieder aufnimmt, und H. H a u s h o f e r , „Das kaiserliche Pflügen". Es geht um das rituelle Pflügen des Kaisers von China, das wie andere ostasiatische Phänomene in Europa im 15. Jh. bekannt war und direkt oder indirekt auf das Pflügen des französischen Dauphins und Kaiser Josephs II., beide im Jahre 1769, eingewirkt haben, ostentative Handlungen, die aber die Lehren der Physiokraten und, wenigstens bei Joseph II., auch ein verändertes Verhältnis zur bäuerlichen Arbeit bestimmt hatten. Ein interessantes Beispiel, wie ein „Vorbild" in einer andersartigen Welt eine neue Funktion gewinnt. In diese Zeit der vordringenden Physiokratie führt auch die Studie von H. H. H o f m a n n über die „Preußische Landwirtschaftsförderung in Franken 1791—1806". Hier war unter Hardenberg auch dessen „Agrarexperte" Christian Friedrich Scharnweber (1770—1822) tätig, dessen Hauptleistung dann im Bereich der preußischen Agrarreform lag. Von ihm entwirft E. K l e i n eine biographische Skizze. Fr. Facius untersucht „Staat und Landwirtschaft 1780—1920 in Württemberg". Hier geht es um die Fragen: agrarische Interessenvertretung, Berufsorganisation und Selbstverwaltung. Dazu mag man die einen begrenzten, aber entscheidenden Zeitpunkt behandelnde Darstellung Hans B e y e r s über „Das Gewicht des bäuerlichen Elements bei der Neuordnung der Verwaltung Schleswig-Holsteins 1867" halten. Mehrere Beiträge, so die von Haushofer und Hofmann, ziehen die Agrarliteratur der von ihnen behandelten Zeit heran. In diesen Zusammenhang gehört die Studie von G. S c h r ö d e r L e m b k e über „Die Genesis des Colerschen Hausbuches", der im ausgehenden 16. Jh. entstandenen und oft aufgelegten „Oeconomia ruralis et domestica". Deutlich tritt dabei hervor, daß das darin enthaltene Quellenmaterial über die agrarischen Verhältnisse zeitlich und räumlich zu differenzieren ist. Der Berner Karl Albrecht Kasthofer hat in der 1. Hälfte des 19. Jh.s zahlreiche Schriften der Reform der schweizerischen Berglandwirtschaft gewidmet, deren Bedeutung von A. H a u s e r dargestellt wird. Abschließend behandelt S. v. F r a u e n d o r f e r die „Entwicklung der internationalen Agrardokumentation" von den „landwirtschaftlichen Biographien" des 18. Jh.s bis zur Gegenwart. Der Bd. enthält eine erstaunliche Fülle nicht nur neuen Materials, sondern auch neuer Fragestellungen, an die die Forschung wird anknüpfen können. München 21*
Otto Brunner
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Kartengeschichte und Kartenbearbeitung. Festschrift z. 80. Geburtstag von Wilhelm Bonacker. Hrsg. durch Karl-Heinz Meine. — Bad Godesberg: Kirschbaum Verl. 1968. 272 S. mit 30 Kt.tafeln, 61 Abb. im Text u. 12 Tab. DM 6 5 , - . Fülle und Breite des Inhalts dieser würdigen Gabe an Wilhelm Bonacker anläßlich seines 80. Geburtstages bieten einen tiefen Einblick sowohl in das Arbeitsgebiet des Jubilars als auch in die Problematik und nicht zuletzt in die Leistungen nahezu aller Bereiche der Kartographie. Nach einer Biographie Bonackers und dem Verzeichnis seiner Publikationen und in Vorbereitung befindlichen Schriften folgt das in zwei Hauptgruppen unterteilte Spektrum von Beiträgen, deren Bogen sich von historischen Karten des späten Mittelalters bis zu den thematischen Werken der Gegenwart erstreckt. An diesen beteiligten sich neben dem Hrsg. selbst H. Beck, E. Bernleithner, F. Böhnisch, W. M. Brod, A. de Smet, F. Grenacher, E. Krausen, C. Colman, R. A. Skelton, A. Dürst, E. Bratt, R. Oehme, W. W. Ristow, R. Kinauer, O. Regele, H. Bosse, E. Arnberger, U. Pesch, R. Böhme, H. Schiede, W. Leibbrand, I. B. F. Kormors, F. Aurada, H. Hinkel, A. Haule, U. Freitag, H.-P. Kosack, H. Ferschke, G. Engelmann. Aus dem reichhaltigen Material seien zwei Aufsätze herausgegriffen, die von ihrer Thematik auch und gerade den Historiker ansprechen: Zum einen der Beitrag von Ernst Bernleithner über Die Klosterneuburger Fridericuskarte von etwa 1421, dazu das „Korreferat" von Fritz Bönisch, zum anderen die Arbeit von Gerhard Engelmann über Die Kartographen und Kartenbearbeiter der Preußischen Urmeßtischblätter. Die beiden Aufsätze, die die mittelalterliche Klostergeographie und -kartographie zum Inhalt haben, geben interessante Aufschlüsse über die Methodik der Darstellung und Aufbereitung der topographischen Kenntnisse und deren räumlichen Horizont im 15. Jh. Auch beweist die Darlegung der Forschungsergebnisse durch Bernleithner und Bönisch, wie durch eine Kombination historischer und kartographisch-geographischer Arbeitsmethoden sich erfreuliche Erfolge einstellen. Besonders bemerkenswert an der Klosterneuburger Karte ist es, daß darin auch der Südostteil von Brandenburg erscheint. Es könnte ein lohnendes Unternehmen sein, dem noch intensiver nachzugehen. Auf einem anderen, bisher noch zu wenig beleuchteten Gebiet bewegt sich die Arbeit von Engelmann. An Hand seiner fundierten Kenntnis der Urmeßtischblätter liefert er einen gleichsam sozialgeschichtlichen Abriß der Mitarbeiter an diesem gewaltigen Unternehmen, als dessen Folge schließlich auch die sog. „Generalstabskarte" 1 : 100000 anzusprechen ist. Neben einer Fülle von biographischen Einzelheiten enthält dieser Beitrag die Bestätigung, daß die zweifache Aufgabe, die die Aufnahmen zu erfüllen hatten, nämlich Erstellung eines Kartenwerkes und Ausbildung der Generalstabsoffiziere, noch bis in die 2. Hälfte des 19. Jh.s bestand. Außerdem erfährt der „Stand" der preußischen Ingenieur-Geographen in seiner Bedeutung für die Militärkartographie eine späte Würdigung. Die Zusammenstellung so vieler und zugleich vielfältiger Beiträge zur Kartengeschichte und Kartenbearbeitung sollte nicht auf einen derartigen Anlaß, so berechtigt er hierbei auch war, beschränkt bleiben. Das Werk sei allen, die an Karten und der Kartographie mehr als nur ein flüchtiges Interesse haben — und zu diesen gehören nicht zuletzt Historiker — empfohlen. Berlin
Wolfgang Scharfe
BAUERMANN, Johannes: Von der Elbe bis zum Rhein. Aus d. Landesgeschichte Ostsachsens u. Westfalens. Gesammelte Studien. — Münster: Aschendorff 1968. 476 S. = Neue Münstersche Beiträge z. Geschichtsforschung, Bd. 11. DM 90,—. Die überarbeiteten und teilweise ergänzten, teilweise gekürzten Aufsätze von Johannes Bauermann, dem um die westfälische Landesgeschichte so vielfältig verdienten ehem. Mün-
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steraner Staatsarchivdirektor, enthalten aus dessen Magdeburger Dienstzeit einige Stücke, deren Wiederabdruck hier anzuzeigen ist. Bei der Biographie von Wilhelm Schum (Mitteidt. Lebensbilder, Bd. 5), des Editors der „Gesta archiepiscoporum Magdeburgensium", ist die Bibliographie gestrichen worden. — In dem wertvollen Aufsatz über „Umfang und Einteilung der Erzdiözese Magdeburg" (Zs. d. Ver. f. Kirchengesch. d. Prov. Sachsen 29, 1933) wäre ein Hinweis auf den Wiederabdruck der Diözesenkarte von Gottfried Wentz (nebst Text von Berent Schwineköper) im „Atlas des mittleren Saale- und Elbegebietes", Bl. 16, unumgänglich gewesen. — Weiterführende Gedanken zu dem Aufsatz „Erzbischof Norbert von Magdeburg" (Sachsen u. Anhalt 11, 1935) haben u. a. Wilhelm Berges und Hans-Dietrich Kahl geäußert. — Dem umfänglichen Aufsatz über „Die Anfänge der Prämonstratenserklöster Scheda und St. Wiperti-Quedlinburg" (ebda. 7, 1931), der bereits stark in der ostund westfälischen Landesgeschichte angesiedelt ist, wurde nunmehr „Das sogen. Allodienverzeichnis des Grafen Siegfried von Boyneburg" beigegeben, jedoch, soweit ich sehe, ohne Provenienzhinweis. Der wegen seiner Quellenhinweise unverändert beachtenswerte letzte Aufsatz (Der Anteil des Ministers v. d. Horst an J. G. Zimmermanns „Fragmenten über Friedrich den Großen") ist um die quellenanalytische Übersicht (FBPG 42, S. 23—30) gekürzt worden, worauf in zwei Anmerkungen kurz hingewiesen wird. — Es erhebt sich am Beispiel dieses Bd.es die generelle Frage, ob man bei Aufsatzsammelbd.en, die überwiegend für einen kleinen Spezialistenkreis bestimmt sind, Kürzungen von Text, Abbildungen oder Anlagen vornehmen sollte. Wenn Sammlungen von methodisch beispielhaften Studien einen Sinn haben, dann doch vor allem den, die Forschung zu erleichtern und zu beschleunigen. Berlin
Gerd Heinrich
Hans: Probleme der deutschen Sozialgeschichte. — Frankfurt/M.: Suhrkamp 1969. 147 S. = edition suhrkamp. 340. DM 3,—.
ROSENBERG,
H. Rosenberg hat unter diesem weitgespannten, aber sichtlich bewußt gewählten Titel drei Studien zur Problematik der deutschen Agrargeschichte vereinigt. Nur die erste von ihnen, die „Pseudodemokratisierung der Rittergutsbesitzerklasse", war bisher in deutscher Sprache (zuerst in: Festschrift für Hans Herzfeld, 1958) leicht zugänglich. Der Aufsatz: „Zur sozialen Funktion der Agrarpolitik im Zweiten Reich", 1969 geschrieben, geht auf eine völlig neubearbeitete Abhandlung im Journal of Economic History (Dezember 1949) zurück. Die Schlußabhandlung, eine besonders eingehende Auseinandersetzung mit den bisher vorliegenden Bd.en (Wilhelm Abel, Friedrich Lütge und Hans Haushofer) der durch Günther Franz herausgegebenen „Deutschen Agrargeschichte", zieht nicht ohne Anerkennung des bisher Geleisteten doch außerordentlich kritisch eine Gesamtbilanz zum gegenwärtigen Stande der deutschen Agrargeschichtsforschung, die — dem Titel entsprechend — an sie den Maßstab dessen anlegt, was Hans Rosenberg in seinem ganzen Lebenswerk an Forderungen einer zur modernen Sozialgeschichte erweiterten, modernen, für ihn unerläßlichen Methodik der Wirtschaftsgeschichte vertritt. Der ihnen allen gemeinsame Hintergrund ist sein kritisches Urteil über die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft, seitdem sie, damals im Bündnis mit der Industrie, 1879 den Ubergang vom Freihandel zum Schutzzoll unter der Führung Bismarcks vollzogen hat. Es ist ein Grundproblem der modernen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, das sich auch auf deutschem Boden mit der Reduktion des landwirtschaftlichen Sektors auch schon vor dem Untergang des deutschen Rittergutsbesitzes im Jahre 1945 durch die fortschreitende Abwanderung der ländlichen Bevölkerung trotz aller politischen, auch heute noch in der EWG aktuellen Abwehr durch die allgemeine Gesetzmäßigkeit der modernen
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Wirtschaftsentwicklung unbarmherzig vollzogen hat. Der Verfasser dieser Zeilen wird nie vergessen, wie ihm diese Prognose schon bei der Arbeit der 30er Jahre an seiner MiquelBiographie durch einen liberalen Nationalökonomen, Gustav Aubin, zum ersten Mal in ihrer Unvermeidlichkeit mit aller Schärfe vorgetragen worden ist. Rosenbergs rational und modern basierte Methode hat an dieser Fehlentwicklung von jeher, und in der Hauptsache mit guten Gründen, eine scharfe Kritik geübt, die eng mit seiner auch hier wiederholten negativen Beurteilung nahezu der gesamten deutschen Geschichtsschreibung seit der Romantik und Ranke zusammenhängt. In der Reihe der auch an der deutschen Agrargeschichte beteiligten Mitarbeiter fühlt er sich nur mit Wilhelm Abel als dem zur Zeit bedeutendsten, in Gedankenkonzeption und Methoden ihm am nächsten stehenden deutschen Historiker verwandt. Ganz abgesehen von der unerbittlichen Kritik, die er an dem durch Heinz Haushofer verfaßten Schlußbd. V der Reihe übt, hat das in seiner Auseinandersetzung mit Friedrich Lütge zu eingehender und bei allem Respekt vor der persönlichen Leistung dieses Gelehrten doch für Rosenberg höchst bezeichnenden scharfen Kritik an den Grenzen der in dessen Bd. über die deutsche „Agrarverfassung" vertretenen, in erster Linie institutionellen Behandlung der deutschen Agrarentwicklung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jh. geführt. Diese forderte ihn schon durch die These einer „Kontinuität" der Entwicklung seit Tacitus und den Germanen zu schärfstem Einspruch heraus. Auch wer der Uberzeugung ist, daß die negative Beurteilung der deutschen Agrarpolitik seit 1879 durch Rosenberg in ihrer Schärfe im Grunde berechtigt ist, wird freilich auch dieser neuesten Zusammenfassung seiner Ansichten mit der zweifelnden Frage entgegentreten, ob die auch bei ihm vorwaltende Orientierung auf Gegenwart und Zukunft der deutschen Agrarentwicklung nicht geneigt ist, die geschichtlich wirksamen Schwierigkeiten zu unterschätzen, die als hemmender Faktor nicht nur in der deutschen Geschichte wirksam waren. Sie haben bis zum heutigen Tage in der EWG — übrigens auch in Frankreich und England — angesichts der fortwirkenden Schwere der von der modernen Landwirtschaft verlangten sozialen Umwandlungen, der einschneidenden Schärfe der an sie gestellten Flexibilitätsforderungen nicht aufgehört, ein politisch höchst wirksamer Faktor zu sein. Berlin
Hans Herzfeld
Europa und der Norddeutsche Bund. Hrsg. von Richard Dietrich. — Berlin: Haude u. Spener 1968. 243 S. DM 27,50. To be successful in editing a symposium volume of any kind one must possess more than mere scholarly aptitude. Accidents, delays and unforeseen changes of plan are so common to this kind of enterprise that the editor must also have patience, the kind of imagination that can surmount unexpected difficulties and emergencies, and large quantities of persistence. Fortunately, Professor Richard Dietrich of the Friedrich-Meinecke-Institut of the Freie Universität Berlin is generously endowed with these qualities. The idea for this volume originated with a series of lectures on the historical significance of the year 1866 that were sponsored, in the summer of the centennial year by the Landesverband Berlin der Geschichtslehrer Deutschlands. The plan to publish these in their entirety proved unrealizable but, rather than abandon the project, Professor Dietrich widened its scope, commissioned new articles, and himself wrote an impressive terminal essay on "Der Norddeutsche Bund und Europa". The end result is a very satisfying and comprehensive work, weakened only, as the editor admits, by the unavoidable absence of a contribution dealing with Great Britain's attitude toward the events of 1866 and the establishment of the new federation.
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One of Professor Dietrich's happier inspirations was to include two essays originally planned for this volume but printed elsewhere when its future was in doubt. Theodor Schieder's essay "Das Jahr 1866 in der deutschen und europäischen Geschichte" is an almost ideal introduction for a volume of this kind, showing, as it does, that the Prussian victory not only determined the future form of Germany and profoundly affected its political and spiritual life but was also an event of European significance, placing the whole international order in question and creating a host of new problems, the most intractable of which was that of the questionable ability of the Austro-Hungarian Empire to survive. Walter Bußmann's essay on "Bismarck, Preußen und Deutschland" is a skilful demonstration of the Frederician cast of Bismarck's thinking as he moved toward a war which was to make Frederick's principlesobsolete. Some of the themes touched on in these opening essays are elaborated on by the other contributors. While Bußmann points out that, even as late as 1866, Bismarck had not excluded the possibility of solving the German question by means of collaboration with Austria, Rolf Bauer shows that this possibility was rendered unlikely by basic economic factors and by "Fehlurteile über Bismarck und eine gewisse Euphorie politischer und militärischer Art" on the point of Austrian statesmen. How ill-founded this confidence was is revealed by Wolfgang v. Groote in a solid essay on "Königgrätz im Blick der Militärgeschichte". Richard Dietrich's essay on "Das Jahr 1866 und das 'Dritte Deutschland"' is an elaboration of the view of Fritz Härtung (to whom the volume is dedicated) that the lesser German states were prevented from playing a significant role in the events of this critical period because of their particularism, their overestimation of their own capacities, and their fundamental lack of realism. Rolf-Joachim Sattler shows that 1866 created problems in Italy quite as far reaching in their consequences as those described by Schieder in the case of Austria-Hungary, among other things establishing irredentism as a political program of fateful portent. Paul Hartig's essay on Königgrätz and French historians reveals the extent to which the same kind of resentment that affected the Italians after 1866 worked also in France, where "la honte de Sadowa" became a slogan that encouraged political folly. Not the least interesting of the contributions to this volume is the incisive study by Eberhard Kolb of Russian foreign policy and the founding of the North German Confederation. It is clear to the author that neither the Tsar nor his chief minister Gorchakov wanted any change in the structure of Germany, since the status quo before 1866 was in accordance with Russian views about the proper equilibrium of force on the continent. Gorchakov's attempts between 1862 and 1866 to block Bismarck's policy always foundered, however, on the unwillingness of the French and British governments to give consistent support to the Russian line, a failure so persistent that the Russians in the end became tired of acting as "Anwalt des Rechts" and accepted the inevitable with as much grace as possible. In the crisis months of 1866 Russian policy was a series of failures, but in Kolb's mind it was nevertheless marked by an "imponierendem Wirklichkeitssinn", and this paved the way for a relationship with the North German Confederation that was mutually advantageous. Stanford University
Gordon A. Craig
Geschichtsbewußtsein in Ostmitteleuropa. Ergebnisse e. wissenschaftl. Tagung d. J. G. Herder-Forschungsrates über d. geistige Lage d. ostmitteleurop. Völker (April 1960). Hrsg. von Ernst Birke u. Eugen Lemberg. — Marburg/L.: Elwert 1961. XI, 149 S. DM 12,60. E. Lemberg kennzeichnet einleitend das Geschichtsbewußtsein der Völker Ostmitteleuropas als das Produkt eines antideutschen bürgerlichen Nationalismus, das sich in unserer
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Zeit in die marxistisch-leninistische Geschichtsdeutung einzuordnen versucht. — Th. Schieder (Die Probleme des Geschichtsdenkens bei den europäischen Völkern) schildert den Einfluß von Geschichtsbildern auf die Entstehung des Geschichtsbewußtseins in Frankreich, England, Italien und Deutschland, ohne besonders auf Ostmitteleuropa einzugehen. — G. Stökl (Geschichte und Geschichtsbewußtsein im Marxismus-Leninismus) erklärt das Geschichtsbewußtsein im Marxismus-Leninismus aus den besonders ausgewählten Bildern der sowjetischen Geschichte. A m Ende einer Entwicklung von der Urgesellschaft zur klassenlosen Gesellschaft steht als letzte Klasse die Arbeiterschaft. Sowjetpatriotismus, Erkenntnisoptimismus, Fortschrittsglaube und Verallgemeinerung spezifischer Thesen fördern den Sowjetimperialismus (S. 24—26). Dabei bedient man sich historischer Elemente und nationaler Impulse. Das kommunistische System läßt zwar seine große Fähigkeit erkennen, bestehende Ordnungen zu zerstören und bestehende Macht auszuhöhlen, aber es gelingt ihm nicht, seine innerpolitische Stellung zu festigen und sie bei den beherrschten Massen populär zu machen. Kommunistische Neuordnung der Welt bedeutet immer zugleich die Errichtung einer sowjetischen Weltherrschaft (S. 29). — E. Lemberg (Die Rolle des Geschichtsbewußtseins in Ostmitteleuropa) weist auf die große Rolle von Schulbüchern und schöner Literatur mit heroisierenden Bildern bei der Entstehung des Geschichtsbewußtseins hin. Die Sprache beansprucht Räume, die sie früher beherrschte, und die einzelnen Völker identifizieren sich mit den Mythen der künstlich geschaffenen Geschichtsbilder. Dadurch gewinnen sie zwar ein gesteigertes Selbstbewußtsein, leiden jedoch unter Minderwertigkeitsgefühlen beim Vergleich mit dieser ruhmreichen Vergangenheit. Unter Auslöschung von Distanz und Perspektive werden Ideen einfach in die Gegenwart versetzt und nach Möglichkeit praktiziert. — G. Rhode (Die Situation im polnischen Geschichtsbild und Geschichtsbewußtsein) konfrontiert in ähnlicher Weise die von der Regierung angestrebte Unterordnung der Geschichte der polnischen „Adelsnation" unter die marxistisch-leninistischen Grundsätze, wobei der antideutsche Charakter der bürgerlich-nationalen Geschichtsauffassung erhalten bleibt. Preußen, Rußland und Österreich werden in der Schullektüre und in der Literatur als die großen Feinde Polens gebrandmarkt, während trotz der Enttäuschungen durch Napoleon Frankreich als Freund erscheint. Die „Sendung des polnischen Volkes" (polnischer Messianismus!) wird dem tschechisch-russischen Panslawismus gegenübergestellt (S. 52). — H. Ludat (Geschichtswissenschaft als Spiegel des Geschichtsbewußtseins in Polen nach 1945) schildert die Umwandlung dieses alten polnischen Geschichtsbewußtseins in ein marxistisch-leninistisches nach 1945: Die polnischen Arbeiter bewohnen das Gebiet des alten polnischen Reiches vom Jahre 1000. Die Vertreibung der Deutschen aus Pommern und Schlesien war hierzu notwendig; der Verlust der polnischen Ostgebiete an die Sowjetunion wird kritiklos hingenommen. — E. Lemberg (Voraussetzungen und Probleme des tschechischen Geschichtsbewußtseins) hebt die Opposition der Tschechen gegen den Staat hervor, die sie dazu veranlaßte, sich selbst als Märtyrernation zu sehen. Die Beispiele sind: der heilige Wenzel, Hus, Chelcicky, J . A. Comenius, Zizka, Johann von Nepomuk (S. 97). Zum Unterschied von der polnischen Auffassung ist hier der Kampf gegen alles Deutsche in den Geschichtsbildern durch keinerlei Furcht vor den Russen getrübt. Daraus ergibt sich die Begeisterung für den Panslawismus. Die hussitische Bewegung läßt sich sehr leicht als Vorform des Kampfes für den Sozialismus erklären. Der Historiker Pekar, der diese Meinung bekämpfte, wird — ähnlich wie der Positivist T. G. Masaryk — als Kosmopolit von dem kommunistischen Regime abgelehnt (S. 42). — In der Diskussion (S. 128) beschäftigt sich H. Weczerka mit dem Geschichtsbewußtsein der Rumänen, das er aus der Sprache erklärt. — H. Weiss (Zum Geschichtsbewußtsein in den baltischen Ländern) zeigt die Bemühungen der bal-
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tischen Intelligenz um die Schaffung von Hochsprachen für ihre Völker und die Formung von Geschichtsbildern als Mythen und Vorbilder für die Gegenwart. — Das Geschichtsbewußtsein der Ungarn und Kroaten wurde bei dieser Tagung von niemandem behandelt. Berlin
Rolf U¡brich
LONDON, Kurt, ed.: Eastern Europe in Transition. (Papers from the 5th International Conference on World Politics Noordwijk Netherlands, published in cooperation with the Institute for Sino-Soviet Studies, the George Washington University.) — Baltimore, Maryland: The Johns Hopkins Press 1967. xx, 364pp. $ 3.95. Conference essays do not usually turn out to be very good books. They often lack any real unity and the contributors rarely adhere to a central theme even when the conference focuses its attention upon a specific and limited question, moreover, the essays invariably are uneven in quality and all too frequently the reader must wade through a morass of scholastic trivia before finding anything interesting or worthwhile. The volume which I am reviewing suffers from some of these shortcomings. But fortunately it avoids most of them and represents a significant contribution to the literature on eastern Europe. As the title suggests these essays are concerned with the dramatic changes which have occurred recently both within East European countries and between them. Each author addresses himself to the dynamics of change and in that sense the book can rightfully claim a unity of sorts. The contributors, however, are not equally successful in accomplishing this task. Schoplin's article on minorities and Meissner's essay on bilateral pacts provide the reader with all the relevant historical details but fail to satisfy the more important requirement of analysis and interpretation. Other authors drown the reader with so many trivial facts that it becomes virtually impossible to acquire an overview of what is actually happening. Krau's analysis of the East Berlin uprising typifies this shotgun approach. Most of the contributions, however, are provocative, analytical and well deserve our time and attention. While the subject of East Europe in transition would be interesting in its own right, this volume has unwittingly acquired a special significance in the wake of Czechoslovakia's occupation by soviet troops. That event demonstrates how primitive are our analytical insights and predictive capabilities regarding political processes in Eastern Europe. In essay after essay the reader encounters predictive statements which today must serve as a constant source of embarrassment to their authors. Richard Burke, for example, begins his essay by cataloguing how often the western "experts" have been caught offguard by the unfolding of events in Eastern Europe. He raises questions about the soundness of western methodology in analyzing communist affairs and somewhat disparagingly states "How expert are the experts?" But his own analytical performance proves to be no better. He concludes his study of the Rumanien deviation with these words: "If the analysis presented in the foregoing pages is correct then any other East European regime, with the exception of the G. D. R., could successfully defy Moscow — that is, provided the regime were motivated to take the risk by the emergence of a major conflict of interest between itself and the U.S.S.R. — Defiance of Moscow also involves an act of political will, a readiness to exchange Muscovite patronage for domestic support, in the political conditions of Eastern Europe, a somewhat hazardous enterprise. But it seems safe to say that a regime with a reason and a will can accomplish what the Rumanians have done, and with less risks." (pp. 110—111) (underlining mine).
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Burke is not alone in his sanguine view of the latitude for maneuver enjoyed by East European elites. Adam Bromke contrasts the Hungarian and Polish 1956 events and purports to have discovered the parameter for successful national communist deviation. He argues, for example, that "if the Hungarian example was negative, in pointing out the limits which could not be crossed without provoking the wrath of Moscow the Polish example was positive. It proved that within those limits it is possible to win concessions from the Soviet Union." (p. 69) Seven pages later Bromke defines those positive limits. "In asserting this position for Poland, however, Gomulka moved cautiously. He avoided the fatal mistakes of the Hungarians and upheld both Poland's membership in the Soviet bloc and preservation of the communist political system. It is only within these limits that he sought greater internal freedom." (page 76) From all available evidence it appeared that the Czechs were operating within Polish limits but experienced Hungarian results. I could cite numerous other statements which have lost all credibility as a result of the Czech events. Each predictive model domonstrated sound reasoning. Yet in the event each proved itself to be quite wrong. (See, for example, pages 27, 273, 334.) My purpose in noting these errors is not to criticize or condemn. My intention is simply to note where we are at in terms of a sophisticated understanding of political development in Eastern Europe. As I already indicated the virtue of this book is that it goes beyond the mere aggregation of humanistic data though an intuitive methodology. It attempts to deal theoretically with the nature of political development. If so many of the contributors erred it is because we are still unable to discover logical patterns which we can trustfully project into the future. Perhaps the scarcity of data or our imperfect methodological and theoretical tools made failure inevitable. Whatever the reason may be, this book, one of the best to appear in recent years, forcefully demonstrates that creative western scholarship can quite successfully illuminate what has happened in Eastern Europe in the past and why it happened. But it cannot help the observer very much who is interested more in current and future developments rather than with retrospective analysis. For answer to those questions the student of East European affairs had best consult the daily press. The scholarly literature has very little to tell him. Cbapel Hill, North Carolina
Joel
Schwartz
Der Osten auf dem Wege zur Marktwirtschaft ? Referate vor d. Plenum d. Forschungsbeirates f. Fragen d. Wiedervereinigung Deutschlands. Von Bruno Gleitze u. a. — Berlin: Duncker & Humblot 1967. 97 S. = Wirtschaft u. Gesellschaft in Mitteldeutschland, Bd. 6. DM 12,—. Das Buch vereinigt vier Referate, die vor dem Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung gehalten wurden. Im 1. Beitrag analysiert Bruno Gleitze unter dem Titel „Planwirtschaft ohne Perspektivplan" die Situation des Planungssystems in der DDR. Er stellt fest, daß nach dem vorzeitigen Abbruch des ursprünglich von 1959 bis 1965 reichenden ersten mittelfristigen Planes versucht werde, die Wirtschaftsentwicklung mit kurzfristigen Plänen zu steuern. Einer Planwirtschaft aber, die nicht nach längerfristigem Plan arbeiten könne, fehle eines ihrer wesentlichen Elemente, sie müsse zu einer Zwangswirtschaft degenerieren. Solange dieser Zustand fortbestehe, werde die DDR-Wirtschaft, gemessen an der Entwicklung in Westeuropa, auch zukünftig im Hintertreffen bleiben. Karl C. Thalheim geht in seinem Referat „Liberalisierungstendenzen im Ostblock?" auf die Konvergenzthese ein. Er kommt zu dem Ergebnis, daß zumindest für die DDR und
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die UdSSR weder von einer Liberalisierung noch von einem Systemwandel in der Wirtschaftsordnung gesprochen werden könne; die vielfältigen Reformmaßnahmen seien vielmehr lediglich der Versuch, das wirtschaftliche Planungs- und Ablaufgeschehen effektiver und reibungsloser zu gestalten. Als Material zu diesem Beitrag ist die deutsche Ubersetzung der „Verordnung über den sozialistischen Produktionsbetrieb" in der UdSSR vom 4. 10. 1965 beigefügt. Der nächste Beitrag von K. Paul Hemel untersucht die Frage „Sind die Wirtschaftsordnungen der sowjetischen Länder auf dem Wege zur Marktwirtschaft?" am Beispiel Ungarns und seiner Wirtschaftsreform. Drei Punkte sind nach Hensel in Ungarn einer tiefgreifenden Transformation unterworfen: das Planungssystem, das Preisbildungssystem sowie die Kontrolle von Leistungen und Interessen. Die Entwicklung vollziehe sich zwar auf der Basis vorwiegend staatlichen Eigentums an den Produktionsmitteln, einer starken Tendenz zu punktuellem Dirigismus und staatlicher Aktivität, aber doch in Richtung auf eine im Prinzip marktwirtschaftliche Steuerung. Der 4. und letzte Beitrag von Rudolf Meimberg trägt die Uberschrift: „Zur Frage einer Annäherung östlicher Wirtschaftssysteme an diejenigen westlicher Industriestaaten". Er gipfelt in der These, daß mit dem Einparteiensystem ein unausweichlicher Trend zur Vergesellschaftung von Produktionsmitteln verbunden sei, woraus sich wiederum eine starke Einschaltung der staatlichen Interessen in den Wirtschaftsablauf und eine Tendenz zur Zentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen in der Hand des Staates herleiteten. M. sieht eben hierin den Graben, der das System der sozialistischen Marktwirtschaft Jugoslawiens von den Wirtschaftssystemen der westlichen Industrieländer trenne. Die vier Referate des vorliegenden Bd.es sind um die Jahreswende 1965/66 gehalten worden. Sie wurden zwar, wie es in einem Vorwort heißt, danach überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht, doch liegt auch dies inzwischen drei Jahre zurück. Die Diskussion um die Frage der Annäherung zwischen den Wirtschaftssystemen in Ost und West ist in dieser Zwischenzeit weitergeführt worden. Sie hat, nicht zuletzt auf Grund der tatsächlichen Entwicklungen in den osteuropäischen Staaten, zu neuen Erkenntnissen geführt, die hier darzulegen nicht der Platz ist, die man aber auch den Verfassern hier nicht entgegenhalten kann, zumal diese selbst sich wiederholt dazu geäußert haben. Es scheint deshalb wenig angebracht, kritisch zu rezensieren, was aus der heutigen Sicht ein wohl wichtiger, aber doch nun zurückliegender Beitrag war. Gießen
Eberhard Schinke
Was soll aus Deutschland werden ? Neue Aspekte zur Deutschlandpolitik. Hrsg. von Leonhard Froese unter Mitarbeit von Eike Gerken. — München: Goldmann 1968. 295 S. DM 19,80. Das hier anzuzeigende Buch schwimmt auf jener Welle von Publikationen mit, die fast wie eine Sturmflut nach Bildung der großen Koalition und Beginn einer angeblich neuen deutschen Ostpolitik auf den Leser niedergeht. Ziel des Buches sei, so heißt es im Nachwort, „vorurteilsloses Nachdenken und Sprechen über die Existenzfrage unseres Volkes — das Deutschlandproblem". Zu den Autoren gehören Studenten, Professoren, Politiker, Vertreter der drei Bundestags-Parteien und der außerparlamentarischen Opposition, u. a. Herbert Wehner, Hans Wolfgang Rubin, Erich Mende, Ferdinand Friedensburg, Wilhelm Wolfgang Schütz, Wolfgang Abendroth, Ludwig Raiser und Thomas Ellwein. Die hier dargestellten Meinungen und Urteile, Analysen und Prognosen der Deutschlandpolitik sind hinlänglich bekannt. Auch die vorliegenden Aufsätze vermögen keine „deutsche Kon-
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zeption für deutsche, europäische und internationale Politik" (S. 280) zu liefern, die in der gegenwärtigen weltpolitischen Lage durchsetzbar wäre. Immerhin vermag das Buch zumindest einem seiner Ansprüche gerecht zu werden: durch die Breite der dargelegten Positionen ist es tatsächlich ein Gegenmodell freier Meinungsäußerung „gegenüber jener politischen Hybris, die sich in Begriffen wie .staatstragende Partei' und .Anerkennungspartei' entlarvt". Berlin
Peter Lösche
Acht Jahrhunderte Deutscher Orden in Einzeldarstellungen. (Festschrift zu Ehren Sr. Exzellenz P. Dr. Marian Tumler O.T. anläßl. seines 80. Geburtstages.) Hrsg. von Klemens Wieser. — Bad Godesberg: Verl. Wissenschaftliches Archiv (1967.) XXI, 671 S. mit Abb., Faks. u. Ktn, 1 Titelbild (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens. Bd. 1.) DM 5 9 , - . August Hermann Francke: Wort u. Tat. Ansprachen u. Vorträge zur 300. Wiederkehr seines Geburtstages. (Mit e. Geleitwort von Johannes Jänicke u. unter Mitarb. von Gertrud Zaepernick hrsg. von Dietrich Jungklaus). — Berlin: Evangelische Verlagsanstalt (1966). 127 S. DM 6,80. BORN, Karl-Erich: Bismarck-Bibliographie. Quellen u. Literatur z. Geschichte Bismarcks u. seiner Zeit. Bearb. v. Willy Hertel unter Mitarb. von . . . — (Köln u. Berlin:) Grote (1966). 295 S. DM 3 9 , - . Deutschland und die östlichen Nachbarn. Beiträge zu e. evang. Denkschrift. Hrsg. v. Reinhard Henkys. — Stuttgart, Berlin: Kreuz-Verl. 1966, 237 S. (Protestantische Texte. Sonderbd.) DM 4,80. Koexistenz zwischen Ost und West. Konflikt, Kooperation, Konvergenz. Mit Beitr. von . . . Hrsg. von Hans Mayrzedt u. Helmut Rome. — Wien, Frankfurt, Zürich: EuropaVerl. (1967). 364 S. (Europäische Perspektiven.) DM 18,50. Die Krise des Parlamentarismus in Ostmitteleuropa zwischen den beiden Weltkriegen. Wiss. Tagung d. Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrates. Frühjahr 1966. Referate u. Diskussionen. Hrsg. von Hans-Erich Volkmann. — Marburg/Lahn: JohannGottfried-Herder-Inst. 1967. 184 S. DM 21,90. Lexikon des Judentums. Hrsg. vom Lexikon-Institut Bertelsmann. — Gütersloh: Bertelsmann 1967. 448 S. mit rd. 150 Fotos, Textillustrationen, Tabellen u. Statistiken. DM 65,—. MEYER, Hermann M. Z.: Moses Mendelssohn-Bibliographie. Mit einigen Erg. z. Geistesgeschichte d. ausgehenden 18. Jahrhunderts. Mit e. Einf. von Hans Herzfeld. — Berlin: de Gruyter (1967). XXI, 343 S. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Bd. 26: Bibliographien. Bd. 2.) DM 54,—. Ost-West-Begegnung in Frage und Antwort. Anregungen z. Gesprächsgestaltung. Hrsg.: Dt. Arbeitsgruppe f. West-Ost-Beziehungen e.V. München. — (Pfaffenhofen/Ilm: IlmgauVerl. 1966.) 299 S. DM 4,80. Weite Welt und breites Leben. Festschrift für Karl Bulling, zum 80. Geburtstag am 24. Juli 1965. — Leipzig: VEB Bibliograph. Institut 1966. 288 S., Bildanhang, 1 Titelbild = Zentralblatt f. Bibliothekswesen, Beiheft 82. DM 2 5 , - .
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Tysi^c lat nad Odrq i Baltykiem. Praca zbiorowa pod red. Kazimierza Golczcwskiego (Tausend Jahre an Oder und Ostsee. Sammelarbeit.) — Szczecin: Kom. Wojew. PZPR. 1966. 206 S. zh 25.
2. Allgemeine und zeitlich begrenzte Darstellungen MEINECKE, Friedrich: Zur Geschichte der Geschichtsschreibung. Hrsg. u. eingel. von Eberhard Kessel. — München: Oldenbourg 1968. XXXVIII, 486 S. = Friedrich Meinecke, Werke Bd. VII. DM 44,— . Mit dem von E. Kessel herausgegebenen 7. Bd. hat das Unternehmen des FriedrichMeinecke-Instituts seinen Abschluß gefunden. Wie in den vorhergehenden Bd.en ordnet die Einleitung die sorgfältig zusammengetragene, in 2 Hauptgruppen — Studien zur deutschen Geschichtsschreibung des 19. Jh.s; Beiträge zur zeitgenössischen Geschichtsschreibung — gegliederte Aufsatzsammlung in den Bezugsrahmen des Lebenswerkes von Meinecke ein; ein Vorspann zu den einzelnen Studien verzeichnet die Druckorte und editorische Anmerkungen. Die Gruppierung der Aufsätze in 1. programmatische Selbstaussagen; 2. Zeugnisse des Prozesses der Klärung der eigenen Stellung zwischen Ranke und Burckhardt; 3./4. Spielarten seiner Auseinandersetzung mit politischer Geschichtsschreibung — Sybel, Treitschke, Droysen; Geschichtswerke deutscher Staatsmänner — und 5. Kommentare zur zeitgenössischen Geschichtsschreibung ist wahrscheinlich die glücklichste Anordnung, obwohl man in der Lektüre thematische Berührungen zwischen Aufsätzen findet, die in verschiedenen Gruppen placiert sind, was natürlich daraus zu erklären ist, daß Meineckes „Gelegenheitsarbeiten" widerspiegeln, was ihn geistig beschäftigt und wie er die eigene Position im Nachvollzug des Gedankengangs anderer zu klären versucht. Man wird allerdings die Frage aufwerfen dürfen, ob die Studien zur Historiographie für die Deutung der Entwicklung Meineckes bedeutsamer sind denn als Beiträge zur Geschichte der Geschichtsschreibung — was nicht ausschließt, daß einige Aufsätze — wie die über A. Dove — zu dem Besten gehören, was es zum Thema gibt. Es hätte jedoch wenig Sinn, die Aufsätze Meineckes zu rezensieren; vielmehr ist an die Aufnahme der Aufsätze in die Werke eine rhetorische und dennoch kritische Frage zu richten, auch wenn der Hrsg. seine Einleitung nicht unter ihren Blickpunkt stellt (oder zu stellen braucht): bietet der Bd. nicht mehr als eine der Pietät oder dem Perfektionismus der Hrsg. zu verdankende Nachlese, die man als erwünschte Beigabe registriert, mit der eine intensive Auseinandersetzung jedoch unterbleiben könnte? Die Antwort fällt eindeutig aus: 1. insofern Meineckes historiographische Studien keine „geistige Familiengeschichte des Historikers" — (S. X) darstellen, sondern Resultate einer ständigen Bemühung, den eigenen Standort zu kontrollieren, sind, geben sie Zeugnis von seiner Entwicklung — sie sind demnach unentbehrliche Interpretationshilfen einer Erforschung des Historismus; 2. insofern sie — im Einklang mit dem Denkansatz Meineckes, daß die Arbeit des Historikers ein schaffender Spiegel einer mannigfaltigen Wirklichkeit sei — einerseits das Problemverständnis einer geschichtsbewußten Persönlichkeit offenlegen und andererseits allgemeine geistesgeschichtliche und sozialpolitische Erscheinungen seiner erlebten Zeit in reflektierten Zusammenhängen unterbreiten, verzeichnen sie den Einfluß der psychologischen Umwelt auf seine Urteilsbildung; ferner tritt dem Historiker in Meineckes Kommentaren zu den politischen und geistig-kulturellen Vorgängen eine der historischen Möglichkeiten des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft entgegen — was nun dazu
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einlädt, die Frage nach dem „Warum ist es so gekommen" neu an die Geschichte dieses Zeitraums zu richten; 3. insofern Meinecke schließlich — und zwar bereits in den ersten Rezensionen oder ideographischen Versuchen — in seinen geistesgeschichtlichen Arbeiten über eben jenes Bedingungsverhältnis zwischen dem Vermögen, vergangene und gegenwärtige Wirklichkeit zu erfassen, und der Fähigkeit, die Eindrücke und Erfahrungen denkend zu ordnen bzw. darzulegen, nachsinnt, bleibt er gleichsam auf der Höhe einer Wissenschaft, die weder auf die Vergegenwärtigung der Umweltfaktoren, die ihren Denkhorizont prägen, noch auf die ständige Überprüfung ihrer Denkprozesse verzichten kann. Die Sammlung seiner Aufsätze zur Geschichte der Geschichtsschreibung stellt also, auch wenn sie lediglich Produkte aus der Gedankenwerkstatt an einem Ort zusammenträgt, die Aufforderung dar, die von Meinecke aufgedeckten allgemeinen Problemstellungen der Geschichtswissenschaft weiterzudenken — wobei die Würdigungen von Historikern des 19. und 20. Jh.s, die aus einer 6 Jahrzehnte umspannenden Schaffensperiode mitgeteilt werden, zugleich eine Nachkontrolle der allgemeingültigen Erkenntnisse an konkreten Einzelfällen ermöglichen und anregen, die Aussagekraft seiner geschichtsphilosophischen Denkfiguren in Frage zu stellen. Man wird auch in diesem Zusammenhang an eine Grenze stoßen, insofern Meineckes Tendenz, beiden Seiten gerecht zu werden — d. h. etwa Umwelt und Individuum im Grad ihrer Wechselwirkung zu bestimmen oder politische Vorurteile abzustreifen, das politische Urteil aber durch die historische Dimension zu schärfen —, zu einer formelhaften Konstatierung eines komplexen Problems führt, aber dabei so allgemein ausfällt (oder ausfallen muß), daß in Einzelfällen — einer historischen Situation oder eines Geschichtswerkes — die Ubergänge und die Vermittlung zwischen Geschichte und Politik, Historismus als Lebenshaltung und „politischer" Moral unangesprochen bleiben oder nicht intensiv mitgedacht werden. Eine „Nachlese" — zumindest einzelner Aufsätze über Droysen (S. 125ff.), Ranke (S. 50ff. und 93ff.), Delbrück (S. 312f.), M. Weber (S. 429 ff.), Bülow (S. 269 ff.) — wird vielleicht den Eindruck bestätigen können, daß auch diese kleineren Arbeiten „Steinen gleichen, die nicht aufhören, Funken zu sprühen, sobald man an sie schlägt" (S. 313). Münster¡Westf.
Gustav Schmidt
ZERNACK, Klaus: Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den Ost- und Westslaven. Studien z. verfassungsgeschichtl. Bedeutung des Vece. — Wiesbaden: Harrassowitz 1967. IV, 318 S. = Osteuropastudien d. Hochschulen d. Landes Hessen. Reihe I. Gießener Abhandlungen z. Agrar- u. Wirtschaftsforschung d. europäischen Ostens, Bd. 33. DM 42,— . Unter den nach dem Krieg erschienenen Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte Ost- und Ostmitteleuropas kommt der Habilitationsschrift von Klaus Zernack zweifellos ein Platz in vorderster Reihe zu. Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den Ostund Westslawen gehörten zu jenen zentralen Problemen, derer sich die russische und polnische Verfassungsgeschichtsforschung des 19. Jh.s mit besonderer Intensität annahm, weil sie in ihnen die Uberreste demokratisch strukturierter Volksversammlungen der frühmittelalterlichen Stämmezeit sah. Diese im letzten der Romantik verhaftete Kontinuitätstheorie wurde, wie Z. in seinen historiographischen Uberblicken aufzeigt (S. 4—29, 198—201, 243— 249), mit mehr oder minder großen Abstrichen nicht nur vom größten Teil der nichtmarxistischen, sondern auch von den marxistischen Historikern des 20. Jh.s (wenn auch unter anderem Vorzeichen) übernommen. Der Vf. sah sich vor zwei Aufgaben gestellt: zum einen das fast ausschließlich auf Hypothesen und Schlüssen a priori gegründete
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Dogmengebäude der Kontinuitätstheorie auf seine Standfestigkeit hin zu überprüfen, zum anderen gerade zu diesem Zweck die Quellen noch einmal voraussetzungslos zu durchmustern. Er beginnt bei den quellenmäßig am besten unterlegten ostslawischen Verhältnissen, die in seinen Ausführungen auch den breitesten Raum einnehmen, und behandelt dann die westslawischen Gebiete, mit Ausnahme Böhmens, Mährens und der Slowakei, für die die Quellen sich über die Existenz eines Vece ausschweigen. Um jede Statik und Schematisierung zu vermeiden, bemüht der Vf. sich um eine chronologisch-aufbauende Betrachtungsweise bei gleichzeitig weitgehender regionaler Differenzierung. Durch diese Arbeitsmethode gelingt es ihm, sowohl eine vielfältige räumliche Abstufung des Vece in Ausprägung wie historischer Entwicklung sichtbar zu machen als auch durch vorsichtigen Vergleich von Ubereinstimmungen einen gewissen „realtypischen Grundzug" des Vece zu fixieren. Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit des Vf.s, durch kritisch-prüfende, behutsame und geduldige Auswertung jedes Quellenbelegs Steinchen für Steinchen zu einem Mosaik zusammenzusetzen, wobei die Interpretation aus den jeweiligen Zeitumständen, den politischen, religiösen und inneren Verhältnissen, der Sozial- und Verfassungsentwicklung eine ausschlaggebende Rolle spielt und auch die Ergebnisse der Archäologie nicht fehlen. Wenn darunter die Lesbarkeit des Buches leidet, so muß man dies um der Sache willen in Kauf nehmen. Daß das Ergebnis dieser methodisch vorbildlichen Untersuchung lückenhaft und in manchem unscharf erscheint, ist bei der Kargheit der Quellen, der angewendeten streng induktiven Methode und der extremen Zurückhaltung des Vf.s bei der Auswertung einsichtig. Mit Hilfe dieser Arbeitsmethode vermag Z. überzeugend sicherzustellen, daß im ostslawischen Raum an Bezirksmittelpunkte gebundene Volksversammlungen mit politischem Mitspracherecht sich erst in der 2. Hälfte des 11. Jh.s bildeten. Weiter zurückreichende Belege halten einer kritischen Überprüfung nicht stand. Wenn auch diese Vece-Versammlungen theoretisch das gesamte jeweilige „Land" repräsentierten, nahmen de facto doch meist nur die Stadtbewohner an ihnen teil. In welchem Umfange dieses genossenschaftliche Element der altrussischen Verfassung sich neben dem durch die Fürsten verkörperten herrschaftlichen Platz schaffen oder behaupten konnte, war in den einzelnen Regionen verschieden. Die größte Ähnlichkeit mit den ostslawischen Verhältnissen weist in der 1. Hälfte des 12. Jh.s der pomoranische Raum auf, für den Z. vor allem am Beispiel Stettins die Mitwirkung einer burgstädtischen Volksversammlung an wichtigen politischen Entscheidungen aufzeigt. Im übrigen westslawischen Siedlungsgebiet gibt es eindeutige Belege nur für Breslau im ausgehenden 11. Jh. und für den rügenslawischen Mittelpunkt Arkona. Bei den restlichen elb- und ostseeslawischen Verbänden und dem größten Teil des piastischen Herrschaftsgebietes lassen die Quellen keine eindeutigen Schlüsse zu. Als Entstehungsursachen der burgstädtischen Volksversammlungen kristallisieren sich neben individuellen Besonderheiten, die Z. stark betont, gewisse Gemeinsamkeiten heraus: Z. sieht sie in der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung des Städtewesens bei gleichzeitig relativ schwach entwickelter fürstlicher Macht. Mit der Straffung der herrschaftlichen Ordnung verschwand die Volksversammlung wieder — bei den Pomoranen offenbar schon in der 2. Hälfte des 12. Jh.s. Im ostslawischen Raum entzog auch der Tatarensturm den Städten die wirtschaftliche Potenz, um sich gegen die Zurückdrängung des Vece zu wehren. Abgesehen von spontanen Zusammenrottungen gegen die Tatarenherrschaft konnte sich hier über die Mitte des 13. Jh.s hinaus das Vece nur in Novgorod (und Pleskau) halten und festigen. Für eine Rückführung der burgstädtischen Volksversammlung auf eine allen slawischen Völkern gemeinsame Volksversammlung der Stämmezeit sieht
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Z. keinerlei Belege, allerdings auch keinen Gegenbeweis. Er läßt die Frage notgedrungen offen. Damit mußte er sich aber die Gegnerschaft der dogmatischen Marxisten 2uziehen, die heute das Erbe der Kontinuitätstheorie verwalten. Daß er mit seinem Untersuchungsergebnis tatsächlich eine wunde Stelle der Dogmatiker getroffen hat, zeigt die in ihren Grundzügen ungerechtfertigte Reaktion des sowjetischen Mediaevisten V. T. Pasuto. 1 Der differenzierten Beurteilung (S. 46—48) des von den Chroniken verdächtig früh (1015/16) erwähnten ersten Novgoroder Vece als möglicher Vorstufe der später voll ausgebildeten Veceverfassung (Pasuto läßt gerade an diesem Punkt für die vorsichtig-zurückhaltende Deutung des Vf.s jedes Verständnis vermissen!) schließe ich mich völlig an, möchte aber auf noch eine zu erwägende Möglichkeit hinweisen. Es ist ja nicht auszuschließen, daß diese frühe Erwähnung des Vece eine Absicht der späteren Chronistik widerspiegelt, die Entstehung des Novgoroder Vece mit der Person Jaroslavs des Weisen zu verknüpfen, entsprechend der ebenfalls verbreiteten Tendenz, die Novgoroder Freiheiten auf ein Privileg dieses Fürsten zurückzuführen. Bei der sozialen Einordnung der men'sie ljudi in Novgorod hat Z. sich meines Dafürhaltens etwas zu stark auf die Position V. L. Janins festlegen lassen (S. 167, 171, 188), obgleich die gegensätzlichen Meinungen innerhalb der Forschung darüber, ob es sich um die minderberechtigte Gruppe der Oberschicht oder — zumindest in der Frühzeit — die „Kleinen Leute" ganz allgemein handelt, immer noch bestehen. Die vom Vf. S. 260f. vorgetragene Auffassung über den „Großstamm" der „Anten" dürfte infolge der an versteckter Stelle erschienenen Miszelle von F. P. Filin 2 nunmehr neu zu diskutieren sein. Wenn Z. abschließend seine Forschungsergebnisse stärker als ab- denn aufbauend betrachtet, so muß man feststellen, daß seine Untersuchung, gerade weil sie kritisch-prüfend zu den Quellen zurückkehrt, eine solide Grundlage für weitere Forschungen geschaffen hat. Zu einem Vergleich der verschiedenen Ausprägungen des Vece mit ähnlichen Erscheinungen westeuropäischer oder italienischer Städte hat er sich nicht entschließen können. Diese Aufgabe, die den burgstädtischen Volksversammlungen vor allem bei den Ostslawen und Pomoranen schärfere Konturen verleihen könnte, bleibt ein unerläßliches Desideratum an die zukünftige Verfassungsgeschichtsforschung. Münster/ Westf.
Carsten Goehrke
LANDWEHR, Götz: Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter. - Köln, Graz: Böhlau 1967. XXXI, 484 S. = Forschungen z. dt. Rechtsgeschichte, Bd. 5. DM 52,— . Von der Bedeutung der Reichspfandschaften für die Geschichte des deutschen Spätmittelalters ist häufig die Rede — eine umfassende Darstellung dieses Komplexes gab es bisher jedoch nicht. Die vorliegende Göttinger juristische Habilitationsschrift untersucht einen wichtigen Teilbereich, die Verpfändung der Reichsstädte, für den allein mehr als 3000 Urkunden bekannt sind und der als beispielhaft für die gesamten Reichspfandschaften gelten darf. Der Vf. stützt sich vornehmlich auf die Zeugnisse der Rechtswirklichkeit — Beurkundungen der Verpfändung von Städten, städtischen Ämtern und Einkünften, Bestätigungen dieser Pfandgeschäfte u. ä. — und geht dieses umfangreiche Material immer wieder unter neuen Gesichtspunkten durch. Schon hier soll hervorgehoben werden, daß Vgl. Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, NF 17 (1969), S. 75 ff. F. P. Filin, Zametka o termine „Anty" i o tak nazyvaemom „Antskom periode" v drevnej istorii vostocnych slavjan, in: Problemy sravnitel'noj jazykoznanija, M.-L. 1964. 1 2
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alle Ergebnisse in intensiver Auseinandersetzung mit den Quellen gewonnen sind und stets auf den Aussagen der Urkunden beruhen. Im Vordergrund der Untersuchung stehen dabei Fragen nach der rechtlichen Struktur und der rechtshistorischen Einordnung der Reichspfandschaften (S. VII). L. breitet zunächst den „historischen Befund" aus: Die ersten Reichspfandschaften (zwei an der Zahl) erscheinen unter Friedrich Barbarossa, dann wieder nach 1198. Eine stärkere Zunahme der Pfandgeschäfte ist nach 1273 zu beobachten, der Höhepunkt wird unter Ludwig dem Bayern und Karl IV. erreicht. Der Kreis der Pfandnehmer ist offen: neben den Kurfürsten und den übrigen Reichsfürsten erscheinen Grafen, freie Herren, Städte und Bürger. Die Zahl der Reichsstädte beträgt mehr als 105; L. teilt sie ein in Königsstädte auf Reichsgut und auf Kirchengut, in Reichsvogteistädte und Freistädte ( = die alten Bischofsstädte). Diese Gliederung, nach den Grundlagen der Entstehung und dem Verhältnis der Städte zum königlichen Stadtherren vorgenommen, gibt ein willkommenes und nützliches Einteilungsprinzip; freilich wird der Kenner der örtlichen Verhältnisse in dem einen oder anderen Fall die Akzente anders setzen als in diesem summarischen Überblick, und man darf nicht vergessen, daß vielfach die Gegebenheiten zu kompliziert waren, um in einem solchen Schema ohne Rest aufzugehen. Nach den Städten werden die kleineren Pfandobjekte, die städtischen Ämter und Steuern, die stadtherrlichen Regalien behandelt, dann die Verpfändungsbefugnis des Königs, die Mitwirkung der Fürsten und die Voraussetzungen der Pfandgeschäfte (Geld-, Sach- und Dienstleistungen, Lehnsvereinbarungen u. a.) untersucht. Ein kürzerer Abschnitt über das Pfandgeschäft, der zugleich eine Art Diplomatik der Pfandurkunde darstellt, leitet zu der Problematik des eigentlichen Pfandrechtsverhältnisses über: Den finanziellen Nutzungsrechten an der Pfandsache steht die Verantwortung des Pfandnehmers für die Erhaltung ihres Wertes gegenüber. Mit der durch die Huldigung der Bürger vollzogenen Erwerbung der Pfandherrschaft gehen alle stadtherrlichen Rechte und Pflichten an den Pfandnehmer über. Schließlich werden ausführlich die mit der Pfandauslösung zusammenhängenden Fragen und die Rechtsnatur der Pfandschaft besprochen. In einem Anhang werden zwei umfangreiche, alphabetische Listen der Reichsstädte und der reichsstädtischen Vogteien als Pfandobjekte (S. 396—452) sowie Tabellen über die Pfandsummen gegeben. Im Rahmen dieser Besprechung kann nur auf die wichtigsten Dinge eingegangen werden. Einen Schwerpunkt der Arbeit bildet das 2. Kapitel des 2. Abschnitts (S. 148—233) über den Pfandgeber. Es führt von dem Einzelproblem der Reichspfandschaften zu zentralen Fragen der spätmittelalterlichen Verfassungsgeschichte. Konnte der König über Reichsgut, das zumindest der Rechtsauffassung der Zeit nach nur zum Nutzen und für Zwecke des Reiches vergeben werden durfte, selbständig verfügen oder war er an die in zahlreichen Urkunden bezeugte Mitwirkung der Reichsfürsten gebunden? Diese letztere Ansicht, die von der herrschenden Lehre vertreten wird, findet nach L. in den Aussagen der Urkunden keine Stütze; es habe zwar von der Karolingerzeit bis ins späte Mittelalter eine Mitwirkung der Reichsfürsten bei Regierungsgeschäften gegeben, eine rechtliche Verpflichtung, die Fürsten heranzuziehen, habe jedoch offenbar nicht bestanden. Ihre Beteiligung (die Zahl der Urkunden, in denen die Reichsfürsten nicht erwähnt werden, überwiegt bei weitem) sei vielmehr mit einer auf germanische Denkweise zurückgehenden Auffassung zu erklären, daß der König keine absolute Herrschaftsgewalt habe, sondern ebenfalls unter dem Recht stehe, womit seine Handlungen die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich hatten, also eines Konsenses nicht bedurften, daß es aber dennoch besser sei, wenn nicht nur e i n e r über Dinge entscheide, die das Allgemeine angingen. Nur eine besondere Form der fürstlichen Zustimmung, aus der Abschließung des Wahlkol23
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legiums seit dem 13. Jh. zu erklären, sind die kurfürstlichen Willebriefe. Ihre Zahl und auch die der formlosen, in den Verpfändungsurkunden mitgeteilten Konsenserklärungen ist im Verhältnis zu den überlieferten Pfandgeschäften klein, auf jeden Fall weitaus geringer, als bisher allgemein angenommen wurde. Diese Beobachtung muß den Historiker aufmerken lassen; scheint es doch, als ob die institutionalisierte Mitwirkung der Kurfürsten an den Reichsgeschäften im Spätmittelalter bisher überschätzt worden sei und als ob die bisherige Auffassung einer Überprüfung bedürfe, nach der die Beteiligung der Kurfürsten an den Reichsgeschäften als ein für den Bestand des Reiches unentbehrlicher Gegenpol zum Königtum zwingend vorgeschrieben gewesen sei. L. weist nachdrücklich auf die in diesen Fragen vorhandene Diskrepanz zwischen der Rechtswirklichkeit und den theoretisch-kanonistischen Erörterungen hin, die eine Mitwirkung der Reichsfürsten bei der Vergabe von Reichsgut für erforderlich halten (vgl. dazu H. Hoffmann, Die Unveräußerlichkeit der Kronrechte im Mittelalter, DA 20, 1964, S. 389 ff.). Mehrere Nachrichten aus Urkunden und Quellen rechtlicher Art, die den Rechtssatz aussprechen, Reichsgut dürfe nur mit Zustimmung der Kurfürsten vergabt werden, interpretiert L. aus den besonderen Umständen ihrer Entstehung heraus und versucht, sie in ihrer Allgemeingültigkeit einzuschränken. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage nach den Gründen für die sehr starke Vermehrung der Pfandgeschäfte nach 1273 auf. Dabei kann vor allem auf die wachsende Bedeutung der Geldwirtschaft und eine fortschreitende Verdinglichung und Rationalisierung der Verhältnisse hingewiesen werden; es wäre jedoch zumindest zu erwägen gewesen, ob nicht das Pfandgeschäft deshalb in diesem Maße bevorzugt wurde, weil es vielleicht dem König doch mehr Freiheit und Selbständigkeit gegenüber den Kurfürsten gab, da ja wenigstens der Form nach eine endgültige Veräußerung vermieden wurde. Wenn auch die Untersuchung nicht ausdrücklich auf die politischen Aspekte der Reichspfandschaften abzielt, so kommt doch diese Seite selbstverständlich häufig ins Spiel; für den König ist die Verpfändung von Reichsstädten und Reichsgut ein wichtiges Mittel seiner Politik und seiner Herrschaft in einer Zeit ständiger Finanznot der Reichsgewalt. Da das Lehnswesen seine ursprüngliche Funktion in der Reichsverfassung weitgehend eingebüßt und für die Gewinnung von Anhängern seine Wirksamkeit verloren hatte, mußte die Geldzahlung und — da kein Bargeld vorhanden war — die Verpfändung an seine Stelle treten. Dabei waren die verpfändeten Summen im Vergleich zu den laufenden Einnahmen der Krone so hoch (vgl. die Tabellen S. 453—455), daß eine Wiedereinlösung, die die Pfandnehmer zwar nicht verweigern konnten, gegen die sie sich aber nach Möglichkeit zu sichern suchten, nur in wenigen Fällen in Frage kam. Die Folge war der bekannte Ausverkauf des Reichsgutes im Spätmittelalter. Auf der anderen Seite stellten die Reichspfandschaften einen Aktivposten in der territorialen Erwerbspolitik der Reichsfürsten und werdenden Landesherren dar. So erwarben sie in der Regel nur solche Reichsstädte als Pfand, die innerhalb ihres Territoriums oder wenigstens in dessen Nähe lagen. Die Gründe liegen auf der Hand: es ging weniger um den finanziellen Nutzen als vielmehr darum, die Städte und andere Reichspfänder dem eigenen Herrschaftsbereich einzufügen, eine Praxis, die für die Städte zwar zunächst keine juristische, aber doch eine tatsächliche Schlechterstellung zur Folge hatte. Die Frage nach dem rechtlichen Charakter der Pfandschaft geht vor allem den Juristen an. Es ist davon auszugehen, daß die Verpfändung kein selbständiges Geschäft ist, sondern daß ihr eine Geldschuld oder eine Leistungsverpflichtung zugrunde liegt, an deren Stelle das Pfand tritt. Die Reichspfänder werden in der Regel als Nutzungspfand in Ewigsatzung vergeben, d. h., die in fast allen Fällen den Pfandnehmern zustehenden Erträgnisse wer-
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den nicht auf die Pfandsumme angerechnet. Aus dieser Tatsache erwachsen Schwierigkeiten bei der juristischen Einordnung und Charakterisierung der Reichspfandschaften. Entgegen der herrschenden Lehre, die den Haftungscharakter der Reichspfandschaften betont, sieht L. in den verpfändeten Reichsgütern ein „Erfüllungssurrogat", dessen Ubergabe „die Gebundenheit des Schuldners durch eine Verstrickung des Pfandgegenstandes" ersetzen soll (S. 384). Diese Erklärung ist dem Nichtjuristen einleuchtend, ein begründetes Urteil kann er sich jedoch nicht erlauben. Es bleibt noch übrig, das Buch unter dem Aspekt der Landesgeschichte und insbesondere des von dieser Zeitschrift erfaßten Raumes zu würdigen. Hier muß die Ausbeute allerdings vergleichsweise bescheiden bleiben, da von den 105 Reichsstädten nur Mühlhausen, Nordhausen, Altenburg, Chemnitz und Zwickau in diesem Gebiet liegen; in der Nachbarschaft sind noch Eger, Goslar und Lübeck zu nennen. Demgemäß ist auch die Beteiligung der mitteldeutschen Fürsten an den Pfandgeschäften des Königs nicht sehr stark; den größten Nutzen zogen noch die Wettiner, die Altenburg, Chemnitz und Zwickau ihrer Herrschaft einverleiben konnten. Der systematische Aufbau der Arbeit bringt es mit sich, daß wichtige Verpfändungen an verschiedenen Stellen unter den jeweiligen Gesichtspunkten besprochen werden. Das bedeutet für den Landes- und Städtehistoriker, der sich mit einem bestimmten Objekt beschäftigt, eifriges und ausdauerndes Nachschlagen, wobei ihm ein zuverlässig gearbeitetes Ortsregister hilft, das beispielsweise für Mühlhausen 99, für Altenburg 60, für Chemnitz 57 Fundstellen angibt. Ein entsprechendes Register der Pfandnehmer fehlt leider. Macht man sich die Mühe und verfolgt in dem Buch das Schicksal einer verpfändeten Stadt oder ein wichtiges und kompliziertes Pfandgeschäft, wie es z. B. die Verpfändung von Gelnhausen, Nordhausen und Goslar sowie der Rechte und Einkünfte in Mühlhausen im Jahre 1349 durch Karl IV. an Graf Günther von Schwarzburg darstellt, da Mühlhausen ein Unverpfändbarkeitsprivileg besaß, Nordhausen aber bereits verpfändet war und nicht eingelöst werden konnte, so zeigt sich, daß man über das betreffende Objekt zuverlässig und erschöpfend unterrichtet wird. L.s Arbeit, vorwiegend unter rechtshistorischer Fragestellung geschrieben, dringt auf der einen Seite von ihrem speziellen Thema her zu allgemeinen und grundlegenden Problemen der spätmittelalterlichen Verfassungsgeschichte vor und gibt auf den anderen Seite auch zu stadtgeschichtlichen Detailfragen zuverlässige Auskunft — wir meinen, diese Vorzüge haben ihre Grundlage in der ausgedehnten und streng sachlichen Arbeit an den Quellen und in einer Interpretation, die an keiner Stelle dem vorgelegten Material um einer vorgegebenen Systematik willen Gewalt antut. MarhurgjL.
-F. Schwind
HEINEMANN, Wolfgang: Das Bistum Hildesheim im Kräftespiel der Reichsund Territorialpolitik vornehmlich des 12. Jahrhunderts. — Hildesheim: Lax 1968. 382 S., 3 Kt. = Quellen u. Darstellungen z. Geschichte Niedersachsens, Bd. 72. DM 2 4 , - . Die Arbeit von Heinemann, eine 1966 bei Heinrich Büttner fertiggestellte Diss., setzt es sich zum Ziel, die Entwicklung der Diözese Hildesheim im politischen Kraftfeld zwischen Reichsgewalt und aufstrebender, in erster Linie weifischer Territorialmacht aufzuzeigen. Das Hauptgewicht liegt dementsprechend auf der Zeit zwischen der Wahl Lothars von Süpplingenburg zum Herzog von Sachsen und dem Tode Friedrich Barbarossas. 23*
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Abschnitt I (S. 8—60) ist der „inneren Entwicklung" des Bistums von seinen Anfängen bis zum Beginn des 12. Jh.s gewidmet, wobei das Verhältnis der Hildesheimer Bischöfe zum Königtum besondere Berücksichtigung findet. Abschnitt II, „Das Bistum Hildesheim im frühen 12. J h . " (S. 61 —121), behandelt Grafschaftsverfassung und Adelsherrschaft, bischöfliche Ministerialität und Entwicklung der kirchlichen Organisation der Diözese bis etwa 1150. Den Hauptteil der Arbeit bildet dann der „Das Bistum Hildesheim im politischen Kräftespiel des 12. Jh.s" betitelte Abschnitt III (S. 122—313). Der Vf. geht hier zunächst ausführlich auf die Beziehungen der Bischöfe von Hildesheim zu Lothar von Süpplingenburg ein, die seiner Ansicht nach wenigstens zeitweise recht gespannt waren, und beschreibt dann die problematische Stellung Hildesheims zwischen den territorialen Bestrebungen der Weifen einerseits und denen der staufisch gesinnten Winzenburger andererseits zur Zeit Konrads III. Ähnlich wie Corvey nahm Hildesheim in der Innenpolitik dieses Königs eine Schlüsselstellung ein. Dies kommt u. a. in der Einsetzung Konrads von Babenberg zum Hildesheimer Dompropst und im Aufstieg des staufischen Parteigängers Rainalds von Dassel zur selben Würde zum Ausdruck, und einen Niederschlag dieser Stellung finden wir auch in der Auseinandersetzung um die Winzenburg, in welcher der seinerseits um den Ausbau eines territorialen Machtbereichs bemühte Bischof Bernhard I. 1170 zunächst zugunsten des Grafen Hermann II. nachgeben mußte. Anschließend schildert H. eingehend die Entwicklung des Bistums während der Regierungszeit Friedrichs I. In der Resignation Bischof Bernhards (1153) sieht er eine Absetzung durch den König, welcher mit der die Weifen anscheinend allzusehr begünstigenden Politik des Bischofs nicht einverstanden war. Ferner berichtet er über die bischöfliche Politik in den Jahren 1153—1170, die sich zwischen dem durch Friedrich I. unterstützten Heinrich den Löwen und dem oppositionellen ostsächsischen Adel (vor allem den Askaniern und den Sommerschenburgern) um eine eigenständige Position bemühte, ohne diese immer ganz wahren zu können. Der Vf. geht anschließend zu Bischof Adelog, dem wohl fähigsten Hildesheimer Bischof des 12. Jh.s (1170—1190), über und schildert den Ausbau des hildesheimischen Territoriums durch diesen. Adelog verstand es schon vor dem Sturz Heinrichs des Löwen, alte bischöfliche Rechte wieder durchzusetzen und auch die Diözesanverwaltung straffer an sich zu ziehen. 1180 ergriff er gegen den Löwen Partei, baute nach dem Fall des Weifenherzogs zielbewußt die territoriale Position seines Bistums aus und führte es zu bisher kaum gekannter Blüte. Die Darstellung schließt — wenigstens vorläufig, da der Vf. eine Fortsetzung bis 1246 plant (vgl. S. V ) — mit Adelogs Tode. Das Buch wird ergänzt durch einige Exkurse: eine Zusammenstellung des Materials zur Familien- und Sippengeschichte der bischöflichen Lehnsleute und Ministerialen, und zwar sowohl der im Bistum ansässigen (I) wie der nicht ansässigen (II); über die Hildesheimer Dompropstei und ihre Verbindung mit dem Goslarer Archidiakonat (III); schließlich über die Riechenberger Schreiberschule (IV). Quellen- und Literaturverzeichnis sowie sorgfältig gearbeitete Register der Personen- und Ortsnamen runden die Arbeit ab. Hinzu kommen drei Kartenbeilagen: 1. kirchliche Erfassung und Organisation bis zum 12. Jh., 2. Eigenkirchen- und Patronatsrechte, 3. Besitz, Rechte, bischöfliche Ministerialen und Urkundenzeugen im 12. Jh. Eigentlich ist H.s Buch der 1. Teil einer neuen Geschichte des Bistums Hildesheim, ein nach den veralteten Darstellungen von Lüntzel und Bertram gewiß dringendes Desiderat, vor allem für die relativ quellenarme Zeit bis 1200. Zwar ist die Arbeit unter besonderer Berücksichtigung der Territorialpolitik im Diözesanbereich geschrieben, aber sie läßt andere Aspekte keineswegs beiseite: Kultur und Kunst, Heiligenverehrung und Kirchenorganisation, alles hat der Vf. mit einzubeziehen gewußt. Dabei verliert er nie den Über-
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blick über die großen Zusammenhänge, welche die Geschicke des Bistums beeinflußt haben. Das Buch ist eine gelungene Kombination wissenschaftlicher Akribie (Quellen wie Sekundärliteratur sind, soweit ist sehe, vollständig berücksichtigt) und schriftstellerischer Gewandtheit, denn die Darstellung, die wohl bewußt als weit ausholende Erzählung von Tatsachen aufgebaut ist, obwohl sich manch einer bei der Behandlung dieses Themas vielleicht mehr statistische Aufstellungen — vor allem bezüglich der Besitzverhältnisse von Adel und Kirche — wünschen würde, ist gut geschrieben und nie langweilig zu lesen. Trotzdem ist an der Arbeit einiges auszusetzen. Der Vf. läßt es bisweilen außer acht, daß bei dem im Grunde spärlichen Quellenmaterial zu seinem Thema vieles, das er als Tatsache hinstellt, doch immer nur Vermutung bleiben kann. Jeder, der sich mit der Materie einmal befaßt hat, weiß, daß die Geschichtsschreibung über die Diözese Hildesheim bis 1200 über weite Strecken hin die Kunst vorsichtiger Formulierung und ein immer wieder betontes Vielleicht bleiben muß. Niemand bestreitet, daß H.s Vermutungen interessant sind und daß durch sie die Diskussion über manche noch offene Fragen nur bereichert werden kann, aber man sollte sich doch zur Hypothese bekennen, wenn man sich auf quellenmäßig unsicherem Terrain bewegt. Dazu einige Beispiele. — S. 141: Woher weiß man, daß Propst Gerhard von Riechenberg seinem Bruder Gunther die Propstei Heinigen „verschaffte"? Sicher ist nur, daß beide Pröpste Brüder waren. — S. 150—152: Steht bei der Reform des Klosters Clus wirklich ein Gegensatz zwischen Bischof Bernhard und Lothar von Süpplingenburg fest? Wir besitzen eine nicht genau datierte bischöfliche Urkunde von 1134 und eine kaiserliche über diesen Vorgang vom 25. Januar desselben Jahres. Ist die bisherige Meinung, es handele sich hier um eine gleichzeitige Beurkundung, wirklich so abwegig? Was soll die Folgerung: Lothar war mit Bischof Bernhards Reform nicht einverstanden und stellte seinerseits eine Urkunde über denselben Vorgang aus ? Überhaupt scheint mir der Gegensatz zu Lothar übertrieben und eher auf das leidlich gute Verhältnis hin konstruiert, das zu Konrad III. bestand. — S. 209—225: Daß die Resignation Bernhards I. eine Absetzung durch Friedrich Barbarossa gewesen sei, ist gleichfalls nur Hypothese. Die angeführten Quellenbelege halte ich nicht für unbedingt überzeugend, und entgegen steht, daß Bernhards Amtszeit 1153 länger als zwei Jahrzehnte, also recht lange, gedauert hatte, daß er seit fast einem Jahrzehnt blind und wahrscheinlich auch seit geraumer Zeit siech war, da er kurz nach seiner Resignation gestorben ist (dazu paßt die Notiz der Lauterberger Chronik ab episcopatu absolvitur a cardinalibus Bernardo et Gregorio et moritur auch recht gut). — Ebenso verdeckt der Vf. S. 270 mit sehr bestimmten Worten eine bloße Vermutung. Er schreibt nach der Darstellung des Scheiterns der sächsischen Adelskoalition gegen Heinrich den Löwen 1169: „Im Strudel dieser Ereignisse hat Bischof Hermann genau wie sein Vorgänger (sie!) resigniert. Er sah sich in unlösbaren Konflikten gefangen, in dem Widerstreit zwischen reichsfürstlichen Verpflichtungen und der Sorge für sein Bistum." Die Quellen für das letzte Amtsjahr Hermanns sind drei Urkunden, die mit dem Vorgang nichts zu tun haben, sowie eine Notiz der Hildesheimer Bischofschronik, wonach der Bischof sich per consentum fratrum auf eine Wallfahrt nach Jerusalem begeben habe. Auf dieser Reise ist er im Juli 1170 gestorben; sein Nachfolger trat das Bischofsamt Ende 1170 an. — S. 271 f. (mit Anm. 744) bestreitet der Vf., daß Bischof Adelog zur Familie der Edelherren von Dorstadt gehört habe. Es handelt sich aber schwerlich um einen Interpretationsfehler, wenn man ihn auf Grund des frater noster felicis memorie Arnoldus de Dorstat im UB Hochstift Hildesheim 1,473 für den Bruder eben dieses Arnold hält. Warum ein Bischof einen Laien sonst Bruder nennen sollte, wüßte ich nicht zu sagen. — Weiter rechnet er S. 107 sowie Exkurs III S. 338—341 die Hildesheimer Pröpste zu den Archidiaconi nati im Sinne von Machens, da
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mit dieser Würde seit dem 11. Jh. die des Goslarer Archidiakons verknüpft gewesen sei. Für die Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V. sei das zugegeben. Aber daß es danach ebenso gewesen sei, daß der UB HHild 1,294 von 1155 bezeugte Archidiakon Esicus Vertreter Rainalds von Dassel in diesem Amt gewesen sei, dafür gibt es keine Quellen: das ist eine Theorie H.s und nichts weiter. Einige Bemerkungen noch zu dem Kapitel „Der Hildesheimer Diözesanbereich in kirchenorganisatorischer Sicht" (S. 91 —121), dem ich zwar in den Grundzügen, nicht aber in allen Einzelheiten zustimme. — S. 97: Daß Ohrum eine Kirche aus fränkischer Zeit besitze, ist unbewiesene, wenn auch wohl nicht unrichtige Vermutung. Missionszentrum, wie der Vf. S. 103 meint, war Ohrum jedoch wohl nicht. — S. 97, Anm. 163: Warum Wallensen, Oldendorf und Eldagsen noch vor 815 Kirchen erhalten haben sollen, ist mir unerfindlich. Schon die Patrozinien lassen diesen Schluß nicht zu. — S. 97f.: Die in den Urkunden DH III 279 sowie DH IV 22 und 206 genannten publicae aecclesiarum parrochiae sind im 11. Jh. in der Diözese Hildesheim sicherlich nicht die einzigen gewesen. Man muß sich vor Augen führen, daß es sich hier um Grafschaftsverleihungen über ein bestimmtes Gebiet handelt, das durch Anführung von Kirchspielen näher eingegrenzt wird. — S. 99 ist bei der Erwähnung von Gandersheim und Lamspringe und ihrer Bedeutung für die kirchliche Erfassung des Südens der Diözese dem Vf. leider die Aufteilung des Archidiakonats Detfurth in zwei weit voneinander getrennte Bereiche entgangen, aus der sich interessante Rückschlüsse auf die Entwicklung des Niederkirchenwesens in diesem Gebiet ergeben. — S. 100: Ob das Seligenstadt der Klostergründung Bischof Altfrids wirklich das halberstädtische Osterwieck war, möchte ich bezweifeln. — S. 102: Die von Bischof Bernward 1022 an das Michaeliskloster überwiesenen Kirchen waren keine bischöflichen Eigenkirchen im strengen Sinne, sondern stammten aus dem Eigengut der Familie Bernwards. Damit sind nur wenige Aspekte der Arbeit berührt. Auf alle Einzelheiten einzugehen würde den Rahmen einer Rezension sprengen. Alles in allem, das sei nochmals betont, handelt es sich um eine ungemein material- und kenntnisreiche, dabei vor allem gut lesbare Arbeit, die man bei weiteren Forschungen über die Frühzeit des Bistums Hildesheim mit Gewinn heranziehen wird. Auf die von H. angekündigte Fortsetzung dürfen wir gespannt sein. Berlin
Michael Erbe
BRUNS, Alfred: Der Archidiakonat Nörten. — Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht 1967. 202 S., 1 Kt. = Veröff. d. Max-Planck-Instituts f. Gesch., 17. Studien zur Germania Sacra, 7. DM 21,— . Die Arbeit von Bruns ist eine 1965 bei Hermann Heimpel abgeschlossene Diss. Innerhalb der vom Max-Planck-Institut für Geschichte herausgegebenen Reihe „Studien zur Germania Sacra" ist sie die erste, die sich mit der Entwicklung des Niederkirchenwesens in einem geschlossenen kirchlichen Gebiet befaßt. Sie ist außerdem für den Bereich der Erzdiözese Mainz gewissermaßen eine Ergänzung zu den Arbeiten von W. Classen, Die kirchliche Organisation Althessens (1929), von W. Gresky, Der thüringische Archidiakonat Jechaburg (1932) sowie zu der Studie von M. Hannappel über den Archidiakonat B.M.V. Erfurt (1941). Das Anliegen des Vf.s ist ein doppeltes. Es geht ihm einmal darum, die Entwicklung der Pfarrorganisation im „Gebiet zwischen Weser und Harz, Münden und Gandersheim" von der Christianisierung durch die Franken bis zur Reformation aufzuzeigen; zum anderen ist es ihm darum zu tun, die Geschichte des 1055 gegründeten Peters-
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stiftes zu Nörten, welches die Archidiakonatsbefugnisse über das bezeichnete Gebiet innehatte, darzustellen. Nach einem kurzen Überblick über die bisher hauptsächlich von Joh. Wolf und B. Krusch zu seinem Thema geleistete Forschungsarbeit sowie über das leider einerseits spärliche, andererseits unzureichend edierte Quellenmaterial folgt ein Kapitel über die „Missionierung des südsächsischen Gebietes" (Kap. 2), in welchem der Vf. zunächst das Problem der bonifatianischen Mission in seinem Arbeitsgebiet anschneidet und — m. E. mit vollem Recht — die 1954 von K . D. Schmidt aufgestellte These von der Missionierung des Leinegaues vor den Sachsenkriegen Karls d. Gr. in Zweifel zieht (S. 13f.); weiter setzt er sich mit der auf H. Böttger zurückgehenden und noch immer verbreiteten Ansicht von der Identität zwischen Gau und Urpfarrei auseinander (S. 14f.). Hierbei fällt allerdings die Ablehnung, auch wenn ihr zuzustimmen ist, etwas zu pauschal aus, und man könnte ein näheres Eingehen auf die Arbeiten etwa von Lüntzel, Hilling, Machens, Prinz und Haff sowie auf die von Homberg eingenommene Position erwarten. Nach Ablehnung der Gaukirchentheorie versucht Bruns, von drei Gesichtspunkten aus die Grundlagen für die Erschließung der frühesten kirchlichen Verhältnisse seines Arbeitsgebietes zu gewinnen. Er geht aus: 1. von der fuldischen und der mainzischen Mission sowie 2. von den Ortsnamen und 3. von den Patrozinien. Die Beschreibung der konkurrierenden Mission von Fulda und Mainz-Hersfeld aus ist m. E. vortrefflich gelungen. Fußend auf den Forschungen von Lüders, Lübeck, Goetting und Stengel zeigt der Vf. an Hand der Lage der ältesten Kirchen zueinander das Ringen zwischen Fulda und Mainz sowie zwischen Mainz und den Nachbarbistümern Paderborn und Hildesheim um den kirchlichen Einfluß in diesem Gebiet, wobei er von der Rekonstruktion der Altlandschaft durch O. Schlüter ausgeht und die Lage der ältesten Kirchen dazu in Beziehung setzt. Mainz verstand es auf die Dauer, die Konkurrenz Fuldas, das sich auf Brunshausen und den Besitz um Northeim stützte, von den eigenen Stützpunkten Erfurt und Hersfeld aus niederzuhalten. Die Mission hätte aber kaum Erfolg zeitigen können, wären ihre Träger nicht durch Schenkungen aus Reichsgut unterstützt worden. B. zeigt an Hand der Richtungs-Ortsnamen auf -heim die räumliche Nähe des erschließbaren fränkischen Reichsbesitzes zu den späteren mainzischen Sedeskirchen, deren Martinspatrozinien er — vielleicht etwas zu sehr verallgemeinernd — auf den Mainzer Dom und damit auf die mainzische Mission bezieht. Die auf diese Mission zurückgehenden Urpfarreien scheinen sämtlich zwischen 780 und 815 entstanden zu sein. Im 3. Kapitel stellt der Vf. kurz Vermutungen über die Entwicklung der Pfarrechte der 12 während der frühesten Mission entstandenen Mutterkirchen an und behandelt die Entwicklung der mainzischen Grenze nach Hildesheim und Paderborn hin, die Anfang des 11. Jh.s in der Auseinandersetzung um Gandersheim gipfelte. Im 4. Kapitel gibt er zunächst eine eingehende Interpretation des Gründungsprivilegs für das Petersstift Nörten. Das Stift erhielt 1055 durch Erzbischof Lupoid u. a. die Taufkirchen in Nörten und in Geismar. Es wuchs allmählich in die Rolle eines bischöflichen Visitationszentrums hinein, bis schließlich der Nörtener Propst die archidiakonalen Befugnisse für die weitere Umgebung des zu Mainz gehörenden nördlichen Leinegebietes übernahm. Weiter skizziert B. kurz den Ausbau der Pfarrorganisation in seinem Gebiet bis 1100. Leider ist ihm dabei entgangen, daß bereits 1022 vier adlige Eigenkirchen im Bereich des späteren Archidiakonats Nörten bezeugt sind, die 1070 genannte Kirche in Lengden also nicht die einzige bleibt, von der wir aus dieser Zeit wissen; denn 1022 schenkte Bischof Bernward von Hildesheim dem von ihm an seinem Bischofssitz gegründeten Michaeliskloster u. a. die Kirchen in Dassel, Renshausen, Diemarden und Lenglern (MGH DH II 479), die — wie er ausdrücklich (UB Hochstift Hildesheim 1,62) betont — aus seinem Eigengut stammten.
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Das folgende (5.) Kapitel ist ein gelungener Abriß über die Entwicklung des Nörtener Stiftes und seines Archidiakonates bis zur Reformation. 1145 finden wir den Nörtener Propst zuerst als Archidiakon bezeugt, aber durch Vergleich mit den Nachbararchidiakonaten und -bistümern folgert der Vf. wohl völlig richtig, daß Nörten bereits spätestens 1100 den Bann über das umliegende Gebiet erhielt. Wurde so der Mainzer Missionsbezirk zum eigenständigen Archidiakonat so entwickelten sich die 12 Urpfarrkirchen zu Sedes der Archipresbyter. Höhepunkt der archidiakonalen Eigenständigkeit ist hier wie anderswo das 12. und 13. Jh. gewesen, bis seit dem 14. die Erzbischöfe die kirchliche Verwaltung wieder stärker an sich zogen. Ob mittlerweile die Besetzung der Stiftspfründen weitgehend Sache der regionalen Adelsgeschlechter geworden war, muß wegen der dürftigen Quellenzeugnisse Vermutung bleiben. Der darstellende Teil der Arbeit wird durch ein 6. Kapitel über „Die Verwaltung der archidiakonalen Rechte" eindrucksvoll abgerundet. Bei der Behandlung des archidiakonalen Gerichtswesens allerdings hätte der Vf. vielleicht auch den 2. Teil der Studie von J. Machens über die Hildesheimer Archidiakonate mit Gewinn zum Vergleich heranziehen können. Im einzelnen beschreibt er die Tätigkeit a) des Propst-Archidiakons an der Spitze der Archidiakonatssynode, welche über den Synoden der Sedesbezirke stand; b) des aus einzelnen Dignitären des Archidiakonates und in Vertretung des Propstes tagenden Gerichts; c) einzelner vom Propst bestellter Richter; d) der sich daraus seit Ende des 13. Jh.s herausbildenden pröpstlichen Offiziale; endlich e) die Tätigkeit der seit dem 14. Jh. in die Rechtsgeschäfte eingreifenden erzbischöflichen General- und Spezialkommissare. Das Kapitel schließt mit einer sorgfältig gearbeiteten Liste der Pröpste, Richter, Offiziale und Kommissare des Archidiakonats. Der Anhang der Arbeit bringt — neben der Nörtener Offizialatsordnung von 1335 — wichtige statistische Ergänzungen: Listen der Dignitäre und der Besitztümer des Stiftes, außerdem eine überaus wertvolle Aufstellung der Pfarrkirchen des Archidiakonates, geordnet nach Sedesbezirken und unter Angabe jeweils der Kirchenpatrozinien sowie der Patronats- und Filialverhältnisse. Hingewiesen sei auch auf die nach der Gemeindegrenzenkarte 1 : 200000 angefertigte Übersichtskarte „Der Archidiakonat Nörten um 1500". Kritik hätte ich eigentlich nur an einzelnen Punkten anzubringen. S. 13, Anm. 6 wäre bei der Erwähnung von Karl Martells 738 geführtem Sachsenkrieg ein Hinweis auf den entsprechenden Aufsatz von M. Lintzel (Gesammelte Schriften 1, 1961, S. 87—92) angebracht gewesen. Anm. 7 wäre ich nicht so sicher, ob Pippin 747 nicht doch wenigstens durch den nördlichen Teil unseres Gebietes gezogen ist; immerhin belegen die Reichsannalen seinen Weg bis Ohrum a. d. Oker. S. 20—23 vermisse ich eine etwas eingehendere Behandlung des Reichsgutproblems. Von den Martinspatrozinien, die man ja auch auf fränkische Kirchgründungen beziehen könnte (zumindest bei Greene ist eine solche Annahme nicht ganz abwegig), war bereits die Rede. Das Herausschälen der Altlandschaft mit Hilfe der Ortsnamen sollte sich auch auf die -ithi-Orte beziehen, und namentlich am südlichen Harzrand liegt der Verdacht fränkischen Reichsgutes und fränkischer Kirchgründungen nahe, auch wenn gerade hier die Quellen uns völlig im Stich lassen. Aber rechtfertigen nicht die Patrozinien und die Patronate der Kirchen um Pöhlde wenigstens einen entsprechenden Verdacht? S. 27f. würde ich den Bischöfen von Hildesheim im Gandersheimer Streit doch etwas mehr Recht zubilligen als der Vf. S. 174 hat Heckenbeck möglicherweise eine Petrikirche besessen (vgl. die Flurnamenbezeugung Staatsarchiv Wolfenbüttel 6 Urk 829 von 1547). Kleinere Versehen sind im Quellen- und Literaturverzeichnis unterlaufen, so die falschen Signaturen für die Wolfenbütteler Archivbestände (S. 179) und die etwas befremdende Aufstellung der von den Monumenta benutzten Teile
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(S. 180). Das UB Fulda ist 1913—1958 erschienen (ebda), und vom Mitteldeutschen Heimatatlas (S. 184) sollte man künftig nur noch nach der 2. Auflage (Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes, Teil 1 — 3, 1959 — 61) zitieren, wie es der Vf. ja auch in den Anmerkungen tut. Die Karte halte ich einerseits für äußerst verdienstvoll, weil sie in ihrer klaren Aufgliederung eine rasche Orientierung ermöglicht und dadurch das Register sehr gut ergänzt wird, andererseits ist sie doch problematisch, weil um 1500 die Diözesangrenzen wohl nicht mehr die waldigen Gebirgszüge ausgespart haben. Eher hat sich der Vf. hier wohl zu sehr an seine Vorlage, die erwähnte Gemeindegrenzenkarte, angelehnt. Man vermißt auf der Karte ein Mindestmaß landschaftlicher Orientierungsmöglichkeit. So hätte vor allem die Waldverbreitung, frühere und heutige, eingezeichnet werden müssen, da so der Gang der Mission und frühen Entwicklung der Pfarrorganisation viel deutlicher wird. Ein gutes Beispiel dafür sind die Karten von Homberg zu seinem Aufsatz über die Entstehung der Pfarrorganisation in Westfalen (Westfälische Forschungen 6, 1943—1952). Nachzutragen wäre noch, daß H. Uhde in seiner Arbeit „Die Gutswirtschaft Immedeshausen (1225 — 1445) und der Besitz des Klosters Walkenried am Harz", Oldenburg (Selbstverlag) 2 1966 ( = Westharzer Beiträge 3) auch über Schwankungen der Grenze zwischen Hildesheim und Mainz um Münchehof handelt. All diese Einwände können allerdings das grundsätzliche Verdienst der Arbeit von B. nicht schmälern. Es bleibt zu wünschen, daß bald mehr solcher Arbeiten entstehen, von denen Kirchen- wie Landesgeschichtsforschung nur bereichert werden können. Berlin
Michael
Erbe
STEINBACH, Hartmut: Die Reichsgewalt und Niederdeutschland in nachstaufischer Zeit (1247—1308). — Stuttgart: Klett 1968. 157 S. = Kieler Histor. Studien, Bd. 5. D M 2 8 , - . Hätte nicht bereits 1931 Erich von Freeden in seiner Göttinger Diss. über „Die Reichsgewalt in Norddeutschland von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jh.s" gehandelt, dann, so möchte man vermuten, hätte der Vf. der hier anzuzeigenden Studie gewiß wie im Kontext und in einer Reihe seiner Kapitelüberschriften auch in seinem Buchtitel statt unpräzise von Niederdeutschland treffender von Norddeutschland gesprochen, denn er untersucht „die Möglichkeiten und Ergebnisse königlicher Einflußnahme auf die ihnen (!) reichsrechtlich unmittelbar unterstehenden Reichsstädte Lübeck und Goslar sowie auf die askanischen Kurfürstentümer Sachsen und Brandenburg und das weifische Herrschaftsgebiet um Braunschweig und Lüneburg" (S. 10) seit der Wahl Wilhelms von Holland bis zum Tod König Albrechts I. In vorbildlicher Weise verbindet der Vf. minutiöse Detailforschung auf Grund genauer Kenntnis der Quellen und der Sekundärliteratur mit dem Blick für die übergreifenden politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge, und es spricht durchaus für seine Selbstdisziplin, daß er nicht der Versuchung erlegen ist, durch Uberinterpretation seiner Texte ein völlig neues Bild von der Reichsgewalt im nachstaufischen Norddeutschland zu entwerfen, sondern sich mit einer angemessenen Korrektur der gängigen Vorstellungen bescheidet. Demnach haben bis auf Richard von Cornwall und Alfons von Kastilien alle deutschen Könige in der 2. Hälfte des 13. Jh.s, soweit es ihre Kräfte zuließen, versucht, die Rechte des Reiches in den norddeutschen Territorien durchzusetzen. Am erfolgreichsten war hierbei Rudolf von Habsburg während seines achtmonatigen Aufenthaltes in Erfurt (1289/90). Wenn gleichwohl im ganzen die königlichen Bemühungen gescheitert sind, so lag das in erster Linie an dem andauernden Dilemma, daß die Interessen der beiden wichtigsten Partner des Königtums — Lübecks und der brandenburgischen Kurfürsten — nicht auf einen Nenner zu bringen waren und jede Ent-
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Scheidung der Könige entweder ihr Verhältnis zu der finanzstarken Reichsstadt oder zu den einflußreichen Askaniern belasten mußte. Während nämlich Lübeck vom Reich die Bestätigung seiner Rechte und einen die Freiheit nicht beeinträchtigenden Schutz erwartete, suchten die Brandenburger von den Trägern der Reichsgewalt die Belehnung mit Lübeck oder doch die Statthalterschaft über sie zu erlangen, um die Hafenstadt in den Dienst ihrer Handels- und Wirtschaftspolitik zu stellen. Der Vf. arbeitet geschickt und überzeugend diese Konstante seines Themas heraus, ohne darüber die Vielzahl der ephemeren Probleme zu vernachlässigen, so daß die wechselseitigen Einwirkungen der königlichen und der norddeutschen territorialen Gewalten in ihrer ganzen Breite in seiner Darstellung zu ihrem Recht kommen. Man wünscht sich für die nordost- und ostdeutschen Gebiete eine ähnlich geglückte Studie. Berlin
Dietrich Kurze
KEHN, Wolfgang: Der Handel im Oderraum im 13. und 14. Jahrhundert. — Köln, Graz: Böhlau 1968. XII, 301 S., 3 Abb. = Veröffentlichungen d. Histor. Komm. f. Pommern, Reihe V : Forschungen z. pomm. Geschichte, H. 16. DM 48,— . Von den großen Flüssen der norddeutschen Tiefebene ist die Oder selten zu einer wirksamen Geltung als Handelsstraße gekommen, was auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen mag. Die Gründe dafür sind sehr mannigfaltig. Nachdem in den Bänden der Acta Borussica über die Getreidehandelspolitik und über die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik die Verhältnisse für das 16. —18. Jh. dargestellt worden sind, hat es nun K. unternommen, den Oderhandel im Mittelalter zu untersuchen. Seine Arbeit zeichnet sich durch eine sorgfältige Auswertung aller Quellen und durch Heranziehung einer umfangreichen Literatur, auch des modernen polnischen Schrifttums, aus. Da der Oderraum schon im Mittelalter durch politische Grenzen zerrissen war, betrachtet Vf. zunächst einzeln die Gegebenheiten in Schlesien, Brandenburg und Pommern mit den Mittelpunkten Breslau, Frankfurt und Stettin. Zusammenfassend kommt er zu dem Ergebnis, daß die territoriale Aufspaltung nicht der Hauptgrund für die geringe Bedeutung der Oder als Handelsstraße war, sondern daß durch die deutsche Besiedlung des Ostens die Handelswege in westöstlicher Richtung verliefen. Die Städte an der Oder wurden nur als Ubergänge über den Strom, nicht als Verbindungsglieder auf dem Strom wichtig. Das trifft auch mehr oder weniger für die Blütezeit der Hanse zu, deren Handel sich ebenfalls hauptsächlich von West nach Ost entwickelte. Selbst der Gegensatz zwischen dem Deutschen Orden und Polen um die Wende des 14./15. Jh.s, durch den die Weichsel zeitweilig als Handelsweg gesperrt wurde, und der Versuch Karls IV., den Oderraum zu einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet zu gestalten, brachten nur einen vorübergehenden Aufschwung des Warenverkehrs an der Oder. Es ist das Verdienst des Vf.s, die außerordentlich vielseitigen Fragen und die wechselnden Verhältnisse, die sich durch den Wandel der politischen und wirtschaftlichen Bedingungen im nordöstlichen Europa ergaben, zusammengestellt und in einer übersichtlich gegliederten Form dargestellt zu haben. Berlin
Hans Branig
LIBOR, Reinhard Maria: Ars Cisterciensis. Buchmalereien aus mittel- u. ostdt. Klosterbibliotheken. — Würzburg: Holzner 1967. 88 S., 9 einfarb. u. 13 mehrfarb. Abb. = Ostdt. Beiträge aus d. Göttinger Arbeitskreis, Bd. 41. DM 19,80. Dieser mit Sorgfalt aufgemachte Bd. bietet eine kleine Zusammenstellung zisterziensischer Buchkunst des 12. bis 14. Jh.s. Nach einleitenden Bemerkungen über den Zister-
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zienserorden und sein Kunstverständnis werden einzelne Miniaturen aus hervorragenden Handschriften, hauptsächlich der Abteien Altzelle in Sachsen und Leubus an der Oder in Schlesien vorgeführt. Auch hier, wie oft in bebilderten Publikationen über das Kunstschaffen eines Gebietes oder einer bestimmten Epoche, leidet die korrekte wissenschaftliche Information durch eingängige Formulierungen allgemeiner Art. Auch vermißt man beschreibende Angaben über die erwähnten Handschriften. Außer einer Bibliothekssignatur und Bildbeschreibung ist nur Lückenhaftes über den betreffenden Codex zu erfahren. Immerhin ergänzt ein gut ausgewähltes Literaturverzeichnis die kleine Sammlung. Berlin
Ferdinand
Schwenkner
Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie. — Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1966. ( = Veröffentlichungen d. Niedersächsischen Archivverwaltung, H. 21.) — Bd. 3. Johann Tiergart (1419—1428). 1. Halbbd. (1419-1423). Bearb. von Hans Koeppen. 363 S. DM 4 0 , - . Hans Koeppen, Staatsarchivdirektor in Göttingen, legt hier einen weiteren umfangreichen Bd. der „Generalprokuratorenberichte" vor, die seit 1960 erscheinen (vgl. Bespr. der Bd.e 1 und 2 im Ergänzungsbd. zu Bd. 11 dieses Jahrbuchs, Berlin 1967, S. 175—177, von Heinz Quirin). Der Hrsg. behielt seine bewährte Editionsmethode (Originaltext und Aktenreferat) bei, erweiterte jedoch gegenüber den vorhergehenden „Heften" den Anmerkungsapparat (vgl. Vorwort S. 6 — 7). Neben dem umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 9—20), das die mehrfach zitierten Werke aufführt, sind weitere Spezialuntersuchungen bei den Erläuterungen der 171 publizierten Quellen (S. 47—363) verzeichnet. Die Archivalien (S. 8) zu diesem Halbbd., der die Jahre 1419—1423 der Amtszeit des Generalprokurators Johann Tiergart (gest. 1456) umfaßt, lieferten das Staatsarchiv Königsberg, das im Staatlichen Archivlager in Göttingen eine neue Heimat fand, das Zentralarchiv des Deutschen Ordens in Wien, die Wojewodschaftsarchive Bromberg (Abt. Thorn) und Danzig, das Vatikanische Archiv sowie die Czartoryskische Bibliothek Krakau (jetzt Muzeum Narodowe). — Der Generalprokurator, der direkt dem Hochmeister unterstand, vertrat sämtliche Zweige und Besitzungen seines Ordens in Rom. Der Ordensdiplomat Johann Tiergart (vgl. seine Biographie S. 29—45) entstammte einer Danziger Patrizierfamilie, die bereits einen Großschäffer gestellt hatte (zur Familie Tiergart S. 23—29 sowie Hrsg. in: Altpreußische Biographie, Bd. 2, Lfg. 6, Marburg/Lahn 1965, S. 734) und vertrat fast ein Jahrzehnt seinen Orden an der Kurie, auch noch als er zum Bischof von Kurland berufen worden war (1425). Seine Amtsperiode fällt in die bewegten Hochmeisterzeiten Michael Küchmeisters (1414 bis 1422) und seines Nachfolgers Paul von Rusdorf (1422—1441), deren Biographien Wilhelm Nobel und Carl August Lückerath als Bonner Dissertationen vor einigen Jahren vorlegten und die nun in den „Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens" (Hrsg.: Pater Dr. Klemens Wieser O.T., Wien) erscheinen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß gerade die Auseinandersetzungen des Ordens mit Polen und Litauen an der Kurie in den „Berichten" breiten Raum einnehmen. Die Sache des Königreiches vertrat — wie bereits auf dem Konstanzer Konzil — Pater Paulus Vladimirus (-i), poln. Pawel Wlodkowic, dessen Schriften von Ludwik Ehrlich, Professor für Völkerrecht an der Jagiellonischen Universität Krakau, herausgegeben werden. Die Spannungen zwischen dem Ordensstaat und dem aufstrebenden Doppelreiche Polen/ Litauen belasteten die Beziehungen zum Reich und besonders zu König Siegmund erheb-
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lieh. Dessen rücksichtsvolles Verhalten (u. a. wegen der Hussitenkriege) gegenüber König Wiadyslaw II. Jagiello und dem wahrscheinlich einflußreicheren und mächtigeren Großfürsten Witold, die beide diplomatisch äußerst geschickt agierten, hatte die ritterlichmönchische Gemeinschaft an der Ostsee häufig in arge Verlegenheit gebracht. Als Beispiel sei hier nur seine „Prestigepolitik der Schiedssprüche" (H. Heimpel), ein Bestandteil seiner taktierenden universalen Politik, erwähnt (s. auch die Wiener phil. Diss. von Jutta Schütting, Die Schiedsgerichtsbarkeit der röm.-dt. Herrscher von Rudolf von Habsburg bis Sigmund, 1963). Sehr ausführlich wird auf den Streit des Ordens der Deutschherren um das Erzbistum Riga eingegangen, dessen Inkorporation jedoch 1423, nach ca. drei Jahrzehnten, aufgehoben wird. In das Geschäftsgebahren der Kurie sowie deren Verhalten besonders auf dem Konzil zu Pavia-Siena (1423—1424) erhalten wir besonderen Einblick. Die mehrfach angeführte Untersuchung Walter Brandmüllers zu diesem Thema, eine Münchener Habil.-Schrift, liegt im Darstellungsband seit 1968 vor (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen, Bd. 16). Weiterhin sind kirchliche Belange in Danzig und das Problem der Aufnahme von Nichtdeutschen in den Deutschen Orden hervorzuheben. Aus seiner Arbeit am 2. Halbbd. dieser gelungenen Edition legte Hans Koeppen in der Zeitschrift für Ostforschung 17, H. 4 (1968), S. 6 8 5 - 6 9 1 , eine Studie vor: Der Todestag des livländischen Ordensmeisters Siegfried Lander von Spanheim. Ein Beitrag zur Postgeschichte des Deutschen Ordens. Vgl. dazu auch das Kartenwerk: Historisch-geographischer Atlas des Preußenlandes. Hrsg. von Hans Mortensen f , Gertrud Mortensen und Reinhard Wenskus. Lfg. 1, Wiesbaden 1968: Karte „Die Postwege des Deutschen Ordens (1. Hälfte 15. J h . ) " ; Rez.: Hans Koeppen, in: Preußenland 7, Nr. 2, 1969, S. 25—26. Berlin
Jürgen
Neubauer
SKALWEIT, Stephan: R e i c h u n d Reformation. — Berlin: Propyläen Verlag. 1967. 457 S. mit 33 Abb. DM 3 5 , - . Nach einem von Ranke wiederholten Wort Goethes muß die Geschichte immer wieder umgeschrieben werden. Nicht nur deshalb, weil neue Quellenfunde das erfordern, sondern weil auch die jeweilige Gegenwart, ohne die geschichtliche Darstellung eine reine Photomontage wäre, mit neuen Fragestellungen an die Geschichte herantritt. Dieses dynamische Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart trifft aber auf keine Geschichtsepoche so unmittelbar zu, wie auf die des Zeitalters der Reformation. Das hier anzuzeigende Buch ist neu geschrieben, ist es aber auch umgeschrieben ? Als ein neu geschriebenes Buch steht es in der Reihe der bekannten Darstellungen von Ranke bis Ritter, verfolgt also eine anerkannte Tradition deutscher Historiographie. Die Darstellung ist auch für den Nichtfachmann eine Lektüre von hohem Reiz. Der Erzählstil des Vf.s verknüpft anschauliche Klarheit und sprachliche Durchsichtigkeit und erhebt das Buch zu einem Werk der Bildung. Was wäre Besseres von der wissenschaftlich-literarischen Leistung eines Gelehrten zu sagen? Der Rez. muß aber auch ebenso deutlich feststellen: es ist kein umgeschriebenes Werk. Die großen Fragen, die heute an die Reformationszeit gestellt werden und gestellt werden müssen: nicht nur an Luther (und keineswegs nur an den Theologen!), an das Problem der sozialen Bewegungen der Zeit, die kirchenpolitische Haltung der evangelischen Fürsten usw. — sie werden vom Vf. mit behutsamer Zurückhaltung behandelt. Er bleibt hier in der protestantischen Tradition, wo die Pflugschar kritischer Erkenntnisse und Räsonnements am Platze wäre. Schweigt hier die Wissenschaft, so darf man sich nicht wundern, wenn diese Fragen, die nun einmal da sind, in die Hände der rein politischen Propaganda geraten. So muß bei allem geistigen Genuß, den das Buch von Skalweit dem Leser bereitet, doch
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gesagt werden: es schließt eine bedeutende Tradition protestantischer Geschichtsschreibung zum 16. Jh. ab, ist aber keineswegs der Anfang einer neuen Sicht. Berlin Karl Kupiscb Die Reformation in Augenzeugenberichten. Hrsg. von Helmar Junghans. Mit e. Einl. von Franz Lau. 2. Aufl. - Düsseldorf: Rauch 1967. 541 S. mit Abb. DM 24,80. BORNKAMM, Heinrich: Thesen und Thesenanschlag Luthers. Geschehen u. Bedeutung. — Berlin: Töpelmann 1967. VI, 70 S. = Theolog. Bibliothek Töpelmann, H. 14. DM 6,80. KISCH, Guido: Melanchthons Rechts- und Soziallehre. — Berlin: de Gruyter 1967. 301 S. mit Abb. DM 4 8 , - . WAGNER, Oskar: Reformation in Schlesien. Ein Beitr. z. dt. Kirchen- u. Geistesgeschichte. — Leer (Ostfr.): Rautenberg 1967. 29 S. DM 3,20. Die Reformation in Dokumenten. Aus d. Staatsarchiven Dresden u. Weimar u. aus d. Histor. Staatsarchiv Oranienbaum. Hrsg. von Hans Eberhardt u. Horst Schlechte. Mit 36 Abb. u. 1 Kt. — Weimar: Böhlau 1967. 88 S. Faks. mit Text. 4°. DM 19,80. Als kleine Nachlese der anläßlich des 450. Reformationsjubiläums erschienenen literarischen Veröffentlichungen seien die vorstehend genannten Bücher angezeigt. — Das von Junghans herausgegebene Sammelwerk hat seit seiner 1. Auflage schon viel Verbreitung gefunden. Es ist eine Auswahl von zeitgenössischen Berichten, in der pädagogisch geschickten Art der Zusammenstellung mit überleitenden Zwischentexten eine Art Quellenlesebuch, für den Unterricht bestens geeignet; aber auch für alle an der Geschichte der Reformation interessierten gebildeten Liebhaber ein wertvolles Orientierungsmittel. — Heinrich Bornkamms vier kleinere Arbeiten zur Kontroverse um die Frage von Luthers Thesenanschlag nehmen im Gegensatz zu Erwin Iserlohs Auffassungen (vgl. Jb. 1968, Bd. 16/17, S. 349) den konservativen Standpunkt ein, ohne daß seine eindringlichen Forschungen jedoch gänzlich überzeugen. Die Diskussion über den ursprünglichen Text der Thesen (gegen die Auffassungen von Klemens Honselmann) sowie die Frage des Anschlages an die Wittenberger Schloßkirchentür wird weitergehen. Eine endgültige Entscheidung wird kaum zu erwarten sein. — Luthers Gesellschaftslehre hat schon viele Untersuchungen, namentlich in der jüngsten Zeit, gefunden. Sein engster Mitarbeiter, Melanchthon, ist dagegen mit seinen Rechtsauffassungen weniger beachtet worden. Es ist ein unschätzbarer und die Reformationsforschung fördernder Gewinn, daß der früher an den Universitäten Leipzig, Königsberg, Prag, Halle tätig gewesene Rechtshistoriker Guido Kisch (nach der Rückkehr aus der Emigration als Ehrendozent in Basel lehrend) dieses Gebiet mit einer eindringenden und — wie der Rez. bekunden muß — auch überzeugenden Untersuchung betreten hat. Es ist ein Buch strengster Gelehrsamkeit. Dem darstellenden Teil (Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre und seine EpieikeiaAequitas-Lehre) folgt auf rund 130 S. ein dokumentarischer Anhang. Künstlerisch bereichert wurde das Buch durch wertvolle Bildbeilagen. — Der früher in Kattowitz, jetzt als Kirchenrat in München lebende Oskar Wagner gibt mit seiner kleinen, populären Schrift über die Reformation in Schlesien einen Beitrag zur deutschen Kirchen- und Geistesgeschichte des 16. Jh.s. Man wird mit dem Autor nicht rechten, wenn er in seinen Charakterisierungen von Personen und Geschehnissen konventionelle Ansichten und Urteile wiederholt. Zu einer mehr kritischen Betrachtung mancher Vorgänge hätte der Raum
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nicht gereicht, wäre aber auch die Absicht des Vf.s nicht zu ihrem vorgesetzten Ziel gekommen. — Als eine überaus wertvolle Dokumentation muß der vom Weimarer Verlag Böhlau veröffentlichte Bildbd. bezeichnet werden. Die außergewöhnlich gelungenen fotografischen Reproduktionen reichen vom Jahre 1517 bis zum Augsburger Religionsfrieden. Es sind durchweg selten im Bild wiedergegebene Dokumente, von denen besonders Luthers Notizen für seine Verteidigungsrede in Worms 1521 hervorgehoben seien. Berlin
Karl Kupiscb
Hans J.: Brennpunkte der Reformation. Zeitgenössische Texte u. Bilder. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1967. 415 S. DM21,80. HILLERBRAND,
Dieser ausgezeichnete Quellenbd. verdient alle Anerkennung. Schon deshalb, weil die Auswahl nicht bei den Zeugnissen der Entwicklung zu den Großkirchen (Landeskirchen) stehenbleibt, sondern mit Wittenberg, Genf auch London, Trient, Rom umfaßt und — was von besonderer Wichtigkeit ist — auch Dokumente des „linken Flügels" der Reformation bringt. Jedem Abschnitt ist eine erläuternde Einleitung vorangestellt. Das Ganze ein ebenso eindrucksvolles wie lehrreiches Kaleidoskop des europäischen Lebens im Zeichen der kirchlichen Wandlungen. Berlin
Karl Kupiscb
Thomas: Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe unter Mitarbeit von Paul Kirn hrsg. v. Günther Franz. — Gütersloh: Mohn 1968. 591 S. = Quellen u. Forschungen zur Reformationsgeschichte, Bd. XXXIII. DM 96,— .
MÜNTZER,
Seit langem war die Herausgabe der Schriften Thomas Müntzers, des zum Revolutionär gewordenen Theologen und bedeutendsten Gegenspielers Luthers in den „Sturmjahren" der Reformation, ein wichtiges Desiderat der Forschung. Günther Franz, der den Plan dazu seit seinen Studien zum Bauernkrieg hegte, hat ihn nunmehr nach mancherlei Schwierigkeiten endlich verwirklichen können. Er hat eine kritische Edition dieser von der Uberlieferung wie vor allem vom Text her besondere Schwierigkeiten bereitenden Schriften und Briefe Müntzers vorgelegt, die den daran geknüpften Erwartungen voll entspricht. Dabei ist ihm zugute gekommen, daß sowohl der Briefwechsel, hrsg. von Heinrich Böhmer und Paul Kirn, als auch die wichtigsten seiner „politischen Schriften", hrsg. von Carl Hinrichs, bereits in hervorragenden Ausgaben vorlagen, auf die er sich stützen konnte, während die übrigen Stücke zwar zumeist gedruckt waren, aber großenteils in unzureichender Form oder an kaum noch zugänglichem Ort. Demgegenüber enthält die Ausgabe nur wenige bislang ungedruckte Stücke, die zumeist aus Müntzers „Briefsack" stammen, dem Nachlaßfaszikel, das sich im Landeshauptarchiv zu Dresden befand, bis es die damalige sächsische Regierung Ende 1949 Stalin zum 70. Geburtstag schenkte, so daß es heute in der Lenin-Bibliothek in Moskau liegt. Die Quellengrundlage für die Müntzer-Forschung wird also durch diese Edition zwar nicht wesentlich erweitert, wohl aber endlich einmal an einer Stelle zusammengefaßt. Im einzelnen gliedert sich die Ausgabe in sechs Abschnitte: Der 1. und bei weitem umfangreichste Teil enthält die von Müntzer selbst in Druck gegebenen Schriften, darunter die beiden großen liturgischen Werke, das „Deutsche Kirchenamt" und die „Deutschevangelische Messe" von 1523/24 mit Noten sowie die politisch-theologischen Hauptschriften, also: „Vom gedichteten Glauben", „Protestation oder Erbietung Thomas Münt-
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zers . . . seine Lehre betreffend", „Auslegung des anderen Unterschieds Danielis", „Ausgedrückte Entblößung des falschen Glaubens", und zwar in einem den genauen Textvergleich ermöglichenden Paralleldruck beider Fassungen, „Hochverursachte Schutzrede . . . wider das geistlose, sanftlebende Fleisch zu Wittenberg" (alle 1524). Im 2. Teil folgt dann der Briefwechsel in der Nummernfolge der ursprünglichen Ausgabe. Der 3. Teil vereinigt die nachgelassenen Schriften und Aufzeichnungen Müntzers, darunter die bisher ungedruckte erste liturgische Schrift Müntzers, sein „Officium St. Cyriaci" (wohl 1516/17 entstanden), das Pfarrer Friedrich Wiechert für den Druck vorbereitet hat, ferner das sog. „Prager Manifest" (1521) in einer lateinischen und den beiden abweichenden deutschen Fassungen, außerdem Predigten und Bibelexegesen, Aufzeichnungen und Notizen. Dem 4. Teil sind das „Bekenntnis" vom 16. Mai und der „Widerruf" vom 17. Mai 1525 vorbehalten. Nachrichten zu Müntzers Leben aus den Jahren 1514 bis 1522 finden sich im 5. Teil, während der 6. Teil einige Nachträge enthält. Die Texte werden nicht buchstabengetreu, sondern in vorsichtig normalisierter Form wiedergegeben. Dies läßt sich damit rechtfertigen, daß keine der bedeutenden Schriften Müntzers in einer eigenhändigen Fassung vorliegt. Die Kommentierung beschränkt sich im wesentlichen auf die Erklärung sprachlich schwer verständlicher Wörter, auf gelegentliche Hilfestellungen zum Sinnverständnis sowie auf sehr knapp gehaltene Sachanmerkungen und die Stellennachweise. Sie wird durch ein von Hans Otto Spillmann bearbeitetes Glossar unterstützt. Ein Personen- und Sachregister hilft den Inhalt der Ausgabe erschließen. Etwas ausführlicher hätten nach Meinung des Rezensenten die Einleitungen zu den einzelnen Stücken ausfallen dürfen. Auch wenn diese eine Biographie nicht ersetzen sollen, erwartet man von ihnen doch nähere Informationen über Entstehung und Datierung zumindest der größeren Schriften. Was die Datierung der Briefe betrifft, so bleibt auch weiterhin manches Fragezeichen. Auf ganz vereinzelte Druckfehler (S. 157, 241, 389, 401, 477, 569) sei hier nur kurz hingewiesen. Alles in allem wird man dem Hrsg. dafür danken müssen, daß er die Mühe nicht gescheut hat, der Müntzer-Forschung ein so verläßliches Instrument in die Hand zu geben, auf dem sie nunmehr weiterbauen kann. Denn trotz zahlreicher Monographien und unterschiedlicher, geradezu gegensätzlicher Deutungsversuche fehlt es noch immer an der großen kritischen Biographie. Diese wohl zu den schwierigsten Themen der frühen Reformationsgeschichte zählende Aufgabe kann jetzt unter besseren Auspizien in Angriff genommen werden. Würzburg
Peter Baumgart
SCHRAMM, Gottfried: Der polnische Adel und die Reformation. 1548—1607. — Wiesbaden: F. Steiner 1965. X, 380 S. = Veröffentlichungen d. Inst. f. europäische Geschichte, Bd. 36. Abt. Universalgeschichte. DM 48,—. Die vorliegende vortreffliche Untersuchung bemüht sich, gestützt auf die gedruckten Quellen und die reiche Literatur — archivalische Forschungen wurden nicht unternommen —, die Reformation im polnisch-litauischen Doppelreich in einen gesamteuropäischen Zusammenhang zu rücken, unter landes- und sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten zu betrachten und dabei das je Besondere und Einmalige der polnischen Entwicklung herauszustellen. Es geht um „ein Stück Kirchengeschichte unter einem sozialen und politischen Aspekt" (S. VIII), nicht um eine Schilderung der innerkirchlichen Lebensbereiche (Frömmigkeit, theologische Diskussionen; diese sind, freilich nur angedeutet, bei B. Stasiewski,
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Reformation und Gegenreformation in Polen, Münster 1960, erwähnt). Indem Schramm die „Reformation gegen den Willen des Landesherrn" als einen „Typus europäischer Geschichte" begreift, geht es darum, vor allem die beherrschende soziale Schicht des polnisch-litauischen Doppelreiches, den Adel, in den Blick zu nehmen. Daher sind die drei Abschnitte des Buches („Adel und Landschaft", „Adel und Klerus", „Adel und Königtum") einer Untersuchung der Stellung und Haltung des Adels zu den beherrschenden Mächten — Königtum und Klerus — gewidmet und wird unter landesgeschichtlichem Gesichtspunkt der Adel der einzelnen Landschaften abgehandelt. In diesem Kapitel scheint uns besonders viel wichtiges Material zusammengetragen zu sein. Jede künftige Arbeit über den Adel der Landschaften Polens und Litauens, aber auch des sog. „Preußen königlichen Anteils", wird sich mit Gewinn dieses Kapitels bedienen müssen. Wichtig auch die Zusammenfassung über den Protestantismus als „Religion einer Adelsminderheit" (S. 162ff.) und über die sozialen Gegensätze im protestantischen Lager, wo die Magnaten sich der Minderung der Rechte der alten Kirche widersetzten, weil sie keine lebenswichtigen Interessen zu verteidigen hatten, sondern „zu einem Bündnis mit der Krone" drängten (S. 178). Daß der polnische Adel, d. h. die mittlere Szlachta vor allem, mit der Reformation nur oder überwiegend materielle Ziele — Erleichterung der Steuerlast, durch Säkularisation des Kirchengutes oder Abschüttelung des Kirchenzehnten — verfolgt habe, wird mit Recht als zu einseitige Deutung abgelehnt (S. 180—81). Immerhin blieb noch im 17. Jh. ein erheblicher Teil des Adels protestantisch, obwohl dies nun keinerlei Vorteile mehr brachte. Damit ist an das Problem gerührt, ob der anfängliche Antiklerikalismus in Polen nicht „ein Teilphänomen des besonderen Kräftespiels von Adel, Klerus und Königtum" dargestellt habe (S. 181). In der Tat weist Vf. in den beiden Kapiteln über „Adel und Klerus" und „Adel und Königtum" (von Sigismund I. bis zu Sigismund III.) als Besonderheit der polnischen Ereignisse des 16. Jh.s nach, daß „nur im Jagiellonenreich . . . die Protestanten, nach einem Jahrzehnt, in dem rein religiöse Ziele im Vordergrund standen, ihren politischen Ort schließlich in einer Adelsbewegung (fanden), die ihren Hauptauftrag nicht in einer Verteidigung ständischer Rechte gegen fürstliche Gewalt, sondern in einer Auseinandersetzung mit dem katholischen Klerus sah" (S. 188). Wirtschaftliche Konkurrenz, Freiheit des Klerus von allgemeinem Aufgebot und Aufgaben der Grenzverteidigung, bischöfliche Gerichtsbarkeit waren die Gravamina, die der Adel vorzubringen hatte, doch konnte die katholische Kirche sich schließlich behaupten. Die Reformation in Polen ist nicht nur an der Stärke der alten Kirche, sondern nicht zuletzt an der Autorität des katholischen Königtums auch nach dem Interregnum von 1572—1574, als ihm in Stephan Bäthory und Sigismund III. Repräsentanten von bedeutender Eindringlichkeit erwuchsen, gescheitert. Vorteil des Sieges der Gegenreformation war, daß die Protestanten des Doppelreiches nicht mehr stark genug waren, wie ihre böhmischen Glaubensgenossen sich gegen Königtum und Kirche zu erheben, so daß Polen sich aus dem 30 jährigen Krieg heraushalten konnte. Nachteil war die geistige Verengung im Zeichen eines selbstgewissen Katholizismus, der Polen ausgerechnet im aufgeklärten 18. Jh. Protestantenverfolgungen bescherte und mit zum Untergang des Doppelreiches beigetragen hat. Die Untersuchung von Schramm stellt einen wichtigen Beitrag zu der in der deutschen Forschung arg vernachlässigten polnischen Geschichte dar und soll dankbar begrüßt werden, auch wenn sie mitunter nur Bekanntes zusammenfaßt, aber stets auch eigene Interpretationen hinzufügt. Ein ausführliches Literaturverzeichnis ist beigegeben; ein Register erschließt den Inhalt. Münster
Manfred
Hellmann
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DARSTELLUNGEN
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STEINBERG, S. H . : The Thirty Years War and the conflict for European Hegemony 1600—1660. Foundations of Modern Europe. — New Y o r k : W. W. Norton 1966. VI, 128 pp. $4.50. Dr. Steinberg's slim volume constitutes a formidable reinterpretation of the Thirty Years War. His rejection of the traditional understanding of the event derives, as he tells us, not from the recovery of fresh material but from a perspective that has been shaped by the experience of two world wars. In the light of twentieth century propaganda and violence, the singularity of the earlier war's horrors and devastation, its religious causation and its predominantly German focus all come into question. Indeed the author's perspective distinguishes the study. As indicated by the title, he demolishes the notion of a Thirty Years War and presents the picture of a series of wars whose central theme is the Habsburg encirclement of France. While it is readily acknowledged that contemporaries spoke of bella, the author is able to fit these wars into the decisive stage in a three hundred year struggle between France and the Habsburgs. Thus his concern is preeminently political and he seeks to minimize religious motivation and question the validity of 'religion' as a distinct, determining factor. Although he admits the age's identification of secular and spiritual issues, the aspirations, doctrines, and ecclesiastical structures of rival religious camps never emerge. True to his basic perspective the author's gaze remains steadily political and constitutional, yet without ignoring economic and cultural aspects of the problem. To anyone familiar with the author's article on the same subject which appeared in History, 1947 the present arguments will not be too surprising. Here on a somewhat more extensive scale he has been able to present succinctly the background to the European conflict, the course of the conflict and the history of its interpretation. Compression and conciseness distinguish this valuable study. One should not expect to find in this book the grand narrative of a Wedgwood but rather a radical reorientation, a clear exposition of issues, a mass of suggestive detail upon which others may build. Chapel Hill, North Carolina
J. M.
Headley
CARSTEN, Francis [ L u d w i g ] : Die Entstehung Preußens. (The origins of Prussia, dt. Aus d. Engl, übertr. von Margarethe von Knoop.) — Köln, Berlin: Kiepenheuer u. Witsch 1968. 326 S. DM 3 8 , - . Von dem 1954 (Nachdruck 1958) unter dem Titel „The origins of Prussia" erschienenen Standardwerk des deutsch-englischen Historikers ist eine fast völlig unveränderte deutsche Ausgabe veranstaltet worden. In das Literaturverzeichnis wurden lediglich einige Arbeiten von Hoppe, Hubatsch, Kahl, Lucht, Schultze und Thielen aufgenommen. Das ist allzuwenig und zeigt den Abstand des Autors von der Forschung der letzten Jahre, die zwar, wenn man so will, „keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Ablauf der preußischen Geschichte" brachte, aber eben doch eine Fülle von Einzeluntersuchungen und Quellenpublikationen, die hier unmöglich aufgezählt werden können. Auch der folgende Satz des Vorwortes der deutschen Ausgabe ist von umwerfender Einseitigkeit: „Selbst die wichtigste Quellenpublikation auf diesem Gebiet, die Akta Stanów Prus Krölewskich, hrsg. von Karol Görski und Marian Biskup (bisher vier Bd.e, Thorn 1955—1967) ist nicht in Deutschland, sondern in Polen erschienen." Daß von Carstens Werk in Deutschland „kaum Notiz genommen" worden ist, trifft nicht zu. Die Wirkung des Werkes wurde freilich beeinträchtigt durch die ungewöhnlich einseitige These vom Niedergang der Städte und vom gleichzeitigen Aufstieg des Adels in Brandenburg-Preußen, wodurch sich angeblich 24
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die Entwicklung im Osten von der im Westen einschneidend getrennt habe. Sätze wie die folgenden enthalten Vereinfachungen, die sich nur aus der Distanz des Autors zur jüngeren Forschung und zum Forschungsobjekt erklären lassen: „Bis weit in das 19. Jh. war der Adel die herrschende Schicht und bildete sich kein städtischer Mittelstand. Der Adel hielt die Mehrzahl der Bevölkerung in einem Zustand der Hörigkeit oder Leibeigenschaft, er besetzte die Schlüsselstellungen in Staat und Heer, und er verstand es, die Durchführung aller Reformen, die seiner Macht und seinem Einfluß Schranken gesetzt hätten, zu vereiteln." Man sieht, wie das Denken in Klassen die Feder des Historikers verbiegt. Berlin
Gerd
Heinrieb
Preußisches Lesebuch. Zeugnisse aus 3 Jahrhunderten, ausgew. u. eingel. von Harald v. Koenigswald. 2. Aufl. — München: Biederstein 1967. 309 S. DM 22,—. H. v. Koenigswald, ein Nachfahre des Friedrich August Ludwig v. d. Marwitz, war durch zahlreiche einschlägige Publikationen für die Aufgabe gut gerüstet, ein für weitere Kreise bestimmtes Quellen-Sammelwerk zu schaffen. Denn obschon die literarisch-historiographische Preußen-Renaissance, deren aktuelle Antriebe und Bezüge nicht zu übersehen sind, zahlreiche Zusammenfassungen und Darstellungsversuche provoziert hat, fehlte es doch an einem lesbar-anspruchsvollen und in sich ausgewogenen Quellenwerk. Der vorliegende Bd. schließt diese Lücke zum größten Teil. Weit mehr als eine rasch zusammengestellte und illustrierte Anthologie (wie die von J. Schoeps), wird in den Quellenzeugnissen dieses Bd.es die Staats-Geschichte Preußens transparent. Die recht gut ausgewählten, z. T. wenig bekannten Quellenstücke werden in den Kapiteleinleitungen und mit Zwischenüberschriften geschickt und verständlich kommentiert, v. K. beginnt mit Auszügen aus dem politischen Testament des Gr. Kurfürsten (1667), den er noch der „Vorgeschichte 1539—1688" zurechnet, und behandelt dann jeweils in größeren Abschnitten die Gründung des Staates 1688—1740, die friderizianische Zeit als Höhepunkt, auch umfangmäßig („Die Prägung", S. 7 0 - 1 3 6 ) , sodann Verfall und Erhebung 1786-1815, Auf dem Wege zur Macht 1818-1871, Preußen im Kaiserreich 1 8 7 3 - 1 9 1 8 und Ausklang 1919-1947. Das politisch-militärische und das geistige Preußen stehen durchaus im Vordergrund, Wirtschaftsleben und Wirtschaftspolitik bleiben dagegen, bis auf die Bauernfrage und die Industrialisierungsfolgen, fast ausgespart. Mit Hilfe des Literaturverzeichnisses läßt sich nicht immer erkennen, aus welchen Sammlungen die Stücke entnommen wurden. Eine Konkordanz wäre künftighin erwünscht. Das Namenverzeichnis sollte durch ein Namenregister ersetzt werden. In einer solchen Auswahl wird man immer einige Stimmen vermissen oder an aussagekräftigere Zeugnisse denken. An Gegenstimmen kommen u. a. Bebel, Frantz, Born, Jacobsohn, Ketteier, Naumann, Lassalle und Klopp zu Wort. Zeugnisse von Stein, v. Bülow (1757—1807), Svaretz, O. Hintze, Spitzemberg, Bethmann, Klepper und F. D. v. d. Schulenburg bieten sich zur Vervollständigung an. — Einige Einzelheiten: Die Juden wurden 1571, nicht „im ausgehenden Mittelalter" aus der Mark Brandenburg vertrieben (S. 40). — Mißverständlich oder sogar falsch ist der auf die Zeit um 1640 bezogene Satz: „Die Erbschaften haben Brandenburg nichts als Unglück gebracht" (S. 26). — „Daß der Staat in Preußen niemals als Selbstzweck aufgefaßt worden ist" (S. 18), vereinfacht eine vielschichtige Problematik unangemessen. Doch davon abgesehen, gibt v. K. in der Einleitung („Was war Preußen?", S. 11—22) ohne Pathos eine zwar nicht erschöpfende, aber auf Relativierung bedachte Standortbestimmung des Preußischen, das „nicht bedingt ist durch Herkunft oder landschaftliche Gebundenheit". Die geschichtliche Leistung sei nur ermöglicht worden, weil eine harte, auch die Freiheit einengende Staats-
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erziehung „den Menschen aus dem ihm angeborenen Egoismus herausführte und zur Erfüllung von Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit fähig machte". Dem Schlußsatz des alles in allem empfehlenswerten Werkes ist zuzustimmen: „Zwar führt kein Weg nach Preußen zurück; aber eine von Kritik geschärfte Besinnung auf das, was Preußen war, kann klären helfen, wie wir die deutsche Zukunft bestehen sollen." Berlin
Gerd Heinrich
Preußische Anekdoten. Nach Memoiren u. Biographien. Erzählt von Friedrich Syben. - Berlin: Haude & Spener (1967). 215 S. DM 17,80. Anekdoten sind pointierte Kurzgeschichten, die den Charakter einer bedeutenden Persönlichkeit schlagartig erhellen. In diesem Sinne hat Friedrich Syben Aussprüche der Regenten und Staatsmänner Brandenburg-Preußens vom Großen Kurfürsten bis zu Bismarck und Kaiser Wilhelm II., darüber hinaus Äußerungen bekannter Generäle und Minister in der Form von Kurzgeschichten von zuweilen szenenhafter Dramatik dargestellt, um so den Charakter der einzelnen historischen Persönlichkeiten, den Stil ihrer Politik und der Epoche und — nicht zuletzt — die moralische Kraft preußischer Gesinnung eindringlich zu vergegenwärtigen. Das Material zu den Anekdoten hat der Vf. Memoiren und Briefen entnommen, über die ein Literaturverzeichnis Auskunft gibt. — Das von der auf Preußen spezialisierten Haude & Spenerschen Verlagsbuchhandlung edierte Bändchen dürfte sich vor allem als Geschenkband für den historisch Interessierten und im besonderen für den Liebhaber preußischer Geschichte eignen. Berlin
Silva Sandom
Meta: Das preußische Kabinettsministerium. Ein Beitr. zur Geschichte d. Staatsapparates im Spätfeudalismus. — Phil. Diss. d. Humboldt-Universität Berlin 1968; maschinenschriftl. XXXIX, 241, LXXIII S.
KOHNKE,
Die Gesamtdarstellung einer preußischen Zentralbehörde vom 17. bis zum 19. Jh. ist ein bemerkenswertes wissenschaftliches Ereignis; denn es gibt zahlreiche Untersuchungen zu Detailfragen der preußischen Verwaltungsgeschichte, wenige dagegen, die einen Überblick über die ganze Entwicklung einer Zentralbehörde vermitteln. Die Gesamtdarstellung erweist sich gerade im Fall des Kabinettsministeriums als nützlich, da diese Behörde mit ihren komplexen und traditionsreichen Kompetenzen jeweils nur historisch verstanden werden kann. Die Vf.in untersucht zunächst die Wahrnehmung der Außenpolitik durch den 1604 eingerichteten brandenburgischen Geheimen Rat, in dessen Rahmen sich das auswärtige Ressort 1698 verselbständigte. Sie vergleicht diese Ausgliederung mit der Entwicklung in anderen europäischen Staaten und zeigt auch an, wie die besonderen außenpolitischen Probleme Preußens gegen Ende des 17. Jh.s — vor allem die Erwerbung der Königskrone — sich behördengeschichtlich auswirkten. Auf Grund der auf Vorschlägen Ilgens beruhenden Instruktion vom 8. Dezember 1728 entstand schließlich das Departement der auswärtigen Affairen. Die Instruktion galt bis zum Jahre 1798. Die Behördenfirma selbst wurde in ihr nicht ausdrücklich genannt, die Vf.in kann sie aber bereits in einem Reskript von 1714 nachweisen. Die Adreßkalender bezeichnen die Behörde seit 1733 als „Kabinettsministerium". Sorgfältig untersucht M. K. auch die im Rahmen des auswärtigen Departements noch weiterbearbeiteten sogenannten „nichtpolitischen" Angelegenheiten, die Reichs- und Justizsachen sowie die Haus-, Hoheits- und Lehenssachen. Die Reichssachen bildeten einen Sonderbereich in der Tätigkeit des Kabinettsministeriums, in den der König wenig eingriff. 24*
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Im übrigen war das Kabinettsministerium in starkem Maße das Büro des Monarchen, das z. B. die Bestallungen aller Minister ausfertigte, auch die für das Generaldirektorium und das schlesische Provinzialministerium. Hier und in der Aufsicht über die zentralen Archive trat das Kabinettsministerium das Erbe des Geheimen Rates an. Daneben beobachtet die Vf.in während des 18. Jh.s die Fortexistenz des Geheimen Rates oder Geheimen Staatsrates, in dem die getrennten Ressorts eine Zusammenfassung hatten, für die 1718 auch schon der Begriff Staatsministerium nachgewiesen werden kann. Mit Recht legt die Verfasserin großes Gewicht auf die soziale Zusammensetzung des Geheimen Rates und des Kabinettsministeriums. Otto Hintze hatte bereits auf die besonders enge Verbindung zwischen dem Monarchen und dem Kabinettsministerium hingewiesen. Dem entsprach eine besonders starke Vertretung des Adels unter den Ministern. Die vortragenden Räte und die übrigen Beamten des Kabinettsministeriums waren dagegen meist bürgerlicher Herkunft. Die Vf.in erforscht die soziale Herkunft, die Ausbildung der Beamten, in einzelnen Fällen kann sie auch die Umstände nennen, die zur Berufung in das Kabinettsministerium führten. Der Nähe zum Monarchen entsprach offensichtlich ein starkes Zurücktreten der Minister nach außen. Besonders unter Friedrich II. waren die Kabinettsminister „mehr Ratgeber als leitende Beamte" (S. 83), was vor allem für den Minister Hertzberg zum Problem wurde. Die Person Hertzbergs gibt aber auch Anlaß, gegen die These der Vf.in Bedenken anzumelden, daß sich abgesehen von Hardenberg kein preußischer Kabinettsminister „durch eine progressive Einstellung hervorgetan" habe (S. 102). Hier hätte geklärt werden müssen, wie im jeweiligen Augenblick eine progressive Außenpolitik ausgesehen hätte. Auch wären bei Hertzberg die innen- und sozialpolitischen Auffassungen zu berücksichtigen gewesen, die progressive Züge im Sinne der Aufklärung aufwiesen. Weitere Abschnitte der Diss. behandeln die Kanzlei- und Registraturverhältnisse und die Änderung der Organisation des Kabinettsministeriums seit den 90er Jahren des 18. Jh.s, die 1798 zur Beschränkung der kollegialen Behandlung der Amtsgeschäfte und zur Aufteilung des Geschäftskreises durch die gesonderte Behandlung der nichtpolitischen Sachen führten. Die Entwicklung lief schließlich auf die Bildung eines eigenen Ressorts hinaus, des am 11. Dezember 1802 gegründeten Haus-, Hoheits- und Lehnsdepartements. Nach der Verordnung vom 27. Oktober 1810, die den zeitlichen Abschluß der Untersuchung bildet, wurden die politischen Sachen der 1., die nichtpolitischen der 2. Sektion des Kabinettsministeriums zugewiesen, für das seit 1808 auch die Bezeichnung „Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten" aufkam. Abschließende Kapitel widmen sich den nachgeordneten Behörden des Kabinettsministeriums, vor allem den diplomatischen Missionen, ferner der Besoldung, der Pension und dem Urlaub der Beamten, wobei auch hier die sozialund wirtschaftsgeschichtlichen Aspekte wertvolle Aufschlüsse erbringen. Schließlich sorgt auch noch ein Anhang mit den Kurzbiographien der Minister und vortragenden Räte dafür, die Diss. von M. K. zu einem wichtigen Auskunftsmittel für die preußische Verwaltungsund Staatsorganisation zu machen.
Göttingen
Herbert Obenaus
SCHMIDT, Eberhard: Kammergericht u n d Rechtsstaat. Eine Erinnerungsschrift. — Berlin: de Gruyter 1968. 45 S. = Schriften d. Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin, H . 31. D M 6 , - . In enger Anlehnung an die Standardliteratur und an seine eigenen grundlegenden Arbeiten gibt E. Schmidt einen stilistisch klar und von der Sache her verständlich abgefaßten
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Überblick über die Geschichte des berühmtesten, noch heute in West-Berlin existierenden brandenburgisch-preußischen Gerichts. Zur Frage der Gründung und Entstehungszeit werden die urkundlichen Zeugnisse referiert. Besondere Aufmerksamkeit widmet Sch. verständlicherweise der Justizhoheit der Landesherren, den „Machtsprüchen", der Problematik der Suppliken. Sehr knapp, zu knapp wird die Entwicklung des Kammergerichts im 20. Jh. behandelt, obwohl es für diese Zeit dem Rechtshistoriker nicht an Quellen gemangelt hätte. Auf Nachweise oder Anmerkungen wurde verzichtet. Ein Abkürzungsverzeichnis und ein Namenregister wären angebracht gewesen. Berlin
Gerd Heinrieb
LÖSCHBURG, Winfried, Heinz WEGEHAUPT u. Leonhard PENZOLD: Die Deutsche Staatsbibliothek und ihre Kostbarkeiten. — Weimar: Böhlau 1966. 50 S., 5 mehrfarb. und 67 einfarb. Taf. DM 19,50. Zum 20. Jahrestag der Wiedereröffnung der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek Unter den Linden, die zunächst als „öffentlich Wissenschaftliche Bibliothek", dann als „Deutsche Staatsbibliothek" (1954) erfolgte, erschien dieser ansprechende und aufschlußreiche Bd. Dem Interessenten und Benutzer wird eine gute und korrekte Information über dieses Institut in die Hand gegeben. W. Löschburg gibt einen Abriß der Geschichte des Hauses von seinen Anfängen als Churfürstliche Bibliothek bis in die Jetztzeit. Natürlich fehlt in dem Abschnitt über die Nachkriegszeit nicht eine polemische Bemerkung gegen die „Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz" in Berlin und Marburg. Es folgen sachliche Angaben über Aufgaben und Einrichtungen der Bibliothek. Uber die Sperr- und Sekretierungsvorschriften, die selbst an dieser bedeutendsten wissenschaftlichen Bibliothek der DDR bestehen und ganze Gebiete fachlicher Literatur unzugänglich machen, schweigt der Vf. allerdings. H. Wegehaupt stellt in seinem Beitrag einige wertvolle Kostbarkeiten aus den Beständen der einzelnen Abteilungen der Bibliothek vor, angefangen bei den Handschriften bis hin zu Druckwerken und Autographen. Eine Sammlung von Aussprüchen bedeutender Benutzer über die Bibliothek, eine Zeittafel und eine sehr kurze Auswahlbibliographie ergänzen das Werk. Schließlich hat L. Penzold einen umfangreichen Bildteil über Bestände und Arbeitsbereiche der Bibliothek zusammengestellt. Eine solche Publikation ist vor allem darum zu begrüßen, weil der nur speziell interessierte Benutzer der Bibliothek diese hier über sein Arbeitsgebiet hinaus kennen lernt. Berlin
Ferdinand Schrvenkner
OPGENOORTH, Ernst: „Ausländer" in Brandenburg-Preußen als leitende Beamte und Offiziere 1604-1871. - Würzburg: Holzner 1967. 100 S. = Beih. z. Jb. d. Albertus-Universität Königsberg/Pr. 28. DM 7,50. Opgenoorth behandelt vom Beginn der stärkeren territorialen Expansion BrandenburgPreußens an und auf der Grundlage der bekannteren Literatur ein durch die Führungsschichten-Untersuchungen in den Vordergrund gerücktes Thema, das freilich infolge seiner Vielschichtigkeit einer mehr summarischen Behandlung weitgehend entzogen bleibt. O. greift die bekannteren Gestalten, zumal aus der von ihm nunmehr bevorzugten Epoche des Gr. Kurfürsten, heraus (von Hieronymus Gf. Schlick über Waldeck, Heinitz, Stein, Hardenberg, Scharnhorst bis zu Radowitz und Moltke), verzichtet auf Vergleiche mit den anderen deutschen Landesstaaten und lehnt auch eine analysierende statistisch-genealogische Methode, die freilich zeitraubend ist, kurzweg ab, obwohl doch erst auf diesem Wege
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quantifizierte und für Vergleiche brauchbare Grundlagen geschaffen werden können. Daß für den Eintritt eines „Ausländers" in den preußischen Dienst „sein gesellschaftlichständischer Rang ein bestimmender Faktor war" (S. 9), wird niemand bestreiten, doch gab es daneben, wie auch O.s flüssig geschriebener und mit originellen Gesichtspunkten durchsetzter Aufsatz nolens volens ausweist, zahlreiche gleichwertige Motive und Antriebe auf Seiten der Werbenden und der Geworbenen, denen durch intensiveres Quellenstudium noch nachzuspüren ist. Berlin
Gerd Heinrich
Der Briefwechsel Friedrichs des Großen mit der Gräfin Camas und dem Baron Fouque. Ausgew. u. übers, von Hans Droysen aus s. Nachlaß im Geheimen Staatsarchiv. — Köln, Berlin: Grote 1967. 87 S. mit Abb. = Veröffentlichungen aus d. Archiven Preuß. Kulturbesitz, Bd. 1. DM 11,80. Die hier vorliegende Auswahl aus dem Briefwechsel König Friedrichs mit der Oberhofmeisterin der Königin, Gräfin Camas (1686—1766) (man vermißt die Angabe, daß sie eine geborene v. Brandt war), aus den Jahren 1744—1765 und mit dem General de la Motte Fouque aus den Jahren 1763—1771 in deutscher Übersetzung befand sich als druckfertiges Manuskript in dem in das Geh. Staatsarchiv gelangten schriftlichen Nachlaß des Historikers Hans Droysen. Droysen wollte dem deutschen Leser in diesen Zeugnissen König Friedrich „von der liebenswürdigsten Seite" zeigen. Die in diesen Briefen bekundete recht eindrucksvolle fürsorgende Teilnahme des Königs für „seine beste Mama" und den ihm schon von Rheinsberg her nahestehenden alten General vermittelt von dem heute viel gelästerten König ein sehr sympathisches Bild. Viele sollten diese Briefe lesen, um sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, ob dieser vielseitige, rastlos tätige, oft rauhe König wirklich ein „verdammter Barbar" gewesen sein kann? Beigegeben sind ein kurzer Lebenslauf des Hans Droysen von seiner Tochter Zoe (leider ohne Angabe des Todesjahres) und eine Bibliographie in Auswahl. Berlin
Johannes Schultze
THIEL, Heinrich: Wilhelmine von Bayreuth. Die Lieblingsschwester Friedrichs d. Gr. - München: Süddt. Verl. 1967. 336 S., 33 Abb. DM 3 0 , - . Prinzessin Wilhelmine von Preußen, seit 1731 Erbprinzessin, seit 1735 regierende Markgräfin von Bayreuth, genießt vornehmlich wegen ihrer engen geschwisterlichen Verbundenheit mit Friedrich d. Gr. das geschichtliche Interesse. Sie war eine dem Bruder geistig ebenbürtige, vielseitig begabte Frau, von der Graf Lehndorff als ersten Eindruck der Persönlichkeit in seinem Tagebuch vermerkte: „Eine ganz eigenartig veranlagte Prinzessin. Ich glaube, daß sie auf einem Thron eine berühmte Frau geworden wäre." Vf. vorliegender Biographie sagt in seinem Nachwort: „Markgräfin W. v. B. gleicht einem Spiegel, der die vielfältigen Erscheinungen des 18. Jh.s sammelt und in eigenartiger Brechung zurückwirft." Als Verfasserin eines Memoirenwerkes (bis zum Jahr 1742) hat sie die preußische Geschichtsschreibung näher beschäftigt. L. v. Ranke, J. G. Droysen, Perz, G. B. Volz widmeten den „Denkwürdigkeiten" eingehende Untersuchungen mit dem übereinstimmenden Ergebnis, daß die in zwei verschiedenen Fassungen im Druck vorliegenden Aufzeichnungen (beide 1810 veröffentlicht, die eine in Tübingen, die andere in Braunschweig) nicht als „Historische Quelle" zu werten sind, da sie, wie sich aus den unmittelbaren Zeugnissen des Briefwechsels ergibt, Irrtümer, Verzerrungen enthalten. Wenn Thiel diese negative
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Kritik als Ausfluß des preußischen Heroenkults ablehnt und die Memoiren Wilhelmines als „eines der aufschlußreichsten Dokumente für den Geist ihrer Zeit, ebenbürtig den großen Memoirenwerken des 17. und 18. Jh.s" wertet, so dürften damit doch nicht alle Bedenken gegenüber in derartigen späteren Aufzeichnungen naturgemäß verständlichen Entstellungen früherer Vorgänge behoben sein. Dies gilt besonders angesichts der das Leben Wilhelmines begleitenden außergewöhnlichen Verhältnisse und schweren seelischen Erregungen. Die Bewertung der Memoiren führt auch in Thiels Darstellung wiederholt zur Auslegung von Handlungen, die sich auch anders deuten lassen. Der Mangel einer kritischen Neuausgabe der Denkwürdigkeiten wirkt sich hierbei nachteilig aus. 1902 widmete Richard Fester der Wilhelmine nach einer Vorstudie (1901) erstmalig einen umfangreichen „biographischen Versuch", in dem er mit Beiseitestellung der Memoiren die Tragik im Leben dieser hochbegabten fürstlichen Frau zeichnete. Eine Ergänzung dazu bildete ein gleichzeitiger Aufsatz: „W. und die Kunst am Bayreuther Hof". Merkwürdigerweise erwähnt Th. diese Arbeiten Festers nicht. Danach erschien 1905 in England eine zweibändige Biographie der Wilhelmine von der Engländerin E. E. Cuthell. Thiel hat sich bemüht, neben Ausschöpfung des gedruckten umfangreichen Quellenmaterials noch unbekannte Zeugnisse in in- und ausländischen Archiven und Bibliotheken aufzuspüren, auch die von Wilhelmine gesammelte Bibliothek fand als Quell ihrer geistigen Nahrung Auswertung. Eine „Wilhelminenausstellung" in Bayreuth 1959 bereicherte die Kenntnis ihres lokalen Wirkens. Th. bezeichnet als Zweck seines Werkes: „Die Persönlichkeit W.s als symptomatisch für wichtige Jahrzehnte des 18. Jh.s darzustellen, befreit von dem Schleier, den eine vor allem dem Bild Friedrichs dienende Forschung, ohne sich dessen bewußt zu sein, über W. geworfen hatte." Dies steht im Zusammenhang mit der Bewertung der Memoiren, über deren Zuverlässigkeit das letzte Wort noch nicht gesprochen sein dürfte. An Hand der umfangreichen Überlieferung läßt Th. in dem weit gesteckten Rahmen der Familienbeziehungen (Hohenzollern, Weifen), der politischen Vorgänge, der geistigen und kulturellen Erscheinungen das Schicksal und Wirken W.s in lebensnaher Schilderung vor dem Leser abrollen. Die Jugendzeit an dem kargen, konfliktreichen Berliner Hof, wo sie in de La Croce einen ausgezeichneten Lehrer erhielt, wo das Intrigenspiel um die englische Heirat und das Schicksal des Bruders schwere Erschütterungen brachten. Sie endete mit der vom Vater aufgenötigten Heirat des Bayreuther Erbprinzen, der doch nicht so liebensunwert war, wie Fester es darstellte. Erst als regierende Fürstin (seit 1735) war sie in der Lage, ihre Gaben zu entfalten, soweit das kleine Ländchen den Raum dafür bot. Sie verschönerte die Residenz (Bayreuther Rokoko, Eremitage, Sanspareil) und wirkte als Patronin der Wissenschaften und Künste, des Theaters und der Musik. Sie selbst spielte Cembalo und Laute und komponierte Konzerte und Opern. In Bayreuth gründete sie eine Freimaurer-Damenloge. Mit führenden Persönlichkeiten des Geistes unterhielt sie briefliche Verbindung (Voltaire). Ihr ganzes Leben beherrschte jedoch das von klein auf bestehende innige Verhältnis mit dem über alles geliebten Bruder Friedrich, von dem der umfangreiche Briefwechsel zeugt. Von einschneidender Bedeutung in ihrem Leben mußte daher ein Konflikt sein, der mit dem nunmehrigen König 1743/44 vornehmlich durch die Geschwister v. d. Marwitz, Hofdamen Wilhelmines, veranlaßt wurde, mit dem eine Begegnung Wilhelmines mit Maria Theresia (1745) in Zusammenhang stand, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß das kleine fränkische Ländchen durch den österreichischpreußischen Konflikt sich in einer überaus schwierigen Lage befand. Nachdem dies geschwisterliche Zerwürfnis 1746 behoben worden war, hat das alte Verhältnis beide Teile wieder in zunehmender Innigkeit bis zum Tode W.s (Tag von Hochkirch) beglückt. Mit dem Freundschaftstempel im Park von Sanssouci setzte der König dieser geschwisterlichen
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Freundschaft ein bleibendes Denkmal. Wie Friedrich 1758 dem Bruder Heinrich schrieb, besaßen er und Wilhelmine „getrennte Körper", „aber nur eine Seele". Th. bezeichnet einmal (S. 152) die Bindung der Geschwister als „unnatürlich eng". Was soll man darunter verstehen? Überschwengliche Gefühlsbeteuerungen entsprachen Gewohnheiten der Zeit und erscheinen deshalb bei so gleichgestimmten Naturen noch nicht als „unnatürlich". Eine äußere Zierde des inhaltsreichen Buches bildet das Titelbild, die farbige Wiedergabe eines schönen Pastells von J. E. Liotard (1744/45) aus Münchener Privatbesitz. Berlin
Johannes Scbultze
Lorenz, Franz: Die Musikerfamilie Benda. Franz Benda u. s. Nachkommen. — Berlin: de Gruyter 1967. XI, 189 S. (Staatl. Institut f. Musikforschung, Preußischer Kulturbesitz.) DM24,— . Der hier vorliegende Bd. ist der 1. einer dreiteiligen Arbeit über „Die Musikerfamilie Benda" (der 2. Bd. ist Georg Benda gewidmet, der 3. enthält einen thematischen Katalog der nachweisbaren Kompositionen). Im Mittelpunkt der Darstellung steht der böhmische Musiker Franz Benda, von 1733 bis 1786 Violinist und Konzertmeister im Dienste Friedrichs des Großen; doch sind auch die Geschicke seiner Eltern, Geschwister und Nachkommen, mit besonderer Berücksichtigung ihrer musikalischen Leistungen und ihrer Beziehungen zur Kultur- und Geistesgeschichte des 18. und 19. Jh.s ausführlich behandelt worden. Der notorische Familiensinn der Bendas und ihr pietätvoller Sammeleifer sowie die Neigung ihrer Blutsverwandten und Verschwägerten zu autobiographischen Äußerungen lieferten dem Vf. ein reichhaltiges Quellenmaterial, das er durch eigene genealogische Forschungen und zeitgenössische Dokumente sorgfältig ergänzt und zum Teil berichtigt hat. Das Buch enthält interessante Marginalien zum Musikleben in Berlin, Bayreuth und Weimar. Es fesselt jedoch vor allem durch die Schilderung nicht alltäglicher Menschengestalten, unter denen einige der weiblichen Familienmitglieder, die nicht nur als ausführende, sondern auch als schöpferische Künstlerinnen tätig waren, besonders anziehend sind. Der Bd. ist mit Abbildungen und Faksimile-Wiedergaben attraktiv ausgestattet. Im Anhang ist u. a. die berühmte humorvolle Autobiographie Franz Bendas von 1763 vollständig abgedruckt. Ein Stammbaum der Familie Benda (von ca. 1570 bis zur Gegenwart), ein gründliches Literaturverzeichnis und ein mit Stichworten versehenes Personenregister ergänzen den wissenschaftlichen Wert dieser Veröffentlichung. Berlin
Irmgard von Broicb-Oppert
v. Neräe, Hans-Günter: Friedrich August Ludwig von der Marwitz. Herr auf Friedersdorf, Kgl. preuß. Generalleutnant, Mitglied des Staatsrates. 1777—1837. Seine Vorfahren u. seine Gesamtnachkommenschaft bis 1966. Hrsg. im Auftr. d. Familienverbandes von Bodo v. d. Marwitz. — Neustadt a. d. Aisch: Degener 1967. 101 S. mit Abb. = Bibliothek familiengeschichtlicher Arbeiten, Bd. 35. DM 18,—. Daß Ahnen und Nachfahren des Erzvaters der preußischen Konservativen nicht nur von genealogischen oder adelsgeschichtlichen Interessen her die Aufmerksamkeit der historischen Forschung finden, steht außer Frage. Zugleich ist dieses genealogisch korrekt gearbeitete Werk eines der Nachfahren, von denen 1966 213 lebten, ein Zeugnis des steten
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Zusammenhalts der engeren Marwitz-Sippe, zu der u. a. Zweige der v. Minnigerode, v. d. Goltz, v. Falkenhausen, v. Koenigswald, v. Knyphausen, v. d. Schulenburg, v. Heyl, v. d. Borch, aber auch bürgerliche Familien im In- und Ausland zählen. Neben zahlreichen Stamm- und Ahnentafeln werden die bereits von Fontane hervorgehobenen Gedenktafeln und Grabschriften aus Friedersdorf und Gr. Kreutz und die Nachrufe auf F. A.L.v.d. Marwitz „aus königlichem Hause" (ohne Provenienzangabe) dankenswerterweise abgedruckt. Die sicher belegte Ahnenreihe bis auf Georg I. (um 1540, Sellin Nm.) wurde aus dem Gotha und aus der Familiengeschichte (v. Diest) übernommen. Eine sozialgeschichtliche oder soziologische Auswertung der genealogischen Angaben lag nicht in der Absicht des Bearbeiters. Berlin Gerd Heinrich Reinhart: Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgem. Landrecht, Verwaltung u. soziale Bewegung von 1791 — 1848. — Stuttgart: Klett 1967. 732 S. = Industrielle Welt, Bd. 7. DM 8 4 , - . KOSELLECK,
Der starke Bd., den Koselleck über das Verhältnis von Verfassung, Verwaltung und sozialer Bewegung für den Zeitraum vom Allgemeinen Landrecht (1791) bis zum Ausbruch der Revolution des Jahres 1848 vorgelegt hat, hat sich schon heute einen führenden Rang unter den Arbeiten des von Werner Conze geleiteten Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte erobert. Er gibt ein Musterbeispiel für die heute auf so breiter Front in Gang befindliche Auseinandersetzung zwischen einer modern aufgefaßten Geschichtswissenschaft und den Nachbardisziplinen der politischen Wissenschaft, der Soziologie und vor allem auch der von nationalökonomischer Seite her betriebenen Arbeit zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Die innere Dialektik der preußischen Geschichte in der 1. Hälfte des 19. Jh.s zwischen der durch das Reformbeamtentum bewußt und konsequent betriebenen Liberalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft auf der einen Seite und den konservativen Widerständen auf der anderen Seite ist hier in einer mit seltener Arbeitskraft durchgeführten Kombination von ideengeschichtlicher Tradition unserer Wissenschaft und einer umfassenden Auswertung der zugänglichen amtlichen Akten der preußischen Verwaltung in einer Weise durchgeführt worden, die diesen starken Bd. als einen selten tiefgreifenden Beitrag sowohl zur politischen wie sozialen und wirtschaftlichen Geschichte der 1. Jahrhunderthälfte erscheinen läßt. Die sehr allmählichen Anfänge des Industrialisierungsprozesses, die erst durch das preußische Beamtentum eingeleitete und lange erzwungene Aushöhlung der ständischen Gesellschaft des 18. Jh.s, der Beginn selbständiger Einwirkung des noch bis zuletzt in den Anfängen stehenden Industrialisierungsprozesses und die Voraussetzungen für den Ausbruch der Revolution der Jahrhundertmitte durch das Entstehen der modernen sozialen Frage, der der alte preußische Staat je länger desto weniger gewachsen war, hat hier eine umfassende Behandlung erfahren, von der die weitere Forschung wahrscheinlich auf lange Zeit tiefgehend beeinflußt werden wird. Berlin
Hans Herzfeld
P A R E T , Peter: Yorck and the Era of Prussian Reform, 1807—1815. — Princeton, New Jersey: Princeton University Press 1966. 309 S. $ 8.50.
H. D. L. von Yorck bequeathed only a slight Nachlass to posterity, and what exists of it today may be "in Polish or Russian hands" (277). Handicapped by this and by the destruction of Heeresarchiv documents in the bombings of Potsdam in 1945, the author of this study has made good use of military archives in Freiburg, Koblenz, Münster, and The Hague, and he has combed a large array of published sources. While using the relevant
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secondary literature, he has done so critically, and he is not reluctant to state his criticisms. E.g., though he credits Reinhard Höhn with "an exceptional knowledge of German military literature of the eighteenth century", he chides him for "unreliable" quotations of texts. Paret has topped off his own painstaking research by writing a text that is always clear, even when discussing technical matters. To this he has added five useful appendices and an excellent bibliography. The result is not a general biography of Yorck; for that Paret relies heavily upon Droysen. Indeed, Yorck is altogether lost from view for pages on end in this volume, and on several important aspects of his career no new light is shed. E.g., on the disputed Tauroggen truce, Paret does little more than accept as "unassailable" W. Elze's 1926 verdict that Yorck acted independently (5n; cf. 192). Nor is this a general history of the military reforms of 1807—1813. For an overall survey of them one can still usefully consult the study by William Shanahan (New York, 1945), though Paret corrects Shanahan on a number of points. Further, while Paret knows the importance of a country's total civilian context for its military affairs, knowledge of it is rather taken for granted than presented here; the author's concise and dispassionate passages convey an inadequate impression of the sweep and emotional impact of Prussia's collapse in 1806—1807. This is a work of real worth, but the value lies elsewhere. Considering "the acceptance of open-order tactics by the line infantry" to have been "the decisive innovation in infantry fighting" (37) in the period 1763—1813, Paret has combined probing research in the evolution of Prussian military doctrines with comparative forays into the contemporaneous doctrines of Britain, France, Austria, and Russia to show, step by step, why and how this innovation was accomplished. In doing so, he rejects or modifies the interpretations of several previous studies, including those of Richard Sautermeister's Tübingen dissertation (1935). In contrast to that study, Paret demonstrates that Friedrich der Grosse, while organizing light infantry units, did not modify his infantry tactics accordingly; and he shows that the period 1786—1806 was not one of decline but one in which intelligent proposals for changes in tactics were heard. Here, Yorck begins at last to come center stage in this account. Taking command of a Feldjäger regiment, in 1800 Yorck issued "the first field instructions written especially for the Prussian Jäger". These enabled the commander to "open up the whole regiment" if he saw fit to do so. They provided for more normal deployment of skirmishers, trained in rifle marksmanship, from "columns of either company or battalion size" (105). This Paret describes as "the most significant tactical advance in the Prussian army between the Seven Years' War and 1806" (106). Sautermeister and others have recognized Friedrich Wilhelm III as the "driving force" for the post-1806 military reforms; Paret, on the contrary, treats him as an obstacle to their realization. Rather, he argues, Yorck "more than anyone beside Scharnhorst brought about the army's use of revolutionary methods" (220). This conclusion may be questioned even by those who are convinced by the author's more detailed arguments. Similarly, Paret does not fully succeed in his efforts to reject the conception of Yorck as a social conservative. He demonstrates that Yorck opposed corporal punishment and that he, like Stein, supported conscription and the arming of the populace against the French; but he also admits that Yorck opposed emancipation of the serfs and resisted the elimination of noble privilege in the selection of officers. All in all, Paret's is an unusually perceptive contribution to an important chapter in the military history of Germany. A careful reading of this volume leaves no doubt that Yorck was one of those "realists" who "made it easier for Prussia to fight France without herself
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having recourse to anarchic weapons—a military factor of some importance in the country's political history" (244). Cbapel Hill, North Carolina
John L. Snell
FISCHER, Horst: Judentum, Staat und Heer in Preußen im frühen 19. Jahrhundert. Zur Geschichte d. staatl. Judenpolitik. — Tübingen: J.C.B.Mohr (P.Siebeck) 1968. VIII, 232 S. = Schriftenreihe wissenschaftl. Abhandlungen d. LeoBaeck-Instituts 20. DM 34,—. Die staatsrechtliche Emanzipation der Juden Deutschlands, die sich über fast 100 Jahre hinzog, ist als wesentliches Kriterium im Prozeß der Auseinandersetzung zwischen dem christlich verstandenen Ständestaat und der liberalen Staatsauffassung erst in jüngster Zeit in den Blickpunkt der Forschung getreten. Fischer legt zu diesem Thema eine sorgfältige und die verworrene Materie klar gliedernde Studie vor, deren Verdienst es ist, erstmals die reaktionäre Judenpolitik Preußens in der Zeit zwischen 1815 und 1848 sowie ihre ideologischen Hintergründe und Tendenzen übersichtlich darzustellen. Das Werk zeigt im Detail der Verwaltungspraxis, wie das bekannte Emanzipationsedikt von 1812, das ab 1816 ohnehin nur für jene Hälfte der Juden Preußens mit Staatsbürgerrecht Gültigkeit hatte, in der Epoche der Restauration durch Uminterpretation und Durchlöcherung in großem Umfang wirkungslos gemacht wurde. So bekannt das Judenedikt von 1812 als Teil der preußischen Reform wurde, so wenig sind es die Tatsachen, daß die Juden Preußens im Vormärz noch unter 21 verschiedenen Rechtsordnungen lebten, keine Freizügigkeit besaßen und von Staatsämtern und Offiziersstellungen ausgeschlossen blieben. Gerade die Benachteiligung bei der militärischen Beförderung mußte in Preußen, wo Sozialprestige stark vom Militärrang abhing, notwendig gesellschaftliche Diskriminierung nach sich ziehen. F. behandelt in fünf Kapiteln die Stellung der Juden bis zum Edikt von 1812, ihre Beteiligung an den Befreiungskriegen, ihre staatsbürgerlichen Rechte im Vormärz, ihre Rolle im Heer während der Friedensepoche sowie schließlich die neue Judenpolitik Friedrich Wilhelms IV. und das Judengesetz von 1847, das schon ein Jahr später durch die revolutionären Ereignisse überholt wurde. Da dem Autor das Merseburger Archiv unzugänglich war, konnte er zur Vorgeschichte des Edikts von 1812 keine neuen Ergebnisse vorlegen. Die Beteiligung der Juden am Freiheitskriege wurde bereits früher von jüdischen Autoren in Abwehr antisemitischer Propaganda nahezu erschöpfend behandelt. Neue Quellen und Einsichten enthalten dagegen die drei letzten Kapitel, denen F. zwar hauptsächlich Regierungsakten aus Westfalen und der Rheinprovinz zugrunde legte, die aber doch ein Bild der gesamten Judenpolitik zwischen 1815 und 1848 bieten. Da die Juden Preußens zu Recht in ihrer Wehrpflicht die Garantie ihrer bürgerlichen Rechte sahen und sich gegen ihre 1841 geplante Aufhebung aussprachen, stellt F. die Militärpolitik und die damit zusammenhängende Frage der Vergabe von Staatsämtern an Juden in den Mittelpunkt seiner Darstellung. Dabei vernachlässigt er allerdings jene Maßnahmen, die sich speziell gegen die jüdische Intelligenz richteten und diese z. B. von der Habilitation und der Anwaltschaft ausschlössen. Eines der interessantesten Ergebnisse dieser Arbeit ist der Nachweis, daß die Militärpflicht für Juden im Vormärz nur deshalb nicht wieder aufgehoben wurde, weil man hoffte, daß die Dienstzeit auf diese assimilierend und sogar missionierend wirken werde. Es wird deutlich, daß das Ziel der preußischen Judenemanzipation unter dem Einfluß der Lehre vom christlichen Staat noch immer die Taufe war. Man scheute nicht davor zurück, jede Beförderung — sei es zum Offizier oder zum Ordinarius — von der Annahme des Christen-
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tums abhängig zu machen und soziale Führungsrollen allein Christen vorzubehalten. Diese Politik brach schon im April 1848 unter dem Ansturm der Revolution lautlos zusammen, aber damit war nur die rein juristische Gleichstellung der Juden erreicht, die faktische blieb Aufgabe der Zukunft. Berlin
Monika Richarz
HAMBURGER, Ernest: Juden im öffentlichen Leben Deutschlands. Regierungsmitglieder, Beamte und Parlamentarier in der monarchischen Zeit 1848—1918. — Tübingen: J. C. B. Mohr (P. Siebeck) 1968. XXIV, 595 S. = Schriftenreihe wissenschaftl. Abhandlungen d. Leo-Baeck-Instituts 19. DM48,—. Hamburger hat als sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter und hoher Verwaltungsbeamter am politischen Leben Deutschlands in der Weimarer Zeit teilgenommen und viele der im vorliegenden Werk behandelten Persönlichkeiten selbst gekannt. Er lebt heute in den USA. Politische Erfahrung, glücklich verbunden mit historischer Urteilskraft und einer Begabung zu prägnant-anschaulicher Biographik machen sein umfangreiches Werk zu mehr als nur einem unentbehrlichen Handbuch der jüdischen Politiker, dessen 2. Bd. die Weimarer Epoche umfassen soll. Der Autor stellte sich die Aufgabe, einerseits die Vielfalt der politischen Richtungen unter den Juden Deutschlands darzustellen, andererseits suchte er aber nach spezifisch jüdischen Gemeinsamkeiten in der Haltung der jüdischen Politiker. Er erschwert sich diesen Versuch dadurch, daß er seine Untersuchung auch auf Dissidenten und getaufte Juden, ja teilweise auf deren Söhne ausdehnte, sofern sie in der Öffentlichkeit als Juden galten. Diese durch den Antisemitismus diktierte Definition des „Juden" ist allerdings für eine politische Abhandlung über die genannte Epoche kaum zu umgehen. H. unterteilt sein Buch in drei große Abschnitte; er behandelt zunächst die in Regierung und höherer Verwaltung tätig gewesenen Juden, sodann das Verhalten der jüdischen Wähler gegenüber den sich wandelnden Parteien, und schließlich im letzten Teil, der etwa zwei Drittel des Werkes einnimmt, behandelt er sämtliche jüdischen Parlamentarier des genannten Zeitraums. Rein kommunale Tätigkeit bleibt dabei unberücksichtigt. Trägt der 1. Teil mehr den Charakter einer Gruppenbiographie und geht der 2. nicht nur auf das Wählerverhalten, sondern auch auf die Stellung der Parteien zu Judentum und Antisemitismus ein, so wird der 3. vorwiegend ausgefüllt von den Kurzbiographien der 145 jüdischen Parlamentarier, die in den deutschen Parlamenten von 1848 bis zum Ende des Kaiserreichs vertreten waren. Obgleich die Juden in den meisten deutschen Staaten 1848 zu Staatsämtern zugelassen wurden und spätestens durch den Norddeutschen Bund 1869 die volle rechtliche Gleichstellung erlangten, blieben sie doch praktisch bis 1914 von Regierung und Verwaltung weitgehend ausgeschlossen. Der badische Finanzminister Moritz Ellstätter war der einzige ungetaufte Jude, der in diesem Zeitraum Mitglied einer deutschen Regierung wurde. Während des Weltkrieges lockerte sich diese Haltung in der allgemeinen Not, und Männer wie Walther Rathenau und Julius Hirsch erhielten wichtigen Anteil an der Organisation der Kriegswirtschaft. Eine antisemitische Personalpolitik hielt Juden aus der allgemeinen Staatsverwaltung, der Heeresverwaltung und dem auswärtigen Dienst grundsätzlich fern, während es in der Bau-, Eisenbahn- und Medizinal Verwaltung einige höhere Beamte gab, die Juden waren. Das Richteramt wurde Juden in Preußen erst ab 1870 zugänglich, von Beförderungen blieben sie allerdings ausgeschlossen. Getaufte Juden hatten bis zur Ent-
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stehung der Antisemitenbewegung in den 80er Jahren in der Beamtenlaufbahn kaum Schwierigkeiten, sofern sie sich entsprechend regierungskonform verhielten. Als Wähler tendierten die Juden Deutschlands natürlicherweise zum Liberalismus, der auch ihnen die Ausweitung der bürgerlichen und politischen Freiheiten bringen sollte. Als sich die Nationalliberalen dem politischen Antisemitismus nicht gewachsen zeigten, wandten sich die jüdischen Wähler immer mehr der linksliberalen Freisinnigen Partei zu. Nur in Großstädten spielten Juden als Wähler der Sozialdemokratie eine Rolle. Unter den jüdischen Parlamentariern waren dagegen trotz so bedeutender Liberaler wie Eduard Lasker und Ludwig Bamberger die Sozialdemokraten weit in der Uberzahl. Dies erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß alle bürgerlichen Parteien mit Rücksicht auf die antisemitischen Gefühle ihrer Wähler zeitweise auf die Aufstellung jüdischer Kandidaten verzichteten. Die Sozialdemokratie stellte dagegen immer durchschnittlich 10% Abgeordnete jüdischer Herkunft, unter denen sich nicht wenige Intellektuelle befanden. So bietet das Werk H.s in seinem letzten Viertel einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, aus dem vor allem die Würdigungen Paul Singers, Hugo Haases und Eduard Bernsteins hervorragen. Daneben übergeht H. nicht die politische Tätigkeit getaufter Juden auf der äußersten Rechten, wo etwa der Nationalliberale Robert Friedberg, seit 1917 Parteiführer, als Mitglied des Alldeutschen Verbandes dessen Imperialismus vertrat. Auch die Schilderung Friedrich Julius Stahls, des getauften Ideologen der preußischen Konservativen, bildet ein gutes Beispiel für H.s zugleich engagierte und objektive Kunst der Darstellung. Der Autor bemüht sich mit der gebotenen Skepsis, bei der Mehrzahl der jüdischen Parlamentarier gewisse gemeinsame Grundzüge festzustellen, die er etwa in der Neigung zur politischen Theorie, zum programmatischen Denken sowie im stärkeren Interesse am deutschen Einheitsstreben sieht. Hinzuzufügen wäre dem vielleicht der Einfluß der traditionellen jüdischen Sozialethik, der bei einigen Parlamentariern besonders hervortritt. Im ganzen gesehen leistet das Werk einen hervorragenden Beitrag zur Geschichte der jüdischen Minorität in Deutschland und erhellt die Lage der Juden in Staat und Gesellschaft vom Vormärz bis zum Ende des Kaiserreichs. Wer sich mit der Geschichte der Emanzipation und des Antisemitismus beschäftigt, wird hier reiches Material finden. Darüber hinaus bietet das Werk einen einmaligen Einblick in die historischen Wandlungen des Selbstverständnisses der Juden in Deutschland, wobei der Zionismus allerdings fast ganz ausgespart bleibt. H. beschreibt eine Fülle verschiedener Haltungen, die Juden, getaufte Juden und Dissidenten unter den mehr oder weniger starken Diskriminierungen der Umwelt zur Tatsache ihrer jüdischen Herkunft einnahmen. Berlin
Monika
Richarz
GROPP, Volkmar: Der Einfluß der Agrarreformen des beginnenden 19. Jahrhunderts in Ostpreußen auf Höhe und Zusammensetzung der preußischen Staatseinkünfte. — Berlin: Duncker & Humblot 1967. 187 S. = Schriften zur Wirtschafts- u. Sozialgeschichte, Bd. 9. DM 36,60. Die Domänen waren ursprünglich die eigentliche Basis für die Einkünfte des Landesherrn. Diese Bedeutung hatten sie in Preußen im 18. Jh. durch das staatliche Steuerwesen und die Entmachtung der Stände zwar weitgehend eingebüßt. Immerhin betrug der Anteil der Domänen an den Staatseinkünften im Jahre 1800 noch fast 25%. Es war also eine entscheidende Wende, als gegen Ende des 18. Jh.s die preußische Verwaltung darüber zu diskutieren begann, ob und wie man auf den Domänen die bäuerliche Dienstpflicht ablösen und die Eigentumsrechte der Immediatbauern an dem bewirtschafteten Grund und Boden
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herstellen könne. Gropp fragt in seiner Untersuchung danach, welche Folgen die Umwandlung der Dienste, Naturalabgaben und Zwangsgerechtigkeiten in Geldleistungen sowie die Eigentumsverleihung für die Staatseinkünfte hatte. Er versucht, die jährlichen Einnahmeveränderungen zu ermitteln, die sich aus den Reformmaßnahmen ergaben. Einerseits wird das Soll an neuen Einkünften und Ausgaben errechnet, anderseits den Gründen nachgegangen, weshalb bis zur Mitte des 19. Jh.s Abweichungen von diesem Soll eintraten. Beschränkt ist die Untersuchung auf Ostpreußen, „weil die Domänenwirtschaft hier eine besonders wichtige Rolle spielte" (S. 14). Der Vf. unterscheidet zwischen einem kurzfristigen Ergebnis der Kosten in den Anfängen der Reform und einem langfristigen Ergebnis nach Abschluß der Reform. Das kurzfristige Ergebnis für den Staatshaushalt war ein Verlust, jedenfalls so weit es die Aufhebung der Scharwerksdienste betraf. In erster Linie lag das daran, daß nach Aufhebung der Dienstpflicht Landarbeiter benötigt wurden, für die auf Kosten des Staats Wohnungen gebaut werden mußten. Die langfristigen Ergebnisse der Agrarreformen im Domänenbereich standen ab 1820 fest. Gropp ermittelt von da an eine Mehreinnahme des preußischen Staatshaushalts aus der Provinz Ostpreußen von jährlich 235000 Reichstalern. „Dieses .langfristige* Ergebnis stellte eine 28% ige Erhöhung der ostpreußischen Nettodomäneneinkünfte des Jahres 1805/06 dar" (S. 162). Die Agrarreform brachte dem Staat also keine Verluste, sondern vermehrte Einnahmen. Eingehend wird auch die Ablösung der Verpflichtungen verfolgt, die sich aus der Eigentumsverordnung des Jahres 1808 ergab. Gropp legt dar, daß die Ablösungszahlungen aus Dienstbefreiung und Eigentumsverleihung in der Agrarkrise der 20er Jahre die Bauern in große Schwierigkeiten brachten. Die Schwierigkeiten wurden noch dadurch erhöht, daß vielen Bauern eine ungerechte Ablösung auferlegt worden war. Die Berechnungen hatten unmittelbar an die alten Dienst- und Barleistungen angeknüpft, sie konservierten damit die verbreiteten alten Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten. Außerdem bildete die absolute Höhe der Ablösungen eine große Belastung der Bauern. Dienstbefreiung und Eigentumsverleihung waren in einer Zeit günstiger Ertragslage in der Landwirtschaft festgelegt worden, die Reformmaßnahmen wurden offensichtlich „mit dem Blick auf die Ertragsmöglichkeiten konzipiert" (S. 155). Als die Agrarpreise aber fielen und 1824 und 1825 ihren Tiefpunkt erreichten, war die Notlage groß. Gropp glaubt sogar feststellen zu können, „daß die Domänenbauern im Vergleich zu den übrigen preußischen Staatsbürgern überdurchschnittlich belastet waren" (S. 156). Die Härte des preußischen Staats gegen seine Domänenbauern resultierte daraus, daß er in den Agrarreformen unnachsichtig sein Eigeninteresse verfolgte. Der Staat blieb damit erfolgreich, brachte seine Bauern jedoch in eine äußerst kritische Situation. Mit der klaren Darlegung und sorgfältigen Dokumentation dieses Ergebnisses erweitert Gropp die Kenntnisse von der Anlage und Durchführung der Agrarreformen in Preußen. Göttingen
Herbert
Obenaus
Bock, Herbert: Zur Geschichte der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse in Preußen 1810—1933. Spezialinventar d. Bestandes Preußisches Ministerium f. Handel u. Gewerbe, Bd. 1, 2. - Weimar: Böhlau 1968. 633 S. = Schriftenreihe d. Dt. Zentralarchivs, Nr. 2. DM 37,60. Für das Grundsätzliche dieser Publikation kann auf die Besprechung des 1. Bd.es in dieser Zeitschrift verwiesen werden (JGMOD Erg.-Bd. zu Bd. 11, S. 78f.). Der vorliegende Bd. umfaßt in der durchgehenden Zählung die Stücke 2072—3430. Die Aktenbeschreibung
ALLGEMEINE UND ZEITLICH BEGRENZTE DARSTELLUNGEN
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erfaßt in der Abt. Gewerbe die Unterabteilungen Handelsgesellschaften, Steuern, Post und Eisenbahnen, sodann Gewerbepolizeigesetzgebung, Fabrikenpolizei, Handwerker, Bauhandwerker, Zünfte, Gesellen, Fabrikarbeiter, Gewerberäte, Innungen, Mühlen, Kaufleute, Eisenbahnspedition sowie neun weitere kleinere Referate. Ausgezeichnete Register erschließen den Bd. Dem Bearb. darf für seine entsagungsvolle und einwandfreie Leistung der Dank der Forschung gewiß sein. Berlin
Gerd Heinrich
Die deutsche Revolution 1848/49 in Augenzeugenberichten. Hrsg. u. eingel. v. Hans Jessen. — Düsseldorf: Rauch 1968. 428 S., Abb. DM24,80. Die Auswahl der Quellenzeugnisse in diesem für weitere Kreise bestimmten geschichtlichen Lesebuch ist objektiv und unter Beachtung der verschiedensten geschichtlichen Gesichtspunkte vorgenommen worden. Mit Hilfe eines nachgestellten, korrekt gearbeiteten Quellenverzeichnisses läßt sich die Herkunft der Stücke rasch feststellen. Zeitlich reicht der Bd. vom Kölner Karneval Jan. 1848 bis zur Olmützer Konvention. Eine Zeittafel, vor allem aber das erstmals 1857 veröffentlichte Verzeichnis von 284 verfolgten Parlamentariern sowie ein Personenregister beschließen einen Bd., der die Anthologie von Tim Klein (1914) sinnvoll ergänzt, wenngleich nicht ersetzt. Berlin
Gerd Heinrich
P. H.: Organization and Revolution. Working-Class Associations in the German Revolutions of 1848—1849. — Princeton, N. J.: Princeton University Press 1964. x, 434pp. $ 10.
NOYES,
The rich stores of historical records still available for the study of the revolutionary years 1848—1849 in Germany are currently being used to re-examine the cultural, social and economic forces which shaped the political behavior manifested most conspicuously in the futilities of the Frankfurt Assembly. An important emphasis in this reappraisal is that the workers who were a major source of the potentially revolutionary unrest were the artisans who were being threatened by the use of machines, the factory system and the growing competition incident to liberalization of the medieval restraints upon employment and trade. It is with the "working class" in this sense that the book here under review is concerned. At the outset the author presents a dilemma stated in the form of the propositions that "social discontent must find some organized outlet before it can be felt politically . . . Yet organization . . . can undermine a revolution as well . . . separating the organized expression from its base in mass movements" (pp. 3 — 4). He proceeds then to demonstrate that this is what happened in Germany by detailed accounts of the development and the disintegration of working class revolutionary associations in 1948—1949. The basis of the social discontent manifested in demonstrations and riots, Noyes finds in hardships which impinged most grievously upon the handicraftsmen in the proliferating urban centers where the skills of the artisan class no longer provided either economic security or a dignified position in the social order. From the artisans came leaders and organizational impulses derived from the traditions of the guilds. Attempts to form networks of workingmen's associations revealed the conflicts of interests separating the master craftsmen, the poor journeymen, the factory workers and the unskilled day laborers. Neither the romantic glorification of the medieval guilds nor the hesitant use of a socialist vocabulary
BUCHBESPRECHUNGSTEIL, ALLGEMEINES
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could provide an ideological orientation conducive to concerted political action. The petitions and programs emanating from workers' associations seemed only to highlight the gulf between their inchoate aspirations and the economic liberalism of the entrepreneurial and academic elite represented in the Frankfurt Assembly. Noyes' work commands attention as a case study of the interplay of personal, cultural, social and economic forces in relation to political events over a short but critical time period. It may also be commended for the insights it supplies for an understanding of the labor movement and socialist politics in subsequent German history. A more adventurous impulse might lead to speculation as to its value for the comparative analysis of revolutionary movements in societies now in stages of development somewhat similar to that of Germany in the mid-nineteenth century. Perhaps, however, its greatest service might be as an incitement to exploit the data contained in historical records through the application of the methods and techniques of behavioral research. Noyes points out that "a revolution lifts the lid of society off society, allowing a glimpse, not normally available, of lower social strata". The records which preserve the details of this glimpse for the scrutiny of present-day scholars include voluminous proceedings of many working class congresses, the files of numerous local and regional newspapers, and several thousands of petitions representing a cross-section of the demands generating the abortive revolution. While Noyes has made revealing and convincing use of the data contained in these records, their very richness and multiplicity compelled him to be selective. With a theoretical approach refined along the lines of current behavioral methodology and with the techniques for the cumulation and manipulation of data available through the use of computers and statistical analysis, the provocative insights of historians such as Noyes could be transformed into testable propositions of more comprehensive relevance for comparative studies. Conversely, the exploitation of data preserved in many readily accessible depositories of historical records could give behavioral studies a perspective in time not otherwise attainable. Chapel Hill, North Carolina
Charles B. Robson
Heinrich: Die Arbeiterfrage im preußischen Abgeordnetenhaus 1849—1869. — Berlin: Duncker u. Humblot 1968. 218 S. = Schriften zur Wirtschafts- u. Sozialgeschichte, Bd. 13. DM 39,60. VOLKMANN,
Die vorliegende Untersuchung ist aus einer Diss, hervorgegangen, mit der der Vf. an der Freien Universität Berlin promoviert hat. Ziel der Arbeit ist eine Analyse der sozialen Frage im engeren Sinne, d. h. sie gilt „den Problemen, die sich durch die sozialen Entwicklungen des technischen Fortschritts für die vielzitierten, um die Fabrikarbeiterschaft als Kern gruppierten .arbeitenden Klassen' ergeben haben . . ." Die Überlegenheit dieses Buches gegenüber anderen Untersuchungen besteht darin, daß hier nicht auf den mittlerweile schon ausgefahrenen Geleisen der reinen Ideengeschichte gefahren, sondern der zukunftsträchtige Weg der Sozialgeschichte eingeschlagen wird. Der Vf. versucht, die Motive der Parteien in der Sozialpolitik darzulegen. Dabei konzentriert er sich auf die Haltung der Parteien zu den Fragen des Arbeiterschutzes, des Kassenwesens und des Koalitionsrechts. Als Quellengrundlage dienen ihm die stenographischen Berichte über die Verhandlungen beider Häuser des preußischen Landtags, der preußischen Nationalversammlung und des norddeutschen Reichstags sowie Parteiprogramme, soweit es sie überhaupt schon gab, und die zeitgenössische Publizistik.
ALLGEMEINE UND ZEITLICH BEGRENZTE DARSTELLUNGEN
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In den verschiedenen Interpretationen der Geschichte der Revolution von 1848 standen sich zwei divergierende Grundauffassungen gegenüber: die eine besagte, daß die bürgerliche Revolution gescheitert sei, weil die Bourgeoisie Kleinbürgertum und Proletariat so gefürchtet habe, daß sie zur sozialen Revolution nicht in der Lage gewesen sei. Von der anderen Position aus wurden fast ausschließlich verfassungs- und nationalpolitische Probleme untersucht und das Scheitern der Revolution mit den äußeren und inneren Machtverhältnissen begründet. Der Vf. der vorliegenden Arbeit neigt eher der ersten Auffassung zu, und es gelingt ihm zu zeigen, wie auch das Bürgertum angesichts der sozialen Probleme von einem tiefen Unbehagen und der Furcht vor durch Pauperismus ausgelösten Aktionen ergriffen worden ist. Dabei lassen die Quellen kein sicheres Urteil über die Wünsche und Ziele der Arbeiterschaft zu. Immerhin war die soziale Situation der Arbeiter durch niedrige Löhne, mangelnde Arbeitsschutzgesetzgebung, unzureichende Bildungsmöglichkeiten und fehlende Alters- und Krankenversicherung gekennzeichnet. Die Selbsthilfeorganisationen konnten zwar unter den Bedingungen des Revolutionsjahres Erfolge erzielen, und auch die Unternehmer waren unter dem Druck der Verhältnisse bereit, Zugeständnisse zu machen, gleichwohl blieb die soziale Frage ungelöst. Der Autor zeigt, wie stark die Sozialpolitik der Reaktionszeit unter dem Eindruck der Revolution stand. Dabei ist die Sozialpolitik der 50er Jahre nicht aus dem Streben heraus entstanden, den Pauperismus zu überwinden, vielmehr wollte man ihn abwehren. Diese Sozialpolitik war „nach ihrer inneren Begründung Interessenpolitik der Arrivierten zum Schutz der bestehenden Ordnung vor den Ansprüchen der von unten nachdrängenden Bevölkerungsschichten". Zwar gab es auch so etwas wie das patriarchalisch-hausväterliche Selbstverständnis des frühen Unternehmertums, jedoch war der Zwang der industriellen Entwicklung von nicht weniger entscheidender Bedeutung für das soziale Verhalten der Fabrikanten : Die ökonomische Notwendigkeit einer technisch wie sittlich hochstehenden Arbeiterschaft wurde von den Großunternehmern erkannt. Dabei lehnten beide Richtungen der Konservativen die Emanzipation der Arbeiterschaft ab und strebten eine patriarchalische Lösung an. Für die Liberalen ist das entscheidende Motiv ihrer Sozialpolitik, künftiges Unheil zu verhindern. Dabei beschäftigte sich in den Parlamenten immer nur ein kleiner engagierter Kreis von Abgeordneten mit den sozialpolitischen Fragen. So ist die Furcht vor der sozialen Revolution eines der entscheidenden Motive der deutschen Sozialpolitik im 19. Jh. Dabei nahm der Wille zur sozialen Umgestaltung und zur Veränderung der Gesellschaft in allen Parteien in der 2. Hälfte des Jh.s permanent ab. „Die Entwicklung der sozialen Einsicht bleibt hinter dem technischen Fortschritt zurück." Volkmann ist es in seiner Untersuchung gelungen, durch die oft vordergründigen Proklamationen und Akklamationen zu den ökonomischen und gesellschaftlichen Interessen der verschiedenen Gruppen vorzustoßen, die die Sozialpolitik bestimmten. Auch hier erweist sich einmal mehr, daß Gesellschaftspolitik nicht so sehr von den Ideen als vielmehr von handfesten Interessen bestimmt wird. Berlin Peter Lösche Victor: Die Briefe Aulikes an Döllinger. Ein Beitr. zur Geschichte d. „Katholischen Abteilung" im Preußischen Kultusministerium. — Rom, Freiburg, Wien: Herder 1968. 110 S. = Römische Quartalschrift f. christl. Altertumskunde u. Kirchengeschichte, 32. Supplementheft. DM 16,80. CONZEMIDS,
Matthias Aulike, von 1846 bis 1865 Leiter der Katholischen Abteilung im Preußischen Kultusministerium, ein katholischer Westfale und durch die Stiftung des Grundkapitals 25
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ALLGEMEINES
für die spätere St. Matthias-Kirche Berlin nachhaltig verbunden, hat eine wissenschaftliche Würdigung bisher nicht erfahren. Die hier edierten und sachkundig eingeleiteten Briefe an Döllinger, deren Gegenstücke bisher nicht aufgefunden wurden, bieten wichtige Einblicke in die Politik Preußens wie in die geistigen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit. Die Briefe umfassen den Zeitraum von 1848 bis 1864 und bilden eine wertvolle Quelle für einen wenig erforschten Problemkreis. Berlin
Georg Kotowski
HELMERT, Heinz, u. Hans-Jürgen USCZECK: Preußisch-deutsche Kriege von 1864 bis 1871. Militär. Verlauf. - Berlin: Dt. Militärverl. 1967. 387 S. 8 Bl. Abb. (Kleine Militärgeschichte. Kriege.) DM 11,50. Im Vorwort wird zum Zweck der Veröffentlichung festgestellt, daß in der marxistischen Geschichtsschreibung in den letzten Jahrzehnten die militärischen Ereignisse, ihre strategischen Probleme und ihr taktischer Verlauf naturgemäß eine geringere Rolle gespielt hätten: „Hier soll die Publikation eine Lücke schließen und ermöglichen, daß der Leser auch einen Einblick in die kriegsgeschichtlichen Vorgänge nehmen kann" (S. 8). Absicht der Vf.er war es dabei, „eine Darstellung vorzulegen, die auf der Grundlage des historischen Materialismus die Übertreibungen und Entstellungen der reaktionären Geschichtsschreibung korrigiert und das reale Wirken der politischen und militärischen Kräfte verfolgt, . . . um das Verständnis für das enge Verhältnis von Ökonomie und Krieg, Politik und Strategie zu vertiefen" (S. 8). Die Vermutung, daß daraufhin eine ideologisch übersteigerte Darstellung oder ein grundsätzlich neues Bild des Geschehens entstanden wäre, trifft für die wesentlichen Teile des Buches nicht zu, sofern man von der ganzen Grundhaltung und entsprechenden Sicht der politischen Zusammenhänge absehen will. Die Darstellung ist zumindest in den militärischen Hauptteilen sachlich, und zwar so sehr, daß man gelegentlich geradezu einen von der Nüchternheit militärischen Geschehens ausgehenden regulierenden Einfluß gegenüber ideologischer Voreingenommenheit zu spüren meint. Die Kriege werden in drei großen, in sich unterteilten Hauptabschnitten chronologisch behandelt. Voraus geht ein Vorwort: „Zur Vorgeschichte der nationalen Einigung Deutschlands durch Preußen", in dem in bemerkenswerter Weise die Notwendigkeit nationalstaatlicher Einigung Deutschlands und damit die Unumgänglichkeit der kriegerischen Auseinandersetzungen herausgestellt werden. Allerdings unter dem Bedauern, daß solche Lage nicht von revolutionären Kräften zu einer frühzeitigen Neugestaltung eines demokratisch geschlossenen Deutschlands genutzt wurde. Daß es vielmehr Bismarcks Initiative, seine — so wird es gekennzeichnet — „bonapartistische" Regie und Staatsführung war, welche die Entwicklung bestimmte. Die Unterschiede in der Haltung von Lassalle einerseits, Marx und Engels andererseits zu Bismarcks Politik und zur Entstehung des deutschen Reiches kleindeutscher Prägung werden dabei deutlich gemacht. Ein Abschlußkapitel: „Die Pariser Kommune. Die politischen und militärischen Ergebnisse der Kriege von 1864 bis 1871" beendet die Darstellung mit wiederum bemerkenswerten Ausblicken auf das, was sich als Folge der Kriege politisch und militärisch in Deutschland ergab. Hier allerdings überspielt die Subjektivität ideologisch bestimmter Sicht die Sachlichkeit der Betrachtung, was die Bedeutung des Gesagten zwar nicht mindert, aber die Wirkung beeinträchtigt. Das Hauptgewicht liegt auf der Schilderung der drei Kriege, wobei dem Krieg gegen Frankreich der größte Raum eingeräumt ist. Knappe, gut verdeutlichende Schilderungen der jeweiligen politischen Lage eröffnen die Feldzugsdarstellungen, wobei die Verquickung
ALLGEMEINE U N D ZEITLICH BEGRENZTE DARSTELLUNGEN
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von politischem und militärischem Geschehen instruktiv gezeigt wird. Bismarcks „vorsätzliche" Herbeiführung der Kriege ist stark akzentuiert. Die militärischen Abläufe selbst sind fast etwas farblos, aber übersichtlich und in den wichtigen Fragen zutreffend geschildert. Bei operativen und taktischen Betrachtungen wird es immer unterschiedliche Auffassungen geben; zu einer Reihe von Einzelheiten wird man auch hier abweichender Ansicht sein können. Die wesentlichen Probleme der Feldzugsführung, die Ergebnisse und ihre Konsequenzen sind jedoch durchweg erkannt und prägnant gezeichnet. Stark vereinfachende Skizzen erleichtern das Verständnis; verschiedene Register, Bildbeigaben und Zusammenstellungen am Ende des Buches sind hilfreich. Als wirklicher Nachteil wird demgegenüber das völlige Fehlen von Belegangaben empfunden: Zitate, Zahlen und sonstige Aussagen müssen für bare Münze genommen werden. Die Darstellung bringt von der Sache her, also militärisch, nichts wirklich Neues. Sie gibt aber einen guten Uberblick. Dazu enthält sie manche politischen und militärpolitischen Aspekte, die in westlicher Sicht — so — nicht ohne weiteres gegeben sind. Es ist nützlich, sie zu kennen, und es lohnt daher, das Buch in die Hand zu nehmen. Hamburg
Eberhard
Kaulbach
HUBATSCH, Walther: Masuren und Preußisch-Litthauen in der Nationalitätenpolitik Preußens 1870-1920. - Marburg/L.: Elwert 1966. 91 S., 2 Kt. = Berechtigter Zusammendruck aus Zeitschrift für Ostforschung 14 (1965), H. 4 und 15 (1966), H. 1. DM 14,80. An den Problemen der fremdsprachigen Bevölkerung in den Ostprovinzen des einstigen preußischen Staates zeigt sich die polnische Historiographie der Nachkriegszeit in besonderem Maße interessiert. Uber die Gründe braucht hier nicht gesprochen zu werden. Die deutschen Historiker haben zu dem genannten Fragenkreis in den beiden letzten Jahrzehnten nur wenige Arbeiten geliefert. Daher ist es sehr zu begrüßen, daß Walther Hubatsch in einer weitgehend auf ungedrucktem Aktenmaterial basierenden Studie Lage und Verhalten der litauisch- und masurischsprachigen Bevölkerung Ostpreußens in der Zeit von 1870 bis 1920 — unter dem Aspekt der Nationalitätenpolitik des preußischen Staates bzw. des Deutschen Reiches — erörtert. Es ist auf polnischer Seite üblich, die preußisch-deutsche Staatsgesinnung der Masuren geringschätzig zu behandeln. Entsprechendes läßt sich an litauischen Äußerungen über die preußischen Litauer beobachten. Nach polnischer Auffassung wäre bei den Masuren nur ein polnisches Nationalgefühl berechtigt gewesen. Die so unterschiedliche Bewertung von Staatsgesinnung und Nationalgefühl läßt sich wissenschaftlich überhaupt nicht begründen. Staatsgesinnung und Nationalgefühl gehören zu den politisch wirksamen Kräften im Europa des 19. und 20. Jh.s. In bestimmten Situationen konnten sie miteinander in Konflikt geraten. Das trat z. B. in Oberschlesien ein, wo vor dem 1. Weltkriege ein Teil der im allgemeinen von preußischer Staatsgesinnung durchdrungenen polnischsprachigen Bevölkerung unter den Einfluß der nationalpolnischen Bestrebungen der Posener Polen geriet. In viel größerem Ausmaß entwickelten sich Konflikte dieser Art in der Donaumonarchie. Im masurisch- und litauischsprachigen Teil Ostpreußens entstand eine solche Konfliktsituation nicht. Die polnische und später die litauische Nationalbewegung gewann kaum oder so gut wie gar nicht Einfluß unter der dortigen Bevölkerung. Die preußischdeutsche Staatsgesinnung blieb hier die politisch bestimmende Kraft. In diese für Masuren und Preußisch-Litauen charakteristische Situation führt Hubatschs Studie ein, wobei sie wesentliches Material beibringt. Die Aufnahme der staatlichen Sprachen- und Schulverord25'
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nungen der 70er und 80er Jahre durch die masurisch- und litauischsprachige Bevölkerung wird eingehend behandelt. Dieser Abschnitt gewährt wohl den besten Einblick in die politische Stimmung und Gesinnung der Masuren und preußischen Litauer. Die vorliegende Arbeit sollte Anstoß zu weiterer Beschäftigung insbesondere mit der Geschichte Masurens im 19. und 20. Jh. geben. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der umfangreichen neuen polnischen Literatur ist vonnöten. Das — wenn auch vergebliche — Werben der polnischen Nationalbewegung um die Masuren (S. 31 —36) ließ erkennen, daß für diese eine nationale Entscheidung im strengen Sinne des Wortes auf die Dauer nicht zu umgehen war. In einem Zeitalter, in welchem der nationale Gedanke alle Völker Europas in seinen Bann zog, mußte die Staatsgesinnung Verstärkung durch das Nationalgefühl suchen. Nur auf diese Weise konnte auch von den Masuren und von den preußischen Litauern die sich gegen den preußischen Staat richtende großpolnische und großlitauische Bewegung endgültig ferngehalten werden. Daß selbst innere Staatsgegner im fremdsprachigen Bevölkerungsteil Ostpreußens einen Ansatzpunkt für eigene Unternehmungen suchten, zeigt der Fall Sauerwein. Im Aufsatz von Hubatsch wird dieser aus der Provinz Hannover stammende Mann zwar erwähnt (S. 46), aber ohne Hinweis auf dessen Bemühen, die preußischen Litauer politisch gegen den preußischen Staat in Bewegung zu bringen. Der von Hubatsch nur kurz behandelte Prozeß der Eindeutschung der Masuren und preußischen Litauer, der im Hinblick auf die polnische bzw. litauische Nationalbewegung unvermeidlich wurde und der sich — vor allem bei den Masuren — freiwillig vollzog —, müßte unter den oben angedeuteten Gesichtspunkten einmal ausführlich untersucht werden. Dem vorliegenden Aufsatz ist ein Anhang mit den wichtigsten Dokumenten beigegeben. Zwei Karten veranschaulichen die Sprachen- und Konfessionsverhältnisse und für Masuren auch die Abstimmungsergebnisse von 1920. Bonn
Horst
Jablonowski
N E U B A C H , Helmut: Die Ausweisungen von Polen und Juden aus Preußen 1885/86. Ein Beitr. zu Bismarcks Polenpolitik u. zur Gesch. d. dt.-poln. Verhältnisses. — Wiesbaden: Harrassowitz 1967. XI, 293 S., 1 Kt. = Marburger Ostforschungen, Bd. 27. DM 5 8 , - .
Dieser Bd. der Marburger Ostforschungen, die erweiterte Fassung einer Diss., enthält vielfältige Möglichkeiten der Information (wobei man allerdings ein Sachregister vermißt). Dem Textteil sind in einem Anhang eine ausführliche Zeittafel für die Jahre 1883 bis 1888, eine Reihe von Quellentexten und eine kurze Zusammenfassung der Diss. des Vf.s beigefügt. 12 Bildtafeln schließen sich an, die als Illustrationen zum Text eine interessante Bereicherung darstellen. Das umfangreiche und in der Spezifizierung gut benutzbare Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Namen- und Ortsregister ergänzen den sorgfältig gearbeiteten Band. Der Autor betont mehrfach, daß die Ausweisungen von etwa 30000 Polen und Juden oder — wie er formuliert — von russischen und österreichischen Staatsangehörigen aus Preußen in den Jahren 1885/86 „in der deutschen Geschichtsschreibung ganz zu Unrecht nur am Rande gewürdigt oder gar überhaupt nicht erwähnt werden" (S. 219). Diese Forschungslücke ist mit der vorliegenden Arbeit zu schließen versucht worden, wobei vorweg ausdrücklich festzuhalten ist, daß der Vf. Polen und Juden als „unerwünschte Ausländer" zu bezeichnen bereit ist, deren „Rückweisung . . . an sich . . . zu rechtfertigen" sei und daß ihm bei dieser Ausweisung ,nur* der Umfang und die Art der Ausführung bedenklich
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erscheinen (S. 221). Wie er in einem Uberblick über die Vorgeschichte der Ausweisungen, die bis in die Zeit seit 1815 zurückreicht, kritiklos Manfred Lauberts Bezeichnungen für die polnischen Einwanderer („Uberläufer", „Eindringlinge", „Fremde", „Fahnenflüchtige", „legitimationslos anlangende Individuen", „Zuläufer", „Ausreißer" — um hier die peiorativen zu nennen —, S. 1, Anm. 2) wiedergibt, so stimmt er Puttkamer zu, der die jüdische Einwanderung als „eine wahre Landplage" bezeichnete, und referiert ergänzend, daß Presse, Literatur und die Berichte der Regierungen „die eingewanderten polnischen Juden ganz übereinstimmend als eine soziale Gefahr für die eingesessene Bevölkerung" erachtet haben (S. 12). Der Vf. schildert zunächst die Vorbereitung und den Beginn der Ausweisungen, ausgehend von der Wirkung einiger polnischer Zeitschriftenartikel, die ihrer Befriedigung über das wachsende polnische Nationalbewußtsein in den Ostprovinzen Ausdruck gaben und konträrer deutscher Artikel, die zur Erhaltung des Deutschtums die Ausrottung des Slawentums proklamierten. Das preußische Abgeordnetenhaus hatte sich bereits in den ersten Monaten des Jahres 1885 ausführlich mit „Polnischen Angelegenheiten" befaßt; den Anstoß zum Erlaß, in dem die Ausweisung aller Polen und polnischen Juden verfügt wurde, die nicht das preußische Staatsbürgerrecht besaßen, gab die Klage des Kultusministers von Goßler über die zusätzliche Belastung der Schulen in den Ostprovinzen durch die Kinder der ständig zunehmenden Zahl von polnischen Einwanderern. Diese Maßnahmen sollten auch für diejenigen gelten, die sich bereits um die Jahrhundertmitte in den östlichen Provinzen niedergelassen hatten. Entgegen der Warnung interessierter Kreise, zumindest die Landarbeiter als billige Arbeitskräfte von der Ausweisung auszunehmen, und gegen den anfänglichen Widerstand einiger Oberpräsidenten der betroffenen Provinzen wurde aber weder eine Ausnahme noch eine Modifizierung erlaubt. Ebensowenig Erfolg hatte ein Ersuchen oberschlesischer Industrieller um Aussparung der Industriearbeiter oder der vereinigte Protest von polnischen Abgeordneten, von Zentrum und Freisinnigen im Parlament. Es erfolgte vielmehr eine Verschärfung der Ausweisungsbestimmungen sowie eine Ausdehnung auch auf die von Galizien eingewanderten österreichischen Staatsbürger. Obwohl die Ausweisungsmaßnahmen in der öffentlichen Meinung Österreichs große Aufmerksamkeit hervorriefen, erhob die österreichische Regierung keinen Einspruch, erklärte sich aber bereit zu einer gewissen Unterstützung der Ausgewiesenen. Die russische Regierung weigerte sich zunächst, die Ausgewiesenen aufzunehmen aus Furcht vor der wirtschaftlichen Belastung durch eine derartig große Anzahl von mittellosen Menschen, erklärte sich aber auf Druck der preußischen Regierung bereit, sie nach etwas längerer Vorbereitungszeit aufzunehmen. Der Vf. gibt eine eingehende Schilderung der Mißbilligung der Ausweisung durch den Reichstag zu Beginn des Jahres 1886 und verfolgt, nach einem Überblick über die deutsche, österreichische und russische Presse, die große Polendebatte des preußischen Landtags mit der „größten Polenrede" Bismarcks (d.h. doch wohl der größten Rede Bismarcks gegen die Polen in den Ostprovinzen). Aufstellungen über Zeitpunkt und Umfang der Ausweisungen zeigen, daß sie sich nur in Einzelfällen noch bis 1890 hinzogen, während sie in der Hauptsache trotz mancher Verzögerungen bis zum Herbst 1886 abgeschlossen waren. Interessant ist die unterschiedliche Ausweisungsfrist, die für Besitzlose zwischen einer Woche und 14 Tagen lag, für Besitzende jedoch — zur Abwicklung ihrer Geschäfte — sehr viel länger war. Für einflußreiche Geschäftsleute wurde sie zuweilen auch ganz zurückgenommen. Als Ergebnis der Ausweisungen stellt der Vf. zwar zunächst eine Verminderung der unerwünschten Gruppen fest, konstatiert aber bereits neue Einwanderer noch während der Ausweisungen, die z. T. als Landarbeiter unerlaubt angeworben wurden. Ebenso ist auch ein anderes Ziel der Aus-
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Weisungsaktion, die Verringerung der Abwanderung von deutschen Bewohnern der Ostprovinzen, nur während des Jahres 1886 erreicht worden, dagegen machte sich der Mangel an Land- wie auch an Industriearbeitern sofort bemerkbar. Abschließend werden die Haltung bzw. die Reaktionen einzelner Gruppen, Persönlichkeiten und Staaten dargestellt: die abwehrende Haltung von Katholiken, Juden und Sozialisten sowie der Freisinnigen und einzelner RegierungsVertreter; die Urteile „großer Zeitgenossen" (wobei zu fragen wäre, nach welchen Gesichtspunkten diese Auswahl getroffen wurde) und die der deutschen Historiker, in deren Untersuchungen „die Ausweisungsmaßregel nur selten richtig (sie !) in die innen- und außenpolitischen Zusammenhänge hineingestellt und dementsprechend gewürdigt worden ist" (S. 171); die Reaktion einzelner Staaten, insbesondere Rußlands, zu dem insgesamt eine Verschlechterung der Beziehungen festgestellt wird, und schließlich die Auswirkungen auf das deutsch-polnische Verhältnis, das nun vor allem dadurch gekennzeichnet war, daß die Aus Weisungsmaßnahmen eine erhebliche Stärkung des polnischen Nationalbewußtseins und der Einigungsbestrebungen zur Folge hatten, wobei in der Schilderung des Vf.s der unausgesprochene Vorwurf der nach seiner Meinung unnötigen Dramatisierung der Ereignisse durch die Polen kaum zu überhören ist. Wenn sich der Vf. in einem Fazit der Feststellung des Generals Schweinitz anschließt, die Ausweisungen seien eine „unkluge und nutzlose grausame Maßregel" gewesen (S. 224), so entspricht das der hier eingangs angedeuteten Tendenz Neubachs. Indem er den Umfang und die Art der Ausführung zu den Hauptpunkten seiner Kritik macht, stellt er die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme grundsätzlich nicht in Frage. Die Forderung nach einer — notfalls auch gewaltsamen — „Eindeutschung" (der Begriff wird mehrfach ohne diese Hervorhebung gebraucht) von Bevölkerungsgruppen, die z. T. noch nicht ein Jahrhundert von der preußischen Bürokratie verwaltet wurden, bzw. die Ausweisung von dabei hinderlichen Menschen ist ihm offenbar ebenso selbstverständlich wie der nationalstaatlichen, ethnozentrischen Ideologie vieler Zeitgenossen. Obwohl der Vf. mehrfach eingehend den Zusammenhang zwischen der antisemitischen Bewegung und den Judenausweisungen nachweist (so z. B. S. 8ff., 164f.) und eigentlich über die Mechanismen des Antisemitismus informiert sein sollte, unterlaufen ihm gelegentlich heterostereotype Wendungen, so etwa wenn er von einem hilfsbereiten und pflichtbewußten Beamten spricht, der „wohl zwischen der Ausweisung eines wenig Vertrauen erweckenden jüdischen Schankwirts aus Oberschlesien und der eines angesehenen jüdischen Kaufmanns in Breslau zu unterscheiden" weiß (S. 73), oder wenn er die Stellungnahmen der „liberalen, von Juden geleiteten Blätter" durch einige „Stilproben" charakterisiert (S. 150f.). Und die Darstellung der Bemühungen der Sozialdemokraten im Parlament und ihrer Zusammenarbeit „mit polnischen oder ausländischen Gesinnungsgenossen" zeigt Anklänge an das Stereotyp der nationalen UnZuverlässigkeit der Sozialisten (S. 154ff.). Berlin
Stefi Jersch- Wenzel
Geist u n d Gesellschaft der Bismarckzeit. 1870—1890. Von Karl Heinrich Höfele. — Göttingen: Musterschmidt 1967. 519 S. = Quellensammlung zur Kulturgeschichte, Bd. 18. DM 4 3 , - . Der erste Gedanke, der den kritischen Leser dieses Bd.es überfällt, ist: Gab es denn eine Bismarckzeit als Epoche in der deutschen Kulturgeschichte? Ist die Gegenüberstellung von Goethezeit und Bismarckzeit berechtigt? Über den Wandel, der sich in der deutschen Kultur seit der Jahrhundertmitte vollzogen hat, kann kein Zweifel bestehen, aber die Frage
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bleibt, ob dieser Wechsel dem Einfluß Bismarcks zuzuschreiben ist. Meiner Ansicht nach ist es nur bedingt richtig, von einer Bismarckzeit zu sprechen; in keinem Falle nimmt Bismarck in der deutschen Kultur dieselbe Stellung ein wie Goethe am Anfang des 19. Jh.s. Er ist nicht das Zentralgestirn, um das die minderen Geister kreisen, sondern die beherrschende Figur, an der sich die Geister scheiden. Man kann also von einer Bismarckzeit nicht in demselben Sinne sprechen, in dem wir von der viktorianischen Epoche in der englischen Geschichte reden. Eine weitere Frage schließt sich eng an diese erste an: Ist die Bismarckzeit von der wilhelminischen Epoche scharf getrennt, oder bilden sie die zwei Hälften des deutschen Kaiserreiches? Mir scheint es, daß sich Bismarckzeit und die Zeit des Kaisers ergänzen, besonders auf den Gebieten der Geistes- und der Kulturgeschichte. Der Vf. dieser Sammlung hingegen neigt der Ansicht zu, daß man mit Fug und Recht von einer Bismarckzeit sprechen darf. Seine Auswahl hält sich streng an die Jahre 1870 bis 1890. In seiner Einleitung hat er versucht, den „Geist der Epoche" zu erfassen. Die Zäsur zwischen den beiden Hälften des 2. deutschen Kaiserreiches läge also um 1890 und wurde von Johannes Haller als der Schritt von „der Großmacht zur Weltmacht" beschrieben. Es ist schwer, mit dieser Auffassung zu hadern. Als die erste Folge der Reichsgründung während und durch den deutsch-französischen Krieg hebt der Vf. den Sieg des Militarismus in Deutschland hervor. Seine Auswahl aus den vorhandenen Dokumenten ist eindrucksvoll und überzeugend. Der 2. Teil der Sammlung trägt den Titel: Soziale Zustände. Es ist gewiß richtig darauf hinzuweisen, daß der gesellschaftliche Zustand des deutschen Volkes in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung ein zwiespältiges Bild bot. Das trifft aber auf alle Länder zu, in denen sich die „industrielle Revolution" vollzog. Die deutschen Verhältnisse waren nicht schlechter als die der anderen Länder und wurden nach der sozialen Gesetzgebung der 80er Jahre sogar eher besser. Es ist aber falsch zu behaupten, daß die SPD aus den Reichstagswahlen von 1890 als die stärkste Partei hervorging. Erst seit 1907 hat sie die Zentrumspartei überflügelt. Das 3. Problem, das Höfele behandelt, ist die Frauenfrage. Zweifellos stand Deutschland hier den angelsächsischen Ländern nach. Den Stimmen mutiger Frauen, wie Fanny Lewald und Helene Lange, stand ein ganzer Chor voreingenommener Männer gegenüber. Selbst Nietzsche glaubte vor der „Entzauberung des Weibes" und vor seiner „Verlangweiligung" warnen zu müssen. Und dies sind noch nicht einmal seine schlimmsten Aussprüche. Man denke nur an das Kapitel in „Also sprach Zarathustra". Die Auswahl zu dem Problem der öffentlichen Moral kann man heute nur noch mit Lächeln lesen. Die Wandlungen auf diesem Gebiet haben sich mit solcher Rapidität vollzogen, daß uns heute die Bismarckzeit als eine Epoche der Hemmungen und der moralischen Stabilität erscheint. Es folgt ein Abschnitt über die Schule. Es ist schwierig, der deutschen Schule gerecht zu werden, und ihr Niveau könnte nur durch einen Vergleich mit den anderen europäischen Ländern festgestellt werden. Mir scheint es, daß die deutsche Schule zu den verleumdeten Instituten des 2. Kaiserreiches gehört. Der 2. Teil der Sammlung ist der „geistigen Kultur" gewidmet. Die Auswahl des Vf.s scheint mir nicht die glücklichste zu sein. Statt die Vertreter der deutschen Geistigkeit selbst sprechen zu lassen, bringt er Urteile über sie, die naturgemäß weniger überzeugend sind, als die Worte Rankes, Treitschkes, Kuno Fischers oder Riehls. Im ganzen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Epoche einen Tiefpunkt deutscher Kultur darstellt, wo Geister wie Dilthey, Nietzsche und Jakob Burckhardt die Ausnahmen waren.
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Das trifft besonders auf die Literatur im engeren Sinne zu. Spielhagen, Gustav Freytag oder Liliencron haben heute bestenfalls ein historisches Interesse; Fontane, d. h. der Fontane der späten Romane, ist die einzige Gestalt, die uns noch unmittelbar anspricht. Es scheint mir, als hätte sich der Vf. hier der Pflicht entzogen, den Weizen von der Spreu zu sondern. Es ist gewiß richtig darauf hinzuweisen, was das Bürgertum und das Kleinbürgertum gelesen haben; das enthebt aber den Historiker nicht der Verpflichtung, das Wertvolle von dem Belanglosen abzusetzen. Ein verhältnismäßig großer Raum ist der Behandlung des Kulturkampfes gewidmet, und auch hier fragt man sich, ob zu Recht. Denn eigentlich war der Kulturkampf ein politischer Zwist, den Bismarck heraufbeschwor, der sich leicht hätte vermeiden lassen und der kaum tiefere religiöse oder weltanschauliche Wurzeln im deutschen Volke hatte. Der Vf. bringt hier Exzerpte aus einer Bismarckrede. Wenn diese Sammlung ein Bild der Bismarckzeit vermitteln soll, so hätten sich gewiß eindrucksvollere Briefe oder Reden Bismarcks finden lassen als diese Verurteilung des politischen Katholizismus. In dem ganzen Bd. fehlt ein Abschnitt über das Heraufkommen des Antisemitismus in Deutschland. Ohne jeden Zweifel ist dies aber eines der charakteristischen Symptome der Bismarckzeit. Es auszuschließen, bringt eine Verschiebung der Perspektiven, die nicht zu rechtfertigen ist. Denn der Antisemitismus Treitschkes, Lagardes und Stoeckers, von den kleineren Geistern ganz zu schweigen, gehört in das Bild der Bismarckzeit, ihrer Gesellschaft sowohl wie ihres Geistes. Nietzsche schrieb 1885: „Ich bin noch keinem Deutschen begegnet, der den Juden gewogen gewesen wäre." In diesem Zusammenhange hätten auch die Reaktionen Fontanes, Mommsens und Burckhardts zu dem Problem des Antisemitismus erwähnt werden müssen. Die Abschnitte, die der bildenden Kunst, der Musik und der Dichtung gewidmet sind, leiden an dem gleichen Mangel wie die, in denen die geistige Kultur behandelt wird. Der Vf. hält es anscheinend mit jenen Historikern, die glauben, daß es nicht ihre Aufgabe sei, die geschichtlichen Erscheinungen zu beurteilen. Und so wird denn das Belanglose und das Dauernde auf die gleiche Ebene gestellt. Alles in allem genommen, dies ist ein nützliches Buch für Studenten der deutschen Geschichte, aber es bedarf der Ergänzung durch ein kritisches Auge, das die Wertakzente zu setzen vermag, die dem Buche fehlen. Lynchburg, Virginia
Gerbard Masur
BALFOUR, Michael: Der Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit. (The Kaiser and his time, dt. Aus d. Engl, ins Dt. übertr. von K. H. Abshagen.) Mit e. einleitenden Essay von Walter Bußmann. - Berlin: Propyläen-Verl. 1967. 554 S. DM 28,50. Die Biographie Wilhelms II. aus der Feder Michael Balfours ist bereits in ihrer 1. englischen Auflage von 1964 durch ihre überlegene, strenge Objektivität ein großer Erfolg gewesen. Wenn sie jetzt mit einer Einleitung von W. Bußmann, der sofort auf ihren Wert hingewiesen hatte, nun in 3. Auflage eine gute deutsche Übersetzung in einem starken Bd. erfahren hat, so geschieht dies mit Erweiterungen, die ihren Wert noch wesentlich steigern. Der englische Vf., der frühzeitig als Bearbeiter des 1. Jahres der Besatzungsverwaltung nach dem Kriege sich in Deutschland einen guten Namen erworben hat, hat eine eingehende „Einführung für den deutschen Leser" hinzugefügt, die diesen über die Kategorien unterrichtet, unter denen von England her die politisch-historischen Grundzüge der neueren deutschen Geschichte aufgefaßt werden. W. Bußmann hat eine knappe Einführung beigesteuert, die umgekehrt bemüht ist, dem deutschen Leser die Qualität des englischen Historikers klarzumachen, für dessen Werk er sich von Anfang an so energisch
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eingesetzt hat. Der Leser erhält so eine seltene Hilfe für das Verständnis eines Werkes, das eine der kompliziertesten — in Deutschland wie im Ausland gleich umstrittenen — Gestalten der modernen deutschen Geschichte mit einem Verständnis für die ganz individuelle Besonderheit Wilhelms II. wie für die Eigenschaften, in denen er ein typischer Repräsentant seiner Generation gewesen ist, mit gleicher Sachlichkeit für ihre begrenzten Vorzüge wie ihre tiefgehenden Schwächen behandelt. Das Buch als ganzes ist ein ermutigendes Beispiel für die Annäherung, die Historiker aus zwei sehr verschiedenen Nationen bei gleichem Willen, die Voraussetzungen der anderen Seite objektiv zu würdigen, doch auch in unserer Zeit einer oft über Gebühr polemischen Geschichtsschreibung zu erreichen vermögen. Berlin
Hans Herzfeld
RÖHL, J . C. G . : Germany without Bismarck. T h e Crisis of Goverment in the Second Reich, 1890—1900. — Berkeley and Los Angeles: University of California Press 1967. 304 S. $ 9.00. The decade that began with the fall of Bismarck was one of pivotal importance in the history of Germany. This has been made clear by E . Zechlin, E . Kehr, and H. Goldschmidt some forty years ago and more recently by Erich Eyck, John A. Nichols, H. Rogge, Norman Rich, and others. The author of this volume confirms, supplements, and corrects all of these. He does so by virtue of impressive research in archival materials ranging from the Nachlaß Eulenburg (and other files) at Koblenz to various valuable collections in Potsdam, Merseburg, Berlin-Dahlem, Bonn, Köln, Karlsruhe, and other places. Though Röhl has turned up no new Hohenlohe collection, the result of his thorough probing is a study of major importance, one that is now and will remain essential reading for all students of the Wilhelminian Era. Röhl's interpretation has Bismarck himself precipitate the period of „severe crisis" of the 1890's by deliberately wrecking the Kartell in an attempt to make himself indispensable. The author is not quite certain whether Bismarck planned a Staatsstreich or a ConservativeCenter coalition; we are told that he "did not much mind which one he used" (51). Caprivi's chancellorship is another familiar story, though details are added. The real focus and the most original parts of this study are on the top-level intrigues beginning in 1894, carrying through the Koller and Bronsart crises, and culminating in the appointments of Tirpitz and Bülow in 1897. On all these matters, Röhl presents fresh information. He offers new evidence to support his belief that the Kaiser was serious in his recurrent threats to carry out a Staatsstreich; to show ministerial attitudes toward cooperation with the Zentrum; and to demonstrate that Hohenlohe accepted personal financial favors from William II. (175 —178) —favors that the author believes to have contributed significantly to the Chancellor's acquiescence in the royal will. " B y 1897," he writes, "the Kaiser had emerged as the decisive figure within the Government, and the crisis on that level was over" (9). This illustrates one weakness of this study, a tendency on the part of the author to engage in overly sweeping generalizations. Hohenlohe is called too simply a "South German Liberal" (123) and his capitulation to William II. after 1897 is made to appear somewhat more total than it was. The conflict over Bronsart's Courts Martial Bill is described as "the most important confrontation between the Court and the responsible Government in the whole post-Bismarck era" (139). And the most important generalizations in need of more careful formulation are those that state the central thesis, which contends that between 1890 and 1897—"as in Russia after Stalin's death" —Germany experienced " a cyclical
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development from autocratic rule through collective leadership back to autocratic rule," in which "the victor was Kaiser Wilhelm II." (271). For the general reader, there are two things wrong with this repeated and pronounced thesis. The first is the suggestion that the Emperor's powers were increased during the seven years. The specialist will question this notion even after carefully considering the admirable documentation in this volume, remembering the power the Kaiser wielded in 1890, 1892, and 1894. The second thing that is wrong is the suggestion that the Emperor's power became "decisive" in some exclusive sense. On this, the author himself in another overly strong but more accurate conclusion tells us that Imperial Germany, "like most modern States, was governed by an oligarchy of some twenty men" (271). It is refreshing to have a study that emphasizes the importance of individual men in history—especially to have such a study that is partly documented from archives in the DDR. The author's chief contribution—and it is a major one—is to show in detail the changing players and their changing bids in the great game of skat at the top, 1890 — 1897. No one will need do this again. But balanced history requires more than this. Rohl's inadequate discussion of the forces that lay beyond and below the circle around William II. may explain his exaggerations of the power of both Emperor and oligarchy. There are practically no considerations here of Germany's involvement in international relations; only fleeting references to the Alldeutsche Verband, the Bund der Landwirte, the "increasing strength of the industrial lobby" (151), the Social Democrats, the left-liberals, and even the National Liberals; no mention at all of M. Harden and L. Quidde and the many readers who applauded them; no reference to completion of the great civil code in 1896; and little or no discussion of the defeats suffered by the Emperor in the Umsturz and Zuchthaus bills and in the associations' law of 1899. After 1897, as before, the ruler could prevent much constitutional evolution that was needed, and he could, by his varied attempts to reassert outworn royal prerogatives, make himself an upsetting element in the chemistry of government; but he could not make Germany a monarchical autocracy. Hohenlohe's chancellorship was, indeed, a turning point, but of a different kind, a period in which indecisive efforts at autocratic rule slowly began to give way in the face of rising demands for parliamentary and democratic government. Rohl knows this, as when he writes that the Emperor's power in domestic policy "was not unlimited: his measures still had to gain the acceptance of the Legislature before passing into law" (p. 279). One wishes that the author had elaborated on this fact at greater length while giving specialists so much of real value. Chapel Hill, North Carolina
John L. Snell
STEINBERG, Jonathan: Yesterday's Deterrent. Tirpitz and the birth of the German Battle Fleet. New York: Macmillan 1966. — same London: MacDonald and Co. 1965. 35s. This regrettably abbreviated but important volume deals with the passage by the Reichstag in 1898 of the First Naval Law. It is based primarily on unpublished naval records available in England and Germany. One regrets that the author did not as well make use of the records of the ministers to Berlin from the more important federal states (especially Count Lerchenfeld-Koefering of Bavaria and Baden's von Jagemann) to extend more fully his perspective beyond naval and parliamentary circles. The author does not indicate whether he attempted to gain access to Tirpitz' personal papers presently in the possession of his heirs.
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Steinberg refutes Hubatsch and others who defend Tirpitz' fleet building programm of 1898 (and its subsequent modifications) as a technical, not a political, device, one which unfortunately became an irreversible technological runaway. He also challenges the judgment of Gerhard Ritter that Tirpitz was an irrational militarist, mechanically determined on the construction of more and more and more battleships. Steinberg's Tirpitz is, rather, a precisely rational strategist, a persuasive debater, and an expert manipulator of men and opinion. The author demonstrates in admirable fashion that many of the ideas and programs associated with Tirpitz were actually foreshadowed by earlier naval figures such as Admirals von Stosch, Hollmann, and von Senden Briban. He also notes that support for the creation of a great navy existed prior to Tirpitz' remarkable propaganda campaign in its behalf. We are shown how the Sino-Japanese War and the crisis with England following the Krüger telegram were decisive events, since they convinced many influential Germans, including William II, that without a powerful fleet Germany could never truly be a great power. Both the war and the Krüger imbroglio persuaded Tirpitz and other naval leaders that is was Great Britain, and not France and Russia, who was Germany's prospective enemy. If the navy and the Kaiser believed that an ambitious naval building program was essential, the Reichstag as well as many Germans did not. They were concerned that the navy's demands might prove limitless, that complications with foreign powers would result, that extraordinary taxation would be necessary to pay for the new ships, and that the delicate relationship between the Reich and the federal states might be disturbed. It was Tirpitz, appointed State Secretary of the Reichsmarineamt in 1897, who overcame these qualms. The author traces how Tirpitz' formidable skill as a propagandist enabled him to persuade the Reichstag, and the nation, to accept his plans. This was so because the fleet building program for which he argued, unlike the less well ordered and awkwardly presented appeals to the Reichstag by earlier naval leaders, seemed to be modest, defensive in nature, rationaland soundly financed. Steinberg is careful to show that, however attractive Tirpitz' presentation of his views might have appeared to the Reichstag deputies, he was both misleading and evasive in his arguments for their adoption. The 1898 Law, once it was passed, in fact harnessed the Reichstag to an inflexible program of naval construction directed squarely against England, a program so well organized that in the future the Reichstag would lack the will to try to amend it. The World War proved Tirpitz' bankruptcy as a naval strategist. His success was that of an astute politician and propagandist, one who was able, over powerful opposition, to secure the passage of what proved to be the most disastrous legislative act in the history of imperial Germany. Chapel Hill, North
Carolina
Lamar
Cecil
PRINZ ERNST HEINRICH VON SACHSEN: M e i n L e b e n s w e g v o m K ö n i g s s c h l o ß z u m
Bauernhof. — München: List 1968. 303 S., 19 Abb. DM 23,—. Es ist schwer, diese Erinnerungen zu rezensieren. Prinz Ernst Heinrich erzählt lebendig und frisch, mit viel Humor, ja gelegentlich Sarkasmus, mit viel Ironie und nicht weniger Selbstironie, mit geschickten Steigerungen und ebenso geschickt eingestreuten Anekdoten, über die man noch im Nachhinein herzlich lachen muß, aber im Grunde immer mit viel Liebe. Ein Lebensweg, der über Höhen und Tiefen geführt hat und ihn doch nicht zweifeln läßt am Sinn eines erfüllten Lebens. Das ist vielleicht am meisten anrührend an diesem Bericht, daß hier ein Mann spricht, der als Königssohn geboren, den Sturz der Dynastie nach dem 1. Weltkrieg sehr bewußt erlebend, sich doch nicht, gestützt auf das immer noch
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bedeutende Vermögen des Hauses Wettin, ins Privatleben eines dolce far niente zurückzieht, wie so viele seiner Standesgenossen, sondern sich als Landwirt und dann als Vermögensverwalter der Familie ein neues tätiges Leben aufbaut. Prinz Ernst Heinrich hat einen scharfen Blick für Menschen und Verhältnisse. Durch seinen Stand und seine Laufbahn als Offizier ist er mit vielen „Größen" seiner Zeit in persönliche Berührung gekommen. Genannt seien Kaiser Wilhelm II., Kronprinz Rupprecht von Bayern, Hindenburg, Ludendorff, Hoffmann, Hitler, Göring, der Nuntius Pacelli, Foch, Stresemann, Käthe Kollwitz. Von ihnen allen entwirft er mit wenigen Strichen ebenso wie von seinen nächsten Verwandten lebendige und treffende Charakterbilder. Seine Urteile sind oft scharf, aber nie ungerecht. Das kleine Kapitel „Unser Führer" ist geradezu meisterhaft. Ebenso lebendig berichtet der Vf. über persönliche Erlebnisse und Familienereignisse, über politische oder soziale Zustände, über religiöse Fragen oder kulturelle Probleme. Sein Bericht über die Zustände im 1. Weltkrieg, in der Revolution 1918 und in der Weimarer Republik ist ein Stück Zeitgeschichte, der sich zu Höhepunkten steigert bei der bei aller Zurückhaltung höchst eindrucksvollen Schilderung seiner Tätigkeit in der Widerstandsbewegung gegen Hitler. Am erschütterndsten wird der Lebensbericht dieses Prinzen beim Untergang Dresdens, beim Verlust der Heimat und dem Zusammenbruch Deutschlands 1945. Aber auch hier hat der Prinz nicht aufgegeben, sondern sich in Irland ein neues Leben als Landwirt aufgebaut. Politische Problematik taucht gelegentlich auf bei der Erörterung etwa des vergeblichen Friedensschrittes seines Vaters in Zusammenarbeit mit den Fürsten Reuß und dem Hamburger Senat im März 1918 oder bei dem Plan des Abgeordneten der Deutschen Volkspartei Dr. Hugo im Jahre 1929, ihn als Kandidaten für die Nachfolge Hindenburgs als Reichspräsidenten zu gewinnen, dem er sich versagte. — Die Wettiner haben sowohl politisch, organisatorisch und wirtschaftlich hochbegabte Fürsten, wie die Kurfürsten Moritz und „Vater" August, als auch Gelehrte und Schriftsteller von Rang, wie König Johann und Prinz Johann Georg, hervorgebracht. In Prinz Ernst Heinrich scheinen sich beide Möglichkeiten des Geschlechts noch einmal zu vereinigen. Das einleitende Kapitel über seinen Vater, König Friedrich August III., ist das beste, was je über Sachsens letzten König geschrieben worden ist. Man möchte wünschen, daß der Prinz sich entschließen könnte, seinem Vater eine Biographie zu widmen. Die schriftstellerische Begabung, das Einfühlungsvermögen und den Blick für Menschen und Dinge besitzt er dazu. Berlin
Richard
Dietrich
HARTWICH, Hans-Hermann: Arbeitsmarkt, Verbände und Staat 1918—1933. Die öifentl. Bindung unternehmerischer Funktionen in d. Weimarer Republik. Mit e. Vorw. von Georg Kotowski. — Berlin: de Gruyter 1967. XVI, 488 S. = Veröffentlichungen d. Histor. Komm, zu Berlin b. Friedrich-Meinecke-Inst. d. Freien Universität Berlin, Bd. 23. DM 78,— . Im Mittelpunkt dieser Diss. aus dem Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, die hier in erheblich erweiterter Fassung vorgelegt wird, steht der industrielle Arbeitsmarkt der Weimarer Republik. H.-H. Hartwich, der sich für den Berliner Arbeitsmarkt auf eigene Quellenforschung, ansonsten auf zahlreiche Teiluntersuchungen stützt, geht dabei von einer doppelten, politologischen und historischen Fragestellung aus. Er greift einerseits das Problem heutiger Autonomie von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden im Bereich des Arbeitsmarktes auf und stellt kritisch dazu die Erfahrungen mit dem weit stärkeren sozialstaatlichen Interventionismus der Weimarer Republik zur Diskussion. Andererseits geht es ihm um die Frage der Stabilität der Weimarer Republik selbst; er weist
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dazu auf, daß für die „den Weimarer Staat geradezu konstituierende Verbindung des sozialen Gedankens mit dem republikanisch-demokratischen" die Konfliktregelungen im Bereich des Arbeitsmarkts eine elementare Rolle spielten. Die Ergebnisse Hartwichs dürften vor allem den Historiker interessieren. Er sieht in der Zwangsschlichtung des Weimarer Staates eine politische Garantie für die Arbeiterschaft, die einen gewissen Ersatz für eine Revolution oder eine Sozialisierung der Wirtschaft darstellte. E r sieht den Nachteil dieser Zwangsschlichtung allerdings darin, daß sich in den Gewerkschaften utopische Vorstellungen von Konfliktregelung und „Neutralität" der Staatsverwaltung entwickelten, eine Gefahr, die ab 1930 deutlich wurde. Berlin
Hartmut Kaelble
S T Ü R M E R , Michael: Koalition und Opposition in der Weimarer Republik 1924 bis 1928. — Düsseldorf: Droste 1967. 319 S. = Beiträge zur Gesch. d. Parlamentarismus u. d. polit. Parteien, Bd. 36. D M 48,— .
Die eingehende Studie Stürmers beruht zum großen Teil auf selbständiger Auswertung bisher ungedruckter Akten, unter denen besonders den Beständen des deutschen Zentralarchives Potsdam eine erhebliche Erweiterung unserer bisherigen Kenntnisse zu verdanken ist. Das gilt, auch wenn besonders wertvolle Teile, wie die Protokolle der Reichskanzlei, aber auch des preußischen Ministeriums wahrscheinlich in sehr absehbarer Zeit durch die große von Karl-Dietrich Erdmann eingeleitete Aktenpublikation über die Kabinettsprotokolle der Weimarer Epoche im Druck zugänglich gemacht sein werden. Die Fragestellung des Buches geht mit besonderer Deutlichkeit von einem Problem aus, das in dieser Form zuerst durch den mehr systematischen Arbeitsansatz der Wissenschaft von der Politik aufgerollt worden ist, die auf die untrennbare Verbindung zwischen dem parlamentarischen Grundprinzip der repräsentativen Demokratie mit dem Auftreten einer Alternative zwischen Koalition und Opposition in der Entwicklung des deutschen Regierungssystems hingewiesen hat. Die schon seit Bracher eifrig erörterte Frage nach den Schwächen der Weimarer Verfassung in dieser Richtung ist durch Stürmer einer auf ein wirklich umfassendes Quellenmaterial gestützten Analyse unterworfen worden, die nach dem heutigen Stande der Forschung zweifellos eine wesentliche Erweiterung unseres Wissens und eine dankenswerte Bereicherung der Beurteilungsbasis bedeutet. Immerhin stellt sich am Rande doch die Frage, ob bei dem schnellen Fortschritt der Forschung auf diesem Fragengebiet nicht auch hier die Vollständigkeit der Einzeluntersuchung fast gefährlich bis an eine Grenze vorgetrieben worden ist, die der Wirksamkeit der erreichten Ergebnisse ebenso zur Belastung werden wie als Förderung dienen kann. Berlin
Hans
Herzfeld
DYC K, Harvey Leonard: Weimar Germany and Soviet Russia 1926 —1933. A Study in Diplomatie Instability. — New York: Columbia University Press 1966. 279 pp. $ 6.75. In recent years the diplomatic relations between the Weimar Republic and the Soviet Union have received an increasing amount of scholarly attention. Weimar Germany and Soviet Russia is certainly one of the most thorough studies that has appeared to date. Yet, the book is not an unqualified success. The strengths of this study are in the author's careful attention to detail. Dyck's close and meticulous investigation of the political problems between these two then-troubled countries leads him to state that the most consistent quality of the relationship was a chronic instability. From the Treaty of Berlin in 1926 to the assumption of power by Hitler in 1933 each government imputed differing meanings to the various formal agreements.
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An attractive feature is the author's willingness to explore and explain the alternative foreign policy choices available to the German Foreign office. Here the contrasting programs of Moritz Schlesinger, the trade and financial expert of the Foreign Ministry; Erich Wallroth, a Director of the Eastern Department; and Oskar Trautmann, another Director of the Eastern Department are presented in full detail along with the more familiar views of Ulrich von Brockdorff-Rantzau and Herbert von Dirksen. This attention to the alternatives of policy gives Weimar Germany and Soviet Russia its real value for it moves the study of foreign relations out of the realm of conference-room negotiations to an area in which domestic pressures and personal prejudices within the foreign service shape policy. This type of analysis is not performed upon the Soviet policy makers for obvious documentary reasons. This leaves the reader with a rather two-dimensional view of the Soviet counterparts of the German negotiators. Dyck does make every effort to balance off the huge weight of the captured German Foreign Office documents with available Soviet items, but the book still seems to be more a study of German policy towards Soviet Russia than a study in the interaction of the two governments. The only substantial criticism to be leveled against this book is in its style. Dyck decided to use many short sections rather than several longer chapters. This, plus an overly academic prose, makes for very difficult reading. It is always unfortunate to have a fine piece of research marred by an inability to communicate its findings. Chapel Hill, North Carolina William J. Lavery Göhring, Martin: Alles oder nichts. 12 Jahre totalitärer Herrschaft in Deutschland. Bd. 1: 1933-1939. - Tübingen: Mohr (P. Siebeck) 1966. XIV, 354 S. DM 1 9 , - . Durch das unerwartete Hinscheiden des Vf.s bleibt die Arbeit, die für ein breites Leserpublikum gedacht war, auf den 1. Bd. beschränkt. Man muß dies um so mehr bedauern, als es G. vorzüglich gelungen ist, die Fülle wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zu einer einprägsam berichtenden Darstellung zusammenzufassen, deren Uberzeugungskraft durch gut gewählte Zitate erhöht wird. Ohne diese Leistung abwerten zu wollen, sei jedoch darauf hingewiesen, daß der Forschungsstand vor wenigen Jahren einen — auch heute noch nicht überwundenen — diplomatiegeschichtlichen Schwerpunkt in der Themenauswahl aufwies, der die Anlage des Buches wesentlich mitbestimmte. G.s Absicht, die „wechselseitige Bedingtheit" nationalsozialistischer Innen- und Außenpolitik herauszuarbeiten, gelang wohl im allgemeinen für die Darstellung der Jahre 1933—1935; sie verliert dagegen an Konsequenz, wenn G. den Zeitraum zwischen 1936 und dem Kriegsausbruch beschreibt: Hier verblaßt die innerpolitische Entwicklung angesichts der Dramatik, die der außenpolitische Ereignisablauf gewann. Für diese 2. Phase des sog. 3. Reiches läßt G. denn auch Hitler wesentlich stärker als in der voraufgehenden zur treibenden Kraft werden, ohne aber deswegen die Geschichte des nationalsozialistischen Deutschlands gleichsam wie den bloßen Ausschnitt der Biographie des „Führers" zu behandeln. Daß eine solche personifizierende Deutung G. allerdings nicht völlig fremd ist, belegen die ersten Kapitel, die den Aufstieg der NSDAP am Ende der Weimarer Republik darlegen. München Klaus-Peter Hoepke Kurowski, Franz: Armee Wenck. Die 12. Armee zwischen Elbe u. Oder 1945. — Neckargemünd: Vowinckel 1967. 172 S. mit 6 Ktn. = Die Wehrmacht im Kampf, Bd. 43. DM 19,80. „Wie in den alten Tagen der Siege" (S. 123) rollen die Sturmgeschütze vor, und dem Feind wird „eine blutige Lektion erteilt" (S. 53).
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Solche Formulierungen liest man in diesem Buch über die Kampfhandlungen der erst Ende März bis Anfang April 1945 aus dem Boden gestampften 12. Armee mit Unbehagen. Mit ihnen redet K. an der Wirklichkeit vorbei und erweist den an den Kämpfen zwischen Elbe und Oder beteiligten deutschen Soldaten und ihrem Armeeführer, der Einsicht in die Realitäten und Verantwortungsbewußtsein für die ihm anvertrauten Menschen bezeugte, einen zweifelhaften Dienst, auch wenn er die Fakten recht zuverlässig darstellt. Mit deutlicher Vorliebe für das Detail berichtet K. über alle wichtigen Begebenheiten in der kurzen Geschichte der 12. Armee, die sich einerseits aus den jüngsten Jahrgängen, den Siebzehn- bis Neunzehnjährigen, andererseits aus dem Personal der vielen Waffenschulen und Führerschulen des Reichsarbeitsdienstes, insbesondere der Sturmgeschützschule Burg, sowie den Teilnehmern der Offiziersanwärter-Lehrgänge rekrutierte. Die Armee erhielt ursprünglich den von unverbesserlichem Wunschdenken bestimmten Auftrag, nach Westen anzutreten, um die eingeschlossene Heeresgruppe B unter Generalfeldmarschall Model im Ruhrgebiet zu entsetzen, hatte jedoch Mühe, sich gegen den amerikanischen Elbebrückenkopf bei Barby zu verteidigen. In dieser schwierigen Lage überbrachte Keitel am 23. April in Wencks Gefechtsstand in der Oberförsterei „Alte Hölle" bei Wiesenburg den Befehl, die Armee nach Osten zu drehen und gemeinsam mit der bei Halbe eingekesselten 9. Armee unter General Busse den von sowjetischen Truppen in Berlin bedrohten „Führer" zu befreien. Auf eigene Verantwortung versuchte Wenck, diesen sinnlosen Auftrag in den Dienst einer sinnvoll begrenzten Operation zu stellen, und ließ seine Soldaten am 28. April bis Ferch am Schwielowsee und Beelitz vorstoßen, so daß sich die Potsdamer Korpsgruppe Reymann und die erschöpften Truppen der 9. Armee mit Tausenden von Flüchtlingen zu der 12. Armee durchkämpfen konnten. Nachdem er alles in seinen Kräften Stehende getan hatte, führte Wenck bis zum 7. Mai mehr als 100000 Soldaten bei Tangermünde geordnet über die Elbe in amerikanische Gefangenschaft. Die Zahl der gegen den Willen der Amerikaner über den Fluß geschmuggelten Zivilisten ging in die Zehntausende. K. stützt sich hauptsächlich auf bisher unveröffentlichte Manuskripte von Wenck, dessen Stabschef Oberst Reichhelm und von mehreren ehemaligen Divisionskommandeuren bzw. Offizieren der 12. Armee und kann deshalb über eine Zusammenfassung des bereits Bekannten hinaus mit zahlreichen neuen Einzelheiten aufwarten. Gelegentliche Ausblicke auf Vorgänge bei den Alliierten sollen offenbar die Einordnung der Ereignisse erleichtern, hätten aber ohne großen Schaden weggelassen werden können, zumal sie fast wörtlich aus dem Buch „Der letzte Kampf" von Cornelius Ryan übernommen worden sind. Wichtig wäre dagegen ein unmißverständlicher Hinweis darauf gewesen, daß selbst die begrenzten Erfolge der 12. Armee nur möglich waren, weil die Amerikaner an der Elbe verharrten und die Sowjets, die sich auf die Reichshauptstadt konzentriert hatten, von Wencks Angriff völlig überrascht wurden. Berlin
Dieter Gaedke
TOLAND, John: Das Finale. Die letzten 100 Tage. — München, Zürich: Droemer Knaur 1968. 598 S. mit Abb. DM 3 8 , - . Daß ein Verlag innerhalb von zwei Jahren zwei Bücher in der gleichen Ausstattung über dasselbe Thema herausbringt, ist ungewöhnlich. Deshalb war es eine kleine Uberraschung, als die Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. bald nach der Veröffentlichung des Bestsellers „Der letzte Kampf" von Cornelius Ryan abermals eine populär-
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wissenschaftliche Darstellung über den Untergang des Dritten Reiches aus dem Amerikanischen übersetzen ließ, zumal der Käufer für das neue Buch wesentlich tiefer ins Portemonnaie greifen muß. Es ist dem Verlag zu danken, daß er das finanzielle Risiko, das mit einer solchen Doppelpublikation verbunden sein dürfte, nicht scheute, da T. im Gegensatz zu Ryan auch höhere Ansprüche zu befriedigen vermag. Ebenso wie Ryan standen T. für seine Recherchen beträchtliche Mittel zur Verfügung, die es ihm ermöglichten, mehr als 150000 km weit durch 21 Länder zu reisen, um über 600 Personen, vom einfachen Soldaten bis zum General, vom Privatmann bis zum führenden Politiker, zu interviewen. Im Quellennachweis werden als Informanten Persönlichkeiten genannt, die das Geschehen im Jahre 1945 in einflußreicher Stellung mitbestimmt haben, darunter Harriman, Clement Attlee, Graf Schwerin v. Krosigk, Dönitz, Schörner, Heinrici, die SS-Generale „Sepp" Dietrich und Wolff sowie Otto Skorzeny, der auch das Manuskript des Buches überarbeitete. Darüber hinaus konnte T. zahllose Dokumente auswerten, die bisher der Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Aus diesem Material formte T. eine fesselnde Reportage, die, mit vielen neuen Details durchsetzt, auch für den Historiker anregend ist. Die meist chronologisch gereihten Bilder aus den letzten 100 Tagen vor dem Zusammenbruch setzen ein mit dem 27. Januar 1945 und schließen mit der bedingungslosen Kapitulation am 7. und 8. Mai. Besonders hervorgehoben werden u. a. der Untergang der „Wilhelm Gustloff" mit über 9500 Passagieren an Bord, die Jalta-Konferenz, die Bombardierung Dresdens, die Eroberung der Ludendorff-Brücke bei Remagen sowie die letzten Stunden Roosevelts, Mussolinis und Hitlers. Makaber oder erschütternd, je nach den obwaltenden Umständen und den beteiligten Personen, wirken die Szenen, die sich bei den verschiedenen von deutscher Seite unternommenen Versuchen ergaben, mit den Alliierten in Verhandlungen einzutreten. Zum erstenmal erfahren wir durch T. von den Sondierungsgesprächen, die Ribbentrop mit dem japanischen Botschafter, General Oshima, anknüpfte, um mit diplomatischer Unterstützung des deutschen Verbündeten im Fernen Osten zu einem Separatfrieden mit der Sowjetunion zu gelangen (S. 297 f.). Auch unsere Kenntnisse über die Operation „Sunrise", die Verhandlungen, die SS-Obergruppenführer Wolff durch Vermittlung des militärischen Nachrichtendienstes der schweizerischen Armee mit den Alliierten führte und die am 2. Mai mit der geordneten Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Italien erfolgreich abgeschlossen werden konnten, vermag T. um aufschlußreiche Einzelheiten zu erweitern. Die korrupte Denkungsart der nationalsozialistischen Führung trat desto unverhüllter zutage, je mehr sich das Ende näherte, so daß schließlich sogar Himmler Kontakte zu dem neutralen Ausland aufnahm und selbst Hitler plante, sich bei dem nach seiner Auffassung unvermeidlichen Konflikt zwischen den Sowjets und den Anglo-Amerikanern für diejenige Partei zu entscheiden, die ihm den höchsten Preis bieten oder die als erste mit ihm in Verbindung treten würde (S. 463). Wie T. in seinem Vorwort ausführt, hat er versucht, die verhängnisvollen Tage nicht wie ein Mensch, der diese Epoche miterlebt hat, zu schildern, „sondern mit der Objektivität des zeitlichen Abstands" (S. 7). Dieser Absicht kommt der schnelle Wechsel der Perspektiven sehr zugute, der es dem Leser erleichtert, Brutalität und Leid, Selbstsucht und Opfermut auf beiden Seiten der Kriegführenden zu sehen. Angenehm fällt auch T.s kritische Distanz zu den Quellen auf. Leider wurde aber bei der Übersetzung aus der Originalausgabe ein Datierungsfehler übernommen. Die historische Begegnung amerikanischer und sowjetischer Truppen bei Torgau fand nicht, wie angegeben (S. 434), am 26. April, sondern bereits einen Tag früher statt. Für den Verlag dürfte es ein Kleines sein, bei einer Neuauflage das Datum zu berichtigen. Daß T.s Buch sowohl dem Historiker als auch dem
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anspruchsvollen Laien empfohlen werden kann, steht ohnehin außer Frage. Wer zwischen den Schriften von T. und Ryan zu wählen hat, sollte T. den Vorzug geben.
Berlin
Dieter Gaedke
BESYMENSKI, L e w : Der Tod des Adolf Hitler. Unbekannte Dokumente aus Moskauer Archiven. Eingel. von Karl-Heinz Janßen. — Hamburg: Wegner 1968. 136 S. mit Abb. D M 1 0 , - . B. hat mit seiner Abhandlung über Hitlers Tod ein Buch vorgelegt, das den EwigGestrigen in der Bundesrepublik höchst unbequem sein dürfte. Ist es doch dem sowjetischen Schriftsteller und Zeitgeschichtsforscher gelungen, mit der erst jetzt freigegebenen Obduktionsakte Hitlers ein Dokument vorzulegen, das geeignet ist, den noch immer nicht völlig verstummten Legenden von einer heimlichen Flucht aus dem Bunker der Reichskanzlei oder vom Soldatentod des „Führers" jede Grundlage zu nehmen. Sollten sich die Ausführungen B.s als zuverlässig erweisen, werden nicht nur die Unklarheiten und Ungereimtheiten, die in Schlußkapiteln bisheriger Hitler-Biographien zu finden sind, in künftigen Publikationen fehlen. Auch die Berichte über das Ende von Goebbels und General Krebs müßten neu geschrieben werden. Gestützt auf den Befund der Obduktionskommission der Ersten Weißrussischen Front, gelangt B. zu dem Schluß, daß Hitler sich nicht erschossen habe, sondern daß sein Tod infolge einer Vergiftung mit Zyanverbindungen eingetreten sei (S. 65 — 71). Auch Goebbels, dessen Frau sowie General Krebs haben sich mit Zyankali vergiftet (S. 62f.). B. vermag aber nicht, mit Sicherheit die Möglichkeit auszuschließen, daß Hitler, der der Wirkung des Zyankaliums mißtraute, einem seiner Gefolgsmänner, vielleicht seinem Kammerdiener Linge oder seinem Adjutanten Günsche, den Befehl gegeben hat, ihn nach der Einnahme des Giftes „sicherheitshalber" niederzuschießen (S. 92—94). A m 5. Mai 1945 wurde Hitlers Leichnam im Garten der Reichskanzlei freigeschaufelt und zusammen mit den Leichen von Eva Braun, der Familie Goebbels und General Krebs zur Abwehrabteilung der 3. Stoßarmee in Buch geschafft (S. 58). Insoweit wird Kubys Darstellung in dem Buch „Die Russen in Berlin 1945" von B. größtenteils bestätigt. Nicht bestätigt wird jedoch Kubys phantastische Spekulation, daß in irgendeinem russischen Archivalienkeller eine Kiste mit den sterblichen Überresten Hitlers stehen müsse, denn B. zufolge haben die Sowjets alle in der Zeit vom 7. bis zum 9. Mai 1945 in dem Leichenschauhaus der Klinik in Buch obduzierten Leichen später völlig verbrannt und die Asche den Winden überlassen (S. 86). Der kritische Leser wird fragen, weshalb die Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Expertisen mehr als 20 Jahre lang zurückgehalten wurden. B. nennt dafür zwei Gründe. Erstens hätten die Sowjets die Veröffentlichung der Akten für den Fall aufgespart, daß irgendein politischer Abenteurer in der Nachkriegszeit in die Rolle des „durch ein Wunder geretteten Führers" schlüpfen würde. Zweitens sei beschlossen worden, die Untersuchungen weiterzuführen, um jede Möglichkeit eines Fehlers oder der Irreführung auszuschließen (S. 86). Wenn auch durch diese Erklärungen nicht alle Zweifel beseitigt werden können, bleibt doch zu hoffen, daß B.s Forschungsergebnisse die Beachtung finden, die ihnen gebührt.
Berlin
Dieter Gaedke
GIMBEL, John: The American Occupation of Germany. Politics and the Military, 1 9 4 5 - 1 9 4 9 . - Stanford, Calif.: Stanford University Press 1968. XIV, 335 S. $ 8.75. John Gimbel, von dessen Buch eine deutsche Ubersetzung zu erwarten und bei der Gedrängtheit seines Inhalts und der Bedeutung seiner Problematik dringend erwünscht 26
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ALLGEMEINES
ist, hat zum ersten Male zu der Gesamtheit aller Akten des Military Government in den entscheidungsvollen ersten Jahren der Besatzung in Deutschland Zutritt erhalten. Die Kernfrage, die es nach meinem Eindruck erfolgreich beantwortet, ist das Problem, ob der in den Jahren 1947/48 besiegelte Ausbruch des „Kalten Krieges" nach der jetzt so oft vertretenen Ansicht die Folge einer von Anfang an bestehenden absoluten Ablehnung des sowjetischen Verbündeten durch die auf das stärkste durch die von der militärischen Besatzungsverwaltung — in erster Linie also durch General Lucius D. Clay — vertretene Politik gewesen ist, ob also die letzte Ursache des Bruches in einer amerikanischen Präventivoffensive bestanden hat. Oder ist auch diese Militärverwaltung noch bis zur Moskauer Konferenz von 1947 — im Unterschied zu ihrer starken Ablehnung der von de Gaulle und Bidault bestimmten französischen Politik — zur Fortsetzung des Kriegsbündnisses in trotz sachlich scharfer Einzeldifferenzen doch im Kern der Sowjetunion gegenüber loyaler Haltung bereit gewesen? Dieser Nachweis wird hier in einer höchst minutiös aus den Quellen gearbeiteten Darstellung angetreten. Diese steht naturgemäß im schärfsten Gegensatz zu der These einer offensiven Politik des amerikanischen „Imperialismus" wie zu der Neigung, die dem Risiko eines großen Krieges ausweichende Haltung Stalins zugunsten einer „peaceful coexistence" als Rechtfertigung der sowjetischen Politik unter einem mißverstandenen Stalin geltend zu machen. Damit ist deutlich, daß die Diskussion über die Entwicklung der ersten Nachkriegsjahre, besonders in Deutschland, vor einer neuen entscheidungsvollen Phase steht, deren Ergebnis heute noch nicht vorweggenommen werden kann. Auf jeden Fall ist damit eine Lage eingetreten, die die Forschung zwingen wird, sich in einer voraussichtlich durch Jahre fortgesetzten Diskussion höchst intensiv mit dem hier zum erstenmal erschlossenen Quellenmaterial auseinanderzusetzen. Berlin
Hans
Herzfeld
Handrieder, Wolfram F.: West German Foreign Policy 1949—1963. International Pressure and Domestic Response. — Stanford, California: Stanford University Press 1967. 275 pp. $7.50. The purpose of this book is methodological rather than substantive. It seeks to elucidate a conceptual scheme by means of a case study. The paradigm used is explained by the author in his introduction and even more fully in a recent article, "Compatibility and Consensus: A Proposal for the Conceptual Linkage of External and Internal Dimensions of Foreign Policy," American Political Science Review, 61 : 4 (December 1967), 971 — 82. The proposal is that foreign policies, in this case study that of the German Federal Republic, be considered in terms of "compatibility," defined as "the degrees of feasibility of foreign policy goals given the structures of the international system" and "consensus" which "assesses the measure of agreement or the ends and means of policy on the domestic scene." Like many other conceptual schemes elaborately expounded in current social science literature, Handrieder's appears less important as an explanatory and/or critical apparatus than as a vehicle for presenting disparate yet interrelated information. As such it has advantages and disadvantages. The advantages are most impressive, chiefly because the author has drawn his information from a large and well selected number of monographs and articles on the various aspects and contexts of German foreign policy in the two periods into which the study is divided, 1945 — 1955 and 1955—1963. The presentation covers not only the political but the economic, strategic, and even the cultural and psychological dimensions of foreign and domestic affairs. German language and English language secondary sources are cited in such profusion as to make the footnotes alone worth the price of the book, if only as a guide to the relevant literature. On the other hand, the disadvantages consist mainly
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of the annoyance of repetitious deviations and "flash-backs" needed to keep the discussions of the many determinants and aspets of West German foreign policy abrest. The resulting zigzag in topical arrangements leads the author to remark (p. 9, n.) that his book may be read in any one of five chapter sequences without any sacrifice of continuity. Handrieder categorizes the goals of West Germany's foreign policy as securtiy, recovery and reunification. The second of these makes the linkage of external and internal dimensions most apparent because it includes "the restoration of sovereignty, the readmission of Germany to the society of free nations" along with "internal political stability, and a thriving economy with its corollary social benefits." Obviously, these goals were set by the external conditions which prevailed when the German Federal Republic came into being. Moreover, among the chief proponents of differing priorities and means to be used in the pursuit of these goals, there was recognition of the principle expressed in words attributed to Kurt Schumacher (p. 5) as follows: "the contest over foreign policy is at the same time the contest over internal policy and the social content of the political order . . . Foreign policy sets the limits to the possibilities of our social and economic policy." It was Adenauer's good fortune that the priorities and means which he chose proved to have a high degree of "compatibility" in the context of the "bipolarity" which characterized the international system in the decade after 1945. The rivalries of the Cold War aided archievement in security and recovery (political and economic) and even a partial fulfillment in reunification with the recovery of the Saarland, although the return of East Germany and the regions beyond the Oder-Neisse remained out of reach. In choosing the year 1955 as a dividing point, Handrieder does well in emphasizing the significance of the transformation which was then beginning to take place in the international systemic structure through "the developing Soviet-American nuclear stalemate and the developing regionalism in Western Europe and elsewhere." In these new circumstances, Adenauer was able to bolster the achievements of the previous period, but he could only plaster over the divisions within his own party and coalition with reference to the responses to the dilemmas which loomed in the early sixties, namely, the choice between a Gaullist Europe and the Atlantic community, the adjustment to the transition to a strategy of "flexible defense" in place of "deterrence" through America's capacity for massive nuclear retaliation, and the fear that Soviet-American interest in armament control might result in a détente at German expense. Nevertheless, the Social Democratic Party's acceptance of rearmament and NATO produced an overlap of "patterns of compatibility" and "patterns of consensus," albeit at the cost of a tacit recognition that unification "was, at least for the time being, a dead political issue." The termination of Handrieder's case study with the year 1963 combines with his compulsion to elaborate a conceptual scheme to produce an epilogue, entitled "Conclusion: West Germany as a 'Penetrated' Political System", which is both anti-climatic and supernumerary. It consists chiefly of a semantic argument over the characteristics of a "penetrated" political system, which adds nothing to the insight expressed in the remarks of Kurt Schumacher quoted earlier as well as in the maxim "Primat der Aussenpolitik," which as noted (p. 231, n.) has "long been accepted by German policy makers" and "runs like a red thread through German historiography." Moreover, this discussion in no way prepares the reader for the books final paragraph which proclaims that "the developing overlap between patterns of compatibility and patterns of consensus reinforced and reflected the de-ideolization of the political process" and thus helped to create "a political-philosophical vacuum." Chapel Hill, North Carolina Charles B. Robson 26*
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BUCHBESPRECHUNGSTEIL, ALLGEMEINES Abraham: Reformpartei und Außenpolitik. Die Außenpolitik d. SPD Berlin-Bonn. - Köln u. Opladen: Westdt. Verl. 1968. 200 S. DM 2 5 , - . ASHKENASI,
Der heute als Gastprofessor am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin wirkende Vf. hat mit dieser Arbeit eine im hohen Grade eindringliche Studie über die Entwicklung der gegenwärtig durch die SPD, vor allem durch E. Benda, heute auch durch Herbert Wehner, vertretenen Außenpolitik vorgelegt. Stets um die bis 1960 vorhandene Spannung zwischen Berlin und Bonn kreisend, gibt sie ein eindrucksvolles Bild von den Schwierigkeiten, die es der Sozialdemokratie, der Partei im ganzen wie ihrem Berliner Zweige im besonderen, bereitet hat, zur Formulierung einer praktikablen Außenpolitik zu gelangen. Als die Zentralfigur erscheint schon seit 1954 Willy Brandt als der bedeutendste Erbe der Tradition Ernst Reuters, die sich mit dem Godesberger Programm entscheidend durchgesetzt und diese Führung bis zum gegenwärtigen Tage behauptet hat. Das Buch ist die bisher eingehendste Untersuchung über die Ursachen, auf die die fortschreitende Zurückdrängung Franz Neumanns in der Berliner Parteiorganisation zurückgeht, und gibt ein eindrucksvolles Bild von dem zähen Kampfe, mit dem sich Willy Brandt im Unterschied zu Ernst Reuter und Otto Suhr schließlich in Berlin durchgesetzt hat. Hier ist er bereits 1958/59, zunächst abschließend, gegen die schon damals durch Ristock vertretene Opposition des linken Parteiflügels als Vorspiel seines in ebenso langem Ringen mit Ollenhauer bewirkten Aufstieges zum Parteiführer Sieger geblieben. Das wurde nicht zum wenigsten durch seine Befähigung als Taktiker erreicht, der in kritischen Stunden auch zu schweigen wußte, so noch als die SPD auf dem Stuttgarter Parteitag noch einmal „ihr ewiges Nein" wiederholte. Nach den in der Chrustschew-Krise abgehaltenen Berliner Wahlen vom 7. 12. 1958 konnte es vorübergehend sogar so scheinen, als ob diese Opposition durch ihn endgültig zur „politischen Sekte" herabgedrückt worden sei. Jedenfalls hatte er sich noch in der Berliner Zeit „eine Machtposition, von der aus er in der ganzen Bundesrepublik operieren" konnte, erkämpft. Das Buch ist im ganzen ein unentbehrlicher Beitrag sowohl zur Geschichte der Sozialdemokratie zwischen Berlin und Bonn wie zur Problematik der deutschen Außenpolitik überhaupt. Berlin
Hans
Herzfeld
S T A A R , Richard Felix: The Communist Regimes in Eastern Europe. A n Introduction. — Stanford, California: Hoover Institution on War, Revolutions, and Peace 1967. 387 pp., $ 7.50.
This is a textbook for beginning university students on the regimes of the eight countries of Eastern Europe—Albania, Bulgaria, Czechoslovakia, Eastern Germany, Hungary, Poland, Rumania and Yugoslavia. The bulk of the book offers a chapter on each of these countries, in this order. Three additional chapters provide information on certain common concerns of these countries, such as the Warsaw Treaty Organization, the Council of Mutual Economic Assistance, and the recent trend toward polycentrism, an idea that individual countries of this bloc should have more independence from a direct Soviet control. An epilogue provides a useful summary of the most recent developments in the area and suggests possible developments in immediate future. The need for such an introductory text has been evident for years. Existing books on Eastern Europe have been written on a higher level, or treated this area as a bloc, which presupposed a knowledge of individual countries that a beginning student could not have. This book satisfies the need for such a text to a very substantial degree. Each of the chapters
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on the individual countries includes special sections that provide concise, but sufficient, information on the constitution and administration of the particular country, the organization and the internal problems of its communist party, its political, economic and cultural policies, defense potential and foreign relations. The chapters on the common concerns of these countries discuss the intent and organization of common efforts and institutions in these fields, and strains and ruptures, as well as successes in these endeavors. This is documented by frequent citation of sources, partly in the language of these countries, and illuminated by more than sixty tables on such matters as population and national minorities, growth and composition of the communist party, the leading personnel of the party and state administration, production and trade, and military strength. The information provided here is generally solid and reliable, the tone of the presentation is mostly calm and detached although author's antipathy toward communism is obvious. The book chronicles the oppressive era of the Stalinist regime, but ends on an optimistic note showing the general relaxation of the regime in more recent years. The author did not expect the strong assertion of an independent course that had occurred in Czechoslovakia in early 1968, shortly after his book was published, but the end of the Czechoslovak experiment seems to have confirmed his doubt as to the chances of any such radical reforms within the bloc. As is usual in such books, individual chapters vary in their coverage and strength. Perhaps the best are those on Czechoslovakia, Poland, East Germany, and the common affairs of the bloc. The presentation of his materials was sometime unfavorably affected by author's efforts to avoid repetitiousness, a common danger of all books with this organization. At other places the author sacrificed clarity to a more professional treatment and more technical language that assumes more knowledge than a beginning student has. Perhaps, too, he should have included an introductory chapter outlining the Soviet system of government. Without it the frequent references to this system, by which he often tries to explain an analogical problem in an East European country, are of little help. Chapel Hill, North Carolina
Josef
Anderle
WRANGEL, Georg von: Wird der Ostblock kapitalistisch? Die kommunistischen Wirtschaftsreformen u. ihre Bedeutung. — München: Moderne Verl.ges. 1966. 264 S„ zahlreiche Abb. DM 19,80. Es ist ein sehr begrüßenswertes Unterfangen, wenn sich ein Verlag entschließt, eine Darstellung und Analyse der Wirtschaftsreformen in Osteuropa und der Sowjetunion auf den Markt zu bringen, die sich bewußt an eine breitere Öffentlichkeit wendet. Verspricht der Name des Autors noch Sach- und Sprachkunde, so darf man auf das Ergebnis gespannt sein. Von Wrangel geht in seinem Buch länderweise vor; er behandelt zunächst das Wirtschaftssystem der Sowjetunion und die hier vollzogenen Veränderungen sowie die angestrebten Reformen, dann nacheinander die kommunistisch regierten Länder Ost- und Südosteuropas: Polen, die DDR, die CSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Jugoslawien. Abschließend geht er auf Struktur und Rolle des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (Comecon) ein. Da die Probleme in allen diesen Ländern teilweise ähnlich liegen, lassen sich bei dieser Form der Darstellung Wiederholungen nicht vermeiden. Sie sind nicht unbedingt als Nachteil zu werten, denn nur auf diese Weise war es möglich, in jedem Länderkapitel eine in sich geschlossene Darstellung zu erreichen. Und gerade die Wiedergabe der wirtschaftlichen Reformbemühungen in den einzelnen Ländern, der in ihnen zutage tretenden unterschiedlichen Kräfte und Tendenzen ist eine Stärke dieses Buches,
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Der Autor läßt in vielen und gut ausgewählten Zitaten Wirtschaftstheoretiker und Politiker der betreffenden Länder selbst zu Wort kommen. Damit wird ein äußerst wertvoller Einblick in die in diesen Ländern übliche Denk- und Argumentationsweise gegeben, der besonders für den hier angesprochenen Leser wichtig ist, der sich sonst nur aus zweiter Hand über diese Themen unterrichten kann. Was allerdings der Autor an eigenem Text zwischen diese Zitate gestellt hat, muß streckenweise erhebliche Bedenken erwecken, wenn man sich vergegenwärtigt, daß dieses Buch für den Leser möglicherweise erste und einzige Informationsquelle ist. Nicht, daß hier Dinge behauptet würden, die im Widerspruch zu den Tatsachen stünden; es ist allein die wenig exakte und zu Mißdeutungen geradezu herausfordernde Ausdrucksweise, die hier kritisiert werden soll. Was soll der Leser, der die Hintergründe und Zusammenhänge nicht genauer kennt, mit so vergröbernden Sätzen anfangen, wie z. B. „Was die Kollektivwirtschaften und die in allen Teilen der Sowjetunion auf großem Areal eingerichteten Staatsgüter (Sowchose) nicht schafften, das erreichte in relativ kurzer Zeit der private bäuerliche Produktionssektor" (S. 33), was mit einer Definition der als Grundlage der Preissetzung dienenden Durchschnittskosten als einem „theoretisch und praktisch unmöglichen Begriff" (S. 60). Seltsam mutet es an, aus dem Munde eines Autors, der Wirtschaftswissenschaft studiert hat, die sowjetische Währungsumstellung von 1961 in bezug auf das Lohnniveau als „eine radikale Deflation" bezeichnet zu hören (S. 43). Und wenn auf S. 72 behauptet wird, daß 1965 „zum ersten Male seit der Kollektivierung der Landwirtschaft . . . die Führung der Kommunistischen Partei [der UdSSR] einen ernsthaften Versuch unternommen" habe, „die Preisschere zwischen Industrie- und Agrarprodukten zu beseitigen" und damit die 1953 und in den Folgejahren vorgenommenen Preiserhöhungen für Agrarprodukte von immerhin 20% (Rohbaumwolle) bis 679% (Weizen) und im Extremfall 2936% (Rinder) schlicht ignoriert werden, so ist das bei allem Verständnis für journalistische Vereinfachung doch eine merkwürdige Berichterstattung. Und warum spricht der Autor auf S. 229 nur von „Beschlüssen" des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, obwohl er sicher weiß, daß der Rat Beschlüsse nur zu Verfahrens- und Organisationsfragen fassen kann, in allen anderen Fragen aber nur Empfehlungen verabschieden darf, die noch dazu der Ratifizierung durch die nationalen Organe bedürfen ? Es liegt im wesentlichen an solchen unglücklichen Formulierungen, daß sich der in diesem Buch enthaltene Informationswert in vollem Umfang nur dem Fachmann erschließt, der aus seiner Kenntnis heraus die fehlenden, aber notwendigen Ergänzungen und Verfeinerungen anbringen kann. Der Autor wird aber nicht dem Anspruch gerecht, gerade dem nicht speziell vorgebildeten Leser einen fundierten Überblick zu bieten; im Gegenteil könnten in manchen Fragen eher falsche Vorstellungen erweckt werden. So ist dieses Buch trotz seines guten Ansatzes wenig geeignet, die bestehende Lücke in unserer Literatur über das östliche Wirtschaftssystem zu schließen und einer breiteren Öffentlichkeit den Zugang zu den wirtschaftlichen Problemen unserer östlichen Nachbarländer zu eröffnen. Gießen
Eberhard Scbinke
Akten zur deutschen auswärtigen Politik. 1918 — 1945. (Aus d. Archiv d. Auswärtigen Amts.) — Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht. 4, Serie B. 1925—1933. Bd. 2,2. Juni bis Dezember 1926. Deutschlands Beziehungen zur Sowjet-Union, zu Polen, Danzig und den Baltischen Staaten. 1967. XLII, 555 S. DM 3 8 , - .
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Auctor vetus de beneficiis. Hrsg. von Karl August Eckhardt. — Witzenhausen: Deutschrechtlicher Instituts-Verl.; Hannover: Hahn. (Germanenrechte. N.F. Land- und Lehnrechtsbücher. [Bd. 2, T. 2.]) 2. Archetypus und Görlitzer Rechtsbuch. 1966. 167 S. DM 19,20. Winfried: Deutsche Ostpolitik 1918. Von Brest-Litowsk bis zum Ende d. Ersten Weltkrieges. — Wien u. München: Oldenbourg 1966. 462 S. DM 52,—. BERGHAHN, Volker R[olf]: Der Stahlhelm. Bund d. Frontsoldaten 1918 — 1935. Hrsg. von d. Komm. f. Geschichte d. Parlamentarismus u. d. Polit. Parteien. — Düsseldorf: Droste (1966). 304 S. (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Bd. 33.) D M 3 8 , - . BAUMGART,
Udo: Vorformen parlamentarischer Kabinettsbildung in Deutschland. Der Interfraktionelle Ausschuß 1917/18 u. d. Parlamentarisierung d. Reichsregierung. — Köln u. Opladen: Westdeutscher Verl. 1967. 389 S. (Politische Forschungen. Bd. 8.) DM 27,—. BERMBACH,
Karl: Sprache und Geschichte an der mittleren Elbe und der unteren Saale. — Köln, Graz: Böhlau 1967. 307 S. mit 36 Ktn. (Mitteldeutsche Forschungen. Bd. 52.) DM 3 8 , - . BISCHOFF,
Helmut: Zwischen Thron und Vaterland. Gneisenau im preußischen Krieg 1806 bis 1807. - Berlin: Deutscher Verl. d. Wissenschaften VEB 1966. 128 S. DM 2,50. BOCK,
Helmut: Vor 1866. Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik der deutschen Mittelstaaten. — (Frankfurt a. M.:) Europäische Verlagsanstalt (1966). 129 S. (Hamburger Studien zur neueren Geschichte. Bd. 7.) DM 9,—.
BÖHME,
BORN, Karl Erich: Preußen und Deutschland im Kaiserreich. Festvortrag. — Tübingen: Mohr (Siebeck) 1967. 22 S. (Tübinger Universitätsreden. 28.) D M 3 , - .
Brandenburg/Geheimer Rat: Protokolle und Relationen des Brandenburgischen Geheimen Rathes aus der Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. [Hrsg.] von Otto Meinardus. Neudruck. — Osnabrück: Zeller. (Publikationenaus den K[öniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 41, 54, 55, 66, 91.) Lizenz d. Verl. Hirzel, Stuttgart: — Bd. 1. Bis zum 14. April 1643. Neudr. d. Ausg. 1889. - 1966, LXXXVII, 750 S. DM 9 5 , - . — Bd. 2. Bis Dezember 1644. Mit e. geschichtl. Einl. f. d. 2. u. 3. Bd. Neudr. d. Ausg. 1893. - 1965. CXLII, 684 S. DM 9 5 , - . — Bd. 3. Vom Januar 1645 bis Ende August 1647. Mit d. Reg. z. 2. u. 3. Bd. Neudr. d. Ausg. 1893. - 1965. 841 S. DM 9 5 , - . — Bd. 4. Von 1647-1654. Neudr. d. Ausg. 1896. - LXIII, 657 S. DM 8 5 , - . — Bd. 7. Hälfte 1. Von Anfang Mai 1663 bis Ende Dez. 1666. Neudr. d. Ausg. 1919. — 599 S. D M 7 0 , - . Goswin [Frhr.] von: Geschichte des Handels und der gewerblichen Kultur der Ostsee-Reiche (Ostseereiche) im Mittelalter bis zum Schluß des 16. Jahrhunderts. Mit bes. Bezug auf Danzig als Quartierstadt d. Hansebundes u. d. sich in dieser Zeit entwickelnden innern Staatsverhältnisse Preußens. Neudr. d. Ausg. Berlin 1820. — Aalen: Scientia-Verl. 1966. XX, VI, 379 S. DM 6 0 , - . BREDERLOW,
Eckart: Der Oberbefehl. Seine rechtl. Struktur in Preußen u. Deutschland seit 1848. — Boppard a. Rh.: Boldt (1967). VI, 200 S. (Wehrwissenschaftliche Forschungen, Abt. Militärgeschichtl. Studien. 5.) DM 28,—, BUSCH,
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COENEN, Dorothea: Die katholische Kirche am Niederrhein von der Reformation bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts. Untersuchungen z. Geschichte d. Konfessionsbildung im Bereich d. Archidiakonates Xanten unter d. klevischen u. brandenburg. Herrschaft. — Münster/Westf.: Aschendorff (1967). XIV, 309 S. (Reformationsgeschichtliche Studien u. Texte. H. 93.) D M 5 0 , - . Der Deutsche Fürstenkongreß zu Berlin im Mai 1850. Aktenstücke u. Betrachtungen. Anlagen: Die Conferenz-Protokolle. Neudr. d. Ausg. 1850. — Osnabrück: Biblio-Verl. 1967. 44, 44 S. DM 1 8 , - . Die Deutschordens-Ballei [Deutschordensballei] Böhmen in ihren Rechnungsbüchern 1382—1411. [Hrsg.:] Josef Hemmerle. - Bonn: Verl. Wissenschaftliches Archiv (1967). 193 S. (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens. Bd. 22.) DM 29,80. EICHLER, Ernst: Die slawistischen Studien des Johann Leonhard Frisch. Ein Beitr. z. Geschichte d. dt. Slawistik. Mit 2 Abb. - Berlin: Akademie-Verl. 1967. 165 S., 1 Titelbild (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik. Nr. 40.) DM 20,50. [Eike von Repkow]: Sachsenspiegel. Hrsg. von Karl August Eckhardt. — Hannover: Hahn. (Monumenta Germaniae historica. [Leges 4.] Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi. 8.) (Bd. 3.) Quedlinburger Handschrift. (2. Bearb.) 1966. 154 S. D M 32,60. Hans, Jindricli FILIPEC U. Lothar BOSSLE: Die Industriegesellschaft in Ost und West. Konvergenzen u. Divergenzen. — Mainz: v. Hase u. Koehler [1966], 90 S. (Politik von heute.) DM 6,80.
FREYER,
Friedrich der Große [Friedrich II. König von Preußen], (Friedrich Wilhelm von) Grumbkow u. (Pierre Louis Moreau de) Maupertuis: Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Grumbkow und Maupertuis. [Briefe.] (1731 — 1759). Hrsg. von Reinhold Koser. Neudr. d. Ausg. 1898. — Osnabrück: Zeller 1966. LXIV, 342 S. (Publikationen aus den K[öniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 72.) D M 50, — . Friedrich Wilhelm III. König von Preußen, Luise (Königin von Preußen) u. Alexander [Aleksandr I. Kaiser von Rußland]: Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise mit Kaiser Alexander I. [Briefe.] Nebst erg. Korrespondenzen. Hrsg. von Paul Bailleu. Neudr. d. Ausg. 1900. - Osnabrück: Zeller 1967. XXII, 564 S. (Publikationen aus den K[öniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 75.) D M 70,—. FRITSCH, Johann: Eindringen und Ausbreitung des Revisionismus im deutschen Bergarbeiterverband (bis 1914). Mit e. Tab. — Leipzig: Deutscher Verl. f. Grundstoffindustrie VEB 1967. 158 S. (Freiberger Forschungshefte. [Reihe] D. [Kultur u. Technik.] 57: Geschichte d. Bergbaus u. Hüttenwesens.) D M 30,—. Diss., Halle, Überarbeitung. FRITZE, Konrad: A m Wendepunkt der Hanse. Untersuchungen z. Wirtschafts- u. Sozialgeschichte der wendischen Hansestädte in d. 1. Hälfte d. 15. Jh. — Berlin: Dt. Verl. d. Wiss. 1967. 272 S. D M 26,60. Adam, Felix-Heinrich GENTZEN U. Witold J A K Ö B C Z Y K : Die H a k a t i s t e n . Der Deutsche Ostmarkenverein [1894—1934]. Ein Beitrag zur Geschichte d. Ostpolitik d. dt. Imperialismus. Bearb. d. dt. Ausg.: Felix-Heinrich Gentzen. Gesamtred.: Janusz Pajewski. — Berlin: Deutscher Verl. d. Wissenschaften V E B 1966. 529 S. (Schriftenreihe der Kommission der Historiker der DDR und Volkspolens.) D M 38,— . GALOS,
ALLGEMEINE U N D ZEITLICH BEGRENZTE DARSTELLUNGEN
409
GROEHLER, Olaf: Die Kriege Friedrichs II. — Berlin: Deutscher Militärverl. 1966. 256 S. (Kleine Militärgeschichte. Kriege). DM 8,70. HAGEN, Hans Wfilhelm]: Zwischen Eid und Befehl. Tatzeugenbericht von den Ereignissen am 20. [zwanzigsten] Juli 1944 in Berlin u. Wolfsschanze. 3., erw. Aufl. — München: Türmer-Verl. (1964). 131 S. DM 6,80. HARTL, Hans, u. Werner MARX: Fünfzig Jahre sowjetische Deutschlandpolitik. — Boppard a. Rh.: Boldt (1967). VI, 648 S. DM 4 8 , - . HASSEL, Paul: Geschichte der preußischen Politik. 1807—1815. Neudr. — Osnabrück: Zeller. (Publikationen aus den K[öniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 6.) Th. 1. [1807, 1808.] Ncudr. d. Ausg. 1881. - 1966. XII, 587 S.; Preis nicht mitgeteilt. Lizenz d. Verl. Hirzel, Stuttgart. IRMSCHER, Johannes: Der Philhellenismus in Preußen als Forschungsanliegen. — Berlin: Akademie-Verl. 1966. 73 S. (Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse f. Sprachen, Literatur u. Kunst. Jg. 1966, Nr. 2) DM 4,50. JÄGER, Kurt: Die Münzprägungen der deutschen Staaten vor Einführung der Reichswährung. — Basel: Münzen u. Medaillen AG; (Engelberg üb. Schorndorf/Württ.: SpeidelNübling [in Komm.]). Bd. 9. Königreich Preußen. 1797—1873. (Zeichn.: Dieter Pfennig. Fotos: E. Herwegh.) 1967. 79 S. mit 1 Kt. DM 1 8 , - . JANY, Curt: Geschichte der preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914. (Nachdr.) - Osnabrück: Biblio-Verl. Zus. DM 2 8 0 , - . Bd. 1. Von den Anfängen bis 1740, mit 6 Skizzen im Text. 2., erg. Aufl., hrsg. von Eberhard Jany. 1967. XVI, 839 S., 1 Titelbild. Bd. 2. Die Armee Friedrichs des Großen. 1740—1763. Mit 14 Skizzen im Text. 2., erg. Aufl., hrsg. von Eberhard Jany. 1967. VIII, 691 S. Bd. 3. 1763—1807. Mit 6 Skizzen im Text. 2., erg. Aufl., hrsg. von Eberhard Jany. 1967. VI, 714 S. Bd. 4. Die königlich-preußische Armee und das deutsche Reichsheer. 1807—1914. 2., erg. Aufl., hrsg. von Eberhard Jany. 1967. VIII, 343 S. KAELBLE, Hartmut: Industrielle Interessenpolitik in der Wilhelminischen Gesellschaft 1895—1914. Centraiverband Deutscher Industrieller. Mit e. Vorw. von Gerhard A. Ritter. — Berlin: de Gruyter 1967. XV, 268 S. = Veröff. d. Hist. Komm, zu Berlin beim FriedrichMeinecke-Institut d. Freien Univ. Berlin, Bd. 27. DM 38,— . KRENGEL, Rolf: Die Bedeutung des Ost-West-Handels für die Ost-West-Beziehungen. Mit e. Vorw. von Ferdinand Friedensburg. — Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht (1967). 124 S. (Die deutsche Frage in der Welt. Bd. 6.) DM 10,80. Der Krieg zur See. 1914—1918. Hrsg. in Verb, mit d. Bundesarchiv/Militärarchiv vom Arbeitskreis f. Wehrforschung. — Frankfurt/M.: Mittler. Der Krieg in der Ostsee. Bearb. unter Mitw. anderer von Ernst Frhr. von Gagern. Bd. 3. Von Anfang 1916 bis zum Kriegsende. Mit 5 Ktn. u. 14 Beil. 1964. XV, 462 S., 6 Ktn.-Beil. DM 8 2 , - . KURZE, Dietrich: Pfarrerwahlen im Mittelalter. Ein Beitr. z. Geschichte d. Gemeinde u. d. Niederkirchenwesens. — Köln, Graz: Böhlau 1966. XII, 607 S. (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht. Bd. 6.) DM62,— .
410
BUCHBESPRECHUNGSTEIL,
ALLGEMEINES
Günther: Carl Hildebrand Freiherr von Canstein. Ein Christ in den Spannungen seiner u. unserer Zeit. — Gießen, Basel: Brunnen-Verl. 1967. 68 S. (Zeugen d. gegenwärtigen Gottes 177.) DM 2,20. LEPSIN,
Wilhelm: Der junge Melanchthon zwischen Humanismus und Reformation. — Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht. Bd. 1. Der Humanist. (1967.) 247 S. DM 27,— .
MAURER,
Wilhelm: Otto von Bismarck in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. (Bismarck, Gekürzte Ausg.) (Bibliographie: Klaus Malettke.) — (Reinbek b. Hamburg:) Rowohlt (1966). 185 S. (rowohlts monographien. 122.) DM 2,80. MOMMSEN,
Nachbarn im Osten. Europäische Länder zwischen Ostsee u. d. Schwarzen Meer. Vorgestellt von Wanda Bronska-Pampuch. — München: Verl. Mensch u. Arbeit (1966). 230 S. DM 29,80. Burkhard: Louis Ferdinand. Das Leben e. preuß. Prinzen. (Mit 4 Bildtaf.) — (Düsseldorf, Köln:) Diederichs (1967.) 328 S. DM22,50.
NADOLNY,
Robert [Philipp]: Bismarcks Reptilienfonds. Aus d. Geheimakten Preußens u. d. Dt. Reiches. — Mainz: v. Hase u. Koehler (1968). 259 S. mit Abb., 1 Titelbild. DM 2 2 , - . N O L L VON DER N A H M E R ,
O N C K E N , Hermann: Die Rheinpolitik Kaiser Napoleons III. von 1863—1870 und der Ursprung des Krieges von 1870/71. Nach d. Staatsakten von Österreich, Preußen u. d. süddt. Mittelstaaten. Neudr. — Osnabrück: Biblio-Verl. (Deutsche Geschichtsquellen des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 20. 21.) je DM68,— . Bd. 2. (Juli 1866 bis Juli 1868.) Neudr. d. Ausg. 1926. - 1967. 591 S. Bd. 3. (Juli 1868 bis August 1870.) Neudr. d. Ausg. 1926. - 1967. 550 S. PESCHKE, Erhard: Studien zur Theologie August Hermann Franckes. — Berlin: Evangelische Verlagsanstalt. 2. (1966). 223 S. DM 10,50.
Preußen. Porträt e. polit. Kultur. [Von] . . . Hrsg. von Hans-Joachim Netzer. (Mit 37 Abb. u. 4 Ktn.-Skizzen). - (München:) List (1968). 218 S. DM 2 4 , - . Preußens Staatsverträge aus der Regierungszeit König Friedrich Wilhelms I. Hrsg. von Victor Loewe. Neudr. d. Ausg. 1913. - Osnabrück: Zeller 1966. XIV, 499 S. (Publikationen aus den K[öniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 87.) DM 60,— . R A T Z , Ursula: Georg Ledebour. 1850 — 1947. Weg u. Wirken e. Sozialist. Politikers. Mit e. Einführung von Paul Kluke. — Berlin: de Gruyter 1969. XII, 281 S. = Veröffentlichungen d. Hist. Komm, zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Inst. d. FU Berlin, Bd. 31. Publikationen zur Gesch. d. Arbeiterbewegung, Bd. 2. DM 58,—.
Das Reformministerium Stein. Akten z. Verfassungs- u. Verwaltungsgeschichte aus d. Jahren 1807/08. Hrsg. von Heinrich Scheel. Bearb. von Doris Schmidt. — Berlin: AkademieVerl. (Schriften des Instituts für Geschichte. Reihe 1. Allgemeine und deutsche Geschichte. Bd. 31 B.) Bd. 2. 1967. S. 421-700. DM 4 2 , - . Bd. 3. 1968. S. 701-1200. DM 48,50. SCHICKETANZ, Peter: Carl Hildebrand von Cansteins Beziehungen zu Philipp Jacob Spener. — Witten: Luther-Verl. 1967. 211 S. mit Faks. (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus. Bd. 1). DM 19,80.
Kurd von: Die Hansa und der deutsche Ritter-Orden in den Ostseeländern. (Neudr. d. Ausg. von 1851.) - Wiesbaden: M. Sandig (1966). Getr. Pag. [435 S.] [Sondert.:]
SCHLÖZER,
ALLGEMEINE
UND
ZEITLICH BEGRENZTE
DARSTELLUNGEN
411
Schlözer: Verfall und Untergang der Hansa und des deutschen Ordens in den Ostseeländern. (Neudr. d. Ausg. 1853.) (1966.) SCHOEN, Paul: Das evangelische Kirchenrecht in Preußen. Neudr. In 2 Bd.en. — Aalen: Scientia-Verl. Zus. DM 1 8 0 , - . Bd. 1. Neudr. d. Ausg. Berlin 1903. 1967. XII, 465 S.; Bd. 2. Neudr. d. Ausg. Berlin 1 9 0 6 - 1 0 . XII, 698 S. Lizenz d. Heymann-Verl., Köln. SCHOEPS, Hans-Joachim: Preußen. Bilder u. Zeugnisse. Mit 230 Abb. — Berlin: PropyläenVerl. (1967.) 201 S. DM 19,80. SCHRAEPLER, Ernst: August Bebel. Sozialdemokrat im Kaiserreich. — Göttingen, Frankfurt, Zürich: Musterschmidt (1966). 98 S. (Persönlichkeit und Geschichte, Bd. 44). D M 5,80. SCHRICKEL, Waldtraut: Westeuropäische Elemente im neolithischen Grabbau Mitteldeutschlands und die Galeriegräber Westdeutschlands und ihre Inventare. — Bonn: Habelt. (Beiträge zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie des Mittelmeerkulturraumes. Bd. 4. 5.) Zus. D M 3 6 0 , - . [Bd. 1] 1966. 379 S. [Bd. 2 u. d. T . : ] Schrickel: Katalog der mitteldeutschen Gräber mit westeuropäischen Elementen und der Galeriegräber Westdeutschlands. 1966. S. 3 9 1 - 4 9 9 , 128 Bl. Abb. m. Text. SCHULZE, Ursula: Studien zur Orthographie und Lautung der Dentalspiranten s und z im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert. Durchgef. auf Grund d. ältesten dt.-sprach. Urkunden im nordbair.-ostfränk. u. thüring.-obersächs. Sprachgebiet. — Tübingen: Niemeyer 1967. XVIII, 380 S. (Hermaea. N. F., Bd. 19.) D M 5 8 , - . SCHWARZ, Gotthart: Theodor W o l f f u n d das , Berliner Tageblatt*. Eine liberale Stimme in der deutschen Politik 1 9 0 6 - 1 9 3 3 . — Tübingen: Mohr 1968. XIII, 311 S.=Tübinger Studien zur Geschichte und Politik 25. D M 44,— . Sophie Charlotte [Königin von Preußen] u. Sophie [Kurfürstin von Hannover]: Briefe der Königin Sophie Charlotte von Preußen und der Kurfürstin Sophie von Hannover an hannoversche Diplomaten. Mit e. Einl. Hrsg. von Richard Doebner. Neudr. d. Ausg. 1905. - Osnabrück: Zeller 1965. XXII, 393 S. (Publikationen aus den Kföniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 79). DM 50,— . STADELMANN, Rudolph: Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landescultur. Neudr. — Osnabrück: Zeller. (Publikationen aus den K[öniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 11.) Lizenz d. Verl. Hirzel, Stuttgart. Th. 2. Friedrich der Große. Neudr. d. Ausg. 1882. 1965. X, 656 S. DM 7 5 , - . STEIGER, Günter: Ideale und Irrtümer eines deutschen Studentenlebens. Das Selbstbekenntnis des Studenten Anton Haupt aus Wismar über seine Jenaer Burschenschafterzeit [1817—1819] u. d. gegen ihn 1820 in Bonn geführten Untersuchungen. — ( J e n a : ) Friedrich-Schiller-Univ. 1966. 143 S. mit 20 Abb. (Jenaer Reden und Schriften.) THEUERKAUF, Gerhard: Lex, Speculum, Compendium iuris. Rechtsaufzeichnung u. Rechtsbewußtsein in Norddeutschland vom 8. bis zum 16. Jh. — Köln, Graz: Böhlau 1968. LH, 376 S. (Forschungen z. dt. Rechtsgesch. Bd. 6.) DM 58,—. THIELEN. Peter Gerrit: Karl August von Hardenberg. Eine Biographie. — Berlin: Grote 1967. 535 S. mit 1 mehrfarb., 13 einfarb. Tafeln u. 1 Stammtafel. D M 39,—. VIETZKE, Siegfried, u. Heinz WOHLGEMUTH: Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung in der Zeit der Weimarer Republik 1919—1933. — Berlin: Dietz 1966. 523 S. D M 8 , - .
412
BUCHBESPRECHUNGSTEIL,
ALLGEMEINES
WILDT, Dieter: Deutschland, deine Preußen. Mehr als e. Schwarzweiß-Porträt. Mit III. von Ulrik Schramm. — Stuttgart, Zürich, Salzburg: Europ. Buchklub; Europ. Bildungsgemeinschaft [1967]. 191 S. Nur f. Mitgl. Lizenz d. Hoffmann u. Campe Verl., Hamburg. WINTER, Eduard: Frühaufklärung. Der Kampf gegen d. Konfessionalismus in Mittel- u. Osteuropa u. d. dt.-slaw. Begegnung. Zum 250. Todestag von G[ottfried] Wfilhelm] Leibniz im November 1966. — Berlin: Akademie-Verl. 1966. 420 S. (Beiträge zur Geschichte des religiösen und wissenschaftlichen Denkens. Bd. 6.) DM 36,50. WINTER, Franz: Die Zisterzienser des nordöstlichen Deutschlands. Ein Beitrag z. Kirchen- u. Kulturgeschichte d. dt. Mittelalters. In 3 Teilen. Neudr. — Aalen: ScientiaVerl. Zus. DM 1 7 5 , - . T. 1. Bis zum Auftreten der Bettelorden. Neudr. d. Ausg. Gotha 1868. - 1966. 405 S. T. 2. Vom Auftreten der Bettelorden bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Neudr. d. Ausg. Gotha 1871. - 1966. 404 S. T. 3. Von 1300 bis zur Reformation. Mit Quellen u. Beil. z. Ordensgeschichte. Neudr. d. Ausg. Gotha 1871. - 1966. 384 S. FELDMAN, Jözef: Bismarck a Polska. (Bismarck und Polen.) — Warszawa: PWN. 1966. 430 S. zl. 55. KRASUS KI, Jerzy: Stosunki polsko-niemieckie 1871 — 1939. (Die polnisch-deutschen Beziehungen von 1871-1939.) - Warszawa: PWN. 1967. 193 S. zl. 10. KRASUSKI, Jerzy: Stosunki polsko-niemieckie w okresie mi^dzywojennym. (Polnischdeutsche Beziehungen in der Zwischenkriegszeit.) — Warschau: Zach. Agencja Pras. 1965. KUCZYNSKI, Stefan Maria: Wielka wojna z Zakonem Krzyzackim w latach 1409—1411. (Der große Krieg mit dem Deutschen Orden in den Jahren 1409—1411.) — Warszawa: Wyd. Min. Obronij Nar. 1966. 707 S. zl. 85. Studia nad pocz^tkami i rozplanowaniem miast nad srodkowq Odr^ i dolnq Wart^. Wojewödztwo zielonogörskie. (Studien über die Anfänge und Anlage der Städte an der mittleren Oder und unteren Warthe.) — Zielona Göra: (PWN Wwa. Druk. Uniw. im. A. Mickiewicza Poznan X). 1967. 349 S. zl. 82.
3. SBZ und Wiedervereinigung Reise nach drüben. Vergangenheit u. Gegenwart im Land zwischen Elbe u. Oder. Ein Lesebuch hrsg. von Ilse Spittmann u. Gisela Helwig. — Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1967. 415 S. mit Abb. DM 2 8 , - . Je länger die deutsche Spaltung fortdauert, um so notwendiger wird es, dem doch schon recht spürbaren Auseinanderleben der Menschen in beiden Teilen des Landes entgegenzuwirken, das Bewußtsein der jahrhundertealten gemeinsamen kulturellen und geistigen Traditionen wachzuhalten und der manchmal geradezu erschreckenden Unkenntnis vieler Menschen in der Bundesrepublik von dem Gebiet jenseits der Elbe, das sich seit 1949 DDR nennt, zu begegnen. Dem von den Leiterinnen des SBZ-Archivs in Köln, Ilse Spittmann und Gisela Helwig, zusammengestellten und vom Verlag vorzüglich ausgestatteten Lesebuch kann nur bescheinigt werden, dieser Aufgabe in hervorragender Weise gerecht geworden zu sein.
SBZ U N D
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WIEDERVEREINIGUNG
Gegliedert haben sie ihren Bd. nach den 1945 gebildeten Ländern der damaligen sowjetischen Besatzungszone: Mecklenburg mit dem Deutschland verbliebenen Teil Vorpommerns, die Mark Brandenburg mit Berlin, das durch die westlich der Lausitzer Neiße gelegenen Kreise Schlesiens erweiterte Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. An Hand von Lyrik und Prosa, Sagen und Märchen, zeitgenössischen Zeugnissen, Urkunden, Briefen über die Landschaft, ihre Bewohner, Geschichte und Kultur wird dem Leser ein vielfältiges und buntes Bild Mitteldeutschlands vermittelt, werden fast tausend Jahre deutscher Vergangenheit lebendig. Wir lesen vom Besuch Ulrich von Huttens in Rostock, träumen mit Heinrich Schliemann in Ankershagen von Troja, wandern mit Theodor Fontane durch die Mark, mit Goethe und Heine durch den Harz, mit Carl Immermann in die Sächsische Schweiz. Wir lassen uns in Erinnerung rufen, wie viele berühmte Persönlichkeiten aus jenen Gebieten stammen, die auch immer wieder Künstler und Wissenschaftler aus anderen Teilen Deutschlands anzogen. Bach und Händel waren Sachsen wie Lessing, Klopstock, Luther und Nietzsche. Goethe und Schiller gehören zu Weimar und Jena in mindestens gleich starkem Maße wie zu ihren Geburtsorten Frankfurt und Marbach. Kleist, Fontane, Benn, Tucholsky und Hüchel, Max Liebermann, Käthe Kollwitz und George Grosz stammen aus der Mark oder Berlin. Fritz Reuter ist Mecklenburger wie Ernst Moritz Arndt. Derlei Aufzählung von Namen ließe sich seitenlang fortsetzen. Den Schluß jedes Länderkapitels bildet ein Informationsteil, gegliedert nach den heutigen Verwaltungsbezirken der DDR mit den wichtigsten Angaben über Bevölkerung, Wirtschaftsstruktur, Landschaft und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Drei überregionale Beiträge unterrichten über Literatur, Theater und Wirtschaftspolitik der DDR. Berlin
Hans J.
Reichhardt
Zusammenstellung der von der „Deutschen Demokratischen Republik" seit deren Gründung (7. Oktober 1949) abgeschlossenen internationalen Verträge und Vereinbarungen. Zusammengestellt von Dr. jur. Lothar Kapsa. Hrsg. vom Archiv f. gesamtdt. Fragen. — Bonn. 5. Aufl. Stand: Nov. 1967 (als Manuskript vervielfältigt, nicht im Buchhandel). 237 S. Diese 1958 erstmals herausgegebene und nunmehr zum 4. Mal überarbeitete und ergänzte Zusammenstellung der von der DDR abgeschlossenen Verträge mit (Ende 1967) immerhin 61 Staaten macht, auch wenn es sich dabei nur um die Aufzählung ihrer Titel handelt, doch recht klar, in welchem Maße sie auch im westlichen Ausland und in den neutralen Staaten politisch und vor allem wirtschaftlich an Boden gewinnen konnte. Verdeutlicht wird dies auch durch die im Anhang beigefügte Liste der diplomatischen und der Handelsvertretungen in rund 40 Staaten. Berlin
Hans J.
Reichhardt
Nawrocki, Joachim: Das geplante Wunder. Leben u. Wirtschaften im anderen Deutschland. — Hamburg: Wegner 1967. 292 S. mit Abb. DM 2 2 , - . 1958 versicherte Walter Ulbricht, daß die DDR bis 1961 die Bundesrepublik ein- bzw. überholt haben und ihre Industrie einen jährlichen Zuwachs von 10% erreichen würde. Diese hochfliegenden Pläne und großspurigen Versprechen sind natürlich längst in der Versenkung verschwunden; noch heute existieren recht beträchtliche Unterschiede im Lebensstandard hier und „drüben". Dennoch — unbestreitbar haben unsere Landsleute
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BUCHBESPRECHUNGSTEIL,
ALLGEMEINES
dort nach 1945 etwas auf die Beine gestellt, das sich sehen lassen kann und die SED-Propaganda sogar triumphieren läßt: „Das wahre Wirtschaftswunder findet in der DDR statt." Und es gibt eine Anzahl von Fachleuten in der Bundesrepublik, die diese Parole gar nicht einmal für so abwegig halten, wie sie vielen auf den ersten Blick erscheinen mag, die meinen, daß der mitteldeutsche Wirtschaftsaufbau, der trotz hoher Reparationen, zahlreicher Fehler in der Planung und jahrelanger Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte erreicht wurde, eigentlich überraschender sei als der Wirtschaftsaufschwung in Westdeutschland seit der Währungsreform. Doch wer weiß hier schon genau, wie die Entwicklung in der DDR verlaufen ist, wie heute die Verhältnisse dort sind? Gewiß, es gibt Klischees und Vorstellungen davon, sie werden nicht so ganz richtig sein, aber auch nicht so ganz falsch. Natürlich ist es auch schwierig für normale westdeutsche Bürger, sich einen Uberblick zu verschaffen. Reisen in die DDR sind mit Beschwernissen verbunden. Werden sie dennoch unternommen, vermag sich der Besucher auch nur einen begrenzten Eindruck vom wirklichen Leben zu verschaffen. Und aus einer anderen Informationsquelle, nämlich den Zeitungen, lassen sich bei der im allgemeinen recht spärlichen Berichterstattung ebenfalls nur beschränkt zutreffende Schlußfolgerungen ziehen. So nimmt es nicht wunder, daß weitgehend vorgefaßte Meinungen die Kenntnisse über die DDR beherrschen. Diesem Übel abzuhelfen bemüht sich Joachim Nawrocki, seit 1964 Wirtschaftskorrespondent der „Frankfurter Allgemeinen" in Berlin, in seinem flott und gut lesbar geschriebenen Buch. Es vermittelt eine Fülle von interessanten Informationen, die er auf seinen Reisen in die DDR sammeln konnte. N. besuchte Großstädte und Dörfer, Industriewerke und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, er sprach mit Handwerkern und Arbeitern, den „Managern" von Großbetrieben und noch Selbständigen. So entstand aus Reportagen und Analysen ein manchmal recht überraschendes Bild der Wirtschaft und ihrer Bedeutung für das Leben der Menschen im anderen Teil Deutschlands. Berlin
Hans J. Reichhardt
KABEL, Rudolf: Die Militarisierung der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Bericht u. Dokumentation. Hrsg.: Bundesministerium f. Gesamtdt. Fragen. — Bonn/Berlin: Dt. Bundes-Verl. 1966. 316 S. (Bonner Berichte aus Mittel- u. Ostdeutschland.) DM 6, — . Seit fast zwei Jahrzehnten ist der Aufbau von Streitkräften und paramilitärischen Organisationen im anderen Teil Deutschlands Gegenstand einer intensiven und häufig auch sorgenvollen Untersuchung, die im Lauf der Jahre zu einer umfangreichen Literatur geführt hat. Die vorliegende Arbeit gehört in diese Reihe, legt jedoch ihr Schwergewicht auf eine Dokumentation, der ein nach Sachgesichtspunkten (u. a.: politische Zielsetzung, militärische Verbände, Gesetzgebung, ideologische Ausrichtung, vormilitärische Ausbildung, Kampfgruppen) gegliederter deskriptiver Teil vorangestellt ist. Angesichts der Materialfülle über die im Grunde schon wenige Monate nach Kriegsende 1945 beginnende Aufstellung von Streitkräften in der SBZ als Ausdruck einer ideologisch begründeten Wiederaufrüstung, die eindeutig militaristische Züge trägt, konnte der Vf. in der Dokumentation naturgemäß nur eine kleine Auswahl bieten. Die 91 abgedruckten Zeitungsartikel und amtlichen Verlautbarungen, die zusammen mit 13 Bildwiedergaben und 18 Faksimiles den Inhalt der Dokumentation ausmachen, vermitteln, jeweils für sich genommen, zweifellos einen Eindruck vom zielstrebigen Gang der Wiederbewaffnung in der DDR. Jedoch ist es gerade im Interesse einer zureichenden Information bedauerlich,
SBZ U N D
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WIEDERVEREINIGUNG
daß bei ihret Zusammenstellung die ordnende Hand anscheinend fehlte, auch wenn die in der referierenden Einleitung enthaltenen Dokumentenhinweise diesen Mangel bis zu einem gewissen Grade ausgleichen. Die nur spärlichen Literaturangaben im einleitenden Bericht sowie der Verzicht auf erläuternde Anmerkungen gerade auch in der Dokumentation und das Fehlen eines Registers können im Zusammenhang mit der recht unterschiedslosen Zusammenstellung des dokumentarischen Teils fast den Verdacht erwecken, daß dem Vf. nur wenig Zeit zur Verfügung stand. So wird z. B. für die Entwicklung der militärischen Verbände in der SBZ nur auf die sicher verdienstvolle, aber heute nur noch mit Einschränkungen benutzbare Arbeit von Helmut Bohn zum gleichen Thema verwiesen, deren 2. Auflage 1960 erschien, nicht jedoch auf die für den Aufbau der NVA (Nationale Volksarmee) grundlegende Untersuchung von Thomas Forster, deren 1. Auflage bereits 1964 vorlag, sondern nur in einem kleinen Hinweis am Schluß des Inhaltsverzeichnisses versteckt Erwähnung getan. Derartiges verstimmt ! Fraglos besitzt die Zusammenstellung trotz der genannten Mängel einen instruktiven Wert, ohne allerdings die Qualität bereits vorliegender Untersuchungen zu erreichen. Hamburg
Albrecht
Lampe
BASKE, Siegfried, u. Martha ENGELBERT: Zwei Jahrzehnte Bildungspolitik in der Sowjetzone Deutschlands. Dokumente 1. Teil 1945—1958, 2. Teil 1959—1965. — Heidelberg: Quelle u. Meyer (in Komm.) 1966. 414 u. 484 S. = Osteuropa-Institut d. Freien Universität Berlin, Erziehungswissenschaft!. Veröffentlichungen, Bd. 2. D M 2 0 , - u. D M 2 2 , - . KNOLL, Joachim H., u. Horst SIEBERT: Erwachsenenbildung, Erwachsenenqualifizierung. Darstellung u. Dokumente d. Erwachsenenbildung in d. DDR. — Heidelberg: Quelle u. Meyer 1968. 216 S. DM 18,50. Di KAU, Joachim: Wirtschaft und Erwachsenenbildung. Ein krit. Beitrag z. Geschichte d. dt. Volkshochschule. — Weinheim, Berlin, Basel: Beltz 1968. — 420 S. (Beltz Monographien Pädagogik.) DM 38,—. Zwei unterschiedliche Einstellungen gegenüber dem Bildungswesen der DDR charakterisieren die vorliegenden, in ihrer Bedeutung freilich kaum vergleichbaren Dokumentationen. Die zweibändige, 900 eng bedruckte Seiten umfassende Dokumentensammlung „Zwei Jahrzehnte Bildungspolitik in der Sowjetzone Deutschlands" weist im Titel die Akzentsetzung aus: Parteibeschlüsse, Gesetze und Verordnungen, Erklärungen führender Funktionäre dokumentieren vor allem den politischen Willen, der die permanente Umgestaltung der Bildungsinstitutionen bestimmte. Die Bezeichnung „Sowjetzone" unterstreicht die in der Einführung hervorgehobene Abhängigkeit der Entwicklung von den Prinzipien der sowjetischen Bildungspolitik. Paradoxerweise haben diese Prinzipien erst nach der Konstituierung der DDR größeres Gewicht erhalten. In der bei Dokumentationen üblich gewordenen Weise bietet die vorangestellte Übersicht über „Haupttendenzen" mehr eine systematisierende Zusammenfassung als Ansatzpunkte zur Diskussion über die Ursachen der permanenten Veränderungen in der Organisation des Bildungswesens. Die chronologische Anordnung der Dokumente legt es nahe, den politischen Lenkungsprozeß in alle Bereiche des Bildungswesens zu verfolgen. Dadurch tritt das angestrengte Bemühen der Machthaber in den Vordergrund, ihre ideologisch legitimierte Kontrolle durch ökonomisch und gesellschaftlich bedingte Wand-
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lungen hindurch festzuhalten und sie gegenüber einer Unzahl von Erziehungs- und Ausbildungseinrichtungen bis in Detailfragen hinein praktisch wirksam werden zu lassen. Wenn die Auswahl der Dokumente das Gewicht der einzelnen Gruppen bei den bildungspolitischcn Entscheidungen ausgewogen repräsentiert, so sind an ihnen Erziehungswissenschaftler — mit Ausnahme von H. Deiters — erst nach 1961 beteiligt gewesen. So mag es sich erklären, daß zwar der Eindruck einer gelungenen Mobilisierung der Gesellschaft in Richtung auf permanente Weiterbildung entsteht, aber keine planmäßige Aufteilung von Ausbildungsaufgaben auf die einzelnen Einrichtungen sichtbar wird. Das Netz der Institutionen und auch ihrer Kontrollinstanzen — schon der Klassenleiter in einer Grundschule hat mit den Fachlehrern, den Erziehern im Schulhort oder Internat, mit den als Betreuern eingesetzten Arbeitern und Genossenschaftsbauern, mit dem Patenbetrieb der Klasse, dem Elternaktiv und dem Gruppenpionierleiter zusammenzuarbeiten — dient offenbar primär der politischen Ambition, eine Fülle von Anreizen zu beruflicher und politischer Bewährung zu schaffen. Die Dokumentation geht der „materiellen Stimulierung" nicht nur in den Stipendienregelungen nach, sondern berücksichtigt auch die Lohnpolitik. Auf die Steigerung der Produktivität, vornehmlich von Industrie und Landwirtschaft, fixiert und in zunehmendem Maße vom Wirtschaftswachstum her Staatspatriotismus entwickelnd, ist für die D D R offensichtlich die Betriebsamkeit wie der geistige Isolationismus ihres großen Verbündeten vorbildlich geworden. Einzelfragen zu verfolgen, erleichtern die knappen Anmerkungen zu einzelnen Texten und das — freilich nicht ganz zuverlässige — Register; der statistische Anhang läßt nur sehr globale Uberblicke zu. Dem Charakter der Quellen entsprechend, gelingt es nur mit Mühe, jene Schaltstellen herauszufinden, die über das Bildungsschicksal des einzelnen entscheiden. Im Sachregister fehlt das Stichwort Auslese/Auswahl; gleichwohl muß die Zulassung zur erweiterten Oberschule (nach acht Schuljahren) strenger Regulierung unterworfen sein, wenn in einer ganz auf „Qualifizierung" eingestellten Gesellschaft nur 13% eines Schülerjahrgangs (Bd. II, 214) diesem direkt zum Abitur führenden Schulzweig zugewiesen wurden, während gleichzeitig (1962) in der Bundesrepublik 15,7% dieses Jahrgangs das Gymnasium besuchten. Die Bedeutung der „Erwachsenenqualifizierung" steigt nicht zuletzt durch eine derartige Regulierung der Bildungsgänge, aber auch durch die Möglichkeit zur materiellen Stimulierung und durch die enge Beziehung der Betriebe zu den Aus- und Fortbildungseinrichtungen. Diese Sachverhalte hätte die Darstellung von H. J . K n o l l berücksichtigen müssen, zumal in ihr versucht wird, die Entwicklung der Erwachsenenqualifizierung in der D D R für die bundesdeutsche Diskussion über die zukünftige Gestaltung der Erwachsenenbildung fruchtbar zu machen. Die 31 Seiten umfassende Darstellung befaßt sich aber weder mit diesen Voraussetzungen, noch führt sie die 1957 abgeschlossene Untersuchung von H. Gutsche, „Die Erwachsenenbildung in der Sowjetischen Besatzungszone" fort. Die unsystematische Erörterung von Einzelfragen wird von den Thesen des „Bochumer Planes" bestimmt, den die Autoren im gleichen Jahr, 1967, zusammen mit einer Paralleldarstellung, „Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik, Dokumente 1945 — 66", herausgegeben haben. Wie schon der Titel des der D D R gewidmeten Bd.es erkennen läßt, bleibt das Verhältnis der schulisch-allgemeinbildenden und der berufsbezogenen Erwachsenenqualifizierung zu einer modernen Auffassung von Erwachsenenbildung ungeklärt, obwohl die vergleichende Betrachtung diesbezügliche Erwartungen weckt. Aktuelle Fragen wie die Verstaatlichung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Dozentenschulung, „Er-
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wachsenenmethodik", Nutzung der Funkmedien sowie des Verhältnisses zwischen Universität und Erwachsenenbildung werden in so raschem Wechsel der Perspektive zwischen West und Ost, Vergangenheit und Gegenwart diskutiert, daß sich Sachdarstellung und Thesen kaum voneinander trennen lassen. Aber auch eine vergleichende Analyse der gesellschaftlichen Funktionen von Erwachsenenbildung, etwa zur Klärung der gesellschaftlichen Implikationen des „Bochumer Planes", kommt dadurch nicht zustande. Während Baske/Engelbert das Gewicht der Bildungspolitik auch für die Entwicklung der Erwachsenenbildung unterstreichen, glauben Knoll/Siebert, die politischen Faktoren als bloß „ideologische Dimension" weithin ausklammern und erst in einer angekündigten weiteren Arbeit berücksichtigen zu dürfen (S. 4 u. S. 36). Die Motive etwa für die Zuweisung von Koordinierungsaufgaben in der staatlichen Erwachsenenqualifizierung an die Volkshochschule statt, wie zunächst geplant, an die Nationale Front, für eine eminent politische Entscheidung also, bleiben außer Betracht. Gegenüber den Entwicklungen im anderen Teil Deutschlands schlägt hier das Pendel von der vorherrschenden Distanziertheit aus antitotalitärer Einstellung zu einem entgegengesetzten Extrem aus: ein unpolitisches Interesse an der Effektivität von Einzelmaßnahmen setzt den dominierenden Akzent. Ein Besuch der Autoren im Institut für Erwachsenenbildung an der Karl-Marx-Universität Leipzig wird neben der Bochumer Planung zum Angelpunkt der Darstellung. Ihn verstand man offensichtlich als technischen Kontakt, bei dem gesellschaftspolitische Probleme aus Sorge vor „Polemik" ausgeklammert wurden. Dazu sei als Kuriosum vermerkt, daß auf S. 33 noch schlicht von einer „Universität Berlin" die Rede ist. Von den 34 Dokumenten aus der Zeit zwischen 1959 und 1967 sind allein 9, meist vollständiger, bei Baske/Engelbert zu finden; die Aufnahme anderer (18, 22, 25, 32) ist wenig einleuchtend. Viel aufschlußreicher sind die außerdem beigegebenen „Materialien", die in die Lehrpläne einzelner Einrichtungen sowie in einige grundsätzliche Überlegungen von Praktikern Einblick geben. Als Folie für die abschließende Kennzeichnung der „Umstrukturierung der Volkshochschule" (eigentlich aber der gesamten Organisation der Erwachsenenbildung) in der D D R dient nicht die Volkshochschule in der B R D — sie sei der bürgerlichen Erwachsenenbildung seit 1871 verpflichtet —, sondern die „Neue Richtung", die trotz ihres reformerischen Akzentes gleichgesetzt wird mit der „Weimarer Volksbildung". So eingängig die Gegenüberstellung auch formuliert wird, geraten doch öfter das tertium comparationis und die Position der Volkshochschulen innerhalb des Bildungswesens der Weimarer Zeit und der D D R aus dem Blick. Eine Klärung der in diesem Vergleich vor allem interessierenden Beziehung zwischen Wirtschaft und Erwachsenenbildung bietet, mit dem Akzent auf der Weimarer Zeit, die 1968 erschienene Arbeit von J . D i k a u . Zwei Aspekte ergänzen sich hier: eine historisch-empirische Untersuchung des Lehrgegenstandes „Wirtschaft" in der Erwachsenenbildung wird in den Rahmen einer weitergespannten Untersuchung bildungstheoretischer Positionen einzelner Volkshochschulen gegenüber den Bildungserwartungen in der Industriegesellschaft hineingestellt. Dabei wird deutlich, daß sich die Volkshochschulen der „Neuen Richtung" im Bereich der Berufsbildung als Korrektiv zu den Fach- und Fortbildungsschulen verstanden haben. Ihr Bildungsangebot bezog sich durchaus auf Probleme der Industriegesellschaft. Mit Schlagworten der Zeit wie „volkstümliches Bildungsgut" (Knoll S. 37) läßt sich also der Gegenstand dieses Angebots nur unzureichend charakterisieren. Ziel dieser Bemühungen war es, eine in der Berufsausbildung noch nicht vollziehbare und in der Fortbildung zu wenig praktizierte Distanzierung von den der Wirtschaft immanenten Zwecken zu erreichen, um
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fächerübergreifende Zusammenhänge diskutierbar zu machen. Arbeitsteilige Kooperation in diesem Sinne wird am Beispiel der Volkshochschule Düsseldorf nachgewiesen. In Leipzig und zunächst auch an der „Akademie der Arbeit" in Frankfurt/M. entwickelte die „Neue Richtung" eine entschieden sozialistische Arbeiterbildung. Die Aktivität der Gewerkschaften zum Ausbau der beruflichen Fort- und Weiterbildung konnte Dikau nur am Rande berücksichtigen. Wie so manchen wichtigen Gedanken findet man auch den Hinweis auf die thüringische Tradition der gewerkschaftlichen Berufsmittel- und -Oberschulen nur in den Anmerkungen. Das Problem der Rollendifferenzierung in Beruf und Freizeit wird von Dikau am Beispiel der Heimvolkshochschularbeit von Weitsch eingehend behandelt. Ob es in der DDR tatsächlich abgetan wird in der Meinung, daß Berufsbildung mit Menschenbildung identisch sei (Knoll S. 38), bedürfte der Nachprüfung. Eine differenzierende Untersuchung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung nach ihren politischen und pädagogischen Funktionen in beiden Teilen Deutschlands könnte sicher einen wichtigen Beitrag zu den noch immer ausstehenden bildungspolitischen Entscheidungen in den Ländern der Bundesrepublik leisten. Berlin
Harald Scholtz
Dokumente des geteilten Deutschland. Quellentexte zur Rechtslage d. Dt. Reiches, d. Bundesrepublik Deutschland u. d. Dt. Demokrat. Republik. Mit e. Einführung hrsg. von Ingo von Münch. — Stuttgart: Kröner 1968. LI, 588 S. = Kröners Taschenausgabe, Bd. 391. DM 19,80. Der mittlerweile schier unübersehbar gewordenen Fülle von Dokumentationen über das Deutschland nach 1945 hat der Kröner-Verlag nun ein neues Werk hinzugefügt. Ingo von Münch, junger Ordinarius für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht an der RuhrUniversität in Bochum, stellte eine neue Textsammlung von 160 Dokumenten zusammen, versehen mit einer Einführung in Deutschlands Rechtslage, einem chronologischen Register der Dokumente und einer Bibliographie der wichtigsten einschlägigen Veröffentlichungen. Im Vorwort spricht von Münch selbst davon, daß seine Dokumentensammlung „naturgemäß" nur einen Teil der Texte umfassen könne, die mit der deutschen Teilung zusammenhängen; auch vermöge er nicht mit Gewißheit zu sagen, ob die von ihm getroffene Auswahl „richtig" ist. Und genau dieses ist der Punkt, an dem eine gewisse Skepsis gegenüber derlei Textsammlungen nicht zu verhehlen ist. Denn was soll das eigentlich? Politiker, Publizisten, Politologen, Juristen, Historiker und gewiß auch politisch interessierte Laien wissen ohnedies, wo sie die Originaltexte der wichtigsten Dokumente finden können, zumal diese darüber hinaus inzwischen Dutzende von Malen immer und immer wieder veröffentlicht worden sind. Es wäre daher wichtiger und endlich einmal an der Zeit, eine Edition aller Dokumente zur Deutschlandfrage zu wagen, auch wenn dies selbstverständlich mehrere Bände erforderlich machen wird. Nur so wird jeder Interessierte gleich das finden, was er sucht, ohne vorher in verschiedenen Büchern nachschlagen zu müssen. Selbst wenn diese Dokumentensammlung vorwiegend für einen Leserkreis bestimmt ist, der über ausreichende Englisch- und Französischkenntnisse verfügt, um die Originaltexte lesen zu können, so ist doch nicht ganz einzusehen, weshalb auf deutsche Übersetzungen verzichtet wurde, auch wenn sich hier und da eine „ganz bestimmte Wortbedeutung" nicht übersetzen läßt. In Anmerkungen hätten sich doch derartige Zweifelsfälle umschreiben lassen. Noch besser wäre gewesen, den authentischen Text und die Übersetzung nebeneinander in Konkordanz zu setzen.
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A propos Anmerkungen — sie fehlen so gut wie völlig und werden somit wohl von all jenen, die mit dieser Materie nicht ganz so vertraut sind, schmerzlich vermißt werden, denn sie mochten doch, wenn auch nur ganz kurz, wenigstens erfahren, wie und in welcher politischen Situation dieses oder jenes Dokument entstand. Die Einführung von Münchs reicht dazu jedenfalls nicht aus.
Berlin
Hans J. Reichhardt
Texte zur Deutschlandpolitik. 13. Dez. 1966 — 29. Sept. 1967. Hrsg. vom Bundesministerium f. gesamtdt. Fragen. — Bonn u. Berlin 1967. 147 S. In einer Broschüre faßt das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen — beginnend mit der Erklärung der Bundesregierung am 13. Dezember 1966 und endend mit einem Rundfunkinterview Bundeskanzler Kiesingers am 20. September 1967 — noch einmal all jene Erklärungen, Briefe und Äußerungen in West und Ost zusammen, die im 1. Jahr der Großen Koalition die Hoffnung aufkeimen ließen, daß beide Teile Deutschlands zu einem „geregelten Nebeneinander" finden würden. Trotz des Entgegenkommens in „protokollarischen" Fragen — zum erstenmal seit Gründung der Bundesrepublik und der D D R im Jahre 1949 wurde ein Brief aus Ost-Berlin in Bonn nicht ungeöffnet wieder zurückgeschickt, sondern am 13. Juni 1967 sogar mit korrekter Titel- und Rangbezeichnung beantwortet — und in sachlicher Hinsicht durch die Ernennung des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt als Beauftragten für gesamtdeutsche Gespräche aber versickerten diese hoffnungsvoll erscheinenden Ansätze bald wieder im Sande. Die parallel dazu laufende Aktion zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und den osteuropäischen Staaten wurde von der SED offenbar als eine Art Einkreisung empfunden und, dank sowjetisch-polnischer Unterstützung, mit einer Art Hallstein-Doktrin in umgekehrter Richtung beantwortet, nämlich: Botschafteraustausch zwischen Bonn und Osteuropa nur nach vorheriger Anerkennung der D D R durch die Bundesrepublik. Wann nun aus dieser politischen Sackgasse wieder herausgefunden wird, bleibt vorläufig eine müßige Spekulation, denn das Ausmaß der Regelung innerdeutscher Fragen wird nicht nur von einer Klärung des Verhältnisses zwischen Bonn und Ost-Berlin, sondern in zumindest gleich starkem Maße von einem Abbau der allgemeinen Spannungen und Differenzen zwischen den beiden Supermächten abhängen.
Berlin
Hans J. Reichhardt
V a l i , Ference A . : The Ouest for a United Germany. — Baltimore Maryland: The Johns Hopkins Press 1967. XII, 318pp. $ 8.50. The main thrust of this book argues for the importance of reunification of Germany as requisite for stability in Europe; that continued division of Germany endangers peace. The Soviet occupation of Czechoslovakia since August 20, 1968, completely defies that judgment, and weakens or makes irrelevant some of Vali's presentation. The same book could not be written now. But a valuable analysis of the German problem and reunification remains. It is particularly good at pointing up the logical contradictions and implications of various alternative policies, and in controlled impressionistic analysis of significant West German opinion concerning reunification. The whole work stresses legalistic and official policy aspects, with little attention to economics or sociology. But Vali's obvious personal sympathies for a united Germany do not obstruct realistic assessment of the serious obstacles, and he clearly knows Germany and Germans very well. A n d throughout, he 27»
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ALLGEMEINES
never fails to remind us that the solution to the German problem depends principally on the USSR, and that convincing the Soviet Union that a reunified Germany would protect Russian interests better than a divided one was a substantial task even before August 20. Vali's several propositions include varying degrees of controversiality, and true discussion and analysis of them would require another book. I formulate a few of them as: 1. German nationalism in the form of desire for reunification is and will remain stronger than German interest in European integration. But inability to get reunification turns German policy to the "second best". Inability to fulfill the goals of either reunification or "supranational" West European integration is frustrating and politically dangerous, adding to the likelihood of right-wing ultra-nationalist developments. 2. Reunification is a goal highly desired, but not at the price of freedom and democracy. West Germany has chosen freedom over unity. 3. East Germany is not developing into a "separate nationality" and will not do so as long as its existence depends on foreign power. 4. West Berlin represents commitment to reunification; containment-policy represents abandonment of reunification. Following simultaneous policies of containment and supporting West Berlin is logically contradictory. 5. German foreign policy since World War II can be summarized as: under Adenauer, stressing Western alliance and freedom over reunification; then deadlock on both reunification and West European integration; the Kiesinger-Brandt initiative in Eastern Europe aiming at ultimate reunification. And, by implication, Soviet suppression of Czechoslovakia blocks West German hopes for reunification and leads to renewed emphasis on Western alliance and West European integration. When reunification is blocked, West Berlin's position is weakened. To put it in its logically most extreme form: no hope for reunification, no logical justification for maintaining West Berlin. 6. The Sino-Soviet dispute can lead to German reunification; the threat of China may yet lead the USSR to "give up" East Germany. West Germany sees its development of relations with Peking as pressure on Moscow to permit reunification. 7. The West Germans have built a stable and democratic law-based and law-abiding state and have been as "virtuous" as anyone had any right to expect. They have worked hard and won economic success; they devoted themselves to unification of Western Europe; they have been "reasonable" in pursuit of the reunification goal. To continue to distrust them, to "fight ghosts," and to frustrate logical and entirely justifiable expectations and hopes endangers peace and endangers healthy German society and policy. Over-addiction to unnecessary French and Latin phrases, a few frightful mixed metaphors, and some irritating typographical errors, represent minor drawbacks. Documentation and bibliography are both careful and useful. Clear organization adds greatly to the book's value. Chapel Hill, North Carolina Robert A. Rupert PLANCK, Charles R.: The Changing Status of German Reunification in Western Diplomacy 1955—1966. Studies in International Affairs. Number 4. — Baltimore, Maryland: Johns Hopkins Press 1967. 65pp. $ 1.45.
This little volume appears in a series sponsored by the Washington Center of Foreign Policy Research of the Johns Hopkins University of Advanced International Studies. It is based upon sound research and is analytical rather than merely narrative in form. Nevertheless, it would be more accurate to call it an information bulletin rather than a "study."
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Taking, for obvious reasons, 1955 as the "base year for any consideration of the role of the reunification problem in recent East-West diplomacy," the author reviews three "diplomatic assaults on the German division and its related armament and security problems, led by Dulles, Kennedy, and de Gaulle, each with differing degrees of West German support." As a kind of epilogue, the nine page final chapter presents "Remarks on the Present Juncture," culminating in a vague assessment of "the new Eastern policy of the KiesingerBrandt government," which is found to be "more committed than either of its predecessors to actually defining the pursuing a policy based on the principle, first established by Adenauer in 1958, that concern for the freedom of the seventeen million East Germans must take precedence over efforts to regain the nation's judicial unity." As is inevitable in view of its brevity, this "study" contributes neither fresh insights nor new information. It is likely to irritate the serious student by its capsulized summations of complex events and intricate negotiating positions. On the other hand, the lack of factual detail mitigates its value as information for those not already familiar with the intricacies of the developments it sketches. Its main usefulness may be as a kind of aide-memoir for those who wish to review the subject hastily. Chapel Hill, North Carolina
Charles B. Robson
ANSORG, Linda: Familienrecht der DDR. Leitfaden. (Mitarb.: Karl-Heinz Beyer u. a.) — Berlin: Staatsverl. d. DDR 1967. 191 S. D M 2,50. APEL, Hans: Spaltung. Deutschland zwischen Vernunft und Vernichtung. — (Berlin:) Voltaire-Verl. (1966) 424 S. D M 2 7 , - . APEL, Hans: DDR 1962, 1964, 1966. DM 27,50.
(Berlin:) Voltaire-Verl. (1967.) V, 412 S., 12 Bl.
Arbeitsrecht der DDR. Von e. Autorenkollektiv unter Leitung von Joachim Michas. Eine systemat. Darst. u. Erl. d. Gesetzbuches d. Arbeit d. Deutschen Demokrat. Republik in d. Neufassung vom 23. Nov. 1966 u. weiterer wichtiger arbeitsrechtl. Bestimmungen. - Berlin: Staatsverl. d. DDR 1968. 526 S. DM 8,50. Aufzeichnung über die Verletzung der Menschenrechte in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. — Bonn u. Berlin: (Der Bundesmin. f. Gesamtdt. Fragen) 1966. 68 S. mit Abb. BÄRWALD, Helmut, u. Rudolf MAERKER: Der SED-Staat. Das kommunist. Herrschaftssystem in d. Sowjetzone. (2. überarb. u. erg. Aufl.) — Köln: Verl. Wissenschaft u. Politik (1966). 125 S. DM 6,80. BECHTHOLD, Ilse: Die Prozeßprinzipien im Strafverfahren der DDR. — Bonn: Röhrscheid 1967. 177 S. (Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft. N.F., H. 37.) D M 2 4 , - . DEMMLER, Horst: Verkehrspolitik in der Sowjetzone Deutschlands. — Heidelberg: Quelle u. Meyer 1967. 255 S. (Veröffentlichungen des Forschungsinstituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz. Bd. 21.) D M 44,— . Denken an Deutschland. Zum Problem der Wiedervereinigung. Ansichten u. Einsichten. Hrsg.: Theo Sommer. - Hamburg: Nannen 1966. 215 S. (Die Zeitbücher). D M 9,80. Deutschland [SBZJ: Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik. Hrsg. von d. Staad. Zentralverwaltung f. Statistik. — (Berlin:) Staatsverl. der DDR. J g . 12. 1967. Getr. Pag. [744 S.] mit Ktn. DM 2 5 , - .
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EICHLER,
Zur E n t w i c k l u n g des V o l k s b i l d u n g s w e s e n s auf d e m Gebiet der D e u t s c h e n D e m o kratischen R e p u b l i k 1946—1949. Von e. Autorenkollektiv unter Leitung von Karl-Heinz Günther u. Gottfried Uhlig. - Berlin: Verl. Volk u. Wissen V E B 1968. 231 S. (Monumenta paedagogica. Bd. 3: Reihe C Entwicklung d. Bildungswesens u. d. Pädagogik nach 1945.) D M 1 2 , - . Erfinder- u n d Neuererrecht der D e u t s c h e n D e m o k r a t i s c h e n R e p u b l i k . Von e. Autorenkollektiv unter d. Leitung von Hans Nathan. — Berlin: Staatsverl. 1968. Bd. 1. 422 S. Bd. 2. S. 4 3 2 - 904. Zus. D M 2 7 , - . ERNST, Dieter: D i e B e s t e u e r u n g privater Industriebetriebe in Mitteldeutschland. Krit. Analyse d. steuerl. Regelungen mit d. Bundesrepublik Deutschland. — Köln, Berlin, Bonn, München: Heymann 1967. 452 S. (Schriftenreihe Annales Universitatis Saraviensis. Rechtu. Wirtschaftswiss. Abt. H. 28.) D M 48,50. Diss., Saarbrücken. FALK, Waltraud: K l e i n e Geschichte einer großen B e w e g u n g . Zur Geschichte d. Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung in der Industrie der D D R . Unter Mitarb. v. Horst Barthel. - Berlin: Dietz 1966. 328 S. D M 6,80. D a s Familienrecht der D D R . Lehrkommentar z. Familiengesetzbuch d. Dt. Republik v o m 20. Dez. 1965 u. z. Einführungsgesetz z. Familiengesetzbuch d. krat. Republik vom 20. Dez. 1965. (Ver.-Kollektiv: Karl-Heinz Beyer u. a.). Min. d. Justiz. — Berlin: Staatsverlag d. Dt. Demokrat. Republik 1966. 446 S.
Demokrat. Dt. DemoHrsg. vom D M 12,— .
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SBZ U N D
WIEDERVEREINIGUNG
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Friedrich-Georg: Der Kampf gegen Religion und Kirche in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. — Stuttgart: Quell-Verl. (1966). 138 S. DM 6,80.
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Joachim: Zentraverwaltungswirtschaft am Beispiel der SBZ. Mit e. Vorw. von Karl C. Thalheim. — Frankfurt a. M., Berlin, Bonn, München: Diesterweg (1966). 155 S. (Schriften zur politischen Bildung) DM 5,20. HOFFMANN,
HOFFMEISTER, Joachim, u. Leopold P R E A L L E : Blick nach drüben. Die DDR heute. Eine Dokumentation. — (München:) Kindler (1967) 175 S., S. 16—171 Abb. mit Text, 1 Titelbild. DM 29,80.
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Siegfried: Das Recht in Mitteldeutschland. Staats- und Rechtslehre, Verfassungsrecht. — Köln, Berlin, Bonn, München: Heymann 1966. XII, 280 S. (Academia iuris.) D M 1 8 , - . MAMPEL,
Norbert: Gründung und Entwicklung der Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945 — 1949. — Bonn u. Berlin: Bundesmin. f. Gesamtdt. Fragen; (Bonn: Deutscher Bundes-Verl., in Komm.) 1966. 183 S. (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland.) DM 5,70. MATTEDI,
Eberhard: Mensch und Bildung in der DDR. Erforschung u. Darstellung d. Rechts auf Bildung als sozialist. Menschenrecht z. Förderung u. Entwicklung allseitig gebildeter Menschen. - Berlin: Staatsverl. d. DDR 1965. 315 S. DM 6,50. POPPE,
Hans H[einrich] : Sprache u n d Politik. Untersuchungen zu Wortschatz und Wortwahl des offiziellen Sprachgebrauchs in der DDR. — München: Hueber (1968). 368 S. (Münchener germanistische Beiträge. Bd. 1.) (Münchener Universitätsschriften. Philos. Fak.) DM 19,80. Diss., München. REICH,
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ALLGEMEINES
Walther: Das neue politische Strafrecht der „DDR". — Frankf./M.: Metzner 1968. 108 S. DM 7,50. ROSENTHAL,
Schäden in der Sowjetzone. Beweissicherung und Feststellung (Gesetz über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin [1965. 05. 22]). Textausg. d. Beweissicherungs- u. Feststellungsgesetzes mit systemat. Einf. u. Formular-Anh. Von Günther Georgi. - (Neuwied a. Rh. u. Berlin:) Luchterhand (1966). IX, 148 S. DM 10,80. Hilmar Werner: Die Wiedervereinigung Deutschlands. Ein zeitgeschichtl. Leitfaden. (6., durchges. u. erg. Aufl.) — Bad Godesberg: Hohwacht-Verl. 1967. 184 S. DM 4,80.
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DIE DEUTSCHEN OSTGEBIETE UND DAS VERTRIEBENENPROBLEM
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WEHNER, Herbert, u. Wilhelm Wolfgang SCHÜTZ: Kommunalpolitik und Wiedervereinigungspolitik. — Göttingen: Schwartz (1967). 43 S. (Schriftenreihe des Deutschen Städtebundes, H. 9.) DM 6,80. Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands. Eine dokumentär. Diskussionsgrundlage von Heinrich von Siegler. — Bonn, Wien, Zürich: Siegler. (Dokumentationen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e . V . ) Bd. 1. 1944—1963. 6., erw. Aufl. 1967. XXVIII, 405 S. mit Ktn. Preis nicht mitgeteilt. 1. —5. Aufl. einbändig erschienen. WOITZIK, Karl-Heinz: Die Auslandsaktivität der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Organisationen, Wege, Ziele. — Mainz: v. Hase u. Koehler [1967]. 283 S. DM 38,50.
4. Die deutschen Ostgebiete (nach 1945) und das Vertriebenenproblem BREYER, Richard: Ostdeutschland i m Luftbild. — Frankfurt/M., Bonn: Athenäum 1967. 96 S., 130 Fotos. DM 16,80. An Hand eines neun Seiten umfassenden Textes und 130 Luftbildern soll in dieser Veröffentlichung das „Eingebettetsein" Ostdeutschlands jenseits von Oder und Neiße „in deutsche Geschichte und Zusammenschau mit deutschem Leben . . . beschworen", das Gebiet „dem drohenden Vergessenwerden entrissen und bildlich festgehalten" werden. Das Luftbild erscheint dem Autor dazu am geeignetsten, denn es „führt in die Landschaft hinein, springt über Wälder und Gebirge, . . . registriert, tastet ab, ist allgegenwärtig, konserviert". Mit diesem letzten Begriff ist das vorliegende Buch wohl am besten zu kennzeichnen: eine Konserve. Der Tenor des Textes gibt bis auf wenige Sätze den Anschein, als schriebe man nicht über Gebiete, die seit nunmehr fast 25 Jahren gravierende Umwälzungen unterworfen sind, sondern als ob die Entwicklung in den sonnigen Herbsttagen des Jahres 1939 einfach stehengeblieben wäre. Es erscheint schwer verständlich, wie man mit „einem verklärend bewahrten Bild" z. B. „Westdeutschen . . . einen Zugang zu diesen. Gebieten öffnen" will, denen zum großen Teil das Luftbild bereits in Massenmedien als einer der sachlich-nüchternen Informationsträger entgegentritt. Anstelle eines tatsächlich auf den heute schon historischen Sachverhalt bezogenen Text wird eine Gegenwart suggerierende landeskundliche Erläuterung geboten, deren geographischer Teil die mangelhafte Beherrschung der Fachausdrücke offenbart und in deren historischem Teil die penetrante Häufung des Begriffes „deutscher Mensch" hätte vermieden werden sollen. Die Erhebung Ostdeutschlands zum „biologischen Kraftquell" hingegen stellt eine sprachliche Entgleisung dar, die einem solchen Buche geradezu schaden muß. Die Luftbilder geben vor allem demjenigen, der das Gebiet jenseits von Oder und Neiße bereits kennt oder mit Unterstützung von Karten und gediegenen landschaftskundlichen Werken kennenlernen will, wertvolle Hilfe. Dokumente dieser Art sollten dem Interessierten in weit größerer Zahl zur Verfügung gestellt werden, dazu jeweils zum Bild ein aussagekräftiger Text. Den Luftbildern dieses Buches sind nur recht knappe Anmerkungen beigefügt, wie sie namentlich bei den Städten aus jedem mehrbändigen Nachschlagewerk entnommen werden können. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob der Autor des Buches mit den Mitteln, die er gewählt hat, sein Ziel erreichen kann, ein Ziel, das sich in den gewählten Formulierungen selbst in Frage stellt. Berlin
Wolfgang
Scharfe
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BUCHBESPRECHUNGSTEIL,
ALLGEMEINES
NASARSKI, Peter: Östlich von Oder und Neiße 1945—1965. Die dt. Ostgebiete unter poln. Verwaltung. — Bonn: Siering 1965. 101 S. (Wiss. Politik, Bild, Dokumentation.) DM 17,60. Die Texte des Bildbd.es sind weitgehend frei von tendenziöser Sentimentalität. Die Abbildungen enthalten auch wenig bekannte Motive, sind jedoch unübersichtlich gegliedert. Bei den Nachkriegsbildern fehlen Datierungen. Eine Übersichtskarte wäre unumgänglich gewesen. Bis auf Landsberg und eine unbrauchbare Aufnahme von Küstrin fehlt OstBrandenburg völlig. Allenstein war lediglich Sitz des pomesanischen Domkapitels und kann nicht als „alte Bischofsstadt" (S. 98) bezeichnet werden. Berlin
Gerd Heinrich
ARCHENHOLZ, Bogislav von: Die verlassenen Schlösser. Ein Buch von d. großen Familien d. dt. Ostens. Mit 37 Abb. auf 16 Tafelseiten, 14 Holzschnittreproduktionen bzw. Faks. im Text u. 7 Ktn. - Berlin, Frankfurt/M., Wien: Ullstein 1967. 291 S. DM 19,80. Welche Bedeutung geschichtliche Spezialuntersuchungen über einzelne Gesellschaftsschichten erlangen können, hat in jüngster Zeit Hans Rosenberg am Beispiel der ostdeutschen Rittergutsbesitzerschicht eindrucksvoll aufgezeigt. Der vorliegende Bd. setzt dagegen sehr viel bescheidener an, zu bescheiden, denn er verzichtet von vornherein auf alle soziologischen Aspekte zugunsten personalisierender Darstellung eines hauptsächlich doch sozialgeschichtlich bedeutsamen Themas. Die bekanntesten adligen Geschlechter aus dem Baltikum, Alt-Preußen und Brandenburg, Pommern, Mecklenburg und Schlesien, die hier unter dem Gesichtspunkt des Raumes, nicht der sozialen Klasse, versammelt werden, haben nicht mehr miteinander gemeinsam als alte und raumgebundene Herkunft: ein Beispiel dafür, wie wenig der Raum als politisch-soziale Ordnungskategorie an Erkenntnisgewinn abwirft. Sozialgeschichtlich relevante Erkenntnis ist freilich auch nicht das Thema, das den Vf. interessiert. Er arbeitet vielmehr mit generellen Vorstellungen von Leistungen und Schicksal, die sich kritischer Reflexion verschließen und keine einzige überprüfbare Hypothese wirklich zulassen: ein weiteres Beispiel dafür, wie Geschichtsschreibung durch die Geschichte selbst überholt werden kann. Was bleibt, ist ein Erinnerungsbuch für diejenigen, die sich mit den „großen Familien" identifizieren möchten und denen die anekdotische oder chronikalische Form genügt. Glücksburg
Walter
Mertineit
LORCK, Carl von: Vom Geist des deutschen Ostens. Diskurse z. Kunst u. Strukturanalyse d. dt. Ostens. Hrsg. von Gerd v. Wahlert. — Berlin: Rembrandt-Verl. 1967. (Schriften d. Nordostdt. Kulturwerkes.) 138 S. mit Abb. 4°. DM 22,20. Das Buch ist eine Aufsatzsammlung, die zugleich als Festgabe für den Autor zu seinem 75. Geburtstage gedacht ist. Wer mit der Kunst- und Kulturgeschichtsschreibung des deutschen Ostens vertraut ist, kennt Carl von Lorck, der, obwohl nur „nebenbei" Kunsthistoriker (er ist Jurist), seine umfassenden Kenntnisse, seine bohrende Such- und Forschungsarbeit, seine breite humanistische Fundiertheit und seine hohe schriftstellerische Gabe jahrzehntelang seiner ostdeutschen Heimat gewidmet hat. Eingeleitet wird das Buch von einer Würdigung des Jubilars aus der Feder seines Neffen Gerd von Wahlert. Als weiterer Einleitungstext wird ein kunsttheoretischer Beitrag des
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unlängst verstorbenen Willi Drost „Der wichtigste Gegensatz zwischen Geschichte und Kunstgeschichte" gebracht, der 1937 auf der deutschen Historikertagung in Danzig als Vortrag gehalten wurde. Der Bd. enthält sechs Aufsätze, die nicht alle ausschließlich kunsthistorischen Inhaltes sind. So weisen die Beiträge „Die Umkehr des Weltbildes durch Nikolaus Kopernikus und die neue Malereiperspektive von Alberti bis Dürer" und „Immanuel Kant und die Bildkunst seiner Epoche" in übergreifende geistesgeschichtliche Zusammenhänge. Die kunstgeschichtlich wohl bedeutendsten Untersuchungen sind die Texte über „Die 'Kunstschöpfung' im Schloß und Park von Klein Beynuhnen, Ostpreußen" und „Ein Fund von sieben Gemälden von Caspar David Friedrich im Hahnschen Schloß Basedow, Mecklenburg". Der Aufsatz über Beynuhnen führt uns die Kunstsammlung, besonders die Antikenkol lcktion des Fritz von Farenheid vor und erhellt zugleich die landes- und familiengeschichtlichen sowie auch die sammlerpsychologischen Hintergründe, vor denen sich diese ganz ungewöhnliche Schöpfungstat entfalten konnte. Dem Autor kam der Fund von 39 aufgetauchten Briefen des Sammlers an seinen Freund Karl Osius zu Hilfe. Der 2. Aufsatz macht mit sieben Bildern von Friedrich bekannt, die der Vf. 1940 in dem Hahnschen Besitztum Schloß Basedow entdeckte. Die Kollektion, zu der noch Werke von Dahl, Koch, Blcchen, Catel, Robert und Adam gehörten, wurden von Graf Friedrich Hahn zusammengetragen, der in 1. Ehe mit der nachmaligen Schriftstellerin Ida Hahn-Hahn verheiratet war. Drei der Bilder sind inzwischen verschollen und nur in unzulänglichen Fotos erhalten, während vier in westdeutsche Museen gelangten (Karlsruhe und Köln). Diese werden in Farbreproduktionen vorgeführt. Ein Aufsatz über „Vier unbekannte Plattenzustände des Meisters von 1515 im Kupferstichkabinett der Albertus-Universität in Königsberg" hält die Erinnerung wach an eine bei Kriegsende arg dezimierte und in ihren Resten heute in Göttingen verwahrte Sammlung von hohem Rang. Die im Aufsatz vorgeführten Blätter zählen gottlob zu den erhaltenen Stücken. Schließlich ist der Aufsatz über den „Genius der Kunstlehre" zu nennen, der ausgehend von einer Boucher zugeschriebenen Zeichnung in die vielschichtigen Fragen der barocken Kunsttheorien und der allegorischen Selbstdarstellung der Kunst einführt. Der Textteil des Buches wird abgeschlossen von der Bibliographie des Vf.s, die G. v. Wahlert zusammenstellte. Das Buch ist mit 48 Schwarzweiß-Reproduktionen, darunter 13 Strichätzungen im Text ausgestattet. Hinzu kommen die erwähnten vier Farbklischees. Die äußere Gestaltung des Bd.es läßt ein wenig zu wünschen übrig. Wohl aus wirtschaftlichen Gründen hat man davon abgesehen, die Aufsätze jeweils auf einer neuen Seite beginnen zu lassen. Aber mehr: die Texte rücken so eng aneinander, daß man den Anfang eines neuen Aufsatzes kaum als Zäsur im Satzspiegel empfindet. Vollends ist unerfindlich, weshalb das Inhaltsverzeichnis keine Paginierung bringt. Göttingen
Hans Wille
Rudolf J . : Polens Westarbeit. Die poln. Kultur- u. Bildungseinrichtungen in den dt. Ostgebieten. — Bremen: Schünemann 1966.184 S. (Deutsche Studien.) DM 6,50. NEUMANN,
Neumanns Arbeit schließt eine Lücke in der Literatur über die deutschen Ostgebiete; denn für die polnischen Kultur- und Bildungseinrichtungen in diesen Gebieten fehlte bisher eine zusammenfassende Darstellung. Der Vf. untersucht im Kapitel I die verschiedenen wissenschaftlichen Institute der polnischen Westarbeit. Hierzu gehören das West-
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institut in Posen, die Schlesieninstitute, das Schlesische Institut in Oppeln und das Schlesische Wissenschaftliche Institut in Kattowitz, das Baltische Institut, das Masurische Institut, das Pommersche Institut. In Kapitel II schildert er kurz die Entwicklung der Hochschulen in Breslau, Danzig, Zoppot, Stettin, Allenstein, Gleiwitz, Oppeln und Hindenburg, außerdem die wissenschaftlichen Gesellschaften (Breslauer Gelehrte Gesellschaft, Danziger Gelehrte Gesellschaft, Oppelner Gesellschaft der Freunde der Wissenschaft usw.) und die Tätigkeit der Polnischen Historischen Gesellschaft. In Kapitel III befaßt er sich mit den Archiven, Museen und Bibliotheken in den Ostgebieten. Er skizziert dann in Kapitel IV kulturpolitische Einzelaktionen betreffend die Ostgebiete und im Kapitel V die propagandistische Tätigkeit der West-Presse-Agentur in Posen. Der Vf. gibt genaue Angaben über die Entwicklung, den Personalbestand, den Aufgabenkreis und die Zielsetzungen der einzelnen Institutionen. Auf Grund der übersichtlichen Gliederung ist es dem Leser leicht möglich, das Buch als Nachschlagewerk zu benutzen. Durch das Personenregister wird es noch handlicher. Es ist jedoch kein bloßes Nachschlagewerk. Die Darstellung vermittelt vielmehr auch einen aufschlußreichen Einblick in die Entwicklung der polnischen Kulturpolitik in den Ostgebieten. Der Vf. erreicht dies dadurch, daß er die Geschichte der einzelnen Institute von ihren Anfängen her bis heute verfolgt und ihre Aufgaben und Ziele sowie ihre Arbeitsweise genau darstellt. Diese Beschreibung einzelner Institute ergibt eine allgemeine Darstellung der polnischen Kulturpolitik in den Ostgebieten. Neumann zeigt, mit welcher Intensität diese Institute die polnische Präsenz in den Ostgebieten zunächst mit historischen Argumenten zu untermauern versuchten. Erst später traten in stärkerem Maße an der Gegenwart orientierte Rechtfertigungsversuche neben der historischen Argumentation stärker in den Vordergrund. Doch entspringt diese zielbewußte Kulturpolitik nicht allein dem Bewußtsein, „Verlorenes" wiedergewonnen zu haben, sondern auch einem Gefühl der Unsicherheit darüber, ob die Vertreibung der Deutschen nicht doch ein Unrecht war. Trotz aller Rechtfertigungsversuche, die gerade auch durch die verschiedenen von Neumann beschriebenen Einrichtungen unternommen wurden, läßt die Darstellung Neumanns ein Gefühl des Unbehagens erkennen, das durch die offizielle Kulturpolitik nicht gänzlich verdeckt werden konnte. Bonn
Friedheltn
Kaiser
Die katholische Kirche u n d die Völker-Vertreibung. Ein kathol. Beitr. z. Dialog über d. Verhältnis d. dt. Volkes zu s. östl. Nachbarn. Hrsg. von Oskar Golombek. — Köln: Wienand 1966. 294 S. = Schriftenreihe d. kathol. Arbeitsstelle (Nord) f. Heimatvertriebene, Köln, Bd. 9. DM 14,80. Leidenschaftliche Auseinandersetzungen hatte der Botschaftsaustausch der polnischen mit den deutschen Bischöfen vom 18. 11. bzw. 5. 12. 1965 ausgelöst. Dringend wurde eine offizielle Stellungnahme der katholischen Kirche zur Massenaustreibung und zur Gebietsannexion erwartet. Der Hrsg. und ein Kreis von Theologen und Laien haben nun mit dem vorliegenden Beitrag zur Dokumentation des Weltvertriebenen- und Weltflüchtlingsproblems, insbesondere jedoch zur Lage der aus den deutschen Ostgebieten und Ländern Ost-, Südost- und Mitteleuropas vertriebenen Deutschen eine klare, durch Abdruck der wichtigsten Dokumente jederzeit überprüfbare Antwort gegeben. Sie stützen sich bei ihrer Arbeit auf die höchste Autorität der Kirche, auf die Päpste und das Konzil. Die Bearbeiter verweisen zunächst auf die ungeheuerliche Praxis der großen Völkervertreibungen in aller Welt seit Anfang dieses Jahrhunderts und geben sodann einen Uberblick über die Tatsachen und ungelösten Schicksalsprobleme der in den Jahren nach dem
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letzten Kriege vertriebenen Millionen von Menschen deutscher Sprache und Kultur aus den Gebieten Ostdeutschlands und Ost- und Südostturopas, soweit ein solcher Uberblick durch Statistiken und Dokumentationen überhaupt möglich ist (S. 26ff.). Um dem Leser des Buches einen Uberblick über die zu lösenden Fragen zu geben, wird in Form einer Dokumentation der Briefwechsel der beiden Episkopate Polens und Deutschlands gebracht und anschließend das Echo, das dieser Briefwechsel in den beiden Nationen auslöste. Der Leser vermag sich daher selbst ein Urteil zu bilden, weil die Erklärungen der Bischöfe ja bereits in gedrängter Kürze den Haupttenor der Argumente für einen erfolgreichen Dialog enthalten. Die Dokumentation der polnischen und deutschen Stimmen hierzu zeigt ganz deutlich, was einer wirklichen Aussöhnung im Wege steht. Da insbesondere von polnischer Seite in diesem Zusammenhang historische Aspekte in den Vordergrund gestellt wurden, war es für die Hrsg. geradezu unumgänglich, auch von deutscher Seite auf die darin enthaltenen Thesen genauer einzugehen (S. 192—205). Es war dringend erforderlich, die polnischen historischen Auffassungen zu analysieren und die Entwicklung der geschichtlichen Verhältnisse zu beleuchten. Um die polnischen Auffassungen zu verstehen, war es auch notwendig, an Hand einer chronologischen Darlegung zu zeigen, wie sehr sich „in neuerer Zeit das polnische Nationalbewußtsein, verstärkt durch die Möglichkeiten der modernen Massenbeeinflussungsmittel, mehr und mehr auf den Gedanken einer expansiven Ausdehnung des eigenen Territoriums nach Westen festlegte". Um diesen „Drang nach Westen" in der Öffentlichkeit zu begründen, wurden die beanspruchten deutschen Ostgebiete als „urpolnische Gebiete" erklärt (S. 172—191). Als Beispiel hierfür sei aufgeführt: Schreiben des Präsidenten des Ministerrats der Volksrepublik Polen an die polnischen Bischöfe vom 5. 3. 1966 (S. 213-227) und der Hirtenbrief der polnischen Bischöfe vom 10. 2. 1966, der besonders aufschlußreich für die Einstellung des polnischen Episkopats zur Frage der deutschen Ostgrenze ist (S. 230—243). Die Führer des deutschen Episkopats sind mit grundsätzlichen Erklärungen zum Vertriebenenproblem und zur Heimatlosigkeit der Flüchtlinge vertreten. Es folgen Erklärungen des Präsidenten des katholischen Flüchtlingsrats sowie die anderer namhafter Persönlichkeiten der katholischen Öffentlichkeit (S. 247—263). Immer wieder kommt zum Ausdruck, daß eine Lösung der im Zusammenhang mit der Vertreibung stehenden Fragen, insbesondere der deutschen Ostgrenze einschließlich der Wiedergutmachung nur in Übereinstimmung mit den unmittelbar Betroffenen erfolgen könne. Den Abschluß bilden die Erklärungen der berufenen Vertreter der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, insbesondere der von der Fuldaer Bischofskonferenz in Übereinstimmung mit dem Hl. Stuhl nach kanonischem Recht bestellten Vertreter ihrer Heimatdiözesen und heimatvertriebenen Priester (S. 265 ff.). Das besonders sorgfältig erarbeitete Sachregister und die Sacherklärungen (S. 279 — 294) sind für jeden, der sich mit der Frage der Völkervertreibung in sachlicher, vor allem aber in rechtlicher Hinsicht befassen möchte, ein ausgezeichnetes Hilfsmittel. Berlin
Gerhard Zimmermann
TotKSDORF, Ulrich: Volksleben in den Ermländersiedlungen der Eifel. — Marburg/L.: Elwert 1967. 374 S. mit Abb. u. Ktn. = Schriftenreihe d. Komm. f. Ostdt. Volkskunde in d. Dt. Gesellschaft f. Volkskunde e. V., Bd. 4. Pr. nicht mitgeteilt. Aus den Bombenzielen der Großstädte evakuiert, durch Erfordernisse der Aufrüstung und des Krieges umgesiedelt, nach 1945 zum Teil rückgesiedelt, im Zusammenbruch der Fronten aus der alten Heimat im Osten und Südosten geflohen und später vertrieben —
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unter solchen Zeichen stand und steht das Schicksal von vielen Millionen unserer Landsleute. Damit wuchs der deutschen Volkskunde als Wissenschaft von Geist und Leben überlieferter Gemeinschaft eine gewaltige neue Aufgabe zu, deren sich zuerst unter Leitung von Prof. Erhard Riemann (früher Königsberg, jetzt Kiel) die „Kommission für Volkskunde der Heimatvertriebenen" im alten „Verband der Vereine für Volkskunde" und der Kreis um das „Jahrbuch für Volkskunde der Heimatvertriebenen" annahmen1. Angeregt von seinem Lehrer Erhard Riemann, geschult in dessen Zentrale für das Ostpreußische Mundartwörterbuch und gefördert durch die genannte Kommission, sammelte der Vf., selber in bäuerlichen wie handwerklichen Betrieben mitarbeitend und unterstützt durch örtliche Behörden und Persönlichkeiten, 1963—1966 in der neuen Ermländersiedlung in der Eifel den Stoff zu einem Werk, das durch die Weite und Gründlichkeit der Untersuchungen vorbildlich genannt werden darf. Durch die überlegte und lebendige Methode der Darstellung ist es für die Siedlergemeinschaft zugleich ein Heimat- und Hausbuch im besten Sinne geworden. Es bekennt sich zur Auffassung von Hans Moser: „Wichtiger als groblinige Kulturphilosophie ist vorerst eine exakte Geschichtsschreibung, die stofflich unbegrenzt das Große und das Kleinste zu erfassen hat" 2 . Besonderes Gewicht erhält die vorliegende Arbeit aus der Tatsache, daß das Siedlungsgebiet Ahrbrück zu den größten landwirtschaftlichen Neusiedlungen nach 1945 in Westdeutschland gehört. Der Vf. hatte außerdem die doppelte Aufgabe zu bewältigen, einmal die Flucht der Ermländer nach Schleswig-Holstein wie ihre Neusiedlung in der Eifel, zugleich aber die teilweise Rücksiedlung der wegen der Anlage eines großen Luftwaffenübungsplatzes schon 1938/39 evakuierten früheren Bewohner des gleichen Gebietes zu erfassen. Wie kaum anderswo stellten sich hier die Probleme der Nachkriegszeit in besonderer und mehrfacher Brechung dar. Es ist eine müßige Frage, ob die zuweilen heute noch vertretene An- und Eingliederung in eine vorwiegend philologisch betriebene Germanistik der deutschen Volkskunde mehr genützt oder geschadet hat. Außer Zweifel steht, daß sie ihre volle Entfaltung erst im letzten halben Jahrhundert fand mit der Aufnahme, Erweiterung und Vertiefung der Kulturlehre Wilhelm Heinrich Riehls. In dieser Nachfolge steht der Vf., wenn er in einer „geographisch-historisch-ökonomisch-statistischen Voruntersuchung" (S. 15—72) die Grundlage schafft für die Darstellung von „Volksleben und Volkskultur" (S. 74—306). Auch in diesem Hauptteil sind die im engeren und herkömmlichen Sinn volkskundlichen Kapitel über Brauchtum und Volksglauben in Jahreskreis und Lebenslauf gesehen vor dem Hintergrund des Bauens und Wohnens, des Gemeinschaftslebens in Familie, Nachbarschaft, Genossenschaft und Verein und vor allem des religiös-kirchlichen Lebens, das seine Prägekraft auch in der neuen Heimat weithin bewahrt hat, ja hier seine eigentliche Bewährungsprobe bestand. x I m 1. Bd. des Jahrbuchs (Salzburg 1955; S. 11 — 65) entwickelte Alfred Karasek-Langer ein vorläufiges Forschungsprogramm: Volkskundliche Erkenntnisse aus der Vertreibung und Eingliederung der Ostdeutschen. Friedrich Heinz Schmidt-Ebhausen berichtete über die genannte Kommission, Johannes Künzig, Josef Hanika, Alfons Perlick, Hugo Moser und Oskar Karpa über die einschlägige Arbeit von Instituten, Archiven und Forschungsstellen in Freiburg i. Br., München, Nordrhein-Westfalen (Dortmund), Tübingen und Niedersachsen (Hannover). A. Perlick gab eine Bibliographie zur Volkskunde der deutschen Heimatvertriebenen für die Jahre 1945—1954, die spätere Fortsetzungen fand. Heute erscheint das Gemeinschaftswerk dieses Kreises in Marburg als „Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde".
* Hans Moser, Gedanken zur heutigen Volkskunde, in: Bayer. Jb. f. Vkde. 1954, S. 218.
DIE DEUTSCHEN OSTGEBIETE UND DAS VERTRIEBENENPROBLEM
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Der Vf. beruft sich auf die oben erwähnte methodische Forschungsanleitung von J. Hanika, benützt sie aber kritisch und ergänzt und modifiziert sie durch einen eigenen Fragenkatalog und durch eigene Erfahrung. Weiterführende Anmerkungen geben Ausblicke nach vielen Seiten, der Literaturteil weist frühere Arbeiten des Vf.s auf dem gleichen Gebiet aus. Mißverständlich bleibt mehrfach die Anwendung der Gänsefüßchen, wo die einfachen Zeichen , ' am Platze wären (für die Wort-Bedeutung; vgl. den konsequenteren Gebrauch etwa in Kluge-Mitzkas Etymologischem Wörterbuch). Begrüßt hätte man einen einfachen Lageplan des neuen Siedlungsgebietes und ganz entschieden eine ausgiebigere Dokumentation im Bild. Den 16 Photos, die den Träger des Schicksals, den Menschen, kaum sichtbar machen, möchte man den reichen Bildteil des ein Jahr später erschienenen Buches von Helene Grilnn3 entgegenhalten, das außerdem in 831 Fußnoten die einzelnen volkskundlichen Erscheinungen eingehender kommentiert und ein ausführliches Register der Orte, Namen und Sachen bietet, das man einer neuen Auflage des hier angezeigten Buches gleichfalls wünscht. Ein Vergleich beider Untersuchungen ist auch deshalb aufschlußreich, weil H. Grünn es im wesentlichen mit Flüchtlingen aus ganz verschiedenen ost- und südosteuropäischen Herkunftsgebieten im Durchgang durch Lager, nicht in endgültiger Neusiedlung zu tun hat, Tolksdorf dagegen eine ziemlich geschlossene Gruppe einheitlicher Herkunft in ihrem neuen Siedlungsgebiet untersucht, in dem die alten Gemeinschaftsformen, wenn auch oft unter problematischen Vorzeichen, erhalten blieben oder sich neue bildeten. Berlin
Richard Beitl
Die Betreuung der Vertriebenen, der Flüchtlinge, der Kriegssachgeschädigten, der Evakuierten, der Kriegs- und Zivilgefangenen, der Heimkehrer, der nichtdeutschen Flüchtlinge. — Bonn: Bundesmin. f. Vertriebene, Flüchtlinge u. Kriegsgeschädigte 1966. 80 S., 10 Bl. Georg: Die Oder-Neiße-Frage. (Ktn.: Dieter Harzig.) — (Hannover:) Verl. f. Literatur u. Zeitgeschehen (1967). 89 S. DM 4,—.
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Hermann: Zwanzig Jahre Oder-Neiße-Linie. Deutsche Hoffnungen. Fragen an d. Evangelium. - Hamburg: Kant-Verl. 1966. 40 S. DM 1,70.
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Die Flucht und Vertreibung. Eine Bilddokumentation vom Schicksal d. Deutschen aus Ostpreußen, Oberschlesien, Niederschlesien, Danzig, Westpreußen, Ost-Pommern, OstBrandenburg u. a. u. d. Sudetenland. — Bad Nauheim: Podzun (1966). 117 Bl. DM 24,—. Klaus: Das Verhältnis zwischen Westdeutschen und Flüchtlingen. Eine empir. Untersuchung. — Bern u. Stuttgart: Huber (1968). 149 S. (Schriften zur Sozialpsychologie. Nr. 6.) DM 2 4 , - .
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Kurt: Noch spricht das Land. Eine ostdeutsche Besinnung. — Hamburg: Wittig (1966), 174 S. DM 4,80. IHLENFELD,
Wlodzimierz T.: Die UdSSR und die Grenze an der Oder und Lausitzer Neiße. (ZSRR a granica na Odrze i Nysie Luzychiej, dt.) 1941 — 1945. — (Göttingen: Göttinger Arbeitskreis 1966.) 242, 59 S. Nur f. d. Dienstgebrauch. Orig.-Ausg. im Verl. d. Ministeriums f. Nationale Verteidigung, Warschau. KOWALSKI,
3 Helene Grünn, Volkskunde der heimatvertriebenen Deutschen im Raum von Linz ( = Veröffentlichungen des österreichischen Museums für Volkskunde, Bd. 13), Wien 1968.
432
BUCHBESPRECHUNGSTEIL,
ALLGEMEINES
KRAUSE, Gerhard: Gerichtspredigt oder Geschichtsdeutung. Überlegungen u. Fragen zum evang. Charakter d. Denkschrift über ,Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn'. — Würzburg: Holzner (1966). 19 S. DM 2 , - . Leistung und Schicksal. Abhandlungen u. Berichte über die Deutschen im Osten. Hrsg. von Eberhard G[ünter] Schulz. - Köln, Graz: Böhlau 1967. XX, 414 S. mit Abb., Faks. u. Ktn. D M 2 2 , - . LEMKE, Paul: Von der Memel zur Elbe. Erlebnisbericht eines vertriebenen Ostpreußen. Sein Fluchtweg 1945. Als Ms. gedr. — ([Bremen-Vegesack, Lebbendorfer Flur 6: Selbstverl.] 1966.) 111 S. NEUMANN, Franz: Der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten. 1950—1960. Ein Beitr. z. Geschichte u. Struktur e. polit. Interessenpartei. — Meisenheim am Glan: Hain 1968. XVI, 558 S. (Marburger Abhandlungen zur politischen Wissenschaft. Bd. 5.) DM 6 6 , - . Ostdeutsche Gedenktage. — (Bonn: Bund d. Vertriebenen, Kulturreferat.) 1967. [1966.] 56 S., VIII S. Abb. SCHOLZ, Franz: Die Versöhnungsbotschaft der polnischen Bischöfe. Hintergründe, Motive, Folgen. (Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft d. Eichendorffgilden im Heimatwerk Schles. Katholiken.) — Fulda: Parzeller 1966. 31 S. Preis nicht mitgeteilt. Aus: Miscellanea Fuldensia. SCHULZ, Gerhard: Die deutschen Ostgebiete. Zu ihrer histor.-polit. Lage. — (Pfullingen:) Neske (1967.) 79 S. (Politik in unserer Zeit, 5.) DM 5,80. STOLL, Christian Th.: Die Rechtsstellung der deutschen Staatsangehörigen in den polnisch verwalteten Gebieten. Hrsg. vom Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrat, Marburg/L., Frankfurt/M.: Metzner 1968. XVII, 276 S. Mit zahlreichen Tabellen u. Übersichten. DM38,—. Die Unverlierbarkeit evangelischen Kirchentums aus dem Osten. Ertrag u. Aufgaben d. Dienstes an d. vertriebenen evang. Ostkirchen. Hrsg.: Carl Brummack. — Ulm/Donau: Verl. Unser Weg (1964). 143 S. DM 6,90. Zeittafel und Dokumente zur Oder-Neiße-Linie. [Hrsg.:] Herbert [Gustav] Marzian. (Aus d. Göttinger Arbeitskreis.) — Würzburg: Holzner. (T. 5.) Mai 1962—Mai 1965. 1966. S. 2 4 2 - 2 7 6 , 2 2 2 - 2 6 1 , 2 1 5 - 2 4 4 . DM 5,70.
BERLIN
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B. EINZELNE GEBIETE 1. Berlin V O G E L , Werner: Führer durch die Geschichte Berlins. — Berlin: RembrandtVerl. 1966. 200 S. mit 40 Abb. u. 2 Ansichten auf den Vorsätzen. DM 9,80.
Hellmut: Kleine Geschichte Berlins. — Berlin: Haude u. Spener 1967.103 S., 16 Bildtaf., Wappen auf Vorsätzen = Berlinische Reminiszenzen 17. DM 9,80. KOTSCHENREUTHER,
Beide Büchlein beruhen auf der vorhandenen Literatur und wenden sich an einen breiten Leserkreis. Kotschenreuther benutzte dazu auch das obige Werk Vogels. Leider enthält seine „Kleine Geschichte" zahlreiche Mißverständnisse und Irrtümer, die, wenn er auch das Buch ausdrücklich nicht „für Fachleute und Historiker" schrieb, doch gerade einem harmlosen Leser erst recht nicht dargeboten werden sollten. Daß Jaxa 1157 bei Schildhorn nicht „die Spree" durchschwimmen konnte (S. 13), wird auch ein solcher Leser bemerken. Anderes muß er gläubig hinnehmen. Als charakteristisches Beispiel, wobei offenbar Vogel als Quelle diente, sei angeführt: Vogel berichtet (S. 56) richtig, daß Kurfürst Joachim II. am 1. 11. 1539 in Spandau „das Abendmahl in beiderlei Gestalt nahm" (d. h., wie allgemein bekannt, nach dem neuen lutherischen Brauch). Daraus entstand bei Kotschenreuther die völlig unsinnige Angabe: Joachim „nahm zusammen mit einigen Adeligen das Abendmahl in katholischer und evangelischer Form"! Von der Feier der Berliner Bürgerschaft am 2. November, die Vogel irrtümlich in die Nikolaikirche verlegt, sagt K. nichts. Der Laie wird daher doch besser mit dem Büchlein des Historikers Vogel bedient sein, das zuverlässig durch den Gang der Stadtgeschichte bis in die jüngste Gegenwart führt. Zu bedauern ist nur bei der Inhaltsfülle und dem Verzicht auf Sachgruppierung das Fehlen eines Personen- und Sachregisters, auch ein Hinweis auf die wichtigste Literatur dürfte nicht fehlen. Merkwürdigerweise berühren beide Autoren nicht die alte bürgerliche Verpflichtung zum Wach- und Waffendienst, die im Mittelalter und darüber hinaus eine recht wesentliche Bedeutung im Leben eines Bürgers hatte. Im Zusammenhang damit standen auch die nicht erwähnte Gliederung der Städte in „Viertel", die Leistung des Bürgereides auf den Spieß, die Bildung der Schützengilden zwecks Handhabung der Schußwaffen. — Von Vogels „Führer" ist bereits eine 2. Auflage im Erscheinen, die auch einzelne Versehen der 1. Ausgabe berichtigt. Es bezeugt den Anklang, den das Buch gefunden hat. Berlin Johannes Schultze Berlin in Vergangenheit und Gegenwart. Tübinger Vorträge. Hrsg. Hans Rothfels. — Tübingen: Mohr (Paul Siebeck) 1961. 158 S., 8 Abb. = Tübinger Studien z. Geschichte u. Politik Nr. 14. DM 9 , 8 0 - . Das hier noch anzuzeigende vorzügliche Sammelwerk, entstanden aus einer Ringvorlesung des Sommersemesters 1960, hat sich inzwischen infolge der hohen Qualität seiner Beiträge einen festen Platz in der neueren Berlin-Literatur gesichert. Hans Rothfels stellt das Hauptstadtproblem, die Frage der wirklichen und der „heimlichen" Hauptstadtfunktion Berlins, in den Mittelpunkt seiner ausgewogenen Betrachtungen (S. 1 — 11). Willi Drost entwirft anschließend ein anschauliches Bild von der singulären Gestalt des Baumeisters Schlüter und des Berliner Barock und rügt die Barbarei der Sprengung des Schlüterschlosses 28
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im Herbst 1950 u. a. mit den Sätzen: „Wir können nicht glauben, daß die Furcht vor den Kosten (eines Wiederaufbaus) zu dieser Tat zwang. Es ist vielmehr jene unselige geistige Einstellung, die die Kunst als Erzeugnis politisch-soziologischer Verhältnisse ansieht und elementaren politischen Haß auf das künstlerische Produkt überträgt" (S. 12—24). — Georg Scheja gibt einen konzentrierten Uberblick über die anschließende künstlerische Epoche („F. K. Schinkel und die Vollendung des Berliner Stadtbildes", S. 25—34). — Klaus Ziegler („Die Berliner Gesellschaft und die Literatur", S. 35—48) arbeitet die hohe Bedeutung der „frühzeitigen und freizügigen Mischung verschiedener religiöser Bekenntnisse" für die „Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit des Innerweltlichen" heraus, „in der nun einmal ein grundlegendes Merkmal sowohl der neuzeitlichen Philosophie, Wissenschaft und Technik wie Kunst und Dichtung beruht". — Der Beitrag von Eckehard Catholy über Berlin als Theaterstadt in der Weimarer Zeit (S. 49—60) zeichnet die Höhepunkte und einige markante Ereignisse der Theatergeschichte nach. — Die Gedenkrede von Eduard Spranger zur 150-Jahrfeier der Gründung der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin (S. 61 — 74) hebt die Bedeutung der Historiker, zumal Friedrich Meineckes besonders hervor. — Wolfgang Schadewaldts „Lob Berlins" (S. 75—92) betont Witz und Weltoffenheit des Berliners mit vollster Subjektivität. — In die nüchterne Wirklichkeit der wirtschaftlichen (Nachkriegs-)Probleme Berlins (S. 93 —123) führt die Studie von Dieter Pohmer (mit 11 Tabellen) zurück. — Adolf Schäle („Berlin als völkerrechtliches Problem", S. 124 bis 139) erörtert einige Hauptfragen des Vier-Mächte-Status. — Der abschließende Beitrag von Theodor Eschenburg („Das isolierte Berlin", S. 140—158) setzt sich kritisch mit der seinerzeitigen Freistadt-Propaganda des Ostens auseinander und weist auf das Interesse der beiden Großmächte an dem „Provisorium" hin. Berlin
Gerd Heinrich
MÜLLER, Adriaan von: Berlin vor 800 Jahren. Städte, Dörfer, Wüstungen von d. Gründung bis z. 14. Jh. — Berlin: Hessling 1968. 128 S. mit 27 Abb. u. Plänen = Schriften z. Berliner Kunst- u. Kulturgeschichte, 11. DM 11,80. Der kleine Bd., der sich nicht allein an den Fachmann wendet, will nur als eine erste Zusammenfassung neuer Forschungsergebnisse verstanden werden; das um so mehr, weil seit Erscheinen der Schrift (Weihnachten 1968) schon wieder eine Reihe von Funden gemacht worden ist, die das bisher gewonnene Bild weiter verdichten oder korrigieren. Zunächst wird der Versuch unternommen, die neuesten Ergebnisse archäologischer Forschung mit der Topographie der Städte im heutigen Groß-Berlin (Berlin, Cölln, Spandau, Köpenick) zu vereinen: nach dem Material liegen die ältesten Siedlungskerne um die Kirchen St. Nikolai (Berlin) und St. Petri (Cölln). Der markgräfliche Alte Hof (Aula Berlin 1261), der, wie Vf. beweist, vom Hohen Haus zu trennen ist, kontrollierte am östlichen der 3 Spreearme (der heute verschwunden ist) den Übergang auf den Barnim, weil das Gelände am Hohen Steinweg erst in einer jüngeren Ausbauphase, nach 1230, besiedelt wurde. Der Übergang auf den Teltow bedurfte einer solchen Sicherung nicht: die Befestigung von Cölln reichte nahe genug an den westlichen Spreearm heran. Nach der Belegung der Friedhöfe unter den Kirchen zu urteilen, begann die Besiedlung der Stadtkerne in der 2. Hälfte des 12. Jh.s (1160-1170). Eine ähnliche Phasenentwicklung hat auch Spandau erlebt, wie archäologische Untersuchungen im Stadtgebiet lehrten. Die Echtheit der Urkunde von 1232 ist bekanntlich bezweifelt worden, was M. nicht berücksichtigt. Natürlich sind die darin festgelegten Grenzen nicht die der städtischen Siedlung. Der Behnitz kann, wie M. mit Recht feststellt,
BERLIN
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niemals Sitz des Vogtes gewesen sein; er wird aber zur Amtsausstattung gehört haben. Nach dem archäologischen Befund hat die städtische Siedlung Spandau erst nach 1200, vielleicht um 1220—1230, auf den Bereich des Alten Marktes übergegriffen. Die in der Urkunde von 1232 erwähnte Flutrinne würde dann den Abschluß der städtischen Raumentwicklung bezeichnen. Das wäre eine Bestätigung der von J. Schnitze aufgestellten Hypothese, diesen Teil der Urkunde als echt zu bezeichnen. Anschließend folgt ein Katalog der Dörfer und Wüstungen. Mitteilungen zu den einzelnen Orten, vor allem aus dem Landbuch Karls IV., über Abgaben und Besitz bilden die Hauptmasse der Angaben, die für den Fachmann einen bestimmten Wert haben. Sie werden ergänzt durch die von K. Pomplun (Berlins alte Dorfkirchen, 3 Berlin 1967) übernommene Datierung der Kirchen und durch Nachrichten über archäologisches Material und vor allem neu ermittelte Wüstungen. Um terminologische Unscharfen zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, daß die Siedlungsgeschichte unter „Dorfkern" den ältesten Teil des Dorfes versteht, der oft um die Kirche herumliegt und der durch Erweiterungen und Zusiedlungen vergrößert worden ist. Diese Entwicklung läßt sich an zahlreichen Haufendörfern Altdeutschlands, aber auch auf Kolonialboden an den ländlichen Siedlungen Sachsens leicht verfolgen, in der Mark Brandenburg aber so gut wie nicht: auf der alten Feldmark von Mariendorf ist eine Wüstung Gersdorf nachweisbar. Nach dem Umriß der Flur muß dieser Ort in Mariendorf aufgegangen sein; er hat aber keine erkennbaren topographischen Spuren im Dorfgrundriß hinterlassen. Nur Britz, dessen Struktur sich von der der übrigen Dörfer auffallend unterscheidet, macht eine Ausnahme: hier darf man einen Kern um die Kirche ansetzen, der nach topographischen Beobachtungen auch archäologisch nachgewiesen wurde. Aus der Flur ist eine „Dorfstelle" bekannt. Ihr Aufgehen in Britz ist im Ortsgrundriß jedoch nicht mehr festzustellen. Bei Rudow heißt es: „Dorfkern heute noch sichtbar um die Dorfkirche". Vf. meint das alte Dorf, das aber nach A. Krenzlin ein Gassengruppendorf und damit einer der ganz wenigen Fälle mit mehreren Ortskernen ist. Nur einmal ist im siedlungshistorischen Sinn in Stolpe der Ortskern bezeichnet, wo „der älteste Dorfkern (durch Scherben) räumlich und zeitlich festgelegt" ist. Für solche Fragen ist jetzt heranzuziehen: H. Uhlig (Hrsg.), Flur und Flurformen ( = Materialien zur Terminologie der Agrarlandschaft Bd. 1), Gießen 1967. — In den Dörfern, aber eben nicht in den eigentlichen Dorfkernen, fand sich Keramik, die Vf. der 2. Hälfte des 13. Jh.s zuweist und deshalb zu der Ansicht gelangt, daß „die Gründung der heute noch vorhandenen Dorfkerne . . . nicht wesentlich vor 1250 erfolgt sein" konnte. Viele der späteren Anger- und Straßendörfer seien erst nach einem umfangreichen Wüstungs- und Konzentrationsprozeß um 1250 entstanden. Die vorausgehende Phase vom Ende des 12. Jh.s an hätte kleine „Streusiedlungen" gebracht. (Der Terminus kann wiederum mißverstanden werden. Bei der hier angesprochenen Siedelform handelt es sich um „lockere Kleinweiler".) — Diese der älteren Forschung widersprechende These beruht im wesentlichen auf der Kombination von archäologischen mit siedlungsgeschichtlichen Methoden. Wie die bisher vorliegenden Ergebnisse zeigen, wird sich eine starke Differenzierung des Siedlungsvorgangs herausstellen, den Vf. zu knapp und einheitlich dargestellt hat. Die „Streusiedlung" in Düppel hat sich mittlerweile als ein platzdorfartiges Gebilde erwiesen und stellt sich damit zu den Platz- und Rundformen der Niederungen, die beim Eindringen der Deutschen die slawischen Kleinweiler abgelöst haben. M. möchte den Wüstungsprozeß um 1250 mit der Einführung der Dreifelderwirtschaft in Verbindung bringen. Es ist nicht recht einzusehen, weshalb das erst so spät geschehen sein sollte. An dieser Stelle fehlt auch eine Auseinandersetzung mit Krenzlins Ansicht von der flächenhaften Verbreitung der Hufengewannflur u. ä. Formen. Ich glaube, daß eine größere Zahl der Angerdörfer, namentlich in der Mitte des 28»
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Hohen Teltow, aus wilder Wurzel, ohne Vorgängersiedlung gegründet wurde. Daß der Teltow eine Phase frühdeutscher Besiedlung vor der sog. askanischen „Plansiedlung" (Krenzliri) erlebt hat, dürfte sicher sein, ebenso, daß Slawen am Landesausbau beteiligt waren. Zweifellos waren die Ränder der Hochflächen und auf ihnen die Gewässerlagen von dieser Siedlung eher erfaßt als die Mitte, auf der sich darum später die großen Anlagen ausbreiten konnten. Zu ihnen gehört wohl Marienfelde, dessen um 1220 errichtete große Kirche gewiß nicht die einer kleinen „Streusiedlung" war! — Im Hinblick auf die sich ständig ändernde archäologische Situation ist es vorstellbar, daß sich noch Keramik aus der 1. Hälfte des 13. Jh.s in den Dörfern findet. Wie groß aber die Schwierigkeiten der Datierung sind, zeigt wieder Marienfelde, wo das Material vom Gelände der sehr alten Kirche „in die Zeit des 13. Jh.s" zu verweisen ist. Es wird vielleicht doch noch möglich sein, Keramik aus der Zeit zwischen ca. 1170 und 1250 auch aus Dörfern und nicht nur aus Wüstungen zu bergen. Allein nach Lesefunden läßt sich bisher für den Siedlungsbeginn in den Dörfern keine absolut sichere Chronologie aufstellen: Lage, Ortsform und Name von Lübars bieten zweifellos Kriterien für eine ältere Siedlung als die dort gefundene Keramik des beginnenden 14. Jh.s. (Ersterwähnung 1247 !) — Vf. glaubt auch (S. 118), Wüstungen mit dem F1N „Die Dorfstelle" o. ä. der spätslawischen Zeit zuweisen zu können. Doch es wäre logischer, in solchen Fällen den Typ „Wenddorf" (so z. B. in Giesendorf; danach ist die Wüstungstabelle zu ergänzen) zu erwarten. In Rixdorf/Richardsdorf hätte wohl eher das deutsche Dorf den Namen des slawischen weitergeführt, wenn es eins gegeben hätte, wie wir das z. B. aus dem Havelland wissen. Ein solcher Fall scheint mir Lankwitz zu sein; bis jetzt ist dort aber noch keine Vorgängersiedlung gefunden worden. Weiter ist auf das Problem der „Adelshöfe" einzugehen. Vf. stellt eine Reihe von ihnen ohne Siedlungszusammenhang mit den Dörfern fest, z. B. den Alten Hof nahe der Pfaueninsel und den Hof Casow bei Charlottenburg. Er äußert sich nicht zu ihrer Funktion: sicher waren auch Wehranlagen, wie der Alte Hof in Berlin, darunter. Sollte man aber nicht eher an Reste früherer Dörfer denken, die z. T. später auch selbst wüst wurden? Der Name Casow bezeichnet doch sicher eine ältere Siedlung. Und die Stelle des Alten Hofes wird auf der beigefügten Abb. der Suchodoletz-Karte (S. 100) mit „Kartzer Luch" bezeichnet, die ganze Halbinsel bis hinüber nach Heckeshorn hieß noch lange „Der Kartz". Sicher liegt ein ON vor (nach Trautmann II, S. 91 von polab.-pomoran. *karc „Stelle, wo der Wald ausgerodet ist", abzuleiten), vgl. ON Kartzow (Osthavelland) und F1N „Der Karutz" im Hohenfinower Wald. Oder man denke an das Dorf Wedding, das 1251 mit Ausnahme der Mühle wüst liegt, 1289 dort aber eine curia genannt wird. Ganz deutlich ist die Entwicklung in Rixdorf! Hier gab es zunächst ein durch F1N belegtes Dorf, das durch einen Hof abgelöst wurde, der 1360 wieder in ein Dorf verwandelt wurde. — Es wäre besser, statt von Adelshöfen von großen Höfen zu sprechen, weil auch einige im Besitz geistlicher Institutionen waren. Zum Abschluß seien einige Ergänzungen erlaubt: Bei Blankenburg fehlt der Hinweis auf den slawischen Burgwall. — Die Angaben zu Hellersdorf werden vermischt mit Hellersdorf bei Rahnsdorf (vermutlich die Stelle der heutigen Kolonie Fichtenau); vgl. M. Pick, Helwichsdorf deserta, in: Brandenburgia 48 (1939), S. 22—23, und Vf. selbst S. 73 über Rahnsdorf, wo er die Hellersdorfer Heide nennt. — Unter Reinickendorf ist die Wüstung am Schäfersee nachzutragen, vgl. H.Jahn in: Der Marsch in die Heimat. Ein Heimatbuch des Bezirks Berlin-Reinickendorf, hrsg. von Dr. W. Pauls und W.Tessendorf, Frankfurt/M. 1937, S. 212-215. Berlin
Eberhard Böhm
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RIEGER,
Julius: Berliner Reformation. — Berlin: Lettner 1967. 213 S. DM 17,80.
„Berliner Reformation" wird in diesem für den historisch interessierten Laien bestimmten Buch nicht nur als Ereignis der Reformationseinführung, vielmehr und darüber hinaus als etwas Zeitloses, Bleibendes und Erwünschtes in einer Region des Protestantismus verstanden. Es ist der Versuch eines aktiven protestantischen Theologen, dem historischen und dem aktuellen Selbstverständnis der Berlin-Brandenburgischen evangelischen Kirche aufzuhelfen und zu dienen. Der ökumenische Standpunkt wird immer wieder herausgestellt und führt zu einigen noch nicht alltäglichen Einsichten und Deutungen. R. behandelt alle Hauptereignisse, angefangen von der Judenverfolgung Joachims I. 1510, sodann die Etappen reformatorischer Durchdringung der Mark, Kirchenordnung und Visitationen, Persönlichkeiten, Konsistorium und Interim, die Ordnungen von 1572/73 und die Konkordienformel, die Unruhen während des Uberganges der Hohenzollern zum reformierten Bekenntnis, Paul Gerhardt, Kolonisten und Glaubensvertriebene, das Unionsjahr 1817 und schließlich das „Heute", — wo sich der Satz findet: „Wenn Melanchthon heute lebte, könnte er nicht — wie er es 1535 tat — von Wittenberg nach Spandau reisen" (S. 210). Insgesamt handelt es sich mithin um keine im strengen Sinne wissenschaftliche Darstellung, vielmehr um einen in der Tatsachenbehandlung zuverlässigen und modernistisch-ansprechend geschriebenen Überblick und Rückblick, der ein gutes Beispiel dafür bietet, wie regionale Geschichte popularisiert werden kann — und muß. Literaturhinweise sind über das Werk verstreut, sie wären besser am Schluß zusammenzufassen gewesen. Die historisierenden Vignetten von Sieth und die äußere Gestalt des Werkes unterstreichen den positiven Eindruck dieser eigenwillig-anregungsreichen Neuerscheinung. Berlin
Gerd Heinrich
STÜRZBECHER, Manfred: Beiträge zur Berliner Medizingeschichte. Quellen u. Studien z. Geschichte d. Gesundheitswesens vom 17. bis 19. Jh. Mit e. Einf. von Johannes Schultze. — Berlin: de Gruyter 1966. XII, 234 S. = Veröffentlichungen d. Hist. Komm, zu Berlin beim Friedrich- Meinecke-Institut d. Freien Universität Berlin, Bd. 18. DM 4 8 , - .
Dieser Sammelbd. enthält drei selbständige Studien zur Medizingeschichte Berlins und der Mark Brandenburg. Der Beitrag „Zur Geschichte der brandenburgischen Medizinalgesetzgebung im 17. Jh." (S. 1 — 66) behandelt Entstehung und Auswirkung des Medizinaledikts von 1685. Im Gegensatz zu R. A. Dorwart, dem in den USA nur der „Mylius" zur Verfügung stand, legt Vf. seiner Untersuchung ungedruckte Medizinalakten zugrunde, die sich in Berliner, Potsdamer und Merseburger Archiven befinden. Dabei stellt sich heraus, daß ein Teil des Materials, das noch von M. Pistor ausgewertet wurde, heute als verloren angesehen werden muß. So ist es auch zu begrüßen, daß vor allem Quellentexte geboten werden (Brief der Leibärzte von 1661, Entwurf einer Medizinalordnung, Konzept eines Ordnungstextes von 1662, undatierte Petition der Leibärzte, Text der Edikte von 1685 und 1693), denen jeweils eine kurze Interpretation beigefügt ist. Vf. kommt zu dem Ergebnis, daß die Motivation für die Medizinalgesetzgebung nicht in erster Linie in der Sorge um die Volksgesundheit zu sehen ist; dazu war man im 17. Jh. noch zu sehr einer mittelalterlichen Geisteshaltung verhaftet. Vielmehr machte die stetig wachsende Zahl der in den Heilberufen tätigen Personen eine behördliche Regelung notwendig. So wurden in Anlehnung an die Zunftordnungen die Ausbildung der Ärzte, ihre Berufsausübung und die der Apotheker geregelt, die Kompetenzen der Heilberufe abgegrenzt und die Taxe
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festgelegt. Als Behörde wurde das collegium medicum geschaffen, das ursprünglich (wie in Österreich) als Standes Vertretung gedacht war. Die von Leibniz geforderte Gesundheitspolizei wurde erst im 18. Jh. mit dem collegium sanitatis geschaffen. Mit dem Beitrag „Uber die medizinische Versorgung der Berliner Bevölkerung im 18. J h . " (S. 67—155) liegt die erweiterte Fassung der med. Diss. des Vf.s im Druck vor. In dieser, auch kultur- und sozialgeschichtlich interessanten Abhandlung wird gezeigt, wie sich drei Faktoren, die „Anzahl der Heilpersonen, die soziale Situation und die medizinische Wissenschaft bzw. das Fehlen einzelner Voraussetzungen für die Volksgesundheit ausgewirkt haben": Die Zahl der approbierten Ärzte reichte im Berlin des 18. Jh.s für eine zufriedenstellende Versorgung der Bevölkerung nicht aus. (In anderen Städten der Kurmark war die Situation noch ungünstiger.) Durch verhältnismäßig hohe Taxen wurde die Situation noch verschärft. Die Medizinalwissenschaft selbst hatte in Brandenburg, vor allem unter niederländischem und pietistischem Einfluß einen hohen Stand, so „daß bei einer größeren Anzahl von Ärzten und bei einer Wirtschaftslage, die ihre Konsultation durch alle Bevölkerungsschichten ermöglichte, bei dem damaligen Stand der Medizin die Sterblichkeit wesentlich geringer gewesen wäre". Vf. macht in seiner ausgewogenen Darstellung an Hand zeitgenössischer Berichte auf die Vielschichtigkeit der sozialen Problematik aufmerksam. In diesen Themenkreis gehört auch das Problem des Kurpfuschertums, das nicht nur aus sozialen und psychologischen Gründen entstand, sondern auch auf das zeitgenössische Zunftdenken zurückzuführen ist, denn unter den „Pfuschern" befanden sich wissenschaftlich ausgebildete Ärzte, die aus wechselnden Gründen lediglich keine „Approbation" erlangt hatten. Der abschließende Beitrag („Die Prosektur der Berliner Charité im Briefwechsel zwischen Robert Froriep und Rudolf Virchow"), S. 156—220, wäre besser an anderer Stelle veröffentlicht worden. Er „interessiert in erster Linie den Fachmediziner", wie bereits Johannes Schnitze in einer Einführung (S. V—VII) feststellt. Außer einem nützlichen Personen-, Orts- und Sachregister enthält der Sammelbd. die erstaunlich umfangreiche Bibliographie des Vf.s. Leider fehlt ein Literaturverzeichnis zu den einzelnen Beiträgen. Berlin
Wolfgang
Ribbe
SCHULZ, Günter: Das Berlinische Archiv der Zeit und ihres Geschmacks. Eine Zeitschrift der Goethezeit. Zugleich ein Beitrag zur Berlinkunde im Rahmen der Erwachsenenbildung. Mit e. Bibliographie v. Ursula Schulz. Hrsg. v. d. Bremer Volkshochschule. — (Bremen [o. J.] : Weserdruckerei D. Putscher.) 111 S. = Bremer Beiträge zur Freien Volksbildung. H. 10. Das „Berlinische Archiv der Zeit und ihres Geschmacks" (BA) gehört zu den kurzlebigen bildungspolitischen „Journalen", die im Gefolge der Französischen Revolution, ihrer sozialen und kulturellen Umwälzungen, auf deutschem Boden ebensooft emporschössen wie rasch wieder eingingen. Immerhin konnte es sich sechs Jahre lang (1795 bis 1800, mit jährlich 900 bis 1200 Seiten) halten; immerhin erschien es unter der Leitung dreier bekannterer Publizisten der Zeit (Friedrich Eberhard Rambach, Ludwig Wilhelm Meyer, Aurelius Ignaz Feßler) in Berlin, der geistig unruhigen Hauptstadt eines freilich weitgehend erstarrten Staatswesens; und nicht zuletzt zeigte es sich den vielfältigen literarischen Strömungen jener Umbruchszeit gegenüber aufgeschlossen und kritisch zugleich.
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BERLIN
Diese Tatsachen und der Rang einiger seiner Mitarbeiter — genannt seien Fichte, David Friedländer, Klopstock, Friedrich Schleiermacher — verleihen dem BA eine gewisse Sonderstellung, die es gerechtfertigt erscheinen ließ, ihm eine monographische Veröffentlichung zu widmen. Das Heft besteht aus drei Teilen. Die einleitenden Bemerkungen des Vf.s wollen unter dem Titel „Einblicke in Berlins Geschichte" „historische Dimensionen erschließen" (S. 5). Sie enthalten manche zutreffenden und viele recht allgemein gehaltenen Gedanken, deuten einige inhaltliche Schwerpunkte der Monatsschrift an und geben mehrere, z. T. scharfe Kritiken (von Goethe und A. W. Schlegel) wieder. Es folgt die im Untertitel genannte, den Inhalt des BA genau registrierende Bibliographie (S. 25—56), die allerdings rein chronologisch eingeteilt ist und auf jegliche Sacherläuterung oder gar thematische Gruppierung verzichtet. Der 3., gehaltvollere Abschnitt (S. 57—111; von wem stammt er wohl?) nennt sämtliche, zumeist anonym schreibenden Mitarbeiter mit ihren Aufsätzen, dazu Lebensund Berufsangaben, teilweise knappe bibliographische Hinweise und gelegentlich ausführlichere Quellentexte: auch hier also Verzicht auf eine sachliche Aufschließung des vielseitigen Inhalts dieser Zeitschrift. Und dies gilt für das Heft, dem Inhaltsverzeichnis und Erscheinungsvermerk fehlen, überhaupt: Eine wirkliche stoffliche Durchdringung und Einordnung in den größeren Bildungszusammenhang wird entweder nicht versucht oder vorzeitig aufgegeben. Berlin
Werner Schochow
PIERSON, Kurt: Dampfzüge auf Berlins Stadt- und Ringbahn. Vergangenheit u. Gegenwart Berlins im Spiegel seiner Stadt-, Ring-u. Vorortbahnen. — Stuttgart: Franckh'sche Verl.handlung 1969.107 S. mit 34 Abb. i. Text u. 72 Fotos. (Lok-BuchReihe.) DM 16,80. Diese als „Berlin-Buch besonderer Prägung" vorgelegte Neuerscheinung ist von einem als Fachmann auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens bekannten Autor an Hand vielfältigen Materials gestaltet worden, in das er während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit wie kaum ein anderer einen tiefen Einblick zu nehmen vermochte. Pierson verknüpft in dieser Darstellung die nüchternen betriebs- und allgemein-technischen Details der Fahrzeuge, die bis nach dem 1. Weltkrieg im Dampfbetrieb auf den Strecken in und um Berlin eingesetzt waren, mit der plastischen Schilderung typischer Szenerien des Berliner Eisenbahnverkehrs dieser Zeit. So gelingt es ihm, bezeichnende Schlaglichter auf verkehrshistorisch bedeutsame Ereignisse zu werfen, deren Auswirkungen auf die Struktur des Netzes der Schienenverbindungen im Räume Berlins auch noch heute spürbar sind. Auch die technischen Probleme und Vorgänge klingen an, ohne die die Verkehrsgeschichte gerade seit dem Ende des vorigen Jh.s doch immer unvollständig bleibt. Eindrucksvolles Bildmaterial, u. a. Detailpläne von Bahnhöfen, die heute dem Erdboden gleichgemacht sind, erläutern den Text und runden den sehr positiven Eindruck, den dieses Buch macht, ab. Der Untertitel täuscht mit dem Begriff „Gegenwart" aber eine Zeitspanne vor, die sich im Inhalt nur auf das Geschehen vor 1920 beschränkt, wenn man von einem Plan des gegenwärtigen Eisenbahnnetzes absieht, bei dessen Auswahl und Gestaltung Autor und Verlag nicht gut beraten waren. Es wäre zu wünschen, daß bald ein ähnliches Buch für die Zeit nach 1920 zur Verfügung stehen wird. Berlin
Wolfgang Scharfe
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STENGEL, Walter: Zeitvertreib. 10 Kapitel Berliner Kulturgeschichte. — Berlin: de Gruyter 1969. 112 S., 79 Abb. DM 3 2 , - . Der 3. Bd. 1 der kulturgeschichtlichen Studien des ehemaligen Direktors des Märkischen Museums (f 1960) unterscheidet sich in Aufbau und Gehalt nicht von seinen Vorgängern. Behandelt werden in engster Anlehnung an die Quellen Maskeraden, Volksbelustigungen, Kugel- und Ballspiele, Brettspiele, Karten, Gesellschaftsspiele, Zucker- und Zuckergerät, Wachsfiguren, Gartenschmuck und Tierliebhabereien. Der Vf. der brandenburgischen „Bienen-Kunst" (1696) heißt Grüwel, nicht Brüwel (S. 40). Nachgestellte Anmerkungen belegen zahlreiche Funde und Beobachtungen. Es sind, mit einem Ausdruck von Stengel selbst, „Quellenstudien", kulturgeschichtliche Vorarbeiten, gelegentlich durch kunsthistorische Vergleiche aufgelockert. Es lag nicht in der Absicht des ungewöhnlich quellenkundigen Autors, den sozialgeschichtlichen oder wirtschaftlichen Hintergrund transparent werden zu lassen. Die Qualität der leider ausschließlich schwarz-weißen Abb. ist überwiegend gut. Die technisch mißglückte Abb. 68 wäre besser von dem farbigen Schutzumschlag zu übernehmen gewesen. Obwohl der 3. Bd. von der Ausstattung her unzweifelhaft der gelungenste ist, haftet ihm ein schwerer Fehler an. Während der noch zu Stengels Lebzeiten erschienene Heßling-Bd. ein musterhaftes Namen- und ein Sachregister, der 1. de-Gruyter-Bd. wenigstens noch ein Namenregister besitzt, ist nunmehr auf Register gänzlich verzichtet worden. Der hohe, ja für unser Gebiet — die Studien greifen weit über Berlin in den brandenburgischen und preußischen Kulturraum aus — einmalige Wert der Quellenarbeit Stengels wird davon zwar nicht unmittelbar berührt; die wissenschaftliche Auswertung und die erwünschte Weiterarbeit auf diesem so selten bestellten Felde wird dadurch jedoch erheblich behindert. Berlin
Gerd Heinrich
GLÄSER, Ludwig: Eduard Magnus. Ein Beitr. z. Berliner Bildnismalerei d. 19. Jh.s. - Berlin: arani 1963. 141 S., 37 Abb. D M 2 2 , - . Zur Berliner Bildnismalerei des Biedermeier ist seit den zusammenfassenden Arbeiten von Käte Gläser (1929 und 1932) wenig Neues erschienen. Mit dem aus einer Diss. hervorgegangenen Buch von L. Gläser ist das Werk des nächst Franz Krüger und Karl Begas wohl bekanntesten Berliner Porträtisten erstmalig erschlossen. Einem Text, der die Biographie und den Stil des Malers behandelt, folgt ein 262 Nummern umfassendes Werkverzeichnis, das noch existierende, verschollene und verlorene Gemälde und Zeichnungen enthält. Davon sind 34 Gemälde und eine Zeichnung abgebildet. Der Bedeutung Magnus' als Porträtist vornehmlich des Großbürgertums und der geistigen Elite Berlins gemäß, enthält das Werkverzeichnis die Porträts vieler bekannter Persönlichkeiten. Zum Beispiel erscheinen unter den Porträtierten Ludwig Cauer, Paul Heyse, Franz Krüger, Jenny Lind, Felix Mendelssohn Bartholdy, Adolph Menzel, Christian Daniel Rauch, Berthel Thorwaldsen und der General Wrangel. Das Buch bildet damit einen wertvollen Beitrag zur Kulturund Geistesgeschichte Berlins. Da ausführliche Quellen zum Leben und Werk von Magnus nicht bekannt sind, bedeuten die aus vielen kleineren Hinweisen rekonstruierte Biographie und das Werkverzeichnis eine anerkennenswerte Leistung. Nicht ganz deutlich wird die Gestalt von Magnus als ' W . S t e n g e l , Alte Wohnkultur in Berlin und in der Mark im Spiegel der Quellen des 16. —19. Jh.s, Berlin 1958. — Ders., Guckkasten. Altberliner Curiosa, Berlin 1962. Vgl. JGMOD 12, S. 377.
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Künstler. Trotz des Nachweises von verschiedenartigen Einflüssen läßt die überraschende stilistische Uneinheitlichkeit des Oeuvres, soweit man es durch die Abbildungen kennenlernt, manche Frage offen. Magnus' Wirken als Genremaler hätte stärker berücksichtigt werden müssen, wenn es auch heute nicht mehr sonderlich interessiert. Keines seiner Werke dieser Gattung ist abgebildet. Die Kataloge der Berliner Akademieausstellungen sind zwar vielfach zitiert, dennoch sind nicht alle Werke verzeichnet, die durch die Akademiekataloge nachgewiesen werden können, so eine Kopie nach Bronzino (1826, Nr. 966), ein verschollenes Werk, das dennoch eine Aussage zur künstlerischen Tendenz des jungen Magnus machen kann, ein „Hirt aus Tivoli" (1830, Nr. 406), ein Bildnis eines Greises mit seinem Enkel (1836, Nr. 578) oder ein italienisches Genrebild (1839, Nr. 518). Gewiß hätte sich auch aus der reichhaltigen zeitgenössischen Zeitschriftenliteratur und aus den Berliner Zeitungen noch manches zu Magnus und seinem Werk ermitteln lassen. Berlin
Helmut
Börsch-Supan
SCHWIPPS, Werner: Otto Lilienthals Flugversuche. — Berlin: Haude & Spener 1966. 98 S. mit 35 Abb. = Berlinische Reminiszenzen, Bd. 11. DM 9,80. „Es wird seinen ersten Flug nehmen der große Vogel vom Rücken eines Hügels aus, das Universum mit Verblüffung, alle Schriften mit seinem Ruhme füllend, und ewig Glorie dem Ort, wo der Vogel geboren ward." Dieser Ausspruch Leonardo da Vincis auf dem Sockel des Lilienthal-Denkmals in Berlin-Lichterfelde klingt einigermaßen makaber angesichts der Unbekanntheit des Monuments und der Bedeutung Lilienthals für die Entwicklung der Luftfahrt. Nur wenige Flugpassagiere in den großen Düsenmaschinen, die Berlins Verbindung mit der Welt aufrechterhalten, werden unter sich den Lichterfelder Fliegeberg, den ersten künstlichen Flugplatz der Welt, von dem die Fliegerei ihren Ausgang nahm, erkennen oder gar suchen. Werner Schwipps hat in der Reihe „Berlinische Reminiszenzen" Leben und Flugversuche Lilienthals liebevoll nachgezeichnet, vom Vater, „der allein ein Klavier die Treppe hinauftragen konnte", über die brillanten Schulzeugnisse, den Fabrikarbeiter und Zeichner bei den Maschinenfabriken Schwartzkopff, den Virtuosen im notgedrungen billigen Leben bis hin zum Fabrikbesitzer, der schon 1890 als einer der ersten Unternehmer seine 36 Arbeiter mit 25% am Reingewinn beteiligte. Das Büchlein zeigt aber nicht nur die Lebensgeschichte Otto Lilienthals — und in geringerem Maße seines Bruders Gustav —, die ja gleichzeitig Berliner Lokalgeschichte darstellt, sondern auch die Zähigkeit und die durchaus wissenschaftlichen Methoden, mit denen die Lilienthals versuchten, das menschliche Flugproblem zu lösen. Sie kamen durch systematische, praktische und theoretische Versuche in der Werkstatt und der Natur zu den Gesetzmäßigkeiten und technischen Möglichkeiten des Fliegens. Die Lilienthals mußten sich notwendig auf den Gleitflug beschränken, Pläne mit Hilfe von Motoren, die Ende des Jahrhunderts langsam ein akzeptables Leistungsgewicht annahmen, zu fliegen, konnten durch den Todessturz Otto Lilienthals im August 1896 nicht mehr verwirklicht werden. Das Bändchen, das die wilhelminische Atmosphäre der Zeit und den wissenschaftlichen Ernst der Lilienthals — die 13 flugtechnischen Artikel Otto Lilienthals sind am Ende aufgeführt — recht gut darstellt, wird ergänzt durch eine große Zahl von interessanten Bildern, war doch der fliegende Lilienthal für die ebenfalls gerade entdeckte Momentfotografie ein dankbares Objekt. Berlin
Hans H. Biegert
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BESPRECHUNGSTEIL EINZELNE
GEBIETE
BOVERI, Margret: Tage des Überlebens. Berlin 1945. — München: Piper 1968. 338 S. DM 19,80. M. Boveri will ihr neues Buch als Antwort verstanden wissen, als Antwort auf die Frage, die der britische Historiker A . J. P. Taylor in einer Rezension von Ryans „Der letzte Kampf" gestellt hat: „Wie vermochten die Deutschen während der Niederlage mit so unentwegter Standhaftigkeit weiterzumachen?" (S. 10,60) Sie tritt also mit dem Anspruch auf, stellvertretend für diejenigen Deutschen zu sprechen, die das Ende des Dritten Reiches in Berlin erlebt und überlebt haben. A n diesem Anspruch muß ihr Buch gemessen werden. Als ein weiteres Kriterium ist zu berücksichtigen, daß die Aufzeichnungen ursprünglich nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt waren. Im Frühjahr 1944 hatte die „unverbesserliche Journalistin" (S. 34) Portugal und Spanien verlassen und war in die bedrohte Reichshauptstadt zurückgekehrt, um auch nach der bevorstehenden Katastrophe an den Quellen der Information zu bleiben (S. 14). Ihre Erlebnisse in dem umkämpften, zerstörten und gespaltenen Berlin hat B. zunächst auf Postkarten an eine Schweizer Freundin fixiert, dann in einem tagebuchähnlichen Brief, der nicht mehr abgeschickt werden konnte und sich schließlich zu einem gewichtigen Rundschreiben an Freunde und Bekannte ausweitete. Dieser Brief mit Überlänge bildet neben den Postkarten, die in der Schweiz angekommen sind, die Textgrundlage des jetzt veröffentlichten Buches, das den Zeitraum zwischen dem 3. Februar und dem 11. September 1945, zwischen den letzten schweren Luftangriffen und der Flucht der Vf.in in die amerikanische Besatzungszone erfaßt. Unterbrochen wird die Wiedergabe der Originalschriften durch kursiv gesetzte Zwischentexte, z. B. nachträgliche Betrachtungen zu den damaligen Ereignissen, Wehrmachtsberichte sowie Auszüge aus der „Times" und aus Memoiren, die dazu beitragen sollen, den Text mit seinen oft vorschnell gefällten Urteilen zu objektivieren (S. 29f.). Das Ergebnis ist ein schwungvoller Bericht, dessen beste Passagen in der 2. Hälfte, den Notizen über die beginnende Normalisierung des Lebens in der verwüsteten Stadt, zu finden sind. Angenehm berühren auch der derbe, meist herzliche Ton, der Verzicht auf Selbstmitleid und Selbstanklage, so daß man bereit ist, der Vf.in einige stilistische Unmöglichkeiten nachzusehen. Mißlich ist aber, daß B. in ihrem löblichen Bemühen, „die Vorurteile zwischen Deutschen und Russen zu überwinden" (S. 30), von einem Extrem in ein anderes verfällt. Folglich werden nicht nur die Begleitumstände zweier Vergewaltigungen, deren Opfer sich das Leben nehmen wollten, von B. absonderlicherweise als „sehr komisch" bezeichnet (S. 111), sondern die Vf.in versteigt sich sogar dazu, den deutschen Soldaten und Kriegsgefangenen die Schuld an der sittlichen Verwahrlosung zu geben, denn „die deutschen Frauen hätten ihre Männer allzulange entbehren müssen" (S. 223). Wen nimmt es angesichts solcher Parteilichkeit noch wunder, daß die rührige Journalistin die für die Situation des Kalten Krieges Verantwortlichen ausschließlich im Lager der Westmächte sucht (S. 3 1 , 1 9 2 ) ? Ob das ein erfolgversprechendes Rezept für die Beseitigung der „Reste von Aggressionshaltungen" (S. 30) ist, erscheint zweifelhaft. Eine Antwort will B. mit ihrem Buch geben. Sie weiß aus Erfahrung, daß die Berliner nur durchzuhalten vermochten, weil durch die Bedrohung mit militärischer Macht eine „psychologische Gegenwehr" der betroffenen Bevölkerung erzeugt wurde (S. 31), weil die dauernde Nähe des Todes eine „ungeheure Erhöhung des Lebensgefühls" bewirkte (S. 9). Es ist B. auch gelungen, „das Eingesponnensein in eine Geistesverfassung", in der sich Berlin damals befand (S. 16), zu verdeutlichen. Aber repräsentativ sind weder ihre Erfahrungen noch ihr Verhalten. In der Chronik der „Tage des Überlebens" spiegelt sich nicht
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BERLIN
das Schicksal der Berliner Bevölkerung, sondern nur die Vf.in selbst, und zwar von einer Seite, die nicht jedem Leser sympathisch sein wird. Berlin
Dieter Gaedke
Dokumente deutscher Kriegsschäden. Evakuierte, Kriegssachgeschädigte, Währungsgeschädigte. Die geschichtl. u. rechtl. Entwicklung. Bd. 4, 2: Berlin. Kriegsu. Nachkriegsschicksal d. Reichshauptstadt. Hrsg. v. Bundesminister f. Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. — Bonn 1967. XIX, 1139 S. mit Abb., 2 Ktn. Der Bd. gliedert sich in einen darstellenden (S. 1 — 56) und einen dokumentatorischen Teil. Doch ist die Gliederung des Gesamtwerkes unübersichtlich. Register fehlen. Eine Abstimmung mit Berliner Publikationsstellen (z. B. Landesarchiv) scheint nicht stattgefunden zu haben. Das gleiche gilt für die Frage wissenschaftlicher Beratung. Auch ein erläuterndes Vorwort vermißt man. Der 1. Teil (Das Kriegs- und Nachkriegsschicksal der alten Reichshauptstadt; von Reinhard Hellwig) behandelt u.a. Kämpfe, Schäden, Gefallenenzahlen, Bevölkerungsentwicklung, Demontagen, politische Entwicklung nach 1945, Umstellung der Uraltkonten, Wiederaufbau und Wirtschaftsförderung, Lastenausgleich, Anliegen der Berliner Geschädigten. Die benutzten Quellen- und Literaturwerke vor allem für die politische Geschichte sind lückenhaft und von unterschiedlichem Wert. Man merkt dem Beitrag auf Schritt und Tritt an, daß er nicht in Berlin geschrieben wurde. Der Dokumentationsteil enthält folgende Gliederung: Kriegssachschäden, Politische Entwicklung, Währungsreform, Uraltkonten, Wiederaufbau, Berlin und der Lastenausgleich, Berlin und der Bund sowie — auf einer halben Seite — Kriegssachschäden in der SBZ. Dieser letzte Beitrag von Hans Baumgart (Bonn) gereicht dem Bd. am wenigsten zur Ehre. Tatsächlich gibt es in begrenztem Maße sehr wohl für bestimmte individuelle Kriegs- und Kriegsfolgesachschäden Entschädigungsleistungen der staatlichen oder kommunalen Behörden, beispielsweise in den brandenburgischen Bezirken für den Komplex der von der Besatzungsmacht beschlagnahmten Ländereien oder Gebäude. In bunter Folge werden in dem Dokumentationsteil Auszüge aus Memoiren, aus offiziösen und offiziellen Verlautbarungen, aus Quellen- und Gesetzessammlungen, aus Ministerialakten oder Zeitungen abgedruckt. Auch bisher unveröffentlichte Akten sind eingestreut. Die Quellenangaben sind ungleichmäßig. Als „Dokumentation" wird auch der gesamte Beitrag von Karl C. Thalheim über die Berliner Wirtschaft nach 1945 aus der Heimatchronik Berlin (1962) abgedruckt. Insgesamt handelt es sich bei diesem ministeriellen Thesaurus im doppelten Sinne des Wortes um eine Fundgrube zur Nachkriegsgeschichte Berlins. Berlin
Gerd Heinrich
LANGE, Annemarie: Berlin, Hauptstadt der DDR. 3., Überarb. Aufl. — Leipzig: VEB Brockhaus 1967. 236 S. = Brockhaus-Stadtführer. DM 5,60. Der Brockhaus-Stadtführer Berlin behandelt nur Ost-Berlin. Wie die Altstadt und ihre Umgebung jenseits der Mauer heute aussieht, was nach dem letzten Krieg erhalten blieb oder neu gebaut wurde, wie eine sozialistische Hauptstadt geplant wird, das kann der aufmerksame Leser und Betrachter hier erfahren. Der Aufbau des Bd.es entspricht dem Rahmen eines übersichtlichen und brauchbaren Städteführers. Die geschichtliche Einleitung ist in ihrem neuzeitlichen Teil und in dem kurzen Abschnitt über die politische Stellung West-Berlins voll ideologischer Phrasen und historischer Unwahrheiten. Auch bei der Beschreibung der Sehenswürdigkeiten, Kultureinrichtungen und den praktischen Hinweisen
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B E S P R E C H U N G S T E I L EINZELNE GEBIETE
für den Besucher der Stadt ist Vorsicht geboten, und der Benutzer muß kritisch bleiben. So fehlt beispielsweise jeglicher Hinweis auf die sinnlose Zerstörung von Kunstwerken in der Nachkriegszeit. Der Verbleib der Reiterdenkmäler des Großen Kurfürsten (ehemals auf der Langen Brücke, heute im Ehrenhof des Charlottenburger Schlosses) und Friedrichs d. Gr. (1950 nach Potsdam gebracht und 1962 im Hippodrom bei Charlottenhof aufgestellt), einstmals beherrschende Kunstwerke im Berliner Stadtbild, werden nicht einmal erwähnt. Auch wird verschwiegen, daß die erhaltenen Reste der Quadriga vom Brandenburger Tor verschrottet wurden (nur ein Pferdekopf gelangte ins Märkische Museum) und daß diese nach einem Gipsmodell in West-Berlin neu getrieben wurde und von Ost-Berlin, wenn auch verstümmelt, an ihren alten Platz gestellt wurde. Alle Unkorrektheiten und Fehler in der Berichterstattung sind offensichtlich beabsichtigt und aus politischen bzw. ideologischen Gründen gemacht worden. Im Ganzen ist uns hier ein Führer in die Hand gegeben, der ausführlicher als der .Baedeker' dem Benutzer mit seinen Hinweisen, aber auch durch das, was er fortläßt oder was er unserer Auffassung Entgegengesetztes sagt, nützlich sein kann. Berlin
Ferdinand
Schwenkner
GALANTE, Pierre: Ein Franzose an der Mauer. (Le mur de la honte, dt.). Aus d. Französ. von Dolly Miazzo. Bearb. d. dt. Ausg. nach d. Stand vom Herbst 1967 von Rainer Hildebrandt. - Stuttgart: Seewald 1967. 227 S. mit Abb. DM 17,80. RIESS, Curt: Alle Straßen führen nach Berlin. Mit e. Geleitw. von Lucius D. Clay. — Hamburg: Hoffmann u. Campe 1968. 337 S. DM 24,— . ZOLLING, Hermann, u. Uwe BAHNSEN: Kalter Winter i m August. Die BerlinKrise 1961/63. Ihre Hintergründe u. Folgen. — Oldenburg, Hamburg: Stalling 1967. 236 S., 16 S. Abb. DM 19,80. Die auch heute noch fortdauernde, mit den Jahren 1958 und 1961 beginnende Berlinkrise hat die Folge, daß der Umfang der Berlinliteratur sich Jahr für Jahr immer mehr ausdehnt, ohne daß der neue Ertrag dieser Bücher immer auf der Höhe der von Autor und Verleger erhobenen Ansprüche steht. Auf der anderen Seite spiegeln sie, je nach dem Zeitpunkt ihres Erscheinens, oft sehr lebendig die besondere Lage des Momentes wider, auch wenn Zweifel erlaubt sind, ob die im ersten Feuer des Erlebens formulierten Werturteile dem Problem und vor allem auch seiner niemals abreißenden Entwicklung wirklich genügen. Das Buch von Pierre Galante: Ein Franzose an der Mauer (1. französische Ausgabe bereits Paris 1966) ist in diesem Sinne überaus charakteristisch für jene erste Phase des Mauerbaues vom August 1961, in der die französische Politik wie die französische Publizistik mit größter Entschiedenheit die Partei des bedrohten Berlin ergriffen. Das Buch eines zum Staatsbürger der USA gewordenen geborenen Berliners ist das schriftstellerisch ungewöhnlich lebendige und hinreißende Buch von Curt Riess: Alle Straßen führen nach Berlin, das sehr bezeichnenderweise durch ein Geleitwort von General Lucius D. Clay eingeführt wird. Riess stellt mit dramatisch bewegendem Anteil vor allem seine Erfahrung während des Blockadejahres von 1948/49 und die Anfänge der endgültigen Spaltung der Stadt vom Mauerbau des August 1961 bis zu der Abberufung von General Clay durch Präsident Kennedy dar. Er gehört zu jenen Amerikanern, die schon 1948/49 in enger Fühlung mit Clay und seinem diplomatischen Berater Rob. Murphy stets überzeugt waren, daß die Sowjetunion nicht bereit sei, das Risiko eines großen Krieges um WestBerlin auf sich zu nehmen. So ist er im Blockadejahr 1948/49 wie in dem kritischen Jahr
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BERLIN
des Mauerbaues von 1961 bis 1962 der Vertreter einer sehr entschiedenen Kritik an der besorgten Zurückhaltung der Regierung in Washington und vor allem des State Department unter der Leitung von Dean Rusk, die von ihm mit außerordentlicher Bestimmtheit und Lebhaftigkeit, aber auch dem Anspruch, daß sie auch nach der Kubakrise noch Gültigkeit besitzt, vorgetragen wird. Die Autoren des Buches: Kalter Winter im August. Die Berlinkrise 1961/63. Ihre Hintergründe und Folgen — Hermann Zolling und Uwe Bahnsen — sind beide seit 1965 Mitglieder der Spiegel-Redaktion geworden, so daß es in Kritik und Forderung sich eng mit der berühmten Spiegelserie über die Krise des Jahres 1961 berührt, deren Thesen aber hier doch wesentlich erweitert worden sind. Der journalistische Hintergrund der Autoren tritt auch in der Zuversicht zutage, mit der immer wieder Gespräche führender Persönlichkeiten nach ihrem Wortlaut wiedergegeben werden. Der sehr knappe Anmerkungsapparat gibt keine Auskunft, wann und wann nicht dieser Anspruch auf der gleichzeitigen Aufnahme von Tonbändern beruht, so daß der Verwertung nach dieser Seite entschieden Grenzen der Skepsis gegenübertreten müssen. Sowenig Zweifel bestehen können, daß die Informationen des Spiegels oft genug auf sehr konkreter Grundlage beruhten, bleibt doch auch hier ein peinlicher Rest von Unsicherheit, mit dem die historische Verwertung jederzeit rechnen muß. Berlin
Hans
Herzfeld
DULLES, Eleanor Lansing: Berlin und die Amerikaner. (Berlin, the wall is not forever, dt.) - Köln: Verl. Wissenschaft u. Politik 1967. 295 S. mit Abb. DM 20,— . Das Buch ist das letzte Vermächtnis, das eine unermüdliche Freundin Berlins während der ganzen Dauer der Nachkriegszeit angesammelt hat. Die Vf.in hat Berlin erstmalig schon 1918 gesehen. Vor, während und nach den Jahren ihrer Wirksamkeit im State Department 1952—1959 hat die Schwester von John F. Dulles sich unermüdlich bemüht, der Stadt jede nur denkbare Hilfe zuzuwenden. Ihre politische Auffassung entspricht naturgemäß weitgehend der politischen Linie, die ihr Bruder als Staatssekretär verfolgt hat, wie noch der Satz zeigt: „Die Kubakrise wäre vielleicht niemals entstanden, wenn die Sowjets in Berlin 1961 (beim Mauerbau) mit einer festen und entschlossenen Haltung oder mit Gegenmaßnahmen konfrontiert worden wären" (S. 57). Um so eindrucksvoller ist es, daß die Gespräche, die sie zu späterem Zeitpunkt als private Besucherin von Berlin aufgezeichnet hat, sehr deutlich zeigen, wie stark sie bemüht gewesen ist, auch die Wandlungen in der Temperatur der Berliner öffentlichen Meinung und die Wandlungen in der politischen Lage der Stadt bis zu den Passierscheinverhandlungen W. Brandts in den Jahren 1963 bis 1966 ruhig und sachlich zu verstehen. Vor allem in diesen Schlußteilen besteht der Quellenwert des Bd.es als ein Zeugnis für die Stärke der Veränderungen, die seit der Kubakrise des Herbstes 1963 eingetreten sind. Berlin
Hans
Herzfeld
Verzeichnis der Bibliotheken in Berlin (West). Hrsg. im Auftr. des Senats von Berlin v. Hildegard Lullies. - Berlin: Spitzing 1966. XII, 301 S. DM 24,90. Als ein nützliches bibliothekarisches Hilfsmittel hat sich bereits die letzte Ausgabe des vorliegenden Gesamtverzeichnisses der Westberliner Bibliotheken erwiesen. Es verzeichnet in formalsystematischer Abfolge 612 Bibliotheken, die insgesamt über 7 Mill. Bd.e re-
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präsentieren, und dient hauptsächlich dem Berliner und gesamtdeutschen Leihverkehr. Genannt sind nicht nur die großen wissenschaftlichen und öffentlichen Allgemeinbibliotheken, die Fakultäts- und Institutsbibliotheken der Westberliner Hoch- und Fachschulen sowie die öffentlichen Bezirksbüchereien, sondern auch erwähnenswerte bibliothekarische Bestände in pädagogischen, künstlerischen, religiösen und behördlichen Einrichtungen, schließlich noch Betriebsbüchereien und Bibliotheken ausländischer Unterhaltsträger (Amerika-Haus, British Centre, Institut français), soweit sie sich in Westberlin befinden. Die Bibliotheksangaben selbst enthalten im einzelnen alle nur wünschenswerten für die Praxis benötigten Details wie Anschrift, Öffnungszeiten, Benutzungsbedingungen, Bestandsaufbau (im großen wie in ihrer fachlichen Aufschlüsselung) und einschlägige, die betreffende Institution behandelnde Veröffentlichungen. Dem Bibliotheksverzeichnis vorauf geht eine Aufstellung der verschiedenen im Westen der Stadt amtierenden Zentralkataloge, von denen freilich wegen der unterschiedlichen Größenverhältnisse allenfalls drei diesen Namen rechtens führen (Gesamtkatalog, FU- und TU-Bereich). Den Beschluß bilden ein sehr ausführliches systematisches Sachregister, je ein alphabetisches Bibliotheken- und Nachlaßverzeichnis sowie ein Sigelregister. 1 Berlin
Werner Schochow
Die Berliner Stadtbibliothek. Festgabe zur Eröffnung ihres Neubaues im Oktober 1966. (Red.: Hilde Weise-Standfest u. Adolf Weser.) - (Berlin: [Selbstverl.] 1966.) 60 S., 4 Farbtaf. Bibliographische Kalenderblätter der Berliner Stadtbibliothek. (Redakt. Bearb. [seit 1966]: Adolf Weser u. Hilde Weise.) Jg. 1 - 1 0 . 1959-1968 (jeweils mit Jahresregister). [Dazu:] Register 1959—1968. — Berliner Stadtbibliothek 1969 = Bibliographische Kalenderblätter. Sonderbl. 24. 30 S. Bibliographische Kalenderblätter. Sonderbl. 1—23. Bearb. v. d. Berliner Stadtbibliothek. 1959-1968. (Verschiedene Vf.; redakt. Bearb. der Reihe: A. Weser u. H. Weise.) Unser Berlin in Buch und Zeitschrift. Aus den Neuerwerbungen der Berliner Stadtbibliothek und der Ratsbibliothek. [Seit 1963:] Neues deutsches Schrifttum über unsere Hauptstadt. Zus.gest. v. d. Berliner Stadtbibliothek und ihrer Fachabt. Ratsbibliothek. Jg. 5 — 11. 1960-1966, je Folge 1 - 3 . Forts, u. d. T.: Berlin in Buch und Zeitschrift. Hrsg. v. d. Berliner Stadtbibliothek, bearb. v. ihrer Fachabt. Ratsbibliothek. Jg. 1 2 - 1 3 . 1967-1968 ([ersch.] 1968-69). (Dazu 10-Jahres-Register für Jg. 1 - 1 0 in: Jg. 10, 1965, Folge 3, S. 1 7 - 9 6 . ) Die Berliner Stadtbibliothek, seit jeher im alten Zentrum unserer Stadt gelegen und damit heute sehr vielen potentiellen Benutzern unerreichbar, nimmt ihre Hauptaufgabe der Sammlung und Erschließung des in (Ost-)Berlin erscheinenden und des (Gesamt-) Berlin betreffenden Schrifttums ernst. Sie hat zwar nur einen Teil ihres einst beträchtlichen Altbestandes bewahrt, in der Zwischenzeit aber die Zahl ihrer Bände gegenüber dem Vorkriegsstand mehr als verdoppeln können (derzeitiger Umfang: über 900000 Bd.e). Die 1 Inzwischen ersetzt durch das auf den neuesten Stand gebrachte „Sigelverzeichnis der dem Berliner Gesamtkatalog angeschlossenen Bibliotheken. Stand Juni 1968". — BerlinDahlem 1968. 82 S.
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Bibliothek verfügt nunmehr nach einer längeren Phase der Improvisation und des räumlichen Provisoriums wieder über ein geschultes wissenschaftliches und Fachpersonal und kann mit dessen Hilfe auf den in Jahrzehnten gelegten Grundlagen weiterbauen, kann zu den alten, erweiterten neu hinzukommende Funktionen wahrnehmen. Einer solchen Bestands- und Aufgabenerweiterung aber waren die bisherigen Räumlichkeiten — die Bibliothek ist seit 1921 im selben Gebäudekomplex untergebracht — schon lange nicht mehr gewachsen. Erst der modern und zweckmäßig eingerichtete Neu- und Erweiterungsbau beendet vorläufig alle Nöte und setzt mit seinen technischen Anlagen die Bibliothek in den Stand, auch künftigen Anforderungen gerecht zu werden. (Einige weitere Umbauten im alten Gebäudeteil sind noch im Gange.) Die zur Neubaueröffnung am 11. Okt. 1966 ausgegebene, gefällig aufgemachte Festgabe informiert in ansprechender Form, unterstützt durch anschauliche Abb., über Geschichte und Gegenwart des Instituts. Direktor Heinz Werner gibt einleitend einen knappen Rückblick in die Vergangenheit der 1901 gegründeten Bibliothek, vergißt aber auch die von ihm mitbeeinflußte Nachkriegsentwicklung nicht, die manche hoffnungsvolle Ausblicke zuläßt. Sodann referiert Adolf Weser, einer der erfahrensten wissenschaftlichen Mitarbeiter des Hauses, über die vielen der Bestandserschließung dienenden alphabetischen und Fachkataloge sowie die umfängliche hier geleistete bibliographische Tätigkeit. Alice Sabotke und Hans-Joachim Fritzsche erläutern dann die großzügigen Benutzungseinrichtungen und zusätzliche, überaus liberal gewährte Auskunfts- und Beratungsdienste. Sehr zu beachten sind einige Spezialabteilungen, vor allem die reich bestückte und entsprechend rührige, auch bevorzugt untergebrachte Musikbibliothek mit Phonothek (Hilde Weise) und die 1955 angegliederte für den Historiker wichtigste „Ratsbibliothek", erwachsen aus der älteren Magistratsbibliothek (gegr. 1815), mit ihren Sammelschwerpunkten Staat und Wirtschaft, einer großen Sammlung von Parlamentspapieren, Gesetzes- und Flugblättern (diese aus den Jahren 1848/49) und zumal der besonders wertvollen Berlin-Abteilung (Peter P. Rohrlach). Unter den vielen Stiftungen und erworbenen Privatbibliotheken seien noch die umfangreichen Teilbestände aus dem Grauen Kloster und dem Friedrichs-Werderschen Gymnasium aufgezählt. Schließlich beschreibt der Architekt Heinz Mehlan Bedingungen und Durchführung des Neubaues. Der Anhang mit wenigen Ubersichten und Zahlen zur Leistung der Bibliothek im abgelaufenen Jahrzehnt ist zu dünn ausgefallen; hier hätte man sich mehr und genauere Angaben über die Nachkriegsentwicklung, auch die Wiedergabe von Bauplänen und eine Zusammenstellung aller Veröffentlichungen der Bibliothek in dieser Zeit gewünscht. Über ihre eigentlich bibliothekarischen Aufgaben hinaus versieht die Bibliothek wie erwähnt vielfältige bibliographische und dokumentarische Dienste. Sie stützen sich wesentlich auf die eigenen Bestände und treten vornehmlich auf dreierlei Weise an die Öffentlichkeit. Einmal durch die als „Ostberliner Zeitschriftenauswertung" bekanntgewordene, bereits 1952 begonnene Katalogisierung des Inhalts von (1966) 320 ostdeutschen Periodica mit allgemeiner und geisteswissenschaftlicher Thematik. Das Ergebnis liegt vor in einem 5-Jahresverzeichnis (1952—56) und anschließenden, immer neu angelegten 2-JahresKatalogen, die jeweils dem Schlagwortprinzip folgen. Sie weisen bisher bei einer monatlichen Zuwachsrate von 1800 bis 2000 Titeln insgesamt mehr als 250000 Aufsätze nach. In Form von Titeldrucken kommt dieser Dokumentationsdienst heute mehr als 200 Bibliotheken zugute. Weiter noch reicht das im Prinzip sehr begrüßenswerte gedruckt vorliegende bibliographische Unternehmen der „Bibliographischen Kalenderblätter". Es hat jetzt ein zehnjähriges Bestehen hinter sich, so daß eine rückschauende Charakterisierung und Beurteilung
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erlaubt und geboten ist. Es handelt sich hierbei um eine gewöhnlich im Monatsabstand erscheinende Reihe, die „runde" Geburts- und Gedenktage, beginnend mit dem 5. Jahrestag, zum Anlaß für mehr oder weniger umfangreiche Literaturzusammenstellungen nimmt. Sie erinnern an bestimmte historische Ereignisse wie den Ausbruch des 1. und 2. Weltkrieges, die Oktoberrevolution oder den Spanischen Bürgerkrieg, an kulturelle (Thomanerchor) oder wissenschaftliche Einrichtungen (Akademien der Wissenschaften), zumeist aber an einzelne — gestorbene oder lebende — Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Lebens, soweit sie im Osten des Feierns für würdig erachtet werden. (Dazu gehören nicht Bismarck oder Friedrich d. Gr., auch nicht Stalin, wohl aber — im Frühjahr 1964 noch — Chruschtschow.) Den bibliographischen Angaben sind biographische Daten, Zeittafeln, gelegentlich auch Zitate aus den Werken eines Schriftstellers beigefügt. Sehr ausführliche Sach- und Personalbibliographien (Internationaler Frauentag, Die CSSR in der Literatur; W. Pieck, Thälmann, Willi Bredel, A. Zweig, Gorki, J. R. Becher z. B., auch Schiller und Robert Schumann) haben ein eigenes, „Sonderblatt" betiteltes Heft bewilligt bekommen. Die Sonderblätter enthalten eigene Verfasser- und Titelregister, die übrigen bisher mehr als 1000 Einzelbibliographien sind in Jahresregistern sowie in dem gesonderten 10-Jahresverzeichnis titelmäßig erfaßt. Sie sind überhaupt formal sauber gearbeitet und könnten sehr wohl ein „objektives Bedürfnis" befriedigen, wenn die Titelauswahl nicht im einzelnen oft ein sehr einseitiges Bild, eine nur allzu „parteiliche Literaturinformation" böte. Dies ist der einzige nennenswerte Einwand gegen die Reihe. Wird bei relativ unpolitischen Namen wie Händel, Shakespeare, Mozart wenigstens noch eine kleine Auswahl unentbehrlicher westlicher Fachliteratur zitiert, so entfällt selbst diese Konzession bei G. Hauptmann, Brecht, Marx, so als habe es über sie oder über die Novemberrevolution von 1918 und die Weltraumfahrt eine westliche Forschung nie gegeben. Das ist gottlob anders bei der 2., hier nach längerer Pause erneut anzuzeigenden Reihe, die sich speziell auf den Berolinensien-Bestand der Stadt- und zumal der Ratsbibliothek stützt. Diese, die 2. laufende Berlin-Bibliographie 1 hat seit ihrer Begründung im Jahre 1956 (vgl. zuletzt dieses Jb. 9/10, 1961, S. 635) verschiedene äußere und inhaltliche Veränderungen durchgemacht und präsentiert sich seit dem Berichtsjahr 1967 in neuem Gewände. Abgesehen von der geringfügigen Titeländerung erscheint jetzt zweckmäßigerweise nur noch ein geschlossenes Jahresheft, das die inzwischen auf 900 Nrn. jährlich angewachsene Titelauswahl auch in einer umgestellten, aber übersichtlichen Systematik darbietet. Dankenswert ist weiter die nun konsequent durchgeführte Beigabe der eigenen Standortsignaturen. Dagegen sollten die teilweise (zu Teil 2—4) eingefügten Zwischeninhaltsverzeichnisse nicht Schule machen und zum Gesamtinhaltsverzeichnis nach vorn gerückt werden. Auch sollten das „Verfasser- und Sachregister" vervollständigt und die nun fehlenden Namen der behandelten Persönlichkeiten wieder aufgenommen werden. Die Auswahlkriterien haben sich in den letzten Jahren erfreulicherweise zugunsten eines stärkeren Anteils westlicher Berlin-Literatur und damit eines sachgerechteren, ausgeglicheneren Prinzips verschoben, und man wünschte sich, daß dieser Trend anhalten werde. Denn zu tun bleibt in dieser Hinsicht noch manches: Nicht nur, daß unter den ausgewerteten Tageszeitungen (soweit ich sehe) nur östliche Organe Gnade gefunden haben (bezeichnenderweise außer der „Wahrheit") und daß die Sachauswahl namentlich zur Gegenwartsthematik nach wie vor viele hierher gehörende, aber eben kritische Titel vermissen 1
Über die andere, im „Bär von Berlin" erschienene Bibliographie vgl. vorl. Zs.Umschau.
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läßt — man vergleiche diese Abschnitte nur mit den entsprechenden Partien der genannten (hier immerhin angezeigten) Westberliner Bibliographie. Auch von dem verzeichneten Schrifttum sind viele Titel, wofür die Bibliothek selbst freilich wenig kann, im dortigen Herrschaftsbereich nicht oder nicht ohne Schwierigkeit benutzbar. Und warum z. B. ausgerechnet der Berlin-Baedeker und ähnliche Ubersichts- und Nachschlagebücher, die bei uns in jedermanns Hände sind, nur „für wissenschaftliche Zwecke" zur Verfügung stehen sollen, bliebe einem normalen Leser unerfindlich, wenn man dahinter nicht rein politische „Gründe" vermuten müßte. 2 Abschließend kann festgestellt werden, daß diese für Ost-Berlin zentrale wissenschaftliche Allgemeinbibliothek mit ihrer ungewöhnlich starken Benutzungsbeanspruchung und ihrem Bemühen, ihre Bestände auch weiteren Kreisen zu erschließen, nach Bedeutung und Funktion bemerkenswerte Parallelen zu ihrer allerdings erheblich jüngeren Schwester in Westberlin, der Amerika-Gedenkbibliothek, aufweist. Berlin
Werner Schochow
MÜLLER, Ewald: Berlin-Zehlendorf. Versuch e. Kulturlandschaftsgliederung. — Berlin: Reimer 1965. 139 S., 8 Abb., 3 Ktn. = Abhandlungen d. 1. Geograph. Inst. d. Freien Universität Berlin, Bd. 9. DM 30,— . „Die Untersuchung hat das Ziel, das räumliche Gefüge der Kulturlandschaft in einem Ausschnitt des Stadtgebietes von Berlin zu ermitteln." Zur Erreichung des gesetzten Zieles analysiert E. Müller in beispielhafter und zugleich knapper Weise sowohl das naturräumliche Gefüge als auch den Entwicklungsprozeß des ehemaligen Dorfes Zehlendorf und der übrigen in diesem Verwaltungsbezirk liegenden Siedlungsteile. Dem schließt sich eine funktionale und eine nach Landschaftszellenkomplexen gegliederte Synthese an, die Aufschluß geben über die mannigfachen Beziehungen und Interdependenzen in einem von städtischer Bebauung wie von Wald- und Erholungsgebieten gleichermaßen gekennzeichneten Bezirk. Der nahezu mikroskopische Blick auf Zehlendorf zeigt den Weg, wie man in hoffentlich naher Zukunft auch andere Teile Berlins untersuchen und darstellen wird. Der Autor deutet in seiner Problemstellung an, daß es „schwierig und gewagt" sei, eine solche Untersuchung an Verwaltungsgrenzen enden zu lassen. So wertvoll die mit Akribie angefertigte Arbeit auch ist, so unbefriedigend muß die Selbstbeschränkung des Geographen und Landeskundlers auf eine kleine Verwaltungseinheit sein, deren Einfluß- und Bezugssphäre außerhalb ihrer kommunalen Grenzen kaum berücksichtigt worden ist. Hierzu hätte das Ziel etwas weiter abgesteckt werden müssen, das in seiner etwas zu engen Form jedoch voll und ganz erreicht worden ist. Vielleicht gelingt es, wenn auch andere Berliner Bezirke derartig fundierte Studien aufweisen können, daraus ein stadtgeographisch relevantes Fazit für den Gesamtraum Groß-Berlins zu ziehen. Berlin
Wolfgang Scharfe
Anmerkungsweise sei auf den thematisch verwandten, von Gerhard Kutzsch im Mehrjahresabstand erstatteten referierend-räsonierenden „Sammelbericht Berlin-Brandenburg" in den Blättern für deutsche Landesgeschichte hingewiesen; die letzten Übersichten erschienen ebd. 101, 1965, S. 5 6 1 - 5 8 0 (fü* die Literatur der Jahre 1960-62); und 102, 1966, S. 5 1 3 - 5 2 5 (für 1963-65). 2
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BESPRECHUNGSTEIL EINZELNE GEBIETE
Berlin, Kochstraße. Beiträge von . . . Hrsg. von Hans Wallenberg. (Mit 114 Abb. auf 58 Schwarzf. u. 4 Farbtaf. Zeichn. von Horst Miesler u. a.) — Berlin, Frankfurt/M., Wien: Ullstein (1966). 227 S. DM 19,80. Berlin : Berlin Confrontation. Künstler in Berlin. (Zusammenstellung d. Texte u. Biographien: Gerd Conradt. [Veranstalter:]) Ford Foundation. (Hrsg. vom Presse- u. Informationsamt d. Landes Berlin. Übers.: John K[elvin] Brose u.a. Fotos von Max Jacoby.) - Berlin: Mann 1965. XI, 202 S. mit Abb. DM 2 4 , - . Berliner Gesetze. Sammlung aller wichtigen nach 1945 in Berlin erlassenen Gesetze u. Rechtsverordnungen. Hrsg. von H[erbert] Kuhle [u. a.] 2. Aufl. [Losebl.-Ausg.] — Berlin: Kulturbuch-Verl. [Grundwerk.] Stand: 1. April 1966. (1966.) D M 6 8 , - . Berlinfahrten von Schüler- und Jugendgruppen. Eine Arbeitshilfe f. d. didakt.-method. Vorbereitung und Auswertung sowie f. d. techn.-prakt. Vorbereitung u. Durchführung. [Von] Rolf Rosenthal u. Gerd-Ekkehard Lorenz zusammen mit . . . — (Berlin-Spandau, Neuwied a. Rh.:) Luchterhand (1967). XI, 251 S. (Schule in Staat u. Gesellschaft.) DM 19,80. BLÜMEL, Carl: Die klassisch griechischen Skulpturen der Staatlichen Museen zu Berlin. — Berlin: Akademie-Verl. 1966. I I I S . (Abhandlungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse f. Sprachen, Literatur u. Kunst, Jg. 1966, Nr. 2.) DM 7 0 , - . EBERLEIN, Ludwig: Experiment Berlin. Plädoyer f. e. dt. Konföderation. — Köln, Berlin: Kiepenheuer u. Witsch (1967). 134 S. (Information. 21.) DM 9,80. Martin: Voltaire in Berlin. Zur Geschichte d. bei G. C . Walther veröffentlichten Werke Voltaires. — Berlin: Rütten u. Loening 1966. 257 S. (Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft, Bd. 24.) DM 19,80. FONTIUS,
Geschäftsbericht 1967. Bezirksamt Tiergarten von Berlin. 149 S. 4°. Horst: Deutsche Oper Berlin. (Zeichn.: Werner Schwenke.) — Berlin: Stapp (1964). 54 S., 16 Bl. Abb. (Berlin, Gestalt und Geist. Bd. 5.) DM 7,80.
GOERGES,
G R Ü N F E L D , Fritz V.: Das Leinenhaus Grünfeld. Erinnerungen u. Dokumente. Eingel. u. hrsg. von Stefi Jersch-Wenzel. — Berlin: Duncker u. Humblot 1967. 237 S. mit 54 Abb. u. Faks. (Schriften zur Wirtschafts- u. Sozialgeschichte. Bd. 12.) DM 33,—. H Ä R D E R , Alexander: Kriminalzentrale Werderscher Markt. (Gekürzte Ausg.) Die Geschichte d. Dt. Scotland Yard. - München: Heyne (1966) 380 S. DM 4,80. H A R T KÖPF, Werner, u. Gerhard D U N K E N : Von der Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften zur Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Mit 42 Abb. - Berlin: Akademie-Verl. 1967. 122 S., 1 Titelbild. DM 7 , - .
Heimschulen und Schülerheime in der Bundesrepublik Deutschland und in WestBerlin. Anschriften und Schulformen. Zusammengestellt von Paul Seipp u. Gerd Buchwald in Zusammenarb. mit d. Pädagog. Zentrum, Berlin. 2., neubearb. Aufl. — (Neuwied a. Rh. u. Berlin:) Luchterhand (1967). XII, 204 S. (Jugend im Blickpunkt.) DM 19,80. Theodor, u. Stephan WAETZOLDT: Berlin und seine Museen. Mit 48 Farbtaf. nach Aufn. von Peter von Waldthausen u. a. sowie e. Essay über d. Staatl. Museen in Berlin von Stephan Waetzoldt. — München u. Ahrbeck/Hannover: Knorr u. Hirth (1966). - 47 S. (Das kleine Kunstbuch. [Großband]). DM 9,80. HEUSS,
HILBERSEIMER, Ludwig: Berliner Architektur der 20er Jahre. Mit e. Nachw. d. Hrsg. — Mainz u. Berlin: Kupferberg (1967). 102 S. mit 4 Abb. (Neue Bauhausbücher.) DM 24,— .
BERLIN
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Humor um Berliner Gelehrte. Eingefangen von Georg Nowottnick. — Berlin: Duncker u. Humblot (1966.) 261 S. mit Abb. DM 15,60. Jacob: Jüdische Trauungen in Berlin 1759—1813. Mit Ergänzungen für die Jahre von 1723 bis 1759. Bearb. u. hrsg. Mit e. Geleitwort von Hans Herzfeld. — Berlin: de Gruyter 1968. XIIIL, 668 S. = Veröffentlichgg. der Hist. Komm, zu Berlin b. FriedrichMeinecke-Inst. d. Freien Univ. Berlin, Bd. 28, Quellenwerke, Bd. 4. DM 84,— . JACOBSON,
Florian: Die Berliner und ihr Theater. (Mit 21 Abb.) — Berlin: Haude u. Spener (1967). 96 S. (Berlinische Reminiszenzen. 14.) DM 9,80.
KIENZL,
Das Klima von Berlin. — Berlin: Akademie-Verl. 4 (Abhandlungen des Meteorologischen Dienstes der Deutschen Demokratischen Republik.) Nr. 78: (Bd. 10.) (1.) Geschichte der meteorologischen Beobachtungen der Stadt Berlin. (Von) R(uth)-M(aria) Bahr. 1966. 48 S. DM 10,50. Erich: Berliner Porzellan. 1763—1963. — Braunschweig: Klinkhardt u. Biermann. 4. Zus. DM 3 2 0 , - . Bd. 1. Textband. Mit 100 Abb. u. 48 Farbtaf. (1966.) XVI, 328 S., 1 Titelbild. Bd. 2. Bildband. 707 Abb. auf 304 Taf. (1966.) 331 S., 1 Titelbild. KÖLLMANN,
Kupferstichkabinett : Studien aus dem Berliner Kupferstichkabinett. Hans Möhle zugeeignet. - Berlin: Mann 1966. 53 S., 10 Bl. Abb. DM 2 4 , - . Annemarie: Das Wilhelminische Berlin. Zwischen Jahrhundertwende u. Novemberrevolution. (Mit 80 Bildseiten u. 139 Strichätzungen.) — Berlin: Dietz 1967. 961 S. DM 24,50. LANGE,
Agathe: Berlinisch. Eine berlinische Sprachgeschichte. (Unveränd. reprograf. Nachdr. d. Ausg. Berlin 1928.) - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchges. 1967. XII, 354 S. DM 47,20.
LASCH,
Renate, u. Klaus-Dieter S C H U L Z - V O B A C H : Ost-Berlin heute. Bild u. Sport. (Mit 61 Abb.) — Berlin (Grunewald): arani-Verlagsgesellschaft (1966). 34 S. DM 16,80.
MAI,
Die Rebellen von Berlin. Studentenpolitik an der Freien Universität. Eine Dokumentation von Jens Hager. Hrsg. von Hartmut Häussermann u. a. — Köln, Berlin: Kiepenheuer u. Witsch (1967). 194 S. (Information., Sonderbd.) DM 7,80. Albert: Die Reimann-Schule in Berlin. Mit 45 Abb. — Berlin: Heßling 1966. 100 S. DM 9,80.
REIMANN,
SCHLEY, Gernot: Die Freie Bühne in Berlin. Der Vorläufer der Volksbühnenbewegung. Ein Beitrag zur Theatergeschichte in Deutschland. — Berlin: Haude u. Spener (1967). 163 S. DM 10,80. SCIIULTZENSTEIN, Klaus: Berlin seit der Zeit Albrechts des Bären. — (Berlin 30, Elßholzstr. 8: Selbstverl. 1966.) 54 S. mit Abb. u. 1 Kt. DM 5 , - .
Eduard: Berliner Geist. (Teilsamml.) Aufsätze, Reden u. Aufzeichnungen. — Stuttgart, Zürich, Salzburg: Europäischer Buchklub; Europäische Bildungsgemeinschaft (1967). 222 S. Nur f. Mitgl. Lizenz d. Wunderlich-Verl., Tübingen. SPRANGER,
STÜRZBECHER,
Manfred: Berlins alte Apotheken. Mit 23 Abb. — Berlin: Heßling 1965.
DM 9,80. Uns kann keener. Menschen in Berlin. Hrsg. von Walther G(eorg) Oschilewski. — Berlin: arani-Verlagsgesellschaft (1966). 77 S. DM 16,80. 29»
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WALTHER, Gerhard: Das Berliner Theater in der Berliner Tagespresse 1848—1874. — (Berlin: Colloquium-Verl. 1968.) 225 S. (Theater und Drama. Bd. 32.) DM 1 9 , - . Diss., FU Berlin. WIEK, Klaus D.: Kurfürstendamm und Champs-Elysées. Geograph. Vergleich zweier Weltstraßen-Gebiete. Mit 9 Photos u. 8 Ktn.-Beil. — Berlin: Reimer 1967. 134 S. (Abhandlungen des 1. Geographischen Instituts der Freien Universität Berlin. Bd. 11.) DM 30,— . WIRTH, Irmgard: Mit Adolph Menzel in Berlin. — München: Prestel (1965.) 149 S. mit Abb. u. 1 Kt., 1 Titelbild (Bilder aus deutscher Vergangenheit. Bd. 25/26.) DM 16,50.
2. Brandenburg SCHOBESS, Joachim: Brandenburgische Literatur. (Bibliographie.) H. 4. Verz. d. Neuerscheinungen 1963—1965 mit Nachtr. aus früheren Jahren. — Potsdam 1967. 167 S. (Brandenburgische Landes- und Hochschulbibliothek Potsdam.) Das 4. Heft dieser überwiegend die Literatur der drei brandenburgischen Bezirke Potsdam, Frankfurt und Cottbus verzeichnenden Auswahlbibliographie unterscheidet sich von den vorhergehenden drei Heften (vgl. JGMOD 12, S. 388) lediglich durch den gekürzten Titel, der das Mißverständnis, die Hefte enthielten nur gegenwartsbezogene Titel, vermeiden helfen soll. Gegenüber der 1. Aufl. des 1. Heftes ist eine weitere Verbesserung im Hinblick auf Vollständigkeit und Titelaufnahmetechnik zu beobachten. Der Wunsch nach Durchnumerierung und besseren Registern bleibt freilich bestehen. Vielleicht läßt sich an Heft 5 ein Gesamtregister 1 — 5 anfügen, unter Ausschließung der Doppelnummern. Druckfehler: S. 150 (Visitationsabschiede, Vaticinium), 149 (Z. 11 v. u.: offenbar „Randbebauung"), 154 (Schultze). Das Register sollte nicht nur schematisch die fettgedruckten Stichwörter verzeichnen. Wer mit den Eigenheiten der Hefte vertraut geworden ist, kann damit rasch und zuverlässig arbeiten. Es ist sehr zu wünschen, daß die Reihe fortgesetzt wird. Berlin
Gerd Heinrieb
SCHULTZE, Johannes: Die Mark Brandenburg. Bd. 5: Von 1648 bis zu ihrer Auflösung und dem Ende ihrer Institutionen. — Berlin: Duncker & Humblot 1969. 186 S. D M 33,60.
Ursprünglich hatte Vf. beabsichtigt, die Geschichte der Mark Brandenburg nur bis 1648 zu schreiben, weil in dieser Epoche die Mark in dem preußischen Staat aufgegangen ist. (Vgl. die Anzeigen in dieser Zeitschrift Bd. 12,1963, S. 391 und Bd. 13/14, 1965, S. 534.) Er hat sich aber dankenswerterweise in unermüdlicher Arbeitskraft entschlossen, seine Darstellung bis zur Eingliederung der Mark in die allgemeine preußische Provinzialordnung fortzuführen. Damit liegt nun aus der Feder des Nestors der brandenburgischen historischen Forschung ein abgeschlossenes Kompendium für Politik und Verwaltung des Landes vor. Selbstverständlich konnten für die letzten Jahrhunderte die politischen Ereignisse nur soweit gestreift werden, wie sie die Mark direkt berührten. Vf. beschränkt sich ausdrücklich auf die inneren lokalen Verhältnisse. Dabei werden besonders eingehend die Landeskultur, der Verkehr, Handel und Gewerbe, die Rechtslage des Adels und der Bauern behandelt, während andere Fragen des geistigen Lebens, wie Publizistik, Kunst und Literatur, dagegen zurücktreten. Aufschlußreich sind die vielen Zahlenangaben. Eine gewisse Schwierigkeit der Darstellung ergibt sich in diesem Zeitraum durch die Verschiebung des
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BRANDENBURG
Verhältnisses zwischen der Stadt Berlin, die sich im 18. Jh. immer mehr zu einem Gebilde von eigenem Gewicht auswächst, und zu dem umliegenden Gebiet der Mark. Im Rahmen des vorliegenden Buches mußte die Entwicklung der Hauptstadt zugunsten der übrigen Landesteile knapp gefaßt werden. Die Schilderung endet mit der Bildung der Provinz Brandenburg nach 1815, die die Auflösung der Mark als territoriale Einheit bedeutet. Die Geschichte des Landes im 19./20. Jh. bleibt also unberücksichtigt. Bei der Fülle der Ereignisse und Tatsachen in den behandelten zwei Jahrhunderten konnte natürlich nur einiges breiter beschrieben, vieles aber bloß angedeutet werden. Man wird jedoch manches finden, was sonst schwer festzustellen ist. Ein brauchbares Namenund Sachregister erleichtert die schnelle Orientierung in Einzelfragen. Berlin
Hans Branig
HARNISCH, Hartmut: Die Herrschaft Boitzenburg. Untersuchungen zur Entwicklung d. sozialökonom. Struktur ländlicher Gebiete in d. Mark Brandenburg vom 14. bis zum 19. Jh. — Weimar: Böhlau 1968. 281 S., 3 Ktn. = Veröffentlichungen d. Staatsarchivs Potsdam, Bd. 6. DM 29,50. In fünf chronologisch aufgebauten Kapiteln zeichnet der Vf. ein Bild von der Besitzgeschichte und der sozialökonomischen Entwicklung der Herrschaft Boitzenburg, hervorgegangen aus der Vereinigung des Besitzes des Zisterzienser-Nonnenklosters und der landesherrlichen Vogtei, von den mittelalterlichen Anfängen bis in das 19. Jh. Die Ausführungen über die Anfänge des Klosters als Stiftung Heinrichs v. Stegelitz (S. 20 f.) und die Benennung als .Marienpforte' (S. 24 u. öfter) sind durch die jüngsten Forschungsergebnisse von Joh. Schultze (JGMOD 16/17, 1968, S. 297) überholt. Die Familie v. Arnim-Boitzenburg, in deren Händen die Herrschaft über 500 Jahre lag, erscheint erstmals 1429 als Pfandinhaber (so richtig S. 20, wogegen S. 23 fälschlich 1430 angegeben wird). Das zeitweilige Nebeneinander adliger und klösterlicher Herrschaftsverhältnisse gestattet Vergleiche über die unterschiedliche Intensität und Art der Inanspruchnahme der bäuerlichen Untertanen. Der Wüstungsprozeß des 14. Jh.s, als Folge der ständigen Fehden und der Agrarkrise gedeutet, betrifft z. B. die klösterlichen Dörfer kaum. Der Vf. führt dies auf die Eigenwirtschaft des Klosters zurück, das dadurch in der Lage war, seinen bedrängten Bauern zu helfen. Der Adel hingegen betrieb keine Eigenwirtschaft, sondern war auf die Dienstleistungen der bäuerlichen Untertanen angewiesen. Die Wüstungen spielen eine wichtige Rolle beim Ubergang zur Gutsherrschaft, weil der Adel die wüsten Dörfer als sein Eigentum ansah und bei Beginn der landwirtschaftlichen Konjunktur im 16. Jh. darauf Vorwerke ansetzte. Im Untersuchungsgebiet, wo bis zum 30j. Krieg drei Vorwerke entstanden, ließ sich ein ausgeprägtes Bauernlegen nicht nachweisen. Der Vf. schildert sodann die Bewirtschaftungsformen und verweist darauf, daß auch nach dem 30j. Krieg weitere Vorwerke angelegt wurden, da der Wiederaufbau der Bauernwirtschaften wohl infolge der niedrigen Getreidepreise nur zögernd vorankam. Erst nach 1700 trat eine grundlegende Änderung ein, verbunden mit einer Auflösung der Vorwerke. Die Neuansetzung der Bauern, die Entwicklung der Einwohnerzahlen und die Differenzierung innerhalb der bäuerlichen Struktur, die erst mit dem Aufkommen der Landlosen und Landarmen sowie mit dem Aufstieg der Kossäten zu Kleinbauern einsetzte, werden eingehend analysiert. Vom Anfang des 18. Jh.s bis zu den Stein-Hardenbergschen Reformen waren Schulzen, Bauern und Kossäten Zeitpächter ohne Eigentumsrecht an Boden und Gebäuden, hingegen war die Hofwehr überwiegend Eigentum der Bauern. In der 2. Hälfte des 18. Jh.s gab es eine breite Schicht Landarmer und -loser, die zum großen Teil persön-
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lieh frei waren und die Landarbeiterschicht für die gutsherrlichen Eigenbetriebe stellten. Zugleich begann damals der Holzverkauf großen Stils und ein Ausbau der forstlichen Organisation sowie eine Zunahme des Forstpersonals. Erste Maßnahmen zu einer systematischen Forstkultur wurden nach der Jahrhundertmitte ergriffen. Für die Aufgabe der historischen Kartographie von Interesse ist sein Nachweis, daß bei mehreren Feldmarken 1687 niemand mehr die Grenzen kannte und auch die früheren Hufen nicht mehr erkennbar waren, so daß eine Neuvermessung und -Verteilung erfolgte (S. 132f.). Die S. 135 aufgestellte Behauptung, „gegenüber der Vorkriegszeit war also bei allen gutsherrlichen Eigenwirtschaften eine erhebliche Verringerung der Aussaatmengen, d. h. der Anbauflächen, eingetreten", ist in dieser Form falsch. Rechnet man die von ihm gebotenen Zahlen für 1600 und 1674 nach, so ergibt sich, daß sich beim Gut des Oberhauses in Boitzenburg die Weizenaussaat fast verdoppelte, Roggen ungefähr gleich blieb, Gerste etwa 4 Wsp. weniger ausgesät wurden, Hafer dagegen 2 Wsp. mehr. Auf den Gütern Kröchlendorf, beim Niederhaus und in Krewitz ist allerdings ein eindeutiger Rückgang der Aussaatmengen feststellbar. Im Unterschied zu Müller (Märkische Landwirtschaft) stellt der Vf. fest, daß von einer Entwicklung der Produktivkräfte in der Herrschaft B. bis Anfang des 19. Jh.s nur wenig zu spüren ist. Die mecklenburgische Schlagwirtschaft drang nur zögernd ein und führte nicht unbedingt zum Fortfall der Brache (S. 186). Erst die bürgerlichen Agrarreformen am Anfang des 19. Jh.s brachten den Übergang zu kapitalistischen Gutsbetrieben. Die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse begann in diesem Gebiet 1814 und endete 1852 mit der Kapitalisierung der Ablösungsrenten. Damit verband sich eine schwerwiegende Landeinbuße für die Bauern, deren Lage von H. definiert wird „als ein Leben ständig am Rande des Defizits und damit des Verlustes ihrer Stellen" (S. 221). Die vielseitigen Untersuchungen und Ergebnisse des Vf.s konnten hier nur skizziert werden. Die Arbeit zeichnet sich aus durch ihre objektive Darstellungsweise und die gründliche Auswertung der guten archivalischen Uberlieferung. Sie zeigt einmal mehr den Mangel gründlicher Untersuchungen zur Geschichte der Bauern, ihrer sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Brandenburg. Berlin
Werner Vogel
DINGER, Walter: Der Kreis Niederbarnim. Ein Heimatbuch. — Kiel: Märkische Verl.ges. 1967. 229 S., 32 Abb., 1 Kt. = Unsere märkische Heimat, Bd. 2. DM 13,80. FITZKY, Wilhelm: Küstrin. Bild e. vom Schicksal schwergeprüften Stadt. — Kiel: Märkische Verl.ges. 1967. 138 S., zahlr. Abb. = Unsere märkische Heimat, Bd. 3. DM 7,50. Der Bd. von Walter Dinger verrät bis in viele Details hinein den intimen Kenner der Barnim-Geschichte. D. gruppiert den Stoff seiner durch populäre Zwischentexte aufgelokkerten Kompilation nach den Sachgebieten: Topographische Verhältnisse, Geologie, Pflanzen und Tiere, Urgeschichte, Politische Geschichte, Land- und Fortwirtschaft, Industrie und Handwerk, Verkehr, Volkskunde, Persönlichkeiten, Kunstdenkmäler, Bildung, Presse, Verwaltungsgeschichte, Kirche, Sport und Jugendpflege. Das Literatur- und Quellenverzeichnis weist bibliographisch und sachlich erhebliche Lücken auf. Sehr dankenswert sind die beiden Register. Der Bd. ist als Beitrag zur Vertiefung des heimat- und landesgeschichtlichen Bewußtseins zu begrüßen, auch wenn viele Wertungen veraltet sind und die Zeit nach 1945 kaum berücksichtigt wird.
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BRANDENBURG
Der Bd. von Fitzky will ebenfalls als Heimatbuch bei den in alle Welt verstreuten Küstrinern geschichtliche und lokale Erinnerungen wachrufen. Dokumentarischen Wert haben die Abschnitte „Der Kampf um Küstrin" und „Küstrin nach der Kapitulation". Register und Quellenverzeichnisse fehlen. Berlin Gerd Heinrich Friedrich, u. Gerhard B U C H W A L D : Die brandenburgischen Lehrerseminare und die ihnen angegliederten Präparandenanstalten. Einzeldarstellungen ihrer Entwicklung. — Berlin: Ernst-Reuter-Gesellschaft 1961. (Manuskriptdruck.) 520 S. Das 1958 abgeschlossene Werk verfolgt die Absicht, am Beispiel der Lehrerseminare der Prov. Brandenburg, die 1925/26 im Zuge der Neuordnung des preußischen Lehrerbildungswesens durch den Kultusminister Becker geschlossen worden sind, die „positiven wie die negativen Seiten der preußischen Seminarausbildung zur Darstellung" zu bringen (S. 5). Der Sammelbd., durch den überhaupt erst eine Fakten- und Namengrundlage für eine Geschichte der brandenburgischen Seminare geschaffen wurde, stützt sich auf die in der ehem. „Hauptstelle für Erziehungs- und Schulwesen" in Berlin-Schöneberg gesammelten Akten aus den ehem. preußischen Lehrerseminaren, ferner auf die Spezialliteratur und auf systematisch gesammelte Erlebnisberichte ehem. Seminaristen. Die nach den Gründungszeiten der Seminare angeordneten Beiträge behandeln die Seminare in Berlin (1748), Potsdam/Köpenick (1817), Neuzelle (1817), Altdöbern (1819), Berlin-Stadtschullehrerseminar (1831), Oranienburg (1861), Drossen (1864), Kyritz (1866), Neuruppin (1874), Königsberg/Nm. (1874), Friedeberg/Nm. (1888), Prenzlau (1892), Havelberg (1907), Cottbus (1907), Jüterbog (1908), Züllichau (1788/1908), Krossen (1909), Fürstenwalde (1910), Paradies (1912), Joachimsthal (1888). Ein zusammenfassender Beitrag fehlt. Die Beiträge der insgesamt 10 Mitarbeiter sind naturgemäß von unterschiedlichem Wert. Uberblickt man die jüngere Geschichte der Seminare, so verstärkt sich der Eindruck, daß vieles, was heute als „modern", als „Reform" gepriesen wird, schon vor 50 Jahren die Gemüter bewegte. Die Terminologie hat sich gewandelt, die vom Menschen ausgehenden Probleme im Lehrerbildungswesen sind die gleichen geblieben. Nach Möglichkeit wurden jedem Beitrag Statistiken über die örtliche und vor allem die soziale Herkunft der Seminaristen beigegeben. Die jeden Beitrag abschließenden Kataloge der Präparanden- und Seminarlehrer erweisen sich zugleich als nützliche biographische Hilfsmittel, zumal für diejenigen Lehrer, die sich um die Vorgeschichte, Landes- oder Ortsgeschichte Verdienste erworben haben. Besoldungstabellen, ein Verzeichnis der preuß. Kultusminister, Literaturangaben und ein Namenregister beschließen ein Sammelwerk, für dessen Erarbeitung allen Beteiligten zu danken ist und das unter den seit 1945 gegebenen Verhältnissen kaum noch zu erwarten war. BUCHHOLZ,
Berlin
Gerd Heinrich
Die Preußischen Landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalten Landsberg/W. Ostbrandenburgs Landbau als Partner d. Wissenschaft. Hrsg. von Alfred Heinrich Könekamp. — Würzburg: Holzner 1968. 498 S., 4 Abb., 4 Kt. = Ostdt. Beiträge aus d. Göttinger Arbeitskreis, Bd. XLII. DM 36,—. Leider wird die Zahl derer immer kleiner, denen der Name Preußische Landwirtschaftliche Versuchs- und Forschungsanstalten Landsberg an der Warthe etwas sagt. Um so begrüßenswerter ist es, daß in dem vorliegenden Buch 19 Männer, die maßgeblich in landwirtschaftlicher Forschung und Praxis Ostbrandenburgs gearbeitet haben, zu Worte kom-
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men. Wenn auch dem Titel entsprechend die Landsberger Anstalten im Mittelpunkt der Darstellung stehen, so greift das Buch doch weit über diesen Rahmen hinaus. Vorangestellt sind zwei Beiträge über die BevölkerungsVerhältnisse im Raum Ostbrandenburg/ Grenzmark (H. J . v. Koerber) und die Entwicklung der Landwirtschaft in diesem Gebiet (L.-W. Ries), die den kulturgeschichtlichen und wirtschaftlichen Hintergrund zeichnen. Es folgt der ausführliche Bericht über Entstehung und Wirksamkeit der Forschungsanstalten mit Beiträgen von A. H. Könekamp, W. Sauerlandt, W. Heuser, C. H. Dencker. Hieran schließen sich Artikel über die Technische Gutsberatung (G. Preuschen), die Vereinigung zur Ermittlung des Düngerbedarfs (H. Rheinwald) sowie die Ostdeutsche Pflanzkartoffel GmbH (W. Schleusener) und die Deutsche Saatveredelung GmbH (W. Fischer), die beide unter wesentlicher Beteiligung der Landsberger Forschungsgesellschaft für Landwirtschaft ins Leben gerufen worden waren. Sie werden ergänzt durch fünf Beiträge zur Futterpflanzenzüchtung und -Vermehrung (A. Otto, W. Renius, A. v. Horn, G. Dittebrand, M. Golling). Schließlich folgen Aufsätze zu Landtechnik, Arbeitswirtschaft und Arbeitsverfassung in den Betrieben des sogenannten mittleren Ostens (L.-W. Ries), über die Tierzucht in Ostbrandenburg (K. Albrecht), das Landwirtschaftliche Bildungswesen (K. Albrecht, L.-W. Ries, H. Munde) und über die Organisation und Führung praktischer Betriebe (G. Schleusener, O. Engel-Blumberg). Personen- und Sachregister schließen das Buch ab. Es ist kein Zufall, daß die Darstellung sich nicht auf die in Landsberg betriebene Forschung beschränkt; denn gerade die selten enge und für die damalige Zeit wegweisende Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis durfte als besonderes Charakteristikum der Landsberger Anstalten gelten. Nicht zuletzt der hierdurch vorgezeichneten Anlage des Buches ist es zu verdanken, daß kein trockener Bericht über Institutsgeschichte und Forschungsergebnisse geliefert wird, sondern die lebendige Darstellung einer Welt, die uns nur scheinbar fern liegt. Es ist bisweilen verblüffend zu lesen, wie vieles heute für uns Selbstverständliche vor erst 30 oder 40 Jahren mühsam durchgesetzt werden konnte, welche Veränderungen in Forschungsmethoden und wissenschaftlicher Erkenntnis, aber auch in der praktischen Betriebs- und Arbeitsorganisation und in der sozialen Lage der Landbevölkerung sich gerade in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen vollzogen haben, Veränderungen, die heute noch nachhaltig wirksam sind. Damit leistet dieses Buch, wohl ohne daß seine Vf.er es speziell beabsichtigt haben, einen interessanten Beitrag zur agrarund sozialgeschichtlichen Kenntnis dieser für unsere heutige Gesellschaft so wichtigen Epoche. Daß gerade in Landsberg Lösungen für viele wissenschaftliche und technische Probleme der Landwirtschaft gefunden werden konnten, unterstreicht ebenso wie die Vielzahl klangvoller Namen, die in diesem Buch genannt werden, die Bedeutung der dortigen Einrichtungen. Die hier geleistete Arbeit ist um so höher zu schätzen, als zwischen Gründung im Jahre 1921 und Untergang im Jahre 1945 weniger als 25 Jahre liegen. Der Rez. hat Landsberg nicht mehr gekannt, und es mag sein, daß, wie es an einer Stelle im Text heißt, manches Detail in der Darstellung fehlt oder nicht ganz exakt wiedergegeben ist. Das dürfte bei dem zeitlichen Abstand, der zwischen den geschilderten Ereignissen und der Niederschrift liegt, und bei der notwendigerweise lückenhaften Quellenlage kaum vermeidbar gewesen sein. Es wäre aber verfehlt, wollte man hierin einen gewichtigen Nachteil dieses Buches sehen. Das hier zusammengetragene, mit Kenntnis und Liebe zur Sache ausgebreitete Material ist es wert, daß der Wunsch des Hrsg.s in Erfüllung geht und sich Landbauwissenschaftler, Historiker und Soziologen auch der jungen Generation in diese Blätter vertiefen.
Gießen
Eberhard Scbinke
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KURTH, Willy: Sanssouci. Seine Schlösser u. Gärten. 8. Aufl. — Berlin: HenschelVerl. 1968. 112 S. DM 8,50. Der langjährige, 1963 verstorbene Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci, Professor W. Kurth, verfaßte diesen jetzt in 8. Auflage vorliegenden beschreibenden Führer durch eine der bedeutendsten Anlagen der deutschen Kunst. Der Bd. geleitet, auch dem kunsthistorisch wenig vorgebildeten Leser verständlich, durch die Schöpfungen des Rokokos bis hin zu den Bauten der 2. Hälfte des 19. Jh.s. Der größere Teil ist den Werken des 18. Jh.s gewidmet, denen die besondere Aufmerksamkeit des Vf.s galt (vgl. W. Kurth, Sanssouci. Ein Beitr. z. Kunst d. dt. Rokoko. — Berlin 1962, 2. Aufl. 1964, Bespr. JGMOD 13/14, 1965, S. 547—549). Uns werden die Bauten von Schloß Sanssouci und Umgebung, die Gartenplastiken und der Park, dann das Neue Palais und schließlich die nachfriderizianischen Bauten in Charlottenhof, die Orangerie, Belvedere und Friedenskirche beschrieben. Gut ausgewähltes Bildmaterial ergänzt den Text und zeigt, in welchem hervorragenden denkmalpflegerischen Zustand sich die Gesamtanlage befindet. Berlin Ferdinand Schwenkner VOGLER, Günter: Zur Geschichte der Weber und Spinner von Nowawes 1751 bis 1785. — Potsdam: Bezirksheimatmuseum 1965. 102 S. mit Abb. = Veröffentlichungen d. Bezirksheimatmuseums Potsdam, H. 7. DM 3,— . Die 1751/52 auf einer Sandscholle der Feldmark des Dorfes Neuendorf bei Potsdam durch den General v. Retzow in königlichem Auftrag für böhmische Auswanderer angelegte Kolonie Nowawes war bereits mehrfach Gegenstand gesonderter Behandlung (Wichgraf 1862, Gerson 1868/72, Spatz 1907, Berndt 1930). Vf. bezeichnet als Zweck seiner Arbeit, die sich auf die völlige Ausschöpfung des archivalischen Quellenmaterials gründet, „ein plastisches Bild vom schweren Leiden und opfervollen Kampf der Manufakturarbeiter im frühesten Stadium der kapitalistischen Entwicklung zu zeichnen". Die hier nach den (z. T. im Anhang in Faksimile mitgeteilten) Vorgängen aus dem Zeitraum 1751/85 geschilderten Arbeitsverhältnisse bieten ein wenig erfreuliches Bild von der Lage der böhmischen Spinner und Weber, denen hier auch der unfruchtbare Sandboden wenig Rückhalt bot. Daß die Unternehmer, insbesondere B. Elias Wulff, seine Witwe und Söhne, die Arbeiter auf jede Weise auszunützen suchten, entsprach der allgemeinen Geschäftspraxis. Die Arbeit für Firmen in Berlin brachte durch die Entfernung schon allerhand Beschwerung. Nicht beachtet ist die Einwirkung des Krieges seit 1756. Die Einwohnerzahl stieg von 240 (1751) auf 1500 (1780). 1759 waren von 155 Hauseigentümern 108 in der Textilproduktion beschäftigt. Über Häuser und Grundstücke werden nähere Angaben nicht gemacht. Nach Bratring lebten um 1800 1600 Personen in 210 Häusern. Die früheren Darstellungen erfahren durch die Arbeit wesentliche Ergänzung. Berlin Johannes Schultze Geschichte von Brandenburg und Berlin. — Berlin: de Gruyter. = Veröffentlichungen d. Histor. Komm, zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Inst. d. Freien Universität Berlin, Bd. 25. Bd. 3. Berlin und die Provinz Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Hans Herzfeld unter Mitw. von Gerd Heinrich. 1968. XII, 1034 S., 1 Kt. DM 4 8 , - . Es ist keine leichte Aufgabe, diesem imposanten Werke Genüge zu tun. Von verwandten Unternehmungen, die ihm vorausgegangen sind, unterscheidet es sich einmal durch die Weite des Stoffkreises, in den die Mark Brandenburg einbezogen ist, zum anderen auch
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BESPRECHUNGSTEIL EINZELNE GEBIETE
darin, daß es versucht, den verschiedenartigsten Betätigungsformen, wie Sport und Theater, Raum zu geben. Diese Anlage setzt es von früheren Werken, wie Heimatchronik Berlin oder Berlin. Neun Kapitel seiner Geschichte, ab. Nicht weniger als 15 Mitarbeiter haben zu diesem Buche beigesteuert, und man darf sagen, daß es für viele Jahre grundlegend sein wird für alle, die an der Geschichte der Reichshauptstadt ein lebendiges Interesse nehmen. Es unterscheidet sich auch von solchen Büchern wie Walter Kiaulehns, die aus einer ganz persönlichen Sicht und dem individuellen Erlebnis der Stadt und der Mark Brandenburg entstanden sind. Trotzdem verdankt der vorliegende Bd. den Arbeiten von Peter de Mendelssohn, Werner Hegemann, Karl Scheffler und Mario Krammer erhebliche Anregungen. Eine Besprechung kann kaum mehr tun, als die Leistungen der einzelnen Mitarbeiter aufzählen. Der einleitende Aufsatz von Hans Herzfeld, der 180 Seiten umfaßt, ist eine meisterhafte Geschichte Berlins und der Mark Brandenburg in dem Zeitraum, auf den sich der Bd. beschränkt. Er bringt eine Fülle aufschlußreicher Einzelheiten, ohne dabei die Gesamtsicht der Entwicklung Berlins aus den Augen zu verlieren. Der folgende Essay Richard Dietrichs ist den Problemen von „Verfassung und Verwaltung" gewidmet und klärt eine Anzahl von Fragen, an denen selbst zünftige Historiker Berlins oft vorbeigegangen sind. Das Verhältnis der Stadt Berlin zu den staatlichen Behörden war ja seit der Einführung der Städteordnung ein recht kompliziertes und wurde nicht einfacher, als 1871 noch die Reichsbehörden neben die preußischen und die Kommunalbehörden gesetzt wurden. Das hat vielfach zu Überschneidungen geführt. Die staatliche Bürokratie behielt immer ein Aufsichtsrecht über die Selbstverwaltung der Stadt, selbst wenn man zugeben muß, daß der Kirchturmshorizont der Stadtväter die staatliche Intervention oft geradezu herausforderte. Die Rolle des Polizeipräsidenten in Berlin blieb unangefochten in seinem Machtbereich und hat viel dazu beigetragen, den autokratischen Charakter der Reichshauptstadt auch nach 1870 zu konservieren. Vielleicht liegt hier auch der Grund, warum aus der Berliner Kommunalverwaltung kein großer Politiker vom Schlage Joseph Chamberlains oder Konrad Adenauers hervorgegangen ist. Der 3. Abschnitt, den Eberhard Schmieder verfaßt hat, beschäftigt sich mit einem der interessantesten Probleme in der Entwicklung Berlins und der Mark Brandenburg: „Wirtschaft und Bevölkerung". Wie und warum Berlin zu einer der großen Industriestädte der Welt geworden ist, ist in sich ein hoch bedeutsamer Vorgang. Christentum und Kirche werden in 2 Abschn. von verschiedenen Vf.ern behandelt. Ich habe ein gewisses Bedenken gegen die Weise, in der das kirchliche Leben Berlins dargestellt wird. Berlin war im Grunde nie eine religiöse Stadt, und die Einflüsse Schleiermachers, Hengstenbergs und später Stoeckers stehen denen der Aufklärung und Hegels im Grunde doch an Bedeutung nach. Selbst der Kampf der Bekenntniskirche gegen das Hitlerregime hat das nicht zu verändern vermocht. Der Abschnitt bricht mit dem Jahre 1945 ab. Georg Kotowski hat es unternommen, über das Bildungswesen zu schreiben, und hier konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Bildungsanstalten Berlins vielleicht doch eine detailliertere Würdigung verdient hätten als sie uns geboten wird. Das gleiche gilt auch für Paul Ortwin Raves Kapitel über „die bildende Kunst". Der Vf. führt seine Skizze nur bis zum Jahre 1919, so daß die Entwicklung des Expressionismus eigentlich nur als Aufzählung von Künstlernamen und von Kunsthändlern wie Alfred Flechtheim zu Worte kommt. Die darstellenden Künste, das Theater und die Musik, haben ausführliche Behandlung durch Hans Knudsen und Werner Bollert erfahren. Zum Teil überschneiden sich diese beiden Kapitel, was in der Behandlung der königlichen Oper zu gewissen Wiederholungen geführt hat. Die Schwierigkeiten der Darstellung auf diesem Gebiet liegen aber noch tiefer.
BRANDENBURG
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Schon Schiller wußte, daß die Nachwelt dem Mimen keine Kränze flicht; der Historiker des Theaters vergangener Jahrhunderte sieht sich daher vor der fast unlösbaren Aufgabe, die Magie des großen Schauspielers oder Sängers mit Worten heraufzubeschwören. Es scheint mir, daß Herr Bollert dies Problem mit mehr Erfolg gelöst hat als Herr Knudsen, da er auch die Institutionen und solche Organisationen wie die Singakademie und das musikalische Verlagswesen einbezogen hat. Die Literatur ist in zwei oder eigentlich drei Abschnitten ausführlich dargestellt: Renate Böschenstein-Schäfer gibt einen gediegenen Überblick über die Periode von 1800—1850, also von der Berliner Romantik bis zur beginnenden Reaktion; Klaus Müller-Dyes schildert das literarische Leben von 1850—1933; der Altmeister des journalistischen Studiums, Emil Dovifat, geht in seiner Skizze der Publizistik sogar bis zum 16. Jh. zurück, um dann mit Sieben-Meilen-Stiefeln bis zum Zusammenbruch des Hitlerreiches vorzudringen. Weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen, wie das eindringliche Buch Peter de Mendelssohns über die Berliner Presse gezeigt hat. Eine interessante Neuerung ist der Aufsatz von Peter Dittmar über die deutsche Filmindustrie. Die Anfänge waren bescheiden, aber in den 20er Jahren nahm die Ufa-Aktiengesellschaft die Konkurrenz mit den großen amerikanischen und französischen Filmen auf, und man darf wohl sagen, daß einige ihrer Produkte den ausländischen ebenbürtig waren, wenn sie sie nicht sogar übertrafen. Das gilt besonders von dem „Blauen Engel", der Marlene Dietrich zu einer weltbekannten Persönlichkeit machte, aber auch andere Persönlichkeiten könnte man erwähnen. Auch hier hat dann die plumpe Hand Goebbels' eingegriffen und mit törichten Propagandafilmen das Prestige der deutschen Filmindustrie zerstört. Das ganze Gebiet ist noch zu wenig erforscht, wird aber zunehmend an Geltung gewinnen, da Film und Fernsehen für den zeitgenössischen Menschen ja so wichtig geworden sind wie Bücher und Zeitungen. Der letzte Abschnitt des Bd.es über „Leibesübungen" beginnt naturgemäß mit dem Turnvater Jahn. Das Turnen war wohl doch der größte Beitrag, den Berlin zu den Leibesübungen geliefert hat, und seine Eingliederung in das Schulwesen und seine Pflege durch Vereine von Erwachsenen stellt unzweifelhaft ein interessantes Phänomen dar. Auf der anderen Seite sehe ich nicht, daß Berlin einen spezifischen Berliner Sport entwickelt hätte, der sich dem amerikanischen Baseball oder dem englischen Cricket an die Seite stellen ließe. Man könnte an das Sieben-Tage-Rennen denken, aber das ist mehr als soziologisches denn als sportliches Phänomen bedeutsam. Ein Wort schließlich noch über den wissenschaftlichen Apparat, der das Buch abschließt. Ein Bd. von mehr als 1000 Seiten wäre ohne Anmerkungen, Literaturverzeichnis und Index nur von geringem Wert für die Benutzer. Erfreulicherweise hat der vorliegende Bd. alle drei in musterhafter Ausführung. Das Literaturverzeichnis ist nach Kapiteln geordnet, gibt aber eine gediegene Auswahl aus der großen Bibliographie, die die Historische Kommission zu Berlin im Jahre 1965 veröffentlicht hat. Das Register umschließt sowohl Personennamen wie Sachbezüge und erleichtert die Benutzung in hohem Grade. Wir sind Herrn Dr. Heinrich und seinen Assistenten dafür zu großem Danke verbunden. Zum Abschluß möchte ich noch einen Wunsch aussprechen, der vielleicht unter den obwaltenden Umständen nicht verwirklicht werden kann. Es wäre außerordentlich wünschenswert, wenn der Bd. bis in die Gegenwart fortgesetzt werden könnte und wenn die getrennte Entwicklung von West-Berlin und Ost-Berlin mit derselben Objektivität dargestellt werden könnte, die das vorliegende Buch auszeichnet. Ich bin mir bewußt, daß das nur unter Benutzung des Aktenmaterials der Ostzone und des Ostsektors geschehen könnte
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und daß die Aussichten für die Verwirklichung eines solchen Planes gering sind. Aber es scheint doch angebracht, sie schon heute im Auge zu behalten und den Antrag darauf rechtzeitig zu stellen. Lynchburg, Virginia
Gerhard Masur
BRANDT, Walther: Vom feurigen Elias und der sanften Elise. Die Privatbahnen u. Kleinbahnen d. Mark Brandenburg u. Berlins. — Düsseldorf: Albis 1968. 74 S. DM 13,80. Nach dem im Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte enthaltenen Aufsatz des jüngst verstorbenen Harry Methling ist nun von anderer Seite her der Versuch unternommen worden, die Entwicklung der Privat- und Kleinbahnen im Räume Brandenburgs darzustellen. Das Gewicht liegt hierbei einerseits auf betriebstechnischen Details, die wohl nur derjenige bis ins letzte auszuwerten vermag, der dem Eisenbahnerberuf in dieser besonderen Sparte nahesteht, aber andererseits findet der Landeskundler und Landeshistoriker in konzentrierter Form Angaben, die Einblicke in die Geschichte des Verkehrs in der Provinz Brandenburg gewähren und für die Literatur bisher nur vergleichsweise spärlich vorhanden war. Nach einer Einleitung, die den Gang der Ereignisse kurz — zu kurz — umreißt, folgen die Kapitel über die einzelnen Eisenbahnstrecken und deren Verwaltungen. So angenehm und ansprechend Einband und Bebilderung gestaltet wurden, so unangenehm wird der Leser durch die Flüchtigkeit berührt, die ihm bei der Durchsicht des Textes entgegentritt. Abgesehen von einer Vielzahl von Druckfehlern, die sich in diesem Ausmaß wohl hätten vermeiden lassen, fallen die nichtssagenden oder sogar falschen landeskundlichen Bemerkungen auf. Diese stehen in krassem Gegensatz zu den präzisen Aussagen über Eröffnung, Streckenführung, Lokomotiven- bzw. Triebwagen- und Wagenbestand u. ä. einer jeden Eisenbahnstrecke. Zur besseren Ubersicht und Vergleichbarkeit dieser Daten für den gesamten Raum hätte man sie auch in Tabellen darstellen sollen, wie es für die Lokomotiven und Triebwagen geschehen ist. Insgesamt kann die neue Veröffentlichung trotz gewisser Mängel, die bei einer 2. Auflage sicher beseitigt werden könnten, begrüßt werden. Als Ergänzung und zum Vergleich sollten die Karte „Entwicklung des Eisenbahnnetzes (1838—1966)" des Historischen Handatlas von Brandenburg und Berlin und der oben erwähnte Aufsatz von Harry Methling herangezogen werden. Berlin
Wolfgang Scharfe
Brandenburgisches Namenbuch. — Weimar: Böhlau. (Berliner Beiträge zur Namenforschung. Bd. 1.) T. 1. Fischer, Reinhard E[rnst]: Die Ortsnamen der Zauche. (Mit 3 Abb. u. 6 Ktn.) (1967.) 206 S., 6 Ktn. in Rückenschlaufe. DM 30,— . Diss., Humboldt-Univ. Berlin. Überarbeitung. BRATRING, F(riedrich) W(ilhelm) A(ugust): Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg. Krit. durchges. u. verb. Neuausg. (d. 1. Aufl. Berlin, Maurer, 1804—1809). Von Otto Büsch u. Gerd Heinrich. Mit e. biograph.-bibliograph. Einf. u. e. Ubersichtskt. von Gerd Heinrich. - Berlin: de Gruyter 1968. XLII, 116,1508 S., 1 Ktn.-Beil. in Rückentasche ( = Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Bd. 22: Neudrucke. Bd. 2.) DM 3 2 0 , - .
MECKLENBURG
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E N G E L , Evamaria, u. Benedikt Z I E N T A R A : Feudalstruktur Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg. Mit e. Einl. von Eckhard Müller-Mertens. — Weimar: Böhlau 1967. 431 S., div. Kt. (Abhandlgg. zur Handels- u. Sozialgeschichte, Bd. VII.) D M 4 3 , - .
Franz [d. i. Mielke, Franz]: Potsdam. Gesicht u. Geschichte e. Stadt. (Übersichtskt.: Helmut Heyne.) — Leipzig: Brockhaus VEB 1966. 95 S., S. 3 3 - 9 5 Abb. mit Text. (Kleine Städtereihe.) DM 4,20.
FABIAN,
Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin. — Berlin: de Gruyter 1965 bis 1969. 2° (Veröffentlichungen d. Histor. Kommission zu Berlin beim Friedrich-MeineckeInst. d. Freien Universität Berlin.) Lfg. 13—24. Je Lfg. DM 19,50. Rudolf: Urkundeninventar zur Geschichte der Niederlausitz bis 1400. — Köln: Böhlau 1968. XXXVI, 704 S., 2 Kt. (Mitteidt. Forschungen 55.) DM 1 2 0 , - . LEHMANN,
Carl: Achim von Arnims Eltern in Friedenfelde. 200 Jahre Geschichte e. Uckermark. Gutes u. seiner Besitzer sowie e. Inventarium d. Herrenhauses aus d. Jahre 1778. — Bochum [Goethestr. 9]: Jochen von Arnim (1966). 52 S. mit Abb. (Schriften zur Familienund Heimatgeschichte.) DM 9,85. NAGEL,
R A D I G , Werner: Das Bauernhaus in Brandenburg und im Mittelelbegebiet. — Berlin: Akademie-Verl. 1966. 102 S. mit 61 Abb. (Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Volkskunde. Bd. 38.) DM 5,50.
Antoni: Spoleczne i polityczne sily w walce o Now^ Marchiq w latach 1319—1373. (Soziale und politische Kräfte im Kampf um die Neumark in den Jahren 1319-1373.) - Torun: PWN. 1968. 200 S. zl. 45.
CZACHOWSKI,
Z dziejöw polskosci na Ziemi Lubuskiej. Praca zbiorowa. (Zur Geschichte des Polentums im Lande Lebus. Sammelarbeit.) — Zielona Göra: Lub. Tow. Kult. 1966. 70 S. zl. 8.
3. Mecklenburg Franz: Die mecklenburgischen Kaiserbederegister von 1496. Mit e. Einleitung von Roderich Schmidt. - Köln, Graz: Böhlau 1968. XXVIII, 363 S., 1 Kt. == Mitteidt. Forschungen, Bd. 56. DM 4 8 , - . ENGEL,
Die letzte größere Arbeit des so beklagenswert früh verstorbenen Franz Engel ( t 11. 9. 1967) galt der Edition der Kaiserbederegister von 1496, einer der wichtigsten nichturkundlichen Quellen zur spätmittelalterlichen Geschichte Mecklenburgs aus der Regierungszeit Herzog Magnus' II. (1477—1503). Die Veröffentlichung war bereits 1937 im Rahmen der „Bauernlisten" von der Urkundenkommission des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde vorgesehen. Die Register, nunmehr fast ausschließlich nach dem im Staatl. Archivlager Göttingen lagernden Handschriften gedruckt, umfassen räumlich etwas mehr als ein Viertel (14 Vogteien und 15 Städte) von Mecklenburg, können jedoch für die Interpretation durch andere spätmittelalterliche, z. T. bereits veröffentlichte Register ergänzt werden. Die Edition folgt dem Wortlaut der Handschriften „so getreu wie möglich". Die „zufällige Anordnung" der Listen wurde von Engel zugunsten einer Nord-Süd- und Ost-West-Anordnung mit neuer Numerierung aufgegeben. Gute, noch von Engel erarbeitete Personennamen- und Ortsnamenregister erschließen die ungewöhnlich übersichtlich
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gedruckte Quelle. Trotz ihrer fragmentarischen und in sich uneinheitlichen Form sind die Kaiserbederegister eine noch längst nicht ausgeschöpfte Quellengrundlage für die Verwaltungsgliederung, die Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte, die Kirchen- und Sozialgeschichte, die Wirtschafts- und Agrargeschichte und die Familien- und Ortsgeschichte. Die instruktiv in den geschichtlichen Hintergrund einführende Einleitung (VII—XXVIII) von Roderich Schmidt, dem auch die Übersichtskarte zu verdanken ist, fixiert nicht nur sachkundig den Stand der bisherigen Forschung, sie gibt darüber hinaus bereits zahlreiche Anregungen für die künftige Auswertung der Register. Berlin
Gerd Heinrich
OLECHNOWITZ, Karl-Friedrich: Rostock von der Stadtrechtsbestätigung im Jahre 1218 bis zur bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49. — Rostock: VEB Hinstorffl968.228 S. = Beiträge z. Geschichte d. Stadt Rostock, Bd. 1. DM 9,—. Die Stadt Rostock besitzt — etwa im Vergleich zu Wismar oder Schwerin — keine ausführliche Stadtgeschichte. Karl Koppmann hatte 1887 in einem 1. Bd. die Grundzüge der Stadtgeschichte bis 1532 veröffentlicht, doch dann erlosch sein Interesse. Inzwischen sind zahlreiche Einzeluntersuchungen aus der Stadtgeschichte und einige knappe Übersichten erschienen, es fehlt aber an einer erschöpfenden Gesamtdarstellung. Diesem Mangel zum 750jährigen Stadtjubiläum abzuhelfen, trat ein Autorenkollektiv zusammen, von dessen Wirksamkeit bisher aber nur die anzuzeigende Einzelarbeit zeugt. Immerhin liegt damit eine flüssig geschriebene, um Allgemeinverständnis bemühte und zuverlässige Darstellung der Rostocker Geschichte bis zum Beginn des 19. Jh.s vor. Die Gliederung spiegelt ebenso den Forschungsstand wie die in der DDR aktuellen Schwerpunkte. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Probleme stehen bewußt im Vordergrund der Darstellung. Dem Klassenkampf zwischen Patriziat und den städtischen Volksmassen wird breiter Raum eingeräumt. Darüber hinaus ist es das Mittelalter, das den Vf. fesselt. Die Periode vom 30jährigen Krieg bis zur Mitte des 19. Jh.s wird nur kursorisch, die Revolution von 1848/49 gar nicht mehr behandelt. Offensichtlich war das Ereignis einem folgenden Bd. vorbehalten. Vf. hat sich durch zwei Arbeiten zur städtischen Handelsgeschichte einen Namen gemacht (Der Schiffbau der Hansischen Spätzeit, 1960, und: Handel und Seeschiffahrt der späten Hanse, 1965). Er sieht daher Rostocks Geschichte im wesentlichen als Teil der Hansegeschichte, die recht breit geschildert wird. Doch finden sich hier die glänzendsten Abschnitte. Die Rolle Rostocks als mecklenburgische Territorialstadt, das Verhältnis zum Fürstenhaus scheint mir dagegen zu knapp wegzukommen. Das gleiche gilt von der Kirchen-, Geistes- und Kunstgeschichte. Bei der Behandlung der „demokratischen Volksbewegungen und Klassenkämpfe" kann man über die Terminologie streiten, die Sache wird frisch und lebendig erzählt, wie sich auch durchaus differenzierte, selbständige Urteile finden. Einzelne Versehen mindern den Wert nicht. Anstelle von Anmerkungen wird am Schluß eine durchdachte, kurze Auswahlbibliographie geboten. Hier, meine ich, wäre eine gründlichere Quellendokumentation nützlicher gewesen, zumal der Kenner geradezu einzelne Quellen aus dem Text herausspürt. Bei allem Bemühen um eine verständliche Sprache bleiben doch eine Reihe von „termini technici", die das Buch kaum zur Feierabendlektüre der Werktätigen geeignet machen. Auch fehlen dazu die nötigen Bilder. Die Wissenschaft aber darf dankbar sein, den Stoff zusammengefaßt und ausgebreitet zu finden. Hannover
Manfred
Hamann
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Das älteste Rostocker Stadtbuch. (Etwa 1254—1273.) Htsg. von Hildegard Thierfelder. Mit Beiträgen z. Geschichte Rostocks im 13. Jh. — Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1967. 351 S. D M 4 5 , - . Karl Koppmann, der eigentliche Begründer des Rostocker Stadtarchivs, hat bei einer Besprechung des Mecklenburgischen Urkundenbuchs über den Satz meditiert, daß das Gute oft der Feind des Besseren sei. Die Tatsache nämlich, daß die, wie man wohl sagen kann, wichtigsten historiographischen Nachrichten aus den Rostocker Stadtbüchem sowie eine ganze Reihe typischer Auszüge daraus im Mecklb. UB gedruckt sind, hat deren geschlossene Edition wesentlich behindert. Wer allerdings eine Vorstellung vom Umfang der im Vergleich zu den Nachbarstädten besonders reichhaltigen mittelalterlichen Uberlieferung Rostocks besitzt, wird sich skeptischer Resignation schwer verschließen. Allein bis zum Jahre 1397 habe ich, ohne die ältesten Fragmente, 12 meist dickleibige Stadtbücher gezählt. Von dieser Hauptserie spalten sich im 14. Jh. Spezialreihen ab (vgl. S. 36 ff.), so daß schließlich folgende Reihen festzustellen sind: (1.) Grund- und Erbebuch, (2.) Rentenbuch, (4.) Witschopbuch, (5.) Verfestungsbuch, (6.) Bürgerbuch, (7.) Rechnungsbuch sowie mehrere Einzelstück-Serien. Die so wünschenswerte Erschließung und Veröffentlichung dieses Materials kann also nicht ganz leicht sein. Die vorliegende Arbeit macht einen erfreulichen Anfang. Sie besteht aus zwei Teilen: der eigentlichen Textedition (mit quellenkritischer Einleitung, fünf eingehenden Registern und einem Glossar) sowie einer Untersuchung mit dem Titel: Beiträge zur Geschichte Rostocks im 13. Jh. Das edierte Stadtbuch gehört noch zu den Stadtbüchern gemischten Inhalts und enthält Eintragungen verschiedenster Art sowohl aus der Stadtverwaltung wie — vorwiegend — der privaten Rechtssphäre. Hinter den „Beiträgen" steckt eine eindringliche, auf der schriftlichen Überlieferung aufgebaute Geschichte Rostocks von den Anfängen bis 1273, jedoch so, daß, wenn nötig, weiter ausgegriffen wird. Behandelt werden Verhältnis zu Auswärtigen, innere Verwaltung, Handel, Sozialgefüge und Topographie. Die Textedition hat mit gutem Grund die bereits von Dragendorff veröffentlichten Lagen wieder abgedruckt und bietet zusätzlich neu ein undatiertes, von der Hrsg.in als ältestes nachgewiesenes Fragment. Den Hauptteil nimmt das 1. Stadtbuch ein. Vom 2. wird noch der Anfang wiedergegeben. Die Kontrolle nach einer zufällig hier vorhandenen Kopie eines Blattes ergab, daß die Abschrift zuverlässig sein dürfte. Wer um die Mühe einer solchen Edition (einschließlich Register) weiß, wird der Hrsg.in und denen, die den Druck förderten, dankbar sein. Die „Beiträge" bieten weiterhin eine wohl erschöpfende Geschichte Rostocks im 1. halben Säkulum seiner Vergangenheit. Dem Literaturverzeichnis merkt man an, daß das Manuskript um 1960 abgeschlossen worden sein dürfte. Hannover Manfred Hamann THIERFELDER, Hildegard: Rheinland-Westfalen und Pommern-Mecklenburg. Eine Darstellung d. Beziehungen im 13. Jh. auf Grund von Herkunftsnamen, in: Nordrhein-Westfalen und der deutsche Osten, Dortmund 1967, S. 7—45 ( = Veröff. d. Ostdt. Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen, R. A, Nr. 12). — Bremer Beziehungen zu Rostock im 13. Jahrhundert, in: Bremisches Jb. 48 (1962), S. 203—219. — Hamburger in Rostock im 13. Jahrhundert, in: Zs. d. Ver. f. Hamburgische Gesch. 46 (1960), S. 131-136. Hildegard Thierfelder, jetzt Leiterin des Ratsarchivs in Lüneburg und Herausgeberin des ältesten Rostocker Stadtbuches (1967), stellt vor allem auf Grund der ungedruckten
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Rostocker Stadtbücher und ergänzt durch die gedruckten Rostocker, Mecklenburger und sonstigen osthansestädtischen Quellen die Nachrichten über den Zuzug des 13. Jh.s aus den westfälischen Gebieten, aus Köln, Bremen und Hamburg in die wendischen Hansestädte, besonders nach Rostock, zusammen. Hervorzuheben sind die sorgsamen methodischen Erwägungen. In Rostock, dessen Gründungsgeschichte kurz abgehandelt wird, hat man auf Grund der überlieferten Namen der besitzenden Schichten 12,5% Westfalen, 7% Ostfalen, 6,5% Pommern, 4,5% Brandenburger, 3% Rheinländer und 51% Mecklenburger festgestellt. Wichtig sind auch die Hinweise auf den sozialen Standort der Zuwanderer. Die lückenlos belegten Beiträge erweisen sich als nützliche Vorarbeiten für eine Bevölkerungs- und Sozialgeschichte der wendischen Hansestädte im 13. Jh. Berlin
Gerd Heinrich
MOLL, Georg: Die kapitalistische Bauernbefreiung im Klosteramt Dobbertin (Mecklenburg). Zum „preußischen Weg" d. Entwicklung in d. Landwirtschaft. — Rostock: VEB Hinstorff 1968.206 S. = Veröffentlichungen d. Staatsarchivs Schwerin, Bd. VI. D M 1 5 , - . Die drei mecklenburg-schwerinschen „Landesklöster" Dobbertin, Malchow und Ribnitz waren zwar de facto ritterschaftliches Eigentum; dennoch wurden die Bauern dieser Klosterämter von der Bauernbefreiung ungleich weniger hart getroffen als diejenigen im ritterschaftlichen Mecklenburg. Die Untersuchung der Ursachen, Methoden und Motive, die jene Abweichung bewirkten, beruht im wesentlichen auf den im Schweriner Staatsarchiv verwahrten Klosterakten, deren Reichhaltigkeit es ermöglichte, das Thema breit und ergiebig abzuhandeln. Der Vf., ein Schüler des Rostocker Agrar- und Landesgeschichtsforschers G. Heitz, führt die Eigentümlichkeit der klosterbäuerlichen Befreiung ursächlich auf den grundherrschaftlichen Charakter des dobbertinischen Besitzes zurück, der von der historischen Entwicklung zur Gutsherrschaft im allgemeinen unberührt geblieben war. Somit war der Zweck der klösterlichen Grundherrschaft, nämlich die Aufwandsdeckung mittels Eigenbewirtschaftung und klosterbäuerlicher Dienste, bei Beginn der Bauernbefreiung im großen und ganzen bereits erfüllt. Folglich hätte die Ausdehnung der Eigenwirtschaften (Höfe) auf Kosten des bäuerlichen Besitzes weitgehend dem Rentabilitätskalkül widersprochen. Dem steht nicht entgegen, daß im Gefolge einer umfassenden Flurbereinigung etwa 10 bis 20% des Bauernlandes an die Höfe überging und daß darüber hinaus der verbleibende bäuerliche Grund und Boden den Bauern lediglich zur Erbpacht überlassen wurde. — Die juristische Seite dieser vergleichsweise milden mecklenburgischen Spielart von „Bauernbefreiung" nimmt sachgemäß breiten Raum in der Darstellung ein. Des weiteren jedoch ist es dem Vf. als besonderes Verdienst anzurechnen, daß er die betriebswirtschaftlichen Begleiterscheinungen des Vorganges, der sich über gut drei Jahrzehnte hinzog, detailliert untersucht und ausführlich mit Zahlenangaben belegt. München
Klaus-Peter
Hoepke
ERDMANN, Hans: Schwerin als Stadt der Musik. — Lübeck: Schmidt-Römhild 1967. 176 S. mit 69 Abb. DM 14,80. Die mecklenburgische Residenz- und Landeshauptstadt Schwerin hat die Kennzeichnung als „Musikstadt" und die hier erstmals vorgelegte zusammenfassende Darstellung ihrer diesbezüglichen Entwicklung wohl verdient: als Standort einer im 16. und 18. Jh. berühmten Hofkapelle, deren Notenarchiv noch heute eine Fundgrube für die Musikfor-
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MECKLENBURG
schung ist; als Stätte eines bis weit ins 20. Jh. hinein anerkannt leistungsfähigen, in der Repertoiregestaltung fortschrittlichen Hof- und Staatstheaters; als Zentrum der „Mecklenburgischen Musikfeste"; als zeitweilige Wirkungsstätte musikwissenschaftlicher Pioniere wie Friedrich Chrysander und Otto Kade. In den Augen des lokalgeschichtlich interessierten Musikwissenschaftlers ist H. Erdmanns Arbeit indessen zu knapp geraten, um ganz zu befriedigen. Von den behandelten vier Jahrhunderten werden drei im 1. Drittel des Buches abgetan, wobei fast ausschließlich die Geschichte der Hofkapelle untersucht wird; der Rest des Bd.es ist vornehmlich dem Aufschwung der Oper im 19. Jh. gewidmet. Hinweise auf die Real- und Geistesgeschichte des Norddeutschen Raumes, der Stadt, der Dynastie sind so spärlich, daß der Leser ihre Beziehung zu den musikgeschichtlichen Ereignissen nicht selbständig herstellen kann und sogar ein so aufsehenerregendes Phänomen wie die Hochblüte der „Deutschen Oratorien", die „losgelöst von aller gottesdienstlichen Praxis" (S. 41) unter Friedrich dem Frommen in Ludwigslust Ende des 18. Jh.s gepflegt wurden, einfach als Einzeltatsache hinnehmen muß. Dabei verficht der Vf., wie er im Nachwort betont, über die Aufzählung von Fakten hinaus durchaus eine musikgeschichtliche These, indem er das „einmalige" Aufblühen des praktischen Musiklebens im 19. Jh. einer Verschmelzung bürgerlicher Initiative mit höfischer Tradition ebenso zuschreibt wie dem Zusammenwirken benachbarter Musikzentren (Wismar, Lübeck, Rostock) in den „Mecklenburgischen Musikfesten" (S. 160). Gerade unter diesem Aspekt ist es allerdings bedauerlich, daß die Darstellung mit dem Jahr 1945 endet. Eine wissenschaftliche Benutzung der Arbeit wird trotz des neben dem Personen- und Ortsregister vorgelegten gründlichen Literaturverzeichnisses dadurch erschwert, daß sie keine Anmerkungen oder detaillierte Verweise auf die benutzten Quellen enthält. Berlin
Irmgard von
Broich-Oppert
BATT, Kurt: Fritz Reuter. Leben u. Werk. - Rostock: VEB Hinstorff 1967. 450 S. Gesammelte Werke u. Briefe Fritz Reuters, Bd. 9. Batt, Spezialist für mecklenburgische Autoren (s. seine Einleitung zur Werkausgabe v. John Brinkman, I) ist ein intimer Kenner Fritz Reuters, mit dem er sich schon in seiner Diss. von 1958 beschäftigt hat. Nachdem B. bereits 1963 eine dreibändige Reuterauswahl herausgegeben und eingeleitet hat, gab er 1967 Reuters Gesammelte Werke und Briefe heraus, die mit dieser Biographie ihren Abschluß finden. Der vorliegende Bd. hat viele Vorzüge, wenngleich der positive Eindruck nicht ungetrübt bleibt. Die Biographie repräsentiert positivistische Schule im besten Sinn und erhält ihren Wert schon durch den angebotenen Materialreichtum. Der Vf. ist nicht in seinen Helden verliebt und zeichnet behutsam den allmählichen Werdegang dieses Schriftstellers aus kritischer Distanz nach, ohne dem Fehler zu verfallen, persönliche Schwächen, etwa Reuters Trunksucht, psychologisch überzustrapazieren und mit seinem Werk in Verbindung zu bringen. Er interpretiert den Schriftsteller in Verbindung mit den politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen seiner Zeit und näheren Umwelt, speziell dem Landschaftsraum Mecklenburg, ohne einen imaginären Stammescharakter im Sinne Nadlers zu konstruieren. Andererseits zeigen sich vor allem bei der Werkinterpretation methodische Schwächen und ideologische Befangenheit. Die Realismusdiskussion der Nachkriegszeit, die durch R. Brinkmann neu belebt wurde, ist spurlos an B. vorübergegangen, so daß er noch immer 30
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„realistische Spiegelungen von Erfahrungen" (S. 390) fordert, ohne zu reflektieren, was Begriffe wie Realismus, Spiegelung und Erfahrung im einzelnen beinhalten. Bei der Behandlung des Erfolgsphänomens bei Reuter, der unter den deutschen Schriftstellern des 19. Jh.s zu den Spitzenverdienern aus rein literarischer Tätigkeit zählte, klammert er die Problematik der Rezeption, also des literarischen Geschmacks weitgehend aus und betont sogar, daß Reuters Erfolg „nicht durch außerliterarische Umstände begünstigt wurde" (S. 286), worunter B. die Erörterung von aktuellen Themen versteht, wie beispielsweise die Behandlung der schleswig-holsteinischen Frage durch Reuters Antipoden Groth. Die prinzipielle Bedeutung von „geschmacklerischen Schiedssprüchen" (S. 219), die schwerer wiegen als die „selbstverständliche" Sieghaftigkeit von Qualität, ist dem Vf. fremd. Wenn auch die sonst in der DDR-Forschung obligaten Marx-Lenin-Zitate fehlen, so steht B. doch fest auf dem Boden marxistischer Literaturkritik, die zwar mit Recht von einem guten Autor kritisches Bewußtsein fordert, dies aber mit Parteilichkeit identifiziert. Von daher resultiert die hohe Wertschätzung von „Kein Hüsung" und die Verteidigung der Schwarz-Weiß-Malerei als „ein Produkt des heißen Herzens" (S. 201). Die grundsätzliche Problematik affektiver Betrachtungsweise wird nicht diskutiert. Der marxistische Ausgangspunkt des Vf.s verrät sich deutlich, wenn er bei der Analyse von Reuters Theaterstücken bekunden muß, „auch die verbissenste Suche nach sozialkritischen Stellen wird fruchtlos bleiben" (S. 243). Um jedoch nicht mit allzu mageren Ergebnissen dieser Suche aufwarten zu müssen, wird Reuters Gebrauch der Mundart als „eine Art demokratischen Protestes und volkstümlicher Rebellion gegen das ,Oben'" (S. 229) aufgewertet. Für den Benutzer ist es unpraktisch, daß in dem bibliographischen Anhang nur die Reuter-Literatur aufgenommen wurde und daß dieser nun mit den kritischen Anmerkungsapparat wie zwei verschiedene Literaturverzeichnisse gelesen werden muß. Dennoch soll der ambivalente Charakter des Buches nicht darüber hinwegtäuschen, daß es durch die Fülle nicht nur biographischer, sondern auch allgemein zeitgeschichtlicher Einzelheiten wertvolle Anregungen vermittelt. Berlin
Ilsedare Rarisch
Aus Güstrows Vergangenheit. (Red.: Bernhard Blaschke u.a.) — Güstrow: Kreisheimatmuseum 1965. 94 S. mit 1 Kt. u. zahlr. Abb. (Beiträge zur Heimatgeschichte. H. 3.) MEDIGER, Walther: Mecklenburg, Rußland und England—Hannover 1706—1721. Ein Beitr. z. Geschichte d. Nord. Krieges. — Hildesheim: Lax. (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens. Bd. 70.) Zus. DM 3 6 , - . Textbd. 1967. 480 S. Anmerkungen, Quellen und Literatur, Register. 1967. 221 S. NERGER, Karl: Grammatik des mecklenburgischen Dialekts älterer und neuerer Zeit. Laut- u. Flexionslehre. (Neudr. d. Ausg. Leipzig, Brockhaus 1869.) — Wiesbaden: M. Sändig (1966). XII, 194 S. DM 3 0 , - . SCHORLER, Vicke: Seestadt Rostock 1578 — 1586. Bearb. u. beschrieben von Oscar Gehring. — Rostock: Hinstorff. 56 S. mit der farbigen Wiedergabe d. 19 m langen Originals im Kupfertiefdruck (Maßstab 1 : 3) sowie 21 Textabb. u. 4 zweifarb. Plänen. DM 75,— . WOSSIDLO-TEUCHERT: Mecklenburgisches Wörterbuch. Im Auftr. d. Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin aus den Sammlungen Richard Wossidlos u. aus eigenen Erg. bearb. u. hrsg. von Hermann Teuchert. — Berlin: Akademie-Verl.; Neumünster: Wachholtz. Lfg. 41: . Pierd bis Plünnenkierl. Unter Mitarb. von Jürgen Gundlach [u. a.] 1967.
POMMERN
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Sp. 385-512. DM 1 0 , - . Lfg. 42: . Plünnenkram bis Pump. Unter Mitarb. von Jürgen Gundlach u. Eva-Sophie Dahl. 1967. Sp. 5 1 3 - 6 4 0 mit Abb. D M 1 0 , - . Lfg. 43: . pump bis rammeln. Unter Mitarb. von Jürgen Gundlach u. Eva-Sophie Dahl. 1968. Sp. 6 4 1 - 7 6 8 mit Abb. DM 1 0 , - .
4. Pommern Friedrich Karl von: Bausteine aus dem Osten. Pommersche Persönlichkeiten im Dienste ihres Landes u. d. Geschichte ihrer Zeit. — Leer (Ostfr.): Rautenberg 1967. 216 S. DM 14,80.
ZITZEWITZ-MUTTRIN,
Vf. hat in seiner Schrift in teilweise essayartigen Aufsätzen Beiträge zur Geschichte des „Blauen Ländchen" (die Kreise Stolp, Schlawe und Rummelsburg), das die Heimat seines Geschlechts ist, zusammengefaßt. Er wendet sich damit vornehmlich an die Jugend, für die er die Vergangenheit „zu begreifbaren und überzeugenden Bildern zusammenfügen" will. Die Darstellung beginnt mit der Zeit der Swenzonen, die um 1294, als das pommerellische Fürstengeschlecht ausstarb, die maßgeblichen Männer im Stolper Lande waren, und reicht bis zum 1. Weltkrieg. Die einzelnen Beiträge sind gegliedert in die Abschnitte: Entstehung, Bausteine, Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse (13. —15. Jh.), Die Berührung mit der Außenwelt (16. —17. Jh.), Die Dienste im Beispiel (18. —20. Jh.). Besonders im 2. und 3. Abschnitt sind die Aufsätze im wesentlichen biographisch angelegt; aber auch die landwirtschaftlichen Verhältnisse werden eingehend und sachkundig geschildert. Als Grundlage dient die bekannte Literatur, wobei der unterschiedliche Wert der Quellen oft unberücksichtigt bleibt. Aber darauf kommt es hier gar nicht an. Der Leser fühlt aus jeder Zeile, daß hier jemand zu ihm spricht, der mit Land und Leuten aufs engste verbunden war, der die ewig gleichen Gegebenheiten der Landschaft im Innersten erlebt hat und der ihr Wesen und ihre Geschichte in sich trägt. Berlin
Hans Branig
Ostpommerns Küste in 144 Bildern. Hrsg. v. Karl Heinz Gehrmann. — Leer/ Ostfr.: Rautenberg 1965. Ohne Paginierung. DM 14,80. Der gut gegliederte Bildbd. (1. Aufl. 1959) gibt einen trefflichen Eindruck von Häfen und Städten, Kirchen und Stadtbefestigungen des hinterpommerschen Küstensaumes. Die Bilder sind sämtlich vor 1945 aufgenommen worden. Die Einleitung des Hrsg.s weist den Betrachter gewinnend auf einige historische Perspektiven und auf den unverlierbaren landschaftlichen Reiz der hinterpommerschen Natur- und Kulturlandschaft hin. Berlin Gerd Heinrich Paul: Westfalen-Niederrhein und Pommern. — (Altena 1966: Santz.) 61 S. mit Abb. Aus: Nordrhein-Westfalen und der deutsche Osten. BORNEFELD,
Deutsches Geschlechterbuch. Genealog. Handbuch bürgerl. Familien. Quellen- u. Sammelwerk mit Stammfolgen dt. bürgerl. Geschlechter. Hrsg. durch Marianne Strutz-Ködel unt. Mitarb. von . . . — Limburg a. d. Lahn: Starke. Bd. 145: Pommersches Geschlechterbuch. Bd. 7. Bearb von Kurt Winckelsesser. Wappenzeichn. von Heinz Ritt u. Lothar Högel. 1967. XXIV, 704 S. mit Abb. DM 3 6 , - . 30»
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Historia residentiae Walcensis Societatis Jesu. A b anno Domini 1618 avo. Geschichte d. Jesuitenresidenz in Watcz (Deutsch-Krone). 1618—1773. Hrsg. von Max Rohwerder unter Mitw. von Anneliese Triller. — Köln, Graz: Böhlau 1967. 325 S. mit Abb. (Forschungen u. Quellen zur Kirchen- u. Kulturgeschichte Ostdeutschlands. Bd. 4.) D M 42,— . Fürstin-Bismarck-Schule Köslin. 1863—1963. — (Minden/Westf.: Stadt. Neusprachl. Mädchengymnasium 1963.) 74 S. mit Abb., 1 Titelbild. OPITZ, Hellmut, u. Rudolf BIEDERSTEDT: Greifswald. Geschichte u. Gesicht e. Stadt. — Leipzig: Brockhaus VEB 1966. 94 S. (Kleine Städtereihe. Bd. 16.) D M 4,20. Saßnitz. Hafenstadt an d. Kreideküste. (Aufgeschrieben, zus.gest. u. hrsg. von Heinz Lehmann.) — Schwerin: Wähmann 1966. 87 S. DM 3,50. SAUER, Bruno: Meister und Lehrjungen des Amtes der Tuchmacher zu Greifenhagen an der Oder von 1708—1852. Mit genealog. Ergänzungen. — Neustadt a. d. Aisch: Degener 1966. 52 S. (Bibliothek familiengeschichtl. Quellen. Bd. 19.) DM 7,50. SCHWENKLER, Franz: Köslin. 1266 — 1966. Die 700jähr. Geschichte e. pommerschen Stadt u. ihres Kreises. Hrsg. im Auftr. d. Heimatkreisausschüsse Stadtkreis Köslin u. Landkreis Köslin-Bublitz. — (Hamburg: Pommerscher Buchversand [in Komm.]) 1966. 560 S. mit Abb., S. 511 — 560 Abb. u. Ktn. Preis nicht mitgeteilt. Swinemünde. Schicksal e. dt. Stadt. Blätter d. Erinnerung. Zusammengest, von Wilhelm Behm (u. a. Hrsg. von d. Swinemündern in Flensburg in Verb, mit . . .) — (Hamburg; Pommerscher Buchversand 1965.) 206 S. mit Abb. D M 12,80. Dzieje Koszalina. Praca zbiorowa pod. red. Boguslanda Drewniaka i Henryka Lesinskiego. (Geschichte Köslins. Sammelarbeit.) — Poznan: W. P. 1967. 416 S. zl. 55. GIERSZEWSKI, Stanislaw: Struktura gospodarcza i funkcje rynkowe mniejszych miast wojewödztwa pomorskiego w XVI i XVII w. (Die wirtschaftliche Struktur und Marktfunktion der kleinen Städte der Wojewodschaft Pommern im 16. und 17. Jahrhundert.) — Gdarisk: Gdains. Zakl. Graf. XII, 1966. 267 S. zl. 40. KOWALAK, Tadeusz: Spöldzielczosc niemiecka na Pomorzu 1920—1938. (Das deutsche Genossenschaftswesen in Pommern 1920—1938.) — Warschau: Ksi^zka i Wiedza. zl. 40.
5. West- und Ostpreußen Altpreußische Biographie. Hrsg. im Auftr. d. Histor. Komm. f. ost- u. westpreuß. Landesforschung von Kurt Forstreuter u. Fritz Gause. Bd. 2, Lfg. 1 — 7. Königsberg (Pr.) 1 9 4 2 - 1 9 4 4 ; Marburg/L.: Elwert 1963, 1965, 1967, 1969. S. 417 bis 852. Zus. DM 8 6 , - . Von dem 2. Bd. der Altpreußischen Biographie hatte Christian Krollmann ( f ) noch im Krieg die ersten drei Lieferungen drucken lassen können. Diese liegen nunmehr im Nachdruck vor. Der Energie von Kurt Forstreuter, Fritz Gause und ihren Mitarbeitern (darunter H. Schmauch, K. H. Lampe, P. G. Thielen, E. Bahr, G. v. Seile, A. Triller) ist nunmehr die Vollendung des Werkes zu danken. Der zweispaltig in relativ kleiner Type gedruckte Bd. enthält die Stichworte von v. Maltitz bis Wisbar. Ein Nachtragsband zum Gesamtwerk wird angekündigt. Diesem Bd. sollte dann neben Registern auch ein Quel-
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len- und Literaturverzeichnis beigegeben werden, da die Form der Zitate und Abkürzungen bei den fast immer genannten „Quellen" Unterschiede aufweist. Der Kreis der in das Werk aufgenommenen Personen aller Berufssparten (jedoch wenig Militärs) ist wohl bewußt weit gezogen worden, wird nicht allein von der ost- oder westpreußischen Herkunft bestimmt. So stößt man etwa auf die Brandenburger A. v. Quast, Georg Sabinus und K. F. Schinkel. Bei Medizinern, die mehr oder minder zufällig einige Jahre in Königsberg verbrachten (z. B. Stoeltzner), ist vielleicht des Guten etwas zu viel getan worden. Doch wird man es nicht zu rügen haben, daß auch lediglich lokal bedeutsame Personen wie Bürgermeister usw. in das Nachschlagewerk Eingang fanden. Denn: Auf eine kaum absehbare Zeit wird diese Sammel-Biographie neben den Altpreußischen Lebensbildern das Standardwerk für die preußenländische Personengeschichte bleiben. Berlin
Gerd Heinrich
NEUMEYER, Heinz: Bibliographie zur Kirchengeschichte von Danzig und Westpreußen. - Leer (Ostfr.): Rautenberg 1967. 235 S. DM 32,80. Eine kirchengeschichtliche Bibliographie von Danzig-Westpreußen ist der kirchengeschichtlichen Forschung für dieses Gebiet trotz der großen „Bibliographie zur Geschichte von Ost- und Westpreußen" von Ernst Wermke hocherwünscht. Andere Landschaften sind mit Spezialbibliographien dieser Art vorangegangen. 1 Das Werk enthält in 3715 Nummern nur deutschsprachige Veröffentlichungen. Titel der allgemeinen Geschichte, der Landeskunde und Bevölkerungsgeschichte, die für die Kirchengeschichte von Wert sind, wurden großzügig einbezogen. Räsonierende Hinweise fehlen. Auf die Einarbeitung von Verweisen ist verzichtet worden. Die Titelaufnahme ist korrekt, sogar Verlags- und Formatangaben — bei landesgeschichtlichen Bibliographien nicht üblich — finden sich. Wegen der engen Verbindungen zwischen dem Ermland und Westpreußen wurde das Ermland ausführlich (Nrn. 1614—1980), doch ohne die ortsgeschichtlichen Titel, berücksichtigt. Während die 1. Abt. die allgemeine und politische Geschichte (Nrn. 1 — 511) und die 2. Abt. die Titel zur Kirchengeschichte (Nrn. 512—1576) enthält, umfaßt der 3. und letzte Teil die Landesteile und Orte (Nrn. 1577—3715), wobei jeweils erneut allgemeine Geschichte und Kirchengeschichte aufeinander folgen. Daraus wird deutlich, daß das Werk über seinen besonderen Zweck hinaus zugleich eine sehr erwünschte und handliche landesgeschichtliche Bibliographie geworden ist. Sach-, Orts-, Personen- und Autorenregister erschließen ein Werk, das bei der Erforschung der westpreußischen Geschichte gute Dienste leisten wird. Berlin Gerd Heinrich Historisch-Geographischer Atlas des Preußenlandes. Hrsg. von Hans Mortensen (t), Gertrud Mortensen, Reinhard Wenskus. Lfg. 1. — Wiesbaden: Steiner 1968. D M 1 1 2 , - . Ein historischer Atlas des Preußenlandes fehlte der Forschung seit langem. Seit Anfang des Jh.s ist ein solches Kartenwerk immer wieder vorgeschlagen und verlangt worden. Vor allem der jüngst verstorbene Erich Keyser ist es gewesen, der 1936/37 die ersten, ausschließlich die Vorgeschichte betreffenden Lieferungen des „Atlas der ost- und westpreußischen Landesgeschichte" herausgeben konnte. Er war es auch, der mit Nachdruck die 1H.
H e y d e n , Verzeichnis von Büchern und Aufsätzen zur Kirchengeschichte Pommern, Hannover 1952.
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Fortsetzung der Arbeiten forderte (1962), so daß nunmehr, nach sechsjähriger Vorarbeit, die ersten fünf Karten nebst Erläuterungen erscheinen können. Leider sprechen sich die Hrsg. in dem vorangestellten kurzen Vorwort nicht über die Grundfragen des Atlaswerkes aus. So bleibt man auf die vorläufigen Äußerungen an anderer Stelle 1 , auf die vorliegenden Karten und auf mündliche Berichte über dieses geschichtlich-landeskundliche Atlas-Vorhaben angewiesen. Der Haupt-Maßstab 1 : 300000 und der Blattschnitt (5 Sektionen) wurden von den Geographen nicht glücklich gewählt. In diesem Zusammenhang drängt sich überhaupt die Frage auf, ob man in Göttingen nicht zu isoliert gearbeitet hat. Grundsätzlich wäre ein kleinerer Maßstab (1 : 350000 oder 1 : 500000), wie ihn die großen und die mittleren historischen Atlanten von Brandenburg, Pommern und Mecklenburg verwenden, für ein so ausgedehntes Gebiet angemessener gewesen, ganz abgesehen von der günstigeren Vergleichbarkeit mit anderen mittel- und ostdeutschen Atlanten. Es ist auch nicht erkennbar, daß etwa die bereits abgehandelten und die projektierten Themen nicht auch in einem kleineren Maßstab darzustellen wären. Mißlich ist weiterhin, daß eine Sektion (3) ein anderes Format hat als die übrigen 4 Sektionen. Der zu bearbeitende Raum hätte sich sehr wohl in drei von West nach Ost anschließenden und leicht versetzten Sektionen unterbringen lassen, zumal im Maßstab 1 : 350000. Der memelländische Raum hätte als Nebenkarte in die Narew-Gegend eingehängt werden können. Der Kartenrand wurde bei den Sektionen 2 und 5 so schmal gestaltet, daß ein späterer Einband nur möglich sein wird, indem man auf Teile der Kartenaussage verzichtet. Überhaupt ist zu empfehlen, über den Einband die Bezieher, zumal die Bibliotheken nicht zu spät zu unterrichten. Der Umschlag für die Lieferungen sollte vom Verlag künftighin nicht aus dünnem Karton, sondern aus Pappe gefertigt werden, wenn nicht überhaupt eine Papprolle angemessener ist. Soviel zum Allgemeinen und Formalen. — Die fünfteilige und dreifarbige „Übersichtskarte" liegt drucktechnisch und kartographisch jenseits des Vertretbaren. Man vergleiche dieses Blatt mit dem auf gleicher Grundlage beruhenden Zusammendruck des „Instituts für Angewandte Geodäsie": „Ostpreußen in den Grenzen von 1937", um das volle Ausmaß der Qualitätsminderung zu erkennen. Das Blatt, in das die älteren Ortsnamenformen eingesetzt worden sind, hätte in kräftigeren Farben gedruckt werden müssen. Die in einem blassen Grau gedruckte Tiefe weist im Gegensatz zur amtlichen Ausgabe erhebliche technische Unzulänglichkeiten auf. Besser wäre es wahrscheinlich gewesen, eine völlig neu montierte „Arbeits- und Grundkarte" ohne Landschaftssignaturen und Wald, jedoch mit den modernen Gemeindegrenzen an den Anfang des Werkes zu stellen, so wie es Franz Engel für seine mecklenburgischen und pommerschen Atlaswerke getan hat. Auch wenn die Gemeindegrenzen für die ältere Geschichte Ost- und Westpreußens von geringer Relevanz sind, müssen sie in einem landeskundlichen Atlas dieses Formats zur Darstellung kommen. Auf jeden Fall wären in das Übersichtsblatt Planquadrate einzuziehen gewesen, um über ein dem Atlas beizugebendes Register die „Ubersichtskarte" überhaupt benutzbar zu machen. — Das folgende Doppelblatt nebst Text zeigt auf der rechten Seite eine Übersichtskarte „Gebietiger des Deutschen Ordens nach ihrer Herkunft" (Maßstab 1 : 1500000) von Ernst Weichbrodt, die im großen und ganzen gelungen ist, obwohl sich ein nicht ganz geringer Prozentsatz der Gebietiger nicht lokalisieren ließ und obwohl die farblich ausgewiesenen Perioden schematisch Halbjahrhunderte umfassen. Der Text zur Karte, der H. Quirin, K. H. Lampe und H. Dobbertin ihren Rat zuteil werden ließen, gibt lediglich einige formale Erläuterungen. Auf das Häufungsdiagramm hätte verzichtet werden können. Dagegen sollte erwogen werden, auf einem anderen Blatt die sozialständische Herkunft der 1
Vgl. JGMOD 13/14 (1965), S. 412.
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Gebietiger (vom Komtur an aufwärts) zur Darstellung zu bringen, und zwar vor dem Hintergrund einer politischen Karte des späten Mittelalters. — Die Karte der „Burgentypen" auf der linken Seite des Blattes stellt, leider nicht immer, Foto, Grundriß und Lageplan einiger typischer Anlagen gegenüber, doch sind die Erklärungen unter den Bildern nicht ausreichend. Die Abbildungsnachweise gehören an den Schluß des Textes, der Carl Wünsch zu verdanken ist. Der Druck der Abbildungen in Grauschwarz wirkt unschön. — Die Arbeit an der anschließend, jedoch ohne Zählung liegenden Karte „Die Postwege des Deutschen Ordens (1. Hälfte 15. Jh.)" von Jürgen Jahnke und Heinz Zimmermann (Entwurf : Hans Mortensen) hätte in dem Augenblick abgebrochen oder reduziert werden müssen, wo sich herausgestellt hatte: „Die ursprüngliche Absicht, das Straßennetz des Ordenslandes für den Beginn des 15. Jh.s zu rekonstruieren, mußte aufgebeben werden, da die auf den Praesentata genannten Orte nicht so dicht lagen, daß man daraus einen genauen Straßenverlauf hätte bestimmen können. So ließen sich die genannten Orte nur zu einem Luftlinien — bzw. Routennetz verbinden." Die Karte (Situation in grau, grellrot in schematischer Linienführung Frequenzbänder) ist ein ungewöhnlich eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eine historische Atlaskarte nicht aussehen sollte. Das Thema wäre am besten im Rahmen eines Aufsatzes abzuhandeln gewesen, dort hätten auch Kartogramme und Tabellen ihren Platz finden können. — Das vom Inhalt her wertvollste Blatt, die Darstellung der „Verwaltung des Ordenslandes Preußen um 1400" von Hartmut Gauß und Birgit SeebergElverfeldt, ist lediglich kartographisch mißlungen. Freilich beeinträchtigt das die Aussagekraft der Karte erheblich. Man hat den Eindruck, als habe ein Gebrauchsgraphiker an der Auswahl der (Plakat-)Farben und der Signaturen bestimmend mitgewirkt. Der große Maßstab hätte ein differenzierteres Gewässernetz und die Aufnahme aller bis 1400 überlieferten Orte gestattet. Der Genauigkeit der Grenzfestlegung wäre es sicher zugute gekommen, wenn vor dieser Verwaltungs- und Wirtschaftskarte eine Karte der Verwaltungsgliederung gegen Ende des 18. Jh.s erarbeitet und ausgedruckt worden wäre. In der vorliegenden Gestalt lassen sich die Grenzfestsetzungen der Autoren kaum nachvollziehen. Vom Standpunkt der allgemeinen Forschung aus ist andererseits das Wagnis einer solchen relativ frühen Verwaltungskarte mit ihrer überaus differenzierten Aussage sehr zu begrüßen. Die Texte von Gauß und Gertrud Mortensen führen klärend in die Problematik vor allem der Grenzfestsetzung ein. — Der Rez. bedauert es außerordentlich, daß die ersten Blätter dieses unter den verschiedensten Gesichtspunkten so bedeutsamen Atlaswerkes noch nicht allen Erwartungen entsprechen konnten. Es bleibt der Wunsch bestehen, daß der dringend notwendige, für alle Beteiligten mit erheblichen Mühen verbundene und wissenschaftlich ertragreiche Preußenland-Atlas erfolgreich und gestaltungsglücklicher fortgesetzt werden kann. Berlin
Gerd Heinrich
GAUSE, Fritz: Geschichte des Preußenlandes. — Leer (Ostfr.): Rautenberg 1966. 108 S., zahlr. Abb. u. Kt.skizzen. DM 14,80. Ein Abriß der ost- und westpreußischen Geschichte aus der Feder eines der wenigen wirklichen Sachkenner fehlte seit langem. Die vom Verlag gut ausgestattete und von Gause mit sicherem Blick für das historische Bild illustrierte Publikation schließt diese Lücke. Man vermißt lediglich ein kurzes Verzeichnis der weiterführenden Literatur und ein Register. In 6 Abschnitten (Vorgeschichte u. Ordenszeit — Das Herzogtum — Das Königreich — Im Kaiserreich — Demokratie u. Gewaltherrschaft — Landsmannschaften u. Tradition) läßt G. die an dramatischen Akzenten nicht eben arme politische Geschichte des Preußen-
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landes vor den Augen des Lesers vorüberziehen. Zwei Drittel der Darstellung sind der Zeit von 1525 bis zur Gegenwart gewidmet. Hinweise auf sozial- und wirtschaftsgeschichtliche sowie auf kultur- und geistesgeschichtliche Phänomene sind in die Darstellung verwoben. G. schreibt mit ungebrochenem Selbstverständnis von einem preußenländischüberparteilichen, zugleich jedoch auch europäischen Standpunkt aus. Der Stil ist klar und eindringlich. Die Form der Darstellung wird pädagogisch-geschickt dem Zweck angepaßt — Geschichte wird „erzählt". Nur selten überschreitet der Autor die Grenze zum Romantisch-Volkstümlichen: „Das preußische Bauernvolk war gesund, arbeitstüchtig, friedlich und gastfreundlich" (S. 12). In seiner Art ist das Buch ein gelungener Wurf und zugleich eine Mahnung. Nachdem das Preußenland, schreibt G. abschließend, „dem russischen Zarismus lange widerstanden hat, ist es dem bolschewistischen Drang nach dem Westen schließlich erlegen. Im Interesse Europas darf diese Entscheidung nicht von Dauer sein. Deshalb darf Europa dieses kleine Stück seiner selbst nicht vergessen." Denn: „Die Geschichte des Preußenlandes ist nur als Stück der europäischen Geschichte richtig zu verstehen." Berlin
Gerd
Heinrich
Ostpreußen. Eine Erinnerung an Ost- u. Westpreußen u. Danzig. Kultur- u. kunstgeschichtl. Einleitung v. Carl v. Lorck. — Frankfurt/M.: Weidlich 1967. 136 S., davon 112 S. Abb., 1 Kt. = Deutschland im Bild, Bd. 17. DM 24,80. Der technisch gut gelungene Bildbd. wird durch einen ebenso gedankenvollen wie sonnenseitenreichen kultur- und kunstgeschichtlichen Überblick des durch Arbeiten über die ostpreußische Baukunst ausgewiesenen Hrsg.s eingeleitet. Die Bilder, unter denen die Bauund Kunstdenkmäler weit überwiegen (78), sind mit sicherem Blick ausgewählt, wenngleich der Süden des Landes noch etwas benachteiligt zu sein scheint. Bilder von Hirschen und Waldohreulen erwartet man in einem Ostpreußen-Bildbd. nicht. Datierungen der Bilder wären künftighin erwünscht. Das Kollwitz-Bild „Totenklage" gehört nicht in diesen Bd., weil es nicht der Erlebniswelt Ostpreußens, sondern der des proletarischen Berlin verpflichtet ist. „Expressive Verinnerlichung" läßt sich nicht allein für die „Ostkunst" in Anspruch nehmen. Berlin
Gerd
Heinrich
GRASSMANN, Antjekatrin: Preußen und Habsburg im 16. Jahrhundert. — Köln, Berlin: Grote 1968. 249 S. = Studien z. Geschichte Preußens, Bd. 15. D M 2 4 , - . Der Titel „Preußen und Habsburg" bedarf einer Erläuterung. Mit Preußen ist das Herzogtum gemeint, und zwar zur Regierungszeit des Herzogs Albrecht (1525 — 1568). Nur einleitend wird die Regierung Albrechts als Hochmeister des Deutschen Ordens (1511 — 1525) berührt. Westpreußen, das sogenannte „Königliche Preußen", bleibt ausgeklammert, taucht nur gelegentlich als Problem der Reichsregierung auf. Um Fragen der Beziehungen des Herzogtums zum Reiche handelt es sich also wesentlich. Nicht das Reich, sondern „Habsburg" erscheint jedoch im Titel als Kontrahent des Herzogs. Sieht man auf Einzelheiten, so ist die Formulierung einleuchtend. Es handelt sich nicht allein (wenn auch wesentlich) um Kaiser und Reich. Das Verhältnis zu Ferdinand, Erzherzog und seit 1526 König von Böhmen, hat seine eigenen Probleme, wegen der brandenburgischen Interessen in Schlesien und wegen der Thronkämpfe in Ungarn, wo Ferdinand mit dem von Polen unterstützten Prätendenten Johann Zapolya rivalisierte. Auch andere Mitglieder des Habsburgerhauses erhalten eine eigene Note. Mit der Königin Katharina von Polen, Gattin Sigismund Augusts
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und Tochter König (seit 1556 Kaiser) Ferdinands, stand der Preußenherzog in einem herzlichen persönlichen Briefverkehr. Selbst mit der Königin-Witwe Maria von Ungarn, seit 1531 Statthalterin der Niederlande, gab es Sonderverhandlungen, namentlich wegen der engen Handelsverbindungen zwischen den Niederlanden und Preußen. So gingen die Beziehungen des Preußenherzogs zu den Gliedern der Habsburgerfamilie nicht alle auf dem gleichen Gleis, doch gab es keine Komplikationen. Sie wurden koordiniert durch den Kaiser, die beherrschende Persönlichkeit des Kaiserhauses. Dieser mußte die Reichsinteressen vertreten, und sie waren durch den Abfall Albrechts vom Deutschen Orden verletzt worden. Nicht die Huldigung unter Polen in Krakau 1525 gab den eigentlichen Konfliktstoff — bereits Kaiser Maximilian hatte 1515 Polen zugestanden, daß Hochmeister Albrecht gemäß dem Thorner Vertrag von 1466 die Huldigung vollziehen sollte —, sondern die Vertreibung des Deutschen Ordens aus Preußen. Hinter dem Orden stand der deutsche Adel, den der Kaiser nicht enttäuschen durfte. So kam es zu den unendlichen Verhandlungen, bei denen zwar 1532 die Reichsacht über Albrecht verhängt wurde, praktisch aber nichts herauskam, nichts herauskommen konnte, denn das Reich, im Westen durch Frankreich, im Osten durch die Türken bedroht, konnte sich einen Angriff auf Polen nicht leisten, und ohne Krieg war Polen nie bereit, das so teuer erkaufte Preußen aufzugeben. Albrecht konnte im Grunde ganz sicher sein. Wenn er trotzdem dauernd von Angst erfüllt war, so lag es wohl in seinem Gewissen begründet. Er fühlte sich weiterhin als Reichsfürst, als Glied des Brandenburgerhauses, und immer wieder kommt er darauf zurück, als Feldherr des Reiches an den Türkenkriegen teilzunehmen; hierin dem Kreuzzugsdenken des Deutschen Ordens entsprechend. Durch seine engen Beziehungen zur Reformation im Reiche verbindet er innerlich Preußen enger mit dem Reiche, als je das Deutsche Ordensland mit dem Reiche verbunden war. Das aber komplizierte wieder die Beziehungen zum Kaiserhaus. Albrecht sah Gefahren, wo sie nicht waren, und hatte die Neigung, sich in Dinge einzumischen, die ihn nur entfernt etwas angingen. Durch seine vielfachen Schriftwechsel ist jenes wunderbare „Herzogliche Briefarchiv" entstanden, die Hauptquelle des vorliegenden Werkes. Es darf als ein europäisches Zentralarchiv gelten, durch die Briefwechsel des Herzogs nach allen Seiten. Nur nach einer Seite ist es recht dürftig: direkte Briefe an die Habsburger sind gering an Zahl. Man muß die Beziehungen zum Kaiserhaus aus den Briefwechseln mit den Reichsfürsten, teilweise auch mit Polen, erschließen. Außer dem Staatsarchiv Königsberg (heute im Staatlichen Archivlager in Göttingen) gaben das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien und das Deutschordens-Zentralarchiv in Wien bedeutende Ergänzungen, Einzelheiten auch das Bayerische Staatsarchiv in Nürnberg und das Hessische Staatsarchiv in Marburg, ferner die belgischen „Archives Générales" in Brüssel. Eine fast unübersehbare Literatur wurde benutzt. Sehr ausführliche Anmerkungen (S. 181 — 230) lassen eine gute Fundierung der Arbeit erkennen. Im Register vermißt man (neben den Ortsnamen im engeren Sinne) die Ländernamen. Wie soll man schnell der Türkenfrage beikommen, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, zumal da Sultan Soliman persönlich nur auf wenigen Seiten erscheint ? Der Name der Königin Marie von Ungarn fehlt (eine kleine Lücke in dem vortrefflichen Buch). — Die Fortsetzung, über den Tod Albrechts hinaus, könnte noch interessanter sein, indem die herzogliche Regierung in Königsberg und auch die Stadt Danzig sich in den polnischen Wahlgängen nach dem Tode Sigismund Augusts (1572) für die Wahl des Kaisers Maximilian II. zum König von Polen einsetzen, und auch der Regent in Preußen, Markgraf Georg Friedrich, nach dem Tode Stefan Bathorys (1586) die Wahl des Erzherzogs Maximilian, Hochmeister des Deutschen Ordens, unterstützt. Göttingen
Kurt
Forstreuter
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BESPRECHUNGSTEIL EINZELNE
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ZIEGER, Andreas: Das religiöse und kirchliche Leben in Preußen und Kurland im Spiegel der evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. — Köln, Graz: Böhlau 1967. XVI, 210 S. = Forschungen u. Quellen z. Kirchen- u. Kulturgeschichte Ostdeutschlands, Bd. 5. D M 2 4 , — . Wie in allen der Reformation erschlossenen deutschen Territorien haben im 16. Jh. auch in Preußen und Kurland die Obrigkeiten zur Durchsetzung der neuen Lehre sowie zur inneren und äußeren Gestaltung der evangelischen Kirche zahlreiche Artikel, Mandate, Befehle u. ä. erlassen. Diese Kirchenordnungen, die sich z. T. an wittenbergische, nürnbergische und mecklenburgische Vorlagen oder an Schriften Luthers und Melanchthons anlehnen, haben einen vornehmlich normativen Charakter und sind deshalb nur mit Vorsicht als Quellen für die religiöse Wirklichkeit zu benutzen, falls sie nicht auf ganz konkrete Fakten Bezug nehmen. Die hier zu besprechende Studie aus der Schule Ernst Walter Zeedens ist sich dieser Schwierigkeiten bewußt und wertet entsprechend behutsam die Kirchenordnungen von Preußen und Kurland aus. Sie will „primär keine Auskunft geben über die Lehre oder die Verfassung der evangelischen Kirche in den beiden Herzogtümern, auch nicht über ihr Kirchenrecht, sie will vielmehr das äußere Erscheinungsbild von Glaube, Sitte, Frömmigkeit und kirchlichem Leben beschreiben" (S. 11). Ihr Wert liegt in dem Fleiß und in der Umsicht, mit denen die von Sehling zu Beginn unseres Jahrhunderts edierten Kirchenordnungen systematisch nach ihren reformatorischen Intentionen und nach den tatsächlichen Verhältnissen befragt werden, wobei in erschreckendem Maße die Diskrepanz zwischen dem Gewollten und dem Erreichten deutlich wird. Geordnet ist das Material in vier Kapiteln: Der Glaube und seine Bedrohung (Irrlehren von den Schwärmern bis zu den Calvinisten und Zwinglianern, Abgötterei und Aberglaube wie Bockheilige und Seelenspeisung) ; Gottesdienstliche Formen und Handlungen (Liturgie, Sakramente, Liedgut usw.); Religiöses Leben und kirchliche Zucht; Der evangelische Geistliche im Spiegel der Kirchenordnung (Herkunft und Anstellung, Amtspflichten, Lebensunterhalt und Lebenswandel der Pfarrer). — Nun haben bereits Sehling ebenso wie Tschackert (Urkundenbuch zur Reformationsgeschichte des Herzogthums Preußen, 3 Bd.e, Leipzig 1890) ihre Editionen mit guten Registern versehen und insofern dem Vf. beträchtlichen Arbeitsaufwand abgenommen. Leider ist die auf diese Weise gewonnene Zeit kaum genutzt worden, um mehr als eine ziemlich positivistisch anmutende Faktensammlung vorzulegen. Eine kritische Analyse dieser Fakten im Blick auf die Geschichte der Frömmigkeit, der religiösen Erziehung, der Kultur und der sozialen Zustände in Preußen und Kurland während des 16. Jh.s lag wohl nicht in der Absicht des Vf.s. Es bleibt beim „äußeren Erscheinungsbild". Bedauerlich ist weiter, daß, obwohl gelegentlich Quellen herangezogen werden, die wie z. B. Visitationsberichte, Briefe und Petitionen nicht in die Kategorie der Kirchenordnungen fallen, diese Quellen nicht zu einer bewußten und planvollen Kontrolle oder Ergänzung der gleichzeitigen Aussagen der Kirchenordnungen genutzt werden und daß wegen der Ausklammerung der vorreformatorischen Zustände die jedem Mediävisten auffallende Kontinuität vom katholischen späten Mittelalter zur protestantischen frühen Neuzeit in vielen Einzelfragen des religiösen Lebens und seiner obrigkeitlichen Regelung unausgesprochen bleibt.
Berlin
Dietrich Kurze
ASCHKEWITZ, Max: Zur Geschichte der Juden in Westpreußen. — Marburg/L.: Johann Gottfried Herder-Inst. 1967. VIII, 276 S., 1 Kt. = Wiss. Beiträge z. Gesch. u. Landeskunde Ost-Mitteleuropas, Nr. 81. DM 16,—. Ist schon die Geschichte der ehemaligen deutschen Ostprovinzen vergleichsweise selten Thema historischer Untersuchungen seit 1945 gewesen, so war es in noch viel geringerem
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Umfang die Geschichte der Juden in diesen Gebieten. Daher kann der Beitrag von Max Aschkewitz zur Geschichte der Juden in Westpreußen nur dankbar zur Kenntnis genommen werden. Der größte Teil dieser Untersuchung schildert die zahlenmäßige Entwicklung des jüdischen Bevölkerungsanteils in Westpreußen, und in der Sammlung, Auswertung und Aufbereitung des z. T. sehr entlegenen bevölkerungsstatistischen Materials liegt auch das große Verdienst der Arbeit. Es werden zunächst Wachstum und Verteilung der jüdischen Bevölkerung in Westpreußen seit der preußischen Besitzergreifung bis zur Mitte des 19. Jh.s dargestellt. Dabei hat der Autor verdienstvollerweise seine Angaben von der Regierungsbezirksebene über die Kreiseinheiten bis zu den einzelnen Orten, jeweils prozentual zur übrigen Bevölkerung aufgegliedert, so daß ein äußerst detailliertes Bild entsteht. Das Ergebnis dieses Überblicks zeigt ein starkes Ansteigen der jüdischen Bevölkerung besonders in der 1. Hälfte des 19. Jh.s, was A. neben dem Geburtenüberschuß auf einen relativ großen Wanderungsgewinn zurückführt, speziell aber auf die Tatsache, daß Westpreußen für viele Juden aus den russisch-polnischen Gebieten eine Zeitlang Durchgangsland war. Bei der Schilderung der Entwicklung der rechtlichen Verhältnisse der Juden setzt der Vf. ein mit den Bemühungen Friedrichs des Großen, die Zahl der Juden in Westpreußen zu vermindern. Mit einer Reihe von Einzelbeispielen illustriert er die schwierige Position der Juden innerhalb der Interessengegensätze von königlichen und lokalen Instanzen. Dem Plan Friedrichs II., einen erheblichen Teil der jüdischen Bevölkerung auszuweisen, stand die Tatsache entgegen, daß dadurch die Wirtschaft des Landes zu stark geschwächt worden wäre; ihre Umsiedlung vom flachen Land in die Städte stieß z. T. auf den Widerstand der Grundherren, die aus wirtschaftlichen Gründen an dem Verbleib der Juden interessiert waren, während die Magistrate der Städte sich aus Konkurrenzangst gegen die Aufnahme von Juden wehrten. Als schließlich das preußische General-Judenreglement von 1750 mit einigen Modifizierungen auch für die Provinz Westpreußen gültig wurde, war zwar — im Gegensatz zur Zeit der polnischen Herrschaft — „eine einheitliche Regelung ihres Daseins getroffen worden" (S. 47), doch engte sie diese Regelung sehr viel stärker ein und zwang sie, mit den verschiedensten Mitteln nach Auswegen aus den gesetzlichen Berufs- und Aufenthaltsbeschränkungen zu suchen. Die Wende für die preußischen Juden, das Emanzipationsedikt von 1812, das sie — allerdings mit erheblichen Einschränkungen — zu gleichberechtigten preußischen Staatsbürgern machte, gelangte in Westpreußen nur für das Gebiet der Freien Stadt Danzig zur Geltung, nicht aber für die Kreise Kulm und Michelau sowie für das Gebiet der Stadt Thorn, die zur Zeit der Abfassung des Ediktes zum Herzogtum Warschau gehört hatten. Der Vf. schildert die durch die Reaktion hervorgerufene Zurücknahme einiger wesentlicher Punkte des Edikts sowie den Widerstand der Städte, Juden als vollberechtigte Bürger aufzunehmen oder sie zu Stadtverordneten und Stadträten zu wählen. Erst ein Umschwung in der öffentlichen Meinung zugunsten der Juden wirkte sich schließlich auch auf ihre rechtliche Situation aus und fand seinen Niederschlag in der Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850, in der sie endgültig zu gleichberechtigten Staatsbürgern erklärt wurden. Zur Zeit der preußischen Besitzergreifung spielten Juden in fast allen Bereichen der Wirtschaft Westpreußens eine erhebliche Rolle. Etwa die Hälfte war im Handel tätig, ein Drittel im Handwerk und etwa 6% waren im Verkehrs- und Gaststättengewerbe beschäftigt. Bedingt durch die gesetzlichen Berufsbeschränkungen im General-Judenreglement verlagerten sich die Erwerbsmöglichkeiten einseitig auf den Handel, so daß es zu Beginn des 19. Jh.s kaum noch jüdische Handwerker in Westpreußen gab. Erst das Zusammentreffen von Gewerbefreiheit und Bestrebungen zur Förderung des Handwerks unter den
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Juden bewirkte, daß bis 1850 wieder etwa ein Fünftel aller jüdischen Beschäftigten im Handwerk tätig war. Einzelne Beispiele von Fabrikgründungen durch Juden zeigen, daß sie auch in der wenig entwickelten Industrie dieser Provinz nicht ohne Bedeutung waren, während sich in der Landwirtschaft kaum jüdische Vertreter finden. Eine genau spezifizierte Berufsstatistik für das Jahr 1852 ergibt, daß innerhalb des Handels, in dem 5 0 , 2 % der Juden beschäftigt waren, der Einzelhandel mit fast 7 5 % bei weitem überwog. Ein ähnliches, nur in unwesentlichen Punkten abweichendes Bild der Berufsstruktur der Juden ergibt sich aus der Weiterführung dieser Berufsstatistik bis zum Jahre 1907, wenngleich die Bedeutung für die Gesamtwirtschaft durch den starken jüdischen Abwanderungsprozeß sank. A. geht auch auf die innerjüdischen Verhältnisse, das Synagogen- und Friedhofswesen sowie das Schul- und Bildungswesen ein. E r weist zunächst nach, wann in den einzelnen Gemeinden Synagogen errichtet und Friedhöfe angelegt wurden und schildert die Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Strömungen des Judentums, der reform- und assimilationswilligen einerseits, der orthodoxen andererseits, die nicht zuletzt dadurch gefördert wurden, daß bis zur Mitte des 19. Jh.s keine einheitliche gesetzliche Regelung für das jüdische Gemeindewesen in Westpreußen existierte. Ebensowenig geregelt war der jüdische Schulunterricht, der bis zur Jahrhundertwende im wesentlichen von Privatlehrern, in Religionsschulen und z. T . auch in Winkelschulen bestritten wurde und nur einen geringen Bildungsgrad vermittelte. Seit der Zeit nach 1815 besuchten viele jüdische Kinder die städtischen Schulen, so daß die jüdischen Schulen mehr und mehr auf die Vermittlung der hebräischen Sprache und den Religionsunterricht verwiesen wurden — eine Tendenz, die sich seit der Einführung der Schulpflicht für jüdische Kinder 1824 verstärkte. Der gesamte 2. Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der „Wanderbewegung der Juden in Westpreußen" von 1871 bis 1939, d. h. zunächst der Wanderung vom Land und den kleinen Städten in die Großstädte, dann aber vor allem der Abwanderung in die westlichen, wirtschaftlich aufstrebenden Teile Deutschlands. Zwischen 1871 und 1910 ist nach A.s Aussagen fast die Hälfte aller westpreußischen Juden abgewandert; auch bei mangelhaften statistischen Unterlagen läßt sich vermuten, daß die Abwanderungsquote in den darauf folgenden Jahrzehnten noch größer gewesen ist, so daß schließlich 1939 nur noch eine geringe Zahl von Juden in der Provinz ansässig war. Während die Angaben für die einzelnen Orte, z. T . bis 1939, wieder sehr detailliert sind, konnte der Vf. offenbar keine genauen Aussagen über die Zahl derjenigen machen, denen noch die Flucht gelang, bzw. derjenigen, die „im Zuge der Maßnahmen gegen die Juden in das polnische .Generalgouvernement' abgeschoben" wurden (S. 194). Wie in diesem Falle neigt der Vf. bei der Erläuterung von statistischen Angaben häufig dazu, den amtlichen Sprachgebrauch zu übernehmen, was jeweils zu einer — betrachtet man die gesamte Arbeit — sicher ungewollten Diskriminierung führt. Das hätte durch eine stärkere theoretische Durchdringung des Materials und der Problemstellung vielleicht vermieden werden können. Gerade in diesem Zusammenhang vermißt man einige Titel der neueren, speziell der in Israel entstandenen Literatur, die sich intensiv mit der Geschichte und dem soziokulturellen Leben der Juden sowohl in den deutschen Ostprovinzen als auch in Osteuropa überhaupt beschäftigen. Ebenso wäre ein gelegentlicher Vergleich etwa mit der Provinz Posen und der dortigen Abwanderungsbewegung der Juden wünschenswert gewesen. Der Wert und die Nützlichkeit dieser Untersuchung liegt, wie schon betont, vor allem in der Aufarbeitung des umfangreichen statistischen Materials, das ihr fast den Charakter eines Nachschlagewerkes gibt. Die Benutzbarkeit wäre allerdings wesentlich erleichtert, hätte der Vf. ein umfangreiches Register hinzugefügt. Berlin Siefi Jersch- Wenzel
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Emst Manfred: Geschichte der Diözese und des Hochstifts Ermland. Ein Uberblick. — Münster: Selbstverl. d. Histor. Vereins f. Ermland e . V . 1968. 24 S., 1 Kt.
WERMTER,
Der zuerst 1962/63 in französischer Sprache veröffentlichte Überblick über die Geschichte der ermländischen Diözese behandelt die äußere Geschichte, die Seelsorge und das Bildungswesen, die Klöster und Orden und schließt mit einer Aufzählung der Bischöfe und einem knappen Quellen- und Literaturverzeichnis, in dem Victor Röhrichs Geschichte des Fürstbistums Ermland (Braunsberg 1925) trotz ihres fragmentarischen Charakters nicht hätte fehlen dürfen. Ein Register wäre unumgänglich gewesen. Die Karte sollte bei einer Neuauflage ausgewechselt werden. Die politische und bevölkerungsgeschichtliche Problematik der ermländischen Geschichte nimmt in der Darstellung zu geringen Raum ein. Denn im Rückblick erscheint die Diözese mehr und mehr als eine Art Schicksalsland Ostpreußens. Berlin Gerd Heinrich Der Kreis Mohrungen. Ein ostpreuß. Heimatbuch. Zusammengestellt von Dr. Wolf Frhr. von Wrangel. — Würzburg: Holzner 1967. 464 S., 1 Kt. = Ostdt. Beiträge aus d. Göttinger Arbeitskreis, Bd. 40. DM 28,50. Das vorliegende Werk schließt sich der Reihe der in dieser Zeitschrift besprochenen Heimatbücher an, ist in der gleichen Weise angelegt und hat die gleiche Absicht: das Bild der Heimat in den ehemaligen Bewohnern des Kreises festzuhalten. Diesem Zweck dient auch eine reiche Bebilderung, die wegen der Seltenheit des Bildmaterials aus Ostpreußen auch einen dokumentarischen Wert hat. Gleichfalls dokumentarischen Wert haben die Ortsgeschichten (S. 248 — 370), die, z. T. auf Erinnerungen der Vf.er beruhend, viele kulturgeschichtliche und wirtschaftliche Einzelheiten zur Geschichte kleinerer Orte enthalten. Auch sonst wird in dem Werk manches unbekannte Detail namentlich aus der Geschichte der letzten Jahrzehnte vor 1945 geboten. Ein umfangreiches Personen- und Ortsregister erleichtert die Benutzung. Ausführlich werden die letzten Jahrzehnte der deutschen Kreisverwaltung behandelt. Die älteste Zeit, Vor- und Frühgeschichte, auch die Deutschordenszeit wird nur knapp umrissen, und erst mit der Gründung des Landkreises nach den Freiheitskriegen wird die Darstellung der Verwaltung ausführlich, die verschiedenen Zweige der Verwaltung werden detailliert. Die Geschichte der Städte erhält, z. T. unter Wiederholung älterer Arbeiten (Weyde, Mohrungen; Degen, Saalfeld) eigene Kapitel. Auch bedeutende Persönlichkeiten (in Mohrungen J. G. Herder) werden in besonderen Kapiteln gewürdigt. Einzelne Urkunden werden beigegeben. Schließlich folgen Ubersichten über die Dörfer und Schulen des Kreises, Personalangaben und weitere statistische Nachrichten. Unter den Quellen werden neben Druckschriften auch zahlreiche Handschriften angeführt. Die Geschichtsschreibung kann an dem Werk, trotz seines populären Charakters, nicht vorbeigehen. Göttingen
Kurt
Forstreuter
Erich, u. Erwin Z I S C H K E : Klobschin (Burchardsdorf), Kr. Karthaus/ Westpr. und seine Umgebung am Turmberg (1605—1945). — Marburg/L.: Johann Gottfried Herder-Inst. 1967. XII, 249 S., 1 Kt. = Wissenschaftl. Beiträge z. Gesch. u. Landeskunde Ostmitteleuropas, Nr. 79. DM 13,—.
HOFFMANN,
Die Publikation der beiden ostdeutschen Heimatforscher über das Dorf Klobschin, 1942 bis 1945 in Burchardsdorf umbenannt, wird vor allem Pommern und Westpreußen inter-
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essieren. E. Hoffmann hat die archivalisch greifbaren Daten der älteren Geschichte des pommerellischen Dorfes gesammelt, E. Zischke die für das 19. und 20. Jh. Als Materialsammlung für Siedlungs-, Wirtschafts- oder Sozialgeschichte des kaschubischen Raumes mag die Veröffentlichung auch noch anderen gelegentlich von Nutzen sein. Leider ist die polnisch sprechende Bevölkerung nicht in demselben Maße berücksichtigt worden wie die deutschsprachige. Der interessante Versuch, im Rahmen einer Dorfgeschichte auch kultursoziologisch zu informieren, bleibt in einem naiv verstandenen „volkskundlichen" Ansatz stecken. Die Beziehungen des Dorfes zur allgemeinen Geschichte sind unreflektiert (so besonders S. 134: „Im Deutschen Reich hatte sich inzwischen der Nationalsozialismus entwickelt und war 1933 an die Macht gekommen. Sein Auftreten vermochte gewiß auch viele von den Deutschen in Polen zu begeistern." Ähnlich S. 171). Der Mangel an historischer Reflexion, von der ja nicht zuletzt auch die Auswahl der mitgeteilten Daten abhängt, macht Dorfgeschichten dieser Art sehr fragwürdig. Glücksburg
Walter
Mertineit
Juhr, Hannelore: Die Verwaltung des Hauptamtes Brandenburg/Ostpreußen von 1713 bis 1751. - Phil. Diss. Berlin: Freie Univ. 1967. 172 S. Die Vf.in stellt nach einer Einleitung (S. 33 — 37) zunächst die „Amtshauptmannschaft als .Sinekure'" dreier Generationen der Herzöge von Schleswig-Holstein-Beck dar (S. 38 bis 54), worauf Kapitel über die Verweser, die in Brandenburg ständig erst ab 1730 die Hauptleute in der Leitung der Verwaltung vertraten (S. 55 —74), die Amtsschreiber und übrigen Unterbeamten (S. 74—94), die Domänenverwaltung (S. 95 —117), die Verwaltung der Städte (S. 1 1 8 - 1 3 4 ) und die Auflösung des Hauptamtes 1751 (S. 1 3 5 - 1 7 2 ) folgen. Die Diss. beruht hauptsächlich auf den Abteilungen „Brandenburg, Amt" und „Brandenburg, Stadt" des Bestandes Etats Ministerium im Staatsarchiv Königsberg (Staatliches Archivlager in Göttingen) sowie den einschlägigen gedruckten Quellen; außerdem steigt der Arbeit ein Literaturverzeichnis zur allgemeinen und ostpreußischen Verwaltungsge schichte von ca. 330 Titeln voran (S. 6—31). — Mit der Untersuchung soll ein „Beitrag zur Geschichte des Absolutismus auf dem Gebiet der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte" (S. 33) geliefert werden. Der Beginn des behandelten Zeitraums wird mir der Entwicklung des „Hochabsolutismus" in Ostpreußen motiviert, das Ende bestimmt die Auflösung der Hauptämter im Zuge der Justizreform unter Cocceji. Auf dieses Ende hin wird die Entwicklung als ein stetiger Verlust an Kompetenzen und Eigenständigkeit des Hauptamtes und seiner Funktionsträger beschrieben. Vf.in betont wiederholt (S. 42, 76 f., 129 u. ö.), daß es sich dabei nicht um plötzliche Umbrüche, sondern um langsame und allmähliche Veränderungen gehandelt habe, die zeitweise auch wieder rückläufig gewesen seien. — Es ist ein Hauptverdienst der Arbeit, in steter Auseinandersetzung mit der allgemeinen Literatur sich um eine Modifizierung genereller Urteile bemüht zu haben; vorbereitend dient diesem Ziel der Hinweis auf die von der neueren Forschung stark berücksichtigte Quellengrundlage aus dem provinzialen und lokalen Bereich und auf das heutige Bemühen, „Lokalverwaltungsgeschichte nicht zu isolieren, sondern mit der Provinzial- und Gesamtstaatsverwaltung in Zusammenhang zu bringen" (S. 36f.). — Bei einem ausgeprägten Sinn für verwertbare Details (dankenswert die Mitteilung der behördlichen Anreden an Funktionsträger: S. 35, 63, 77, jeweils Anm. 1) gewinnt Vf.in eine Reihe beachtlicher Ergebnisse, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann. Hinzuweisen ist jedoch etwa auf die wiederholt beobachteten Tendenzen, die ursprünglich ständisch be-
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stimmte Hauptamtsverwaltung der neuen, nur der Herrschaft verpflichteten Kammerverwaltung zu unterstellen (S. 46, 97 u. ö.). — In mancher Hinsicht bleibt die Lektüre allerdings nicht voll befriedigend. Gleichmäßigkeit in der äußeren Gestaltung (Hintze— Titel in der Bibliographie etwa) und die volle stoffliche Ausschöpfung des Themas werden vermißt. Das Urteil (S. 124 unten) über die feste Einfügung der Hauptämter in den Behördenapparat des Absolutismus schon um 1716 paßt ganz und gar nicht zu dem (richtigen) Gesamttenor der restlichen Arbeit. Ebenso stören die oft allzu schulmeisterlichen Verdikte über die Ergebnisse anderer Autoren (u. a. Uderstädt, Henning, Terveen), wenngleich die Kritik in der Sache oft berechtigt sein mag (z. B. S. 104, Anm. 4, gegen Henning). — Einigen der freien, über die Wiedergabe und Interpretation der Quelleninhalte hinausführenden Urteile aus eigener Anschauung und Wertung der Vf.in sei hier widersprochen: vor allem jener verbreiteten Meinung von der stärkeren „Wirklichkeit" gegenüber allen „theoretische(n) Umgestaltungspläne(n)", die mehrmals in allgemeinen Sätzen der Vf.in (S. 37, 55) Ausdruck findet; verwandt ist die hohe Einschätzung der Bedeutung einzelner Personen (S. 45, 69), die den Zuständen dieser Verwaltungssphäre im 18. Jh. nicht mehr gerecht wird. Bei manchen Interpretationen (S. 56 oben, S. 100) wird nicht ganz deutlich, ob Vf.in ein gewisses Maß an Nützlichkeits- und Effizienzdenken zur Beurteilung an die Quellen heranträgt oder gewissermaßen im Sinne der Zeitgenossen des 18. Jh.s zu sprechen meint (S. 100) — in dem herangezogenen Beispiel ist auch nicht einzusehen, warum die Jurisdiktion des Arendators über die Bauern nützlich, diejenige über Kölmer und Freie aber nicht nützlich sein sollte. Cocceji hielt offenbar und wohl zu Recht beide Formen für unnütz. — Einige angeschnittene wichtige Fragen sind nicht ausreichend behandelt. Das wird z. B. schon deutlich an der an sich recht nützlichen Darstellung der Kammerämter zweier Arten und der Domänenbezirke bzw. -ämter (S. 106ff.). Die Durchleuchtung des Beamtenbegriffes, die grundlegend sein müßte, ist nicht geleistet (vgl. S. 102, Anm. 4, u. die Bemerkungen S. 103); sie steht noch aus und muß mit inhaltlichen Bedeutungsangaben aus dem Gesamtsprachgebrauch der Zeit erarbeitet werden. — Die Kapitel über die Domänen- und Städteverwaltung sind die besten der Arbeit und hätten sachlich wie methodisch den Auftakt bilden können — ihr Inhalt ist in vielen Punkten Grundlage für das Verständnis der Kapitel über die höheren Funktionsträger. Im Städtekapitel sind die Andeutungen des Einflusses der städtischen Einrichtungen und ihrer Entwicklung auf die allgemeine Amtsverwaltung (S. 122 u. verstreut bei der Behandlung des Gerichtswesens) zu knapp, eine Darstellung des Interesses der Bürgerschaft an der Verwaltung und ihrer Möglichkeiten ist völlig unterblieben. Würde die Durcharbeitung aller dieser Probleme auch über den Rahmen einer Diss. hinausgehen, so wäre zumindest eine genaue Profilierung der Fragen doch sehr erwünscht gewesen. — Der Beginn der Arbeit mit dem Jahre 1713 muß als unglücklich angesehen werden: solange eine Verwaltungsgeschichte Ostpreußens für das ausgehende 17. Jh. fehlt, muß eine solche für die Zeit nach 1713 auf allzu vielen Lükken und Unsicherheiten bauen. Vf.in hat ihre Aufgabe sehr stark auf das Formal-Technische bezogen; die sozialen Voraussetzungen und Folgen der Verwaltungstätigkeit, die politischen Implikationen der Verwaltung, blieben weitgehend unberücksichtigt. Als „Verwaltung" wurde der legale Rahmen der Instanzen angesehen und außerordentlich klar beschrieben. Nach dieser Diss. sollten weitere Arbeiten verwandter Thematik aus demselben Archiv den Katalog der Instanzen und ihrer Kompetenzen nur knapp behandeln, um dann zu fragen, wie es zu einzelnen Formen der Verwaltungspraxis kam und was sie für die Bewohner der Verwaltungsbezirke bedeuteten. Dieses Interesse geweckt zu haben, bleibt das Verdienst des vorliegenden Buches. Göttingen
Georg Wilhelm von Brandt
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Peter: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Danzig 1 8 1 5 - 1 8 7 0 . - Marburg/L.: Johann Gottfried Herder-Inst. 1967. XII, 410 S., 1 Kt. = Wiss. Beiträge z. Gesch. u. Landeskunde Ost-Mitteleuropas, Nr. 80. D M 2 2 , — .
LETKEMANN,
Die Schwierigkeiten der vorliegenden Arbeit (einer Bonner Diss.) werden in der Einleitung hervorgehoben. Es ist mühselig, über einen Gegenstand der ostdeutschen Geschichte sich auf das Material zu beschränken, das mehr oder weniger zufällig sich heute in westlicher Hand befindet; wobei man nicht genau weiß, was anderswo noch vorhanden ist. Hauptquelle ist der Teilbestand von Akten der Regierung Danzig im Berliner Preußischen Geheimen Staatsarchiv; er ist wertvoll, umfangreich, aber lückenhaft auf verschiedenen Gebieten. Ebenfalls in Berlin befinden sich auch Teilbestände von Ministerialbehörden. Das Staatsarchiv Königsberg (jetzt im Staatlichen Archivlager in Göttingen) bietet wegen der Verwaltungseinheit von Ost- und Westpreußen bis 1878 einen gewissen Ersatz, doch sind aus Königsberg die Akten des 19. und 20. Jh.s nur in Auswahl verlagert worden; die Massenakten mußten zurückbleiben. Dagegen kam der Arbeit die große Menge von gedruckten Quellen des 19. Jh.s (Amtsblätter, Statistiken u. a.) zugute, die zumal in dem genannten Berliner Archiv, aber auch in Göttingen und anderswo zugänglich sind. Eine spürbare Lücke in dem Quellenverzeichnis ist das „Topographisch-statistische Ortschaftsverzeichnis v o m Reg.Bez. Danzig" von 1848, ein Zwischenglied zwischen der „Übersicht" von 1820 und dem „Handbuch" von 1869. Die zahlreichen zitierten amtlichen und nichtamtlichen Druckschriften geben jedoch ein umfassendes Bild von den Ergebnissen der V e r w a l t u n g ; freilich nicht immer von den Motiven. In der Arbeit geht es vorzugsweise um die zentrale Verwaltung, u m die Tätigkeit des Regierungspräsidenten und seiner Mitarbeiter. Die leitenden Persönlichkeiten werden charakterisiert. Die Verwaltung der Kreise und Städte und unter den besonderen Aufgaben die Regulierung der landwirtschaftlichen Verhältnisse und die Bevölkerungsentwicklung finden eine eingehende Darstellung. Ein Kapitel ist der Polenfrage gewidmet, einem Gegenstand von hervorragender Bedeutung auch in dem überwiegend deutschsprachigen Danziger Bezirk, der mit den Kaschuben noch eine besondere Note hatte. Die Stadt Danzig war fast rein deutsch. A u c h die Revolution von 1848 wird wegen ihrer einschneidenden Folgen für die Verwaltungstätigkeit in einem besonderen Kapitel behandelt. Dankenswert ist die Zusammenstellung der leitenden Beamten und das Personenregister. Göttingen
Kurt
Forstreuter
Karl Heinz: Frühgeschichte der Danziger Presse. — Münster/Westf.: Fahle 1967. 283 S., 30 Abb. u. 19 Tabellen. = Studien zur Publizistik. Bremer Reihe. Dt. Presseforschung, Bd. 9. D M 16.50. KRANOLD,
Die umfangreiche Untersuchung behandelt unter Heranziehung früherer, z. T. schwer zugänglich gewordener Forschungsergebnisse und bisher weitgehend unbekannten bzw. ungenutzten Quellenmaterials vorwiegend aus der Sammlung der Deutschen Presseforschung in Bremen und aus Beständen des Archivs Danzig, der Bibliothek Danzig, des Riksarkivets und der Königlichen Bibliothek in Stockholm sowie des Fürstlich-Thurn- und Taxisschen Zentralarchivs in Regensburg ein wichtiges Kapitel der Frühgeschichte der europäischen Presse. Gedruckte Zeitungen gab es in Danzig seit Beginn des 30jährigen Krieges. Die Ermittlung v o n Druckort, Drucker, oft auch des Erscheinungsdatums bereitet bei dem lückenhaft überlieferten Material Schwierigkeiten, da die Mehrheit der deutschen Zeitungen des 17. Jh.s — so auch die Danziger Blätter — anonym und häufig datumslos erschienen. Da die Ori-
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ginale dem Vf. nur vereinzelt vorlagen, kam eine Identifizierung durch Vergleich von Druckpapier, Wasserzeichen und typographischen Formalien nicht in Frage. Vielmehr hat er Methoden entwickelt, die es ermöglichen sollen, ohne Originale zumindest den Erscheinungsort, möglichst auch das ungefähre Erscheinungsdatum der einzelnen Blätter zu ermitteln, nämlich durch die „Untersuchung des temporalen Zusammenhanges der in der Zeitung vorkommenden Nachrichten" (S. 40f.). Sind mehrere Nummern einer Zeitung erhalten, so läßt sich feststellen, daß der Drucktag der Zeitung später liegen muß als die regelmäßig jüngste Meldung und daß die zeitliche Differenz der Absendedaten von Korrespondenznachrichten untereinander und zur Erscheinungswoche in Abhängigkeit steht zu den räumlichen Entfernungen zwischen den Orten selbst und dem Druckort, d. h. daß, „wenn in einer Serie der gleichen Zeitung regelmäßig die Nachrichten aus den Niederlanden älter sind als die aus Stettin", man vermuten kann, „daß der Druckort der Zeitung östlich von Stettin liegt". Auch kann man eine Abhängigkeit zwischen Korrespondenzdaten und Postfahrplänen annehmen auf Grund der Beobachtung, daß die Daten der Nachrichten zumeist an bestimmte Wochentage gebunden sind. Auf diese Weise gelangt K. zu wichtigen Ergänzungen der Forschungen vor allem Gspanns und Haßbargens und schließlich zu einer zusammenfassenden Gliederung des überlieferten Zeitungsmaterials: Der Zeitungen Hühnefelds in den Jahren 1618—1643, der Zeitungen Rhetes von 1630—1660 sowie der Zeitungen aus den Druckereien Rhete und Reiniger zwischen 1667—1697. Einen besonderen Abschnitt in der Frühgeschichte der Danziger Presse stellen die sogenannten „Polnischen Novellen" dar, seit 1656 in den Akten erwähnte, wahrscheinlich aber schon früher existierende gedruckte deutsche Nachrichten über Ereignisse in Polen. In den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts finden sich in den Danziger Zeitungen keine Nachrichten aus Polen, eine überraschende Einschränkung ihres Einzugsgebiets. K. führt sie auf die Trennung der verschiedenen Postämter in Danzig zurück. Dort bestanden zunächst nebeneinander zwei unabhängige Postdienste, die Post des Rates auf der Strecke nach Breslau—Prag—Wien—Venedig und die Kaufmannspost auf der Strecke StettinHamburg—Niederlande. Seit 1640 betrieb das Danziger Stadtpostamt beide Strecken. Daneben bestand seit unbekannter Zeit ein polnisches Postamt, das die Verbindung nach Warschau und Krakau unterhielt. K. stellt die These auf, daß Nachrichten aus Polen zunächst dem polnischen Postmeister bekannt wurden, der diese dann in eigener Regie druckte — eben die „Polnischen Novellen" —, während dem Stadt- und Kaufmannspostamt die deutschen und westeuropäischen Nachrichten zustanden. Diese „getrennte Veröffentlichung der polnischen und deutschen Nachrichten hat in Danzig zu dem Zeitpunkt ein Ende, da die Trennung zwischen polnischer Post und Stadtpost aufgehoben wurde und nun die allgemeine Post wie der gesamte Nachrichtendienst in einer Hand liegen" (S. 100), nämlich 1660 nach Beendigung des schwedisch-polnischen Krieges, als der polnische König das Postregal an sich zog. Ein Exemplar der „Polnischen Novellen" konnte bisher nicht zweifelsfrei ermittelt werden. K. führt einige Blätter vor, die vielleicht als Danziger „Polnische Novellen" gelten können (S. 101 ff.); sie stammen aus der Königlichen Bibliothek in Stockholm. Nicht nachgegangen zu sein scheint K. dem Hinweis Haßbargens (Polnische Novellen in deutscher Sprache. Ztschr. d. Westpr. Geschichtsver. 76, 1941, S. 186) auf Bd. 100 der Stadtbibliothek Danzig, Nr. 98ff., der „zahlreiche Drucke mit laufenden Nachrichten zum schwedisch-polnischen Krieg" enthalten soll. Unzureichend ist die Behandlung des Inhalts der Danziger Zeitungen, die sich mit einer bloßen Zusammenstellung verschiedenster, nur locker thematisch verbundener Kostproben begnügt. Auch das Kapitel über den historischen Wahrheitsgehalt der Zeitungsmeldungen befriedigt nicht. Den Berichten von 1626—1629, der Zeit, in der Gustav Adolf Danzig 31
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belagerte, werden Abschnitte der historischen Darstellung Simsons gegenübergestellt. Der Vf. kommt dabei zu dem Schluß, „daß die Zeitungsmeldungen nach dem Geist ihrer Zeit durchaus glaubwürdig sind" und insgesamt auf einer korrekten Tatsacheninformation beruhen (S. 150). Das mag für diesen kurzen Zeitraum, kaum aber für das ganze Jahrhundert zutreffen, müßte hier jedenfalls erst nachgewiesen werden. Ebenso bietet das Kapitel über Danziger Korrespondenzen in auswärtigen Zeitungen nur eine wenig geglückte Zusammenstellung einzelner Meldungen, eine Zusammenfassung und Durchdringung nach übergeordneten Gesichtspunkten erscheint auch hier notwendig. Überhaupt hätte bei stärkerer Komprimierung die Darstellung sehr gewonnen, die an zahlreichen Wiederholungen und an einer übermäßigen Ausbreitung der sicherlich interessanten, in vielen Fällen aber schon in der benutzten Literatur ausführlich zitierten Quellen leidet. Göttingen Sibylle Obenaus REHFELD, Klaus Helmut: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Bromberg 1 8 4 8 - 1 8 7 1 . - Köln, Berlin: Grote 1968. 412 S., 1 Kt. = Studien zur Geschichte Preußens, Bd. 11. DM 3 2 , - . Im Anschluß an die Arbeit von Irene Berger: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Bromberg (1815—1847), Köln und Berlin 1966 (in derselben Reihe als Bd. 10 erschienen), legt Rehfeld eine Diss. gleichen Themas für die Jahre 1848—1871 vor. Der Fortschritt der Zeit bringt eine veränderte Problemstellung mit sich: War es Berger im wesentlichen darum gegangen, den Widerstreit zwischen überlieferten Formen und neuen, im Geiste der Reformer geschaffenen Einrichtungen in der Verwaltung dieses in Teilen 1772 an Preußen gekommenen, dann auf der Grundlage des Wiener Traktates von 1815 geschaffenen Regierungsbezirks darzulegen, so befaßt sich Rehfeld mit der Tätigkeit eines „eingespielten" Verwaltungsapparates. Seine Untersuchung gilt folgenden Problemen: Wie weit genügten die Verwaltungseinrichtungen und die Gesetze und Verfügungen den „Anforderungen der Zeit" und den Besonderheiten des Regierungsbezirks? In welcher Weise wurden diese Gesetze und Verfügungen durchgeführt (soweit die Lückenhaftigkeit der Quellen Einblick gibt) ? Inwieweit greift der Oberpräsident der Provinz Posen in das Geschehen im Regierungsbezirk ein ? Welche soziale Stellung und welche Ausbildung hatten die Landräte, und mit welchen Mitteln und welchem Personal mußten sie ihre Aufgaben erfüllen ? Welche Zahlen gibt die Statistik über die Leistungen und Rückschläge der Verwaltungsarbeit an die Hand? Ausdrücklich weist der Vf., um Mißverständnissen vorzubeugen, darauf hin, daß politische und nationale Probleme — der Regierungsbezirk Bromberg hatte in der behandelten Zeit einen polnischsprachigen Anteil von etwa 50% der Gesamtbevölkerung — unberücksichtigt bleiben sollen. Daß sie an manchen Stellen dennoch nicht ganz ausgeschlossen bleiben, ist selbstverständlich, da Verwaltungsarbeit nicht frei von politischen Entscheidungen sein kann, Entscheidungen, die hier vor allem der Förderung des Deutschtums dienten. Außerdem erschwerte das nationale Interesse besonders die Kirchen- und Schulverwaltung, weil ja die polnischsprachige Bevölkerung überwiegend katholischer, die deutschsprachige protestantischer Konfession war. In drei der Natur der Sache nach unterschiedlich umfangreichen Teilen geht Rehfeld den eingangs gestellten Problemen nach: Ein Überblick über Land und Bevölkerung breitet den Hintergrund für die eigentliche Untersuchung aus. Es folgt der Verwaltungsaufbau, der sich von der allgemeinen Verwaltungsgliederung der preußischen Provinzen nur in-
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sofern unterscheidet, als hier 1836 das Amt der Distriktkommissare mit einer Stellung zwischen den Landräten einerseits und den Gemeinden und Rittergütern andererseits eingeführt wurde. Der 3. Teil schließlich befaßt sich mit folgenden Verwaltungsaufgaben: Allgemeine Verwaltung; Kirche, Bildung und Kultur; Verkehr; Landwirtschaft; Handel, Gewerbe und Industrie; Justiz; Militär. Das beigegebene Orts- und Personenregister erschließt den Inhalt ausreichend, so daß wegen der ins einzelne reichenden Gliederung auf ein Sachregister verzichtet werden konnte. Diese übersichtliche und einleuchtende Gliederung wird lediglich durch die Einbeziehung von Kurzbiographien der Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten durchbrochen. Meiner Meinung nach wäre der Arbeit damit gedient gewesen, wenn Rehfeld diese Kurzbiographien in den Anhang gesetzt hätte. Überhaupt scheint mir eine Schwäche der Arbeit darin zu liegen, daß die Lektüre eines seiner Natur nach ohnehin trockenen Stoffes dadurch erschwert wird, daß leicht in Tabellen unterzubringende Aufzählungen — etwa der Beamten der Regierung (S. 47 ff.) und der Landräte (S. 55 ff.) oder der Wahlergebnisse (S. 107 ff.) — in ermüdender Breite die Seiten füllen. So begrüßt es der Leser, wenn gelegentlich eine übersichtliche Tabelle im Text erscheint, die auf einen Blick beispielsweise über Größe und Einwohnerzahl der Kreise (S. 53) oder über die Verteilung der Städte auf die einzelnen Kreise (S. 76f.) informiert. Daß jede Anmerkung im Anhang nachgeschlagen werden muß, ist lästig, aber wahrscheinlich durch die Druckkosten unvermeidbar gewesen. Warum dieser Anhang auch eine etwa 20 Seiten umfassende Liste mit Auszügen aus den Findbüchern des Geheimen Staatsarchivs enthält, ist mir unerfindlich, ermöglicht doch die jeweilige Anmerkung eine genaue Identifikation jedes Schriftstücks. In seltsamem Gegensatz dazu steht, daß bei der Erörterung der Quellenlage mit keinem Wort auf den Verbleib der nicht in Berlin bewahrten Akten des preußischen Staats- und Innenministeriums und der Regierung Bromberg eingegangen wird. So muß sich der Leser aus den Anmerkungen die tatsächliche Quellenlage zusammensuchen. Er erfährt dort, daß sich sowohl in Bromberg als auch im Deutschen Zentralarchiv, Historische Abteilung II (Merseburg) umfangreiche, für den Vf. aber unzugängliche Aktengruppen befinden. Daß Rehfeld mit der deutschen Sprache wie mit der Zeichensetzung sehr großzügig umgeht — was vielleicht gleichgültig sein könnte, wenn nicht der Sinn mancher Sätze dadurch entstellt oder verdunkelt würde —, sei zum Schluß kritisch bemerkt. Trotz der Einwände ist der Rez. der Ansicht, daß hier eine nützliche und in der Verarbeitung der umfangreichen Quellen gute Arbeit vorliegt, deren reiches Material dankbar benutzen wird, wer sich mit einzelnen, den Regierungsbezirk Bromberg berührenden Problemen befaßt. Göttingen
Reinhard Vogelsang
GAUSE, Fritz: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen. Bd. 2. Von der Königskrönung bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges. — Köln, Graz: Böhlau 1968. XXIII, 761 S., 45 Abb. = Ostmitteleuropa in Vergangenheit u. Gegenwart, 10, 2. DM 7 8 , - . Der 2. Bd. der ausgezeichneten Königsberger Stadtgeschichte aus der Feder des letzten Leiters des Stadtarchivs und des Stadtgeschichtlichen Museums behandelt in fünf ungewöhnlich dicht und doch anschaulich geschriebenen Kapiteln „Das klassische Jahrhundert. Von der Königskrönung bis zum Unglücklichen Krieg", „Zusammenbruch und Wiederaufstieg", „Reaktion und Biedermeier", „Das Jahrzehnt um 1848" und „Die Epoche Bismarcks". Das Werk zeichnet sich durch weitgespannte Quellenkenntnis, durch Vielseitigst»
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keit der Blickrichtung und durch einen zurückhaltenden klaren Stil aus. Neben der eigentlichen Hof- und Stadtgeschichte, der Entwicklung von Verfassung und Verwaltung werden mindestens in gleichem Maße Handel und Hafen, Münzwesen, Manufakturentwicklung, Gewerbe und Handwerk, Stiftungen, Kunst und Kultur, Universität, Schulwesen, Geselliges Leben, Garnison und Bevölkerungsstand behandelt. Man vermißt lediglich knappe wertende Zusammenfassungen am Schluß der Hauptabschnitte über die „Lage der Stadt" zu einem bestimmten Zeitpunkt, verglichen mit anderen Stichjahren. Daß die gedruckte Literatur lückenlos ausgewertet wurde, versteht sich von selbst. Vor allem jedoch bot das Staatsarchiv Königsberg (Göttingen) reiche Ausbeute. Dankenswerterweise sind die Anmerkungen als Fußnoten gesetzt worden. Die Register bleiben offenbar dem Schlußbd. vorbehalten. Auch mit diesem 2. umfänglichen Bd. hat eine historische Stätte von hohem Rang, eine der klassischen ostdeutschen Residenzstädte, deren Rest-Gehäuse heute einer anderen Kultur zu dienen hat, wider alles Erwarten noch eine bedeutende Darstellung ihrer Geschichte gefunden, für die dem Autor nachdrücklich zu danken ist. Berlin
Gerd Heinrieh
Geliebtes Königsberg. Porträt e. Stadt. Hrsg. von Martin A. Borrmann. — München: Gräfe u. Unzer 1967. 244 S. mit Abb. DM 17,80. Hrsg. und Verlag haben ein liebenswertes Erinnerungsbuch an Königsberg komponiert, das in der Reihe der gefälligen Geschenkbücher einen guten Platz einnehmen wird. Die Ausstattung ist vorzüglich, vor allem die drucktechnische Qualität der alten Stiche, Bilder und Photographien. Uber Auswahlgesichtspunkte einer Anthologie ließe sich gut streiten, unter dem Titel „Geliebtes Königsberg" allerdings nicht. Die Liebe ist schon Vorausgesetz, und mit ihr der provinzielle Stolz, der sich gern allen mitteilen möchte, am liebsten in der Form der schmunzligen Anekdote über all die vielen Königsberger Berühmtheiten: seien sie dort geboren, gestorben oder auch nur durchgereist wie weiland Joachim Ringelnatz. Das Buch will gefallen und wird gefallen, weil es eine gute Mischung aus Heiterkeit und Schwermut, Pathos und Nonchalance, Geschichte und Abschiedsstimmung ohne Groll bietet. Glücksburg Walter Mertineit KROLL, Erwin: Musikstadt Königsberg. Geschichte u. Erinnerung. — Freiburg i. Br.: Atlantis-Verl. 1966. 248 S. DM 19,80. Dieses Buch darf — was auch immer Titel und Klappentext dem Leser nahelegen mögen — nicht mit einer Musikgeschichte der Stadt Königsberg verwechselt werden. Der Vf. betont im Nachwort selbst, er habe sich damit begnügt, der musikalischen Chronik seiner Heimatstadt „einige persönliche Lichter aufzusetzen" (S. 233). Persönlichen Anteil am Musikleben Königsbergs nahm Kroll als Gymnasiast, Student, Musikkritiker und Komponist in den Jahren 1900—1934, und diese Zeitspanne nimmt in seinem Buch auch den breitesten Raum ein. Daß es darüber hinaus — unter Verwendung bereits vorliegender musikgeschichtlicher Literatur (genannt werden Arbeiten von J. Müller-Blattau, H. Engel und H. J. Moser) — um Vollständigkeit der historischen Darstellung bemüht ist, gereicht ihm eher zum Nachteil. In 25 weder streng chronologisch noch systematisch angeordneten Kapiteln berichtet der Autor von Persönlichkeiten, Begebenheiten und Institutionen, die teils eng, teils locker und gelegentlich mit der Musikstadt Königsberg verknüpft sind. Dabei ergeben sich immer wieder vermeidbare Überschneidungen. In der Auswahl der mitgeteilten Quellen überwiegt der anekdotische Gehalt den Stellenwert in der historischen Entwicklung. Subjektive Zu- und Abneigungen prägen nicht nur
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die zeitgenössischen Abschnitte. (So enthält das Kapitel über Wagner z. B. mehr moralische als musikalische Zensuren.) Musikalische Zensuren teilt der ehemalige Kritiker der „Hartungschen Zeitung" jedoch ebenfalls freimütig aus. Sein ästhetisches Ideal ist orientiert an den „Großsiegelbewahrern ewiger deutscher Romantik, d. h. deutscher Herzensmusik": Schumann, Brahms, Pfitzner (S. 226). Dem „Abenteuer der Zwölftönerei", dieser „Allerweltsformel" einer sog. „Weltmusik" stellt er die national und inhaltlich gebundene „Heimatmusik" gegenüber (S. 224/25), für deren ostpreußische Vertreter, vor allem für den Freund und Kollegen Otto Besch, er sich an vielen Stellen seines Buches mit Wärme engagiert. So erfährt der Leser aus dieser nicht im strengen Sinne autobiographischen Arbeit im Grunde doch mehr über ihren Autor als über ihren Gegenstand. Wer Krolls Sachkenntnis im Hinblick auf die jüngere musikalische Vergangenheit Königsbergs ausnützen will, würde sicher neben dem dargebotenen Personenverzeichnis auch ein Sach- und Quellenregister begrüßen. Berlin
Irmgard von Broicb-Oppert
HARTMANN, Ernst: Das Kirchspiel Locken Kr. Osterode i. Ostpr. — Marburg/L.: Johann Gottfried Herder-Inst. 1967. 183 S., 2 Abb., 1 Kt. = Wiss. Beiträge z. Gesch. u. Landeskunde Ost-Mitteleuropas, Nr. 78. DM 13,— . Das im nordöstlichen Zipfel des Kreises Osterode gelegene Kirchspiel Locken deckt sich im wesentlichen mit dem ordenszeitlichen Kammeramt „Lucten", einem Verwaltungsbezirk der sich damals weit nach Süden erstreckenden Komturei Elbing. Die Verwaltung der Kammerämter lag jedoch nicht, wie S. 6 behauptet wird, in den Händen „von Pflegern oder Vögten", also Ordensbrüdern, sondern war einheimischen Hilfskräften anvertraut, den Kämmerern. Der 1., kürzere Teil des Bändchens behandelt die Geschichte des gesamten Bezirks, wobei besonderer Nachdruck auf die soziale Struktur der Bevölkerung gelegt wird (S. 18ff.), in der die preußische Stammbevölkerung einen recht beträchtlichen Anteil ausmachte. Für die „schwer lesbaren" Namen der Prußen hätte Vf. jedoch in jedem Falle das grundlegende Buch von R. Trautmann, Die Altpreußischen Personennamen, Göttingen 1925, heranziehen müssen. Falsche Lesungen wie etwa „Pasyrat" (S. 5) statt „Posyaut" (vgl. dazu Trautmann S. 74) hätten dann sicherlich vermieden werden können. Das auf S. 175 zitierte Buch von G. Gerullis behandelt eben nicht, wie Hartmann angibt, die altpreußischen Personennamen, sondern vielmehr die Ortsnamen. Der 2. Teil des Buches, der den bei weitem größeren Raum einnimmt, enthält eine recht nützliche Materialsammlung zur Geschichte der einzelnen Dörfer des Kirchspiels Locken. Deswegen wäre aber gerade hier eine wesentliche Erweiterung der Belegstellen sehr wünschenswert gewesen. Insbesondere vermißt man bei den zahlreichen Handfesten die Quellenangaben, so daß eine Nachprüfung erschwert wird. Hinzu kommt, daß auch ein Register fehlt. Zwei Abbildungen (nach S. 48) zeigen die Kirche von Locken und deren Innenraum; ein Kartenausschnitt aus der Schrötterschen Karte von ca. 1800 beschließt das Bändchen. Göttingen
Hans Koeppen
DÜHRING, Hans: Das Gymnasium Marienwerder. Von d. Domschule zur Oberschule. — Würzburg: Holzner 1964. 371 S. = Ostdt. Beiträge aus d. Göttinger Arbeitskreis, Bd. XXX. DM 2 4 , - . Mit großem Fleiß hat der Vf., selbst ehemaliger Schüler des Gymnasiums und Sprecher der Schulgemeinschaft, aus allen erreichbaren Quellen, vor allem aus den fast vollständig
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erhaltenen Schulprogrammen eine Chronik zusammengestellt mit genauen Angaben über Frequenzen, Stundenpläne, Schulfeiern, Lehrergehälter, den baulichen Zustand des Schulgebäudes und mit biographischen Notizen über die Lehrer und die hervorragendsten Schüler. Daß die Geschichte einer so bedeutenden Schule — sie ist um 1300 als Domschule des Bistums Pomesanien gegründet worden — ein Stück deutscher Geistes- und Bildungsgeschichte ist, kommt bei dieser Stoffülle etwas zu kurz. Wegen seines dokumentarischen Charakters ist das Buch jedoch eine der besten Schulgeschichten, die seit 1945 über Schulen des deutschen Ostens erschienen sind. Es ist mehr als ein Erinnerungsbuch für die ehemaligen Marienwerderer; es zeigt, welche Bildungsarbeit in dieser alten preußischen Stadt sechseinhalb Jahrhunderte hindurch geleistet worden ist. Essen
Fritz Gause
Codex diplomaticus Prussicus. Urkunden-Sammlung z. älteren Geschichte Preußens aus d. Königl. Geheimen Archiv zu Königsberg, nebst Regesten hrsg. von Johannes Voigt. Neudr. — Osnabrück: Zeller. Bd. 4/6. 4. Neudr. d. Ausg. 1853. — 5. Neudr. d. Ausg. 1857. - 6. Neudr. d. Ausg. 1861, 1965. Getr. Pag. [658 S.] DM 2 4 0 , - . DOLEZEL, Stephan: Das preußisch-polnische Lehnsverhältnis unter Herzog Albrecht von Preußen. [1525-1568.] (Mit 7 Abb. auf Taf.) - (Köln u. Berlin:) Grote (1967). 260 S. 1 Titelbild. (Studien zur Geschichte Preußens. Bd. 14.) DM 2 7 , - . Du Land meiner Kindheit. Dichter aus Ost- und Westpreußen erzählen aus ihrer Kindheit. Hrsg. von Rudolf Naujok. — München: Aufstieg-Verl. (1966.) 207 S. mit Abb. DM 12,80. GÜLZOW, Gerhard: Kirchenkampf in Danzig 1934—1945. Persönliche Erinnerungen. Hrsg. in Zs.arbeit mit d. Ostkirchenausschuß Hannover. — Leer/Ostfr.: Rautenberg 1968. 46 S. DM 3,50. H A U K E , Karl: Das Bürgerhaus in Ost- und Westpreußen. — Tübingen: Wasmuth (1967.) 148 S. mit 271 Abb. 4 (Das deutsche Bürgerhaus. 8.) DM 3 8 , - . L I N C K , Hugo: Der Kirchenkampf in Ostpreußen. 1933 bis 1945. Geschichte u. Dokumentation. - München: Gräfe u. Unzer 1968. 296 S. DM 24,80. M A T U L L , Wilhelm: Liebes altes Königsberg. Ein Buch d. Erinnerung. (3., überarb., erw. u. neu ill. Aufl.) — Leer/Ostfriesl.: Rautenberg (1967). 251 S. mit Abb. DM 14,80. MEYHÖFER, Max: Die Landgemeinden des Kreises Orteisburg. Ein Beitr. z. Besiedlung, Bevölkerungsentwicklung u. Wirtschaftsgeschichte vom 14. Jahrhundert bis 1945. — Würzburg: Holzner 1967. 326 S. (Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis. Bd. 39.) DM 2 4 , - . N I T S C H K E , Gerhard: Burgen des deutschen Ritterordens in Preußen. — Hildesheim: Bernward-Verl. (1967). 40 S. mit 34 Abb. (Wahrheit und Zeugnis. H. 4.) DM 4,90. PIORRECK, Anni: Agnes Miegel. Ihr Leben u. ihre Dichtung. (Mit 8 Bildtaf. u. e. Faks.) - (Düsseldorf, Köln:) Diederichs (1967). 308 S. DM 2 4 , - . SAMSONOWICZ, Henryk: Untersuchungen über das Danziger Bürgerkapital in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. — Weimar: Böhlau 1969. 154 S. (Abhandlungen zur Handels- u. Sozialgeschichte, Bd. VIII.) DM 15,50. Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen d. preuß. Vorzeit bis z. Untergange d. Ordensherrschaft. Hrsg. von Theodor Hirsch [u. a.] Nachdr. — Frankfurt a. M.: Minerva-Verl. Je DM 180,—; zus. DM 850,— . Bd. 1. Unveränd. Nachdr. [d. Ausg.] Leip-
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zig 1861. 1965. XIV, 818 S. Bd. 2. Mit e. Facs. u. d. Reg. z. 1. u. 2. Bd. Unveränd. Nachdr. [d. Ausg.] Leipzig 1863. 1965. VI, 866 S. Bd. 3. Unveränd. Nachdr. [d. Ausg.] Leipzig 1866. 1965. VI, 730 S. Bd. 4. Unveränd. Nachdr. [d. Ausg.] Leipzig 1870. 1965. X, 800 S. Bd. 5. Mit Reg. z. 3., 4. u. 5. Bde. Unveränd. Nachdr. [d. Ausg.] Leipzig 1874. 1965. VIII, 738 S. SIMSON, Paul: Geschichte der Stadt Danzig. Bis 1626. In 3 Bden. Neudr. — Aalen: Scientia 1967. Bd. 1. Von den Anfängen bis 1517. XVI, 423 S. DM 9 0 , - . Bd. 2. 1517 bis 1626. Mit Anh.: Danzig und Gustav Adolf. XI, 661 S. DM 1 3 0 , - . Bd. 3. (Bd. 4 d. Orig.Ausg.) Urkunden. XIV, 259 S. DM 66,—. (Bd. 3. d. Orig.ausg. nicht erschienen.) T R U N Z , Hansheinrich: Pferde im Lande des Bernsteins. Aus 4000 Jahren Geschichte ostpreuß. Pferde. Mit 33 Abb. auf Taf. u. 59 Zeichn., sowie 24 Tab. im Text. — (Berlin u. Hamburg:) Parey (1967). 164 S. DM 3 6 , - . T S C H A C K E R T , Paul: Urkundenbuch zur Reformationsgeschichte des Herzogthums Preußen. Neudr. — Osnabrück: Zeller. (Publikationen aus den Kföniglich] Preußischen Staatsarchiven. Bd. 44.) Lizenz d. Verl. Hirzel, Stuttgart. Bd. 2.: Urkunden. Th. 1. 1523 bis 1541. Neudr. d. Ausg. 1890. 1965. VII, 436 S. DM 6 0 , - . U H D E N , 0[tto]: Niederschlags- und Abilußbeobachtungen auf unberührten, vorentwässerten und kultivierten Teilen eines nordwestdeutschen Hochmoores, der Esterweger Dose am Küstenkanal bei Papenburg. Die deutsche Wasserwirtschaft im ehemaligen Westpreußen. Von Fr[itz] Herrgeist. — Hamburg: Verl. Wasser u. Boden 1967. 99, 77 S. mit Abb. u. Ktn. 1 Ktn.-Beil. in Rückentasche (Schriftenreihe des Kuratoriums für Kulturbauwesen. H. 15.) DM 2 4 , - . W U N D E R , Heide: Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg. 13. —16. Jahrhundert. — Wiesbaden: Harrassowitz 1968. 282 S., 1 Taf., 4 mehrfarb. Falttaf. (Marburger Ostforschungen, Bd. 28.) DM 42,—. M I E L C Z A R S K I , Stanislaw: Misja pruska swi^tego Wojciecha. (Die Mission des Hl. Adalbert im Pruzzenland.) — Gdarisk: Olsztynskie Zakl. Graf. 1967. 165 S. zl. 28. SEREDYKA, Jan: Sejm w Toruniu z 1626 roku. (Der Landtag in Thorn aus dem Jahre 1626.) - Wroclaw: Zakl. Narod. im. Oss. 1966. 193 S. zl. 35. REMER, Jerzej: Torun. Historia, ludzie, sztuka. (Thorn. Geschichte, Bevölkerung, Kunst.) Toruri: Zakl. Graf. Torun. 1965. 194 S. zl. 30. Zrödla do dziejöw ekonomii malborskiej. T. 4. Wyd. Wojciech Hejnosz i Janina Waluszewska. (Quellen zur Geschichte der Wirtschaft Marienburgs.) — Torun: PWN. 1967. 313 S. zl. 50.
6. Provinz Sachsen und Anhalt SCHRÄDER, Franz: Die ehemalige Zisterzienserinnenabtei Marienstuhl vor Egeln. Ein Beitr. z. Geschichte d. Zisterzienserinnen u. d. nachreformator. Restbestände d. Katholizismus im ehemal. Herzogtum Magdeburg. — Leipzig: St. BennoVerl. 1965. XIX, 200 S. = Erfurter Theolog. Studien, Bd. 16. DM 19,50.
Vor der Stadt Egeln, d. h. an der Bode auf dem halben Weg von Magdeburg nach Aschersleben, wurde mit Zustimmung (datiert auf den 14. Mai 1259) des zuständigen Bischofs von Halberstadt das Zisterzienserinnenkloster Marienstuhl durch Otto und Jutta von Hadmers-
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leben gegründet und mit Besitz ausgestattet, den die Fundatoren zum größten Teil nur als Lehen des Stiftes Gernrode besaßen, was schwierige Ablösungsverhandlungen zur Folge hatte. Offenbar wollten die Grafen von Hadmersleben, die übrigens nicht — wie der Vf. im Anschluß an ältere Literatur meint — der Gernroder Stiftsministerialität entstammen, sondern edelfreier Herkunft waren, sich mit Marienstuhl ein auch als Grablege dienendes Hauskloster schaffen. Nach dem Aussterben des Geschlechts zu Beginn des 15. Jh.s gingen mit der Grafschaft Egeln die weltlichen Rechte am Kloster an die Magdeburger Erzbischöfe und dann an das dortige Erzstift über, bis schließlich im 17. Jh. die brandenburgischen Kurfürsten als Inhaber des Magdeburger Erzstiftes und des Halberstädter Fürstentums das Kloster ihrem landeskirchenherrlichen Regiment unterordneten. Erst der „geldhungrige König Jérôme" veranlaßte 1809 die Säkularisierung der Abtei. — Da die mittelalterlichen Quellen zur Geschichte Marienstuhls recht dürftig sind und das Kloster überdies lediglich um die Wende vom 15. zum 16. Jh. als Stätte der Ordensreform eine gewisse überlokale Bedeutung besaß, hat der Vf. den Akzent seiner Darstellung mit Recht auf die nachreformatorische Zeit gelegt; bietet doch die erst 1629 voll in den Verband des Zisterzienserordens aufgenommene Abtei vorzügliches Anschauungsmaterial für die Probleme, die sich aus der Erhaltung katholischer Restbestände im evangelisch gewordenen Herzogtum Magdeburg ergaben. Besonders auffallend ist dabei die Stärke der Kontinuität mittelalterlicher Rechtsverhältnisse, die weithin den Rahmen bildeten, innerhalb dessen die notwendigen oder erstrebten Neuerungen sich bewegten. So hatte Marienstuhl nach wie vor das Patronat über die (evangelische) Kirche in Altemarkt, d. h. es nahm (1670) bei der Bestellung der Pfarre das ius praesentandi et vocandi wahr, während die Gemeinde das ius eligendi und das evangelische Domkapitel in Magdeburg das ius episcopale confirmandi ausübten. Andererseits fehlte es nicht an Versuchen der protestantisch gewordenen Obrigkeiten, ihre überkommenen Aufsichtsrechte zur Durchsetzung eigener religiöser oder materieller Interessen auszunutzen, etwa durch die (nie verwirklichte) Forderung, das Kloster zur Hälfte mit evangelischen Nonnen zu besetzen, oder durch das Verlangen nach evangelischen Klosterpröpsten bzw. nach beträchtlichen Anerkennungsgebühren für katholische Pröpste. — Der Vf. hat sich bei seiner Darstellung eng an bislang nicht edierte Archivalien des Magdeburger Landeshauptarchivs, des Guts Marienstuhl und des katholischen Pfarrarchivs in Egeln sowie an die ungedruckten Chroniken des um die Erhaltung des Katholizismus verdienten Propstes Johannes Potty (1670 ff.) und der Äbtissin Katharina Elisabeth Musäus (1728 ff.) gehalten und so dem Leser den frischen Geschmack der Quellen beschert. Gleichwohl legt man seine Arbeit nicht ohne Bedenken aus der Hand. Man vermißt nicht nur die Auswertung wichtiger älterer und neuerer Literatur (M. Lehmann, L. Lekai, A. Schneider), sondern auch einschlägiger bereits gedruckter Quellen (z. B. in: Cistercienser-Chronik 59, 1952, S. 74ff.). Vollends verschlägt es einem die Sprache, wenn der Vf. mit schöner Offenheit bekennt, den größten Teil des ehemaligen Klosterarchivs, der heute in Wolfenbüttel liegt, nicht verwertet zu haben, da dieser noch „völlig unterzeichnet" von „einer Benutzung ausgenommen" ist. War es unter diesen Umständen wissenschaftlich zu verantworten, sich an eine Monographie über das Kloster Marienstuhl heranzuwagen? — Der Vf. ergänzt seine hier angezeigte Studie durch einen vornehmlich magdeburgische Archivalien ausschöpfenden Aufsatz, der auch die anderen um die Mitte des 16. Jh.s noch bestehenden 17 Klöster des Erzbistums Magdeburg berücksichtigt: „Die landesherrlichen Visitationen und die katholischen Restbestände im Erzbistum Magdeburg 1561 — 1651", in: Historisches Jahrbuch 87 (1967), S. 391-410. Berlin
Dietrich
Kurze
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Werner: Die Flurnamen Magdeburgs und des Kreises Wanzleben. — Köln, Graz: Böhlau 1967. VI, 364 S. mit 1 Kt. (Mitteldeutsche Forschungen. Bd. 41.) DM 4 8 , - . Dokumente und Materialien zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Bezirk Halle. — Halle: (SED, Bezirksleitung Halle, Bezirkskomm. z. Erforschung d. Geschichte d. Arbeiterbewegung im Bez. Halle/Saale). H. 1. 1917 — 1923. Zusammengest. u. eingel. von Eberhard Schultz. 1965. 181 S. mit Abb. Ergebnisse der archäologischen Stadtkernforschung in Magdeburg. Hrsg. von Wilhelm Unverzagt. — Berlin: Akademie-Verl. 4 (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. — Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte. Bd. 18.) T. 2. Nickel, Ernst: Der Alte Markt in Magdeburg. Mit 59 Textabb., 68 Taf. u. 1 Tab. 1964. VIII, 188 S., 68 S. Abb., 11 Ktn.-Beil. DM 1 1 5 , - . H A R K S E N , Sibylle: Bibliographie zur Kunstgeschichte von Sachsen-Anhalt. — Berlin: Akademie-Verl. 1966. 431 S. (Schriften zur Kunstgeschichte). DM 60,— . JOPPEN, Rudolf: Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg. Geschichte u. Rechtsstellung bis z. Eingliederung in d. Diözesanverband Paderborn. — Leipzig: Sankt-BennoVerl. (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte. Bd. 10) T. 3/5. T. 3. Die Entwicklung des mitteldeutschen Kommissariats von 1815 bis zur Inkorporation in den Bistumsverband Paderborn. T. 5. Die Eingliederung des Kommissariats in den Bistumsverband Paderborn, das Ende der Personalunion. (1966.) 302 S. Preis nicht mitgeteilt. K A I S E R , Wolfram, u. Karl-Heinz K R O S C H : Wissenschaftsbeziehungen Halle—Rußland aus medizinhistorischer Sicht. [18. Jahrhundert.] — Halle (Saale): (Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg) 1967. 72 S., XVI S. Abb. (Wissenschaftliche Beiträge der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg. 1967, 4: Reihe R. Medizinische Beiträge. 3.) K R Ü G E R , Bruno: Dessau-Mosigkau. Ein früh-slaw. Siedlungsplatz im mittleren Elbegebiet. Mit Beitr. von H.-H. Müller u. a. Mit 55 Textabb., 20 Taf. u. 1 Beil. — Berlin: Akademie-Verl. 1967. 192 S. 4° (Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Schriften d. Sektion f. Voru. Frühgesch. Bd. 22.) Preis nicht mitgeteilt. BURGHARDT,
Situation 66 [sechsundsechzig]. 20 Jahre Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale), Verl. f. neue dt. Literatur. — (Halle/Saale: Mitteldeutscher Verl. 1966.) 255 S. mit Abb. DM 7,— . STEUERWALD, Hans: Der Reitermeister von Bamberg und Magdeburg. Wer war der Schöpfer d. Reiterstandbilder von Bamberg und Magdeburg? Mit 39 Abb. — Berlin: Kulturbuch-Verl. (1967.) 80 S., 1 Kt. D M 2 0 , - . Vereinigtes Dom- und Klostergymnasium Magdeburg (vorher Domgymnasium bzw. Pädagogium zum Kloster Unser Lieben Frauen) 1675—1950. Gedenkschrift (Erweiterte Neuausgabe aus Anlaß d. 4. Treffens ehemal. Lehrer u. Schüler der beiden früheren Lehranstalten am 20./21. Mai 1967 in Hannover. Bearb. von Alfred Laeger. — Frankfurt/M.: Weidlich 1967. 339 S. mit 61 Abb. DM 2 9 , - .
7. Thüringen Thüringen. Hrsg. v. Hans Patze. — Stuttgart: Kröner 1968. 576 S., 6 Ktn., 10 Stadtpläne = Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 9. Kröners Taschenausgabe, Bd. 313. DM 17,50. Als 2. der mitteldeutschen Bd.e des nunmehr bereits seit längerem unentbehrlichen Handbuchs vereinigt der relativ umfängliche Thüringen-Bd. Beiträge von 19 Autoren aus
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beiden Teilen Deutschlands. Wer die Mühsal kennt, geeignete Bearbeiter für landesgeschichtliche Nachschlagewerke Mittel- oder Ostdeutschlands zu gewinnen, wird die Leistung des Hrsg.s voll ermessen können. Die Gliederung des Werkes schließt sich weitgehend der der bisherigen Bd.e an. Immerhin jedoch hat Patze der auf die Stadtentwicklung bezogenen Beschreibung kunsthistorischer Stätten und Relikte erheblich mehr Raum zugebilligt, als es bisher üblich war. Diese allerorts spürbare Abweichung von den ursprünglichen Richtlinien der Reihe wird im Vorwort überzeugend begründet: „In der Geschichte einer Stadt etwa sind aber auch Bau- und Kunstdenkmäler unzweifelhaft historische Stätten von höchstem Rang, die in die Geschichte dieser Stadt, aus der sich vielfach ihre Baugeschichte erst erklärt, eingeordnet werden müssen. Baugeschichte und Stadtgeschichte bedingen sich oft gegenseitig, auch Stilgeschichte ist unter Umständen ein Teil der Stadtgeschichte." Bei den Neuauflagen der bisherigen Bd.e sollten diese Gesichtspunkte beachtet werden, wobei sich über den Umfang des Wünschenswerten von Fall zu Fall streiten läßt. Daß der Thüringen-Bd. rd. 125 Seiten mehr umfaßt als der von Schlesinger herausgegebene Sachsen-Bd. (1965) erklärt sich von daher, ist aber auch auf die größere Detailfreudigkeit der Mitarbeiter zurückzuführen. Freilich ist der Hrsg. darauf bedacht gewesen, „nicht einen engen Schacht in die Vergangenheit eines Ortes zu treiben, sondern immer wieder die Beziehung der Ortsgeschichte zur allgemeinen Geschichte herzustellen". Betrachtet man die einzelnen Artikel genauer, so fällt weiterhin auf, daß die Artikel besonders der Städte nicht bei den scheinbar idyllischeren Zeitabschnitten des späten 18. oder frühen 19. Jh.s abbrechen, daß vielmehr, wenn auch verständlicherweise häufig nur stichwortartig, die unfreundlicheren Seiten des 19. und 20. Jh.s mit Industrialisierungsfolgen, politischer Radikalisierung und Strukturwandlungen (z. B. Erfurt) vielfach berücksichtigt wurden — bis hin zu den Stichworten Niedersachswerfen und Buchenwald. Sinnvoll scheint es mir darüber hinaus zu sein, mindestens bei den Städten eine Bevölkerungszahl der Gegenwart (1939 oder 1968) anzugeben, um die Größenrelationen leichter begreiflich werden zu lassen. Daß die Literaturangaben ebenso wie das Literaturverzeichnis (479 Nrn.) mit sicherem Geschick behandelt worden sind, versteht sich bei dem Hrsg. der „Thüringischen Bibliographie" (1965/66) von selbst. Bei der Abfassung der geschichtlichen Einführung (S. XVII—LXXI) konnte sich Patze zwar bereits auf die Manuskripte der „Geschichte Thüringens", die im Erscheinen begriffen ist, stützen; gleichwohl entstand für das ungemein schwer darstellbare polyterritoriale Gebilde Thüringen eine zwar sehr dichte und auch insofern anspruchsvolle, aber immer noch übersichtliche landesgeschichtliche Grundskizze, in die sich zu vertiefen auch stilistisches Vergnügen bereitet. Alles in allem darf den Autoren und dem Hauptautor Hans Patze der Dank für einen der vorzüglichsten Bd.e der Reihe ausgesprochen werden. Berlin
Gerd Heinrich
BENSING, Manfred: Thomas Müntzer und der Thüringer Aufstand 1525. — Berlin: VEB Dt. Verl. d. Wissenschaften 1966. 284 S., 6 Kt. = Leipziger Ubersetzungen u. Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe B, Bd. 3. DM 45,—. Die Gestalt Thomas Müntzers erweckt immer wieder das Interesse der Forschung, die sich mit der Geschichte des frühen 16. Jh.s, der Reformation und dem Bauernkrieg befaßt. Müntzers Rolle in der herkömmlich als Thüringer Bauernkrieg bezeichneten, vom Vf. aus plausiblen Gründen aber als Thüringer Aufstand charakterisierten Phase jenes komplexen Geschehens ist daher schon häufiger Gegenstand der Erörterung in der Literatur gewesen. An einer genauen, in die Einzelheiten gehenden Gesamtinterpretation hat es indessen bis-
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lang gefehlt. Diese Gesamtinterpretation aus marxistischer Sicht legt nunmehr Bensing mit seiner ursprünglich als Diss. konzipierten, jetzt in überarbeiteter Fassung als Buch erschienenen Untersuchung vor. Der Vf. stützt sich überwiegend auf gedruckte Quellen sowie auf die zahlreichen Bausteine, die von der lokalgeschichtlichen Forschung bereits zusammengetragen worden sind. Nicht eine neue Materialgrundlage, sondern andere Fragestellungen rechtfertigen also seine Bemühungen. In sechs Kapiteln erörtert B. nacheinander zunächst die Voraussetzungen für Müntzers Wirken in Thüringen, d. h. die politischen, sozialökonomischen, religiösen und persönlichen Bedingungen seines Auftretens, sodann die Entwicklung in Mühlhausen unter dem Einfluß Müntzers vom August 1524 bis April 1525, ferner die Bildung einer „Partei" Müntzers (nach einer Wortbildung von Engels) in Thüringen Mitte April bis zum 3. Mai 1525, weiterhin die Auseinandersetzungen dieser radikalen Gruppe mit den gemäßigten und „lokalbornierten" Kräften, zu denen B. auch Heinrich Pfeiffer zählt, außerdem die Strategie und Taktik der mitteldeutschen Fürsten und Adligen, schließlich den Zusammenbruch des Aufstandes, die militärische Entscheidung vom 14. und 15. Mai 1525 bei Frankenhausen sowie Müntzers Verhalten nach seiner Gefangennahme. Nützlich ist ein Anhang, in dem die biographischen Daten von Müntzer-Anhängern und von am Aufstand Beteiligten, soweit sie sich ermitteln ließen, zusammengestellt sind. Sie bestätigen u. a. eine von der gegenwärtigen Täuferforschung vielfach bestrittene engere Verbindung späterer Täuferführer mit Müntzer. Bedauerlich bleibt das Fehlen einer großen Übersichtskarte, die durch die mitgegebenen Ausschnittkarten nicht ersetzt werden kann. Was die Konzeption der vorliegenden Untersuchung betrifft, so wird man ihre marxistische Komponente nicht übersehen dürfen: die Übernahme des bekannten Periodisierungsschemas von der frühbürgerlichen Revolution, die selbstverständliche Voraussetzung vom „gesetzmäßigen Gang der Geschichte" in der Abfolge von Klassenkämpfen, wobei allerdings interessanterweise in den älteren Geschichtsperioden, für die dieser Zusammenhang besonders schwer erweislich ist, „eine historische Persönlichkeit (in diesem Fall: Thomas Müntzer) an die Stelle des Klassenhegemons treten kann" (S. 251), damit eng verknüpft die Konstruktion von historisch Möglichem und Notwendigem, die Müntzers Scheitern erklären, d. h. hier entschuldigen soll, schließlich die obligatorischen Verbeugungen vor den Klassikern des Marxismus-Leninismus. Dies hindert freilich den Vf. nicht, sich kritisch mit der gesamten bisherigen Müntzer-Literatur auseinanderzusetzen, die marxistische eingeschlossen (Smirin, Steinmetz u. a.). Auch die offensichtliche „Parteilichkeit" zugunsten Müntzers, die dem Reformator Luther und den Fürsten schwerlich Gerechtigkeit widerfahren läßt, ändert wenig daran, daß wir es hier mit einer eindringlichen und fruchtbaren Arbeit zu tun haben, deren Ergebnisse unsere Aufmerksamkeit und Beachtung verdienen. Zu diesen Ergebnissen möchte ich die schon von Hinrichs und Nipperdey vollzogene, von Bensing nun unter Anerkennung des religiösen Elements schärfer sozialökonomisch artikulierte Interpretation Müntzers zählen: Dieser war der „vom messianischen Sendungsbewußtsein erfüllte . . . religiös-philosophische Denker und der soziale Revolutionär, der im einfachen Volke den Willensvollstrecker des göttlichen Gesetzes in dieser Welt sah und deshalb in den sozialen und politischen Kämpfen seiner Zeit den ersten praktischen Schritt zum antizipierten Zustand menschlicher Freiheit und Gleichheit erblickte" (S. 249). Der letzte Teil des Satzes freilich dürfte nicht nur zweifelhaft sein, sondern auch die besondere Affinität dieser Art marxistischer Geschichtsinterpretation zum eschatologischen Denken Müntzers verdeutlichen, die Faszination verständlich machen, die von seiner Persönlichkeit auf jene seit Engels ausgegangen ist. Ohne Zweifel war Müntzer wenn nicht
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der alleinige Initiator des thüringischen Bauernkrieges, so doch der eigentliche Motor des Geschehens, ohne den es, darin wird man Günther Franz nach wie vor Recht geben müssen, einen Bauernkrieg in Thüringen nicht gegeben hätte. Zu den Ergebnissen Bensings gehört ferner der Nachweis von drei regelrechten Zentren der thüringischen Aufstandsbewegung, die von den Parteigängern Müntzers nicht nur in Mühlhausen und im Raum Frankenhausen/Allstedt, sondern auch im oberen Werratal geschaffen wurden. Auch die Darstellung, die der Vf. vom Verhalten Müntzers nach seiner Gefangennahme gibt, muß sorgfältig geprüft werden: sie macht einen Widerruf des revolutionären Theologen unwahrscheinlich und stellt statt dessen seinen Brief an die Mühlhäuser vom 17. Mai 1525 als sein politisches Testament heraus. Würzburg
Peter
Baumgart
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LAND SACHSEN
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in den ersten 11 Nachkriegs jähren berichtet hatte. In der Folgezeit haben sich die Konsolidierung und der weitere Aufbau dieses vom Kriege zumal in ihren Sonderbeständen sehr hart getroffenen Instituts kontinuierlich unter zielstrebiger Leitung fortgesetzt. Es beherbergt heute einen Druckschriftenbestand von mehr als 900000 bearbeiteten und titelmäßig erschlossenen Bd.en. Dessen Zusammensetzung zeigt einmal den natürlichen Sammelschwerpunkt der Bibliothek an — sächsische Landeskunde im weitesten Maße einschl. des Schrifttums der heutigen drei sächsischen Bezirke — und spiegelt zum anderen die wieder sehr sehenswerten und benutzungsfähigen Sondersammelgebiete (Kunst, Musik, Stenographie) und Sonderabteilungen (namentlich seien die Musik-, Karten- sowie die Handschriften- und Inkunabelabteilung genannt) wider. Gerade die so erfreuliche Bestandsvermehrung aber hat die räumliche Unzulänglichkeit der provisorischen Nachkriegsunterkunft der Bibliothek — einst konnte sie den wohl schönsten deutschen Bibliotheksbau ihr eigen nennen — erwiesen und einen Neubau dringlich gemacht. Seine Errichtung ist als die Hauptaufgabe des kommenden Jahrzehnts im Stadtzentrum vorgesehen. Uber das abgelaufene, das 2. Nachkriegsjahrzehnt aber und seine beachtlichen Fortschritte, wie sie hier nur angedeutet werden konnten, unterrichtet der vorliegende umsichtig zusammengestellte und redigierte, seiner genauen Zahlen wegen sehr informative Tätigkeits- und Erfolgsbericht. Er ist eine Gemeinschaftsarbeit von sechs der leitenden Bibliothekare des Hauses und verschweigt auch negative Seiten nicht, so die derzeit noch unzureichenden Möglichkeiten bei der Beschaffung westlicher Literatur. Einem allgemeinen Teil mit dem Bericht auch über die Hauptabteilungen (S. 14—55) durch den herausgebenden Direktor folgt die detaillierte Rechenschaftslegung der einzelnen, zumeist schon genannten Sondersammlungen (S. 57—96). Den 3. Teil bildet die von Ursula Stobbe bearbeitete „Bibliographie der Sächsischen Landesbibliothek 1956—1965" (S. 105—148). Sie verzeichnet in systematisch-klarer Anordnung, teilweise mit Besprechungen, ungefähr 325 Titel, darunter einige ungedruckte Arbeiten, nennt stets die betr. Standort-Nummer, ist so gut wie fehlerlos (die Rez.-Zusätze zu Nr. 2 und 3 gehören zu Nr. 1) und wird durch ein genaues Autoren-, Stich- und Schlagwortregister gut erschlossen. Am Anfang des Bd.es stehen grundsätzliche Betrachtungen Burgemeisters über „Die Funktionen der Sächsischen Landesbibliothek", am Schluß das dankenswerte Sach- und Personenregister. Von der periodischen „Sächsischen Bibliographie", deren Träger sinnvollerweise gleichfalls die Sächsische Landesbibliothek ist, ist ein weiterer Jahresbericht, der 5. in der seit 1962 erscheinenden Reihe, anzuzeigen (über die ersten drei Bd.e vgl. JGMOD 13/14, 1965, S. 603—605). Der Umfang ist, vor allem der nicht wenigen Nachträge wegen, auf über 2050 Nrn. angewachsen. Im übrigen hat sich Wesentliches an Stoffauswahl und -ausbau, bibliographischer Zuverlässigkeit und registermäßiger Erschließung nicht geändert, weshalb an dem früheren sehr positiven Gesamturteil festgehalten werden kann. (Weiter erschienene Bd.e gingen der Jb.-Redaktion nicht zu.) — Der verantwortliche Bearb. Joh. Jandt referiert in dem zuerst genannten 10-Jahresbericht zusammenfassend über die sehr vernünftigen „Aufnahmegrundsätze und [den] gegenwärtigen Bearbeitungsstand der Sächsischen Bibliographie" (Aus der Arbeit. . . S. 97—103). Die von ihm vorgebrachten Gesichtspunkte sind, ins Allgemeine gewendet, durchaus geeignet, auch anderen Regionalbibliographien als Leitschnur zu dienen.1 Berlin
Werner Schocbow
Vgl. ergänzend: Ders. u. Christian Alschner, Zu einigen Problemen der regionalen Bibliographie, in: Zentralbl. f. Bibl.wesen 79, 1965, S. 84—88. 1
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Sachsen. Hrsg. von Walter Schlesinger. — Stuttgart: Kröner 1965. LXX, 448 S., 9 Kt., 10 Stadtpläne = Handbuch d. Histor. Stätten Deutschlands, Bd. 8. DM 15,— . Das „Handbuch" hat sich längst vielfach bewährt und ist als Forschungshilfe durchaus anerkannt; einige Bd.e liegen bereits in Neuauflagen vor. Zusammen mit dem von K. H. Blaschke bearbeiteten Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen (1957) und seinen Vorläufern sowie ähnlich strukturierten aus benachbarten Bereichen, insbesondere auch der Kunstgeschichte, gehört der Bd. mit zum Instrumentarium einer in Methode und Sache weit ausholenden historischen Landeskunde, als deren Ergebnisse neu erarbeitete „Landesgeschichten" entstehen. Die Geschichte Thüringens (seit 1967) und die Geschichte von Brandenburg und Berlin (seit 1968) bilden dafür anschauliche Beispiele. Zum rechten Verständnis wird im Vorwort erläutert, was der Hrsg. unter „historischen Stätten" versteht. Er meint damit „Orte, an denen Geschichte lebendig geworden ist oder in denen sich geschichtliche Entwicklung niedergeschlagen hat oder wo Geschichte zum Ereignis wurde . . . daß eine lokale Geschichte, die jeder Ort aufweisen kann, noch keine .historische Stätte' prägt". In einem so weit auslegbaren Rahmen kann die Aufnahme des einzelnen Objekts nur nach strengen Kriterien erfolgen, wenn die Reihe jedem Anspruch möglichst gerecht werden will. Dies heißt konkret: Die jeweilige „Lokalgeschichte" muß auf ihre „historischen Elemente" überprüft werden, bevor die Bearbeiter den Katalog der „historischen Stätten" aufstellen können. In der Praxis wurde die „Landesgeschichte" von fachkundigen Kennern einzelner Bereiche nochmals sorgsam überprüft. Dabei zeigte sich, daß manche Ortsgeschichte im Sinne der „historischen Stätte" umgeschrieben werden mußte, wobei der jüngste Forschungsstand von der Methode und von der Sache her zu beachten war. Die Auswahl geschah, mit anderen Worten, also in mehreren „Arbeitsgängen", und es traten im Einzelfalle dabei Orte mit ins Blickfeld, die bei flüchtiger Betrachtung als sekundär beurteilt worden wären. Nun ist bei der Bearbeitung eines solchen Bd.es nicht zu erwarten, daß die Autoren sich streng in einer Richtung bewegen. Schon die Interessenschwerpunkte sind bekanntlich verschieden, und wir müssen deshalb mit individuellen Bildern rechnen, die sich freilich gemeinsam an einer im Forschungsstand begründeten allgemeinen Linie orientieren sollen. Ich finde, daß gerade diese Vielfalt anregsam wirkt. Die schwierigere Aufgabe fällt dabei dem Hrsg. zu, in dessen ordnender Hand alles liegt; denn von seiner Tätigkeit hängt ab, ob der Bd. — gerade in seiner Fülle — die historische Eigenart der Landschaft vermittelt. Hier bezeugt dies die umfangreiche „Geschichtliche Einführung" des Hrsg.s (W. Schlesinger), die in dieser Form die modernste Geschichte Sachsens bietet und umfangreiche Einzelstudien ihres Verfassers auswertet. Die Artikel des Hauptteils haben die Autoren ohne jedes Schema gestaltet, eine Voraussetzung, die Inhalt und Umfang wesentlich beeinflußt hat. In diesem Sinne hebe ich insbesondere die Beiträge über die Städte hervor und nenne vor anderen Leipzig (W. Emmerich j"), Meißen und Dresden (Blaschke), Freiberg (Schlesinger und Wolf). Für den wettinischen Bereich bedeutsam und im Unterschiede von anderen Typen wichtig bleiben hier vor allem die „Städtlein" und verwandte Formen, die sich oft auf alte Plätze zurückführen lassen. Als Beispiele nenne ich Colditz, Leisnig, Mutzschen und Roßwein. Sie sind sämtlich vom besten Kenner vornehmlich auch ihrer Verfassungsgeschichte, K. H. Blaschke, bearbeitet worden, der überhaupt am gesamten Bd. weitgehend mit beteiligt ist. Auch die Orte des Erzgebirges in seiner gesamten Ausdehnung sind zu erwähnen, weil sich in ihnen, faßt man sie im Uberblick zusammen, eine geschlossene Periode sächsischer Geschichte gleichsam monographisch spiegelt. Die landschaftliche Eigenart zeigt sich vor allem auch in einer Reihe von Artikeln, die nur für diesen Bd. gelten können, für andere nicht. So sind z. B. die Burgwardmittelpunkte mit aufgenommen, auch
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die wichtigen Gaue (Daleminzien, Neletici) kurz behandelt worden. Wichtig bleibt in diesem Sinne die Beschreibung besonderer „historischer Landschaften", die für die Geschichte gerade des obersächsischen Raumes kennzeichnend bleiben (Osterland, Oberlausitz, Pleißenland, Erzgebirge, Sächsische Schweiz). Zu beachten ist schließlich, daß die vielen Orten beigefügten vor- und frühgeschichtlichen Erläuterungen von einem der derzeit besten Sachkenner, W. Coblenz (Dresden), bearbeitet worden sind. Zum Thematischen gehören die Hilfsmittel. Den zahlreichen Wegen moderner landesgeschichtlicher Forschung entspricht das umfangreiche Literaturverzeichnis, das auch wichtige Zeitschriftenaufsätze enthält. Gut gezeichnete Stadtpläne im Text, das Wichtige klar ausweisende Übersichtskarten im Anhang sowie zuverlässig gearbeitete Register erschließen einen Bd., der eine ausgewogene wissenschaftliche Leistung darstellt. Berlin
Heinz Quirin
MERIAN, Matthäus: Topographia Germaniae. Obersachsen 1650. Faksimileausg. Mit e. Nachw. hrsg. von Lucas Heinrich Wüthrich. — Kassel, Basel: Bärenreiter 1964. 210 S. D M 6 7 , - . Heute sind die schönen Städtebilder, die die Merians, Vater und Söhne, einst für ihre Topographien schufen, aus ihrer Umgebung gelöst, seltener als Originale, häufiger als Nachdrucke, beliebter Zimmerschmuck für die verschiedenen Stufen unserer Wohlstandsgesellschaft geworden. Ursprünglich waren sie bekanntlich für andere Zwecke bestimmt. Die von den Söhnen des Matthäus Merian abgefaßte Dedicatio zur Topographia Saxoniae Superioris sagt klar, was die zeitgenössischen Benutzer von den Herausgebern erwarteten: ,,. . . Was die Utilität und Nutzbarkeit betrifft, ist zu gnügen wissend, daß diejenigen, so der Religion, Policey, Gesetz, Gewohnheit und Gebräuchen eines Königreichs oder Lands kündig seind, dahero den Verstand und civilem prudentiam kräftig schärpfen, auch diesem oder einem andern Lande desto besser mögen rahten und fürstehen . . . und dienen dieser und dergleichen Stücke fürnemlich einem Fürsten, Regenten, Obristen . . . Einem Kauf- oder Handelsmann ist aber diensamb, daß er sich erkundige des Lands . . . Wie auch hiezu die Erforschung des Lands selbsten . . . zu erwägen stehen. Hergegen ein Student hat hiervon diesen Nutz, daß er erkündige, was für berühmbte Gymnasia und Academien . . .das Land habe . . . " Die Ausführlichkeit des Zitats möge zudem der Hinweis auf den weiten Rahmen einer „Fachliteratur" rechtfertigen, deren Anfänge weit ins Mittelalter reichen und deren interessante Auffächerung Wege und Richtungen im Räume von Erziehung und Wissenschaft widerspiegeln: Auch diese „Landeskunden" gehören mit zur großen Gruppe der Werke, die in ihrer Zeit die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlugen. Hier liegt ein Arbeitsbereich, der, noch wenig beachtet, wissenschaftliche Durchdringung in vielerlei Hinsicht verdient. Die Biographie der Autoren bleibt dabei zwar interessant, tritt in solchem Zusammenhange aber doch zurück. Die Topographia Superioris Saxoniae, Thuringiae, Misniae, Lusatiae beschreibt, geographisch gesehen, den weiteren mitteldeutschen Raum etwa zwischen Ostharz, Fläming, Erzgebirge und Thüringer Wald, historisch den wettinischen Herrschaftsbereich, wie er sich nach der Leipziger Teilung (1485) ausgebildet hatte, dazu die Fürstentümer Anhalt, Reuß, Schwarzburg-Rudolstadt und die Grafschaft Mansfeld, um nur die wichtigeren zu nennen. Dem Nachdruck wurde die Erstausgabe (1650) zugrunde gelegt. Der umfangreiche Text, ein typisches Produkt seiner Zeit, ist eine Kompilation des aus der Steiermark stammenden, zuletzt in Ulm wirkenden Martin Zeiller. Der Verfasser lieferte, wie in solchen Fällen weithin üblich, eine „Arbeit auf Bestellung". Die den Vorlagen, d. h. meist den
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Reisewerken der Zeit, zu denen auch das 1640 erschienene und von ihm selbst verfaßte Itinerarium Germaniae gehört, entnommenen Stellen sind kaum bearbeitet und mit anderem Sekundärmaterial, etwa aus dem bekannten Theatrum Europaeum, das der ältere Merian 1643 herausgebracht hatte, und aus landschaftlich orientierten Beschreibungen, nur flüchtig verbunden. Dazu tritt ein bunter Strauß zufälliger Lesefrüchte, mit der die Landeskunde durchsetzt wird. So entsteht das für die Zeit so kennzeichnende literarische Bild, das, von der Anekdote zwar barockhaft überwuchert, im Grunde doch auffallend an den Stil der frühen Chronistik erinnert. Da Literatur verarbeitet wurde, die uns heute oft nicht mehr zugängig ist, wird der Historiker, auch wenn er vom geringen Wert des Textes überzeugt ist, doch hier und da einmal auf versteckte, unbekannte Nachrichten stoßen, die, überprüft, gelegentliche Lücken füllen können. Wie heute, so bildeten bereits seinerzeit die Kupferstiche, um die herum der Text geschrieben wurde, den Kern der Topographia Germaniae, aus deren Komplex wir hier nur einen Teil anzeigen. Sie sind von Matthäus Merian und seinem Sohne Caspar, der an diesem Bd. beteiligt war, ebenfalls nicht ad hoc geschaffen worden, sondern gehen auf Vorlagen zurück. Einige hatte der Vater bereits für sein Theatrum Europaeum auf die Platte gebracht. Andere, z. T. auch von ihm selbst radierte, sind, wie die Textteile, zeitgenössischen Werken entnommen und überarbeitet worden. Aus den Übernahmen erklären sich auch die verschiedenen Bildtypen, die von der Frontalansicht bis zur kartenähnlichen Aufsicht („aus der Vogelschau") gehen. Hier ist auf die „Pläne" von Freiberg, Görlitz und Leipzig besonders hinzuweisen. Aber es wurden auch Originalzeichnungen zugrunde gelegt. Für die Topographia Saxoniae Superioris ist dabei auf einen „Mitarbeiter" vor anderen hinzuweisen, der für die hier gebotene Spezies als einer der besten seiner Zeit gilt. Es ist der Oberlandbaumeister Wilhelm Dilich, der — im gleichen Jahre wie M. Merian der Ältere — 1650 in Dresden starb. Seine Ansichten kursächsischer Städte waren Vorarbeiten für die Durchführung seines Gedankens, den Festsaal des Schlosses zu Dresden mit Städtebildern ausschmücken zu lassen — auch dies im gewissen Sinne ein Zug der Zeit. Die von Dilich und seinen Gehilfen am Orte angefertigten Aufnahmen sind uns erhalten geblieben. Wahrscheinlich geht auch ein Teil der Grundrisse in Merians Werk auf Dilich zurück, der als Ingenieur und Geograph mit dem Festungsbau in Kursachsen intensiv befaßt war. Aufs Ganze gesehen ist der Genauigkeitsgrad der von ihm und seinen Mitarbeitern gezeichneten Aufnahmen anerkannt hoch. Damit ist für uns im Hinblick auf Merians Werk die interessante Frage gestellt. Lucas H. Wüthrich, der als Hrsg. des Nachdrucks mit Unterstützung durch W. Niemeyer das sorgfältig fundierte Nachwort geschrieben hat, weist mit Recht darauf hin, daß der Großteil der Überarbeitungen aus einer Hand, von Caspar Merian, stamme. Dies hatte, trotz der zu beobachtenden technischen Perfektion, zur Folge, daß eine Monotonie im Illustrativen entstand, die sich negativ auf die topographische Genauigkeit auswirkte. Wir haben also das gleiche Phänomen zu berücksichtigen, das wir z. B. bei BraunHogenberg feststellen, und können, soll Merian als Quelle dienen, unsere Vorstellung nur durch den Vergleich, auch im Rückgriff auf die Vorlagen sichern. Dagegen würde eine Analyse des genus auch im Rahmen der Zeit die Mühe lohnen. Berlin
Heinz Quirin
Das alte Sachsen. 30 Stahlstiche u. Lithographien d. 19. Jh.s. Texte u. hrsg. von Wolfgang Weidlich. - Frankfurt/M.: Weidlich 1968. 72 S. D M 2 8 , - . Es ist dem Rez. eine wahre Freude, diesen Bd. anzuzeigen. W. begnügt sich mit einigen knappen Sätzen im Vorwort und mit ebenso präzisen, kurz informierenden Texten zu den 32
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Bildern. Als Einleitung dient eine Passage aus der „Culturgeschichtlichen Zeitschrift" „Sachsengrün" Nr. 20 des Jahrganges 1861, die in einer Retrospektive auf die 30er Jahre des Jh.s heute geschrieben sein könnte. Ihr beigegeben sind die Titelblätter der drei Werke „Sachsen" von Albert Schiffner, Dresden 1855, „Das Königreich Sachsen, Thüringen und Anhalt in Originalansichten" von Ludwig Rohbock und C. Koehler, Darmstadt 1862, und „Saxonia, Museum für sächsische Vaterlands künde" von Eduard Sommer, Dresden 1835, denen die Bilder des vorliegenden Bd.es entnommen sind. Eine ausgezeichnete Idee. Die Bilder selbst, hervorragend in der Wiedergabe, geschickt in der Auswahl, geben einen lebendigen Eindruck Sachsens im Ubergang vom Biedermeier zum Industriezeitalter. An sich ist es ungerecht, einzelne Bilder herauszuheben; trotzdem soll hingewiesen werden auf solche Kleinodien wie die Bilder der Sächsischen Schweiz, von Bad Schandau, von Kohren, Würzen oder Nossen. Berlin
Richard
Dietrich
SIEBER, Helmut: Unvergessenes Sachsen. Eine Erinnerung. Ein Bildband d. Heimat mit 96 Fotogr. 3. Aufl. — Frankfurt/M.: Weidlich 1964. 120 S. = Deutschland im Bild, Bd. 1. DM 21,50. Die kulturgeschichtliche Einleitung Siebers informiert gründlich und sachlich, wenn auch im Ton leider etwas betulich, über alles Wissenswerte aus der Kulturgeschichte Sachsens. Die Reproduktion der Bilder ist, wie bei diesem Verlag nicht anders zu erwarten, ausgezeichnet. Über die Auswahl läßt sich natürlich streiten; Bekanntes, Altbekanntes, nur zu Bekanntes steht neben seltenen Aufnahmen, für die man dankbar ist. Gesamtaufnahmen sind in ihrer Aussagekraft meist fragwürdig, so hier etwa die von Crimmitschau, Klingenthal, Plauen, Roßwein oder Waldheim. Sie mögen ebenso Gemütswert haben wie Aufnahmen von den Kurhäusern in Bad Elster oder Oberschlema, wie anscheinend auch die unumgänglichen Spitzenklöpplerinnen und Kettelwirkerinnen, die Reisigfrau und der Töpfer, die wendischen Frauen in Trachten vor der Kirche oder die Meißener Porzellanvase. Um von diesem einen Eindruck zu geben, ist es zu wenig. Aber noch mehr davon? Dann lieber in einem eigenen Bd. und hier in diesem mehr charakteristische Bilder von Landschaft und Kunst, von denen man sich doch manche sehr gewünscht hätte. Berlin
Richard
Dietrich
BLASCH KE, Karlheinz: Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. - Weimar: Böhlau 1967. 244 S., 43 Abb. u. Kt. DM 37,50. Endlich, ist man versucht zu sagen, eine Bevölkerungsgeschichte Sachsens. Blaschke kann sich in seiner verdienstvollen Publikation auf hervorragende Gelehrte und Forscher zur sächsischen Geschichte berufen, die ihm das Rüstzeug für seine ebenso in die Tiefe wie in die Breite gehenden Forschungen gegeben haben. Rudolf Kötzschke, Ludwig Erich Schmitt, Hellmut Kretzschmar und Walter Schlesinger, daneben auch seine Freunde Oskar August und Rudolf Forberger — wahrlich keine schlechten Paten, und er hat ihnen alle Ehre gemacht. Der 1962 von der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig als Habilitationsschrift angenommenen, seither bearbeiteten und ergänzten Arbeit ist eine die Aufgabe abgrenzende Einleitung sowie eine Literaturübersicht vorangestellt. Sie beansprucht zwar keine Vollständigkeit und erfüllt in dieser Begrenzung durchaus ihren Zweck der Information, doch
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vermißt man immerhin einige Titel, die wohl beachtenswert gewesen wären, so z. B. Ernst Krokers „Leipzig und die sächsischen Bergwerke", wo ganz nebenbei einige Aufschlüsse auch zu diesem Thema abfallen, oder Knauths Berechnungen für Freiberg (NASG 36,1915). Ein 1. Teil der Untersuchung gibt Rechenschaft über Quellen und Methode (S. 23—62). Ausgangspunkt ist geographisch das Königreich bzw. Land Sachsen in seinen Grenzen bis 1945 zuzüglich der ihm nach 1945 zugeschlagenen Oberlausitzer Kreise Görlitz, Hoyerswerda und Rothenburg. Ausgangspunkt der statistischen Betrachtungen ist die Vergleichbarkeit der Bezugspunkte, wobei es darauf ankommt, die modernen Personenzählungen in Beziehung zu setzen zu den früheren „Gruppen-Aufnahmen". Das bedeutet in der Tat eine Schwierigkeit, da vor 1834 höchstens annähernde und seit 1755 vorliegende „KonsumentenKonsignationen" diesen Anforderungen entsprechen, noch nicht aber die Zürnerschen geographisch-statistischen Tabellen vom Anfang des 18. Jh.s und die bevölkerungsstatistischen Erhebungen auf Grund des Generale vom 7. Dezember 1700. B. hat sich deshalb dafür entschieden, für die frühere Zeit, abgesehen von den reinen Schätzungen für 1300, die Bevölkerungsziffer nach den Steuerregistern sowie nach den Behausungsziffern zu errechnen, für die er für die jeweiligen Querschnittjahre 1550 und 1750 auf der Basis von 1834 Multiplikationsfaktoren errechnet. B. betont mehrfach, daß auch diese Methode mit starken Unsicherheitsfaktoren belastet ist; immerhin ist es erstaunlich, zu welch exakten Ergebnissen er damit glaubt kommen zu können. Mir ist dabei, offen gestanden, nicht ganz wohl. Ich gebe zu, daß seine Argumente gegen die Verwendung der Kommunikantenzahlen (S. 30/31) auf den ersten Blick durchschlagend sind. Meine Bedenken richten sich dabei jedoch gegen die gewählten Beispiele: für ganz Kursachsen 1755—60, für den Konsistorialbezirk Glauchau für die Jahre 1753—71. Das starke Schwanken der Kommunikantenzahlen macht diese allerdings unbrauchbar. Doch es handelt sich hier um das 18. Jh., die verfeinerte Anwendung dieser Methode auf das 16. Jh. bei Knauth für Freiberg scheint mir denn doch nicht so ganz unbrauchbar zu sein. Allerdings differieren B.s Ergebnisse (1550 7389 Einwohner in Freiberg) ganz erheblich von denen Knauths, der für 1474 auf etwa 5000, für 1533 auf etwa 11000 und für 1540 auf etwa 14000 Einwohner kommt. Kroker kommt mit anderen Methoden zu etwa den gleichen Ergebnissen für Freiberg und berechnet für Leipzig 1474 ebenfalls etwa 5000, 1533 aber etwa 1 4 - 1 5 0 0 0 Einwohner, während B. für 1550 nur auf 8481 kommt. Richter hat für Dresden einschließlich Altendresden für 1546 rd. 6500 Einwohner errechnet, während B. für 1550 auf 7693 kommt. Hier würde ich also doch leise Zweifel anmelden und dafür halten, daß man sich über mehrere Jahrhunderte hinweg nicht nur auf eine einzige Methode festlegen sollte. Doch rühren diese Bedenken nicht an den Kern der Leistung. Statistische Angaben sind für B. wohl mehr ein Nebenergebnis einer Arbeit, die in ihren Zielen viel weiter greift. Der 2. Teil (S. 63—227) „Ergebnisse" untersucht im einzelnen zunächst Wachstum und Verbreitung der Bevölkerung und sodann die entscheidenden Einflüsse auf die Bevölkerungsbewegung (S. 63ff., HOff.). Im Kapitel über die Bevölkerung der Städte (S. 130ff.) und der Dörfer (S. 142ff.) werden jeweils der Begriff der Stadt und des Dorfes, Größe der Städte und ihre soziale Differenzierung, Dichte und Dynamik der Dorfbevölkerung, Vermögensdifferenzierung und die Entwicklung der Landgemeinde untersucht. Ein Kapitel über das Verhältnis von Stadt- und Dorfbevölkerung (S. 159ff.) analysiert dann diese Probleme nach Gesichtspunkten wie Arbeitsteilung und Ausgleich der wirtschaftlichen Gegensätze, Anteil der Stadtbevölkerung (1750 höher als 1843!), Stadt-Land-Beziehungen und unterschiedliche Fruchtbarkeit. Umfangreiche Betrachtungen gelten ferner den Problemen der sozialen Gliederung der Bevölkerung (S. 174 ff.) nach Freien und Unfreien, Sorben (denen noch ein eigenes Kapitel „Die sorbische Bevölkerung", S. 204ff., gewidmet ist), Ansässigen, städtischer 32»
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Bevölkerung, Bauern, Gärtnern, Häuslern und Inwohnern und der Entwicklung dieser einzelnen Gruppen seit 1300 sowie (S. 196ff.) der Gliederung nach Alter und Geschlecht (Anteil der Altersstufen und Geschlechter, Gebürtigkeit). Nach einer kurzen Analyse der Konfessionsverhältnisse (S. 217ff.) schließt B. mit einer Schlußbetrachtung ab. Fragt man nach dem wichtigsten Ergebnis seiner Untersuchungen, die ihrerseits das zahlreicher Einzelforschungen des Vf.s sind, so ist es wohl darin zu sehen, daß die Entwicklung des Landes vom agrarischen zum gewerblich-industriellen Bereich hin seit dem späten Mittelalter sich in Sachsen keineswegs auf die Städte beschränkt hat, sondern daß die Dörfer an ihr einen hervorragenden Anteil gehabt haben, auch was die soziale Differenzierung ihrer Bevölkerung anlangt, und daß dies in erster Linie wiederum für die Gebirge gilt. Alles in allem eine Arbeit, die höchster Beachtung wert ist. Berlin
Richard
Dietrich
HEITZ, Gerhard: Ländliche Leinenproduktion in Sachsen 1470—1555. — Berlin: Akademie-Verl. 1961. 119 S. = Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Schriften d. Inst. f. Geschichte, Reihe 2: Landesgeschichte, Bd. 4. DM 14,—. Die Arbeit ist die erweiterte Fassung einer 1953 abgeschlossenen Leipziger Diss. aus der Schule von Sproemberg. An ihrer Weiterführung haben Hellmut Kretzschmar und Jürgen Kuczinski offensichtlich erheblichen Anteil genommen. Sehr stark geprägt ist sie von der Arbeit des von Kuczinski ins Leben gerufenen Forschungsseminars mit den dort entwickelten „Methoden kollektiver Arbeit und kameradschaftlicher Hilfe . . ., wie sie heute für die sozialistische Gemeinschaftsarbeit vieler Historiker typisch geworden (ist) und zur Bildung zahlreicher Arbeitsgemeinschaften" geführt hat (S. 5). Gegen diese Methode können berechtigte Bedenken angemeldet werden, doch überwiegt nach dem Eindruck des Rez. noch die individuelle Arbeit, wie sie offensichtlich für die Untersuchungen der ersten Fassung noch geleistet worden ist. Ein umfassendes Literaturverzeichnis, dessen wichtigste Titel in ihrer Relevanz für das Thema in der Einleitung sicher charakterisiert werden, gibt Aufschluß über die umfangreiche vom Vf. benutzte Literatur, von der er allerdings sagte, daß „im ganzen . . . die Ausbeute gering" gewesen sei und „in keinem Verhältnis zum Umfang der durchgesehenen Literatur" gestanden habe (S. 9). Vf. setzt ein mit der ländlichen Leinenproduktion vor dem Zeitalter der Zunftkämpfe und den Beziehungen zwischen Stadt und Land sowie den Folgen der beginnenden Zunftkämpfe. Im einzelnen untersucht er die Entwicklung der ländlichen Leinenproduktion im Berichtszeitraum, sodann die Produktionsverhältnisse und schließlich den Kampf zwischen Stadt und Land. Als Quellen dienen ihm dabei die Beschwerdeakten der Leineweberzünfte bzw. der Stadträte gegen die ländliche Leinenproduktion, die Landsteuerregister und die Amtserbbücher des 16. Jh.s. Im ganzen stellt die Arbeit eine Fortführung der Untersuchungen von Aubin und Kunze dar. Das Ergebnis ist, daß das ländliche Gewerbe schon am Ende des 15. Jh.s eine starke Stellung besaß (Konzession einer bestimmten Anzahl von Webern je nach Größe des Dorfes, die aber häufig nicht unerheblich überschritten wurde), die immerhin schon so stark war, daß eine Emanzipation des Landhandwerkes nicht aussichtslos war, aber wiederum nicht stark genug, um sich gegen den Widerstand des städtisch-zünftlerischen Handwerks durchzusetzen. Jedoch entwickelten sich damals Ansätze zur Zusammenarbeit in der Form von verlagsähnlichen Verbindungen zwischen städtischem, meist oberdeutschem, Handelskapital und Dorfweberei. Berlin
Richard
Dietrich
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Kunst des Mittelalters in Sachsen. Festschrift Wolf Schubert. Dargebracht z. 60. Geburtstag am 28. Januar 1963. Herausgabe u. Redaktion: Elisabeth Hütter, Fritz Löffler, Heinrich Magirius. — Weimar: Böhlau 1967. 343 S. m. 20 Abb., 124 Taf., 7 Klapptaf., 1 Beilage, 4°. DM 7 4 , - . Wenn schon das Thema der Kunstgeschichte in Festschriften in vielfacher Hinsicht Interesse verdient (in der Festschrift für Johannes Jahn, Leipzig 1958, ist ihm ein Beitrag gewidmet), so ist der hier angezeigte Bd. nicht allein in der Auswahl der dem Jubilar gewidmeten Aufsätze bemerkenswert, sondern durch die Tatsache, daß ein Kreis internationaler Wissenschaftler, Kollegen aus Ost und West, ihre Arbeiten einem gleichermaßen anerkannten und verdienstvollen Manne gewidmet haben. Es ist darin eine Verbundenheit zum Ausdruck gebracht, die über die persönliche Beziehung und Achtung hinaus im fachlichen Zusammenwirken beispielhaft sein kann. Verdienste und Leistung von Wolf Schubert als Kunsthistoriker und Denkmalpfleger würdigt in einleitenden Worten Wolfgang Stier. Vor allem in seiner denkmalpflegerischen Tätigkeit entwickelte Schubert durch persönliche Initiative und Verantwortungsbewußtsein einen Arbeitsstil, der vorbildlich über seinen Bereich hinaus wirkte. So ist es folgerichtig, wenn an den Anfang des Bd.es Beiträge gesetzt sind, die sich mit grundsätzlichen Fragen der Denkmalpflege und spezifischen Problemen der Baugeschichte in Schuberts Hauptwirkungsgebiet zwischen Harz und Elbe auseinandersetzen. Methodische Richtlinien, wie sie in den theoretischen Erörterungen vorgetragen werden, finden ihre Bestätigung und Ergänzung in den Arbeiten über denkmalpflegerische Tätigkeit und Wiederherstellung an romanischen Kirchen und Klosteranlagen sowie in speziellen baugeschichtlichen Untersuchungen und Forschungsberichten. In vorzüglicher Berichterstattung archäologischer Befunde, ihrer kenntnisreichen Interpretation und verantwortungsbewußter Restaurierung klingt deutlich der Wandel gegenüber der historisierenden Auffassung der Denkmalpflege des 19. Jh.s an, deren Ziel die Wiederherstellung des jeweils „ursprünglichen Aussehens" war, dem entwicklungsgeschichtlich Gewachsenes und Zutaten späterer Jahrhunderte weichen mußten. Ein neues Verhältnis zum „Original", das historisch adäquat und nicht historisierend eingestellt ist, bestimmt heute Wiederaufbau und Instandsetzung. Dieses gewandelte Verhältnis gegenüber den Denkmälern, „die als Schöpfungen der Kunst und als Geschöpfe der Historie ihr individuelles Leben haben und eigenen Gesetzen unterliegen" (Schubert), wird nicht nur in den denkmalpflegerischen Berichten, sondern auch in den baugeschichtlichen Untersuchungen deutlich. Es kann hier auf Grund der Vielseitigkeit der Themen von der Romanik bis zur Gotik nicht auf einzelne Beiträge eingegangen werden; doch ist in summa die vorbildliche Methodik und Darstellung hervorzuheben, die teils durch detaillierte Planzeichnungen ergänzt wird. Die Aufsätze bieten Einblick in die geleistete denkmalpflegerische und architekturgeschichtliche Arbeit in Mitteldeutschland, die bemerkenswerte Ergebnisse vorzuweisen hat. Am Beginn des 2. Teiles der Festschrift, dem Beiträge aus verschiedenen Bereichen der Kunstgeschichte zugeordnet sind, stehen sinnvoll die „Studien zur Goldenen Pforte am Dom in Freiberg" von Elisabeth Hütter und Heinrich Magirius. In der Verknüpfung von Problemen der Architektur und Skulptur steht die Freiberger Marienkirche im zentralen Interesse mittelalterlicher Kunstgeschichtsforschung seit einem Jahrhundert. Die Wiederherstellung der Kirche und ihre vollständige Restaurierung (1958—1965) erlaubten genaueste Untersuchungen am Bau und an der Plastik, die zahlreiche Spuren ehemaliger Fassung noch erkennen läßt.
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In drei Abschnitten werden die mit bewundernswerter Genauigkeit durchgeführten Untersuchungen und die komplizierte Forschungsgeschichte vorgetragen, durch eine Serie von Planzeichnungen erläutert. Aus der Bauanalyse ist die Rekonstruktion der Goldenen Pforte als ursprüngliches Westportal der Kirche gewonnen, die Analyse der Bildelemente erweist ihren Inhalt inspiriert vom theologischen Gedankengut der Zisterzienser in Ostdeutschland, als deren bedeutender Vertreter Abt Ludeger von Altzella auf das ikonographische Programm eingewirkt haben könnte. Die marianische Thematik — es handelt sich um das Hauptportal einer Marienkirche — ist in höchst bedeutsamer Weise in der Farbgebung beachtet (vgl. Beilage im Rückdeckel des Bd.es). Im Zusammenhang von Ort, Inhalt und künstlerischer Ausführung erweist sich die Goldene Pforte als ein wichtiges Zeugnis zisterziensischen Geistes im östlichen Missionsgebiet des Ordens. Wie wesentlich die Kenntnis über farbige Fassungen mittelalterlicher Skulpturen ist, beweisen die Arbeit über „Die Triumphkreuzgruppe im Dom zu Halberstadt" (Beobachtungen bei der Instandsetzung von Konrad Riemann) und die „Studien zur Fassung romanischer Skulpturen", in denen Johannes Taubert an ausgewählten Beispielen eine neue Definition des Verhältnisses zwischen plastischer Form und Farbgebung zu geben sucht. Es zeigen sich in der Praxis häufig die nahezu unlösbaren Schwierigkeiten, vor die Restaurator und Kunsthistoriker gestellt sind. So muß dankbar jede Aussage begrüßt werden, die aus Erfahrung zur Lösung weiterer Fragen beiträgt. Das darf auch für den Beitrag von Mojnir Hamsil zur „Technik der böhmischen Tafelmalerei des 14. Jh.s" gelten. Mit Hilfe moderner Untersuchungsmethoden können entscheidende Kriterien zur Beurteilung und richtigen Zuweisung einer Reihe böhmischer Tafelbilder gewonnen sowie Kennzeichen für die Malweise einzelner Künstler gegeben werden. Nicht allein als Denkmal bemerkenswert, sondern auch interessant durch eine mit ihm verbundene literarische Fälschung ist das Standbild des Wettiners Dietrich, genannt Diezmann, aus der Leipziger Universitätskirche (heute befindet es sich vermutlich im Museum). Maria Heidenreich identifiziert in ihrem Aufsatz die Zusammenhänge von Statue und Inschrifttafel, die nurmehr in einer redigierten Kopie aus der Zeit um 1700 erhalten ist. Aus dem reichen und leider noch wenig bearbeiteten Bestand des Halberstädter Domschatzes publiziert Rudolf Wesenberg einen kleinen Holzkruzifixus, vielleicht ehemals ein Pektorale, den er zutreffend dem Meister der Holztüren von St. Maria im Kapitol in Köln zuschreibt. Er könnte ein Geschenk des Erzbischofs Anno von Köln an seinen Bruder Burchard (Bucco II.), Bischof von Halberstadt, zu dessen Inthronisation im Jahre 1059 gewesen sein. Weit bekannter, jedoch häufig mißverständlich beurteilt sind die Bildteppiche des Domes in Halberstadt. In einer ikonographischen und stilkritischen Untersuchung benennt Leonie von Wilckens den sog. Abrahams-Teppich als Michaels-Teppich, den sie um die Mitte des 12. Jh.s datiert und hypothetisch als Gegenstück zu einem (zu rekonstruierenden) GabrielsTeppich als Schmuck der Erzengelkapelle des Westwerks denkt. Dagegen vertritt der Apostelteppich eine fortgeschrittenere Stilstufe und kann nach Vergleich mit Halberstädter Buchmalerei (Bibel aus Hamersleben) etwa 1170 — 1175 entstanden sein. Seine Größe und Thematik bestimmten ihn wahrscheinlich noch für die Chorschranken des ottonischen Domes. Sehr bedeutende Zeugnisse früher Glasmalerei sind die beiden romanischen Rundscheiben in Paretz, deren Herkunft und Ursprung Karl-Joachim Maercker in seinem Beitrag zu klären versucht. Durchaus überzeugend wird die Ähnlichkeit mit den Miniaturen des Branden-
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burger Evangelistars betont und die Möglichkeit der Entstehung in Magdeburg mit verschiedenen Argumenten angedeutet. Von zwei weiteren Beiträgen zu Themen der Glasmalerei ist der eine von Eva FrodlKraft Fragen kompositioneller Ordnung gewidmet, während der zweite von Louis Grodecki ikonographische Fragen behandelt. Grodecki stützt sich in seiner Arbeit über die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht auf grundlegende Aussagen zu diesem Themenkreis von Ursula und Gottfried Frenzel (Festschrift für Peter Metz, Berlin 1965, S. 224ff.) und erweitert die Reihe der Beispiele durch Hinweis auf Modifikationen an Glasfenstern in der Kirche von Walburg und in der Kathedrale von Angers. Besonders für Angers ergeben sich außerordentlich interessante ikonographische Probleme, da hier die endzeitlichen Darstellungen zusammen mit den Monatsarbeiten auftreten. Wenn in diesem Überblick nicht alle Beiträge der Festschrift namentlich genannt sind, muß betont werden, daß die Auswahl keine wertende ist. Vielmehr soll noch einmal die schon vorher erwähnte vorbildliche Wahl und Darstellung der Arbeiten hervorgehoben werden, die bis in die sorgfältige Zusammenstellung des Bd.es spürbar ist. Den Herausgebern und dem Verlag gebührt Dank dafür. Berlin
Frauke Steenbock
DEHIO, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Die Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig. Bearb. von d. Arbeitsstelle f. Kunstgeschichte bei d. Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin. — München, Berlin: Dt. Kunstverl. 1965. 470 S. mit Abb. DM 1 7 , - . Das mit dem Namen des Begründers, Georg Dehio, verbundene „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler" ist seit mehr als 60 Jahren in seinem Rang als Kunstführer und als wissenschaftliches Nachschlagewerk unbestritten. In zahlreichen Auflagen wurden seine Bd.e ständig berichtigt und nach dem neuesten Stand der Forschung ergänzt. Eine wesentliche Änderung in der Gliederung der Bezirke und Anordnung des Materials erfolgte, als Ernst Gall die Neubearbeitung des Dehio übernahm. Die alphabetische Folge der Orte in den älteren Ausgaben wurde zugunsten einer kulturgeographischen Anordnung aufgegeben. Den Hauptorten wurde eine historische Einführung vorangestellt, um die Einzelbeschreibungen sinnvoll in das geschichtliche Gesamtbild einzubetten. Teilkarten und Grundrißzeichnungen erleichterten die Orientierung. Die von Dehio und Gall erarbeiteten Richtlinien bilden die Grundlage für die nach dem letzten Krieg begonnene vollständig neue Bearbeitung des Handbuches, die durch einschneidende Veränderungen im Bestand der Denkmäler und durch vielfach neu gewonnene Forschungsergebnisse notwendig geworden ist. Auch diese neue Folge wird — wie schon die älteren Bd.e — vom Deutschen Kunstverlag betreut, ein Unternehmen, das durch die Teilung Deutschlands wahrlich nicht einfacher wird. In Mitteldeutschland hat die „Arbeitsstelle für Kunstgeschichte bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin" unter der Leitung des verdienstvollen Edgar Lehmann die Neubearbeitung in Händen. In Abstimmung mit der „Vereinigung zur Herausgabe des Dehio-Handbuches" (Sitz in Münster/ Westfalen) folgt die Anordnung des 1. vorgelegten Bd.es: Die Bezirke Dresden, KarlMarx-Stadt, Leipzig wieder der alten Dehio-Ausgabe in der alphabetischen Folge der Orte. Diese Entscheidung ist sicher richtig und dem Handbuch-Charakter gemäß. Beibehalten ist die von Ernst Gall angeregte historisch-topographische Einleitung vor den Städten sowie das Einfügen von Plänen und Grundrissen, die eine wertvolle Ergänzung zum Verständnis der Denkmäler-Beschreibungen bilden. Diese sind in der bewährten knappen Form ab-
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gefaßt — mit Hinweis auf den amtlichen Inventarband und unter Berücksichtigung der neuesten Forschung. Auch einige nicht erhaltene Denkmäler sind aufgenommen; ihre Beschreibung ist in eckige Klammern gesetzt. Daß diese Zeichen nun auch für die Universitätskirche (ehem. Pauliner-Kirche) in Leipzig gelten, konnten die Bearb. beim Erscheinen des Bd.es noch nicht wissen. Gegen alle Proteste wurde die Kirche „im Zuge der städtischen Neuplanung" gesprengt. Es ist nur zu hoffen, daß andere gefährdete Bau- und Kunstdenkmäler vor der Zerstörung bewahrt bleiben und ihre Erhaltung „zur selbstverständlichen Pflicht" wird, wie es in seinem Geleitwort zu diesem Bd. Ludwig Deiters ausspricht. Berlin
Frauke Steenbock
SCHÖNE, Johannes: Kirchfahrt durch Sachsen. Bericht u. Bilder aus Geschichte u. Gegenwart d. Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. 2. Aufl. — Berlin: Evangel. Verlagsanstalt 1967. 137 S. mit 67 Abb. DM 6,70. Auf einer Fahrt durch die Kirchenprovinz Sachsen werden Geschichte und Gegenwart, Aufgaben und Tätigkeit der Landeskirche Sachsen erläutert. Der weitgespannte Bereich landeskirchlicher Arbeit in Verwaltung und Gemeinde wird anschaulich in den Stationen dieser Rundreise, die von Dresden elbaufwärts in die Lausitz, über Meißen und Freiberg in das Erzgebirge und weiter über Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) nach Leipzig führt. Traditionsreiche Stätten geistlichen und geistigen Lebens bilden noch heute Zentren der Kirche, und man versucht zu bewahren und zu fördern, wo es der heutige Status der Landeskirche und die tätige Hilfe der Gemeindemitglieder ermöglichen. Das Schicksal der Kirche, ihrer Bauten und Institutionen im Dienste am Menschen ist seit ihrer Frühzeit, als Sachsen noch das weit in den Osten vorgeschobene Missionsland war, über die Jahrhunderte stets verknüpft gewesen mit der Geschichte und dem politischen Geschick des Landes. Aus dieser Sicht gewinnt die Darstellung Akzente, die es berechtigt erscheinen lassen, das Büchlein hier anzuzeigen. Berlin
Frauke Steenbock
SEIBICKE, Wilfried: Beiträge zur Mundartkunde des Nordobersächsischen (östlich der Elbe). - Köln, Graz: Böhlau 1967. VIII, 133 S„ 10 Bl. Ktn. = Mitteidt. Forschungen, 53. DM 26,—. Nördlich des Obersächsischen erstreckt sich zwischen etwa der untersten Saale im Westen und der untersten Netze im Osten und etwa ab der Linie Wettin/Saale—Landsberg—Eilenburg/Mulde—Belgern/Elbe—Liebenwerda/Elster—Ruhland und östlich des wendischen Gebietes ab Pforten— Sternberg— Schermeisel— Schwerin/Warthe ein in der Hauptsache mitteldeutsch geprägtes Sprachgebiet, dessen Osten ab Neiße und Oder seit 1945 dem Deutschen verloren ist. Es war ursprünglich niederdeutsches Kolonisierungsgebiet bzw. im Bereich der Niederlausitz wendisches Sprachgebiet, das im Laufe des Spätmittelalters bzw. der Neuzeit zum Mitteldeutschen übergewechselt ist. Ehe im Bereich der nördlicheren machenlmaken-Linie heute das Niederdeutsche vollständig einsetzt, schiebt sich ab der südlicheren ichjik-Linie noch ein ausgesprochenes mitteldeutsch/niederdeutsches Mischgebiet dazwischen, das z. B. im Lautstand ursprünglichen niederdeutschen Vokalismus und geneuerten hochdeutschen Konsonantismus aufweist. Der mitteldeutsche Sprachraum zwischen der obersächsischen Nordgrenze und der ichj ik-Linie muß in diesem größeren Gesamtrahmen gesehen werden und nimmt eine eigen-
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tümliche Sonderstellung ein. Bereits Bremer versuchte 1892 diesem Zustand mit der Annahme eines eigenen, als Norddeutsch bezeichneten Sprachraumes Rechnung zu tragen. Mitzka wollte 1943 in diesem von ihm Nordobersächsisch genannten Sprachraum zwar einen selbständigen mitteldeutschen Dialekt erkennen, versuchte aber gleichzeitig in der Namengebung den Zusammenhang mit dem Obersächsischen anzudeuten. 1957 verzichtete Mitzka wieder auf Eigenstellung und Namen und rechnete den gesamten Bereich als Osterländisch und Südmärkisch gänzlich zum Obersächsischen. Seibicke vermengt nun beide Beurteilungen Mitzkas, indem er diesen Sprachraum Nordobersächsisch nennt und ihn als Teilgebiet in das Obersächsische einbezieht. Schon diese Unsicherheit in Zuweisung und Beurteilung vermag die dringende Notwendigkeit einer Einzel- und Gesamtuntersuchung zu verdeutlichen. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß sich die Universität Leipzig ( F r i n g s , Grosse) seit der Mitte der 50er Jahre im Anschluß an die Untersuchungen von Bischoff und Schönfeld westlich der Elbe und die wortgeographischen Studien Kiesers östlich der Elbe die genaue Erforschung dieses Raumes zur Aufgabe gestellt hat, so daß in absehbarer Zukunft mehrere diesbezügliche Publikationen zu erwarten sind. Teil dieses Programmes war auch die nun vorgelegte Dialektstudie Seibickes im Gebiet beiderseits der Schwarzen Elster zwischen Elsterwerda und Herzberg und von Strehla—Torgau/Elbe bis Finsterwalde, die wegen des Abganges Seibickes von Leipzig im dialektgeographischen Teil Fragment bleiben mußte. Der wegen des Fehlens von Untersuchungen publizierte Torso beruht auf einer Leipziger Staatsexamensarbeit von 1956 und umfaßt im umfänglicheren 1. und 2. Teil nach kurzer historischer Einleitung eine ausführliche Ortsgrammatik (Laut- und Formenlehre) von Friedersdorf, Gruhno und Rückersdorf südlich von Dobrilugk-Kirchhain und im kürzeren 3. Teil Materialien zu einer Dialektgeographie. Das Material wurde in den Jahren 1954/55 bei der ältesten Generation aufgenommen, um in dem heute mundartlich zugunsten der Umgangssprache völlig zusammenbrechenden Gebiet noch einigermaßen die ursprünglichen Sprachverhältnisse ermitteln zu können. Von den geplanten 150 Aufnahmeorten konnten bloß 79 abgefragt werden, wobei es leider nicht überall möglich war, die vollständige Abfragung des Fragebuches durchzuführen. Gerade in einem so spezifischen Gebiet mit einst niederdeutschem Dialekt, der allgemein als Elbostfälisch in südöstlicher Fortsetzung aus der Magdeburger Gegend angenommen wird, der aber gleichzeitig mit niederfränkischem Sprachgut aus dem nördlich anschließenden Brandenburgischen vermengt war, und heute mitteldeutschem Dialekt obersächsischer Herkunft scheint mir die Gestaltung des Fragebuches besonders wichtig zu sein. Es hat nämlich die doppelte Aufgabe, einerseits die Struktur des heutigen mitteldeutschen Dialektes zu erkunden und andererseits die beibehaltenen Erscheinungen des ursprünglichen niederdeutschen Dialektes freizulegen. Wie die Erfahrung lehrt, vollzieht der alltägliche Verkehrswortschatz schneller den Wechsel als der verkehrsferne Hauswortschatz des bäuerlichen Lebens. Prüft man nun den abgefragten Wortschatz, so stellt man fest, daß das Fragebuch Seibickes, das sich an Bischoff, Schönfeldt, Kieser und Teuchert hält, größtenteils die erste Gruppe berücksichtigt und nur geringfügig die zweite heranzieht. Bei geänderter Fragestellung dürfte sich möglicherweise die Anzahl an Reliktwörtern und -lautungen erheblich vergrößern und dadurch die Möglichkeit der sprachhistorischen Erschließung dieses Raumes verbessern. Die Ortsgrammatik ist nach traditionellem Schema mit alphabetischer Abfolge in der Vokalbehandlung und artikulationsbedingter Konsonantenanordnung aufgebaut. Eine solche unsystematische Stoffdarbietung müßte im Zeitalter des Strukturalismus eigentlich schon als überholt gelten, weil sie den Zugang zur Erfassung der Sprache als eines geordneten und systemgebundenen Gebildes erschwert. Die doppelte Ausgangsbasis Mittelhoch-
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deutsch — Mittelniederdeutsch will gleich der Hinzuziehung von Urkundenbelegen als ältesten Zeugen heute noch gültiger Sprachformen bloß als Vergleichs- und diachrone Ordnungsgrundlage verstanden werden. Dabei bleibt freilich nach wie vor die Frage offen, welche Lautungen auf niederdeutschem Substrat beruhen und welche Übernahmen aus dem Mitteldeutsch-Obersächsischen verkörpern. Daß bei der Verhochdeutschung nicht unmittelbar die südlich anschließende meißnisch-obersächsische Mundart übernommen wurde, macht die sich ergebende Raumstruktur deutlich. Sie zeigt im Süden eine noch rein meißnische Zone, der sich zwei Ubergangszonen anschließen, in denen die südlichen Mundarteigenheiten abnehmen und die nördlichen sich mehren, ehe endlich in der breiten vierten Zone das „nordobersächsische" Kerngebiet erreicht wird. Leider ist es Seibicke entgangen, daß sich die Dörfer Friedersdorf (130), Kolochau (137) und Jeßnigk (143) bei Herzberg im äußersten Norden bereits nördlich der ich\ik-\lme. innerhalb der mitteldeutsch/niederdeutschen Mischzone befinden. Die erheblichen Unterschiede zwischen dem Meißnisch-Obersächsischen und dem „Nordobersächsischen" können meines Erachtens nur daraus resultieren, daß nicht die mitteldeutsche Bauernmundart des Südens als unterste, sondern die von den Städten bestimmte Verkehrssprache als oberste Sprachschicht übernommen wurde, wie sich dies bis in die Gegenwart noch bei der Eindeutschung der Wenden beobachten läßt. Damit erweist sich der Sprachwechsel als ein sozial bedingter Vorgang aus dem sprachlichen Mehrwert des Mitteldeutschen gegenüber dem Niederdeutschen. So verkörpert das „Nordobersächsische" eine auch sonst vorhandene, nun aber in den Raum projizierte obersächsische Sprachform, allerdings mit Beibehaltung der niederdeutschen konstitutiven Faktoren, insbesondere einer vom Obersächsischen abweichenden Artikulationsbasis, und vielen niederdeutschen Substraten, so daß sich zweifellos ein eigener Dialekt konstituiert hat. Der obersächsischen Verkehrssprache entstammen dabei im Vokalismus u. a. der Zusammenfall von mhd. e — ö — 6 und mhd. ei — öü — ou in e — 5, die Spaltung von mhd. se in aj 1 ( = e) und ae2 ( = |), q statt ä für mhd. se2 + Dehnungs- e + ä, der Zusammenfall von mhd. e und mhd. e in p statt der Trennung in £ und a, wobei diese betreffenden Vokale schon im Niederdeutschen vorhanden waren und als solche Lautsubstrat sind. So kann Seibickes Materialsammlung und -aufbereitung als gute Quelle für die weitere Erforschung dieses Raumes dienen. Ohne Einordnung in die skizzierten Großzusammenhänge vermag sie ähnlich den Dialektgeographien Bischoffs und Schönfelds bloß Einblicke in den Aufbau eines kleinen Teilgebietes zu gewähren, kann aber die Lösung der Kernfragen dieses merkwürdigen Dialektraumes selbst nicht leisten. MarburglLahn
Peter
Wiesinger
CLAUSS, Herbert (Hrsg.): D a s Erzgebirge. Land u. Leute. Erich Neubert z. 70. Geburtstag. - Frankfurt/M.: Weidlich 1967. 307 S. mit 63 Abb. DM 38,50. Es handelt sich um ein Sammelwerk unter Beteiligung von Geographen, Historikern, Kunsthistorikern und Volkskundlern. Die 18 sehr unterschiedlichen Beiträge charakterisieren das Werk als ein Heimatbuch mit wissenschaftlichen Ansprüchen. Sie im einzelnen zu analysieren, ist unmöglich. Das Spektrum dieser Beiträge reicht von der Landschaft des Gebirges, dem Gebirge als Wandergebiet, über Abhandlungen wie „Das Erzgebirge im Kampf mit den Mächten", worunter Naturgewalten, Kriege, Seuchen, Hungersnöte usw. subsummiert werden, über Industrie, Mundarten, Mundartdichtung, Volksschauspie!, Sagenschatz und Brauchtum, Kunst, Künstler, Dome, Kirchen, Volkskunst und -musik, Frömmigkeit bis zur Charakterisierung des „Erzgebirgers" und der führenden Persönlichkeiten in Wirtschaft und Geistesleben, letzteres eine ziemlich unzusammen-
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hängende und wahllos zufällige Darstellung. Für den Historiker am relevantesten ist der ausgezeichnete Beitrag von Hermann Löscher mit einer Ergänzung von Herbert Clauß über die Besiedlung des Erzgebirges. Löscher versteht es meisterhaft, die Summe aller Forschungen sowohl zur bäuerlichen wie bergmännischen Besiedlung des Gebirges zu ziehen und in knapper, eindringlicher Zusammenfassung wiederzugeben. Allein um dieses Beitrages willen wäre das Werk schon zu empfehlen. Hingewiesen sei ausdrücklich noch auf die beiden sich ergänzenden, räumlich leider getrennten Aufsätze von Fischer zur Kunstgeschichte. Berlin Riebard Dietrich SIEBER, Siegfried: Studien zur Industriegeschichte des Erzgebirges. — Köln, Graz: Böhlau 1967. VII, 152 S., 5 Kt. = Mitteidt. Forschungen, 49. DM 2 2 , - . Sieber faßt in diesem Bd. zwei sich ergänzende Studien zusammen. Der 1. Teil behandelt, um 1945 abschließend, das Erzgebirge als Industrielandschaft. Nach einer Schilderung der Grundlagen und Vorstufen sowie des geschichtlichen Ablaufes der Industrialisierung werden die einzelnen Industriezweige behandelt. Diese bis ins einzelne gehenden Darstellungen vermitteln einen äußerst lebendigen Eindruck von der Vielseitigkeit der Industriewirtschaft des Erzgebirges. Wer sich rasch orientieren will, welche Industrien wann und wo entstanden, wie sie sich entwickelt haben und wie ihre Bedeutung heute einzuschätzen ist, wird hier sichere Auskunft erhalten. Der Vergleich einiger Industriestädte (Lossnitz, Olbernhau, Johanngeorgstadt, Jöhstadt und Freiberg) faßt für diese die Einzelergebnisse zusammen und vertieft sie historisch. — Der 2. Teil „Industriegeschichte von Aue" stellt eine vorbildliche Analyse der Voraussetzungen und der Etappen der Industriegeschichte dieser bedeutenden westerzgebirgischen Industriestadt und der einzelnen Zweige ihres Gewerbes dar und reicht unmittelbar bis in unsere Tage. Berlin Richard Dietrich MATTHES, Erich: Das Häuserlehnbuch der sächsisch-böhmischen Bergstadt Platten im Erzgebirge 1535-1570. Neustadt a. d. Aisch: Degener 1967. 72 S. = Genealogie u. Landesgeschichte, Bd. 18. DM 12,— . Die noch bis 1546 kursächsische Bergstadt Platten, seitdem als kaiserliche freie Bergstadt zur Krone Böhmen gehörig, war als Zinnbergbaustadt angelegt worden. 1533 scheint die „Knappschaft von dem Plattenberg" bereits bestanden zu haben, die Stadt selbst existierte 1534 noch nicht. Die Vermessung von 159 Hofstätten und Austeilung der ersten derselben scheint noch 1534 erfolgt zu sein durch den am 30. Juli des Jahres ernannten Bergmeister. Am 26. November 1535 übertrug der Berghauptmann von Schneeberg das Verfügungsrecht über die noch freien Hofstätten an Richter und Schöffen von Platten. Damit dürfte die Entstehungszeit des Häuserlehnbuches auf 1535 festzulegen sein. Die Ansiedlung erfolgte meist auf Vorlage auf die Zinnausbeute, bei Rückzahlung der Vorlage durch Abzug von 20% vom Marktpreis bei festgelegtem Abnahmepreis. 1537 waren 77 Häuser bezogen, 20 standen noch oder zeitweise wieder leer. 1543 war der Ausbau der Stadt mit Kirche und Lateinschule im großen und ganzen beendet. Das Häuserlehnbuch gibt einen umfassenden Einblick in Herkunft, wirtschaftliche und soziale Lage der ersten Generation der Plattener Bürger. Auffällig ist die breite Streuung ihrer Herkunft mit Schwerpunkten in St. Joachimsthal, Schneeberg, Schwarzenberg, Eibenstock, Schlaggenwald, Breitenbrunn, Bärringen, Geyer, Gottesgab, Zwickau und Annaberg, also im westlichen Erzgebirge, Böhmen und im Vogtland. St. Gallen, Jägerndorf, Memmingen, Nürnberg und Chemnitz sind die am entferntesten gelegenen Herkunftsorte. Berlin Richard Dietrich
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SCHÜTZE, Theodor: Um Bautzen und Schirgiswalde. Ergebnisse d. heimatkundl. Bestandsaufnahme im Gebiet von Bautzen u. Schirgiswalde. Mit 31 Abb., 16 Kunstdrucktaf., 1 Ubersichtskt. Bearb. in d. Arbeitsstelle Dresden. — Berlin: AkademieVerl. 1967. XII, 250 S. = Werte d. dt. Heimat. Veröffentlichungen d. Komm. f. Heimatforschung, Bd. 12. DM 12,50. SIEBER, Siegfried: Von Annaberg bis Oberwiesenthal. Ergebnisse d. heimatkundl. Bestandsaufnahme in d. Gebieten von Eiterlein, Annaberg-Buchholz, Oberwiesenthal u. Hammerunterwiesenthal. Bearb. in d. Kommission f. Heimatforschung. — Berlin: Akademie-Verl. 1968. XII, 237 S., 30 Abb., 16 Kunstdrucktaf., 1 Ubersichtskt. = Werte d. dt. Heimat. Veröffentlichungen d. Komm. f. Heimatforschung, Bd. 13. DM 12,50. Die Bd.e, deren Gesamtdarstellung jeweils von dem den Titel zeichnenden Autor verantwortlich durchgeführt worden ist, sind durch die Mitarbeit einer ganzen Reihe namhafter Sachverständiger aus allen einschlägigen Wissenschaftsgebieten zustande gekommen. Die Bd.e sind einheitlich angelegt. Sie umfassen jeweils eine Rückschau (S. 16), die die geographischen, geologischen, wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen und Zusammenhänge, ganz kurz auch historische Daten, erläutert. Ihr folgt, den Hauptteil ausmachend, jeweils die Einzeldarstellung der „Suchpunkte". Sie ist koordiniert mit der Ubersichtskarte, die im Bd. „Um Bautzen und Schirgiswalde" sehr viel eingehender und instruktiver ist als die des Obererzgebirges. Die Karten sind in Suchfelder eingeteilt, die durch Großbuchstaben gekennzeichnet sind. Die einzelnen Suchpunkte sind in jedem Feld durchgehend von 1 an numeriert. Die Nummern der Ubersichtskarte entsprechen denen am Rand des Textes. Ein dem Bd. vorausgestelltes Verzeichnis der Suchpunkte weist dann auf die Seitenzahlen des Textes hin. Suchpunkte sind Ortschaften ebenso wie Landschaftspunkte, einzelne Häuser, Flüsse, Bäche, Straßen usw. Die Darstellung der einzelnen Suchpunkte entspricht den Prinzipien der Sammlung „Historische Stätten Deutschlands", geht aber über diese insofern hinaus, als alle Bereiche des Volkskundlichen einbezogen werden. Ein Anhang enthält jeweils Tabellen der Einwohnerzahlen vom 16.—20. Jh., Literaturverzeichnis, Abbildungsverzeichnis, Namen- und Sachregister. Der Bd. über Bautzen und Schirgiswalde hat darüber hinaus eine Zusammenstellung der Niederschlagsverhältnisse, der von Annaberg und Oberwiesenthal ein Verzeichnis der Erze und Mineralien. Für Bautzen ist im Text ein historischer Plan (nach Gurlitt und Reuther), für Annaberg ein Stadtplan sowie eine Gangkarte des Erzreviers, für Elterlein, Scheibenberg, Buchholz und Oberwiesenthal sind Stadtgrundrisse beigefügt. Federzeichnungen bzw. Architekturrisse bedeutender Bauten, Wirtschaftsskizzen, Wiedergaben von besonderen Pflanzen usw. bereichern die Darstellung. In diesen Bd.en ist eine sehr beachtenswerte Arbeit geleistet worden, auf die man immer wieder wird zurückgreifen müssen, wenn man sich über den neuesten Stand der Forschung auf diesem Gebiet in Mitteldeutschland orientieren will. Berlin
Richard
Dietrich
SIEBER, Helmut: Die Oberlausitz. — Frankfurt/M.: Weidlich 1968.76 S. mit 48 Abb. DM 14,80. Die Einführung von S. berichtet über Landschaft und Besiedlung, die Sechsstädte, Verfassung, Stände und Verwaltung, kriegerische Zeitläufte, Bauten in Stadt und Land, Sitte und Brauchtum, Naturpflege, Geistesleben und Künstler und die Wirtschaft. Bei so knappem Raum kann die Information nur andeutungsweise ausfallen; am fundiertesten ist noch das
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Kapitel über die Wirtschaft. Die photographische Wiedergabe der Bilder ist ausgezeichnet, ihre Auswahl recht gut gelungen. Während die Aufnahmen aus dem Granitbruch von Demitz unbestreitbar Aussagewert haben, stellt sich die Frage nach diesem wieder bei Bildern, wie denen des Hauses der Sorben in Bautzen, der Saatreiter von Marienstern, dem Lausitzer Schrank aus Herrnhuth, dem Hausweber und der Druckmaschine. Was geboten wird, ist zu wenig, um das, was gemeint ist, wirklich lebendig zu machen. Das alte Dilemma. Berlin
Riebard
Dietrich
BUTTE, Heinrich: Geschichte Dresdens bis zur Reformationszeit. Aus d. Nachlaß hrsg. von Herbert Wolf. - Köln, Graz: Böhlau 1967. X, 309 S. mit 22 Abb. = Mitteidt. Forschungen, 54. DM 38,—. Die sächsische Landesgeschichtsforschung ist Herbert Wolf zu aufrichtigem Dank verpflichtet, daß er es übernommen hat, das nachgelassene Manuskript Buttes zu veröffentlichen. Zu beklagen ist nur, daß gleich der Dresdener Geschichte Otto Richters auch diese Geschichte der Landeshauptstadt Torso geblieben ist. Zu danken ist dem Hrsg. auch und nicht zuletzt dafür, daß er mit äußerster Sorgfalt in einem Anhang die abgekürzt zitierte Literatur entschlüsselt und in Anmerkungen über die seit dem Tode Buttes erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten zur älteren Geschichte Dresdens referiert hat. Wenn ein Wunsch offengeblieben ist, so ist es dieser: Das stark detaillierte Inhaltsverzeichnis ersetzt kein Personen- und Sachregister. Es ist in dem hier zur Verfügung stehenden Rahmen unmöglich, eine eingehende Würdigung dieses Werkes zu geben, so notwendig es wäre und so sehr B. es auch verdient hätte. So muß mit einer kurzen Inhaltsskizze versucht werden, wenigstens einen Eindruck vom Reichtum der Darstellung zu vermitteln. B. teilt den Stoff in fünf große Abschnitte ein: Vorund Frühgeschichte, reichend bis zum Jahre 928 (S. 1 — 11), sodann die ostdeutsche Kolonisation bis etwa 1200 (S. 13—30), dann Dresden im Mittelalter bis 1464 (S. 31 — 120), die Residenzstadt Dresden bis zum Ausgang des 15. Jh.s (S. 121 — 173) und Dresden im Reformationszeitalter bis 1555 (S. 175—285). Die beiden ersten Abschnitte geben naturgemäß eine allgemeine Geschichte der Dresdener Landschaft im weitesten Wortsinne. Auch der 3. Teil stellt die Stadtgeschichte noch mehr oder weniger im Rahmen der Landesgeschichte dar. Erst der 4. und 5. Teil verengen die Darstellung mehr und mehr auf die eigentliche Stadtgeschichte. Stadtgeschichte bedeutet für B. eine Gesamtdarstellung der Stadt: Standortfrage, Stadtflur und ihre Entwicklung, politische Geschichte der Stadt, Stadtverfassung, Stadtrecht, wirtschaftliche, kirchliche und Bevölkerungsverhältnisse, Schul- und Bildungswesen. Als Dresden 1464 zur ständigen Residenz der Wettiner erhoben wurde, gewann natürlich das Verhältnis zu den Landesherren wesentliche Bedeutung für die Entwicklung der Gemeinde. Trotzdem spielt dieser Aspekt für B. nur eine Rolle unter vielen anderen. Auch jetzt gilt sein Augenmerk den Verfassungskämpfen, den Ratsverfassungen von 1470 und 1517, Recht und Gericht, Polizeiwesen, Armenpflege und Gesundheitswesen, Handel, Braugerechtigkeit, Bergbau, Handwerk und Arbeitsverhältnissen. Besondere Beachtung verdienen die Kapitel über Bevölkerung und Vermögensstatistik (S. 130 ff.), Personennamen (S. 132ff.), Ratsgeschlechter (S. 136ff.). Im letzten Teil treten neben die Gesichtspunkte des 2. und 3. Teiles natürlich neue: Stadtbild und bauliche Verhältnisse (S. 207ff.), reformatorische Bewegung (S. 186ff.), Einführung der Reformation (S. 243ff.), Melanchthon und Dresden (S. 281 ff.). Die Darstellung bricht in dem Moment ab, als Dresden durch Kurfürst Moritz seit 1550 begann, einen Aufschwung zu nehmen, der es bald zur ersten Stadt des Landes werden lassen sollte. Auf die Analysen der Bevölkerungsentwicklung, der Ver-
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mögensbildung, der Herkunft und sozialen Struktur der Bevölkerung sowie der Entstehung der städtischen Verfassung und auf die des Wirtschaftslebens sei besonders nachdrücklich hingewiesen. Berlin Richard Dietrich ZAUNICK, Rudolph: Der Dresdner Stadtphysikus Friedrich August Röber (1765—1827), ein sächsischer Gesundheitswissenschaftler in der Nachfolge Johann Peter Franks. — Leipzig: J. A. Barth 1966. 77 S. m. 1 Abb. = Acta histórica Leopoldina, Nr. 4. DM 6,70. Mit der ihm eigenen Akribie ist Zaunick dem Lebensweg und dem Wirken dieses sächsischen Arztes nachgegangen. Nicht nur die Tätigkeit als Arzt und Medizinalbeamter, sondern auch die Bemühungen Röbers um die Landwirtschaft werden aufgezeigt. In einem besonderen Beitrag analysiert der Sozialhygieniker und Medizinhistoriker Tutzke die Bedeutung Röbers als Schriftsteller der Staatsarzneikunde. Im Anhang werden die Bibliographie der Publikationen und die Genealogie Röbers sowie einige Quellen zur Biographie des sächsischen Arztes publiziert. Die Studie ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des Gesundheitswesens in Sachsen. Berlin Manfred Stürzbecher Documenta Decennarii Academiae Dresdensis. Die Zehnjahresfeier d. Medizin. Akad. „Carl Gustav Carus" in Wort u. Bild. — Dresden: Carus-Akad. 1965. 205 S., 45 Abb., 7 Tab. = Schriften d. Medizin. Akad. Dresden, Bd. 5. Die Broschüre enthält einen Bericht über die Feierlichkeiten aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens der Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus in Dresden sowie Referate von den meisten der auf einer wissenschaftlichen Tagung „Epidemiologie" gehaltenen Vorträge. Außerdem sind die Begrüßungsansprachen, Grußadressen usw. publiziert. Die meist sehr knappen Autorreferate geben einen interessanten Einblick in die epidemiologische Forschung im Ostblock. Berlin Manfred Stürzbecher Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Sonderbd. IV: Das Buch. Bibliographie zur Geschichte des Buchdrucks, des Buchhandels und der Bibliotheken. (Hrsg. v. d. Histor. Kommission d. Sachs. Akademie d. Wiss. mit Unterstützung d. Stadtarchivs Leipzig. Bearb. v. Edith Rothe u. Hildegard Heilemann.) — Weimar: Böhlau 1967. XVI, 383 S. = Aus den Schriften der Histor. Kommission d. Sächs. Akademie d. Wiss. zu Leipzig, Bd. 35. DM 31,30. Im Rahmen der groß angelegten, seit nunmehr einem halben Jh. erscheinenden zusammenfassenden „Bibliographie der sächsischen Geschichte" ist mit dem vorliegenden inhaltsreichen 4. Sonderbd. für die Stadt Leipzig hinsichtlich der Sonderdisziplinen der Schlußstein gesetzt. (Die früheren, vorwiegend gleichfalls von Edith Rothe geförderten Bd.e: Die Leipziger Messe, 1957 (s. JGMOD 8, 1959, S. 593 f.); Karl-Marx-Universität, 1961; Die Kunst, 1964 (JGMOD 15, 1967, S. 516f.) Der umfangreiche Bd. enthält das Material „zur Geschichte des Buchdrucks, des Buchhandels und der Bibliotheken" und greift damit — mehr als seine Vorgänger — ein für die „Buchstadt Leipzig" zentrales Thema mit überregionaler Bedeutung auf. Er verzeichnet in streng systematischer Anordnung und schon selbstverständlicher bibliographischer Solidität, die das ganze Unternehmen auszeichnet, insgesamt über 6000 Titel.
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Abgesehen von wenigen Spezialfächern — nämlich der Papierherstellung (II A), der Buchbinderei (II D), den Buchausstellungen (IV B) und der Bibliophilie (IV C) —, die zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallen, verteilt sich die Masse der Titel auf die drei Hauptbereiche Buchdruck (einschl. graphischem Gewerbe etwa 1/6 des Ganzen; = II B u. C), den fast doppelt so starken Buchhandel (nebst Verlagswesen; = III) und das noch mehr Seiten füllende Bibliothekswesen der Stadt ( = IV A). Die Untergliederung variiert dann im einzelnen entsprechend den besonderen Bedingungen des betr. Sachgebietes, doch bleibt die Übersichtlichkeit der Stoffdarbietung, auch bei den am weitesten aufgefächerten Abschnitten (Graphik, S. 32ff.; Deutsche Bücherei, S. 213ff.; Vereinsbibliotheken, S. 300ff.), durchgängig gewahrt. Die Berichtszeit endet im allgemeinen mit dem Jahre 1960 (über die Literatur der Folgezeit unterrichtet die laufende „Sächsische Bibliographie"), viele Nachträge sind aber noch bis zum Erscheinungsjahr 1965 aufgenommen worden. Die schwierigen Fragen der sachlichen Abgrenzung zu umfassenderen Themenkomplexen und zumal der Berücksichtigung auch allgemeiner Buchhandelsgeschichten, die stets Leipzig mitbehandeln, sind in der Regel auf einer Mittellinie überzeugend gelöst. Bei der ebenfalls kompetent getroffenen Auswahl der Titel selbst haben sich die beiden erfahrenen Bearbeiterinnen wie in den früheren Bd.en von dem Gedanken „einer möglichst breiten Erfassung" des einschlägigen Materials (S. XV) leiten lassen, ein Grundsatz, der — konsequent verwirklicht — auch vor der Erfassung 1-seitiger Gartenlaube-, Lexikon- und Zeitungsartikel sowie ungedruckter Arbeiten nicht zurückschreckt. Man wird diese freilich sehr großzügige Auslegung, die bewußt auch „an sich durch neuere Arbeiten überholte" Titel in Kauf nimmt, „weil sie den Gang der Forschung aufzeigen" (S. XV), angesichts des abschließenden Kompendiumcharakters dieses Werkes für das Leipziger Buchwesen im wesentlichen billigen können. Eher wäre schon darüber zu rechten, ob es angebracht war, das gesamte, weitgehend identische Titelmaterial, das bereits 1962 zur Deutschen Bücherei 1 und 1961 zur Universitätsbibliothek (hier, Sonderbd. 2) veröffentlicht worden ist, auf rd. 100 Seiten voll zu wiederholen. Wäre es statt dessen nicht zweckmäßiger (jedenfalls aber raumsparender) gewesen, man hätte entweder eine strenge Auswahl vorgenommen oder sich mit einem allgemeinen Hinweis auf jene kürzlich erschienenen Spezialbibliographien begnügt und nur dort fehlende Titel noch nachgetragen? Hinsichtlich der registermäßigen Erschließung dieses wertvollen Titelmaterials glaubte man wiederum, sich auf die alphabetische Erfassung lediglich der Verfassernamen bzw. (bei anonymen Titeln) jeweils des ersten Ordnungswortes beschränken und auf Sachhinweise ganz verzichten zu sollen. Es werden hierfür also weder sonstige Titelstichwörter noch etwa die den Titeln beigefügten Sachannotationen ausgezogen (woran die vor Erscheinen in den Westen übergesiedelte Hauptbearbeiterin vermutlich keinen Anteil hat). Das wird zumal der Fülle des verzeichneten, im Register aber fehlenden biographischen Materials nicht gerecht. Man vergleiche nur die Kapitel über einzelne Drucker (S. 17—32), Verleger (S. 90-142), Bibliothekare (S. 179-185, 2 4 1 - 2 4 9 ) und Gelehrtenbibliotheken (S. 305 — 309) mit den entsprechenden Registereintragungen, um den hier eingetretenen Informationsverlust zu erkennen. Außerdem erschwert es etwas die Benutzung, daß in Ermangelung einer Titelnumerierung nur auf die betreffende Seitenzahl verwiesen werden kann. 1 A. Paust [u. a.], Bibliographie zur Geschichte der Deutschen Bücherei. Auswahl aus 5 Jahrzehnten, in: Deutsche Bücherei 1912—1962. Festschrift zum 50jähr. Bestehen. . . Leipzig 1962, S. 2 8 9 - 3 7 9 .
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Abschließend sei die Hoffnung geäußert, daß der allein noch ausstehende Hauptteil mit dem Schrifttum zur allgemeinen und politischen Geschichte Leipzigs (vermutlich im ganzen 20000 Titel) bald erscheinen möge, damit aus dem eingangs zitierten umfassenden Vorhaben wenigstens die Gesamtbibliographie dieser einen historisch und kulturell gleich bedeutenden Stadt endlich abgeschlossen vorliege! Berlin
Werner Schochow
100 Jahre Reclams Universal-Bibliothek 1867—1967. Beiträge zur Verlagsgeschichte. (Hrsg. v. Hans Marquardt. Red.: Karin Gurst [u. a.]) — Leipzig: Reclam (1967). 568 S. = Reclams Universal-Bibliothek. Bd. 384. D M 3 , - . Reclam. 100 Jahre Universal-Bibliothek. Ein Almanach. ([Hrsg. v.] Heinrich Reclam.) — Stuttgart: Reclam (1967). 876 S., 8 Taf. (Gleichzeitig u. unter dems. Titel erschien e. Auszug daraus. 136 S.) DM 4,— . Reclams Universal-Bibliothek. Verfasser- Schlag- und Stichwortkatalog. Stand: November 1967. - Stuttgart: Reclam (1967). 285 S. D M 4 , - . Das in der Tat erinnerungswürdige Säkularereignis der Begründung der Reclamschen Universal-Bibliothek (im folgenden: UB), der wohl ältesten bestehenden und größten deutschen Taschenbuchreihe, am 10. Nov. 1867, hat mehrere Festschriften hervorgebracht. Sie sind von unterschiedlichem Umfang und Gewicht, sind unabhängig voneinander entstanden und bezeichnenderweise von verschiedenen Verlagen betreut worden. Denn — auch dies eine Folge unserer zerspaltenen Nachkriegsentwicklung: Zwei Firmen desselben Namens, die freilich seit langem jeden geschäftlichen Kontakt untereinander vermeiden, nehmen — vergleichbar den Jubiläen anderer kultureller oder wissenschaftlicher Einrichtungen in Deutschland — das Verdienst dieser epochemachenden Leistung für sich in Anspruch: die eine mit Sitz am früheren Stammplatz in Leipzig, seit 1950 der Verfügung der Eigentümerfamilie entzogen (seit 1963 dem Auf bau-Verlag als „Staatlichem Gesellschafter" unterstellt), gleichwohl unter Beibehaltung (oder soll man sagen: Usurpierung?) des alten „reklame"-trächtigen Namens; der andere Verlag, mit Hilfe leitender Mitarbeiter aus der Leipziger Zeit 1947 in Stuttgart neugegründet, verblieb hingegen als Privateigentum im Besitze der Familie und verfügt über alle Rechte und Vermögenswerte, soweit sie sich auf dem Boden der Bundesrepublik befanden. Beide Verlage legen in ihren Jubiläumsbeiträgen keine neugefaßte durchgehende Verlagsgeschichte vor. Sie verweisen statt dessen — in Kritik oder Zustimmung — auf die sehr brauchbare kurze Darstellung von A. Meiner aus dem Jahre 1958 ( 2 1961; vgl. JGMOD 9/10, 1961, S. 584f.), die von Stuttgart ( = S) großenteils nachgedruckt wird. In beiden Fällen handelt es sich vielmehr um lockere, materialreiche Sammelwerke mit den für diese Gattung typischen Eigenheiten, wie thematische Wiederholungen, formale Unausgewogenheiten und andere Zufälligkeiten. Während sich aber S ausschließlich verlagseigener Mitarbeiter bedient, hat Leipzig {— L ) den Anlaß benützt, auch außenstehende Autoren (Universitätsangehörige, Bibliothekare, Schriftsteller) zu verpflichten und deren Ansichten, Urteile, Vorschläge zu Einzelproblemen der Verlagsgeschichte einzuholen. Stärker als diese Äußerlichkeit fallen die inneren Unterschiede der beiden Jubiläumsbd.e in die Augen, die, fast gleichlautend betitelt, im traditionellen „Reclam"-Format erschienen sind (dabei sollte man freilich wissen, daß Leipzig das seinige leicht vergrößert hat). Die Abweichungen betreffen den formalen, den wertenden und den inhaltlichen Bereich. — Auffallend ist zunächst im Sprachlichen eine unangenehm polemische Diktion in L, die
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man überflüssigerweise glaubte, „westlichen" Personen, Vorstellungen, Vorhaben gegenüber anwenden zu sollen und die gerade einige der dortigen Hauptaufsätze „auszeichnet". Dagegen sticht die strenge Sachlichkeit in S wohltuend ab, die eine zurückhaltende Beschreibung und nüchterne Darlegung eigener Absichten, nicht aber subjektive Deutung, bietet; hier ist von einer Polemik etwa gegen den „Osten" und seine (teilweise wahrlich kritikwürdigen) Maßnahmen nicht die Rede. Mit dem ersten Punkt korrespondiert der zweite, gewichtigere, der sich — in den politisch gefärbten Beiträgen — in der unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Bewertung bekannter und vergleichbarer Tatsachen zeigt. Ob es sich nun um die einstige Verlagspolitik des Firmengründers und seiner Nachfolger handelt, die ihrer unmarxistischen Grundhaltung wegen kritisiert werden, oder ob es die trennenden Nachkriegsverhältnisse betrifft: zu oft werden hierbei in L gegenwartsbezogene und daher unsachliche Maßstäbe angelegt. Noch mehr differieren naturgemäß die beiderseitigen Vorstellungen über den künftig einzuschlagenden Weg. Da heißt es in L unmißverständlich, es gelte „die Bibliothek zu einer sozialistischen Taschenbuchreihe zu entwickeln — eine Aufgabe, die ohne die tatkräftige Förderung durch Partei und Regierung nicht in Angriff genommen werden" konnte (S. 85). S hingegen begnügt sich, weniger anspruchsvoll auftretend, mit dem Versprechen, die UB zu „einer wissenschaftlichen Anforderungen genügenden, umfassenden Sammlung bedeutender Literaturtexte" zu machen (S. 6). Diese einseitige politische Tendenz von L ist von der Sache her um so mehr zu bedauern, als sich beide Werke — und dies ist der dritte Gesichtspunkt — inhaltlich hätten trefflich ergänzen können: L wendet sich mehr historischen Themen zu, S geht — sieht man von der einerseits gekürzten, andererseits ein wenig ergänzten Darstellung von A. Meiner ab (S. 9 — 53) — vorwiegend auf die gegenwärtigen Bedürfnisse und Absichten ein, wofür auch das Fehlen älterer Verlagsunterlagen verantwortlich ist. Unter den insgesamt 17 Leipziger Textbeiträgen „zur Verlagsgeschichte" sind die drei einleitenden als grundlegend anzusehen und für den Historiker von größerem Interesse. Sie vor allem widmen sich der allgemeinen Verlagsentwicklung, wie sie sich nach Ansicht der Autoren unter der Einwirkung äußerer, nicht selten sachfremder Zeitumstände vollzog; sie seien darum im folgenden hervorgehoben, wobei die angedeuteten textlichen Entgleisungen nach Möglichkeit übersehen werden sollen. Aufschlußreiche und im ganzen zutreffende Einblicke in „Anton Philipp Reclams Wirken im Vormärz" vermittelt Eva Hermann (L, S. 9—34; dazu hier wie bei weiteren Aufsätzen viele bildliche u. Faks.-Beigaben). Freilich dürfte H. die Strenge der damals im Sächsischen gehandhabten Bücherzensur übertrieben haben, wie die auch hier erwähnte, zeitweilig erfolgreiche Gegenwehr des Verlegers zeigt (vgl. etwa S. 29f.); immerhin konnte Reclam in diesen Jahren des Vormärz so fortschrittliche Schriftsteller wie den frühen Heinrich Laube oder die „Leipziger Locomotive" als „Volksblatt für tagesgeschichtliche Unterhaltung" sieben Monate lang (1842/43) herausbringen. Auch weckt der hier beiläufig gebrauchte Terminus „Zensurflüchtlinge" (S. 10) naheliegende Assoziationen, die heute insofern nicht ohne Reiz sind, als die damals von den (vergleichsweise harmlosen) Zensurmaßnahmen Metternichscher Provenienz Betroffenen einen Ausweg sahen: Ihnen stand — anders als 130 Jahre später — der Weg in das Nachbarland und damit in das (damals) relativ liberale Leipzig, zu Reclam, offen. Weniger fundiert, ja recht einseitig behandeln sodann Jürgen Kuczynski und Berthold Puchert „Die Macht einer Tradition, Zur Geschichte von Reclams UB 1867—1945" (S. 35 bis 79). Hier bleibt vieles an der Oberfläche, wie die Analyse der „ideologischen Vorgeschichte" der UB, die Auseinandersetzung mit der westlichen Fachliteratur, auch der Ver33
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such, den erst durch Reclam bewirkten Schopenhauer-Erfolg zu ergründen (S. 52f.; bei Nietzsche, S. 66, wird ein solcher erst gar nicht unternommen). Die Autoren begnügen sich oft mit unverarbeiteten Textauszügen, mit statistischen Titel- oder Namensaufzählungen, und geben dazu vordergründige, marxistisch getränkte Deutungen. Man vergleiche nur die simplen Gegenüberstellungen von „fortschrittlich-humanistischer Tradition" mit „zeitgemäßer chauvinistischer Tendenz" (S. 58ff.): dieser huldigen nicht nur Carlyle und der „Kriegskalender" von 1914, sondern auch Bismarck, Wilhelm II., Bülow u. a. Politiker in ihren Reden; dabei sollte der „Historiker" K. doch eigentlich deren Quellenwert schätzen gelernt haben. Ludwig Häussers berühmte Schilderung der Freiheitskriege bekommt wenigstens ein zwiespältiges Einerseits-Andererseits-Prädikat zuerkannt, Dahlmann oder gar Treitschke können sich dessen nicht rühmen. Verwundert es da noch, wenn jene aus den Jahren 1945/46 stammenden, von der östlichen Besatzungsmacht veranlaßten Zusammenstellungen „auszusondernder Literatur" mit „imperialistischer, nationalistischer und faschistischer Tendenz" dem Schlußurteil zugrunde gelegt werden? Damit ist die Nachkriegszeit erreicht. Ihr nimmt sich in thematischer Beschränkung auf den Leipziger Teilverlag, doch in deutlicher Frontstellung gegen das Stuttgarter Verlagsprogramm, Hans Marquardt, der seit 1961 amtierende Verlagsleiter in Leipzig und Hrsg. des Bd.es, an. Er schildert unter dem Titel „Tradition und neues Werden. Zur Geschichte der UB seit 1945" (S. 80—100) aus seiner Sicht zunächst die vergeblichen Versuche des Eigentümers Ernst Reclam, sich zu behaupten, — er „mißverstand seinen kulturellen Auftrag unter völlig veränderten Welt- und Machtverhältnissen" (S. 83) — und erörtert dann die Frage, „ob die Verlagstradition lebendig und entwicklungsfähig genug war, um auf höherer Stufe wiederzuerstehen" (S. 85). Die Antwort seitens des „Reclam-Kollektivs", wonach „es in der verlegerischen Vergangenheit sehr vieles gab, von dem es sich lohnte, Aufhebens zu machen", konnte angesichts der späteren Entwicklung nicht endgültig sein. Diese wurde vielmehr bestimmt von den „richtungweisenden Beschlüssen" der SED zur „sozialistischen Kulturrevolution" von 1958 und führte zu der Ende 1963 proklamierten „Rekonstruktion der UB". Die nun beschlossene und durchgeführte Änderung des bisherigen Numerierungssystems lief — bei Anerkennung der Richtigkeit einiger dafür maßgeblicher Motive — auf die Streichung einer Vielzahl von Titeln und Neubesetzung der betr. Nrn. hinaus, zerriß also die bis dahin einheitliche Gesamtzählung der Reihe und damit den letzten noch bestehenden Zusammenhang beider Häuser. Die weiteren Leipziger Beiträge, die große Mehrzahl, behandeln in sachlicher Gruppierung Spezialfragen und berühren sich thematisch am ehesten mit i ; allerdings legt L stets mehr Gewicht auf den historischen Aspekt, während S der Erörterung der gegenwärtigen Problemlage den Vorzug gibt. Ich kann mich im folgenden also kurz fassen. In L nehmen drei Autoren (Claus Träger, Günther Cwojdrak, Eike Middell) zur Pflege der neueren deutschen Literatur in der alten und der „rekonstruierten" UB Stellung; namentlich Trägers Ausführungen über die Vorwortgebung in der UB und verwandte Fragen verdienen hier ihrer Ideen- und Materialfülle wegen, obwohl reichlich selbstgerecht und unfehlbar vorgetragen, unsere Aufmerksamkeit. Stoffreich und anregend ist auch ein Großteil der anderen Leipziger Arbeiten, so die Beiträge zur Förderung der außerdeutschen (antiken, russischen) Literaturen in der UB; am ausführlichsten hier und durch strenge Sachlichkeit ausgezeichnet Leopold Magons Würdigung Reclams als „Wegbereiter nordischer Dichtung in Deutschland"; erwähnenswert auch der fachkundige Aufsatz über die buchkünstlerischen Leistungen des Verlages (Lothar Lang) sowie der kritische Entwurf einer Geschichte der Musikhistoriographie, ausgeführt am Beispiel der UB, von Heinz A. Brockhaus. Genannt seien ferner Horst Kunzes lockere Betrachtungen zum Verhältnis des
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(dem Verlag nicht gleichgültigen) „Publikumsgeschmacks" zum (hier von Klabund vertretenen) „kulturellen Gewissen" und schließlich Heinz Gittigs wichtiges, zu wenig bekanntes Thema „Antifaschistische Schriften im Tarnumschlag", mit zuverlässiger, weitgehend auf Autopsie beruhender Bibliographie. In S hingegen liegt, wie erwähnt, das Hauptgewicht auf der Nachkriegszeit. Eingehend erläutern hier die vier verantwortlichen Verlagslektoren Ernst v. Reusner (antike und mittelalterliche Literatur; Philosophie), Dietrich Bode (neuere deutsche Literatur), Albert Haueis (deutsche Gegenwarts- und Weltliteratur) und Manfred Wundram (bildende Kunst, Musik) ihre Gedanken über bisherige Aufbauarbeit, künftige Möglichkeiten und die weitere Verlagsplanung. Sie verdeutlichen ihre mehr theoretischen Ausführungen dann durch eine breit angelegte Anthologie mit beispielhaften Proben aus dem dichterischen, belehrenden, wissenschaftlichen und künstlerischen Programm der UB, auch mit textkritischen oder autobiographischen Einführungen und dem dazu gehörenden Anm.-Apparat. Beide Festgaben schließen mit einem umfänglichen Anhang. Er enthält in L außer einem genauen Namenverzeichnis u. a. eine ausgewogene annotierende Auswahlbibliographie (v. Hans-Martin Pleßke, Deutsche Bücherei) und eine Zeittafel zur Geschichte des Verlages. Eine Zeittafel (mit anderem Schwerpunkt) bringt auch i", dazu ein systematisches Verzeichnis der z. Z. lieferbaren Werke. Dieses wird ergänzt durch den ausführlichen, von Brigitte Reclam bearb. „Verfasser-, Schlag- und Stichwortkatalog" vom Nov. 1967. Er umfaßt und erschließt nach Art eines Kreuzkataloges die 1200 seit 1947 in Stuttgart (wieder) erschienenen Titel ( = 2100 Nrn.) und dürfte seiner absoluten Zuverlässigkeit wegen vor allem dem Buchhandel gute Dienste tun. Berlin
Werner Schochmv
Neue Veröffentlichungen der Deutschen Bücherei, Leipzig. a) Benutzungsführer der Deutschen Bücherei, Leipzig. (Bearb. v. Karl-Heinz Wenkel.) - Leipzig 1968. 91 S. b) Buch und Schrift von der Frühzeit bis zur Gegenwart. Rundgang durch die Dauerausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Bücherei, Leipzig. (Bearb. v. Fritz Funke.) — Leipzig: Deutsche Bücherei 1968. 116 S., 36 S. Abb. c) Neujahrsgaben der Deutschen Bücherei. 1965 — 1969. Johann Gottlob Immanuel Breitkopf: Ueber Buchdruckerey und Buchhandel in Leipzig. Faksimile-Ausg. eines 1793 in Leipzig erschienenen Aufsatzes. Mit e. Einl. v. Helmut Rötzsch. (Gewidmet der Stadt Leipzig anl. ihrer 800-Jahr-Feier.) (1) Anton Graff und seine Buchhändlerporträts. (Bearb. v. Helmut Rötzsch u. HansMartin Pleßke. Graph. Gestaltg.: Horst Erich Wolter.) (2) Exlibris aus dem Buch- und Bibliothekswesen. (Verf. u. zus.gest. v. e. Autorenkollektiv des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Bücherei unter Leitung v. Fritz Funke. Graph. Gestaltg.: Horst Erich Wolter.) (3) Schreibmeisterblätter. Kurrent, Kanzlei, Fraktur. (Bearb. v. Fritz Funke.) (4) Die Gutenberg-Preisträger der Stadt Leipzig. (Bearb. v. Helma Schaefer u. HansMartin Pleßke. Graph. Gestaltg.: Horst Erich Wolter.) (5) — [Sämtlich:] Leipzig: Deutsche Bücherei 1964-1968. IX, 58 S., 1 Abb.; 24 S., Abb.; 52 S., Abb.; XIII S., 36 S. Abb., 3 S.; 52 S. [Unterschiedi. Formate. Nicht im Handel.] 33*
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BESPRECHUNGSTEIL EINZELNE GEBIETE d) Jahrbuch der Deutschen Bücherei. (Hrsg. v. H. Rötzsch, G. Hesse, H.-M. Pleßke [u. a.]) Jg. 1 - 4 . Leipzig 1965-1968. 227 S.; 203 S.; 197 S.; 190 S. M. 1 6 , - ; 16,-; 20,-; 18,-.
Die Deutsche Bücherei in Leipzig (im folgenden: DB), nach eigenen Angaben1 die deutsche Bibliothek mit dem derzeit größten Buchbestand (Ende 1967: 3,4 Mill. Bd.e mit 69000 laufenden Metern; vgl. d) 4, S. 145), ist zugleich auch eine der publikationsfreudigsten (wenn nicht die produktivste) im deutschen Sprachraum. Darum sei in einer Sammelbesprechung wiederum über einige beachtenswerte Veröffentlichungen der letzten Jahre, soweit sie hier interessieren, zusammenfassend und mehr referierend als kritisch berichtet. Im Zentrum ihrer Arbeit steht von jeher bekanntermaßen die laufende und zusammenfassende Erschließung des gesamten deutschsprachigen Schrifttums sowie der Literatur über Deutschland (weshalb die D B 1961 auch geglaubt hat, sich den Untertitel „Deutsche Nationalbibliothek" zulegen zu sollen). Diesem Zweck dient die Vielzahl der von ihr bearbeiteten periodischen und retrospektiven deutschen Allgemein- und Sonderbibliographien sowie — hinsichtlich des deutschen Titelmaterials — die Mitarbeit an verschiedenen Fachbibliographien2. Über deren zumeist hohen Informationsgehalt, soweit sie nicht einseitig empfehlenden Charakter haben, und über ihre (von relativ wenigen, politisch bedingten Ausnahmen abgesehen) bibliographische Zuverlässigkeit gibt es keinen Zweifel. Zu wesentlichen Teilproblemen dieses Bereichs der DB-Tätigkeit, die fast stets auch einen gewissen aktuellen Bezug haben, äußert sich des weiteren die seit 1963 hrsg. Schriftenreihe „Bibliographischer Informationsdienst der D B " in zweckmäßig angelegten, ausführlich kommentierten Einzel-Auswahlbibliographien3. Außerdem unterrichten, nun auf das gesamte Arbeitsgebiet der D B ausgedehnt, seit 1954 die „Neuen Mitteilungen aus der D B " durch neu erscheinende Nrn. oder revidierte Neudrucke laufend und knapp über viele Einzelarbeiten und -vorhaben, soweit sie größeres Interesse beanspruchen können (vgl. hier zuletzt 12, 1963, S. 455). Wer indessen rasch über die Bibliothek insgesamt und ihren augenblicklichen Zustand informiert zu werden wünscht, dem sei der übersichtliche, in dieser aufwendigeren Form erstmals herausgebrachte „Benutzungsführer" ( = a)) empfohlen. Hier findet er alles, was 1 Vgl. H. Rötzsch in: Heinz Höhne, D B und internationale Reform der alphabetischen Katalogisierung. Standpunkt der D B . . . Mit e. bibliograph. Ubersicht v. W. Bergmann. Leipzig 1964, S. 6. 2 Vgl. darüber die jüngste Bestandsaufnahme v. G. Rost, Die fachbibliographische Tätigkeit in der DB, in: Jb. der D B 4, 1968, S. 9 —30; in seinen informativen, mitunter allzu sehr theoretisierenden Ausführungen vernachlässigt Rost m. E. bei der Erörterung künftiger Rationalisierungsmethoden die gerade auf diesem Gebiet sich anbietenden und anderwärts mit Erfolg praktizierten Möglichkeiten der elektronisch gesteuerten Datenverarbeitung. 8 In unserem Zusammenhang interessieren am ehesten die folgenden Einzeltitel: Nr. 5: G. Rost, Bibliothek und Dokumentation. E. bibliograph. Grundlage für die Diskussion über e. einheitl. Informationssystem. 1964; Nr. 8: ders. u. A. Hahn, Kybernetik und Gesellschaft. E. bibliograph. Information über d. Bedeutung der Kybernetik für d. gesellschaftswiss. Disziplinen. 1965; Nr. 10: G. Rost, Bibliographie und Bibliograph. E. Literaturinformation über Formen u. Methoden der Bibliographie . . . 1966; Nr. 12: ders. u. A. Hahn, Die Oktoberrevolution im Spiegel deutschsprachiger Belletristik. 1967; Nr. 14: W. Beigmann u. Chr. Pohlmann, Bibliotheken und elektronische Datenverarbeitung. Ein bibliograph. Wegweiser. 1968.
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praktische Bedürfnisse verlangen können, klar gegliedert dargestellt. Am ausführlichsten sind die Benutzungsbedingungen, die Katalogeinrichtungen und die zahlreichen Sondersammlungen beschrieben. Lageskizzen, Abb. und ein genaues Register erläutern oder erschließen den durchweg sachlich gehaltenen Text, wenn auch der einleitende Satz der Benutzungsordnung (S. 73—85, Zitat S. 73) — „Die DB ist die Deutsche Nationalbibliothek und . . . die Zentrale der deutschen Bibliographie" — allzu anspruchsvoll vorgetragen ist und entgegenstehende Tatsachen totschweigt. Hier wie in fast allen anderen Veröffentlichungen der DB wird einfach ignoriert, daß es neben der einen, älteren, bibliothekarischen „Zentrale des deutschsprachigen Schrifttums" noch die andere in Frankfurt mit fast identischem bibliographischen Arbeitsprogramm gibt und daß diese mit Leistungen aufwarten kann, die zumindest hinsichtlich der Publikationstechnik und Aktualität Leipzig seit einigen Jahren übertreffen. Bietet schon der gen. „Bibliographische Informationsdienst" dem Fachmann, nicht nur dem Bibliothekspraktiker, teilweise mancherlei Anregungen und neue Einblicke in den heutigen Stand bibliographischer Arbeit, so sprechen zwei weitere, in festem Jahresturnus erscheinende Reihen, die seit 1957 ausgegebenen „Neujahrsgaben" ( = c)) und das zuerst 1965 erschienene „Jahrbuch" ( = d)), primär den Forscher im Bereich des wissenschaftlichen Bibliothekswesens an. Diesen sowie einigen inhaltlich verwandten Einzelschriften der DB gelten daher die folgenden Zeilen. Aus chronologischen wie sachlichen Gründen sollen die Neujahrsgaben und deren stark historisch ausgerichteter Themenkreis den Vortritt haben (über sie zuletzt JGMOD 12, 1963, S. 4 3 6 - 4 3 8 u. 455). Sie stellen buchkünstlerische Leistungen heraus oder führen uns bemerkenswerte buchgeschichtliche Quellen vor Augen und sind in erster Linie Kennern, Liebhabern und Freunden der Bibliothek zugedacht. Sie spiegeln mithin zumeist das bibliophile Interessen- und Arbeitsgebiet der DB wider, welches vornehmlich und vorbildlich von dem der DB seit 1950 angegliederten Deutschen Buch- und Schriftmuseum gepflegt wird. Diese umfassende, Ausstellungsstücke (Originale oder Reproduktionen) auch der ältesten Kulturen und frühesten Schriftentwicklung enthaltende Sammlung ist die älteste museale und Forschungsstätte ihrer Art — sie besteht seit 1884 in Leipzig — und dürfte an reicher Ausstattung und großzügiger Förderung in Deutschland ihresgleichen suchen. Um so dankbarer nimmt man die kürzlich veröffentlichte Übersicht ihres nach historischen bzw. stilistischen Gesichtspunkten aufgebauten Bestandes entgegen, soweit er sich dem Besucher darbietet ( = b)). Die Broschüre ist nicht, wenn das der Untertitel auch nahelegt, als reiner Ausstellungsführer gedacht, sondern mehr als konzentrierte, kommentierende Einführung in das gesamte Stoffgebiet — die Schrift- und Druckgeschichte vom 3. vorchristlichen Jahrtausend bis zur Gegenwart, die Buchkunst von der antiken Buchmalerei bis zu den modernen Illustrationstechniken — angelegt. Den Text verfaßte der durch viele eigene Arbeiten fachlich ausgewiesene langjährige Direktor des Museums, Fritz Funke; die 36 Abb. gewähren einen ersten, unmittelbaren Einblick in die Werkstatt und lassen ahnen, daß ihr voller Wert sich erst einer Ortsbesichtigung offenbaren würde. Aus diesen Schätzen also schöpfen hauptsächlich die jährlichen Dankesgaben der DB, die an Hand ausgewählter Beispiele heute oft vernachlässigte Seiten des Büchermachens vorführen. — Bei dem fast vergessenen, durch einen Faks.-Druck wieder zugänglich gemachten Aufsatz Breitkopfs (1) handelt es sich um die programmatische Äußerung eines umfassend gebildeten, auch in Detailfragen beschlagenen Verlegers des 18. Jh.s. Er stellt mithin ein wichtiges zeitgenössisches Zeugnis über den deutschen Buchhandel jener Zeit, seine Lage und seine Möglichkeiten, dar. Auch werden darin viele Fragen berührt, die in Fachkreisen damals wie heute Aktualität besitzen und offenbar zur dauernden Problematik
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in den Wechselbeziehungen des Buchhandels zu seiner Umwelt gehören. Sie betreffen sowohl buchgeschichtliche wie mehr technische Teilprobleme, sie kreisen um die Bedeutung dieses Berufszweiges für Handel, Wirtschaft und Wissenschaft, sie erörtern Möglichkeiten und Praktiken der Förderung (Privilegien) und Einschränkung (Zensur) seitens der Staatsmacht und andere Rechtsfragen, z. B. den damals noch ungeregelten Nachdruck. Es versteht sich, daß in dieser Tour d'horizont die deutschen Verhältnisse und zumal die seiner Büchermetropole im Vordergrund stehen. Natürlich kann eine so selbstbewußte Persönlichkeit wie Br. nicht umhin, in die Darstellung auch recht persönliche Vorstellungen vom materiellen Nutzen und inneren Wert des Buchhandels mit einfließen zu lassen, was diese Quelle besonders reizvoll macht. Andererseits begegnet man hier der ebenso alten wie zeitlos gültigen Wahrheit, daß „die Zunahme und der Flor der Wissenschaften" davon abhängig sei, daß sie „stets frey und ohne allen Zwang" seien (S. 31). 4 Die folgenden Gaben, obwohl gleichfalls historisch orientiert, gehen andere Wege. Sie bedienen sich für ihren Themenbereich bildlicher oder graphischer Quellen. Da wird einmal der fleißige und seinerzeit geschätzte Schweizer Porträtist des 18. Jh.s, Anton Graff, dem Dresden zur zweiten Heimat wurde, geehrt (2). Außer einem Lebensabriß, wohl aus der Feder von H.-M. Pleßke, enthält das Heft eine Auswahl von 6 (aus 26) BuchhändlerPorträts, dazu ein sprechendes Selbstporträt. Sie alle, unter ihnen so bekannte Namen wie Philipp Erasmus Reich (Graffs Auftraggeber) und Friedrich Nicolai, werden hier erstmals — offenbar weitgehend originalgetreu — in Farbe wiedergegeben. Die notwendigsten biographischen Daten der Porträtierten, die sämtlich dem mitteldeutschen Raum entstammen oder in ihm gewirkt haben, vervollständigen die schöne, eine vergangene Zeit beleuchtende Zusammenstellung. Die Exlibris-Sammlung (3) hat neben bibliophilen vor allem belehrende und geschmackbildende Absichten. Sie reproduziert aus den Beständen des gen. Museums 18 ausgesuchte Exlibris unterschiedlicher Stilrichtungen, möglichst in originaler Größe, mitunter auch in vergrößerter Form. Die Auswahl berücksichtigt kunstgeschichtliche wie motivische und stilkritische Merkmale. Sie schlägt einen weiten Bogen von der Inkunabel- und Dürerzeit (Willibald Pirckheimer) über die Aufklärung — vgl. Chodowieckis, seinen Träger kennzeichnendes Etikett: „Friederici Nicolai et Amicorum" — bis hin zum 19. Jh., gegen dessen Ende die moderne Exlibris-Bewegung ihren Anfang nahm, und zur Gegenwart, die u. a. mit zwei ausländischen Beispielen vertreten ist. Jedes Einzelstück wird beschrieben und biographisch eingeordnet. Aus der Fülle der Motive, die Funke in seinem zusammenfassenden Essay anschlägt, seien herausgegriffen: Vorformen sog. Exlibris in alter (Ägypten) und (spät)mittelalterlicher Zeit, die Bedeutung des Auftraggebers, zu denen auch Bibliotheken und Verlage gehörten, Spielarten und Sonderformen sowie Sinn und Grenzen der Exlibris-Bewegung, die der jeweiligen Geschmacksrichtung unterworfen war, sich aber auch individuellen Forderungen und künstlerischen Fähigkeiten anzupassen verstand. Als weitere Kostprobe stellte uns Funke ein Jahr später 36 „Schreibmeisterblätter" aus vier Jh.en vor (4), kalligraphische Schriftmuster also, die als Schreib- oder Druckvorlagen, meist zu Lehrzwecken, von anerkannten Schreibmeistern gezeichnet und sodann gestochen * Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf den lesenswerten Bericht v. H.-M. Pleßke, Leipzigs Musikverlage einst und jetzt (Jb. der DB 1, 1965, S. 59—93). Er versteht sich als ein Teilbeitrag zur noch nicht geschriebenen Geschichte des deutschen Musikalienhandels, an dessen Entwicklung gerade J. G. I. Breitkopf bekanntlich bahnbrechenden Anteil hatte.
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wurden. Die Sammlung reicht von der Musterfraktur des Joh. Neudörffer aus Nürnberg (1538) bis zu dem schon vom ernüchternden Empire-Stil beeinflußten Rudolph Müller aus Leipzig (1804), konzentriert sich allerdings stark auf das lehrhafte 18. Jh. Sie beschränkt sich mit Bedacht auf deutsche Beispiele, die uns Entwicklung und Wandlung allein der gebrochenen Schriftform in ihren verschiedensten Ausprägungen deutlich machen. Die (allzu kurze) Einführung des Vf.s umreißt stilbildende und kulturfördernde Wirkungen von Schreibschulen und erläutert die wichtigeren historischen Stationen, wie sie hier bildlich vorgeführt werden. Die jüngste Neujahrsgabe (5) nimmt das Gutenberg-Jubiläum (G. starb 1468) zum Anlaß, die Träger des nach ihm benannten Preises mit repräsentativen Arbeiten vorzustellen. Den Preis verleiht seit 10 Jahren ein von der Stadt Leipzig berufenes Kuratorium „als Anerkennung für eine der . . . Buchkultur dienende geschlossene Leistung an Buchkünstler" (auch graphische Betriebe, Verlage u. ä. Institute) inner- und außerhalb der DDR. Unter den 16 bisher Ausgezeichneten, von denen zugleich Kurzbiographien gegeben werden, befinden sich Buchkünstler wie Horst Erich Wolter (1959; Leipzig), der die graphische Betreuung dieser ganzen Reihe in der Hand hat, Werner Klemke (1962; Ost-Berlin), Fritz Helmuth Ehmcke (1963; gest. 1965), Jan Tschichold (1965; Tessin), ferner die Leipziger Offizin Andersen-Nexö (1960; früher Haag-Drugulin) oder der dortige Reclam-Verlag. Das (nicht gezeichnete) Vorwort erläutert die in dieser Ehrung Gutenbergs und der Pflege seines Werkes durch die Buchstadt Leipzig zum Ausdruck kommenden Motive des (ebenfalls ungenannten) Preisgerichts. Der gleiche Anlaß übrigens gab Helma Schaefer den Anstoß zu ihrem mutigen, notgedrungen etwas kursorisch geratenen Versuch, die „Wege und Wandlungen der Gutenbergforschung" in ihrem jeweiligen Zeitzusammenhang nachzuzeichnen ( = d) 4, 1968, S. 31 — 58); dankenswert ist die Einbeziehung auch der Inkunabelkunde und der ausländischen Forschung sowie der Nachdruck, mit dem auf die vielen noch offenen Fragen hingewiesen wird. — Angesichts dieser nach Thematik und Aufmachung insgesamt so lehrreichen und reizvollen Reihe sei erneut dem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß die Hefte nicht einem größeren interessierten Leserkreis zugänglich gemacht werden. Und könnten nicht auch andere deutsche Bibliotheken diese hierzulande junge Tradition aufgreifen? Mit den bisher skizzierten buchgeschichtlichen Forschungen und Arbeitsergebnissen ist jedoch das diesbezügliche in den vorl. DB-Schriften ausgebreitete Material noch nicht vollständig zitiert. Auch die letzte der eingangs gen. Publikationen ( = d)) enthält Beispiele für die fortgesetzte Pflege dieses Forschungsbereichs an der DB. — An speziellen Einzelabhandlungen liegt vor zunächst die Beschreibung und historische Einordnung eines neu entdeckten, nunmehr restaurierten Bucheinbandes der Inkunabelzeit (Fritz Funke, Der vierzigste Richenbach-Einband, Jb. der DB 3, 1967, S. 101 — 107). Er stammt von dem bekannten Einbandkünstler Johann Richenbach (gest. 1486), wurde um das Jahr 1470 hergestellt und gehörte der früheren Bibliothek des Börsenvereins, die heute ein Teil des Buch- und Schriftmuseums ist. Eine weitere von der DB verwaltete wichtige Sondersammlung ist die noch keineswegs ausreichend erschlossene Reichsbibliothek der Nationalversammlung von 1848/49. Zu ihr gehört seit 1952 „Das Eisenstuck-Album von 1849 — ein kostbarer Besitz der DB", dem ihr 1964 gest. Leiter Albert Paust eine längere Untersuchung widmete (ebd. 2, 1966, S. 53—91). Diese orientiert sich im wesentlichen an den beteiligten Persönlichkeiten, dem sächsischen Wirtschaftspolitiker und demokratischen Paulskirchenabgeordneten Jakob Bernhard Eisenstuck, der das Album während der Sitzungen kursieren ließ, sowie den 33, überwiegend links eingestellten Mitabgeordneten mit ihren Widmungseintragungen, die — unterschiedlich an Gewicht — sämtlich abgedruckt werden. Den
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Versuch einer Einschätzung dieser gewiß lohnenden Geschichtsquelle unternimmt, in Anlehnung an das zeitgenössische Urteil von Marx, die Mitarbeiterin von P., Helma Schaefer. Stärker aufs Allgemeine gerichtet sind drei weitere, thematisch verwandte Aufsätze. — Erich Schwanecke beschreibt detailliert „Die Sammlung ,Künstlerische Drucke' der D B " ( J g . 4, 1968, S. 59—92), die — von ihm selbst geleitet — seit 1950 gleichfalls mit dem Buch- und Schriftmuseum vereinigt ist. Sie entstand schon in der Anfangsphase der DB (1917) als eine unter bestimmten formalen oder ästhetischen Gesichtspunkten dem allgemeinen Buchbestand entnommene Sondersammlung. Die längste Zeit hindurch betreute sie liebevoll der Bibliothekar und Bibliophile Julius Rodenberg (1921 — 1952), der für die nötige Publizität sorgte, sie zu einem erstrangigen, von Kennern gern besuchten Spezialinstitut ausbaute und sowohl ihre bibliographische Erschließung in die Hand nahm wie ihre sehr differenzierte Katalogisierung in die Wege leitete. Sie überstand den Krieg nahezu unversehrt und sieht heute mit ihrem allseitig abgerundeten Buchbestand, der auch ausländische Literatur in Auswahl einschließt, in einladenden Räumen einer neuen Entfaltung und neuen Aufgaben entgegen. Mehr ins Grundsätzliche schlägt die historisch-systematische Untersuchung von Fritz Funke über „Bibliothek und Museum" ( J g . 1, 1965, S. 37 — 58), d. h. über deren Abgrenzung und deren lange Zeit sehr inniges Verhältnis, soweit es „das Buch als Gegenstand der Sammlung und Erschließung . . . betrifft" (S. 37). Erst im 19. Jh. setzt eine deutliche institutionelle Scheidung ein, wie am Beispiel der Leipziger Stadtbibliothek gezeigt wird. F. schließt seine lesenswerten Ausführungen mit einer Andeutung der Arbeitsprinzipien, wie sie sein Buch- und Schriftmuseum zu verwirklichen trachtet. Auch das „Deutsche Papiermuseum" ist ein Teil des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. Aus seiner Arbeit berichtet mit überraschenden Ergebnissen dessen Leiter Wisso Weiß, „Wasserzeichen im Maschinenpapier" ( J g . 2, 1966, S. 93—111). Er erläutert unter dem gen. Aspekt die Entwicklung der Papiertechnik in den letzten anderthalb Jh.en und die Bedeutung dieser Disziplin auch für andere Wissenschaftszweige. Nur wenige Beiträge behandeln die Geschichte der Bibliothek selbst. — Fritz Schaaf berichtet, in erster Linie auf Grund der Akten der DB, über „Die Existenzkrise der DB 1923 bis 1924 und ihre Uberwindung" ( J g . 2, 1966, S. 37—51). Es war dies die wohl ärgste wirtschaftliche Bedrohung, welcher die DB in ihrer bald 60jährigen Geschichte ausgesetzt wurde. Sie führte Ende 1923 u. a. zur Entlassung vieler Mitarbeiter und zu einer zeitweisen Einstellung aller Benutzerdienste. Dank einer großangelegten Selbsthilfeaktion und Spenden aus dem In- und Ausland, insbesondere der Sowjetunion, konnte der eigentliche finanzielle Engpaß nach einem halben Jahr als überwunden gelten. Helmut Rötzsch (der jetzige Generaldirektor) und Helmut Lohse referieren anläßlich des 50. Jahrestages der Oktoberrevolution, ebenfalls unter teilweiser Auswertung der Akten, zusammenfassend, informativ, mitunter kritiklos, über „Die Beziehungen der DB zur Sowjetunion" ( J g . 3, 1967, S. 9 — 37). Waldemar Krieger schließlich beschreibt den überaus großzügig geplanten und 1 9 5 9 - 1 9 6 5 durchgeführten „Zweiten Erweiterungsbau der D B " ( J g . 2, 1966, S. 1 5 4 - 1 6 3 ) mit allen wünschenswerten Details (Gesamtkosten über 8 Mill. Mark). Als Schlußgruppe sei der Vollständigkeit halber eine Reihe von Fachaufsätzen zusammengefaßt, die nicht historische Themen behandeln, sondern auf aktuelle, derzeit in Fachkreisen erörterte bibliothekarische und bibliographische Fragen eingehen. An dieser Stelle dürften die reinen Zitate genügen: Hans Geßner, Fachlesesäle und Lesesaalsysteme. Ein Uberblick über moderne Tendenzen in wissenschaftlichen Universalbibliotheken (3, 1967, S. 81 bis 100); Helmut Lohse u. Horst Halfmann, Die Sammelgrundsätze der Nationalbibliotheken einiger sozialistischer Länder (nämlich der Sowjetunion, der Tschechoslowakei, Polens, Ungarns und Bulgariens; auch die DB wird herangezogen) (2, 1966, S. 9—35); Gerhard
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Pomaßl u. Gottfried Rost, Die Bibliographie im System der Information (1, 1965, S. 9 bis 35; die beiden Autoren plädieren u. a. für fachliche Absprachen und Kontakte zwischen den Bereichen der Bibliographie und der Dokumentation); Heinz Höhne, Über den Fortgang der Arbeiten am neuen Regelwerk für die alphabetische Katalogisierung im deutschsprachigen Raum (3, 1967, S. 39—79; die von der DB wesentlich geförderte Fertigstellung dieses sehr notwendigen Werkes, eines Gemeinschaftsunternehmens aller betroffenen Staaten, steht leider noch nicht in Aussicht). Nicht unerwähnt bleibe endlich die Kategorie der nicht fachgebundenen regelmäßigen Berichte, die zusammen durchschnittlich den halben Umfang jedes Bd.es ausmachen. Es sind dies vor allem die ausführlichen (übrigens nicht unkritischen) Tätigkeitsberichte über die sehr beachtenswerten Leistungen der DB im jeweils abgelaufenen Kalenderjahr (1, 1965, S. 9 5 - 1 5 8 ; 2, 1966, S. 1 1 3 - 1 5 3 ; 3, 1967, S. 1 0 9 - 1 5 3 ; 4, 1968, S. 9 3 - 1 4 5 ) ; lediglich der 1. Jg. enthält einen 5-Jahresbericht über die Ergebnisse der Jahre 1960—1964 und knüpft damit an frühere Übersichten und überhaupt an eine alte Tradition der DB an. Auch die absolut zuverlässige, systematisch geordnete und nahezu komplette laufende „Bibliographie zur Geschichte der DB" für die Jahre 1962/64 bis 1967, nunmehr bearbeitet im wesentlichen von Sigune Mallachow, setzt mit ihren pro Berichtsjahr etwa 150 Titeln (dazu Rezensionen und dankenswerte Annotationen) die gleichnamige retrospektive Bibliographie aus der Festschrift des Jahres 1962 (vgl. JGMOD 12, 1963, S. 452—455) ebenso votbildlich fort. Schließlich wird der Inhalt sowohl der Bibliographie wie der Einzelbeiträge jedes Bd.es durch genaue und übersichtliche Register, wie sich dies bei den Publikationen der DB schon von selbst versteht, erschlossen. Berlin
Werner
Schochow
HELBIG, Herbert: Universität L e i p z i g . — Frankfurt/M.: Weidlich 1961. 126 S. mit Abb. = Mitteidt. Hochschulen, Bd. 2. DM 11,50. In der Reihe „Mitteldeutsche Hochschulen" nimmt die knappe Skizze der Geschichte der Universität und Handelshochschule Leipzig aus der Feder H. Helbigs zweifellos eine Spitzenstellung ein. Mit gründlicher Sachkenntnis und klarer Konzeption, mit innerer Anteilnahme am Gegenstand und tiefschürfender Reflexion, mit eindringlicher Darstellung und bewußt betonten Stellungnahmen schildert er Entstehung und Entwicklung, Blüte und Niedergang einer der bedeutendsten Hochschulen Deutschlands. In den beiden ersten Kapiteln („Anfänge und Entwicklung bis zur Mitte des 16. Jh.s" und „Die alte Universität") steht die Hochschule als Gesamtheit im Mittelpunkt der Darstellung. Im 3. Kapitel „Höhepunkt und Verfall" geht Vf. von diesem Prinzip ab, indem er zunächst die vier großen Fakultäten (die theologische, juristische, medizinische und die philosophische), sodann die Naturwissenschaften und am Ende des Kapitels die Handelshochschule jeweils für sich untersucht. Der ersten Blütezeit als Universitas Scholastica im 15. Jh. und als humanistisch reformierte Hochschule bis 1553 folgte dann eine Epoche, in der die Bedeutung der Alma mater durch ihre Verstrickung in die Lehrstreitigkeiten des Protestantismus und die schließliche Herrschaft einer engen lutherischen Orthodoxie, zugleich durch die Folgen des 30jährigen Krieges und das Überhandnehmen des Pennalismus, nicht unerheblich zurückging. Der Kampf gegen die Aufklärung (Pufendorf, Thomasius, Francke, Christian Wolff) ist dafür symptomatisch. Wie sich die Aufklärung erst allmählich hatte durchsetzen können, so vollzog sich auch der Ubergang zur modernen Universität im Sinne der Humboldtschen Bildungsidee nur langsam und erfüllte die Jahrzehnte von 1812—1830. Landesherrliche Fürsorge für die Entwicklung der Hochschule, vor allem auch für ihre Dotation, hat zu allen Zeiten neben einer immer stärker werdenden Einheit und einem Austausch von Bürgertum
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und Universität die bedeutendste Funktion gehabt bei ihrem allmählichen Aufstieg zu internationaler Geltung und zeitweise zu Deutschlands größter Universität. Die entscheidenden Impulse dafür hat die Zeit des 19. Jh.s gegeben: König Johann, die Kultusminister von Falkenstein und von Gerber, beide auch Lehrer der juristischen Fakultät, aber auch der von Heibig nicht genannte Finanzminister Richard Freiherr von Friesen wären hier zu nennen. Die Höhe, die Leipzig vor 1914 errungen hatte, konnte zwischen beiden Weltkriegen noch bewahrt werden, wie die Fülle der Namen bedeutender Gelehrter, die an ihr tätig waren, bezeugt. Auch für Leipzig bedeutete der Nationalsozialismus einen schweren Aderlaß, und das um so mehr, als hier stärker als anderswo der Widerstand gegen den Ungeist sowohl unter Studenten wie Dozenten sich geregt hatte (S. 103 ff.). Der Krieg hat die Universität überaus schwer getroffen. 70 der 92 Institute und Kliniken wurden durch die Luftangriffe vom 4. Dezember 1943 bis 6. April 1945 schwer getroffen oder gänzlich zerstört. Daß die Machthaber der SBZ viel getan haben, um die Funktionsfähigkeit der Universität wiederherzustellen, ist nicht zu leugnen. Doch gleichzeitig lief der Prozeß der Sowjetisierung der Hochschule unaufhaltsam ab. Heibig schildert ihn eindringlich aus eigenem Miterleben heraus (S. llOff.). Berlin
Richard Dietrich
Karl: Die Leipziger Mundart. Grammatik u. Wörterbuch d. Leipziger Volkssprache. Zugleich e. Beitr. z. Schilderung d. Volkssprache im allgemeinen. Mit e. Vorw. von Rudolf Hildebrand. — (Unveränd. Nachdr. d. Originalausg.) Leipzig 1881. — (Leipzig: Zentral-Antiquariat d. Dt. Demokrat. Republik 1965.) X V I I I , 243 S. D M 44,— . Bergakademie kultiviert, 20 °/o Ackerfläche waren verödet, Wiesen bedeckten 6 %>, Wald und Weide 35 o/o. — Konrad F r i t z e unternimmt den Versuch, Zahl und berufliche Aufgliederung von „Stralsunds Bevölkerung um 1400" (S. 15—28) näher zu bestimmen. D e r nützliche, Rostock, Wismar und Lübeck vergleichsweise berücksichtigende Beitrag, Teil umfassenderer Studien, zeigt, d a ß Stralsund um 1400 etwa 13 000 Einwohner gehabt haben kann. — Hellmuth H e y d e n befaßt sich mit „Jürgen Wullenwevers ,Grafenfehde' und ihren Auswirkungen auf Pommern" (S. 29—41), die H . in der Schwächung der Stellung Stralsunds nach dem Scheitern Wullenwevers und, damit korrespondierend, in der Entscheidung d e r Herzöge sieht, mit der unverhofften Einführung der Reformation den widerspenstigen Städten die gegen die Laradesherrschaft gerichtete Parole „Kampf f ü r die Freiheit des Evangeliums" aus der H a n d zu schlagen. Ein instruktiver Beitrag mit durchdachten Gesichtspunkten. — „Eine Chronik der Stadt Richtenberg" (S. 43—52) durchblättert Klaus-Peter Z o e 11 n e r. — Ernst J a g d m a n n beschreibt „das Elektrizitätswerk und die Straßenbahnen in Stralsund" (S. 53—66) aus der Sicht des Kommunalangestellten. — Ernst-Joachim K r ü g e r bringt lokale Nachrichten „zum Kampf Greifswalder Antifaschisten in einer Gruppe des Nationalkomitees Freies Deutschland 1944/1945" (S. 67—77). — In seinen „Studien zur Entwicklung des Erholungswesens an d e r Ostseeküste der D D R von 1945—1965" T. 1, einen Beitrag der ökonomisch-geographischen Regionalforschung", belegt Bruno B e n t h i e n mit aus Schweriner Akten stammenden Statistiken, daß 1951 der Vorkriegsstand im Erholungswesen, zudem „mit fortschrittlichem Inhalt", erreicht worden ist; welche Folgen im Einzelfall die Beseitigung der Landesregierungen 1952 gehabt hat, geht u. a. daraus hervor, daß sich erst im September 1953 der Rat des Bezirkes Rostock „mit den Fragen und Problemen der Ostseebäder" zu befassen begann (S. 79—97). — Ingrid S w a r 11 i n g entscheidet sich in ihrem Beitrag „Pilger- oder Gefängniszellen in Zisterzienserklöstern" (S. 115—124), einem Exkurs zu ihren Untersuchungen der mittelalterlichen Klöster Schwedens, d a ß ein kleiner Keller unter dem Auditorium von Alvastra (östgötland) ein Karzer gewesen sein müsse, wie auch in Eldena, Altzelle, Loccum und Marienthal. — Die restlichen Beiträge bereichern die Kulturund Literaturgeschichte: Werner B u c h h o l z : „Das Amt der Bader und Wundärzte. Zur Geschichte der Chirurgie in Stralsund" (S. 125—162), mit Abb. und Abdruck eines Teiles einer Prüfungsordnung von 1637. — Käthe R i e c k : „Das Gürtlerhandwerk in Stralsund 1743—1954" (S. 163—205), nach Innungsarchivalien, mit Abb. — Friedrich G i e s e : „Quellensammlung zur Musikgeschichte Greifswalds" (S. 207—223). — Dietrich W. P r o s t : „Die Stellwagen-Orgel in der Marienkirche zu Stralsund. Beschreibung und Geschichte" (S. 225 bis 251). — Willi N i t s c h k e : „Zu einigen Bürgerporträts von Jacob Christoph Ringk" (1793—1849) (S. 253—259). — Arne G u s t a v s : „Albert Einstein. Seine Beziehungen zu Hiddensee und zu Gerhart H a u p t m a n n " (S. 275—283). — Winfried Z i m d a h 1 : „Die Sprachsituation im Kreise Pasewalk. Hochdeutsch-Niederdeutsch" (S. 285—291). — HansJoachim M e y e r : „Die Beziehungen des Menschen zur Landschaft des Ostseegebietes in epischen Darstellungen gesellschaftlicher und individueller Konflikte unter besonderer Be-
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MECKLENBURG UND POMMERN
rücksichtigung zweier Romane Herbert Nachbars" (S. 293—305), weicht einer literarkritischen Würdigung der Ostsee-Gegenwartsliteratur aus. Berlin Greifswald-Stralsunder
G. Heinrich Jahrbuch
7,
1967
Wolfgang H o r n e m a n n liefert einen Beitrag „Zu den Wüstungen im Westteil des Landes Wusterhausen 1 2 0 0 — 1 3 0 0 " (S. 7—23), der sich auf Oberflächenfunde und die schriftlichen Zeugnisse stützt. D e r Aufsatz ist außerordentlich interessant, weil er für die Eldenaer Klosterdörfer an diesem Teil des Greifswalder Boddens aufschlußreiche Einblicke in den gestreckten Vorgang der Herrschaftsbildung und Umsiedlung, die kein „mutwilliges oder gewaltsames Legen von Dörfern" war, gewährt. Ähnlich wie in Teilen der Mark Brandenburg finden die Wüstungen der Zeit 1200—1300 von daher eine überzeugende Erklärung. Die überalterte Agrarwirtschaftsstruktur wurde reformiert, die Bausubstanz zugleich erneuert. H . betont, daß am Landesausbau Slawen mitgewirkt haben müssen. „Nationalitätenfragen gab es damals nicht." U m 1271 finden sich bereits in den 1248 noch slawischen Dörfern nach deutschem Recht besessene Hufen, die mindestens zum Teil von den slawischen Bewohnern der aufgelassenen Kleinsiedlungen, vermutlich auf Weisung der Eldenaer Äbte, übernommen worden seien. Die letztlich entscheidende Ursache der Umlegung, so wird man zu folgern haben, dürfte die Einsicht der monastischen Agrarpraktiker gewesen sein, daß gerade in einem Gebiet mit starker slawischer Bevölkerungssubstanz und geringer deutscher und dänischer Zuwanderung nur durch eine Neuanlage größerer und funktionstüchtigerer Höfe (mit deutschem Abgaben-, Dienst- und Gerichtsverfassungs-Recht) Beständigkeit und Steigerung der Erträge zu erzielen sei. — Rudolf B i e d e r s t e d t ediert „Eine neue Handschrift des Seerechts von Damme des Stadtarchivs Greifswald" (S. 25—54), die etwa zwischen 1433 und 1437 entstanden ist. Wesentlich ist die Konkordanz zu 15 anderen ähnlichen Seerechts-Aufzeichnungen. — Der Aufsatz von Gerhard H e ß über „Das Küstengebiet Vorpommerns im Spiegelbild historischer Karten" (S. 55—57) befaßt sich vor allem mit der Lagegenauigkeit und wird durch 16 Abb. gut erläutert. — Für Loitz legen Eginhard W e g e n e r und Peter E n g e l m a n n eine stadtgeographische Standortbestimmung vor („Industrie-Agrarzentrum kleinster Art"), deren exakte Ergebnisse lediglich des Vergleiches bedurft hätten (S. 79—104). — Ein wertvolle Ergänzung zu der Arbeit von Berthold Schulze über die Reform der Verwaltungsbezirke 1809—1818 und zugleich ein Beitrag zur vorpommerschen Kreisverwaltungsgeschichte bildet die Studie des Greifswalder Staatsarchivars Joachim W ä c h t e r über „Die Bildung des Kreises Ueckermünde und seine gebietsmäßige Entwicklung seit 1918" (S. 105—124, 2 Kten.). — Peter G e n z berichtet über den „Kampf antifaschistischer K r ä f t e des Kreises Crimmen gegen Faschismus und Krieg in den Jahren des 2. Weltkrieges" (S. 125—133). — Bruno B e n t h i e n setzt seine materialreichen „Studien zur Entwicklung des Erholungswesens an der Ostseeküste der D D R von 1945 bis 1965" (S. 135—161) fort. Die ungewöhnlich niedrigen BadegastZahlen für Binz, Sellin und Baabe für 1953 (Tab. 13) hätten einer wie auch immer gearteten Erläuterung bedurft. — Die weiteren Beiträge können hier nur angezeigt werden: Renate W i n t e r : Zum niederdeutschen Wort- und Namengut im Stralsunder „Liber memorialis" des 14. Jhs. (S. 163—174). — Werner B u c h h o l z : Das Amt der Barbiere und Chirurgen in Stralsund. Zur Geschichte der Chirurgie in Stralsund, T . I I (S. 175—210, 10 Abb.). — Christa P i e s k e : Die Stammbücher im Kulturhistorischen Museum Stralsund (S. 211—230). — Wolfgang R u d o l p h : Boote der pommerschen Haffe und Bodden zwischen Recknitz und Nogat (S. 231—241, 7 Abb.). — K a r l B a u m g a r t e n : Das Hallenhaus im Greifswalder Universitätsdorf (S. 243—258, 7 Abb.). — Wilhelm B r a u n : Adjunkt Wortberg.
41*
644
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
Freund und Mitarbeiter -des schwedischen Philosophen Thorild? (S. 259—266). — Dietrich W. P r o s t : Die Stellwagen-Orgel in der Marienkirche zu Stralsund. Beschreibung und Geschichte (S. 267—293, 9 Abb.). — Klaus H a e s e : Die Greifswalder Bronzetür [am Rathaus, 1965] (S. 295—307, 13 Abb.). Berlin
G. Heinrich
Unser Pommern, 4, 1966 [Fortgesetzt unter dem Titel „Pommern".] Neben kurzen Beiträgen über die Landkreise Grimmen, Schlawe, Greifswald, Rummelsburg, Neustettin folgende Aufsätze: B l e c k w e n n , Hans: Pommersche Truppen zur Zeit des Siebenjährigen Krieges. H. 1, S. 3—8, H. 2, S. 21—26 und H. 3, S. 18—24. E g g e r s , Hans-Jürgen: Vorgeschichtliche Bernsteinarbeiten aus Pommern. H. 1, S. 24—27. G r a n z o w , Klaus: Sinnbild ,herrlicher Qualitäten': der Vogel Greif. Eine Studie über das pommersche Wappentier. H. 1, S. 1—2. K a s i s k e , Ernst: Rügenwalde. H. 1, S. 18—22. L u c h t , Dietmar: Die Reformation in Pommern. H. 4, S. 24—26. M ö l l e r , Achim D.: Älteste Kartendarstellungen von Pommern. H. 4, S. 21—23. W e h r m a n n , Martin: Die Korporation der Stettiner Kaufmannschaft. [Forts, aus Unser Pommern 3, 1965, S. 8—10; Artikel aus dem Jahre 1921.] H. 1, S.9—12. Z a h n o w , Ernst: 700 Jahre Stadt Köslin. H. 2, S. 1—6. —,—: Vor 300 Jahren. Verlegung der Universität Greifswald nach Stettin? H. 4, S. 3—4. Pommern 5, 1967 Neben kurzen Beiträgen über die Landkreise Demmin, Schlodiau, Ueckermünde und Flatow folgende Aufsätze: E g g e r s , Hans-Jürgen: Pommersche Schwerter der späten Wendenzeit und das „Reidisschwert" in der kaiserlichen Schatzkammer in Wien. H. 2, S. 4—5. L i e r m a n n , Waltraut: Daniel Heinridi Baleke. Ein Feldprediger Karls X I I . H. 2, S. 26—28. S t a b e r o c k , Richard: Greifswald. Tor zum Osten — Brücke zum Norden. H. 1, S. 11—13. —,—: Burg Zantock — „Troja des Ostens". Grenzfeste an der pommersdi-polnischen Scheidelinie im Mittelalter. H. 2, S. 1—3. W e h d e - T e x t o r , O.: Pommern und seine Eisenbahnen bis zum Ausgang des zweiten Weltkrieges. H. 2, S. 16—20, H. 3, S. 19—20, H. 4, S. 29—33. Allgemeines S c h i l d h a u e r , Johannes: Forschungen zur pommerschen Geschichte. Literaüurbericht über die wichtigsten in der D D R publizierten bzw. noch unveröffentlichten Arbeiten. Wiss. Zs. der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, S. 1—13. G o l c z e w s k i , Kazcmierz: Aus der Arbeit des Westpommerschen Instituts in Szczecin. Heimatkundliches Jb. Bezirk Neubrandenburg 1, 1966, S. 218—222. C a r l s s o i i , Sten: Schweden und Pommern in der neueren Geschichte. Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 262—278. H i n k e 1, Heinz: Pommersche Karten in der Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Zs. für Ostforschung 16, 1967, S. 342—353.
645
MECKLENBURG UND POMMERN
H o 11 2 , Adalbert: Die pommerschen Bildsteine. [ V e r f . gibt einen Fundkatalog, eine Verbreitungskarte und Abbildungen der Denkmäler, die nadi Bearbeitung und Darstellungen als Grabsteine der ersten Missionszeit erklärt werden.] Baltische Studien 52, 1966, S. 7 — 3 0 . Krogmann,
Willy:
Gerhart Hauptmann und Pommern.
Baltische Studien 52,
1966,
S. 105—132. L u c h t , D i e t m a r : Die letzte Kriegsphase in Pommern. Baltische Studien 52, 1966, S. 9 9 — 1 0 4 . P e t e r s , J a n : U n t e r der Krone Schwedens. Zum 150. Jahrestag der Beendigung der Schwedenherrschaft in Pommern. Zs. für Geschichtswissenschaft 14, 1966, S . 3 3 — 5 1 . Schlauck,
Siegfried: Schule und Kirche in Vorpommern, besonders auf Rügen seit der
Reformation. Herbergen der Christenheit 1967, S. 9 — 2 5 . Silski,
Zygmunt: Kierunki rozwoju malych miast w wojewödztwie szczecinskim.
(Die
Entwicklung der kleinen Städte in der Wojewodschaft Stettin.) Przegl^d zachodnio-pomorski, 1967, H . 1, S . 7 1 — 9 1 . Slaski,
K a z i m i e r z : Pomorze (Pommern) og det tidligere Preussen i polsk middelalder-
forskning 1 9 4 5 — 1 9 6 5 . (Pommern und das frühere Preußen in polnischer Mittelaltersforsdiung 1 9 4 5 — 1 9 6 5 . ) [Eine Literaturübersicht. Die Absicht des Verfassers ist gewesen, die withtigsten Ergebnisse der polnischen Geschichtsforschung in diesem Gebiet zu erwähnen. Besondere Berücksichtigung hat er auf die Probleme vom Interesse für skandinavische Forscher genommen. Geographische Begrenzung hauptsächlich: West-Pommern, Danziger Pommern und Chelmno-Gebiet.] Historisk tidsskrift 45, 1966, S. 2 4 2 — 2 5 9 . S p r u t h , H e r b e r t : Die schottischen Fife ( F y f ) als PfeifF(e) in Pommern und Schweden. Ostdeutsche Familienkunde 15, 1967, S. 3 3 7 — 3 4 1 .
Einzelne Bezirke und Ortschaften Holtz,
Adalbert: Ist der „Cordula"-Schrein aus dem Domschatz Cammin verloren? Be-
richt und Dokumentation. Baltische Studien 52, 1966, S. 1 3 3 — 1 3 7 . Warnke,
D i e t e r : Eine mittelalterliche
Töpferei
von Daberkow, Kreis Demmin.
Bau-
denkmalpflege in Mecklenburg 1966, S. 2 5 7 — 2 7 3 . S a u e r , B r u n o : Mitglieder des Tuchmacheramts zu Greifenhagen a. d. Oder. (6. Fortsetzung und Schluß.) Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 146—155 und S. 174—176. Bruhn,
M a x : Magistrat, Schule und Geistlichkeit im 18. Jahrhundert in Grimmen. Ost-
deutsche Familienkunde 14, 1966, S. 2 5 2 — 2 5 3 . J ä g e r , Dieter: Holzkohle- und Getreidefunde aus der kaiserzeitlichen Siedlung von Klein Kedingshagen, K r . Stralsund. Bodendenkmalpflege in Mecklenburg 1967, S. 2 6 7 — 2 6 9 . Leube,
Achim: Kaiserzeitliche Kalkbrennöfen von Klein Kedingshagen, K r .
Stralsund.
Bodendenkmalpflege in Mecklenburg 1967, S. 2 4 5 — 2 6 6 . Boehn,
Siegfried v o n : Das Rittergut Klein-Lüblow, K r . Lauenburg/Pom., und seine B e -
sitzer. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 2 2 9 — 2 3 4 . Richert,
H a r a l d : Die pommerschen Dorfschulzen Richert in Marwitz/Oder. Ostdeutsche
Familienkunde 14, 1966, S. 2 5 4 — 2 5 5 . Steinmann,
Paul: Chronik der Stadt Burg Stargard und ihrer Gemarkung im Rahmen
der Landesgeschichte. Teil V I I I , f, 2 und 3 und V I I I g, 1 und 2. [Teil I — V I I I , f, 1 siehe Das Carolinum N r . 2 9 — 3 6 und N r . 3 8 — 4 4 . ] Das Carolinum 45, 1966, S . 6 9 — 8 0 ; 46. 1966/67, S. 2 5 — 3 4 ; 47, 1967, S. 6 9 — 7 6 und 48, 1967/68, S. 5 7 — 7 0 .
646
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
B r a u n s , Paul / L o e c k , Karl / W i n c k e l s e s s e r , Kurt: Stettiner Ratsgeschlechter. Familiengeschichtliche Mitteilungen 12, 1966, S. 21—22, S. 25—26 und S. 31—32 und 13, 1967, S. 35—39, S. 41—45, S. 47—61, S. 63—69 und S. 72—78. D u d y , Erich: Lübecker werden Bürger in Stettin — 1614 bis 1714. [Aus dem Stettiner Bürgerbuch.] Lübeckische Blätter 127, 1967, S. 145. W e i s s , Wisso: Zur Lumpensammeikonzession f ü r den Buchdrucker Hieronymus Struck in Stralsund. Gutenberg-Jb. 41, 1966, S. 18—24.
4. WEST- U N D OSTPREUSSEN Zeitschriften Beiträge zur Geschichte Westpreußens
1, 1967
C a m a n n , Alfred: Die Ordensburg Zantir auf dem Schloßberg von Wengern. S. 31—45. H e y m , Waldemar: Die Burg Zantir in Pomesanien. S. 18—30. E r h a r d t , Traugott: Graudenz — 1235 bis 1945. S. 65—107. M e i n h a r d t , Günther: Zur Baugeschichte der Festung Graudenz. S. 108—118. W a r s c h a u e r , Adolf: Die Geschichte des Streites um die Nationalität Copernicus. S. 46—64. W a s c h i n s k i , Emil: Probleme um den Namen der westpreußischen Stadt Riesenburg. S. 119—122. Jahrbuch Weichsel-Warthe
12, 1966 und 13, 1967
G e r k e , Wilfried: „Viele und große Entbehrungen und Aufopferungen." Aus den Briefen eines preußischen Beamten um 1800. [Uber das preußische Beamtentum in Polen.] 12, 1966, S. 123—126. H i e l s c h e r , Karl: Chastawe und Holländereien zwischen Neutomischel und Wollstein. 12, 1966, S. 110—122. K a r g e l , Adolf: Kloster Lond im Kalischer Land — eine deutsche Gründung. 13, 1967, S. 85—90. N a s a r s k i , Peter: Die deutsche Volksgruppe in Polen im Spiegel polnischer Legenden und Polizeiberichte. 12, 1966, S. 32—41. P h i l l i p p , Eduard: Das Schicksal der evangelischen Kirchengemeinde in Krakau. 13, 1967, S. 91—96. T r e i c h e l , Alexander: Das deutsche Lehrerseminar in Warschau und Lodz. 12, 1966, S. 85—95. Preußenland 4, 1966 und J, 1967 A r n o l d , Udo: De primordiis ordinis Theutonici narratio. S. 17—30. C o n r a d , Klaus: Bericht über die wissenschaftliche Tagung der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung in Göttingen [1966] und Bad Pyrmont [1967], 4, 1966, S. 37—46 und 5, 1967, S. 55—60. G u n d e r m a n n , Iselin: Zur nord-ostpreußischen Kirchengeschichte. Aus dem Archiv des Evangelischen Oberkirchenrats Berlin. Das Kirchspiel Lengwethen. 5, 1967, S. 1—7. G u t t z e i t , Emil Johannes: Die Lage des preußischen Feldes Janze, Jensee und die auf ihm entstandenen Ortschaften. 5, 1966, S. 5—9.
WEST- UND
647
OSTPREUSSEN
H e i n s i u s , Paul: Sammlungen und Forschungen zur Geschichte des Schiffsbaues in Ostund Westpreußen. 4, 1966, S. 5 1 — 5 7 . Hubatsch,
Walther: Zur nord-ostpreußischen Kirchengeschichte...
[wie o.] D i e letzte
General-Kirchen- und Schulvisitation in der Diözese Memel im J a h r e 1911. 5, 1967, S.7—11. K e y s e r , Erich: Lage und Bau der Marienkirche in Danzig. 5, 1967, S. 3 3 — 3 8 . Koeppen,
H a n s : Das Ende der Amtszeit des Hochmeisters Heinrich Dusemer. 4, 1966,
S. 1 — 5 . — , — : D e r „Nachlaß Moeller" im Staatlichen Archivlager Göttingen. [Archivbestände der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.] 4, 1966, S. 3 3 — 3 7 . L i m b u r g , H a n s : D e r Deutsche Orden und der Drachenfels. 5, 1967, S. 4 9 — 5 5 . P r o b s t , Christian: D e r Deutschordensritter G r a f Heinrich von Tübingen. 5, 1967, S. 1 7 — 2 8 .
Unsere Ermländische Heimat 12, 1966 und 13, 1967 F o x , Ursula: Polnische Bau- und Kunstdenkmalspflege im Ermland. 13, 1967, S. 9 — 1 0 . J u h n k e , L e o : D a s Ermland in zwei Weltkriegen. 12, 1966, S. 9 — 1 2 . P o s c h m a n n , A d o l f : Patrizierfamilie Schorn in Braunsberg. 12, 1966, S. 5 — 7 . T r i l l e r , Anneliese: D e r polnische Dialekt im südlichen Ermland. 12, 1966, S. 2 — 3 . — , — : Die Entstehung der Wallfahrt zum heiligen Kreuz bei Braunsberg. 12, 1966, S . 11 — , — : Die Statusberichte der ermländischen Bischöfe des 17. und 18. Jahrhunderts. 13, 1967, S. 6 — 7 .
Westpreußen-Jahrbuch
16, 1966 und 17, 1967
B a h r , Ernst: Bevölkerung und Wirtschaft in Thorn. 16, 1966, S. 4 2 — 4 9 . — , — : Der Marktflecken Tiegenhof 1570 bis 1820. [Weichsel-Nogat-Delta.]
17, 1967, S. 23
bis 28. B i n k , H e r m a n n : „Krieg ist bald a n g e f a n g e n . . . " Zwei schwäbische Hochmeister in Westpreußen. 16, 1966, S. 113—115. Dombrowski,
Heinrich: Grunav — Grunau.
[Zwischen Marienburg und Elbing.]
16,
1966, S. 1 3 6 — 1 3 9 . D o s t , Paul: 100 J a h r e Königliche Ostbahn in Berlin. 17, 1967, S. 8 3 — 8 8 . E r h a r d t , Traugott: Das Thorner Blutgericht von 1724. In memoriam J a k o b Heinrich Zernecke, Bürgermeister von Thorn. 16, 1966, S. 1 0 8 — 1 1 2 . — , — : Die preußische Festung Danzig. 17, 1967, S. 7 1 — 7 6 . Fischer,
P a u l : V o r 675 Jahren erhielt Graudenz Stadtrecht. 16, 1966, S. 7 2 — 7 4 .
Gallitsch,
Albert: Westpreußens Abstimmungsmarken. 16, 1966, S. 7 4 — 8 5 .
H e i d n , W i l l y : Das deutsche D o r f Schönberg im Kreise Karthaus. 16, 1966, S . 1 3 0 — 1 3 5 . — , — : Die nationalen Verhältnisse im Kreise Karthaus und die Grenzziehung 1920. 17, 1967, S. 1 3 7 — 1 3 9 . Josewski,
Erwin: Musikleben im Regierungsbezirk Westpreußen zwischen beiden K r i e -
gen. 16, 1966, S. 6 3 — 7 1 . K o r t h a 1 s , O t t o : Aus der Geschichte des Judentums in Westpreußen. 17, 1967, S. 4 2 — 4 7 . M e i n h a r d t , Günther: D i e Westpreußen im Feldzug von 1866. 16, 1966, S. 2 7 — 3 1 . — , — : Münzprägungen Elbings. 17, 1967, S. 3 3 — 4 1 . Ne ubach,
Helmut:
D e r Schlesier Anastasius Sedlag, Bischof von Kulm
1834—1856.
17, 1967, S . 7 7 — 8 2 . N e u m a n n , Rudolf J . : Polens Baltisches Institut. [Gegründet 1926.] 17, 1967, S . 6 5 — 6 9 .
648
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
Neumeyer,
GEBIETE
H e i n z : Die erste Teilung des Preußenlandes. Der Zweite Thorner Friede.
16, 1966, S. 1 3 — 1 8 . — , — : Zur Reformation in Westpreußen. 17, 1967, S. 1 0 — 1 6 . O h 1 h o f f , Gerhard: Brombergs erster Stadtbibliothekar Professor D r . Georg Minde-Pouet. [Gest. 1950.] 17, 1967, S. 5 5 — 6 0 . Strehlau,
H e l m u t : Die Gesellschaft für Familienforschung, Wappen- und Siegelkunde
in Danzig. 16, 1966, S. 1 9 — 2 7 . — , — : Aus der Gesdiichte der Familie Paleske in Westpreußen. 17, 1967, S. 1 2 7 — 1 3 1 . Waschinski,
E m i l : Ein Festmahl bei der Einführung des Prauster Predigers im J a h r e
1683. 17, 1967, S. 1 0 2 — 1 0 4 . W i c h m a n n , Georg: Der Obstbau auf der Elbinger Höhe. 16, 1966, S. 9 6 — 1 0 4 .
Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde
Ermlands 30, H. 3, 1966
[Der 30. Band dieser Zeitschrift umfaßt drei H e f t e , die in den Jahren 1960 (vgl. J G M O D , Ergänzungsband zu Band 11, 1967, S. 306), 1962 (vgl. J G M O D , Bd. 12, 1963, S. 529) und 1966 erschienen sind.] H i n z , M a r i a : Zur Gesdiichte der Elisabethschule des Städtischen Oberlyzeums in Braunsberg. S. 6 4 7 — 6 7 7 . M a t e r n , Georg: D i e Fisdiergilde in Ermland. S. 7 0 6 — 7 1 7 . Mielcarczyk,
Georg: Die Familie Koslowski. 300 J a h r e Gesdiidite einer Braunsberger
Familie. (1. Teil.) S. 7 1 9 — 7 5 8 . — , — : D i e Fischerei in den Dörfern der Passargemündung. S. 6 7 8 — 7 0 4 . R o s e n b e r g , Bernhard Maria / T r i l l e r , Anneliese / B 1 u d a n , Michael: Aus der Gesdiichte des Gymnasiums zu Braunsberg. S. 4 9 6 — 6 4 6 . S c h m a u c h , H a n s : Die kirchenreditliche Stellung der Diözese Ermland. S. 4 6 5 — 4 9 5 .
Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde
Ermlands 31132, 1967/68
Nach dem Tode von Hans Sdimauch ( f 12. 8. 1966), dem die ermländische Geschichtsforschung zahlreiche wegweisende Arbeiten und zu einem guten Teil die Wiederbelebung nach 1945 zu danken hat, wird die Zeitschrift, nunmehr in einem Bande und typographisch modernisiert, von Ernst Manfred W e r m t e r herausgegeben. Leo J u h n k e zeichnet den Lebensweg von H . Schmauch nach (S. 7 — 1 6 ) , W e r m t e r steuert die Bibliographie Schmauch (S. 1 7 — 4 0 ) bei, die sich nicht nur durch Vollständigkeit (396 Nrn.), sondern audi durch
bibliographisch-
bibliothekarische Exaktheit auszeichnet. — Anneliese T r i l l e r setzt ihre Studien zur kirchlichen Geistesgeschichte des spätmittelalterlichen Ermlands mit einem Beitrag über „Jugenderinnerungen an die Heimat im Werke des Kartäusers Dominikus von Preußen ( 1 3 8 4 — 1 4 6 0 ) " (S. 4 1 — 5 8 ) fort. — Größeren Raum nimmt eine Hamburger Diss. (1965) von Inge Brigitte M ü 11 e r - B 1 e s s i n g
(„Johannes
Dantiscus
von
Höfen.
Ein
Diplomat
und
Bischof
zwischen Humanismus und Reformation, 1 4 8 5 — 1 5 4 8 " , S . 5 9 — 2 3 6 ) über den bekannten ermländisdien und kulmischen Bischof ein, der als hochgelehrter, einer Danziger deutschen Familie entstammender D i p l o m a t für die polnische Krone Spanien bereiste, 1532 Beziehungen zu Luther und vor allem Melanchthon aufnahm, gleichwohl aber, als „Erasmianer", ein unnachgiebiger Vertreter der alten Lehre blieb. Eine im Urteil ausgewogene, biographisch ergebnisreiche Arbeit. — „Beiträge zur Geschichte des politischen Lebens im Ermland während des Vormärz und der 1848er Revolution" (S. 2 3 9 — 3 1 9 ) liefert Bernhard-Maria R o s e n b e r g .
—
Mit den ergebnislosen „Verhandlungen über eine Berufung der Redemptoristen nach Springborn und Heiligelinde 1 8 6 1 " befaßt sich Ulrich B e h 1 a u auf Grund der Kölner Provinzakten und
649
WEST- U N D OSTPREUSSEN
gedruckter Quellen (S. 321—358). — Die auch sozialgeschichtlich aufschlußreiche Geschichte der Familie Koslowski schließt Georg M i e l c a r c z y k mit diesem Bande ab (S. 359—418). — Aus den Akten-Publikationen des päpstlichen Staatssekretariats speist sich der Bericht von Gerhard R e i f f e r s c h e i d über den Vatikan, Polen und die baltischen Länder während des 2. Weltkrieges (S. 419—434), — eine trostlose Lektüre, die durch die Dokumentation von Paul K e w i t s c h über die „Deutschen-Seelsorge im Bezirk .Zichenau' 1940—1945" (S. 435 bis 438) aufschlußreich, ergänzt wird. — Rezensionen beschließen eine Publikation, die ihrem wissenschaftlichen Range nach unverändert zur Spitzengruppe der ostdeutschen GeschiditsPeriodika zu rechnen ist. Berlin
G. Heinrich Allgemeines mit Deutschem Orden
W e r m j k e , Ernst [Bearb.]: Schrifttum zur Geschichte von Ost- und Westpreußen 1964. Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 185—200. F r e i w a l d , Helmut: Das Begehren des preußischen Landschaftsgesandten von 1539 nach einer Hohen Schule. Studie über das Bildungsbemühen des altpreußischen Adels vor Begründung der Albertus-Universität. Jb. der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. 17, 1967, S. 30—48. C i e i l a k , Edmund: Przywileje wielkich miast pruskich z XV w. jako etap rozwoju samorz^du miejskiego. (Die Privilegien der großen preußischen Städte aus dem 15. Jh. als Etappe in der Entwicklung ihrer städtischen Selbstverwaltung.) [Engl. Resümee.] Rocznik gdanski 25, 1966, S. 31—49. H e j n o s z , Wojciech,: Traktat torunski z 1466 r i jego prawno-polityczne znaczenie. (Der Thorner Traktat von 1466 und seine rechtsgeschichtliche Bedeutung.) Zapiski historyczne 31, 1966, Nr. 3, S. 91—108. H u b a t s c h , Walther: Die Königsberger Universität und der Preußische Staat. Jb. der Albertus-Universität 17, 1967, S. 63—79. L a b u d a , Gerard: Dzieje Prus jako zagadnienie historiograficzne. (Die Geschichte Preußens als historiographisches Problem.) Przegl^d zachodni 23, 1967, H. 1—2, S. 1—20. P e n n e r , Horst: Christian Entfelden Ein mährischer Täuferprediger und herzoglicher Rat am Hofe Albrechts von Preußen. Mennonistisdhe Geschichtsblätter N F 18, 1966, S. 19—23. P i e r a d z k a , Krystyna: Traktat torunski 1466 r w obcych relacjach kronikarskich i pierwsze starania w kurii rzymskiej o jego zatwierdzenie. (Der Thorner Traktat von 1466 in den fremden Chroniken und die ersten Bemühungen der römischen Kurie um seine Bestätigung.) Malopolskie studia historyczne 9, 1966, Nr. 3, S. 3—17. S a m s o n o w i c z , Henryk: Warunki zycia w miastach Prus Krölewskich w XV—XVI wieku. (Die Lebensbedingungen in den preußischen Städten im 15. und 16. Jh.) [Dt. Resümee.] Zapiski historyczne 31, 1966, Nr. 3, S. 145—168. S i e b e r t , Hartmut: Leben und Werk der Königsberger Mathematiker. Jb. der AlbertusUniversität 16, 1966, S. 137—170. B e n n i n g h o v e n , Friedrich: Gotland Ärsta und der Deutsche Orden. Kritische Betrachtungen zu einem Buch von Brigitta Einer: Gotland unter dem Deutschen Orden und die Komtureien Schwedens zu Ärsta. Innsbruck 1966. Zs. für Ostforschung 16,1967, S. 354—366.
650
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
B i s k u p , Marian: Zakon krzyzacki i jego panstwo na Bahykiem w dziejach Polski. (Der Deutsche Orden und sein Staat an der Ostsee in der Geschichte Polens.) Przegl^d Zachodni 22, Heft 2, S. 287—306. B i s k u p , Marian: The Role of the Order and Staat of the Teutonic knights in Prussia in the History of Poland. Polish Western Affairs 7, 1966, S. 337—365. B o r g s , Hertha: Das „olde Steenhus" des Deutschen Ritterordens in Lübeck. [Über eine Niederlassung des D O in Lübeck seit dem 13. Jahrhundert.] Lübeckische Blätter 126,1966, S. 317—318. D o p k e w i t s c h , Helene: Die Hodimeisterfrage und das Livlandproblem nach der Umwandlung des Ordenslandes Preußen in ein weltliches Herzogtum durch den Krakauer Vertrag vom April 1525. Zs. für Ostforschung 16, 1967, S. 201—255. E k d a h l , Sven: Das Dienstbuch des Kulmerlandes (1423/24). [Ein undatiertes Verzeichnis der kriegsdienstpflichtigen Güter im Kulmerland. Ordensarchiv, Schieblade XX/a, Nr. 95 (Kasten 3).] Jb. der Albertus-Universität 16, 1966, S. 85—112. E n g e l s , Odilo: Zur Historiographie des Deutschen Ordens im Mittelalter. Archiv für Kulturgeschichte 48, 1966, S. 336—363. G r a b s k i , Andrzej Feliks: Echa bitwy grunwaldzkiej w historiografii zachodnioeuropejskiej. (Der Widerhall der Tannenbergschlacht 1410 in der westeuropäischen Historiographie.) [Dt. Resümee.] Zapiski historyczne 32, 1967, H. 1, S. 7—46. L a m p e , Karl H.: Beiträge zur Geschichte der Deutschordensschwestern. [Vom 13. bis 20. Jahrhundert.] Zs. für Ostforschung 16, 1967, S. 45—78. R e i m e r s , Johannes: Dr. Dietrich von Westhern. Deutschordens-Kanzler und HerzoglichSächsischer Rat (1468—1536). [Verf. berichtet über das Leben dieses einflußreichen Diplomaten und Politikers, zunächst Kanzler des Deutschen Ordens in Preußen dann (1512) im Dienst Herzog Georgs von Sachsen, bewährte er sich in zahlreichen diplomatischen Missionen.] Jb. der Albertus-Universität Königsberg 16, 1966, S. 113—136. W e i s e , Erich: Die Beurteilung des Zweiten Thorner Vertrages von 1466 durch die Zeitgenossen bis zum Ende seiner Rechtswirksamkeit im Jahre 1497. [Vgl. auch den Aufsatz des Verf. „Die staatsrechtlichen Grundlagen des Zweiten Thorner Friedens und die Grenzen seiner Rechtmäßigkeit". In: Zs. für Ostforschung 3, 1954, S. 1—25.] Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 601—621. Z a p p e , Alfred: Die Hochmeister auf der Marienburg. Archiv für Sippenforschung 32, 1966, S. 643—649.
Westpreußen Allgemeines R i s t e r , Herbert [Bearb.]: Schrifttum über das Posener Land 1963—1964 in Auswahl. Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 585—600. Ehrhardt, kunde 15, Ehrhardt, lienkunde
Rolf: Die Schwäbische Colonie in Westpreußen. Altpreußische Geschlechter1967, S. 7—20. Traugott: Die Familie Zernecke. [Aus Danzig und Thorn.] Ostdeutsche Fami14, 1966, S. 193—209.
WEST- U N D
OSTPREUSSEN
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G o e r t z , Adalbert: Aus Mennonitischen Kirchenbüchern Westpreußens. 1. Gemeinde Thiensdorf — Markushof, Kreis Marienburg. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 221—222. G r y c z , Marian: Der Handel Posens 1550—1655. Arbeitsberichte zur Geschichte der Stadt Leipzig 9, 1965, S. 34—40. H i l c e r ö w n a , Z.: Die frühmittelalterliche Besiedlung des Ober- und Mittelobragebietes. Archaeologia Polona 9, 1966, S. 103—129. K a u e n h o v e n , K u r t : Mennonitengeschlechter aus Westpreußen und ihre Wanderwege. V. Die Sippe Zimmermann. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 132—133. L o r e n , F. / H i n z e , F . : Preußische Ortsnamen und Appellative in Namen im Raum links der unteren Weichsel. Zs. für Slawistik 11, 1966, S. 243—250. M i c h a e l i s , Hans-Thorald: Die Familie Seliger in Züllichau und Landsberg an der Warthe. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 134—141. W e i s e , Erich: Die westpreußische Autonomie 1479—1506. Zs. für Ostforschung 16, 1967, S. 709—715. G i e r s z e w s k i , Stanislaw: Magracja cnlopöw i szlachty do miast Pomorza GdaÄskiego od polowy X V I do polowy X V I I wieku. (Die Einwanderung der Bauern und des Adels in die Städte Pommerellens von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jhs.) Zapiski historyczne 32, 1967, H . 3, S. 7—20. K o w a 1 a k , Tadeusz: Prasa niemiecka na Pomorzu Gdanskim. (Die deutsche Presse in Pommerellen 1920—1923.) [Dt. Resümee.] Zapiski historyczne 32, 1967, H . 1, S. 49—96. M a d a j c z y k , Czeslaw: Z zagadnien ruchu oporu na Pomorzu Gdanskim w latach 1939—1945. (Fragen der Widerstandsbewegung in Pommerellen in den Jahren 1939 bis 1945.) [Dt. Resümee.] Zapiski historyczne 32, 1967, H . 4, S. 65—77. P o t o c k i , Stanislaw: Polozenie mniejszosci niemieckiej w Polsce w latach 1918—1939 ze szezegölnym uwzgl^dnieniem Pomorza gdanskiego. (Die Lage der deutschen Minderheit in Polen in den Jahren 1918—1939 unter besonderer Berücksichtigung Pommerellens.) Rocznik gdafiski 24, 1966, S. 35—60. W a j d a , Kazimiers: Pomorze Gdanskie w latach pierwszej wojny swiatowej (1914—1918). (Pommerellen in den Jahren des 1. Weltkriegs 1914—1918.) [Dt. Resümee.] Zapiski historyczne 32, 967, H . 4, S. 7—34. W o j c i e c h o w s k i , Marian: Miejsce wolnego miasta Gdanska i Pomorza Gdanskiego w genezie drugiej wojny swiatowej. (Die Stellung der Freien Stadt Danzig und Pommerellens bei der Entstehung des 2. Weltkriegs.) Zapiski historyczne 32, 1967, H . 4, S. 37—63. Einzelne Bezirke und Ortschaften B a u e r , J . : Umsiedlung der Deutschen aus der Gemeinde Alexanderhilf, Kreis Odessa nach dem Warthegau 1944. Heimatbuch der Deutschen aus Rußland 13, 1966, S. 43—48. K o w a l a k , Tadeusz: Niemiecki osrodek prasowy w Bydgoszczy w okrezie mi^dzywojennym. (Die deutsche Presse in Bromberg in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.) Kwartalnik historyczny 15, 1967, S. 963—992. Chamot, J a n : Zarys dzialalnosci Polskiej Partii Socjalistycznej w Grudzi^dzu (1945—1948). (Abriß der Tätigkeit der Polnischen Sozialistischen Partei in Graudenz.) Rocznik grudzi^dzki 4, 1966, S. 147—185.
652
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
M i e n i c k e , Harald: Struktura zawodowa ludnosci Torunia w 1825 r. (Die Berufsstruktur der Bevölkerung von Thorn im Jahre 1825.) Zapiski historyczne 32, 1967, H . 3, S. 21—46. Danzig B i e r n a t , Czeslaw: Ardiiwum panstwowe w Gdansku i jego zas6b. (Das Staatsarchiv in Danzig und sein Quellenbestand.) Rocznik gdanski 25, 1966, S. 233—277. C i e s l a k , Edmund: Z dziej6w zeglugi i handlu gdanskiego w polowie X V I I I w. (Zur Geschichte der Schiffahrt und des Danziger Handels in der Mitte des 18. Jhs.) Rocznik gdanski 24, 1966, S. 61—89. C y r s o n , Edward: Ustr6j Gdanska w latach 1793—1807. (Die Verfassung Danzigs in den Jahren 1793—1807.) Czasopismo prawnohistoryczne 19, 1967, S. 109—134. D a n i l c z u k , Boleslaw: Rudi socjaldemokratyczny w Gdansku w latach 1885—1887. (Die sozialdemokratische Bewegung in Danzig 1885—1887.) [Dt. Resümee.] Zapiski historyczne 32, 1967, H . 2, S. 17—40. G r e n z , Rudolf: Über frühgeschichtliche Forschungen in der Stadt Danzig. [Bericht nach „Archaeologia Urbium" Heft 1, 1966.] Wiss. Dienst 17, 1967, S. 201—205. K a m i n s k a , Janina: Z zagadnien gospodarczo-spolecznych Gdanska w X — X I V wieku. (Wirtschaftliche und soziale Probleme Danzigs im 10. bis 14. Jh.) Archeologia Polski 11, 1966, Nr. 1, S. 174—208. K a y s e r , Erich: Neue polnische Forschungen zur Geschichte Danzigs und Pommerellens bis zum 13. Jahrhundert. Zs. für Ostforschung 16, 1967, S. 676—691. L i c h t e n s t e i n , Erwin: Die Juden in Danzig (1933—1939). Zs. für die Geschichte der Juden 4, 1967, S. 199—216. L o e v y , Theodor: Zum Thema: Widerstand der Danziger Juden. Bulletin des Leo Baeck Instituts 9, 1966, S. 190—192. t y c z k o w s k i , Eugeniusz: W sprawie genezy wolnego miasta Gdanska. (Die Entstehung der Freien Stadt Danzig.) Przegl^d Zachodni 22, 1966, H . 1, S. 299—309. M i k o l a j s k i , Juliusz: Die H ä f e n Danzig (Gdansk) und Gdingen (Gdynia). Eine verkehrsgeographische Skizze. Zs. für Wirtschaftsgeographie 10, 1966, S. 110—116. P e n n e r , Horst: Verzeichnis der Mennoniten, die im Jahre 1661 innerhalb der Stadt Danzig vor dem Hohen Tor und auf Neugarten wohnten. Mennonitische Geschichtsblätter 19, 1967, S. 47—53. R o z e n k r a n z , Edwin: Prawo lubeckie w Gdansku w latach 1261/1263 do 1346. (Das Lübecker Recht in Danzig in den Jahren 1261/1263 bis 1346.) [Engl. Resümee.] Rocznik gdanski 25, 1966, S. 9—29. S o d e i k a t , Ernst: Der Nationalsozialismus und die Danziger Opposition. [Kampf der Danziger Oppositionsparteien gegen die nationalsozialistische Regierung seit 1935.] Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 14, 1966, S. 139—174. S t r e h l a u , Helmut: August Giesebrecht (1843—1907). Aus dem Leben eines Danziger Seefahrers und Seelotsen. Beiträge zur Geschichte Westpreußens 1, 1967, S. 123—141. T r z o s k a , Jerzy: Gdansk jako port drzewny w II polowie XVII i XVIII wieku. (Danzig als Holzhafen in der zweiten H ä l f t e des 17. Jhs. und im 18. Jh.) Rocznik gdanski 25, 1966, S. 73—113.
WEST- U N D O S T P R E U S S E N
653
Ostpreußen Allgemeines A l b i n u s , Ulrich: Der schwedische Ursprung der ostpreußischen Familie von Horn. Ostdeutsche Familienkunde 15, 1967, S. 307—309. D q b r o w s k i , J . : Remarks on the Mazury-Warmia Group of Laisatian Culture. Archaeologia Palona 9, 1967, S. 27—52. D e h n e n , Max: Ober die Zahl der Gefallenen in den Kämpfen auf ostpreußisdiem Boden 1914/15. J b . der Albertus-Universität 16, 1966, S. 313—330. G o e r t z , Adalbert: Über die Mennoniten Altpreußens. Altpreußische Geschlechterkunde 14, 1966, S. 225—230, und 15, 1967, S. 32—37. H u b a t s c h , Walther: Masuren und Preußisch-Litthauen in der Nationalitätenpolitik Preußens 1870—1920. II. Teil: Die Handhabung der Nationalitätenpolitik durch die obersten Regierungsbehörden in Ostpreußen. [Teil I siehe Zs. für Ostforschung 14, 1965, S. 641—670.] Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 1—55. M a t u 1 1 , Wilhelm / S o m m e r f e l d , Max: Der Anteil der ostpreußischen Arbeiterbewegung am Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Jb. der Albertus-Universität 17, 1967, S. 164—178. M e i n h a r d t , Günther: Die Leistungen Ostpreußens für die russische Armee im Feldzuge von 1806/07. J b . der Albertus-Universität 16, 1966, S. 278—290.
Einzelne Bezirke und Ortschaften G u t t z e i t , Emil Johannes: Das 700jährige Brandenburg am Frischen Haff. Die Domäne und das Domänenamt Brandenburg. Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil 13, 1967, S. 123—153. R a t h k e , Walther: Die ev.-luth. Kirche in Grabowen, Kreis Goldap/Ostpr., und ihre Pfarrer. Altpreußisdhe Geschlechterkunde 15, 1967, S. 20—32. B a r t s c h , Lotte: Königsberger im Amt Grünhof. [1612—1681.] Altpreußische Geschlechterkunde 14, 1966, S. 209—212. S o m m e r f e l d , Josef: Die Landesaufnahme des Kammeramtes Heilsberg im Ermland aus dem Jahre 1772. Archiv für Sippenforschung 32, 1966, S. 480—485 und S. 598—599; 33, 1967, S . 4 6 — 4 8 und S. 121—126. J e n d r e y c z y k , E.: Zur Geschichte der privilegierten Apotheken in Königsberg im 16., 17., 18. Jahrhundert. Altpreußische Geschlechterkunde 14, 1966, S. 231—252. M ü h l p f o r d t , Herbert Meinhard: Königsberg 1870/71, erlebt von dem Gefangenenseelsorger Abbé Ramband. Jb. der Albertus-Universität 16, 1966, S. 290—312. M ü l l e r - D u l t z : Aus den Haus-, Ingrossations- und Protokoll-Büchern von Königsberg (Pr.). [Forts, zu Altpr. Geschlechterk. 1965, S. 165—168.] Altpreußische Geschlechterkunde 14, 1966, S. 263—330, und 15, 1967, S. 75—89. W e i ß , Hellmuth: Das Königsberg Kants in den Augen eines jungen russischen Teilnehmers am siebenjährigen Krieg. Jb. der Albertus-Universität zu Königsberg 17, 1967, S. 49—62. G r e n z , Rudolf: Steinzeitliche Gräber am Kissain-See bei Lotzen. [Bericht nach „Trybuna Ludu", Warschau, Nr. 209, vom 30. Juli 1965.] Wiss. Dienst 16, 1966, S. 47—48.
654
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
B o e r i k e , Carl: Die Pfarrer des Kirchspiels Pillkallen (Schloßberg) bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Altpreußisdie Geschlechterkunde 14, 1966, S. 205—208. G r e n z , Rudolf: Archäologische Unterwasserforschungen im Pillacker See, Kreis Sensburg/ Ostpreußen. [Bericht nach „Sprawozdania Archeologiczne", 16, 1964, S. 72—87.] Wiss. Dienst 16, 1966, S. 321—324. B ö h n k e , Fritz: Die Scharfrichter der Stadt Preußisch Hollaad — Ostpreußen. Archiv für Sippenforschung 33, 1967, S. 57—60. B a h r , Ernst: Siedlungsvorgänge des 16. bis 18. Jahrhunderts im Gebiet des ehemaligen Deutschordensamts Schömck. Zs. für Ostforschung 16, 1967, S. 266—325. B a r t s c h , Charlotte: Die Dach aus Memel und ihre Nachkommen. Altpreußische Geschlechterkunde 15, 1967, S. 45—70.
5. PROVINZ SACHSEN U N D ANHALT Zeitschriften Altmärkisches
Museum Stendal 19, 1965
Diese Festgabe für Hermann Teuchert enthält sprachgeschichtliche Beiträge: B a t h e , Max: Zur Westgrenze der märkischen j-Aussprache. S. 9—37. —,—: Der Bereich des Flurnamens Heininge. S. 38—54. —,—: Das siebenfache Lichterfelde. S. 55—75. G e b h a r d t , Heinz: Zur Geschichte und Mundart von Schollene. S. 77—82. S c h ö n f e l d , Helmut: Die Mundart von Schollene. S. 83—101. Altmärkisches
Museum Stendal 20, 1966
G r i m m , Paul: Zwei Burgwälle bei Stendal. S. 41—46. H o f f m a n n , Wilhelm: Vorgeschichtliche Neuzugänge 1964/65. S. 29—41. W e t z e 1, Günter: Zur Geschichte der Jungsteinzeitforschung in der Altmark. S. 3—28. Ausgrabungen
und Funde 11, 1966 und 12, 1967
E b r u y , Fritz: Ein „Schirmständer" aus Walsleben, Kr. Osterburg (mit Tafel 4 b). 12, 1967, S. 25—26. G r ü n e r t , Heinz: Kritische Bemerkungen zur Interpretation einer latenezeitlichen Eisenkette von Großjena, Kr. Naumburg (mit zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 37—42. H o f f m a n n , Wilhelm: Trinkhornbeschläge der römischen Kaiserzeit aus Kossebau, Kreis Osterburg (mit einer Textabbildung). 11, 1966, S. 35—37. —,—: Ein neuer bandkeramischer Fund aus Bretsch, Kr. Osterburg, in der nördlichen Altmark (mit zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 8—9. K a u f m a n n , Dieter: Neue Aspekte zu einem schnurkeramischen Grabhügel von Poserna, Kr. Weißenfels. 11, 1966, S.21—25. —,—: Eine schnurkeramische Kanne mit dreigeripptem Henkel von Halberstadt (mit Tafel 3). 12, 1967, S. 18—20.
PROVINZ SACHSEN UND Kaufmann,
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ANHALT
H a n s : Latenezeitliche Gräber von Dommitzsch, K r . Torgau (mit T a f e l 1 3 a
und zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 7 2 — 7 8 . — , — : Germanische Siedlungsfunde von Wiedemar, K r . Delitzsch (mit drei Textabbildungen). 11, 1966, S. 7 8 — 8 3 . K r ü g e r , B r u n o : Frühslawische Grabfunde aus Sausedlitz, K r . Delitzsch (mit Tafel 11 b—e und zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 9 3 — 9 6 . L i e s , H a n s : Beiträge zur Besiedlungsgeschichte der Elbaue durch Fundbergungen in Kieswerken bei Magdeburg (mit Tafel 1 a und einer Textabbildung). 11, 1966, S. 1 — 6 . — , — : Ein neolithischer Graben auf einer Elbtalterrasse bei Barleben, K r . Wolmirstedt (mit einer Textabbildung). 12, 1967, S. 9 — 1 2 . Marschall,
Otto:
Ein schnurkeramischer
Grabfund am ehemaligen
Galgenhügel
von
Augsdorf, K r . Eisleben (mit einer Textabbildung). 12, 1967, S. 2 1 — 2 3 . Matthias,
Waldemar: Schnurkeramisdie Funde vom Ochsenberge bei Hecklingen, Kreis
Staßfurt (mit Tafel 6). 11, 1966, S. 2 5 — 2 8 . — , — : Ein schnurkeramisches Vorratsgefäß vom Kugelberg in Weißenfels (mit einer T e x t abbildung). 12, 1967, S. 15—18. N i t z s c h k e , Waldemar: Ein stichbandkeramisches Grab von Großkorbetha, K r . Weißenfels (mit zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 1 1 — 1 2 . — , — : Neue völkerwanderungszeitliche Gräber aus dem Kreis Weißenfels (mit Tafel 8 und vier Textabbildungen). 12, 1967, S. 4 6 — 5 2 . Nowak,
Heinz / V o i g t ,
Theodor: Ein spätlatenezeitlicher Gehängeschmuck von
Had-
mersleben, K r . Wanzleben (mit Tafeln 5 — 6 und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 32 bis 37. N u g l i s c h , Klaus / S c h w a r z e ,
Ernst: Grabfunde der mitteleren Bronzezeit aus Bern-
burg (mit Tafel 7 und zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 2 8 — 3 1 . S a a l , Walter: Grabfunde der späten Völkerwanderungszeit aus Mücheln/Geiseltal, K r . Merseburg (mit T a f e l 8 b und einer Textabbildung). 11, 1966, S. 4 7 — 4 9 . — , — : Ein Glockenbechergrab mit bemerkenswertem Knochenbefund aus Merseburg, Ortsteil Kötzschen (mit T a f e l 4 a und einer Textabbildung). 12, 1967, S. 2 3 — 2 5 . Schmidt,
Berthold: Ein provinzialrömischer Reitersporn von Bösenburg, K r .
Eisleben
(mit Tafel 8 a und drei Textabbildungen). 11, 1966, S. 3 7 — 4 1 . — , — : Eine Glasperle aus einem Steinpackungsgrab der jüngeren Bronzezeit von Beesenstedt, Saalkreis (mit einer Textabbildung). 12, 1967, S. 26. Schneider,
Johannes: D i e Ausgrabungen auf dem völkerwanderungszeitlichen
Gräber-
feld Deersheim 1964/65 (mit dem Umschlagbild, T a f e l 1 b — 3 und drei Textabbildungen). 1, 1966, S. 4 1 — 4 7 . Schröter,
Erhard: Ein neuer neolithischer Grabhügel in der Dölauer Heide bei Halle
(Saale) (mit zwei Texabbildungen). 11, 1966, S. 12—16. — , — : Ein Kugelamphorengrab von Großörner, K r . Hettstedt (mit zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 1 3 — 1 5 . Schultz,
Hans-Dietrich: Ein barbarisierter Aureus des Severus Alexander von Hohen-
bucko, K r . Herzberg (mit dem Umschlagbild und Tafel 21 a—b). 11, 1966, S. 1 4 8 — 1 4 9 . Stoll,
Hans-Joachim / J ä g e r , Klaus-Dieter:
Ein
Getreidefund
unter
der
ehemaligen
Nikolaikirche in der Altstadt von Magdeburg (mit T a f e l 44 und drei Textabbildungen sowie einer Tabelle). 12, 1967, S. 2 9 8 — 3 0 7 . T o e p f e r , V o l k e r : Ein Faustkeil vom oberen Nieplitztal im Fläming (mit Tafeln 26 bis 27 und einer Textabbildung). 12, 1967, S. 131—135.
656
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
—,—: Eine eigenartige mittelsteinzeitliche Knochenspeerspitze aus Osterburg (Altmark) (mit Tafel 2 und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 4—7. V o i g t , Theodor: Neues zu einer latenezeitlichen Kesselkette von Großjena, Kr. Naumburg (mit zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 32—35. W e b e r , Valentin: Jungsteinzeitliche Siedlungsfunde von Rietzmeck, Kr. Roßlau (mit zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 16—21. W e t z e l , Günter: Dechselschäftung von Grieben, Kr. Tangerhütte (mit Tafel 5). 11, 1966, S. 7—9. —,—: Ein Eibenholzbogen von Barleben, Kr. Wolmirstedt (mit einer Texabbildung). 11, 1966, S.9—10. Dessauer Kalender
1966
A u e r s w a l d , Gerhard: Karl Marx und unsere französische Partnerstadt Argenteuil. S. 83—84. H a r k s e n , Marie-Luise: Der Nachlaß des Herrn von Erdmannsdorf?. [Ein Aktenbericht aus dem Landesarchiv Oranienbaum, Abt. Dessau.] S. 38—41. H i r s c h , Erhard: Der Erdmannsdorff-Friedhof in Dessau im Spiegel der zeitgenössischen Literatur. S. 41—44. Heimatkalender
für den Kreis Bad Liebenwerda
10, 1964
D o e r i n g , Walter,/F i t z k o w , M. Karl: Das köstliche, kühle Naß. Vom alten Wasserwerk zur modernen Wasserversorgung der Kreisstadt. S. 97—101. F i t z k o w , M. Karl: Zwischen Röder und Neugraben. [Über die Niederung südwestlich der Schwarzen Elster und ihre Besiedlung.] S. 146—158. —,—: Schmuck und Kinderspielzeug aus der Bronzezeit. S. 158—165. —,—: Liubusua — Liebenwerda? S. 165—175. —,—: Der Streit um die „Honiggülden". Zur mittelalterlichen Geschichte des Heimatgebietes. S. 175—181. F i t z k o w , M. Karl / M a t t h i e s , Rudolf: Ihr Brücken unsere Sorgen . . . [Zur Geschichte der Brücken in Bad Liebenwerda.] S. 102—110. G l a t t e , Gerold: Vom alten zum künftigen Dorf. Zu den Dorfplanungen im Kreise. S. 141—146. H o f f m a n n , Felix: Preise und Löhne um 1500. S. 185—188. S t o y , Fritz: Das Stroh in Recht und Sitte des alten Dorfes. Ein Beitrag zur Volkskunde. S. 190—192. Heimatkalender
für den Kreis Bad Liebenwerda
11112,
1965/66
F i t z k o w , Karl M.: Werkzeuge und Waffen der Urmenschen im Heimatgebiet. S. 95—100. —,—: Die Brandschatzung. [Über die Auswirkungen der Schlacht bei Kunersdorf 1759 auf das Gebiet der Elsterniederung.] S. 106—113. : Kleine Begebenheiten um das Stadtwäldchen in Bad Liebenwerda. S. 120—128. : Kleine Chronik des Marktplatzes zu Liebenwerda. S. 141—152. : Von einigen alten Gasthöfen. S. 152—158. : Münzprägestätten in Liebenwerda. S. 161—164. : Notgeld. S. 164—168. : Kirchturmbrände. S. 187—192. : Schätze in unseren Archiven und Museen. S. 236—246.
PROVINZ SACHSEN UND Graupner,
ANHALT
657
Wolfgang: Mit edlen Pferden auf du und du. [Zur Geschichte des Gestüts
Graditz.] S. 1 9 7 — 2 0 1 . G ü n t h e r , M a r t i n : D e r „Gasthof zur P f e i f e " bei Wainsdorf-Frauenhain. S. 1 5 8 — 1 6 1 . Hoffmann,
F e l i x : 150 J a h r e Kreis Liebenwerda. S. 1 1 3 — 1 1 6 .
— , — : Über einige Kunststücke im östlichen Heimatgebiet. S. 2 4 7 — 2 5 3 . Kretschmann, Matthies,
H a n s : Einst floß die Elbe durch Mühlberg. S. 1 2 8 — 1 3 3 .
R u d o l f : Hussiten in unserem Heimatgebiet. S. 1 0 0 — 1 0 5 .
N a d l e r , K ä t e : Musische Erziehung und Denkmalpflege. S. 2 3 2 — 2 3 5 . S c h i n d l e r , Erich: D e r letzte große Stadtbrand in Wahrenbrück. S. 1 9 2 — 1 9 3 . S e y 1 e r , Ernst: Vergessene Hochzeitssitten in alten Schradendörfern. Ein Beitrag zur Volkskunde. S. 174—179. Stoy,
F r i t z : Altes und Neues vom Neugraben. [Zwischen Neumühl und Jessen.] S. 117
bis 120. V o r 100 Jahren. Das Leben im Kreis im Spiegel der Zeitungen. S. 1 3 4 — 1 4 0 .
Heimatkundliche
Blätter für den Kreis Jessen
1963—1966
Diese Blätter, die den Charakter einer Loseblattsammlung haben, sollen dem Lehrer als Unterrichtsmittel dienen. Sie beschäftigen sich mit Wirtschaft, Geschichte, N a t u r und Kultur des Heimatgebietes. Zur geschichtlichen Landeskunde des Kreises enthalten sie jedoch nichts Beachtenswertes.
Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 50, 1966 Behrens, bis 32.
Hermann: Mitteldeutsche Einflüsse im nordwestdeutschen Neolithikum. S. 21
B i l l i g , Gerhard: Die Reste eines frühmittelalterlichen Salzwerkes im D o m h o f von Halle. S. 2 9 3 — 3 0 6 . F i s c h e r , Ulrich: Zu den Fibeln Almgren 101. S. 2 2 9 — 2 6 9 . Hoffmann,
Wilhelm: Ausgewählte Neufunde aus den Jahren 1 9 6 3 — 1 9 6 4 . S. 3 2 5 — 3 4 4
K a u f m a n n , Hans: D e r Maskenarmring von Pößneck. S. 2 0 5 — 2 2 2 . L i e s , H a n s : Spätneolithische und älterbronzezeitliche Gräber von Barchleben, K r . Wolmirstedt. S. 6 1 — 1 0 2 . M ü l l e r , Hanns-Hermann: Neue Nachweise des Elches, Alces alces (linné 1758), im mittelalterlichen Deutschland. S. 3 2 1 — 3 2 4 . N o w a k , H e i n z : Ausgrabungen auf einem neolithisch-bronzezeitlichen Fundplatz bei Stemmern, K r . Wansleben. S. 103—113. Nowak,
H e i n z , / S c h m i d t , Berthold: Ein thüringisches Gräberfeld des 6. Jahrhunderts
bei Altenweddingen, K r . Wanzleben. S. 2 8 7 — 2 9 2 . P o h l , Gerhard: Die erste Bronzesitula von Kleinzerbst, K r . Kothen. S. 2 2 7 — 2 2 8 . Schmidt,
Berthold: Opferplatz und Gräberfeld des 6. Jahrhunderts bei Oberwerschen,
K r . Hohenmölsen. S. 2 7 5 — 2 8 6 . S c h n e i d e r , Johannes: Jungbronzezeitliche Gräber von Genthin. Ein Beitrag zur jüngeren Bronzezeit des nördlichen Mittelelbegebietes. S. 1 4 1 — 2 0 4 . Schulz,
Walther: D e r Reiterstein von Zscherben, Saalkreis, und weitere dörfliche Stein-
metzarbeiten des hohen Mittelalters im nördlichen Elb-Saale-Gebiet. S. 3 0 7 — 3 2 0 . Svoboda,
Bedrich: Ein neuer Beleg für die Verbindung Böhmens mit dem nördlichen
Elbgebiet. S. 2 6 3 — 2 7 4 . 42
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
658 Toepfer,
Volker:. Westeregeln — ein klassischer Fundplatz für die Forschungsgeschichte
des mitteldeutschen Pleistozäns. S. 1 — 2 0 . W e t z e 1, Günter: Die neolithische Besiedlung der Altmark. S. 3 3 — 6 0 .
Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 51, 1967 B e h r e n s , H e r m a n n : Das Neolithikum der D D R als Forschungsaufgabe. S. 6 5 — 8 8 . — , — : Zur chronologischen Stellung einiger südöstlicher Unika in mitteldeutschen Neolithikum. S. 1 1 1 — 1 1 8 . G r o ß , Hugo: Welches ist das Standard-Profil des jungpleistozänen Lösses in Mitteleuropa? S. 1 — 4 . H o f f m a n n , Wilhelm: Zwei Gräberfelder der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit von Beendorf, K r . Haldensleben. S. 1 9 3 — 2 3 0 . — , — : Ein völkerwanderungszeitliches Körpergrab aus Westinsel, K r . Stendal. S. 2 9 9 — 3 0 4 . — , — : Ausgewählte Fundmeldungen und Neuerwerbungen des Jahres 1965. S. 3 3 7 — 3 5 1 . Kaufmann,
Dieter: Die jungsteinzeitliche Besiedlung am unteren Bodelauf unter Berück-
sichtigung siedlungskundlicher Probleme. S. 8 9 — 1 1 0 . L i e s , H a n s : Ein Gräberfeld der frühen Eisenzeit von Menz, K r . Burg. S. 2 5 9 — 2 9 8 . M a t t h i a s , Waldemar: Eine seltene Form schönfeldisdi verzierter Keramik von Aschersleben. S. 1 5 9 — 1 6 3 . M a t t h i a s , W a l d e m a r , / S c h u l t z e - M o t e l , Jürgen: Kulturpflanzenabdrücke an schnurkeramischen Gefäßen aus Mitteldeutschland. S. 1 1 9 — 1 5 8 . N u g 1 i s c h , Klaus: Die früheisenzeitliche Siedlung vom Gelände des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. S. 2 3 1 — 2 5 8 . S c h m i d t , Berthold: Ein Hügelgräberfeld der jüngeren Bronzezeit bei Westerhausen, Kreis Quedlinburg. S. 1 6 5 — 1 9 1 . S c h n e i d e r , Johannes: Altslawische Siedlungsfunde von Grieben, K r . Tangermünde. S. 305 bis 336. T o e p f e r , V o l k e r : Die alt- und mittelsteinzeitliche Besiedlung der Altmark. S. 5 — 5 2 . V 1 c e k , Emanuel: Die Anthropologie der mittelsteinzeitlichen Gräber von Bottendorf, Kreis Artern. S. 5 3 — 6 4 .
Die Mitte 3, 1967 [ J g . 2, 1966, siehe vorliegende Umschau S. 5 8 2 — 5 8 3 . ] D e r Jahrgang 1967 steht unter dem Titel „Wartburg — Wittenberg. Beiträge zum J a h r der Jubiläen 1 9 6 7 " : B r a c h t , Hans Werner: Das Wartburgfest und die Idee der deutschen Einheit, 1 8 1 7 — 1 9 6 7 . S. 6 3 — 7 8 . B r a u n s t e i n , K a r l : Das Wittenberg-Jubiläum aus katholischer Sicht. S . 1 0 7 — 1 2 1 . Gehrmann,
K a r l Heinz / R ü s e , Werner: Nationales Kulturerbe und neue Tradition
in kommunistischer Sicht. S. 1 6 5 — 1 9 4 . Harms,
Klaus:
D i e Reformation
in Wittenberg in ihrer Bedeutung für Kirche
Theologie. S. 7 9 — 1 0 5 . R ö ß l e r , Helmut: Wartburg und Wittenberg. S. 9 — 3 7 . S c h m i d t , M a r t i n : Mitteldeutschland in der Kirchengeschidite. S . 1 4 1 — 1 6 4 . S t o p f e 1, E . : D i e Wartburg als Kunstwerk — Kunstwerk der Wartburg. S. 3 9 — 6 2 . T i m m , Albrecht: Wittenberg zur Lutherzeit. S. 1 2 3 — 1 3 9 .
und
PROVINZ SACHSEN UND ANHALT Zerbster Heimatkalender
659
1966 und 1967
B r o s i g , Hanns-Wolfgang: Katharina II. — eine Zerbster Prinzessin auf dem russischen Kaiserthron. 1966, S. 28—38. S c h e n k e , Fritz: Zur Postgeschichte von Zerbst. II. Teil. [I. Teil s. Zerbster Heimatkalender 1965, S. 83—87.] 1967, S. 79—82. S c h u l t h e i s , Johannes: Slawisches in unserer Umgangssprache. 1967, S. 79—82.
Allgemeines B u r s i a n , H . : Zu einigen Ergebnissen unid Problemen der Erforschung der Geschichte des antifaschistischen Widerstandskampfes unter Führung der K P D im Bezirk Magdeburg/ Anhalt (1933—1945). Wiss. Zs. der Technischen Hochschule Otto von Guericke, Magdeburg, 10, 1966, S. 425—427. F r e y d a n k , Dietrich: Probleme der Ortsnamenforschung im Gebiet der mittleren Saale. Onomastica Slavogermanica 2, 1966, S. 41—47. P r e r a d o v i c h - v o n B o e h m , Gisela von: Zur Identifizierung urkundlicher Ortsnamen. [Verf. sichtet die Uberlieferung des älteren Namenbestandes aus dem Bereich der Diözese Halberstadt an Hand von Urkunden und Urbaren bis zum Jahre 1200.] Beiträge zur Namenforschung N F , 1, 1966, S. 291—322. S c h r ä d e r , Franz: Die landesherrlichen Visitationen und die katholischen Restbestände im Erzbistum Magdeburg 1561—1651. Historisches J b . 87, 1967, S. 391—410. S c h u l t h e i s , Johannes: Die Wüscuragsnamen des Saalkreises. Onomastica Slavogermanica 3, 1967, S. 153—164. S e n f , Werner: Das Nachleben antiker Bauformen von der karolingischen Zeit bis zur Schwelle der hohen Gotik in Deutschland. [Betr. u. a. Quedlingburg, Hadmersleben, Drübeck, Frose, Gernrode, Rodisburg.] Wiss. Zs. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 11, 1964, S. 579—590. S t r z e l c z y k , Jerzy: Z nowszych prac nad historiq osadnictwa na dawnydi terenach slowianskich w Saksonii Dolnej. (Die neuesten Arbeiten zur Siedlungsgeschichte in den alten slawischen Gebieten Niedersachsens.) Kwartalnik historii kultury materialnej 15, 1967, S. 579—592. Einzelne Bezirke und Ortschaften H a r k e , Helmut: Agrargeographische Strukturveränderungen in der Altmark, dargestellt am, Beispiel der Gemeinde Sanne/Kr. Osterburg und Schinne/Kr. Stendal. Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, math.-naturwiss. Reihe 16, 1967, S. 721 bis 732. S c h ö n f e l d , Helmut: Zu slawischen Flurnamen in der Altmark. Wiss. Zs. der HumboldtUniversität zu Berlin, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, S. 639—646. B a t h e , Max: Belxem, ein Gau- und Flußname? [Im Gebiet nördlich von Magdeburg.] Wiss. Zs. der Humboldt-Universität zu Berlin, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, S. 629—638. A 11 m a n n , Alexander: Moses Mendelssohns Kindheit in Dessau. Bulletin des Leo-BaeckInstituts 10, 1967, S. 237—275. 42*
660
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
B r ü c k n e r , Franz: Geschichte der ehemaligen Sandvorstadt des 16. Jahrhunderts. [In Dessau.] Dessauer Kalender 1967, S. 33—73. H o y e r , Kurt: Dessaus erste Druckerei and ihre Geschichte. [Gegründet 1695 von Moses Benjamin Wulff.] Dessauer Kalender 1967, S. 83—85. A u e r b a c h , Hirsch Benjamin: Die Halberstädter Gemeinde [der Juden] 1844 bis zu ihrem Ende. Bulletin des Leo Baeck Instituts 10, 1967, S. 124—158 und S. 309—335. G r ü n e b e r g , Th.: August Hermann Francke und das Universitätsklinikum Halle. Zs. für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete 13, 1967, S. 917—922. H e l l m u t h , Bruno: Zu einigen wissenschaftlich-methodischen Grundsätzen der Profilierung unserer sozialistischen Heimatmuseen im Bezirk Halle. Neue Museumskunde 9, 1966, S. 98—102. H ü b n e r , Hans: Robert Prutz als Student und Professor an der Universität Halle-Wittenberg. [Zur Lebensgeschichte dieses Schriftstellers, Literaturhistorikers, eines Freundes Arnold Ruges; s.u. zitierten Aufs, von Piechocki.] Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, H . 2/3, S. 197—205. K a i s e r , Wolfram: Alphabetisches Verzeichnis des Personenkreises, der in den Jahren 1700—1749 die Lizentiatur oder den Doktorgrad (einschließlich Ehrendoktorat) an der Medizinischen Fakultät der Universität Halle erworben hat. — Dasselbe 1750—1799. Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, math.-naturwiss. Reihe 15, 1966, S. 715—721 und S. 721—725. K a i s e r , Wolfram: Verzeichnis der halleschen Doktoranden und Lizentiaten des 18. Jahrhunderts, welche die Mitgliedschaft der Kaiserlichen Akademie der Naturforscher (Leopoldina) erwarben. Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, math.naturwiss. Reihe 16, 1967, S. 143—146. K a i s e r , Wolfram / K r o s c h , Karl-Heinz: Zur Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Halle im 18. Jahrhundert. X I I I . Prominente Vertreter unter den Schülern von Johann Juncker (1679—1759), Friedrich Christian Juncker (1730—1770) und Johann Christian Wilhelm Juncker (1761—1800). Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, math.-naturwiss. Reihe 15, 1966, S. 193—247. —. XIV. Aus dem Vorlesungsund Disputationsverzeichnis von Johann Juncker (1679—1759) und Friedrich Christian Juncker (1730—1770). Ebd. S. 248—287. —. XVI. [Verf. W. Kaiser alleine.] Die Disputationen und Doktoranden der Jahre 1700—1759. Ebd. S. 1011—1143. —. XX. Hallesche Doktoranden als Mitglieder der Academia Imperialis Leopoldino-Carolina Naturae Curiosorum. Ebd. 6, 1967, S. 603—644. K r o s c h , H . . / K a i s e r , W.: Das Collegium clinicum in Halle. Zur Entwicklung des klinischen und poliklinischen Unterrichts an den deutschen Universitäten. Medizinische Monatsschrift 20, 1966, S. 304—310. P i e c h o c k i , Werner: Die kommunalpculitische Wirksamkeit Arnold Ruges in Halle während der Jahre 1831—1841. [Nach den Beständen des Stadtarchivs.] Wiss. Zs. der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, H . 2/3, S. 173 bis 196. R z e s n i t z e k , Friedrich / T h a l , Peter: Die Begründung der bürgerlichen Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Halle-Wittenberg durch Ludwig Heinrich von Jacob. [Verf. berichtet über Leben und Werk dieses bedeutendsten deutschen Anhängers von Adam Smith.] Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, H . 2/3, S. 139—159.
P R O V I N Z SACHSEN U N D A N H A L T
661
S c h i e t - t e , Friedrich: Friedrich Kruse und der Beginn einer Urgeschichtsforschung in Halle. [Begründer des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle.] Wiss. Zs. der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, H. 2/3, S. 161—172. M ü l l e r , Adriaan von: Die bronzene Rinderfigur von Hundisburg, Kreis Haldensleben. Berliner Jb. für Vor- und Frühgeschichte 6, 1966, S. 115—117. B e u l e k e , Wilhelm: Das Bürgerbuch der Pfälzer Kolonie zu Magdeburg. [Umfaßt den Zeitraum von 1698 bis 1808.] Der deutsche Hugenott 31, 1967, S. 34—45. B r ü n i n g , Herbert: Stadtkemforschung in Magdeburg. Geschichtliche Landeskunde 3, 1967, Teil 2, S. 1—36. E i c h h o r n , Götz: Zum Verhältnis der hoch- und niederdeutschen Druckersprache Magdeburgs in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Sprachsituation in Magdeburg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Wiss. Zs. der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, ges.- und sprachwiss. R . 15, 1966, S. 549—557. G ö t z , Wolfgang: Der Magdeburger Domchor. Zur Bedeutung seiner monumentalen Ausstattung. Zs. des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 20, 1966, S. 97—120. G r i e p , Hans-Günther: Goslar — Magdeburg. Neue Schriften zur Stadtkernforschung. [Literaturbericht.] Harz-Zs. 18, 1966, S. 106—115. G r i n g m u i t h - D a 11 m e r : Magdeburg — Haupthandelsplatz der mittleren Elbe. Hansische Geschichtsblätter 84, 1966, S. 8—19. K n o c h , G.: Der Kampf der Magdeburger Bezirksorganisation der K P D gegen die Fürstenabfindung 1926. Wiss. Zs. der Technischen Hochschule Otto von Gueridce Magdeburg 10, 1966, S. 417—424. R o c h , Irene: Die Baugeschichte der Mansfelder Schlösser mit ihren Befestigungsanlagen und die Stellung der Schloßbeamten in der Mitteldeutschen Renaissance. Burgen und Schlösser 8, 1967, S. 45—50. D r ä g e r , Udo: Die Kommunalwahlen 1919 und 1933 im Regierungsbezirk Merseburg. Merseburger Land 1966, S. 144—160. G u t b i e r , Karl: Zur Geschichte der Merseburger Vorstadt Altenburg und ihrer Kirche. Merseburger Land 1966, S. 224—238. S t ö w e s a n d , Rudolf: Zur Genealogie und Geschichte der Stifter des Naumburger Domes. Teil I I : Die Wettiner und Schwarzburger im Gesamt der Naumburger Stifter. [Teil I : „Graf Dietmar der Gefallene und Timo der Vogelfreie", in Der Herold 4, H. 8/9, 1962, S. 163—187. Vgl. ferner die Arbeiten des Verf.: „Syzzo Comes D o " , in Theologia Viatorum 7, 1959/60, S. 171—188, „Regelindis", ebd. 9, 1963, S. 181—206 und „Die Gründung des Naumburger Urdomes an Hand des literarischen Befundes", ebd. 10, 1965/66, S. 253—277. Rezensiert wurden die Aufsätze von Johannes Schultze in J G M O D 13/14, 1965, S. 586 und 16/17, 1968, S. 521—524.] Der Herold 6, 1966/67, S. 285—299, S. 317 bis 333, S. 349—360 und S. 381—401. H a n d k e , Horst: Soziale Modalität oder Immobilität? Eine Studie über soziale Wandlungen in einem chemischen Großbetrieb zwischen 1915 und 1945 an Hand von Betriebsakten. [VEB Stickstoffwerk Piesteritz, westlich von Wittenberg.] J b . für Wirtschaftsgeschichte 1966, Tl. 3, S. 66—118. S c h u l z e , Willi: Der Quedlinburger Dom als Kultstätte der SS. Jb. für Wirtschaftsgeschichte 1966, Tl. 4, S. 215—234. P f l u g , Otfried: Burg Querfurt. Lösungswege Burgen und Schlösser 8, 1967, S. 14—17.
für eine denkmalpflegerische
Aufgabe.
662
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
W e n z e l , Walter: Personennamen des Amtes Schlieben. [Das Amt Schlieben bildete den östlichsten Teil des sächsischen Kurkreises und gehört heute zum Kreis Herzberg/Elster.] Onomastica Slavogermanica 3, 1967, S. 41—58. F 1 o h r , Eberhard: Die Problematik der Planung der Stadt — Umland — Beziehungen von Mittelstädten; untersucht am Beispiel der Stadt Weißenfels. Wiss. Zs. der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg, ges.- und sprachwiss. R. 15, 1966, S. 857—876. H u f n a g e l , Gerhard: Beiträge zur Geschichte der Adler-Apotheke in Wittenberg. Deutsche Apotheker-Zeitung 107, 1967, S. 1563—1565. S c h u l z e , Ingrid: Zur Geschichte der Wittenberger Schloßkirche. Bildende Kunst 1967, S. 542—555 und S. 556. Harz Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand Heft 18, 19 und 20, 1966, und Heft 21 und 22, 1967 A n d i n g , Edwin: An der Landwehr bei Barbis. [Auf dem Oderberg.] H . 20, 1966, S. 23 bis 29. B u r o s e , Hans: Eine Schüleraufführung in Osterode aus dem Jahre 1657. Aus der Calvörschen Bibiliothek. H . 18, 1966, S. 22—28. G r a n z i n , Martin: Das älteste Wachtgeldregister der Stadt Osterode am H a r z von 1552 und seine Namen. H . 19, 1966, S. 17—21. G r e s k y , Wolfgang: Ein Plan der Einhornhöhle von 1734. [Bei der Gemeinde Schwarzfeld.] H . 22, 1967, S. 38—43. H i l l e g e i s t , Hans-Heinridi: Visitationsbericht der Calenberger, Elbingeroder und Osteroder Eisenhüttenwerke von 1669. H . 21, 1967, S. 28—32. L o m m a t z s c h , Herbert: Caspar Brinkmann — Pfarrer, Dichter und poeta laureatus. [1630—1666.] H . 18, 1966, S. 20—22. —,—: G. W. Leibniz und seine Beziehungen zu Osterode und zum Südwestharz. H . 20, 1966, S. 5—13; H . 21, 1967, S. 11—21, und H . 22, 1967, S. 13—26. S c h i m p f , Franz: Die Bürgerschaft „Am Mark" in Osterode am H a r z im Jahre 1689. H . 18, 1966, S. 10—19. —,—: Verzeichnis der 1672 in der Stadt Osterode ansässigen Bürger, die in Kriegsdienst gestanden hatten. H . 19, 1966, S. 5—17. —,—: Die Bewohner der Marienvorstadt in Osterode am Harz im Jahre 1689. H . 20, 1966, S. 14—22. S ö h l m a n n , Fritz: Funde im Pfarrarchiv Willershausen. Kirche St. Alexander in Willershausen und Kapelle St. Ulrich in Westerhof. H . 18, 1966, S. 1—10. S p a n u t h , Friedrich: Barbis, Berengoze, Nibitzi. Sind Berengoze und Nibitzi Wüstungen? H . 22, 1967, S. 1—12. Heimatkalender
des Kreises Osterode und des Südwestrandes
des Harzes 1966 und 1967
Überwiegend volkstümlich, jedoch enthält der Kalender durchaus beachtliche Beiträge; u. a. über: [1966] Die Innerste-Talsperre bei Lautenthal im Harz, Eiszeitfunde in Osterode, das Stadtarchiv zu Osterode, Hermann Löns im Kreise Osterode, die Schlacht bei Langensalza 1866, den siebenjährigen Krieg in Echte, die Königshütte in Bad Lauterberg; [1967] das Kreisarchiv von Osterode, zwei Mühlenregister aus dem Osteroder Stadtarchiv, das Haus auf dem Brocken, die St.-Andreas-Kirche in Bad Lauterberg.
P R O V I N Z SACHSEN U N D A N H A L T Nordharzer
663
Jahrbuch 2, 1965166
A h 1 h e 1 m , Günther: Darstellungen von Friedens-Allegorien auf gußeisernen Ofenplatten von Ilsenburg und Hirzenheim. S. 55—57. A s s m u s , Otto: Die niederdeutsche Sprache im Harz. S. 65—70. H a r t m a n n , Werner: Die Zerstörung Haiberstadts am 8. April 1945. S. 39—54. K 1 o c k e , Fritz: Das Fullfaß, ein altes Harzer Traggerät. S. 59—60. —,—: Der Bindepflock und seine Verwendung im Unterharz. S. 61—63. M a l i n o w s k i , Tadeusz: Gesichtsurnen der frühen Eisenzeit in Polen und die Frage ihres Zusammenhanges mit den Gesichtsurnen aus dem Gebiet Mitteldeutschlands. S. 11—18. W e s a r g , Ernst: Ein jungsteinzeitliches Steinkistengrab von Dingelstedt, Kreis Halberstadt. S. 7—9. —,—: Das Dorf Dingelstedt am Huy, Kreis Halberstadt. Versuch der Darstellung seiner Entwicklung an H a n d von Dorfplänen und Flurkarten. S. 19—38. Northeimer
Heimatblätter
1966
Heft 1/2 enthält zahlreiche kürzere Beiträge zur Geschichte der Stadt Northeim, die in drei Abschnitte gegliedert sind. Das erste Kapitel enthält wissenschaftliche Darstellungen über ihre Geschichte. Daran schließen sich Proben aus dem u»gedruckten „Handbuch zur Heimatkunde" aus dem Nachlaß von Adolf H u g e a u. Im letzten Abschnitt sind Urkunden und sonstige Quellen zur Geschichte der Stadt zusammengestellt. Heft 3 enthält neben einer Notiz zur Apothekengeschichte von Moringen und einem Edikt, die Wiesen der königlichen Kavallerie betreffend (6. April 1718), den Aufsatz: K ü h l b o r n , Erhard: Topographie und Geschichte einiger mittelalterlicher Wüstungen im Solling. S. 3—28. Northeimer
Heimatblätter
1967
H o l s c h e r , Curt: Lebenswandel der zu Adelebsen 1793 und 1794 hingerichteten Inquisiten. H . 2, S. 12—16. K ö r b e r , Friedrich-Wilhelm: Alte Flurnamen in der Northeimer Feldmark. H . 2, S. 3—6. S p r e n g e r , Gerhard: Zur Geschichte der St. Martini-Kirche in Adelebsen. H . 1, S. 12—16. Unser Harz 14, 1966 und 15, 1967 Bedingt volkstümlich; u. a. über: [1966] die Stadtverordneten von Benneckenstein 1741, die Ilfelder Klosterschule, das Kloster Walkenried, den Fund eines Kindersarges in der Pöhlder Klosterkirche, Münzen [hauptsächlich Anhaltische] aus Ostharzer Silber und Gold, das Jagdschloß Spiegelsberg [südwestlich von Halberstadt], alte Grenzsteine im Waldgebirge „Alter Stolberg" [Südharzvorland], die Geschichte des Brockenhauses, Herrensitze (Burgen im Harz), die Festung Regenstein, Eike von Repgow auf Burg Falkenstein, das Dorf Volkmannrode, die Geschichte der Ilfelder Eisenhütte, die Harzburg [in Bad Harzburg]; [1967] den H a r z als Reichsbannforst im frühen Mittelalter, die Schlacht bei Lutter am Barenberg [1626], Carl Ernst von Hagen [gest. 1808] auf Hausnienburg [nördlich von Halberstadt am Nordhang des H u y ] , das Rathaus von Blankenburg. B u r o s e , Hans: Die Calvörsche Bibliothek zu Lebzeiten ihres Begründers. [Caspar Calvör, 1650—1725; die Bibliothek befindet sich heute in der Hochschule in Clausthal.] HarzZs. 18, 1966, S. 1—16.
664
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU E I N Z E L N E GEBIETE
B u r o s e , Johanna: Die Buchdrucker des Westharzes im 17. Jahrhundert und ihre in der Calvörschen Bibliothek vorhandenen Drucke. Harz-Zs. 18, 1966, S. 17—68. H i l l e b r a n d , Werner: Von den Anfängen des Erzgebirgsbaues am Rammeisberg bei Goslar. Zur 1000-Jahr-Feier 1968. Niedersädisisches Jb. für Landesgesdiidite 39, 1967, S. 103—114. L a u b , Gerhard: Untersuchungen zur Lage des Rupenbergreviers. Ein Beitrag zur Bergbaugeschichtsforscbung im Westharzgebiet. Harz-Zs. 18, 1966, S. 95—105. L o m m a t z s c h , Herbert: Zur Vorgeschichte der Bergschule und der Bergakademie (Technische Hochschule) Clausthal. Harz-Zs. 18, 1966, S. 69—93. S c h m i d t , Ferdinand: 100 Jahre „Alte Apotheke" in Thale/Harz. Deutsche-ApothekerZeitung 106, 1966, S. 1879—1880. T o e p f e r , Volker: Steinzeitliche Funde aus den Rübeländer Höhlen im Harz. Uberblick aus Anlaß des Entdeckungsjubiläums der Baumanns- und Hermannshöhle (mit dem Umschlagbild und Tafel 1). Ausgrabungen und Funde 12, 1967, S. 1—3.
6. T H Ü R I N G E N Zeitschriften Abhandlungen
und Berichte des Heimatmuseums
Gotha 1966
M o t s c h m a n n , Herbert: Schule im Museum. S. 79—92. N i p p o l d , Erich: Das Gothaer Sdiloßtheater als barocke Opernbühne (1683—1744). S. 3—32. R a s c h k e , Helga: Zwei Beiträge zur antifaschistisch-demokratischen Umwälzung in Gotha. [Das Kriegsende in Gotha 1945.] S. 49—78. R o o b , Helmut: Die Gothaischen Ämter im 19. und 20. Jahrhundert. S. 33—47. Alt-Thüringen. und 9, 1967
Jahresschrift
des Museums
für Ur- und Frühgeschichte
Thüringens 81 1966
B a c h , Herbert / B a r t h , Alexander: Prähistorischer und anthropologischer Befund eines Steinkistengrabes mit Kugelamphorenkeramik aus Flarchheim, Kr. Mühlhausen. 8, 1966, S. 184—192. B a r t h e l , Hans-Joadiim: Der Pechofen von Ruppersdorf, Kreis Lobenstein. 9, 1967, S. 195—203. B a r t h e l , Sonja: Spätbronzezeitliches Gräberfeld in Nohra. 8, 1966, S. 193—210. —,—: Latenezeitliche Gräber aus dem Kreise Weimar. 8, 1966, S. 259—280. B e h m - B l a n c k e , Günter / B a c h , Herbert / B a c h , Adelheid: zum Problem der sdinurkeramischen Leichenverbrennung in Thüringen. 9, 1967, S. 229—258. B l e c k , Rolf-Dieter: Archäologische Chemie — Chemie im Dienste der Urgeschichtsforsdiung. 8, 1966, S. 7—19. —,—: Das Pech von Ruppersdorf. 9, 1967, S. 204—208. D u s e k , Sigrid: Eisenschmelzöfen einer germanischen Siedlung bei Gera-Tinz. 9, 1967, S. 95—183. F e u s t e 1, Rudolf / B a c h , Herbert / G a 11, Werner / T e i c h e r t , Manfred: Beiträge zur Kultur und Anthropologie der mitteldeutschen Schnurkeramiker. 8., 1966, S. 20—170.
665
THÜRINGEN
Hanse,
Günther: Flurnamenkunde und Siedlungsgeschichte. 9, 1967, S. 2 0 9 — 2 2 8 .
P e s c h e 1, K a r l : Spätkeltischer keramischer Import in Thüringen. 8, 1966, S. 2 3 1 — 2 5 8 . S c h m i d t , Berthold / A l b r e c h t , H e r m a n n : Ein münzdatiertes G r a b der spätrömischen Kaiserzeit von Schlotheim, K r . Mühlhausen. 9, 1967, S. 1 8 4 — 1 9 4 . S c h r i c k e 1, Waltraut: Uber die Anlage von Urnenfriedhöfen mit Steindecke oder Steinpackung in der Lausitzer Kultur. 8, 1966, S. 2 1 1 — 2 3 1 . S c h u l t z e - M o t e l , Jürgen / G a 1 1 , Werner: Prähistorische Kulturpflanzenreste aus Thüringen. 9, 1967, S . 7 — 1 5 . Simon,
Klaus: U r - und frühgeschichtliche Höhensiedlungen
auf dem Jenzig bei
Jena.
Wolfgang: Neolithische Gräber mit Steinabdeckung von Wilsdorf, K r .
Jena.
9, 1967, S. 1 6 — 9 4 . Timpel,
8, 1966, S. 1 7 1 — 1 8 3 . — , — : Neue kulturhistorische Untersuchungen
aus frühmittelalterlichen
Gräbern. 8,
1966,
S. 2 8 1 — 2 9 5 .
Aus der Vergangenheit der Stadt Erfurt 4, 1967, H. 4 Dieses Heft enthält den Beitrag von G r i e b e l ,
August: Johann Wolfgang Goethe und
Erfurt. S. 1 5 1 — 1 7 8 .
Ausgrabungen und Funde 11, 1966 und 12, 1967 Bach,
H e r b e r t : Die Skelette von zwei Glockenbecherleuten aus Wundersleben, K r . Söm-
merda (mit einer Textabbildung). 11, 1966, S. 2 4 3 — 2 4 9 . Barthel,
S o n j a : Gräber der Bronze- und Latenezeit in Schlotheim, K r . Mühlhausen (mit
T a f e l 44 b und einer Textabbildung). 12, 1967, S. 2 6 6 — 2 6 9 . B e h m - B l a n c k e , Günter: Zur Datierung der altsteinzeitlichen Artefakte von Ehringsdorf bei Weimar (mit Tafel 41 und einer Textabbildung). 12, 1967, S. 2 4 7 — 2 5 1 . — , — : Die keltische Siedlung bei Jüchsen, K r . Meiningen, und ihre Probleme (mit einer T e x t abbildung). 12, 1967, S. 2 6 3 — 2 6 6 . B l e c k , R o l f - D i e t e r : Aus der Tätigkeit des archäologisch-chemischen Laboratoriums Weimar, Beiträge zur archäologischen Chemie I X . 12, 1967, S. 2 4 3 — 2 4 7 . Deubler,
H e i n z : Neue karolingerzeitliche Grabfunde bei Sundremda, K r . Rudolstadt.
Vorbericht (mit Tafel 38 c — 4 0 und einer Textabbildung). 11, 1966, S. 2 7 7 — 2 8 1 . E r s f e l d , Joachim: 15 J a h r e Präparations Werkstatt am Museum für U r - und Frühgeschichte in Weimar. 12, 1967, S. 2 3 8 — 2 4 2 . F e u s t e 1, R u d o l f : Ein Bronzetassen-Depot aus dem Orlagau (mit dem Umschlagbild, T a feln 43, 44 a, 45). 12, 1967, S. 2 5 8 — 2 6 2 . H e n n i g , Egon: Das Baalberger Haus von Remstädt, K r . Gotha (mit drei Textabbildungen). 12, 1967, S. 2 5 5 — 2 5 7 . Hesse,
Henrike: Zwei mittelalterliche Töpferöfen in Creuzburg, K r . Eisenach (mit T a -
fel 48 b und drei Textabbildungen). 12, 1967, S. 2 7 8 — 2 8 4 . Künstler,
Richard: Eine bemerkenswerte Geröllkeule von Wilhelmsdorf, K r . Pößneck
(mit Tafel 42). 12, 1967, S. 2 5 2 — 2 5 5 . Möbes,
Günter: Zwei Grabhügel der Einzelgrabkultur und Schnurkeramik von Freien-
bessingen, K r . Sondershausen (mit einer Textabbildung). 11, 1966, S. 2 3 9 — 2 4 1 . — , — : Zwei Glockenbechergräber von Wundersleben, K r . Sömmerda (mit dem Umschlagbild). 11, 1966, S. 2 4 2 — 2 4 3 .
666
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
N e u m a n n , Gotthard: Germanische Ackerbaugeräte des 4.—5. Jh. von Jena-Lobeda (mit Tafel 34—36). 11, 1966, S. 260—267. P e s c h e 1, Karl: Grabfunde der Schnurkeramik von Jena-Lobeda (mit Tafel 33 a und zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 235—239. —,—: Thüringische Gräber von Jena-Lobeda (mit Tafel 38 a—b und drei Textabbildungen). 11, 1966, S. 267—273. —,—: Eine Urnengrab der frühen römischen Kaiserzeit von Großeutersdorf, Kr. Jena (mit zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 269—272. T i m p e 1, Wolf gang: Ein Steinkistengrab mit Rechteckfibel von Niederzimmern, Kr. Weimar (mit Tafel 37 und zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 273—277. —,—: Zwei neue frühmittelalterliche Sporengräber aus Thüringen (mit Tafeln 46—48 a und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 273—277. Beiträge zur Geschichte der Universität Erfurt (1392—1816) [Jg. 12, 1965/66 s. J G M O D 16/17, S. 685.]
13, 1967
A b e , Horst Rudolf: Die artistische Fakultät der Universität Erfurt im Spiegel ihrer Bakkalaurei- und Magisterpromotionen der Jahre 1392—1521. S. 33—90. O r t h , Siegfried: Zur Geschichte der Musikpflege an der ehemaligen Universität Erfurt. S. 91—147. S t r o b e 1, Walter: Von der Universitätsbibliothek zur Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Erfurt. S. 193—215. S u d e r m a n n , August: Zur 575jährigen Wiederkehr des Gründungstages der alten Erfurter Universität am 1. Mai 1967. S. 13—31. W i e g a n d , Fritz: Die Vermögenswerte der ehemaligen Universität Erfurt um das Jahr 1816. S. 149—192. Greizer
Heimatkalender
1966 und 1967
B e c k e r , Werner: Ein versäumtes Jubiläum. Zur Entstehungsgeschichte der Kunstausstellung im Sommerpalais. 1967, S. 46—51. H e r o l d , Hans: Der Münzfund von Naitschau. [1964.] 1966, S. 66—70. M ü l l e r , Klaus: Slawische Namen im Kreis Greiz. 1967, S. 71—74. Q u e r f e 1 d , Werner: Zwei Greizer Steuerverzeichnisse aus dem Jahre 1566 als ardiivalische Quellen zur Bevölkerungsgeschichte. 1967, S. 82—84. Ri e d e 1, Berthold: Das 1000 Jahre alte Dorf Caselwitz. 1966, S. 74—77. W e i s s , Wisso: Riesenumschläge der Greizer Papiermühle. 1966, S. 33—37. Z i e r d t , Karl-Heinz: Die Stadt Elsterberg vor 600 Jahren. 1966, S. 82—85. —,—: Zum Namen „Schönbach". 1967, S. 59—63. Heimatbote.
Kulturspiegel
für den Kreis Greiz 12, 1966 und 13, 1967
F i c k e r , Theo: Ein „Laubhüttenfest" in Greiz anno 1807. 12, 1966, S. 56—58. M i c h a e l i s , Reinhard: Alte Mühlen und Hämmer im Greizer Land. 13, 1967, S. 157—159, S. 182—183 und S. 203—205. Q u e r f e l d , Werner: Als 1866 die Preußen Greiz besetzten. 12, 1966, S. 136—138. —,—: Erste urkundliche Erwähnungen von Berga. 12, 1966, S. 151—152. S c h r a m m , Rudolf: Woher das Wasser unseres Heimatflusses kommt. 13, 1967, S. 4—7, S. 31—34 und S. 56—58.
THÜRINGEN
667
S ü ß , Gerhard [Auszüge aus seiner Dissertation von 1949 „Das Gesundheitswesen der Stadt Greiz in der geschichtlichen Entwicklung"]: Von Badern und Medicis in Greiz von ehedem. 12, 1966, S. 28—29, S. 64—65, S. 92—93 und: Aus der Geschichte der Greizer Apotheken. 12, 1966, S. 116—117 und S. 133—134. Heimatkundliche
Lesebogen
für das Coburger
Land 1966 und 1967
Überwiegend volkstümlich; u. a. über: Alte Straßen im Coburger Land und Coburg und der deutsche Einigungskrieg vor 100 Jahren; Coburg und die Gründung des Norddeutschen Bundes 1867. Rudolstädter
Heimathefte
12,1966
D e u b l e r , Heinz: Bericht der Kreisbodendenkmalpflege Rudolstadt 1964/65. S. 16—19. —,—: Die Rudolstädter Landschaft im Urteil bekannter Männer und Frauen der Vergangenheit. S. 86—90. —,—: Sporen und Schellen aus den Gräbern bei Sundremda. S. 100—102. —,—: Eine Sichel aus dem Sundremdaer Grab 52. S. 258—260. —,—: Die Sundremdaer Lanzenspitze. S. 201—202. —,—: Zur Geschichte der Rudolstädter Post. S. 241—245. D e u b l e r , Heinz / K o c h , Alfred: Der Rudolstädter Schloßturm. [Forts, aus Rudolstädter Heimath. 11, 1965, S. 237—254.] S. 19—24. E b e r h a r d , Hans: Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeschichte des Landratamtsbezirkes Königsee in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. S. 102—107, S. 146—157 und S. 194—200. H e r z , Hans: Die Stellung des Staatsarchivs Rudolstadt im Archivwesen der DDR. [S. unten R . Ruhe.] S. 230—232. H o f f m a n n , Rudolf: Aus einem alten Bürgerhaus [Rudolstadt, Thälmannstraße 48.] S. 215—217. K a y s s e r , Georg: Bad Blankenburg in den Kriegsjahren 1806/07. S. 213—214. —,—: Die Explosion der Blankenburger Pulvermühle im Jahre 1817. S. 230—232. K n o p f , Alfred: Hoheneiche. [Auf der Saalfelder Höhe.] S. 108—111 und S. 153—157. K o c h , Alfred: Restaurierungsarbeiten in der Klosterruine Paulinzella. S. 10—12. —,—: Museum und Öffentlichkeitsarbeit — Erfahrungen der Staatlichen Museen Heidecksburg bei der Förderung des geistig-kulturellen Lebens. S. 55—63. —,—: Gottlieb Martin Klauers Bildwerke in der Heidecksburg. S. 182—185. —,—: Zur Restaurierung der Rudolstädter Stadtkirche. S. 235—237. K ü h n e r t , Herbert: Urkundliche Nachrichten über einige alte Schmelzhütten im Bergbaugebiet der Schwarzburgischen Oderherrschaft. [Forts, aus Rudolstädter Heimath. 10, 1964, S. 160—166 und 11, 1965, S. 17—26 und S. 254—259; wird fortges.] S. 25—31, S.64—72 und S. 158—165. —,—: Über die Rußhütte zu Schmalenbuche. S. 203—206. —,—: Die Anfänge von Neuhaus a. Rwg. (1571/72). S. 254—258. L u n d e r s t e d t , Paul: Die Schwarzburger Markscheidung des Amtmannes Friedrich von Lonerstat vom Jahre 1492. [Forts, aus Rudolstädter Heimath. 11, 1965, S. 217—227 und S. 267—268.] S, 32—37 und S. 111—116. O p e l , Hermann: Aus der Chronik von Uhlstädt. S. 167—168 und S. 218—219. O s w a l d , Heinz: Arbeitsbericht der Fachgruppe Höhlen- und Karstforschung, Ur- und Frühgeschichte Königsee. S. 84—86.
668
Z E I T S C H R I F T E N U M S C H A U E I N Z E L N E GEBIETE
R u h e , Rudolf: Zur Umbildung des Landesardiivs Rudolstadt in ein Staatsarchiv. [S. oben H . Herz.] S. 12—16. T z s c h ö k e l l , H e l m u t : Die Notenbestände der ehemaligen Hofkapellen Rudolstadt und Sondershausen im Staatsarchiv in der Heidecksburg. S. 6—9. W e i s s , Wisso: Zur Geschichte des Papierwerks Leutenberg. S. 207—213. Rudolstädter
Heimathefte
13, 1967
B e e r , Gustel: Die Volksaktion 1947. [Die Nachkriegsentwicklung im Kreise 1945.] S. 99 bis 113. D e u b l e r , Heinz: Feuerstühle aus den Sundremdaer Gräbern. [Vgl. Rudolstädter Heimathefte 11, 1965, S. 76—80, S. 198—201; 12, 1966, S. 201—202, S. 258—260 und Ausgrabungen und Funde 11, 1966, S. 277—281.] S. 25—26. —,—: Der Dörnfelder Gedenkstein. [Vom 14. April 1829.] S. 41—42. —,—: Vor 175 Jahren. Zum Rudolstädter Theaterjubiläum. [S. unten G. Sobe.] S. 60—63. —,—: Der Greifenstein bei Bad Blankenburg in Thüringen. S. 133—146. —,—: Die Allendorfer Tropfsteinhöhlen. [Audi über den ehemaligen Bergbau bei Allendorf.] S. 216—221. —,—: Neue Funde der jüngeren Linienbandkeramik im Großen Querlichloch bei KönigseeGarsitz. S. 279—281. H e r z , H a n s : Die Sozialistische Oktoberrevolution 1917 und die Arbeiterklasse in Rudolstadt. S. 199—208. —,—: Zur Anzahl und zur sozialen Schichtung der Einwohner von Stadtilm um 1450. S. 207—278. H e s s , Ulrich, Die Kampfhandlungen in Thüringen während des Krieges 1866. S. 31—40 und S. 68—72. H o r n s c h u h , H a r r y : Die Mundart am Langen Berg bei Königsee. S. 89—92. K o c h , A l f r e d : Das Weiße Zimmer im Schloß Heidecksburg — Ein Denkmal klassizistischer Baukunst. S. 27—31. K ü r s t e n , Heinz: Das Bibliothekswesen im Kreis Rudolstadt 1963—1966. S. 124—126. Q u e r f e 1 d , Werner: Änderungen in der territorialen Gliederung (Gemeinden) des Bezirkes Gera während d e r Jahre 1964—1966. S. 58—60. R u h e , Rudolf: Die Rudolstädter Elle. S. 183—185. S c h m i d t , Eva: Nikolaus Bergner — ein thüringischer Bildhauer der Spätrenaissance. [Auszug aus einer Arbeit d e r Verf., die im Jb. der Coburger Landesstiftung 1966 erschienen ist: N . Bergner aus Pößneck, gest. zw. 1609 und 1613.] S. 166—179 und S. 254—267. S c h n e i d e r , Erich: Antifasdiistische Großkundgebung 1932 in Bad Blankenburg. S. 22—24. —,—: Der l . M a i 1933 in Rudolstadt. S. 54—58. —,—: Kriegsverluste und Schäden des zweiten Weltkrieges in Stadt und Kreis Rudolstadt, S. 113—120. —,—: Vom antifaschistischen Widerstand kirchlicher Kreise in Rudolstadt während der Jahre 1933—1945. S. 151—155. S o b e , Gottholf: Goethe und das Rudolstädter Theater. Die Gastspiele der Weimarer Bühne in Rudolstadt 1794 bis 1803. [S. oben H . Deubler.] S. 63—65. Wasunger
Geschichtsblätter
1966 und
1967
Die kleinen Heftchen enthalten neben kürzeren Berichten durchaus wissenschaftlichen Charakter über: die Schlacht bei Roßdorf [1866], die Wüstung Wernhers, Wasunger Zunftladen,
669
THÜRINGEN
alte Ansichten der Stadt Wasungen, den Prediger H a n s Heinrich im Bauernkrieg [1525], Abel Scherdiger [gest. 1605] und Tuiskon Ziller [gest. 1882] folgende Beiträge: S c h o l z , Ingeborg: Aus der Baugeschichte des Wasunger Amtsgerichtsgebäudes. 1966, S. 14—16. — , — : Die Baudenkmäler der Stadt Wasungen. 1966, S, 25—32. W ö 1 f i n g , G ü n t h e r : Wasungen als Notstandsgebiet. Untersuchungen zur wirtschaftlichen Lage d e r Stadt zwischen den beiden Kriegen. 1966, S. 6—8 und S. 10—12. —,—: Wasungen als „gräfliche Residenz". Die Entstehung eines geschichtlichen Irrtums. 1967, S. 37—38, S. 41—42 und S. 44. — , — : Aus 600 Jahren Wasunger Schulgeschichte. 1967, S. 54—60. W ö 1 f i n g , Günther / S c h o l z , Ingeborg: Die Burg Maiendurft. 1966, S. 17—20. Wissenschaftliche wissenschaftliche
Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Reihe 16, 1967, Heft 2/3
Jena, gesellschafts-
und
sprach-
Dieses H e f t enthält einen ausführlichen Literaturbericht „Forschungen zur Geschichte T h ü r i n gens 1945—1965". In 27 Beiträgen w i r d ein Überblick über die Publikationen d e r letzten 20 J a h r e zur Geschichte Thüringens von d e r U r - u n d Frühgeschichte bis zur Zeitgeschichte gegeben. Auch die historischen Hilfswissenschaften u n d Randgebiete wie Literatur- und Kunstgeschichte werden in selbständigen Beiträgen behandelt. J o h n , Jürgen: Bibliographien und Literaturberichte. S. 163—165. —,—: Zeitschriften u n d Schriftenreihen. S. 167—172. —,—: Gesamtdarstellungen, Festschriften, umfassendere heimatkundliche Arbeiten. S. 173 bis 174. L a n g e r , E r i k a : Ostgeschichtliche Gesamtdarstellungen und Überblicke. S. 175—184. N e u m a n n , G o t t h a r d : U r - und Frühgeschichte. S. 185. L a n g e r , E r i k a : Geschichte des Mittelalters und d e r Neuzeit. S. 187—202. J o h n , J ü r g e n : Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (1815—1945). S. 203—222. — , — : Zeitgeschichte. S. 223—231. R o o b , H e l m u t : Historische Geographie und Kartographie. S. 233—236. L a n g e r , E r i k a : Wirtschafts- und Sozialgeschichte vom f r ü h e n Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. S. 237—243. J o h n , J ü r g e n : Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 245—258. G ü n t h e r , G e r h a r d : Geschichte des Staates und des Rechts — I. Verfassungs- und Rechtsgeschichte. S. 259—267. H e s s , Ulrich: Geschichte des Staates und des Rechts — I I . Verwaltungs- und Behördengeschichte. S. 269—277. M i t z e n h e i m , P a u l : Geschichte d e r Erziehung und des Schulwesens. S. 279—285. S t r a u b e , M a n f r e d / F l a s c h e n d r ä g e r , W e r n e r : Wissenschaftsgeschichte, Geschichte d e r Universitäten und Hochschulen. S. 287—300. M e t t k e , H e i n z : Sprachgeschichte. S. 301—305. S p a n g e n b e r g , K a r l : Mundartforschung. S. 307—312. S c h r i c k e l , H e r b e r t : Namenforschung. S. 313—317. L e h n h u s s , H e i d e : Literaturgeschichte. S. 319—325. W a m m e t s b e r g e r , H e l g a : Kunstgeschichte. S. 327—338. K r a f t , G ü n t h e r : Musikgeschichte. S. 339—350. H e r z , H e i n z : Kirchen- und Religions-geschichte. S. 351—356.
670
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
Sperschneider, Michel-Triller,
Heinz : Volkskunde. S. 357—360. Günther: Archivwesen. S. 361—365.
M ü l l e r , Helmut: Museumswesen. S. 367—378. M e s s o w , Gudrun: Bibliothekswesen. S. 379—387. H e r z , Hans: Historische Hilfswissenschaften. S. 389—394.
Allgemeines B a u e r , Ernst: König Günther aus dem Hause Schwarzburg. Thüringer Heimatkalender 12, 1967, S. 59—65. D i c k m a n n , F r i t z : Die Regierungsumbildung in Thüringen als Modell der Machtergreifung. Ein Brief Hitlers aus dem Jahre 1930. [Hitler erörtert hier seine Taktik bei der Regierungsbildung in einem kleinen deutschen Land als Vorstufe zur Eroberung des gesamten Staates.] Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 14, 1966, S. 454—464. E y e r m a n n , Richard: Auf dem Wege zur Einheit der Arbeiterbewegung in Thüringen 1945/46. Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 8, 1966, Sonderh. S. 67—70. R ü t h e r , Waldemar: Frauensee — Kloster, Vogtei und Territorium — im hessisch-thüringischen Grenzraum. Hessisches J b . für Landesgeschichte 17, 1967, S. 58—111. M ä g d e f r a u , Werner: Grundfragen der regionalgeschichtlichen Arbeit. Aufgaben der Historiker in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl. [Zugleich grundlegende Erörterung regionalgeschichtlicher Probleme im Sinne marxistisch-leninistischer Geschichtsschreibung im Gegensatz zur „bürgerlichen" Landesgeschichte.] Zs. für Geschichtswissenschaft 4, 1966, S. 239—254. M a n i a , Dietrich: Die Porta Thüringica — Besiedlungsablauf und Bedeutung in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. [Unstrutdurchbruch bei Sachsenburg.] Wiss. Zs. der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg, ges.- und sprachwiss. Reihe 15, 1966, S. 7 5 — 1 7 5 . M a r w i n s k i , Konrad: Die Schätze der Thüringischen Landesbibliothek. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 133, 1966, S. 472—474. S c h u l z e , Hans K . : Die Entwicklung der thüringischen Pfarrorganisation im Mittelalter. Blätter für deutsche Landesgeschichte 103, 1967, S. 32—70. S t e i n b e r g , Heinz Günter: Der Begriff „Mitteldeutschland". [Ein geographischer, historischer und ökonomischer Überblick; während vor 1945 unter Mitteldeutschland das Gebiet der Länder Anhalt, Sachsen, Thüringen und der preußischen Provinz Sachsen verstanden wurde, gilt er heute für das Gebiet der D D R . ] Berichte zur deutschen Landeskunde 39, 1967, S. 31—48. U n v e r r i c h t , Hubert: Musik in Mainz im Spiegel der sächsisch-thüringischen Allgemeinen Zeitschriften aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Mainzer Zs. 60/61, 1965/66, S. 4 1 — 5 0 . Einzelne Bezirke und Ortschaften F r i e d r i c h , O t t o : Ein Stüde Urstraße am Budiberg. [Südöstlich von Coburg.] Fränkischer Heimatkalender 1966, S. 36—42. H o f f m a n n , Helga: Zur Neugestaltung des Wartburgmuseums. Neue Museumskunde 10, 1967, S. 267—278.
THÜRINGEN
671
H u m b e r g , Felix: Aus der Geschichte der Eisenadier Arbeiterbewegung. Sommergewinn 1967, S. 9—17. L a n g l o t z , Kurt: 900 Jahre Wartburggeschichte. Thüringer Heimatkalender 12, 1967, S. 30—44. P e c h s t e d t , Eckbert: L . N . T o l s t o j in Eisenach. Ein Beitrag zum Wartburgjubiläum 1967. [Zw. 1857 und 1861.] Wiss. Zs. des Pädagogischen Instituts „Dr. Theodor Neubauer", Erfurt, ges.- und spradiwiss. R. 4, 1967, S. 59—66. R i s k e , Erwin: Spaziergang zu mittelalterlichen Befestigungsanlagen in und um Eisenach. Sommergewinn 1967, S. 29—33. Z i e ß 1 e r , Rudolf : Die Wartburg und die Geschichte ihrer Restaurierung. Neue Museumskunde 10, 1967, S. 251—266. D o 1 g e r , Dieter: Neue Forschungsergebnisse über den Erfurter Bildschnitzer Linhart Koenbergk. [15. Jh.] Wiss. Zs. der Hochschule f ü r Architektur und Bauwesen Weimar 13, 1966, S. 181—190. F r e n t z e l , Herbert: Das historische Planungsschema im Grundriß der Städte Erfurt und Magdeburg. [Vf. versucht auf Grund von Abmessungen der Distanzen besonders der Kirchen in den genannten Städten eine wohl schon karolingische Grundrißanlage mit klarer Geometrie zu ermitteln.] Forschungen und Fortschritte 41, 1967, S. 7—11. S c h y r a , B.: Die Gründung der ersten deutschen medizinischen Universitätsklinik 1755 in Erfurt. Medizinische Monatsschrift 20, 1966, S. 510—514. S t r o b e l , Walter: Von der Universitätsbibliothek zur Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Erfurt. Beiträge zur Geschichte der Universität Erfurt 13, 1967, S. 193—215. L o n i t z , Werner: Der Marktplatz Gera. Deutsche Architektur 15, 1966, S. 744—747. I m m i g , Eberhard: Das historische Staatsarchiv Gotha und seine Aktenbestände zur Geschichte des Eichsfeldes in der Epoche des Kapitalismus. Eichsfelder Heimathefte 6, 1966, S. 372. H u s c h k e , Wolfgang: Stammfolge Huschke aus Greussen in Thüringen. Deutsches Familienarchiv 33, 1967, S. 253—314. F l ä s c h e n d r ä g e r , Werner: Zwei Feiern zum 300jährigen Bestehen der Salana 1848. Bemerkungen zur Geschichte der Universität Jena und zur Rolle ehemaliger Urburschenschafter im Revolutionsjahr. Wiss. Zs. der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ges.- und sprachwiss. Reihe 15, 1966, S. 267—273. G e b h a r d t , Otto: Die Entwicklung des studentischen Lebens an der Friedrich-SchillerUniversität Jena von der Zerschlagung des Hitler-Faschismus bis zur Einführung der Hochschulreform (1945—1951). Wiss. Zs. der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ges.und sprachwiss. Reihe 15, 1966, S. 335—348. J u c k e n b u r g , Gerhard: Zur Entstehung der Jenaer studentischen Progreßbewegung. Wiss. Zs. der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ges.- und sprachwiss. Reihe 15, 1966, S. 259—266. K a r p e , Georg: Die Universitätsbibliothek Jena und ihre Kulturschätze. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 134, 1967, S. 98—101. K o c h , Herbert: Exulanten in Jena im 16. und 17. Jahrhundert. Genealogie 15, 1966, S 262 bis 263. K ö h l e r , Otto: Das Archiv der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Entwicklung und gegenwärtigen Aufgaben. Archivmitteilungen 16, 1966, S. 187—191.
672
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
K ö h l e r , Otto / S t e i g e r , Günther: Dokumente aus dem Universitätsarchiv Jena über die Hilfe der Sowjetunion bei der Neueröffnung der Friedrich-Schiller-Universität 1945 und den Neubeginn der deutsch-sowjetischen Freundschaft (1945—1950). Wiss. Zs. der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ges.- und sprachw. R. 16, 1967, S. 399—410. S c h ö n h e r r , Wolfgang: Die Verwaltungstätigkeit Goethes im Auftrage des Großherzogs Carl August und die Verdienste des Dichters um die Gründung und Entwicklung der Veterinäranstalt in Jena. Wiss. Zs. der Friedrich-Schiller-Universität Jena, math.-naturwiss. Reihe 15, 1966, S. 373—379. S c h r e i b e r , Jutta: Die Jenaer Progreßstudenten in der bürgerlich-demokratischen Revolution 1948/49. Wiss. Zs. der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ges.- und spradiwiss. Reihe 15, 1966, S. 251—257. K e s t i n g , Rolf: Sanierung im Altstadtgebiet von Pößneck. Deutsche Architektur 16, 1967, S. 648—685. H e i n e m e y e r , Walter: Die Reinhardsbrunner Fälschungen. [Urkunden des Klosters Reinhardsbrunn, Kreis Gotha.] Archiv f ü r Diplomatik 13, 1967, S. 133—224. R o h r , Martin: Rohr aus Schmalkalden in Thüringen. [Siehe auch Deutsches Familienarchiv 20, 1962, S. 194—226 und 27, 1964, S. 194—226.] Deutsches Familienarchiv 31, 1966, S. 133—239. G e i e r , Horst: Schraubeshain. Ein Beitrag zur Wüstungskunde des südöstlichen Harzvorlandes. [Die wüste Dorfstelle Schraubeshain liegt bei Emseloh, Kreis Sangerhausen.] Wiss. ZI. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, math.-naturwiss. R. 15, 1966, S. 31—37. R e d l i c h , Clara: Neue Beobachtungen über die Bestattungssitten im bandkeramischen Gräberfeld Sonderhausen/Thüringen. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 35, 1966, S. 14—17. K ü h n e r t , Herbert: Aus der Geschichte des Suhler Eisen- und Stahlhüttenwesens. Von den Anfängen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Tradition 12, 1967, S. 459—483. B e h r, Adalbert: Das Denkmal f ü r die Märzgefallenen in Weimar. [Für die am 15. März 1920 umgekommenen Werktätigen.] Wiss. Zs. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 14, 1967, S. 459—464. —,—: Der Faschisierungsprozeß an der Staatlichen Hochschule für Baukunst, bildende Künste und Handwerk Weimar in den Jahren 1930—1933. Wiss. Zs. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 13, 1966, S. 495—504. B u c h h o 1 z , Reiner: Geschichte des Marktplatzes (in Weimar). Deutsche Architektur 15, 1966, S. 712—725. B ü t t n e r , Horst: Das Goethehaus (in Weimar). Deutsche Architektur 15, 1966, S. 726—727. F u h r m a n n , Wilhelm: Zur Etymologie der Ortsnamen des Kreises Weimar. Wiss. Zs. des Pädagogischen Instituts „Dr. Theodor Neubauer" Erfurt, ges.- und sprachwiss. R. 4, 1967, S. 43. M ö l l e r , R.: Die Ärzte der Familie Hufeland in Weimar. Medizinische Monatsschrift 21, 1967, S. 216—223 und S. 266—274. S c h ä d l i c h , Christian: Der Neubeginn an der Staatlichen Hodischule für Baukunst und die bildenden Künste Weimar im Jahre 1946. Wiss. Zs. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 13, 1966, S. 505—520. S t e i n e r , Walter / W i e f e l , Heinz: Zur Geschichte der geologischen Forschung in Weimar. Teil I: Forscherpersönlichkeiten und Institutionen. Wiss. Zs. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 13, 1966, S. 247—273.
THORINGEN
673
Das Eidisfeld Eichsfelder
Heimathefte
6, 1966
A t z r o d t , H a n s : Aus der Geschichte des Eichsfelddorfes Holungen. S. 247—253, S. 289 bis 294 und S. 329—334. B a r t h e l , Hans-Peter: Aus der Geschichte des Jagdwesens auf dem Eischsfeld. Teil I. S. 335—339. B a r t h e l , Rolf: Der erste Streik auf dem Eichsfeld im Jahre 1847. S. 92—98. —,— : Aus dem Leben von August Gothe [gest. 1962]. Sechs Jahrzehnte Kampf für die Arbeiterklasse. S. 128—136. —,—: Beiträge zur Geschichte der K P D des Eichsfeldes. S. 163—171 und S. 270—271. —,— : 20 Jahre demokratische Schulreform auf dem Eichsfeld. S. 227—232 und S. 265—272. —,— : Die Blutspur f ü h r t nach Dingelstädt. [Ober den SA-Standartenführer und Bürgermeister von Dingelstädt, Heinrich Nachtwey.] S. 343—348. D e m m e , H a n s : Die Durchführung der demokratischen Schulreform auf dem Eichsfeld. 5. 366—371. D ö 11 e , Adalbert: Regesten zu den Urkunden und Akten des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Beuren im Eichsfeld. S. 45—55, S. 208—276, S. 295—300 und S. 351—355. F r e n t z e l , H e r b e r t : Das Eichsfeld im kartographischen Bild. Teile X I — X V . [Früheres im J G M O D 16/17 S. 689 zitiert.] S. 62, S. 223—224, S. 282—288, S. 317—320 und S. 384. —,—: Carl Duval — der Eichsfelder Romantiker. [Gest. 1853.] S. 29—39. G o d e h a r d t , H e l m u t : Johann Wolf — Pionier der eichsfeldischen Geschichtsschreibung. [Gest. 1826] S. 25—29. —,— : Das Eichsfeld als Ausgangsgebiet agrarischer und nichtagrarischer Wanderungen in der ersten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts. S. 78—90. —,— : Eine Verordnung zum Besuch der Schulen vom Jahre 1765. S. 270—271. H ö c h e , K u r t : Aus Gegenwart und Zukunft der sozialistischen Landwirtschaft des Kreises Worbis. S. 121—124. H o f f m a n n , Heinrich: 1. Mai 1946 in Heiligenstadt und Worbis. S. 145—146. —,— : Das Stern wappen Thüringens. [Vgl. hierzu Herbert Frentzel/ H . Hoff mann: Wappen, Siegel und Zeichen. In Eichsfelder Heimathefte 1964, H . 3 und 4.] S. 172—176. H o p p e , Vinzenz: Karl Gatzemeyer — ehedem „magister ludi" und Ortschronist von Struht. [ t 1898.] S. 259—261. I m m i g , Eberhard: Das historische Staatsarchiv Gotha und seine Aktenbestände zur Geschichte des Eichsfeldes in der Epoche des Kapitalismus. S. 372—377. J a r i t z , Gerhard: Das Heiligenstädter Heerlager im Jahre 1866. [Besetzung des Gebietes durch die Hannoveraner.] S. 16—25. K o r n a g e 1, Rudolf : Gedanken zum Jahrestag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. S. 155—158. K r a m a n n , Maria: Die Präparanden-Anstalt in Heiligenstadt. [Vgl. hierzu M. K r a m a n n : Das ehemalige Lehrer-Seminar in Heiligenstadt und seine Bedeutung f ü r das Eichsfeld. I n : Eichsfelder Heimathefte 5, 1965, S. 342—361.] S. 262—266. —,— : Zwei Lehrer des Eichsfeldes, Anton Fütterer und Joseph Kratz. S. 356—365. N a u e , Reinhard: Zeittafel des Kreises Worbis 1945—1961. S. 69—74. P r o c h a s k a , Walter: Nachrichten aus der Schulchronik des eichsfeldischen Dorfes Winzingenrode. S. 267—269. W e t t e r , Heinrich: D i e Aus- und Weiterbildung der Lehrer nach 1945 auf dem Eichsfelde. 6. 259—262. 43
674
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
GEBIETE
W i l l e m s , Klaus: D e r Zusammenschluß der Arbeiterparteien an der Pädagogischen Fachschule Heiligenstadt. S. 1 4 0 — 1 4 2 .
Eichsfelder
Heimathefte
Atzrodt,
7, 1967
H a n s : Aus der Geschichte des Eichsfelddorfes Holungen. [Schluß; Forts, aus
„Eichsfelder Heimathefte" 6, 1966.] S. 1 7 — 2 1 . A u g e , Erich: Die Steinmetzzeichen der St.-Martins-Kirche im Heilbad Heiligenstadt. S. 197 bis 204. B a r t h e 1 , R o l f : D i e Wanderarbeiter des Kreises Worbis in der zweiten H ä l f t e des 19. J a h r hunderts. S. 6 — 1 6 , S. 6 7 — 7 9 , S. 159—167, S. 2 2 2 — 2 2 6 , S. 2 7 2 — 2 8 1 und S. 3 2 6 — 3 3 2 . D ö 11 e , Adalbert: Regesten zu den Urkunden und Akten des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Beuren im Eichsfeld. [Forts, aus „Eichsfelder Heimathefte" 6, 1966.] S. 3 5 — 4 0 , S. 104—112, S. 1 6 8 — 1 7 4 , S. 2 2 8 — 2 3 3 , S. 2 9 2 — 3 0 5 und S. 3 3 4 — 3 4 5 . F r e n t z e 1, Herbert / G o d e h a r d t , H e l m u t : Ein Münzfund in Breitenholz. S. 3 1 — 3 2 . Frentzel,
H e r b e r t : Das Eichsfeld im kartographischen Bild. [Schluß; Forts, aus „Eichs-
felder H e i m a t h e f t e " 6, 1966.] S. 5 4 — 6 4 . — , — : Das deutsche Notgeld von 1 9 1 4 — 1 9 2 3 . S. 3 4 6 — 3 6 1 . G e n z e 1 , Werner: 50 Jahre Große Sozialistische Oktoberrevolution. S. 2 5 9 — 2 6 3 . G o d e h a r d t , Helmut / K r a m a n n , M a r i a : Projektierung, Bau und Eröffnung der Eisenbahnlinie Nordhausen—Arenshausen. S. 1 4 4 — 1 5 8 und S. 2 0 5 — 2 2 1 . M ü l l e r , E r h a r d : Die „Schadenmühle" in Volkerode. S. 34. — , — : Die Thormühle. S. 1 1 3 — 1 1 4 . — , — : D i e Kronenmühle bei Mackenrode. S. 1 7 5 — 1 7 6 . — , — : Die Esmühle, Grießmühle und Kratzmühle im Südeichsfeld. S. 2 3 4 — 2 3 5 . — , — : Die Kapsmühle in Heiligenstadt. S. 305. — , — : Die Stubenmühle. S. 368. — , — : Die Brauerei „Neunspringe" Worbis 100 J a h r e alt. S. 2 8 2 — 2 8 3 . Prochaska,
Walter: Die Volkstracht auf dem Eichsfelde. S. 4 1 — 5 1 , S. 118—128, S . 181
bis 192, S. 2 4 6 — 2 5 6 , S. 3 1 0 — 3 2 0 und S. 3 7 6 — 3 8 4 . — , — : Befestigte Dörfer. S. 91. — , — : Ein Dokument zur Schulgeschichte des Eichsfeldes. [Aus dem Jahre 1915.] S. 1 3 4 — 1 3 7 . Schneegans,
Hans-Joachim: Zins- und Lehnzahlung 1829. S . 2 2 — 2 3 .
S c h w a r z m a n n , Sigrid: Behördengeschichte des Amtsgerichts Dingelstädt. S. 3 6 5 — 3 6 7 . Wetter,
Heinrich: Denkwürdigkeiten, an die das „Deutsche H a u s " in Heiligenstadt er-
innert. S. 2 3 6 — 2 3 8 . Zimmermann,
Jürgen: Demokratische Forderungen auf dem Eichsfeld von 1848. S. 80
bis 83.
Eichsfelder
Heimatstimmen
Freckmann,
10, 1966
Johannes: Kulturkampf auf dem Eichsfeld. Vor 90 Jahren herrschte eine
verfehlte Politik. [Schluß siehe unten J g . 11, 1967.] S. 9 9 — 1 0 5 , S . 185—191, S. 2 6 3 — 2 7 0 und S. 3 3 7 — 3 4 2 . Jacobs,
A.:
Tausend
J a h r e Bernterode?
Eine Urkunde
mit umstrittenen
Ortsnamen.
S. 8 — 1 0 . K r a m a n n , M a r i a : „Die Heimensteiner Kirmes." Ein Blick in ihre Geschichte und in einen Heiligenstädter Stadtteil. S. 2 2 3 — 2 2 5 , S. 2 5 9 — 2 6 2 und S. 3 7 9 — 3 8 0 . — , — : Das „Eichsfelder Heimatmuseum" in Heiligenstadt. S. 4 1 3 — 4 1 7 .
THÜRINGEN
675
K u r t h , Frank: Bevor Napoleon kam. Vier Jahre regierten die Preußen im Eichsfeld. S. 371—373. O. B. J.: Die Drucker des Eichsfeldes. Seit 500 Jahren arbeitet die „Schwarze Kunst". S. 303 bis 305. O p f e r m a n n , Bernhard: Das Franziskanerkloster in Worbis. 150 Jahre gehörte es zum Bild der Stadt. [Wird fortgesetzt.] S. 298—302. R e d d e m a n n , Gerhard: Uder — eine alte Ansiedlung. S. 70—73. —,—: Eine Krypta wurde vergessen. Heiligenstadts Neustadt entstand im 12. Jahrhundert. S. 37—42. —,—: Seit 45 Jahren „Klösterchen". Heiligenstadts Redemptoristenkloster begeht Jubiläum. S. 181—185. —,—: 1866 wurde Duderstadt „westlich". Ein alter Krieg brachte die Grenze von 1945. S. 219—222. —,—: Vor 20 Jahren wurde gewählt. Die SED erreichte auf dem Obereichsfeld nicht viel. S. 342—347. S e i l m a n n , Adolf: Auf alten Chausseen. Vor 170 Jahren wurde die erste Landstraße gebaut. S. 373—379. W e i ß e n b o r n , Fritz: Entscheidung in Dortmund. Bernshausener Hof gehörte einst zum Bistum Bremen. S. 43—44. Eichsfelder
Heimatstimmen
11,
1967
B u e r s c h a p e r , Paul: Heimatschutz und Heimatpflege. S. 255—257. D ö 11 e , Adalbert: Ortschroniken wieder aktuell. [Über Verordnungen zur Anlage solcher Chroniken.] S. 177—181. —,—: Die alten Ortschroniken. S. 213—218. F r e c k m a n n , Johannes: Kulturkampf auf dem Eichsfeld. Schlußbetrachtung zur Rolle Bismarcks. [Forts, aus Jg. 10, 1966.] S. 10—13. K r a m a n n , Maria: Die eichsfeldischen Krankenhäuser. S. 53—58, S. 92—96 und S. 136 bis 142. —,—: Die Apotheken auf dem Eichsfeld. S. 172—177 und S. 210—213. L i p p o 1 d , Georg: Tiftlingerode vor 200 Jahren. S. 250—255. M a r t i n , Otto: Von alten Schulen und Lehrern. S. 286—291 und S. 341—344. M ü l l e r , Johannes: Die Franken als Einiger. S. 142—146. —,—: Das Reichsgut der Franken. S. 181—184. —.—: Die Straßen unserer Heimat. S. 218—222. O p f e r m a n n , Bernhard: Das Benediktinerinnenkloster Zella. S. 48—52 und S. 85—91. —,—: Der Streit um den Hülfensberg. S. 257—260. P ö r t n e r , Rudolf: Der Bote Bonifatius. S. 294—301. —,—: Bonifatius und seine Vorläufer. S. 377—381. —,—: Die „Tat" von Geismar. S. 420—425. R e d d e m a n n , Gerhard: Ein Land der Gegensätze. [Zur Geschichte des Eichsfeldes.] S. 15—18. —,—: Am Anfang: Franken und Sachsen. [Forts, des vorigen Beitr.] S. 58—63. —,—: Günterode und seine Kirche. S. 291—294. —,—: Als die Römer frech geworden . . . [Über Kloster Corvey.] S. 456—461. 43*
676
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
Die Goldene
Mark
15,
GEBIETE
1964
B o e g e h o l d , Franz: Ein kulturhistorisches Spiegelbild der Heimat. [Über die Geschichte und die Aufgaben des Heimatmuseums.] S. 25—29. D i e c k , Joseph: Der Duderstädter Inkunabeldrudker Albrecht Kunne. Sein Leben und sein Werk. S. 1—24. O t t o , Bernhard: 50 Jahre Laadwirtschaftsschule Duderstadt. S. 32—37. — , — : Vom Weberssohn zum Kirchenfürsten. Ein Lebensbild des Kardinals und Fürstbischofs Dr. Georg von Kopp. [1837—1914; Bischof von Fulda 1882 und seit 1887 von Breslau.] S. 41—56. S c h o l z : Kardinal Kopp als Politiker. S. 57—65. Die Goldene
Mark
17, 1966, und 18, 1967
B o e g e h o l d , Franz: Kaltenburg — Berka-Lindau, ein frühgeschichtlicher Mittelpunkt im Harzvorland. 17, 1966, S. 22—24. B u e r s c h a p e r , Paul: Die kirchlichen Verwaltungsbezirke Südhannovers, insbesondere des Untereichsfeldes. 18, 1967, S. 55—59. D i e c k , Joseph: Duderstadt erhält eine Pulvermühle (1621). 17, 1966, S. 34—36. — , — : Vergleich zwischen der Stadt Duderstadt und der Gemeinde Germershausen betr. Hand- und Spanndienste. [16. Jahrhundert.] 17, 1966, S. 38—42. — , — : Beschreibung der Stadt Duderstadt und ihrer Verwaltung im Jahre 1804, 17, 1966, S. 56—60. — , — : Einrichtung der künftigen städtischen Verwaltungsbehörden (1805). 18, 1967, S. 27—30. — , — : Wann erhielt Gieboldehausen das Braurecht und wurde ein Marktflecken? [Im 17. Jahrhundert.] 17, 1966, S. 64—67. K u r t h , Franz: Aus der Geschichte des Dorfkruges von Obernfeld. 17, 1966, S. 60—64. O t t o , Bernhard: Ausgrabungen auf dem Gelände der ehemaligen Pfalz Pöhlde. [Siehe auch „Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte" N r . 34, 1965.] 17, 1966, S. 48—49. — , — : Wie die Duderstädter ihren stolzen Freiheitssinn wahrten. Ein Fürstenbesuch [des Kurfürsten von Mainz, Diether von Isenburg] im Oktober 1479. 17. 1966, S. 53—55. K u r t h , Franz: Aus der Geschichte des Dorfkruges von Obernfeld. 17, 1966, S. 60—64. — , — : Die Goldene Mark von der Mitte des 9. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. 18, 1967, S. 4—6. — , — : Landesteilung und Verwaltungsordnung im Königreich Hannover, 18, 1967, S. 53—55. M ü l l e r , Erhard: Charakteristisdie Flurnamen des Eichsfeldes. J b . des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 89, 1966, S. 55—72. — , — : Flurnamen als Zeugen von Wüstungen im Kreis Heiligenstadt (Nordwestthüringen). Wiss. Zs. der Humboldt-Universität zu Berlin, ges.- und spradhwiss. Reihe 16, 1967, S. 647—649. 7. L A N D S A C H S E N Zeitschriften Arbeits-
und Forschungsberichte
zur sächsischen
Bodendenkmalpflege
14/IS,
1966
B i l l i g , Gerhard: Erich Wild 1895—1964. S. 293—302. C o b l e n z , Werner: Hanns Bruno Geinitz (1814—1900). Der Gründer unseres Museums. S. 7—13. — , — : Die befestigte Siedlung der Lausitzer Kultur auf dem Sdiarfberg bei Löbau. S. 95—132.
677
LAND SACHSEN E i c h 1 e r , Ernst: Aus dem altsorbischen Namenwortschatz. S. 227—250.
H ä u s l e r , A l e x a n d e r : Z u m Verhältnis von Männern, Frauen und Kindern in Gräbern der Steinzeit. S. 25—73. H a h n , A l f r e d : Die Entwicklung Dresdens bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts auf G r u n d der U r k u n d e n . S. 251—268. K a u f m a n n , H a n s : Bronze- und latenezeitliche G r a b f u n d e in Pauschwitz, Kreis G r i m m a . S. 133—148. K a u f m a n n , H a n s / Q u i e t z s c h , H a r a l d / S p e h r , Erika und R e i n h a r d : Wichtige N e u f u n d e des Jahres 1964 aus den Bezirken Dresden, K a r l - M a r x - S t a d t und Leipzig. [Im Anschluß an die Umschau in „Arbeits- und Forschungsberichte" 13, 1964, S. 355—390.] S. 303—338. K r a u s e , G ü n t h e r / L e i n p a c h , Rudolf / S p e h r , R e i n h a r d : Ein spätkaiserzeitlichvölkerwanderungszeitlicher H o r t f u n d mit Eisengeräten von Radeberg-Lotzdorf, Kreis Dresden. S. 159—219. K ü a s , H e r b e r t : Rekonstruktion einer mittelalterlichen irdenen Wärmeschale. S. 339—346, —,—: Mittelalterliche Keramik und andere Funde vom Ranstädter Steinweg und Pleißenmühlgraben zu Leipzig. Ein Beitrag zur 800-Jahr-Feier der Stadt Leipzig. S. 347—519. M ö b u s , G ü n t e r : Petrographisch-geologische Bearbeitung einer Mühlsteinprobe aus dem Gebiet von Radeberg-Lotzdorf. S. 221—225. M o s c h k a u , R u d o l f : Hermundurische Keramik vom Altstadtboden Leipzigs und antike N e u f u n d e aus Stadtnähe. S. 149—158. —,—: C u r t Germer 1892—1964. S. 287—291. P e s c h e l , Gerald / F r e e ß , Wolfgang B.: Geolektrische Untersuchungen im jungbronzezeitlichen Urnengräberfeld von Canitz bei Würzen. S. 75—94. T u r n w a 1 d , Christian: Bemerkungen zum B r a k t e a t e n f u n d von Dresden. S. 269—286. Arbeits-
und Forschungsberichte
zur sächsischen Bodendenkmalpflege
16117, 1967
B i l l i g , G e r h a r d : Z u r Keramik d e r Burg Wiedersberg, Kreis Oelsnitz i. V. S. 473—493. B o u z e k , J a n : Böhmen, Sachsen und Mitteldeutschland. Bemerkungen zur vergleichenden Chronologie d e r Urnenfelderzeit. S. 73—91. C a s t e 1 i n , K a r e l : Grossus Pragensis. D e r Prager Groschen und seine Teilstücke. S. 665—714. C o b 1 e n z , Werner: Z u r Fibel aus dem Bronzefund 245 von Dresden-Laubegast. S. 129—138. —,—: Zu den bodenzeitlichen Metallfunden von der Heidenschanze in Dresden-Coschütz und ihrer Rolle bei d e r zeitlichen und funktionellen Deutung d e r Burgen d e r Lausitzer K u l t u r . S. 179—211. —,—: Zum Dolchfund von Klein-Neundorf, Kr. Görlitz. S. 267—276. —,—: Franz Zapf 1903—1966. S. 661—664. C o b l e n z , Werner / B a c h , Adelheid und H e r b e r t : Das slawische Skelettgräberfeld von Altlommatzsch, Kreis Meißen. S. 369—471. G e u p e l , V o l k m a r d : Zwei spätpaläolithische F u n d p l ä t z e im Wurzener Land. S. 7—25. G e u p e 1, Volkmar / K a u f m a n n , H a n s : D e r Bronzezeitliche Hügel mit latenezeitlichen Nachbestattungen aus der H a r t h bei Zwenkau. S. 213—246. H u n d t , H a n s - J ü r g e n : Der trianguläre Bronzedolch von Dresden-Briesnitz und seine G u ß technik. S. 63—72. K a u f m a n n , H a n s : Zu stempelverzierter Drehscheiben wäre d e r Latenezeit in Mitteldeutschland. S. 277—305.
678
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
Kaufmann,
Hans / Q u i e t z s c h ,
Harald / S p e h r ,
GEBIETE
Erika und Reinhard: Wichtige
Neufunde der Jahre 1953 bis 1962 aus den Bezirken Dresden, K a r l - M a r x - S t a d t und Leipzig. S. 4 9 5 — 6 6 0 . Kytlicova,
O l g a : Die Beziehungen der jung- und spätbronzezeitlichen H o r t f u n d e süd-
wärts und nordwärts des Erzgebirges. S. 1 3 9 — 1 7 7 . Ma 1 i n o w s k i ,
Tadensz:
Interpretationsmöglichkeiten
der
skythischen
Goldfunde
von
Witaszkowo (Vettersfelde). S. 2 4 7 — 2 6 5 . Moschkau,
R u d o l f : Frühes Eisengerät aus Lesefunden vom Markranstädter
Stadtflur.
S. 3 0 7 — 3 2 5 . Pleinerova,
I v a n a : Zur Frage der Beziehungen zwischen dem sächsischen Elbegebiet
und dem böhmischen Erzgebirgsvorland während der Aunjetitzer Kultur. S. 5 9 — 6 2 . Pleslova-Stikova,
Emilie: Zu Fragen der Beziehungen zwischen Mitteldeutschland
und Böhmen im jüngeren Äneolithikum. S. 2 7 — 5 8 . Pietzsch,
Artur: Technische Bemerkungen zu den Spiralplattenfibeln aus Sachsen. Zur
originalgetreuen Rekonstruktion der Göttwitzer Fibel und einer alten Nachbildung der Fibel von Obergurig. S. 1 0 5 — 1 2 7 . S v o b o d a , Bedrich: Zu Problemen des 5. Jahrhunderts in Mitteleuropa. S. 3 2 7 — 3 6 7 .
Arbeitsberichte
zur Geschichte der Stadt Leipzig 8, 1965, 9, 1965, und 10, 1966
[ H . 9, 1965 bespr. in J G M O D 16/17, S. 557.] F ö r s t e r , Heidrun: Die Buchdokumente des Stadtarchivs. 10, 1966, S. 4 4 — 4 9 . Forstmann,
Waltrun: Das Betriebsarchiv des V E B Verkehrsbetriebe der Stadt Leipzig
und seine Bestände. 10, 1966, S. 3 7 — 4 3 . G r y c z , M a r i a n : D e r Handel Posens 1 5 5 0 — 1 6 5 5 . 9, 1965, S. 3 4 — 4 0 . John,
F r a n z : Großzschocher. V o m D o r f zum Arbeitervorort. Versuch eines Überblicks bis
zur Eingemeindung im J a h r e 1922. 10, 1966, S. 1 — 3 6 . K r ö b e r , P a u l : Plagwitz im 19. Jahrhundert. Material zur Geschichte des Dorfes und seiner Verstädterung. 9, 1965, S. 1 1 — 3 3 . Reinhold,
J o s e f : D i e Leipziger Messen im 18. Jahrhundert und der Aufschwung des
polnischen Handels nach dem Siebenjährigen Krieg. 8, 1965, S. 1 — 3 0 . Schwarz,
Gerhard: Ein unbekannter Brief von Robert Blum. 10, 1966, S. 5 0 — 5 1 .
U n g e r , M a n f r e d : Geschichte der Leipziger Messe (Überblick). 8, 1965, S. 3 1 — 6 9 . — , — : Zur historischen Begründung des Jubiläums der Stadt und der Messe. 9, 1965, S. 1—10. — , — : Bericht der Redaktion über „Leipzig in acht Jahrhunderten". 9, 1965, S. 4 1 — 4 9 . — , — : Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten im Stadtarchiv 1965/66. 10, 1966, S. 5 2 — 5 7 . — , — : Die wissenschaftliche Benutzung des Stadtarchivs 1965 und im 1. Quartal 1966. 10, 1966, S. 5 8 — 6 1 .
Ausgrabungen und Funde 11, 1966 und 12, 1967 Baumann,
Willfried: D i e Ausgrabung eines spätkaiserzeitlichen Grubenhauses in Kmeh-
len, K r . Großenhain (mit Tafel 14—15 und drei Textabbildungen). 11, 1966, S. 8 8 — 9 3 C o b 1 e n z , Werner: Tätigkeitsbericht des Landesmuseums für Vorgeschichte in Dresden für das J a h r 1965 (mit Tafel 9). 11, 1966, S. 5 1 — 5 4 . — , — : Zur Bedeutung des Burgberges von Seifersdorf, Lkr. Dresden (mit zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 6 5 — 6 9 . — , — : Zur frühesten Besiedlung des Liliensteines in der Sächsischen Schweiz (mit zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 8 3 — 8 6 .
LAND
679
SACHSEN
— , — : Lausitzer Brandgrab mit Bernsteinperlen und „Urnenharz" aus Nieschütz, K r . Meißen (mit T a f e l 11 b — c und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 7 3 — 7 7 . — , — : Tätigkeitsbericht des Landesmuseums für Vorgeschichte in Dresden für das J a h r 1966 (mit T a f e l 9). 12, 1967, S. 5 5 — 5 8 . Coblenz,
Werner / W e b e r , Valentin:
Untersuchungen
am frühmittelalterlichen
Wall
in Rothersdorf, K r . Würzen (mit Tafel 14 und einer Textabbildung). 12, 1967, S. 9 8 — 1 0 1 . D u n k e l , R o l f : Ein frühdeutscher Röhrenbrunnen in Panitzsch, K r . Leipzig (mit T a f e l 16 b und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 1 0 3 — 1 0 7 . Krause,
Joachim / V o g t ,
Heinz-Joachim:
Grabungen
in der Wallanlage von
Alten-
groitzsch, K r . Borna (mit Tafel 13 und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 9 5 — 9 8 . M e c h e l k , H a r a l d W . : Vorbericht zur Grabung 1965 in Magdeborn, K r . Leipzig (mit T a fel 16 und einer Textabbildung), 11, 1966, S. 9 6 — 1 0 0 . Meyer,
E l m a r : Einflüsse aus dem Bereich der Przeworsk-Kultur im Inventar eines elb-
germanischen Brandgrabens der spätrömischen Kaiserzeit (mit Tafel 13 b und einer T e x t abbildung). 11, 1966, S. 8 3 — 8 7 . M o s c h k a u , R u d o l f : Ein tönernes Gießgefäß des Mittelalters aus Taudia, K r . Leipzig (mit zwei Textabbildungen). 11, 1966, S. 100—103. — , — : Ein mittelalterlicher Grapen mit Menschenhaar vom Matthäikirchhof in Leipzig (mit T a f e l 16 a). 12, 1967, S. 1 0 7 — 1 1 0 . Rennebach,
Günter: Rettungsgrabung auf einem Gräberfeld der Lausitzer Kultur bei
Steinbach, K r . Niesky (mit T a f e l 12 und vier Textabbildungen). 12, 1967, S. 7 8 — 8 2 . Spehr,
Reinhard: Neue Grabfunde der Aunjetitzer Kultur aus dem Kreis Meißen (mit
drei Textabbildungen). 11, 1966, S. 5 9 — 6 3 . — , — : Vorbericht über die Ausgrabung
des bronzezeitlichen Burgwalles von
Seifersdorf,
Lkr. Dresden (mit T a f e l 10 und I I a ) . 11, 1966, S. 6 3 — 6 5 . — , — : Frühslawische Funde aus Gohlis und Paußnitz, K r . Riesa (mit Tafel 15 b und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 8 6 — 9 5 . — , — : Neue Aunjetitzer Gräber vom „Burker B e r g " bei Bautzen (mit Tafel 10 und fünf Textabbildungen). 12, 1967, S. 6 0 — 7 3 . V o g t , Heinz-Joachim: Untersuchungen auf der Burg in Kohren-Sahlis, K r . Geithain (mit T a f e l 15 a). 12, 1967, S. 1 0 1 — 1 0 3 . W e b e r , Valentin:
Eine Siedlungsgrube der Salzmünder Kultur aus Zauschwitz, K r . Borna
(mit T a f e l 12 und drei Textabbildungen). 11, 1966, S. 5 4 — 5 9 . — , — : Eine verzierte Armschutzplatte der Glockenbecherkultur von Wurzen-Dehnitz
(mit
T a f e l 11 a und zwei Textabbildungen). 12, 1967, S. 5 8 — 6 0 . Bautzener
Kulturschau
16, 1966, und 17,
1967
D i 1 s , Günter: Aus der Geschichte des V E B Waggonbau Bautzen. [Mit einem Rückblick a u f die eisenschaffende Industrie bis ins 15. Jahrhundert.]
17, 1967, H . 2, S. 6 — 9 , H . 3,
S. 1 0 — 1 3 , H . 4, S. 1 2 — 1 3 , H . 7, S. 1 4 — 1 7 , H . 9, S. 6 — 9 , H . 10, S. 1 5 — 1 9 , und H 12, S. 1 7 — 2 1 . H a r t m a n n , Hans-Günther: Die Farbgestaltung der Fassade Hauptmarkt 9, Beispiel des berühmten Dresdener Barocks. 16, 1966, H . 5, S. 2 3 — 2 7 . Lehmann,
Friedrich: Ein Kämpfer für den Fortschritt. Zum 100. Todestag von Seminar-
direktor Johann Gottlieb Dreßler, Bautzen. 17, 1967, H . 4, S. 8 — 9 , H . 5, S. 1 2 — 1 3 , H . 7, S. 1 0 — 1 3 , H . 8, S. 1 1 — 1 2 , H . 9, S. 2 2 — 2 3 , und H . 10, S. 5 — 7 .
680
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
GEBIETE
L o d n i , Erich: Wie die Arbeitereinheit geschmiedet wurde, [Zur Vereinigung von S P D und KPD
1946. Forts, aus Bautzener Kulturschau 1961, H . 5 und H . 6.] 16, 1966, H . 4,
S. 4 — 1 1 . Mihan,
Johannes: Aus Gerichtsbüchern von Niedergurig. [Forts, aus Bautzener Kultur-
schau 15, 1965, H . 11, S . 1 3 — 1 5 , und H . 12, S. 2 0 — 2 2 . ] 16, 1966, H . 1, S . 1 6 — 1 7 , und H . 2, S. 2 5 — 2 6 . S c h n e i d e r , Johannes: Zur Geschichte der Bautzener Ratsdörfer. 16, 1966, H . 1, S. 18—19, H . 2, S . 2 3 — 2 4 , H . 3, S . 2 0 — 2 1 , und H . 4, S . 1 8 — 1 9 . S c h ü t z e , Theodor: Alte Dinge in neuer Zeit. [Ober denkmalpflegerisdi betreute Objekte im Kreis Bautzen.]
16, 1966, H . 1, S. 1 0 — 1 1 , H . 2, S . 1 0 — 1 2 , H . 3, S. 6 — 1 0 , H . 5,
S . 10—14, H . 6, S. 1 4 — 1 7 , H . 7, S. 1 0 — 1 4 , H . 8, S. 6 — 1 0 , und H . 9, S. 6 — 1 0 . — , — : Rauchlau, das D o r f der zwölf Steinrücken.
[Gemeinde am Fuße des
Czormboh.]
16, 1966, H . 12, S. 10—13. Zeil,
Wilhelm: „Das „Wendische Seminar" in Prag in der ersten H ä l f t e des 19. J a h r -
hunderts. 16, 1966, H . 7, S. 4 — 6 , H . 8, S. 2 — 4 , H . 9, S . 1 6 — 1 8 , und H . 10, S. 2 1 — 2 3 .
Beiträge zur Heimatgeschichte
der Forststadt
Tharandt 3, 1966
Dieser Band ist dem 150jährigen Bestehen der Fakultät für Forstwirtschaft gewidmet. 1811 wurde die forstliche Lehr- und Forschungsanstalt als private Lehranstalt von Heinrich Cotta gegründet. Sie besteht heute, nachdem sie 1816 zur staatlichen Forstakademie
umgestellt
wurde, als Fakultät für Fortwissenschaft der Technischen Universität Dresden. D i e soliden Beiträge, von Angehörigen der Fakultät verfaßt, beschäftigen sich mit der Geschichte und den verschiedensten Lebensbereichen der Fakultät. Folgende drei Aufsätze seien hier genannt: K o m m e r t , R . : Tharandt -und die Fakultät für Forstwirtschaft in der Zeit von 1 8 0 0 — 1 9 6 6 . S. 1 1 — 2 4 . K u r t h , A . : Das Jagdhaus Grillenburg im Wandel der Zeiten. S. 9 0 — 9 3 . Wagner,
W . : Das neue Schloß in Tharandt.
[Erbaut
1858 durch Ariel G r a f von der
Recke Volmerstein.] S. 5 2 — 5 6 .
Dorfspiegel 13, 1967
für die Gemeinden Seifhennersdorf,
Leutersdorf,
Spitzkunnersdorf
12, 1966, und
In den beiden Bänden hat das „Aktiv für Ortsgeschichte ( R i ) " u. a. folgende Beiträge verfaßt: Bauernfischerei. Aus der Geschichte der bäuerlichen Produktion. 12, 1966, H . 2, S. 8 — 1 4 . Zur Geschichte des Seifhennersdorfer Kretschans und seines Besitzers. [Uber Haus und Amt des Erb- und Lehnrichters.] 12, 1966, H . 3, S. 1 5 — 1 7 ; H . 6, S. 1 2 — 1 6 ; H . 8, S . 1 7 — 1 8 ; H . 9, S. 15—17, und H . 11, S. 8 — 1 0 . Erinnerungen an 1866. [Seifhennersdorf und Spitzkunnersdorf.] 12, 1966, H . 6, S . 1—5. 9 9 J a h r e Konsumbewegung in Seifhennersdorf. 12, 1966, H . 10, S. 4 — 1 1 . 100 Jahre Seifhennersdorfer Apotheke. 12, 1966, H . 12, S. 9 — 1 3 . V o r 40 Jahren. [Ankauf des Rittergutes Spitzkunnersdorf durch die Gemeinde.] 13, 1967, H . 2, S . 9 — 1 0 . V o m Petroleumlicht zum Gasglühlicht. 13, 1967, H . 3, S. 12—16. Ein aufsehenerregender K a u f und seine Folgen. [1911 erwarb die Gemeinde Seifhennersd o r f die Marx'sche Webereifabrik.] 13, 1967, H . 4, S. 1 2 — 1 5 , und H . 6, S. 1 4 — 1 5 .
LAND SACHSEN
681
Die Zollstraße [in Seifhennersdorf] und ihre Vorläufer. 13, 1967, H . 6, S. 6—11. Die Seifhennersdorf-Spremberger Diedsstraße. [Verkehrsweg nach Bautzen.] 13, 1967, H . 8, S.6—10. Der Heimatfreund
für das Erzgebirge
11, 1966
Neben Beiträgen u. a. über ein Schauberwerk bei Schwarzenberg, die G r ü n d u n g der SED in Lichtenstein, das Dorf H e r o l d , das schönburgische Gerichtswesen in Lichtenstein folgende Aufsätze: Hellfritzsch, S. 7—11.
V o l k m a r : Zur Entwicklung d e r R u f n a m e n im Gebiet um Stollberg.
H o f m a n n , H e l l m u t h : Allerlei vom Abtwald, [bei Chemnitz.] S. 173—179. K o r b , H e r b e r t : Oberlungwitz — vom Wirkerdorf zur Industriestadt. S. 25—33. R o ß l e r , H o r s t : Nicol List, der R ä u b e r h a u p t m a n n aus Bentha. [Früheres siehe „Der H e i m a t f r e u n d " 10, 1965, S. 214—218 und S. 234—237.] S. 44—47 und S. 63—68. S c h m i d t , Friedrich: D e r Zauberer von Bernsdorf 1656. [Über merkwürdige Kriminalfälle.] S. 227—231 und S. 246—247. S c h r e i b n e r , H e l m u t : Zur Organisation und Tätigkeit der proletarischen Hundertschaften im J a h r e 1923 in unserer H e i m a t . [Zur Geschichte der Arbeiterbewegung.] S. 233—236. U n g e r , W e r n e r : 800jährige Geschichte von Zwönitz. S. 213—218. Z i e r o l d , A l f r e d : Frauen in vorderster Reihe. [Bauernkrieg in Zwickau.] S. 106—107. Heft 6: „Heimatkundliches Lehr- und Wandergebiet H a r t e n s t e i n " erschien als Sonderheft des „ H e i m a t f r e u n d e s " mit ausführlichen — auch historischen — Erläuterungen der Sehenswürdigkeiten des Tals d e r Zwickauer Mulde; Nachträge siehe H . 7, S. 166—172. Der Heimatfreund
für das Erzgebirge
12, 1967
Neben Beiträgen u. a. über Postmeilensäulen in Kursachsen, den Wiederaufbau des Dresdner Zwingers, die Arbeiterbewegung in Schwarzenberg, die Zwönitzer Papiermühle, die erzgebirgischen Holzköhler folgende A u f s ä t z e : F r i e d r i c h , E h r h a r d : Die Kreisstadt Schwarzenberg. S. 81—89. K ä u b i e r , R u d o l f : Sprachliche u n d sprachgeographische Auswertung der N i e d e r d o r f e r Funde. S. 166—170. L i p p o l d , Willi: Aus der Geschichte der Stadt und des Klosters Grünhain. S. 102—110. M a u e r s b e r g e r , Klaus / H e l l f r i t z s c h , V o l k m a r : Die Flurnamen der Gemeinde Bentha. S. 190—195. M e l z e r , Walter: Der Schachtbruch auf N e u e Fundgrube zu Lugau 1867. S. 131—134 u n d 145—148. S e y f f a r t h , J o a d i i m : Der Rittersitz Auerswalde um 1600. S. 134—137. Heimatkalender
für die Kreise Würzen
— Oschatz
— Grimma, 7, 1966, und 8, 1967
K ä s e b e r g , Walther: K. S. St. F. H . Die Steingutfabrik in der Hubertusburg. 7, 1966, S. 59—63. M a r k u s , K u r t : Die Bartholomäuskirche in Belgern. 8, 1967, S. 98—101. M o r l , E w a l d : Revolutionäre Traditionen. Aus der Tätigkeit d e r Arbeiterbewegung in unseren drei Kreisen vor 60 Jahren. 7, 1966, S. 28—34. M o s c h k a u , R u d o l f : Heimatliche Wetterfahnen — Schmuds-, Merk- und Heilszeidien vergangenen Lebens, 7, 1966, S. 49—54, und 8, 1967, S. 56—61.
682
Z E I T S C H R I F T E N U M S C H A U E I N Z E L N E GEBIETE
T h o m a s , Fritz: Sornzig — das Dorf im Blütenmeer. 7, 1966, S. 81—86. W i n k l e r , Erwin: Historische P a r k - und Gartenanlagen in unserem Heimatgebiet. 7, 1966, S. 109—114. Pulsschlag. Kulturspiegel
für Stadt und Kreis Zwickau.
11, 1966
Aus Tagebuchblättern des Klassenkampfes, 11, 1966, H . 1, S. 4—6; H 2, S.5—9; H . 3, S. 2 bis 6; H . 4, S.6—10; H . 7, S . 2 — 4 ; [wird fortgesetzt.] B e r t r a m , H e l m u t : 20 Jahre SED — 20 Jahre Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik in der Stadt Zwickau. 11, 1966, H . 2, S. 2—5. K r a u s e , Erich: Streiflichter aus Cainsdorfs Bergbaugeschichte. 11, 1966, H . 6, S. 8—10. V o g e l , Curt / F i s c h e r , K.: Ein geschichtlicher Rundgang durch die Zwickauer Innenstadt. [Früheres siehe Pulsschlag 10, 1965, H . 11, S. 14—16, und H . 12, S. 14—16.] 11, 1966, H . 2 , S. 14—16. Pulsschlag.
Kulturspiegel
für Stadt
und Kreis Zwickau.
12, 1967
G r o ß , Reiner: Zur sozialökonomischen Lage der Cainsdorfer Bauern vom 16. bis 19. Jahrhundert. 12, 1967, H . 7, S. 10—13. G ü n t h e r , W o l f r a m : Bilder aus Alt-Zwickau. [Zur 850-Jahrfeier der Stadt.] 12,1967, H . 2 [Sonderh. 1], S. 1—20. —,—: Historische Stätten in Zwickau. [Zur 850-Jahrfeier der Stadt.] 12, 1967, H . 9 [Sonderh. 2]. S. 1—20. R i s c h , Helmuth: U n d stärker war die Solidarität. Zur Solidarität der Zwickauer Arbeiter mit Sowjetrußland im Jahre 1920. 12, 1967, H . 4, S. 9—12, H . 5, S. 4—6, H . 6, S. 4—7, H . 7, S. 7—9, H . 8, S. 3—6, H . 10, S. 8—9, und H . 11, S. 11—14. W e 11 e r , Erich: Die Ausmaße des Bauernkrieges in den Maitagen des Jahres 1525 in unserer Heimat. [Siehe auch Pulsschlag 1959, H . 7, und 1960, H . 11.] 12, 1967, H . 8, S. 14—17. Radeberger
Kulturleben
12, 1966, und 13, 1967
M u c h e , Waldemar: Strafen in früheren Zeiten. 12, 1966, H . 3, S. 10—12. —,—: Der Stadtbrand von Radeberg am 13. Juli 1714 und der Bürgermeister Seydel. 12, 1966, H . 7, S. 4—7. C. R. / H . E. / R. Z.: Die Vorläufer unseres Krankenhauses 1576—1906. — Das neue Krankenhaus 1906—1945. — Die Entwicklung des Krankenhauses 1945 bis zur Gegenwart. 12, 1966, S.2—21. S p e h r , Reinhard: Archäologische Ausgrabungen auf einem spätbronzezeitlichen Burgwall bei Seifersdorf. 12, 1966, H . 1, S. 4—6. W e h n e r , Eberhard: Der Kampf der Radeberger Sozialdemokraten f ü r die Aufhebung des Sozialistengesetzes. 12, 1966, H . 7, S.2—4. —,—: Der Arbeiter- und Soldatenrat in Radeberg. [1918.] 12, 1966, H . 8, S. 2—4. —,—: Die Erstürmung des Amtsgerichtes in Radeberg. [1923.] 12, 1966, H . 9, S. 2—4. L i m p a c h , Rudolf: Kleine Chronik einer alten Stadt. [Für Radeberg nach Urkunden zusammengestellt.] 13, 1967, H . 1, S.2—4, H . 2 , S. 16, H . 3, S. 14, H . 4, S. 5—6, H . 5, S. 6—7, H . 7, S. 4—6, H . 8, S. 7—8, H . 9, S. 7—8, H . 10, S. 8, H . 11, S. 8, H . 12, S. 8. Unsere Heimat.
Kreis Marienberg
1966 und 1967
F ö r s t e r , Christian: Von der Köhlerei bei Ansprung im Erzgebirge. [Siehe auch Unsere H e i m a t 1965, H . 11, S. 1—4.] 1966, H . 1, S. 8—9. H e t z e 1, H e l m u t : 100 Jahre Post in Seiffen. 1967, H . 10, S. 6—9.
LAND SACHSEN
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I h 1 e , K u r t : Postgeschichtliches. 1967, H . 1, S. 7—10, und H . 10, S. 10—11. J e r e m i e s , K u r t : „Deutsche! W a r u m bekriegt Ihr R u ß l a n d . " [Ober einen A u f r u f des Generals Barclay d e Tolly, 1912.] 1966, H . 3, S. 1—4, und H . 4, S. 6—8. K a d e n , A l f r e d : Geschichte der Köhlerei. 1966, H . 8, S. 6—7. —,—: Kohlstraßen und Kohlfuhren. 1966, H . 10, S. 9—13. H . 11, S. 10—11, und H . 12, S. 11—15. M ü l l e r , W e r n e r : Aus dem Leben G o t t f r i e d Silbermanns. [Orgelbauer aus Kleinbobritzsch bei Frauenstein.] 1967, H . 3, S. 1—4, H . 4, S. 12—14. S c h ä d l i c h , Hans-Joachim: Kühnhaide und seine Geschichte. 1967, H . 6, S. 1—5. S p i c k e n r e u t h e r , W e r n e r : Zwischen Hirtstein und Schwarzenberg. Über die N a m e n der Berge im Kreis Marienberg. 1966, H . 2, S. 7—8. —,—: Zwischen Niederschmiedeberg und Deutscheinsiedel. Ober die Siedlungsnamen im Kreis Marienberg. 1966, H . 3, S. 8—12, u n d H . 4, S. 9—14. — : Schloß Purschenreuth. 1966, H . 5, S. 2—5, und H . 6, S. 3—6. —,—: Die Kirche in Lippersdorf — das älteste Baudenkmal im Kreis Marienberg. 1966, H . 9, S . 8 — 1 3 . —,—: Die Amtsfischerei in Pockau. 1967, H . 2, S. 1—4, und H . 3, S. 4—7. —,—: Das ehemalige Herrenhaus Niederforchheim. Ein wertvolles Baudenkmal aus dem 16. J a h r h u n d e r t . 1967, H . 4, S. 4—7. —,—: Die Kirdie in Forchheim. 1967, H . 9, S. 5—10.
Allgemeines B e y e r , Peter: Leipzig und der Plan einer Eisenbahnverbindung zwischen Sachsen und Bayern. Ein Beitrag zur Rolle der Messestadt in der deutschen Verkehrsgeschichte des V o r m ä r z . Arbeitsberichte zur Geschichte der Stadt Leipzig 7, 1964, S. 1—43. B l a s c h k e , Karlheinz: Sachsen im Zeitalter der Reformation. B., dem wir grundlegende Forschungen zur sächsischen Bevölkerungs- u n d Sozial-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte verdanken, die auch von allgemeiner wissenschaftlicher Bedeutung sind, unternimmt mit der hier anzuzeigenden Darstellung unter souveräner Auswertung eigener und fremder Forschungsergebnisse, f ü r die Zeit zwischen 1500 und 1555 „ein Zeitgemälde von jener Epoche der Reformation zu entwerfen und damit einen Querschnitt durch die tausendjährige geschichtliche Entwicklung im sächsischen R a u m zu legen" und deutlich zu machen, „in welch einmaliger Weise die Reformation aus dem Zusammenwirken von individueller Leistung und gesellschaftlicher U m w e l t entstanden ist", ein Ziel, das in gleicher Weise f ü r die deutsche Reformationsgeschichte wie die sächsische Landesgeschichte von größtem Interesse ist. B. bringt in lockerer Darstellung, die seine Ausführungen nicht nur f ü r Gelehrte, sondern auch ein weiteres Publikum lesenswert macht, eine Fülle von Dingen und Zusammenhängen zur Sprache, die durch die Kapitelüberschriften: Territorium und Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, Dorf und Bauerntum, Städtewesen und Bürgertum, Kunstpflege, Bildung und Humanismus, Kirche und religiöse Bewegung, nur eben angedeutet werden sollen. Die f ü r Deutschland wohl einzigartige w i r t schaftlich soziale Struktur des von einem starken Textilgewerbe, vom Bergbau des E r z gebirges und damit zugleich von Ballungsgebieten gekennzeichneten sächsischen Raumes — B. läßt diesen Begriff etwas unbestimmt — wird deutlich, ebenso die Verbindung von Ausbau der Landesherrschaft oder frühbürgerlicher Bewegung und Reformation, doch hält sich B. bei aller Betonung der von ihm aufgezeigten Parallelen von einer engen Sicht der
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ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
GEBIETE
D i n g e f r e i ; nie w i r d die statistische Aussage mit einer das I n d i v i d u u m völlig bestimmenden D e t e r m i n a n t e verwechselt. D a s Ergebnis s t ü t z t diese Vorsicht d e r Aussage: D e r Anschluß der Fürsten a n Glaubensentscheidung u n d Lehre L u t h e r s geschah nicht generali, sondern auf G r u n d v o n Gewissensentscheidungen. E r w u r d e v o n d e r g r o ß e n M e h r h e i t der Bev ö l k e r u n g des thüringisch-sächsischen R a u m e s b e j a h t , besonders v o n d e n breiten s t ä d t i schen Bevölkerungsschichten, d e n H a n d w e r k e r n u n d L o h n a r b e i t e r n , w ä h r e n d die B a u e r n „als selbständig h a n d e l n d e K r a f t " , z u m a l n a d i 1525, „auch in bezug auf die Kirchenr e f o r m a t i o n " ausschieden u n d in den städtischen Oberschichten vielfach, im A d e l — in einer f ü r ihn wirtschaftlich u n d sozial besonders kritischen Zeit — sogar überwiegend eine ablehnende H a l t u n g eingenommen u n d d a m i t bewiesen w u r d e , „ d a ß die R e f o r m a t i o n in a l l e n S t ä n d e n , in dem einen m e h r , in d e m a n d e r e n weniger, ihre A n h ä n g e r u n d w o h l a u d i ihre G e g n e r h a t t e " . Eine vollgültige Geschichte der deutschen R e f o r m a t i o n ohne Berücksichtigung der hier erstmals u m f a s s e n d beschriebenen wirtschaftlich-sozialen u n d politisch-staatlichen D y n a m i k ihres U r s p r u n g s l a n d e s d ü r f t e nicht m e h r möglich sein. D i e D a r s t e l l u n g m i t ihren 130 S p a l t e n i m G r o ß f o r m a t u n d 37 z. T . erstmals aus d e m Archiv p u b l i z i e r t e n A b b i l d u n gen verdiente eine Veröffentlichung in Buchform, um ähnlich gut f u n d i e r t e u n d w e i t gespannte Querschnittsdarstellungen f ü r a n d e r e deutsche T e r r i t o r i a l s t a a t e n o d e r L a n d schaften a n z u r e g e n , wie sie übrigens auch f ü r weitere U m b r u c h z e i t e n — gedacht ist hier e t w a a n 1800 o d e r 1850, evtl. auch 1914 — wissenschaftliche D e s i d e r a t e sind. Sächsische H e i m a t b l ä t t e r 13, 1967, S. 145—192 u n d S. 206—224. Marburg
(Lahn)
Th. Klein
C o n r a d , Dietrich: Ein Beiträg z u r Geschichte des Eisenbahnbrückenbaues. [ B e h a n d e l t u . a . auch die Brüdken bei Riesen ü b e r d i e Elbe (Holzbrücke), in M e i ß e n ; Elstertalbrücke, Götzschtalbrücke, bei Dirschau über die Weichsel.] Wiss. Zs. der Hochschule f ü r V e r kehrswesen „Friedrich List" in D r e s d e n 13, 1966, S. 155—165. D e c k e r t , H e l m u t : D i e Sächsische L a n d e s b i b l i o t h e k und ihre Schätze. B ö r s e n b l a t t f ü r d e n Deutschen Buchhandel 133, 1966, S. 61— 64. G r o ß , R e i n e r : D i e bürgerliche A g r a r r e f o r m in Sachsen u n d d i e sächsische Letopis R j a d B 14, 1967, S. 1—21.
Oberlausitz.
H e n g s t , K a r l h e i n z : Schwierige O r t s n a m e n Westsachsens. Zschorlau. [Vgl. auch die v o r angegangenen A r b e i t e n des V e r f . : „Schwierige O r t s n a m e n Westsachsens". 1. D e r N a m e Kuhschnappel. I n : Wiss. Zs. der K a r l - M a r x - U n i v e r s i t ä t Leipzig, ges.- u n d sprachwiss. Reihe 13, 1964, S. 391—393; u n d 3. D e r N a m e Glösa. I n : Beiträge z u r N a m e n s f o r s c h u n g 16, 1965, S. 140—143.] O n o m a s t i c a S l a v o g e r m a n i c a 2, 1966, S. 29—39. H e n t s c h e l , W a l t e r : D i e Z e n t r a l b a u p r o j e k t e Augusts des S t a r k e n . Forschungen u n d F o r t schritte 40, 1966, S. 185—186. K e i l , G ü n t h e r : Z u r historischen Besiedlung d e r mitteldeutschen L ö ß w ä l d e r . [ V e r f . u n t e r sucht die östlich b z w . südöstlich v o n Leipzig gelegenen F o r s t e n : W e r m e r s d o r f e r Forst, C o l d i t z e r Forst, T h ü m m l i t z w a l d , K a m m e r f o r s t u n d Leina.] Wiss. Zs. der M a r t i n - L u t h e r U n i v e r s i t ä t H a l l e W i t t e n b e r g , m a t h . - n a t u r w i s s . R . 15, 1966, S. 43—56. Klier,
R i c h a r d : Z u r Genealogie d e r B e r g u n t e r n e h m e r f a m i l i e Schütz in N ü r n b e r g
und
Mitteldeutschland im 15. u n d 16. J a h r h u n d e r t . [Eine Familie, die in d e r M o n t a n i n d u s t r i e des sächsischen Erzgebirges, auch in G o s l a r u n d a n d e r s w o , eine bedeutende Rolle gespielt h a t . ] Mitteilungen des Vereins f ü r die Geschichte der S t a d t N ü r n b e r g 5, 1967—68, S. 185—213.
LAND SACHSEN
685
K r a u s , Aribert: Zur Bedeutung Georgius Agrícolas für die Geschichte der Technik. [Humanist, Arzt und Mineraloge, geb. in Glauchau 1494, gest. in Chemnitz 1555; wirkte in Zwickau-St. Joachimsthal und Chemnitz.] Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-MarxStadt 15, 1967, S. 89—120. M a n t z k e , Ulrich: Zur Bewegung des Landproletariats in der sächsischen Oberlausitz im ersten Jahr nach der Novemberrevolution. Létopis, Rjad B 14, 1967, S. 129—156. M o h r m a n n , Walter: Zur annexionistischen Kriegspolitik des Königreichs Sachsen gegenüber Litauen 1917/18. [Über die Pläne, sächsische Bürger in Litauen anzusiedeln.] J b . für Geschichte der U d S S R und der volksdemokratischen Länder Europas 10, 1967, S. 133—158. P r e s c h e r , Hans: Johann Gottlob Lehmann (1719—1767). Zum 200. Todestag des bedeutenden Bergmannes, Metallurgen und Begründers der modernen Erdgeschichtsforschung. [Stammte aus der Gegend von Pirna und war 1745—1750 in Dresden tätig.] Der Ausschnitt 19, 1967, H . 3, S.9—18. S c h a a b , Dagmar: Die sächsischen Organisationen des Verbands der ausgeschlossenen Bauarbeiter Deutschlands und die Forderung nach einer Arbeiterregierung im Jahre 1923. Wiss. Zs. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 13, 1966, S. 1—4. S c h i e c k e l , H a r a l d : Pfarrer aus (Kur-)Sachsen in Norddeutschland. [Vom Ende des 16. Jh. bis zum Anfang des 19. Jh.] Herbergen der Christenheit 1967, S. 55—75. S i e b e r , Siegfried: Geistige Beziehungen zwischen Böhmen und Sachsen zur Zeit der Reformation. Teil 2: Pfarrer und Lehrer im 17. Jahrhundert. Bohemia 7, 1966, S. 128—198. S t i m m e 1, Eberhard: Die Familie Schütz. Ein Beitrag zur Familiengeschichte des Georgius Agricola. [Eine in Chemnitz und dem Erzgebirge verbreitete Familie, die sich durch Untersuchungen im Bergbau und Metallhandel auszeichnete. G. Agricola: Humanist, Arzt und Mineraloge, geb. 1494 in Glauchau, gest. 1555 in Chemnitz.] Abhandlungen und Berichte des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 11, 1966, S. 379—417. W a g n e r , Siegried: Franz Julius Delitzsch (1813—1890) — Ein sächsischer Lutheraner zwischen Rationalismus und Konfessionalismus. Herbergen der Christenheit 1967, S. 211—239. W a l t h e r , Hans: Ortsnamenchronologie und Besiedlungsgang in der Altlandschaft Daleminze. [Der Gau Daleminze deckt sich etwa mit den Gebieten der Kreise Döbeln, Großenhain, Meißen, Oschatz und Riesa.] Onomastica Slavogermanica 3, 1967, S. 99 bis 107. Einzelne Bezirke und Ortschaften S i e b e r , Siegried: Die Weißerchenzeche St. Andreas zu Aue. Der Ausschnitt 18, 1966, H . 1, S. 20—23. S t r a u ß , Rudolph: Die Gründung der S E D in Chemnitz. Eine Dokumentation. Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt 14, 1966, S. 3—77. [Die Abhandlung umfaßt das ganze Heft.] —,—: Die Lebensverhältnisse der Chemnitzer Arbeiter gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt 15, 1967, S. 7—88. F i s c h e r , Tilo: Traditionen deutsch-sowjetischer Freundschaft aus fünf Jahrzehnten. Dargestellt am Beispiel des VEB Elektromaschinenbau Sachsenwerk Dresden-Niedersedlitz. Jb. für Wirtschaftsgeschichte 1967, Tl. 3, S. 27—39.
686
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
Klaus,
GEBIETE
Werner: D i e Wiedereröffnung der Technischen Hochschule Dresden im Oktober
1946. Wiss. Zs. der Technischen Universität Dresden 15, 1966, S. 1 1 8 1 — 1 1 8 8 . M ü l l e r , Horst-Guido: 15 Jahre Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List". Wiss. Zs. der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List" Dresden 14, 1967, S. 6 2 3 — 6 2 9 . Schrautzer,
Friedrich: Aus den Geheimakten der Dresdener Oberpostdirektion. Archiv
für deutsche Postgeschichte 1966, H . 1, S . 5 4 — 5 9 . Weidauer,
Walter:
Die geheimnisvolle Aktion „Donnerschlag".
[Zur
Bombardierung
Dresdens im zweiten Weltkrieg.] Stadt und Gemeinde 9, 1965, H . 1, S. 1 8 — 2 0 . Q u e l l m a l z , Werner: 2 5 0 J a h r e Himmelfahrt-Fundgrube zu Freiberg. D e r Ausschnitt 19, 1967, H . 3, S. 2 8 — 3 3 . Schellhas,
W a l t e r : 200 J a h r e Bücherei der Bergakademie
Freiberg. Zentralblatt
für
Bibliothekswesen 80, 1966, S. 1 9 8 — 2 1 2 . Schmidmaier,
Dieter:
Die
Freiberger
Hochschulbibliothek.
Börsenblatt
für
den
Deutschen Buchhandel 134, 1967, S. 9 4 7 — 9 4 8 . W ä c h 11 e r , Eberhard: Zur Geschichte der Bergakademie Freiberg. Das Hochschulwesen 14, 1966, S . 7 1 2 — 7 1 3 . Wagenberth,
O t f r i e d : D a s Freiberger Werner-Denkmal
—
seine Baugeschichte und
kulturgeschichtlich-kunstgeschichtliche Bedeutung. [Zum 150. Todestag Abraham Gottlob Werners.] Wiss. Zs. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 14, 1967, S. 649—656. Achelis,
Thomas O t t o : Zur Leipziger Universitätsmatrikel 1 5 5 2 — 1 8 0 9 . Genealogie 15,
1966, S. 4 7 3 — 4 7 6 , und 16, 1967, S. 5 6 0 — 5 6 1 , S. 7 1 1 — 7 1 3 , S. 8 5 3 — 8 5 8 , S. 9 0 1 — 9 0 6 und S. 9 9 9 — 1 0 0 2 . Gebauer,
Gertraude: Neue Literatur zur Geschichte Leipzigs. Arbeitsberichte zur G e -
schichte der Stadt Leipzig 11, 1967, S. 1 — 4 5 . G e b a u e r , Gerdtrud: Quellen zur Geschichte der Betriebe im Stadtarchiv Leipzig. J b . für Wirtschaftsgeschichte 1966, T l . 4, S. 1 8 4 — 1 8 9 . H a r m e 1 i n , Wilhelm: Juden in der Leipziger Rauchwarenwirtschaft. [Eine Obersicht über maßgebende jüdische Firmen in Leipzig.] Tradition 11, 1966, S. 2 4 9 — 2 8 2 . Laube,
Adolf / Z w a h r ,
H a r t m u t : Konferenz über Stadtgeschichte in Leipzig. Zs. für
Geschichtswissenschaft 14, 1966, S. 2 7 7 — 2 8 1 . S c h n e i d e r , K u r t : Die Herausbildung der Leipziger Liebknechtgruppe und ihre Entwicklung zu einem Glied der Spartakusgruppe ( 1 9 1 4 — 1 9 1 6 ) . Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 9, 1967, S. 7 6 3 — 7 8 1 . — , — : D e r Streik der Leipziger Arbeiter im April 1917. Wiss. Zs. der Karl-Marx-Universität Leipzig, ges.- und sprachwiss. Reihe 16, 1967, S. 3 8 9 — 3 9 9 . Strieder,
J a k o b : Bürger, Kaufleute und Einleger zu Leipzig, die von 1 5 5 6 — 1 5 9 7 die
Messen zu Frankfurt a. M. besuchten. Scriptura mercaturae 1, 1967. S. 3 6 — 4 1 . Unger,
Manfred: Geschichte des Stadtarchivs Leipzig. Arbeitsberichte zur Geschichte der
Stadt Leipzig 12, 1967, S. 1 — 8 4 . [ U m f a ß t das ganze Heft.] Küas,
H e r b e r t : Topographische Probleme auf dem Burgberg zu Meißen. [Ergebnisse der
Ausgrabungen 1 9 5 9 — 1 9 6 2 über Standortfragen von kaiserlichem Pallas, Bischofs- und Burggrafenburg im 11. Jahrhundert und Randbauten bis ins 13. Jahrhundert.] Forschungen und Fortschritte 40, 1966, S. 3 1 2 — 3 1 5 . N eu m a n n ,
Isolde: Slawische Personennamen
germanica 3, 1967, S. 7 7 — 9 7 .
im Osdiatzer Land.
Onomastica
Slavo-
D I E SORBEN
687
M ü l l e r , Frank Arnim: Wissenswertes über den Eisenbergbau von Stenn bei Zwickau — eine technisch-historische Dokumentation. Bergakademie 19, 1967, S. 619—622. K i e n i t z , Erwin: Emil Adolf Roßmäßler — ein Revolutionär an der Forstakademie Tharandt. [1806—1867.] Wiss. Zs. der Technischen Hochschule Dresden 16, 1967, S. 439—446. M e t t e , Hans-Joachim: Zur Geschichte der Fakultät f ü r Forstwirtschaft Tharandt. Wiss. Zs. der Technischen Universität Dresden 16, 1967, S. 431—438. —,—: Die Entwicklung der Lehre und Erziehung an der Fakultät für Forstwirtschaft Tharandt. Wiss. Zs. der Technischen Universität Dresden 16, 1967, S. 425—430. E i c h l e r , Ernst: Die slawischen Ortsnamen des Vogtlandes. Letopis, Rjad A 14, 1967, S. 129—172. H e l l f r i t z s c h , Volkmar: Zum Problem der slawischen Personennamen im Vogtland. Onomastica Slavogermanica 2, 1966, S. 49—57.
8. DIE SORBEN E i c h 1 e r , Ernst: Völker- und Landschaftsnamen im altsorbischen Sprachgebiet. [Erfaßt wird hier das Namengut östlich der Sa-ale.] Letopis, Rjad A 13, 1966, S. 1—30. G a n i c k , Willy: Materialien zur Situation im Schulwesen sorbischer Dörfer der Standesherrschaft Moskau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Litopis, RjadB, 13, 1966, S. 43—46. H a r t s t o c k , Erhard: Dokumente der ehemaligen „Wendenabteilung" zur faschistischen Unterdrückungspolitik gegenüber der sorbischen Bevölkerung (1935—1936). Letopis, RjadB 14, 1967, S. 170—186. —,—: Die sorbische kleinbürgerliche Intelligenz in der Revolution von 1848/49. Letopis, RjadB 13, 1966, S. 1—20. H e n g s t , Karlheinz: Die Beziehung zwischen altsorbischen Phonem und Graphem in lateinischen Urkunden. Dargestellt am Bosauer Zehntverzeichnis von 1181/1214. Onomastica Slavogermanica 3, 1967, S. 113—126. M e t s k , Frido: Zur Frage der ehemaligen sorbischen Bevölkerung des meißisdien Amtes Finsterwalde. Die Welt der Slaven 11, 1966, S. 148—171. M u s i a t , Sigmund: Spätfeudale Taufordnungen als Quelle zur obersorbischen Brauchforschung. Letopis, Reihe C 10, 1967, S. 49—64. R ö s e l , Hubert: Die wissenschaftliche Organisation der Sorbistik. Zs. f ü r Ostforschung 16, 1967, S. 105—111. U r b a n , Rolf: Ein verzerrtes Bild der Sorbenforschung. [Zu dem Aufsatz von Frido Metsk: Das Sorbenbild in der westdeutschen „Ostforschung". In: Zs. für Geschichtswissenschaft 13, 1965, S. 1172—1185.] Zs. f ü r Ostforschung 16, 1967, S. 111. W e n z e l , Walter: Die letzten Wenden in den Kreisen Herzberg und Jessen. Onomastica Slavogermanica 2, 1966, S. 17—28. Z e i l , Wilhelm: Das „Wendische Seminar" in Prag in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zur Bedeutung der deutsch-slawischen Begegnung im Kreis um Bernhard Bolzano für das kulturelle Leben der Oberlausitzer Sorben. Bautzener Kultursdiau 16, 1966, H . 7, S. 4—6, H . 8, S. 2—4, H . 9, S. 16—18, und H . 10, S. 21—23.
688
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE 9. S C H L E S I E N Zeitschriften
Archiv
für schlesische Kirchengeschichte
24, 1966
Der inzwischen verstorbene Historiker der katholischen Kirchengeschichte Schlesiens u n d jahrzehntelange Herausgeber des „Archiv f ü r schlesische Kirchengeschichte" legte, als hätte er seinen nahen Tod vorausgefühlt, als Einleitung des 24. Bd. der von ihm redigierten Zeitschrift einen Überblick über die in den 24 Bänden der Jahre 1936 bis 1966 enthaltenen A u f sätze und Beiträge vor, da es ihm bisher nicht vergönnt gewesen w a r , den von ihm schon längst als Desiderat empfundenen Registerband herauszubringen. Auch die folgenden, gleichwohl hier nur in Auswahl zu erörternden Aufsätze sind von historischem und kunsthistorischem Wert. E. W a l t e r korrigiert in seinem Beitrag „Die J a h r e 1244, 1268 und 1272 in der Baugeschichte des Breslauer Doms" (S. 25—55) bis heute von der Fachwelt vertretene Auffassungen in der zeitlichen Abfolge des Dombaus. D e r Aufsatz „Hedwigsverehrung durch 700 J a h r e außerhalb Schlesiens" von J. G o t t s c h a l k sollte auch über die deutschen Grenzen hinaus größtes Interesse finden, desgleichen der schon mit Spannung erwartete zweite Teil der Abhandlung über das „Bistum Breslau im Dreißigjährigen Kriege" von K. E n g e l b e r t (S. 127—181). E r w ä h n t werden sollten noch die die schlesische Presbyterologie wesentlich fördernden Beiträge von A. R o t h e , W. R o e s c h und H . T r i t z , vor allem jedoch die biographischen Darstellungen von G. M ü n c h über den f ü r die schlesische Kirchengeschichte so erfolgreich tätigen „Erzpriester Paul Bretschneider (1880—1950), P f a r r e r von N e u Altmannsdorf" (S. 256—278) und die aus der gleichen Feder stammende Würdigung des wissenschaftlichen u n d redaktionellen Werkes von K u r t Engelbert zu dessen 80. Geburtstag (283—302). Berlin Archiv
für schlesische Kirchengeschichte
G.
Zimmermann
25, 1967
E n g e l b e r t , K u r t : D a s Bistum Breslau im Dreißigjährigen Kriege. Teil 3. [Früheres, siehe Archiv f ü r schl. Kirchengesch. 23, 1965, S. 85—148 und 24, 1966, S. 127—181. G o t t s c h a l k , Joseph: St. H e d w i g und der Zisterzienserorden. S. 38—96. — , — : Breslauer Diözesanpriester im Konzentrationslager Dachau 1940 bis 1945. S. 298—-305. G r ü g e r , Heinrich: D a s Verzeichnis d e r mittelalterlichen Äbte des Klosters K a m e n z . S. 52—96. — , — : Die Bauentwicklung der Klosterkirche zu Kamenz. S. 97—127. J e d i n , H u b e r t : Die Universität P a d u a und die Gegenreformation in Schlesien. S. 252—258. M o e p e r t , A d o l f : Die ältesten U r k u n d e n und Besitzungen des Vinzenzstiftes in Breslau. S. 1—37. P a n z r a m , B e r n h a r d : Franz X a v e r Seppelt, Leben und Werk. [1883—1956.] S. 274—297. R ö d e l , Walter G . : Briefe Friedrichs des Großen aus dem Ordensarchiv auf Malta. Ein Beitrag zur Geschichte des Malteser-Ordens in Schlesien. [Es handelt sich hier um sechs Briefe Friedrichs II. und je einem Schreiben seiner Minister v. Podewils und v. Borcke aus der Zeit von 1741 bis 1762 und beziehen sich größtenteils auf die Ordensbesitzungen in Schlesien.] S. 259—273. R o t h e , A l f r e d : F r a n z X a v e r Görlich (1801—1881). S. 305—311. S t e l l e r , Georg: Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Güter der Saganer Augustiner. S. 167—200. W a l t e r , E w a l d : Z u m Kaiserchor des Breslauer Doms. S. 128—166.
SCHLESIEN Aurora.
Eichendorff-Almanacb
26,
689
1966
S c h o d r o k , Christine: Wilhelm von Eichendorff, des Dichters Bruder. [Wilhelm von Eichendorffs (geb. 1786 in Lubowitz, gest. 1849 in Innsbruck) amtliche Tätigkeit in Tirol seit 1813 auf Grund archivalischer Studien. Mit Porträt (um 1820): Kreidezeichnung des Tiroler Malers Josef Weger, Innsbruck, Ferdinandeum.] S. 7—21. M ü n c h , Gotthard: D e r Gymnasialdirektor Joseph Zacharias Müller. Ein Mitschüler Eidiendorffs. [Lebensbild des Philologen und Pädagogen J . Z. Müller (geb. 1782 in Ostritz, gest. 1844 in Glatz).] S. 22—39. P ö r n b a c h e r , Hans: Die Ausmalung der Gurtbogenfelder im hohen Chore des Domes zu Köln. [Veröffentlichung und Kommentierung der von Eichendorff entworfenen Schriftstücke zur geplanten Ausmalung der Zwickel über den unteren Arkaden im Chor des Doms durch Edward von Steinle (1810—1886): aus den von E. bearbeiteten Akten „Baue und Reparaturen am Dom zu Coeln" (1842/43), heute im Deutschen Zentralarchiv, Abteilung Merseburg. Mit Abbildungen.] S. 40—49. S ö r e n s e n , Bengt Algot: Zum Problem des Symbolischen und Allegorischen in Eidiendorffs epischem Bilderstil. [Nachweis des symbolischen Charakters der Bildformeln Eichendorffs am Beispiel der Erzählung „Das Marmorbild".] S. 50—56. W o r b s , Erich: Eichendorff und das Meer. [Das Meer als Landsdiaftsmotiv und Metapher bei Eichendorff, hervorgerufen durch den Besuch in Travemünde am 22. 9 . 1 8 0 5 und die Eindrücke der Danziger Zeit.] S. 57—65. J a s k o l a , Heinrich: Vom Geheimnis des Liedes. [Kunsttheoretische Überlegungen zum volkstümlichen Lied, insbesondere zum Verhältnis von Text und Melodie bei Herder, J o h . Abraham Peter Schulz, Joh. Heinrich Voß, J o h . Friedrich Reichardt, Joh. Adam Hiller und Goethe.] S. 66—81. B r a n d e n b u r g , Hans: Wege mit Eichendorff. [Erinnerungen an eigene Arbeiten über Eichendorff und Vortragsreisen nach Schlesien.] S. 82—92. S c h e y e r , Ernst: Leutze und Lessing. [Emanuel Leutze, Historienmaler und Porträtist geb. 1816 in Schwäbisch-Gmünd, gest. 1868 in Washington, Schüler Carl Friedrich Lessings in Düsseldorf. Mit Abbildungen.] S. 93—99. M e y e r , Hans M.: Eidhendorff-Bibliographie 1964/65. S. 101—103. Gießen Jahrbuch
A.
der Schlesischen
Friedrich-Wilhelms-Universität
zu Breslau
Elscbenbroich
11, 1966, und 12,
1967
B r i l l i n g , Bernhard: Zur Gesdiichte der Juden in Breslau. Die ersten in Breslau wohnhaften Juden 1697—1707. 12, 1967, S. 126—143. Freyhan,
Wilhelm: Breslau und der Eisenbahnverkehr im 19. Jahrhundert. 11, 1966,
S. 344—355. Krohn,
Margot:
Friedrich
Lucas,
Schlesiens
Chronist.
[Lebte
im
17. J h . ]
11,
1966,
S. 63—104. K u r n i k , Walter: Breslaus Theaternöte vor 100 Jahren. 12, 1967, S. 144—154. Libor,
Reinhard Maria: Kloster Leubus. Ein Denkmal zisterziensischer Gesdiichte in
Schlesien. 11, 1966, S . 2 9 — 5 0 . — , — : Die Bautradition der deutschen Zisterzienser und ihr Stilwirken am Hohen Dom zu Breslau. 12, 1967, S. 7—56. L i n d g e n : D e r Einfluß der Carolina und der gemeinen Straf rechtslehre auf die Breslauer Strafreditspflege. 12, 1967, S. 7 — 8 8 . 44
690
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
M ü n c h , Gotthard: Kasper von Lohenstein und Matthias Rauchmiller. [Ein Beitrag zum Barock in Schlesien.] 11, 1966, S. 51—62. — , — : Detlev von Liliencron in Schlesien. 12, 1967, S. 231—245. S c h u l z , Ursula: Die Abgeordneten der Provinz Schlesien im Frankfurter Parlament. 12, 1967, S. 155—230. S t a r o s t e , Wolfgang: Daniel Staroste, Tagebuch 1813/14. [Teil 1 siehe Jb. d. FriedrichWilhelms-Univ. 10, 1965, S. 92—137.] 11, 1966, S. 105—153. S t e l l e r , Georg: Lehnsbriefe des Fürstentums Sagan von 1508/09. Ein Beitrag zur Geschichte des Saganer Adels. 12, 1967, S. 89—125. W e b e r s i n n , Gerhard: Gustav Heinrich Ruffer. Breslauer Bankherr — Pionier des Eisenbahngedankens — Förderer schlesischer Wirtschaft. 11, 1966, S. 154—196. — , — : Dr. Hans Hersdiel. Bürgermeister von Breslau. 12, 1967, S. 246—306. Aus Gustav Freytags Nachlaß: M a u f f , Irene: Aus Gustav Freytags Heimat. Briefe aus und über Oberschlesien, besonders von Gustav Freytags Mutter an ihren Sohn. 11, 1966, S. 197—243. S c h u l z , Günter: Briefe Arnold Ruges an Gustav Freytag. 11, 1966, S . 2 4 4 — 2 5 2 . — , — : Zwei Konzepte Heinrich Heines zu Lutetia und 28 Briefe Ludwig von Embdens an Gustav Freytags letzte Gemahlin. 11, 1966, S. 253—287. Jahrbuch
für Schlesische Kirchengeschichte
45, 1966, und 46,
1967
B e r e n d t , Wolf gang / M ü n c h , Gotthard: Joseph Ernst Bergmanns Chronik denkwürdiger Begebenheiten der evangelisch-christlichen Gemeinde Straußeney. 45, 1966, S. 111 bis 148. D e h m e l , Alfred: 200 Jahre als Pfarrer im Dienst der Evangelischen Kirche, vornehmlich in der Schlesischen Kirche. [Familie Dehmel 1759—1824.] 45, 1966," S. 172—174. F e i g e , Konrad: Friedrichs des Großen Stellung zu den Kirchen Schlesiens. 46, 1967, S. 58—64. G a w e l , Heinrich: Groß-Lassowitz (Oberwaiden), K r . Rosenberg O/S. 46, 1967, S. 65—90. G r ü n e w a l d , Johannes: Beiträge zur Kirchengeschichte von Fischbach im Riesengebirge. 45, 1966, S . 4 5 — 7 0 . — , — : Kleine Beiträge zur schlesischen Presbyterologie. 46, 1967, S. 35—57. H o r n i g , Ernst: Zur Schlesischen Kirchengeschichte 1945/1946. 46, 1967, S. 91—151. H u 11 s c h , Gerhard: Polnische Geschichtsumdeutung. 46, 1967, S. 152—176. J a e c k e 1, Georg: Die staatsrechtlichen Grundlagen des Kampfes der evangelischen Schlesier um ihre Religionsfreiheit. I V . Der Friedensvertrag zu Osnabrück. [Teile 1—3 siehe . . . ] 45, 1966, S. 71—110. K a n t z e n b a c h , F. W . : Ein vergessenes Programm im Sinne der Innern Mission. 45, 1966, S. 149—166. R a d l e r , Leonhard: Zur Gründung der Stadt Schweidnitz. 45, 1966, S. 7—44. — , — : Beiträge zur Geschichte von Weizenroda. 46, 1967, S. 7—34. R a u t e r b e r g , Gustav: Die Anfänge der Inneren Mission in Schlesien und das kirchliche Amt. 45, 1966, S. 166—171. Allgemeines B e r e z o w s k i , Stanislaw: The Economic Region of Silesia. [Jahre 1919—1963.] Polish Western Affairs 7, 1966, S. 125—163.
SCHLESIEN
691
B r i l l i n g , Bernhard: Schlesische Ortsnamen als jüdische Familiennamen. Ein Beitrag zur Siedlungsgeographie der schlcsischen Juden. Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 60—67. B r o z e k , Andrezej: The Concept "Ostflucht" in Germany. [Uses citations from numerous German authors to show that there were large migrations from the eastern Prussian provinces, particularly from Silesia in the latter 19th and early 20th centuries.] Polamd and Germany 10, 1966, H . 2, S. 29—34. B r o z e k , Andrezej: Das Problem der polnisch-sorbisch-tschechischen demographischen Ringens um Schlesien in der deutschen öffentlichen Meinung. Letopis, R j a d B 14, S. 187—203. F u c h s , K o n r a d : Neue Beiträge zur Bedeutung der königlichen Seehandlung für die schlesisdie Spinnstoff- und Metallindustrie. [Mit einem Abriß der Geschichte dieses Instituts.] Tradition 11, 1966, S. 57—69. F u h r i c h , Hermann: Die Kolende. Untersuchungen über ihre Geschichte und ihre Verbreitung im deutschen und westslawischen Raum. [Kolende war ein Umzug des Pfarrers mit Ministranten zur Haussegnung.] Schlesisches Priesterjb. 5/6, 1964/65, S. 45—91. G o t t s c h a l k , Joseph: Das Jahr 1163, ein Wendepunkt in der Geschichte des Ostens. [Gründung der beiden Herzogtümer Breslau und Ratibor.] Schlesisches Priesterjb. 5/6, 1964/65, S. 92—103. G o t t s c h a l k , Joseph: Hedwig von Schlesien, Herzogin und Heilige, eine große Frau der Kirche — einst und heute. [Gest. 1243.] Schlesisches Priesterjb. 5/6, 1964/65, S. 104—115. G o t t s c h a l k , Joseph: Ein Fürstenmantel der Herzogin Hedwig von Schlesien (gest. 1243) aus chinesischem Goldbrokat? Beiträge zur Handelsgeschichte des Ostens. 2s. für Ostforschung 15, 1966, S. 403—456. H i n k e l , Heinz: Schlesische Karten in der Staatsbibliothek Marburg. Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 106—117. H ü h n s , Erik: Besuch in Hauptmann-Gedenkstätten in Polen. Neue Museumskunde 10, 1967, S. 174—184. K a c z m a r s k i , Boguslaw: Charakter funkcjonalny miast slqskich w koncu X V I I I wieku. (Der funktionelle Charakter der schlesischen Städte Ende des 18.Jhs.) Kwartalnik historii kultury materialnej 14, 1966, S. 209—241. K l i e r , Richard: Der schlesische und polnische Transithandel durch Böhmen nach Nürnberg in den Jahren 1540—1576. [Verf. bespricht und ergänzt weitausgreifend dank Nürnberger Archivgutes eine polnische Arbeit über den Warenverkehr der Breslauer Kaufleute durch Böhmen nach Nürnberg von Edward Maur/Jozef Petran Tranzyt towar6w kupcow wrovlawskich przez Czechy do Norymbergi. In: Sloski kwartalnik historiczny „Sobötka" 1964, S. 336—364.] Mitteilungen des Vereins für die Geschichte der Stadt Nürnberg 53, S. 195—228. K u h n , Walter: Die deutschrechtlichen Städte in Schlesien und Polen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zs. für Ostforschung 15, 1966, S. 278—337, S. 457—510 und S. 704—743. t a d o g ö r s k i , Tadeusz: Atlas historyczny Sl^ska z konca X V I I I wieku i regiony spoleczno-gospodarcze tego kraju. (Historischer Atlas Schlesiens Ende des 18. Jhs. und die sozial-wirtschaftlichen Regionen dieses Gebietes.) Kwartalnik historii kultury materialnej 15, 1967, S. 527—548. M a l e c z y n s k i , K a r o l : Kilka, nie drukowanych oryginalow sl^skich z pierwszej polowy X I I I wieku. (Einige ungedruckte schlesische Urkunden aus der ersten Hälfte des 13. Jhs.) Sobötka 22, 1967, S. 346—358. 44»
692
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE GEBIETE
M e n z e l , Beda Franz: Die sdilesisdien Barockkirchen und die Dietzenhofer. Schlesien 11, 1966, S. 129—138. M i c h a l k i e w i c z , Stanislaw: Pierwsza organizacja dilopska na Slqksu (1848 roku). (Die erste Bauernorganisation in Schlesien im Jahre 1848.) [Dt. Resümee.] Sob6tka 21, 1966, S. 167—179. N e u b a c h , Helmut: 125 Jahre Eisenbahnen in Schlesien. Schlesien 12, 1967, S. 110—118. N e u b a c h , Helmut: Vier preußische Kultusminister aus Schlesien: von Mühler [1862 bis 1872], Falk [1872—1879], von Zedlitz-Trützschler [1891—1892] und von Studt [1899 bis 1907], Schlesien 11, 1966, S. 14—17. N y r e k , Aleksander: Rozmieszczenie gospodarki rybnej na Slqsku od polowy XVII do polowy X I X wieku. (Die Verbreitung der Fischereiwirtschaft in Schlesien von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 19. Jhs.) [Dt. Resümee.] Sobotka 21, 1966, S. 36—50. O t t o , Bernhard: Vom Webersohn zum Kirchenfürsten. Ein Lebensbild des Kardinals und Fürstbischofs Dr. Georg von Kopp. [Gest. 1914; seit 1887 Bischof von Breslau.] Die Goldene Mark 15, 1964, S. 41—56. P o s n e r , Johann: Kaiser Joseph im Riesengebirge. Riesengebirgs-Jb. 1967, S. 69—79. S c h ö n t h u r , Rudolf: Schlesier in Sdileizer Leichenpredigten. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 129—131. T i p p e l t , Alois: 100 Jahre Königgrätzer Tragödie 1866—1966. Der „Deutsche Bruderkrieg" im Jahre 1866 in heimatgeschichtlicher Schau, unter besonderer Hervorhebung der Ereignisse im Riesengebirgsvorland vom 27. Juni bis 3. Juli 1866. Riesengebirgs-Jb. 1966, S. 33—144. W i c h e r , Hans: Die Herkunft der Familie Schwingel. Ein Beitrag zur Erforschung saarpfälzisch-schlesischer Beziehungen. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 166—169. W o l a n s k i , Marian: Walka o wolny handel sol^ Polsk^ na Sl^sku w latach 1700—1720. (Der Kampf um den freien Handel mit polnischem Salz in Schlesien in den Jahren 1700—1720.) Sobötka 21, 1966, S. 51—73. C z e r n e r , Olgierd: The Conservation of Lower Silesian Historie Monuments Since the Second World War. Annales Silesiae 3, 1967, S. 5—55. G r o ß m a n n , Dieter: Denkmalpflege und Museumswesen in Niederschlesien. [Bericht nach im Text genannten Quellen.] Wiss. Dienst 17, 1967, S. 241—245. J a n k o w s k i , Stanislaw: Glosowanie ludowe na dolnym Sl^sku w 1946 roku. (Die Volksabstimmung in Niederschlesien im Jahre 1946.) Sobötka 22, 1967, S. 544—565. Z i o m e c k a , Anna: Polish Museums in Lower Silesia. Annales Silesiae 3, 1967, S. 55—99. A r n a l , Pierre: Souvenirs de Haute-Silesie (1920—1921). [Der Verfasser war französischer Diplomat und in ganz jungen Jahren zu Beginn seiner Laufbahn Angehöriger der Interalliierten Kommission, die über die Abstimmung und Teilung in Oberschlesien zu entscheiden hatte. Es handelt sich also um persönliche Erinnerungen an diese Vorgänge vor einem halben Jahrhundert, die insofern für unsere Kenntnis der Haltung der französischen Seite von Wert sind, da sicherlich noch geraume Zeit vergehen dürfte, bis die französischen Akten der Öffentlichkeit zugänglich sein werden. Ohne nun der Chronologie der dargestellten Ereignisse zu folgen, sei gesagt, daß sidi das Thema der Uneinigkeit der drei Siegermächte auch in dieser Frage wie ein roter Faden durch die Ausführungen zieht. Dem Bemühen der Deutschen, alten Besitz zu verteidigen, wird nämlich einiges Verständnis entgegengebracht. Die Sympathie gehört
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SCHLESIEN
natürlich den Polen, die es aber andererseits ihrem Verbündeten durch das abenteuerlich Leichtsinnige ihres Vorgehens, Ausdruck eines fanatisierten Patriotismus nicht leicht machten, ihnen die gewünschten Gebiete zu verschaffen. Es tritt klar zu Tage, welche der feindlichen Parteien in Oberschlesien von französischer Seite bevorzugt wurde. Doch verdarb die polnische Seite (Korfanty) durch die Maßlosigkeit und Unbeherrschtheit ihres Verhaltens sich selbst die gute Ausgangsposition und brachte den großen Gönner immer wieder im Verlauf der Auseinandersetzung in erhebliche Schwierigkeiten. Jedoch ist zu sagen, daß die Franzosen sich bemühten, die Friedensbesprechungen bei aller Kompliziertheit der Probleme, zum wenigsten nach außen, korrekt zur Ausführung zu bringen. Offensichtlich schwand das Interesse der Pariser Regierung an den Vorgängen. Mehr und mehr wurde das Bedürfnis nach rascher Beseitigung des Zankapfels laut. Das Ende brachte Erleichterung und Entspannung der internationalen Lage und auch der Beziehungen unter den Siegermächten.] Revue d'Histoire Diplomatique 80, 1966, S. 46—72 und S. 149—179. Paris
K.
Hammer
C h r a p e k , Maria: Pomoc Krakowa dla G6rnego Sl^ska w latach 1919—1921. (Die Hilfe Krakaus für Oberschlesien in den Jahren 1919—1921.) [Dt. Resümee.] Sobötka 22, 1967, S. 492—510. Dlugoborski,
Waclaw: Genera koncernöw görnoslqskich. (Die Entstehung der ober-
schlesischen Konzerne.) [Dt. Resümee.] Sobötka 21, 1966, S. 180—191. Dlugoborski,
Waclaw: Ksztaltowanie si^ zagl^bia görnosl^skiego. (Das oberschlesische
Industrierevier.) Sobötka 22, 1967, S. 109—126. G e d i g a , Boguslaw: Early Mediaeval Opole and the Problem of Higher Silesian Towns. Archaeologia Polona 10, 1967, S. 37—75. K o c h , Alfred: Die deutsche Post in Oberschlesien 1919—1945. Archiv für deutsche Postgeschichte 1966, H . 1, S. 1—16. Ortmann,
Greta: Das glückhafte Wirken der Henckel von Donnersmarck in der ober-
schlesisdien Montanindustrie. Schlesien 11, 1966, S. 1—7. Z w a h r , Hartmut: Zwei Zirkulare zur Sprachenfrage in den Regierungsbezirken Liegnitz und Oppeln 1862/63. Letopis, R j a d B 14, 1967, S. 204—226. H ü n e f e l d , Hans: D e r Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad. Schlesien 12, 1967, S. 161—171. M a y , Georg: Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Breslau von 1811 bis 1945. Ein Beitrag zu dem Ringen um Parität in Preußen. Zs. der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, kan. Abt. 53, 1967, S. 155—272. S c h a e f f e r , Rudolf F . : Das religiös-liberale Schulwerk in Breslau 1933—1937. Bulletin des Leo Baeck Instituts 10, 1967, S. 298—308. L i e b i c h , Curt: Fischbach im Riesengebirge und seine Bewohner nach dem Dreißigjährigen Kriege. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 179—181. T i p p e l t , Alois: Aus der Geschichte der Stadt Freiheit. [Riesengebirge.] Riesengebirgs-Jb. 1967, S . 3 3 — 4 6 . G r ö g e r , Erwin: Freiwaldau im Ostsudetenland (1267—1967). Mährisch-schlesische Heimat 1967, S. 261—265.
694
ZEITSCHRIFTENUMSCHAU EINZELNE
GEBIETE
S c h ö b e 1, F r a n z : Das Annunziatenkloster zu G r a d l i t z . [In d e r Gradlitzer Burg 1706 bis 1736.] Riesengebirgs-Jb. 1966, S. 148—153. K u r z e , H e i n z : Walka demokrat6w powiatu jeleniogörskiego o kontynuacj? revolucji od kwietnia d o czerwca 1848 roku. (Der K a m p f der Demokraten des Kreises Hirschberg um die Weiterführung der Revolution von A p r i l — J u n i 1848.) Sob6tka 22, 1967, S. 324—338. K w a s n y , Zbigniew: D a s Glashüttenwesen im Regierungsbezirk Liegnitz in der ersten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts. Letopis, R j a d B 13, 1966, S. 21—40. R e n n e b a c h , G ü n t e r : Ein Siedlungsfund von Ludwigsdorf, K r . Görlitz (mit einer Textabbildung). Ausgrabungen und Funide 11, 1966, S. 69—72. R e c z e k , Stefan: Polskie nazwy osobowe i miejscowe z X V I — X V I I w. w ksi^gach parafialnych wsi Midialice pow, namslowskiego na Slqsku. (Polnische Personen- und Ortsnamen aus dem 16. und 17. Jh. in den Kirchenbüchern des Dorfes Michendorf im Kreis Namslau in Schlesien.) Onomastica 11, 1966, S. 182—251. H e i n i s c h , Klaus J.: Die G r ü n d u n g der Stadt N e u s t a d t O/S. Schlesien 12, 1967, S. 31—44. U r b a n , R u d o l f : Die Zerstörung des Schlosses in O d r a n . [Das Barockschloß der Fürsten Lichnovsky w u r d e zwischen 1948 und 1953 vollständig restauriert, brannte 1964 aus und w u r d e 1966 endgültig gesprengt.] Wiss. Dienst 17, 1967, S. 181—183. T y s z k i a w i c z , J a n : Z dziejow Sl^ska opawskiego we wczesnym sredniwieczu. (Zur GeGeschichte Oppaus/Schlesien im f r ü h e n Mittelalter.) Sotx5tka 22, 1967, S. 1—8. S c h a r f , Wilhelm: Rudelstadt im Riesengebirge. Ostdeutsche Familienkunde 14, 1966, S. 245—251. M £ t £ k , Frido: Materialy do stosunk6w ludnosciowych i etnicznych w ksi^stwie zaganskim w latach 1600—1819. (Die Bevölkerungsverhältnisse im Fürstentum Sagan in den Jahren 1600—1819.) Sob6tka 22, 1967, S. 65—87. G r ü n e w a l d , Johannes: Die evangelischen P f a r r e r von Dieban und G r o ß e n d o r f , Kirchenkreis Steinau a. O . Ostdeutsche Familienkunde 15, 1967, S. 357—366. G r o b e l n y , Andelin / 5 m e r d a , M i l a n : Pohled do hospodarskych a sociälnich p o m i r ü drobneho Statku na Tesinsku v 17. stoleti (Vendryne). (Blick auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Gutes im Teschner Gebiet im 17. Jahrhundert.) Casopis Slezsk^ho musea 15, 1966, S. 13—41. K a i m i e r c z y k , Jozef / M l y n a r s k a - K a l e t y n , Marta / P o d w i n s k a , Z o f i a : Redierches sur l'habitat humain dans la region de Trzebnica [Trebnitz] a l'epoque du moyen age. Archaelogia Polona 10, 1967, S. 171—201. M l y n a r s k a - K a l e t y n o w a : Badania archeologiczne osad wczesnosredniowiecznycch w poludniowo-wschodniej cz^sci rejonu trzebnidrie go w 1965 r. (Archäologische Forschungen d e r frühmittelalterlichen Siedlungen im südöstlichen Teil des Trebnitzer Gebiets im J a h r e 1965.) K w a r t a l n i k historii k u l t u r y materialnej 14, 1966, S. 325—334. M a t i j e k , Frantisek: O p a v a pred tiicetiletow vdlkow jako hospodarske stredisko kraje. (Troppau vor dem dreißigjährigen Krieg als wirtschaftliches Zentrum des Kreises.) Casopis Slezsk^ho musea 16, 1967, S. 51—69. 5 i k u 1 o v d, Vlasta: Nejstarsi opavska studna. (Der älteste Brunnen in Troppau.) Casopis Slezskiho musea 15, 1966, S. 3—12. V a c h o v i , Z d e n a : Opavsko, Tesinsko: v y v o j etnografickych oblasti. (Das Troppauer und Teschener Gebiet: Entwicklung der ethnographischen Gebiete.) Casopis Slezskiho musea 15, 1966, S. 108—127.
RAND- UND
ZWISCHENGEBIETE
10. R A N D - U N D Scharf,
695
ZWISCHENGEBIETE
Alexander: Die Bedeutung des Jahres 1865 für das Herzogtum Lauenburg im
Zusammenhang der deutschen Geschichte. Lauenburgische Heimat 52, 1966, S. 3 — 1 6 . S t e u d e , Ernst: Zum Namen Lauenburg. Lauenburgische Heimat 58, 1967, S. 2 1 — 2 6 . Warnstedt,
Christopher Frhr. von: Die sachsen-Iauenburgischen Lehnsakten nach den
Lehnsbüchern von 1666 und 1682. Lauenburgische Heimat 57, 1967, S. 1—20.
Baltische Hefte
12, 1966, und 13, 1967
Amburger,
Erik:
Johann
Gummert,
ein livländischer Pastorsohn
in der
Umgebung
Peters I. 12, 1966, S. 2 2 9 — 2 3 3 . Anderson,
H a r r y : Baltische Wissenschaftler an der Königsberger Universität. 13, 1967,
S. 3 0 4 — 3 1 7 . B e r n s d o r f , H e r b e r t : Bilder aus baltischer Landeswehr-Zeit 1 9 1 8 — 1 9 2 0 . 12, 1966, S. 113 bis 144. L a n g e , Walter L e o : Die Wechselbeziehungen der Hochschule Rigas zum Staat in der Zeit von 1 8 6 2 — 1 8 8 7 . - 1 3 , 1967, S. 2 8 7 — 2 9 7 . L ü d i g , E . : Die St.-Nikolai-Kirche zu Pernau. 12, 1966, S. 9 4 — 9 7 . Ozols,
J . : Altona und Loxten. Zwei Burgen Alt-Livlands
nach den Ergebnissen
der
neuesten Ausgrabungen. 13, 1967, S. 2 5 — 3 4 . S t e g m a n n , Helmut: G r a f P . A. Walujew zur baltischen Frage in der Zeit Alexanders I I . 13, 1967, S . 5 9 — 8 3 . Taube,
Arvid Frhr. von: Bremisch-baltische Begegnungen
aus drei Jahrhunderten.
13,
1967, S. 3 5 — 5 8 . Zwiebelberg,
Werner: Von alten Kapellen in den Kirchspielen Hallist und Karkus.
12, 1966, S. 9 8 — 1 0 2 .
Nachrichtenblatt. Verband der Angehörigen 7, 1965, 8, 1966, und 9, 1967
der Baltischen
Ritterschaften
Dieses viermal jährlich erscheinende Nachrichtenblatt enthält Verbandsmitteilungen, Buchbesprechungen, Familiennachrichten und einige wenige meist kurze historische Beiträge unterschiedlicher Qualität. Fölkersahm,
H a m i l k e r B a r o n : Zur Tätigkeit der livländischen Ritterschaften in den
letzten 15 Jahren ihres Bestehens als öffentlich-rechtliche Korporation. [ 1 9 0 5 — 1 9 2 0 ; vgl. Stellungnahmen zu diesem Beitrag im Nachrichtenblatt 8, 1966, S. 6 — 8 und S. 38.] 7, 1965, S. 4 — 7 , S. 1 8 — 2 2 und S. 3 3 — 3 7 . Kur seil,
Erich von: Der schwedische Adel — ein geschichtlicher Rückblick. 8,
1966,
S. 1 7 — 2 0 . Manteuffel-Szoege,
Gotthard B a r o n : Ein kurländisches Herzogsgrab in Straßburg.
[Grabmal in der St.-Thomas-Kirche dos Herzogs Moritz von Sachsen, gest. 1750.] 9, 1967, H . 1, S. 1—4. R o p p , H a n n o Baron von der: Die deutschen Ritterorden. [Leider nicht zu benutzen, da kaum eine historische Tatsache richtig wiedergegeben ist! Vgl. die Stellungnahme der Redaktion S. 23.] 8, 1966, S. 5 — 6 .
696
Z E I T S C H R I F T E N U M S C H A U E I N Z E L N E GEBIETE
Schwerpunkt des Verbandstages 1967. [Mit Berichten des historischen und genealogischen Ausschusses über die archivalischen Arbeitsmöglichkeiten zur Geschichte der baltischen Ritterschaften.] 9, 1967, H . 4, S. 1—6. T a u b e , Arved Frhr. von: Graf Hans-Heinrich von Fersen — der ritterliche Besieger Tadeusz Kosciuszkos (1794). 8, 1966, S. 33—37. T h o m s o n , H . : Jöran Boije und die Zeit seiner Statthalterschaft in Estland 1522—1600. 7, 1966, S.22—25. W i s t i n g h a u s e n , Henning von: Kurland und Piken seit dem Untergang Altlivlands (1561) bis zu ihrer Einverleibung in das russische Reich. [Forts, aus früheren Jahrgängen.] 7, 1965, S.22—25. W e i ß , Helmut [Bearb.]: Baltische Bibliographie 1965 mit Nachträgen. Das Schrifttum über Estland und Lettland in Auswahl. Zs. f ü r Ostforschung 15, 1966, S. 785—800. A n g e r m a n n , N o r b e r t : Zur Geschichte des orthodoxen Bistums Dorpat. [In der seit 1558 russischen Stadt läßt sich erst 1570 ein von Moskau abhängiger Bischof nachweisen.] Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas 14, 1966, S. 232—242. A r f w i d s s o n , Fredrik: Stromberg och försvaret av Estland efter slaget vid Poltava. (Stromberg und die Verteidigung Estlands nach der Schlacht bei Poltava.) [S. 138—141 Anforderungen Strombergs an die Ritterschaft Estlands. S. 141—156 Stromberg und die Bürgerschaft Revals.] Karolinska förbundets arsbok 1966, S. 129—166. D o r o s z e n k o , Wasilij W.: Eksport Rygi na zach6d w okrcsie przynaleznosci do Rzeczypospolitej (1562—1620). (Der Export Rigas nach Westen im Zeitraum seiner Zugehörigkeit zu Polen (1562—1620). [Dt. Resümee.] Zapiski historyczne 31, 1966, N r . 1, S. 7—44. E l i a s , Otto-Heinrich: Revaler Handelsschiffahrt im 18. Jahrhundert. Jahrbücher f ü r die Geschichte Osteuropas 15, 1967, S. 16—28. H a g e n , Kurt: Ein baltisches Handelshaus. [Geschichte des im ausgehenden 19. Jahrhundert gegründeten Handelshaus Hagen und Soldani in Libau.] Tradition 11, 1966, S. 23—34. I s b e r g , Alvin: Livland i Johann Reinhold Patkuls politiska handlande. En historisk skiss. (Livland im politischen Plan Johann Reinhold Patkuls. Eine historische Skizze.) [Patkul wollte eine livländische Adelsrepublik unter polnischer Oberhoheit schaffen, die russische Eroberung des Livlands verhindern und die Schweden vertreiben. Nichts deutet darauf, d a ß Patkuls Strebnisse von dem livländischen Adel unterstützt wurden.] Karolinska förbundets arsbok 1967, S. 33—57. K ä b i n , Ilo: Die Bedeutung der Uniersität D o r p a t / T a r t u f ü r die Geschichte der Medizin. Jb. des baltischen Deutschtums 1966, S. 71—92. K l e i n , Gert: Die Lettländische Universität zu Riga 1919—1940. Jb. des baltischen Deutschtums 1966, S. 62—68. K ü 111 e r , Wolfgang: Das Verhältnis der Stadt Riga zu Polm-Litauen in der Zeit des Livländischen Krieges (1558—1583). Jb. f ü r Geschichte der volksdemokratischen Länder Europas 10, 1967, S. 273—295. P h i l i p p , Guntram: Zum Problem nationaler Vorurteile und Minderwertigkeitsgefühle im Baltikum. In memoriam Paul Johansen. Zs. f ü r Ostforschung 15, 1966, S. 744—749. R i m s c h a , Hans von: Der Zusammenbruch des russischen Kaiserreiches vor fünfzig Jahren und seine Auswirkungen auf die baltischen Lande. Jb. des baltischen Deutschtums 1967, S. 14—27,
R A N D - U N D ZWISCHENGEBIETE
697
S a m s o n - H i m m e l s t j e r n a , Jürgen: Erster Weltkrieg — Kriegsschauplatz Baltikum. Jb. des baltischen Deutschtums 1967, S. 28—41. S i n i z y n a, N . J. / T o m i n , W. R.: Das Scheitern der faschistischen Agrarpolitik in den okkupierten Gebieten der UdSSR (1941—1944). Sowjetwissenschaft 1966, S. 1190—1199. W i d e r a , Bruno: Novgorod vom 10. bis 15.Jahrhundert im Licht archäologischer Ausgrabungen. Jb. für Geschichte der UdSSR und der volksdemokratischen Länder Europas 9, 1966, S. 327—347. B u r i a n , Peter: Die Dokumente der Vertreibung der Sudetendeutschen. Bohemia 8, 1967, S. 292—301. E i c h 1 e r , Ernst: I. Bohemistische Arbeitstagung in Leipzig. [Historiker der europäischen Volksdemokratien erörterten Fragen der deutsch-tschechischen Beziehungen in Geschichte unid Literatur.] Zs. f ü r Geschichtswissenschaft 14, 1966, S. 119—121. F u c h s , Gerhard: II. Bohemistentagung in Leipzig. [S. auch den o. zitierten Beridit von Eichler.] Zs. für Geschichtswissenschaft 14, 1966, S. 788—790. J i 1 e k , Heinrich [Bearb.]: Auswahlbibliographie zur Geschichte und Landeskunde der Sudetenländer 1963. Zs. f ü r Ostforschung 15, 1966, S. 385—400. K e r n , Karl: Ernst Paul (geb. 1897) und die sudetendeutsdie Arbeiterbewegung. Sudetenland 9, 1967, S. 97—100. K i m m i n i c h , Otto: Stellungnahme zum Münchener Abkommen in der deutschen Presse. [Verf. untersucht die Stellungnahme zahlreicher kompetenter Fachleute in der Tagespresse 1965 f. zum Mündvener Abkommen vom 29. September 1938.] Bohemia 7, 1966, S. 356—369. L e h m a n n , Ernst: Die Deutsche evangelische Kirche in Böhmen-Mähren und Schlesien. Ein Abriß über ihre Entstehung, Stellung und Bedeutung. [1919 ff.] Sudetendeutscher Kulturalmanach 6, 1966, S. 245—250. M e i s t e r , Oskar: Des Freiherrn vom Stein Aufenthalt im Sudetenland. [1809.] Mährischschlesische Heimat 1967, S. 63—67. P r i n z , Friedrich: Ideologische Aspekte der Vertreibung. [Betr. den Massentransfer der deutschen Bewohner der böhmischen Länder.] Bohemia 8, 1967, S. 281—291. R e i n d l - M o m m s e n , Margarete: Die Sudetendeutschen in der Tschechslowakei nach 1945. Bohemia 8, 1967, S. 315—324. S c h e n k , Georg W.: Über die Anfänge des Silberbergbaues von St. Joachimsthal. Der Ausschnitt 19, 1967, H . 1, S. 27—34, H . 2, S. 26—31, und H . 5, S. 30—35. W o l f e , James H.: Woodrow Wilson und das Selbstbestimmungsrecht. Das Problem der böhmischen Grenze. Bohemia 8, 1967, S. 217—226.
ZUM T O D E JACOB JACOBSONS Am 31. Mai 1968 starb Jacob Jacobson während seines alljährlichen Kuraufenthaltes in Bad Neuenahr. Fragt man Menschen, die mit ihm befreundet gewesen sind oder die ihn gekannt haben, was sie am meisten an ihm beeindruckt hat, so erfährt man, daß es gerade die unauffälligen, von persönlicher Anspruchslosigkeit zeugenden Eigenschaften waren, die seine eindrucksvolle Persönlichkeit ausgemacht haben und die ihn so liebenswert sein ließen. Man hört von seiner Güte, seiner Treue - den „Getreuesten der Getreuen" hat ihn Eugen Taeubler einmal genannt —, von seiner Heiterkeit und seiner Bescheidenheit, die schon als Scheu bezeichnet werden kann, und immer wieder von seiner Verbundenheit mit den Büchern, mehr noch mit den Urkunden zur deutschjüdischen Geschichte, auch wenn ihm nach seiner Befreiung aus Theresienstadt und der Emigration nach England nur noch ein Bruchteil des früheren Materials zur Verfügung stand. Es wäre darum nicht in seinem Sinne, erinnerte man an ihn mit dem Nachrufen häufig eigenen Pathos, obwohl er unter den wechselndsten Bedingungen lebte und arbeitete, denen eine unbeirrte deutschjüdische Existenz in Deutschland nur ausgesetzt sein konnte. Das Leben des 1888 in Schrimm in der Provinz Posen geborenen Rabbinersohnes verlief zuerst ganz in der jüdischen Tradition und im Bestreben der Erhaltung des Judentums als einer Kultur- und Glaubensgemeinschaft, die zwar bewußt in der deutschen Umwelt lebte und sich zu ihr gehörig fühlte, aber keineswegs gewillt war, die eigene Tradition aufzugeben. Jacob Jacobson besuchte zunächst für einige Jahre die Talmud-Thora-Schule in Hamburg, der Heimatstadt seiner Mutter, und wechselte dann auf ein Gymnasium in Gnesen über, wo er das Abitur ablegte. Danach studierte er - in dieser Vielfalt durchaus im Sinne deutschen Bildungsbürgertums - Klassische Philologie, Geschichte, Germanistik und Geographie an den Universitäten Breslau, München, Berlin und Marburg an der Lahn. Unmittelbar vor Abschluß des Stu* An dieser Stelle möchte ich all denen Dank sagen, die mir durch die Übermittlung von Unterlagen oder durdi persönliche Berichte über Jacob Jacobson geholfen haben, Nachruf zu schreiben. Mein besonderer Dank gilt Frau H. Jacobson/Worcester
diesen
(England)
sowie Frau Dr. Selma Stern-Taeubler/Basel, Herrn Dr. E. G. Lowenthal/Berlin, Herrn Kurt Tudiler/Tel-Aviv und Herrn Thomas Braun, M. A./Oxford.
ZUM T O D E J A C O B JACOBSONS
699
diums meldete er sich im J a h r e 1 9 1 4 wie die meisten Mitglieder des Kartells Jüdischer Verbindungen ( K J V ) , der akademischen Organisation der zionistischen Studenten in Deutschland, als Kriegsfreiwilliger. Nach zwei Verwundungen, v o r allem einer schweren Kopfverletzung im J a h r e 1 9 1 7 , und langem Krankenhausaufenthalt konnte er in den J a h r e n 1 9 1 9 und 1 9 2 0 sein Studium mit dem Staatsexamen und einer Dissertation über „Die Stellung der Juden in den 1 7 9 3 und 1 7 9 5 von Preußen erworbenen Provinzen zur Zeit der Besitznahme" abschließen, die 1 9 2 0 und 1921 in der „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums" abgedruckt wurde. Diese Dissertation, angeregt von Adolf Warschauer, dem späteren Staatsarchivdirektor in Danzig, zeigte bereits seine großen Kenntnisse, die ihn für die Leitung des „Gesamtarchivs der deutschen J u d e n " , die er 1 9 2 0 übernahm, geeignet erscheinen ließen. Mit dieser Tätigkeit begann sowohl für sein Selbstverständnis als Jude als auch für seine wissenschaftlichen Arbeiten eine bestimmende Phase. Eugen Taeubler hatte bei der Konzipierung des Gesamtarchivs in den Jahren 1 9 0 5 / 0 6 angesichts der wachsenden Zahl von assimilationsbereiten Juden die Aufgabe dieser neuen Institution vor allem in der Sammlung von Originaldokumenten aller jüdischen Gemeinden, Organisationen und Anstalten in Deutschland gesehen, deren Bewahrung es zu sichern galt, um sie für wissenschaftliche wie für innerjüdische administrative Zwecke nutzbar zu machen. E r ging von der Überlegung aus, daß z w a r die Geschichte der Juden in Deutschland, soweit sie die gesetzlichen und wirtschaftlichen
Verbindungen
zur
nichtjüdischen
Gesellschaft betrafen, nur im Rahmen der gesamten Geschichte betrachtet und nur unter Einbeziehung der allgemeinen historischen Quellen geschrieben werden könne, daß aber das Gesamtarchiv eine Grundlage für die Erforschung der jüdischen Entwicklung selbst darstellen könne, der Organisation der Gemeinden, der Vereine und Institutionen, der religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen dieses Teils der B e v ö l k e r u n g . 1 In den seiner Anstellung folgenden zwei Jahrzehnten widmete J a c o b J a c o b son in der Nachfolge Eugen Taeublers und mit dem gleichen Verständnis seine Aufmerksamkeit v o r allem dieser Aufgabe der Erweiterung, Sichtung und Katalogisierung der Archivbestände und veranlaßte, ebenso wie sein V o r gänger, die Publizierung erster Ergebnisse dieser Sammlung in den „Mitteilungen des Gesamtarchivs der deutschen J u d e n " . Während dieser J a h r e entwickelte er sich zu einem Spezialisten der Geschichte der Juden - und besonders der Geschichte jüdischer Familien - in Preußen, v o r allem in den ehe1 Vgl. dazu Selma Stern-Taeubler, Eugen Taeubler and the „Wissenschaft des in: Leo Baeck Institute oj Jews from Germany Yearbook 3 (1958) S. 42 f.
Judentums',
700
ZUM TODE JACOB
JACOBSONS
maligen Provinzen Brandenburg und Posen sowie in Hessen. Neben der Abfassung zahlreicher Aufsätze über kleinere jüdische Gemeinden sammelte er in dieser Zeit das Material über die Berliner Juden, das er (mit Ausnahme der noch 1938, wohl als einem der letzten jüdischen Bücher, in Berlin erschienenen „Jüdischen Trauungen in Berlin 1 7 2 3 - 1 7 5 9 " ) erst Jahrzehnte später in den „Judenbürgerbüchern" und in der Fortsetzung der „Jüdischen Trauungen" veröffentlichte und das die Entwicklung der Berliner jüdischen Gemeinde und die Geschichte ihrer Mitglieder vom Beginn des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in politischer, wirtschaftlicher und soziokultureller Hinsicht fast lückenlos wiedergibt. „Er und das ,Gesamtarchiv' waren eines", sagt Ernst G. Lowenthal, 2 und so wundert es nicht, daß er um die Mitte der 30er Jahre, nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und der zunehmend bereits juristisch fixierten „Ausschaltung" der Juden aus der deutschen Gesellschaft noch immer fest überzeugt war von dem Sinn seiner Funktion eines Sachwalters jüdischer Tradition. 3 Er initiierte sogar in dieser Zeit mit Unterstützung des dem Gesamtarchiv vorstehenden Kuratoriums und vieler freiwilliger Helfer eine großangelegte Aktion zur verstärkten Zentralisierung der Gemeinde- und Vereinsakten, der Memor- und Protokollbücher, Beschneidungsbücher, der Zivilstandsregister und familienhistorischen Dokumente, von Thorawimpeln und anderen Kultgegenständen aller jüdischen Gemeinden Deutschlands. Als er schließlich, unter dem Eindruck des Pogroms vom November 1938, der „Reichskristallnacht", im Frühjahr 1939 mit seiner Familie nach England auswandern wollte, gestattete die Gestapo nur seiner Frau und seinem Sohn die Ausreise. Jacob Jacobson selbst schien für den bürokratischen Antisemitismus als Leiter eines wohlgeordneten Archivs mit einer Vielzahl von Familienurkunden, die für den „Arier-Nachweis" notwendig waren, unentbehrlich. Er war plötzlich Träger von Kenntnissen, die für die nun herrschende deutsche Schicht in nicht vorhersehbarem Umfang und mit noch weniger vorhersehbaren Konsequenzen verwertbar waren. Das Spezialwissen also, das er erworben hatte, um das Gedächtnis der eigenen Kultur- und Religionsgruppe zu bewahren und zu vertiefen, ließ ihn in die Situation dessen geraten, der anderen durch den Nachweis ihrer - häufig gar nicht bewußten oder nur sehr entfernten - Zugehörigkeit zu eben dieser Religionsgruppe die Existenzmöglichkeit erschweren, wenn nicht überhaupt nehmen mußte. Er wollte das 2
E . G. Lowenthal, Muster eines jüdischen
Archivars:
Jacob
Jacobson,
in: Cronica
Israeli-
tica (Sao Paulo) vom 30. 10. 1953. 3
Euer
Vielleicht auch gerade zu diesem Zeitpunkt? Darauf jedenfalls läßt sein Artikel Archivgut!
schließen.
in: Blätter
des Verbandes
Jüdischer
Heimatvereine,
Schützt
Jg. 12, N r . 7 (1938),
ZUM TODE JACOB
701
JACOBSONS
Unmögliche versuchen: Um die ihm anvertrauten kostbaren Archivbestände nicht einem ungewissen Schicksal, vielleicht der sicheren Zerstörung preiszugeben, war er in Deutschland geblieben und versuchte nun, das in seinen Kräften Stehende zu tun, um anderen zu helfen. Er benutzte die Bestände des Gesamtarchivs zum Nachweis der Verwandtschaft mit in den USA lebenden Juden, um Emigranten zu Einwanderungszertifikaten zu verhelfen; er ließ für Selma Stern-Taeubler (und sicher nicht nur für sie) von den Sekretärinnen des Gesamtarchivs heimlich die Akten für die weiteren Bände des für die Beschäftigung mit der deutsch-jüdischen Geschichte unentbehrlichen Werkes „Der preußische Staat und die Juden", die die Verfasserin nicht mehr benutzen durfte, abschreiben und nach Schweden bringen; er blieb auch in diesen Jahren „ein großzügiger und gütiger Helfer und Tröster seiner Freunde" (Selma Stern-Taeubler) und konnte andererseits nicht verhindern, daß, wie er selber es mittelbar an dem Beispiel Dr. Paul Eppsteins, des zeitweiligen Judenältesten von Theresienstadt, in einer Reflexion aus dem Jahre 1959 geschildert h a t , 4 alle „Leiter der zentralen jüdischen Organisationen... gezwungen wurden, als treue Gefolgsleute der Behörden zu handeln . . . Sie hatten keine andere Wahl, als mitzuspielen und gleichzeitig zu versuchen, das Los" anderer wenn irgendmöglich zu erleichtern. Im Mai 1943 wurde er selbst nach Theresienstadt deportiert und sein Archiv für das Reichssippenamt beschlagnahmt. Als einer der wenigen überlebte er die Inhaftierung 5 und emigrierte nach der Befreiung im August 1945 nach England, dessen Staatsbürgerschaft er 1951 erwarb. Es wäre aber sich falsch, das Leben Jacob Jacobsons nur unter dem Zeichen der Unterdrückung und Verfolgung in Deutschland zu sehen. Schon wenige Jahre nach seiner Ubersiedlung nach England begann er erneut, sich intensiv mit der deutsch-jüdischen Geschichte zu beschäftigen. Er wirkte am Aufbau des Leo-Baeck-Instituts mit, schrieb zunächst kleinere Artikel, vorwiegend in jüdischen Zeitschriften, und verfaßte in der von Gotthold Rhode 1953 herausgegebenen „Geschichte der Stadt Posen" den Beitrag über die Geschichte der Juden in Posen. Dann aber wagte er die Bearbeitung seiner beiden wohl bedeutendsten und reichhaltigsten Manuskripte, der „Judenbürgerbücher der Stadt Berlin" und der „Jüdischen Trauungen in Berlin 1 7 5 9 - 1 8 1 3 " . Die Unterlagen dazu waren von seiner Frau und seinem Sohn, wie er dankbar betont 4
Jacob
Jacobson,
Gerechtigkeit
für
Paul
Eppstein,
in: Jüdische
Sozialarbeit,
Jg.
4,
N r . 3/4 (1959). 6
Über die Zeit, die er in diesem Konzentrationslager verbringen mußte, verfaßte er
einen mir maschinenschriftlich vorliegenden Bericht, der — als Versuch einer objektiven Schilderung der Organisation des Lagers und des Schicksals seiner Insassen — fast tiefer beeindruckt als manche vom Entsetzen diktierte Darstellung.
702
ZUM
TODE
JACOB
JACOBSONS
hat, „unter größten persönlichen Opfern" gerettet worden. Ernst Kaeber und Johannes Schultze entsannen sich, wie so viele, seiner archivalischen Verdienste und seiner - nach dem Verlust des Gesamtarchivs - unersetzlichen Kenntnisse. Die Historische Kommission zu Berlin, die ihn zu ihrem Korrespondierenden Mitglied machte, empfand es als ehrenvolle Pflicht, durch die Publikation dieser beiden Werke sowohl dem Forscher als auch der gesamten einst für das Leben der Stadt so bedeutsamen Berliner jüdischen Gemeinde ein eindrucksvolles Denkmal zu setzen. Der bescheidene Mann scheute zunächst zurück, als diese Ehrung mit einem Festakt der Öffentlichkeit bekannt werden sollte, bei dem die „Judenbürgerbücher" in seiner Anwesenheit der Jüdischen Gemeinde feierlich übergeben wurden. Ganz gewiß bangte er auch vor der Wiederbegegnung mit den Stätten, die für ihn die befriedigendsten und zugleich die schrecklichsten Erinnerungen bargen. Aber in der Hoffnung, mit einer solchen Geste noch stärker dem Gedächtnis dieser Gemeinde dienen zu können, willigte er ein, und es gelang, ihm einen, wie er es in einem Dankesbrief an die Historische Kommission nannte, „harmonischen und innerlich gelösten Aufenthalt" an dem Ort seines langjährigen Wirkens zu bereiten. Wie er im Umgang mit Mensdien immer hilfsbereit und aufgeschlossen für die Sorgen anderer war - wohl niemand ging ohne ausführliche Antwort und eingehenden Rat von ihm - , so versuchte er auch in seiner wissenschaftlichen Arbeit in erster Linie, anderen die Grundlagen für ihre Forschungen zur Verfügung zu stellen. Ob in kleineren Aufsätzen oder in seinen großen Werken - mit liebevoller Akribie hat er die Aufarbeitung von jetzt als verloren zu betrachtenden Archivbeständen betrieben und die Angaben durch ein enormes Wissen unter allen historisch relevanten Aspekten ergänzt, so daß hier Quellenwerke entstanden sind, deren Wert insbesondere für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte noch längst nicht in vollem Umfang gewürdigt ist und die für einen Spezialbereich durchaus den großen Quelleneditionen für Preußen an die Seite zu stellen sind.
AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE
DER S C H R I F T E N
JACOB
JACOBSONS
Angesichts der Vielzahl von Aufsätzen und kleineren Beiträgen, die J a c o b J a c o b son teils in sehr entlegenen, teils in heute schwer auffindbaren Zeitschriften veröffentlicht hat, muß hier darauf verzichtet werden, eine auch nur annähernde Vollständigkeit anzustreben. Es wurden vielmehr seine größeren Veröffentlichungen sowie die auch jetzt noch leicht zugänglichen Arbeiten ausgewählt. Eine Generaltabelle über die wechselseitigen Privilegien der Juden, Städte und Zünfte im südpreußischen Kammerdepartement Posen 1797, in: Mitteilungen des Gesamtarchivs der deutschen Juden, hrsg. von Eugen Taeubler, Jg. 4 ( 1 9 1 3 ) , S. 6 3 — 1 3 1 .
ZUM TODE JACOB JACOBSONS
703
Die Stellung der Juden in den 1793 und 1795 von Preußen erworbenen Provinzen zur Zeit der Besitznahme, Phil. Diss. Marburg 1920, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, Jg. 64 und 65 (1920 und 1921). Mitteilungen des Gesamtardiivs der deutschen Juden, hrsg. von Jacob Jacobson, Jg. 6 (1926). Zur Begründung des Landrabbinats und zur Entstehung der Synagogen- und Gottesdienstordnung für das Herzogtum Sachsen-Meiningen, in: Mitteilungen des Gesamtarchivs der deutschen Juden, Jg. 6 (1926). Jüdisches Jahrbuch für Groß-Berlin auf das Jahr 1926. Wegweiser durch die jüdischen Einrichtungen und Organisationen Berlins. Bearb. und hrsg. von Jacob Jacobson und Jakob Segall, mit einem Geleitwort von Eugen Caspary. — Zweite Ausgabe auf das Jahr 1928, hrsg. von Jacob Jacobson. Mitarbeit in: Jüdisches Lexikon, 5 Bde, Berlin 1927—1930. Mosaiksteine zur Kultur- und Sanitätsgeschichte der Posenschen Juden am Ausgang des 18. Jahrhunderts, Wien 1929. Von Familiennamen und Staatsbürgerlisten, in: Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Jg. 24, Nr. 13, 16, 17 (1934). Jüdische Trauungen in Berlin 1723—1759, Berlin 1938. Das Naturalisationsverzeichnis der Stadt Posen, mitgeteilt von Georg Asch, mit Einleitung und Anmerkungen von Jacob Jacobson, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland, Jg. 8, Nr. 1/2 (1938), S. 1—40. Dieser Beitrag gelangte nicht über den Zustand des Umbruchs hinaus, die Fertigstellung und Auslieferung des Bandes wurde von den Nationalsozialisten verboten. Der Aufsatz erschien im vergangenen Jahr unter dem Titel: Das Naturalisations Verzeichnis der jüdischen Gemeinde in Posen, in: Zeitschrift für Ostforschung. Länder und Völker im östlichen Mitteleuropa, Jg. 17, Heft 3 (1968), S. 481—533. Terezin [Theresienstadt]. The Daily Life 1943—1945, with an Annex: The Russians in Terezin (David Cohen/Amsterdam) ( = Jewish Survivors Report, Documents of Nazi Guilt, N r . 6), Jewish Central Information Office, London 1946 (masch. sehr.). Zur Geschichte der Juden in Posen, in: Geschichte der Stadt Posen, hrsg. von Gotthold Rhode, Neuendettelsau 1953, S. 243—256. Some Observations on the Jewish Citizens' Books of the City of Berlin, in: Leo Baeck Institute of Jews from Germany Yearbook 1 (1956), S. 317—330. Das städtische Bürgerrecht der Juden Preußens, in: Bulletin des Leo Baeck Institutes, Jg. 1 (1958), S. 7 7 - 7 9 . Wien — Prag — Berlin. Zur Entwicklungsgeschichte einer Familie, in: Bulletin des Leo Baeck Institutes, Jg. 2 (1958/59), S. 67—72. Gerechtigkeit für Paul Eppstein, in: Jüdische Sozialarbeit, Jg. 4, Nr. 3/4, Sept. 1959, S. 25. Von Mendelssohn zu Mendelssohn-Bartholdy, in: Leo Baeck Institute of Jews from Germany Yearbook 5 (1960), S. 251—261.
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Zur Veitschen Familiengeschichte: Die Ursprünge, in: Bulletin des Leo Baeck Institutes, Jg. 4 (1961), S. 3 3 7 — 3 3 9 . Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin 1809—1851. Mit Ergänzungen für die Jahre 1 7 9 1 — 1 8 0 9 ( = Veröffentlichungen der Berliner Historischen Kommission, Bd. 4, Quellenwerke: Bd. 1), Berlin 1962. Mendelssohn-Bartholdy, in: Leo Baeck Institute of Jews from Germany Yearbook 7 (1962), S. 2 7 9 — 2 8 2 . Juden in der städtischen Selbstverwaltung im vormärzlichen Deutschland, in: Bulletin des Leo Baeck Institutes, Jg. 7 (1964), S. 172—182. Jüdische Trauungen in Berlin 1759—1813. Mit Ergänzungen für die Jahre von 1723 bis 1759 ( = Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 28, Quellenwerke: Bd. 4), Berlin 1968.
Berlin
Stefi Jersch-Wenzel
FRITZ D I C K M A N N t Nach kurzer schwerer Krankheit starb am 29. Juli 1969 im Alter von 63 Jahren ganz unerwartet Fritz Dickmann, ordentlicher Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Er wurde am 23. April 1906 in Potsdam geboren als Sohn eines Oberlehrers am Militärwaisenhaus. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums legte er 1924 in Zeitz - sein Vater war inzwischen zum Leiter der Droyßiger Anstalten berufen worden das Abitur ab. Im selben Jahr begann er in Berlin Geschichte, evangelische Theologie und Germanistik zur studieren, verbrachte 1925 ein Semester in Graz und kehrte darauf nach Berlin zurück. Unter seinen akademischen Lehrern findet man so bekannte Namen wie Hans Lietzmann, Adolf Harnack, Hermann Oncken, Erich Mareks, Fritz Härtung und Friedrich Meinecke. Im Wintersemester 1927/28 promovierte er bei Friedrich Meinecke mit einer Dissertation über „Militärpolitische Beziehungen zwischen Preußen und Sachsen 1866-1870. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Norddeutschen Bundes". Zunächst trat Dickmann in den preußischen Archivdienst ein und war von 1928 bis 1931 als Assistent am Reichsarchiv in Potsdam tätig. Bei der Wahl dieses Berufs wirkte sich der Einfluß von Ernst Müsebeck, Direktor des Reichsarchivs, aus, der mit der Familie Dickmanns freundschaftlich verbunden war und bei ihm selbst einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatte. Aber bereits 1931 mußte er wegen einer infolge der Wirtschaftskrise notwendig gewordenen Reduzierung von Planstellen die von ihm angestrebte wissenschaftliche Laufbahn aufgeben. Er nahm deshalb für zwei Semester das Studium in Berlin wieder auf, um mit dem Staatsexamen die Voraussetzung zum Wechsel in den höheren Schuldienst zu erlangen, dem er sich später mit ganzer Hingabe widmete. Nach Abschluß der Referendarausbildung in Kassel kam Dickmann 1935 als Assessor an die heutige Martin-Luther-Schule (Gymnasium für Jungen) nach Marburg. Angriffe wegen seiner kritischen Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und dessen Eingriffe in die Gestaltung des Unterrichts und der Lehrpläne sowie seine beharrliche Weigerung, der „Partei" beizutreten, nötigten ihn im Oktober 1937, an eine Luftwaffenschule in Münster auszuweichen. Dank der intensiven Bemühungen seines damaligen Direktors konnte er jedodi nach einem halben Jahr nach Mar45
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bürg zurückkehren und bis zum Ausbruch des zweiten Weltkriegs seine Tätigkeit an der Martin-Luther-Schule wieder ausüben. Im August 1939 wurde er zur "Wehrmacht eingezogen und geriet 1944 in amerikanische Gefangenschaft. Ein Studienurlaub im Jahre 1941 ermöglichte es ihm, an der PhilippsUniversität Marburg den Grad eines Dr. habil. zu erwerben. Nach Kriegsende leitete er von 1946 bis 1965 als Oberstudiendirektor das bereits mehrfach genannte Gymnasium. Trotz der damit verbundenen starken Belastung widmete sich Dickmann auch weiterhin eigenen wissenschaftlichen Forschungen. So entstand in einem „Jahrzehnt angestrengtester Arbeit" sein umfangreiches wissenschaftliches Hauptwerk über den Westfälischen Frieden, das durch die Verleihung der Ranke-Medaille ausgezeichnet wurde. Die Philosophische Fakultät der Philipps-Universität Marburg würdigte seine Leistung mit der Verleihung der „venia legendi"; seit 1961 lehrte er als Privatdozent unter Beibehaltung seiner bisherigen Tätigkeit und folgte im Sommersemester 1965 einem Ruf auf den Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Obwohl er durch seine Lehrverpflichtungen an der Universität sehr belastet war, fand er Zeit, als Mitglied der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck, der Historischen Kommission zu Berlin, der französischdeutschen Kommission, die die Edition der Richelieu-Akten vorbereitet, und als Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft tätig zu sein. Eine ausführliche und angemessene Würdigung seines wissenschaftlichen Gesamtwerkes kann an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. Es soll hier nur der Versuch unternommen werden, die wichtigsten Stationen seines Schaffens und die Themen aufzuzeigen, die im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeit standen. In seiner Dissertation, der bis dahin unbenutztes Quellenmaterial des Reichsarchivs in Potsdam, des Preußischen Geheimen Staatsarchivs und des Sächsischen Hauptarchivs zugrunde liegt, untersuchte er am Beispiel der preußischsächsischen Beziehungen die Probleme, Widerstände und Fortschritte, die sich nach 1866 beim Aufbau eines einheitlichen Militärwesens im Norddeutschen Bund ergaben. Aus der Beschäftigung mit diesem Thema entstand wenig später ein Aufsatz, der sich mit dem Verhältnis Bismarcks zu den deutschen Mittel- und Kleinstaaten im Norddeutschen Bund befaßte. Damit lenkte Dickmann den Blick auf einen bislang von der Forschung, die sich intensiver der Untersuchung der Politik Bismarcks gegenüber den europäischen Großmächten zugewandt hatte, weniger berücksichtigten Arbeitsbereich. (Für die bibliographischen Angaben zu den bisher und im folgenden erwähnten Schriften sei auf das Schriftenverzeichnis im Anhang verwiesen.) Aus seiner Tätig-
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keit am Reichsarchiv ging die Publikation der „Auswanderungsakten des Deutschen Bundestags (1817-1866) und der Frankfurter Reichsministerien (1848/49)" hervor, die er zusammen mit Georg Leibbrandt bearbeitet hatte. Mit seiner präzisen, detaillierten und hauptsächlich aus den Akten der Großmächte Habsburg, Schweden, Frankreich - wobei zum Teil unbekanntes Quellenmaterial erschlossen wurde - erarbeiteten Darstellung über den "Westfälischen Frieden schuf er ein Werk, das sich bei allem Interesse an diplomatiegeschichtlichen Vorgängen, die dem Gegenstand der Untersuchung entsprechend im Vordergrund stehen, und bei aller Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang wichtigen Einzelereignisse weit aus dem Rahmen reiner Ereignisgeschichte heraushebt. So urteil Kurt von Raumer in seiner Miszelle „Westfälischer Frieden": „Politische Ideengeschichte auf dem Hintergrund des aufsteigenden ,modernen' absoluten Machtstaats, aber auch der fortwirkenden, im deutschen Reich und seinen Ständen noch präsenten älteren politischen und verfassungsrechtlichen Wirklichkeit, die sich bei diesem Friedensschluß mannigfach durchdrangen; Geschichte politischer Begriffe; vor allem aber Staats- und Völkerrechtsgeschichte im Wandel der politischen Theorie und diplomatischen Praxis vom älteren religiös und kirchlich begründeten zum allein auf sich selber bezogenen ,souveränen' und weltlichen Staat; Geschichte der virtuellen Völkerrechtsgemeinschaft Europa und des stark in der Praxis, nur schwach in der Theorie sich immer kräftiger herausbildenden ,Staatensystems' im Übergang vom mittelalterlichen ,Universalismus' zum neuen Europa, das Richelieu schon auf die Basis eines internationalen Garantie- und Sicherheitsverbands zu stellen sucht: dies sind die Gegenstände und Fragenbereiche, die in der Darstellung (Dickmanns) ebenso zum Zuge kommen wie das faktengeschichtliche Detail des diplomatischen Kampfs um Gebietsfragen, konfessionelle Regelungen und politische Rechte im Ablauf der Friedensverhandlungen" (HZ 195, 1962, S. 600). Die Kritik hat zu Recht dieses Werk als eine herausragende Leistung der deutschen Geschichtswissenschaft gewürdigt. In engem Zusammenhang mit diesem Buch stehen seine Mitarbeit an der Edition der „Acta Pacis Westphalicae" und seine grundlegenden Aufsätze, die Ursachen und Gestalten des Dreißigjährigen Krieges und die verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Neuerungen des Westfälischen Friedens, das Verhältnis zwischen Rechtsgedanke und Machtpolitik bei Richelieu und das Problem der Gleichberechtigung der Konfessionen im Reich im 16. und 17. Jahrhundert behandeln. In seinem Richelieu-Aufsatz untersuchte Dickmann unter anderem besonders das „Kernproblem", um das des Kardinals „Gedanken bei der Arbeit an den Friedensinstruktionen immer wieder kreisen:
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D i e Sicherheit des künftigen Friedens durch eine wechselseitige Garantieverpflichtung aller Signatarmächte, der Sieger wie der Besiegten, oder, wie man modern sagen würde, eines Systems kollektiver Sicherheit, das die ganze europäische Staatengemeinschaft umspannen sollte" ( H Z 196, 1963, S. 308). Eine ebenso eindringliche wie umfangreiche Studie widmete er der „Kriegsschuldfrage auf der Friedenskonferenz von Paris 1 9 1 9 " , die jedoch nicht an die alte Kontroverse über den „Wahrheitsgehalt der A n k l a g e " und über „Recht oder Unrecht des Verdikts von Versailles" anknüpfte, sondern vielmehr „ihre Entstehungsgeschichte, ihren Sinn und ihre A u s w i r k u n g e n " darlegte ( H Z 197, 1963, S. 1). V o n seiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit der jüngsten deutschen Geschichte zeugen seine beiden Arbeiten über „Machtwille und Ideologie in Hitlers außenpolitischen Zielsetzungen vor 1 9 3 3 " und über „ D i e Regierungsbildung in Thüringen als Modell der Machtergreifung. Ein Brief Hitlers aus dem J a h r e 1 9 3 0 " . Besondere E r w ä h n u n g verdient noch der von Dickmann bearbeitete B a n d I I I der Reihe „Geschichte in Q u e l l e n " , der die Zeit der Renaissance, der G l a u benskämpfe und des Absolutismus umfaßt. D e n n in dieser Quellenauswahl verbinden sich in besonders glücklicher Weise die aus langjähriger pädagogischer Praxis gewonnenen E r f a h r u n g e n mit den Anforderungen, die an eine auch wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werdende Dokumentation für den Schulgebrauch zu stellen sind. Schon in seiner Dissertation klang in der intensiven Beschäftigung mit den Friedensverhandlungen zwischen Preußen und Sachsen im J a h r e 1866 und mit der Konsolidierung der politischen Verhältnisse in Norddeutschland ein T h e m a seiner späteren Forschungsrichtungen a n : D a s Friedensproblem in der Neueren Geschichte. Unter diesem A s p e k t könnte man geradezu einen Teil seiner bereits genannten A u f s ä t z e — aber in gewisser Hinsicht auch sein H a u p t w e r k über den Westfälischen Frieden - als eindringende Vorarbeiten zu einer umfassenden historischen Untersuchung über die Stellung von K r i e g und Frieden im Völkerrecht, über theoretische und praktische Versuche zur Kriegsverhütung und Friedenssicherung und über die Probleme theoretischer Bewältigung der Friedensfrage im Völkerrecht ansehen. A n der Verwirklichung dieses großen Forschungsvorhabens, von dem bereits zwei K a p i t e l des I. Teiles im K o n z e p t abgeschlossen waren, arbeitete Dickmann seit langem. Ein Teil des vorläufigen Arbeitsplans vermittelt einen Eindruck von der Fülle der aufgeworfenen Fragen und Probleme und von dem weitgesteckten R a h m e n des Vorhabens. Teil I sollte unter dem Titel „ D i e abendländische Tradition bis zum Ausgang des Absolutismus", „Wesen und Wandlungen des Krieges. Psychologische und gesellschaftliche H i n t e r g r ü n d e " , den K r i e g als ethisches und als Rechtsproblem, den K r i e g im Denken der frühen Neuzeit
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und Entwürfe einer europäischen Friedensordnung behandeln. Im Teil II „Vom Kabinettskrieg zum Nationalkrieg" sollte das Friedensproblem in der Französischen Revolution und in der Restauration, der neue Kriegsbegriff (Clausewitz) und die europäische Kriegspraxis, die nationale Bewegung und die ersten Nationalkriege und der Krieg im frühen Sozialismus und im Marxismus dargelegt werden. Das amerikanische Völkerrecht und die pazifistische Bewegung des 19. Jahrhunderts sollten im Teil I I I Gegenstand der Untersuchung sein, dem sich im Teil I V die Behandlung der Haager Friedenskonferenzen anschließen sollte. Hier bricht der fixierte Arbeitsplan ab, aber es ist anzunehmen, daß die Einbeziehung des Völkerbundes und der Vereinten Nationen in die Untersuchung von Dickmann beabsichtigt war. Aus der Arbeit an der Verwirklichung dieses großen Planes wurde er durch seinen Tod jäh herausgerissen. Als akademischer Lehrer sah Dickmann seine Hauptaufgabe darin, Studenten unter Berücksichtigung ihrer Eigeninitiative zu sachlich fundiertem Denken anzuleiten und sie in gemeinsamem Bemühen und Ringen um Aussagegehalt und Aussagewert historischer Quellen in die Praxis der Forschungstätigkeit des Historikers einzuführen. Und obwohl er nur vier Jahre in Berlin hatte lehren können, hatte sich ein engerer Schülerkreis gebildet, deren Arbeitsvorhaben er mit ihnen im Doktorandenkolloquium diskutierte und durch wertvolle Anregungen und Hinweise förderte. Zu seinen Mitarbeitern pflegte er ein sehr herzliches und persönliches Verhältnis. Mit dem ihm eigenen gewinnenden, offenen Wesen war er ihnen von Beginn ihrer Tätigkeit an entgegengekommen, so daß die bei diesem oder jenem anfänglich vorhandene abwartende Zurückhaltung sehr schnell ungezwungener und auf gegenseitigem Vertrauen beruhender Zusammenarbeit wich. Wir alle merkten sehr bald, daß wir ihn in jeder Angelegenheit um Rat bitten durften, und jeder von uns hat seinen Rat gern und oft beansprucht. Unsere wissenschaftlichen Arbeiten verfolgte er mit nie ermüdendem Interesse und ließ ihnen in mannigfacher Weise umfassende Förderung zuteil werden. Dafür und für die häufigen abendlichen Gespräche, die wir mit ihm im ungezwungenen familiären Kreise führen durften, sind wir ihm zutiefst dankbar. Mit seinen Mitarbeitern und seinen Schülern haben die Historische Kommission zu Berlin und das Friedrich-Meinecke-Institut, dem er als Direktor angehörte, den Verlust eines Hochschullehrers zu beklagen, der sich durch sein bescheidenes Auftreten, seine stete Hilfsbereitschaft, seine Sachlichkeit in Diskussionen, sein pädagogisches Geschick und seine wissenschaftliche Leistung die Anerkennung und Hochachtung aller erworben hat. Berlin Klaus Malettke
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GEDÄCHTNIS
BIBLIOGRAPHIE FRITZ D I C K M A N N
Von Klaus Malettke und Gerhard I. Selbständige
Nitscbke
Schriften
1. Militärpolitische Beziehungen zwischen Preußen und Sachsen 1866—1870. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Norddeutschen Bundes. (Forschungen zur Mittelalterlichen und Neueren Geschichte, hrsg. von Albert Brackmann, Fritz Härtung, Erich Mareks, Friedrich Meinecke, Hermann Oncken, Bd. 4) — München: Verlag der Münchner Drucke 1929. 134 S. 2. Auswanderungsakten des Deutschen Bundestags (1817—1866) und der Frankfurter Reichsministerien (1848/49), hrsg. von Georg Leibbrandt und Fritz Dickmann. (Schriften des Deutschen Auslands-Instituts Stuttgart, Reihe C: Dokumente des Auslandsdeutschtums, Bd. 3) — Stuttgart: Ausland und Heimat Verlags-Aktiengesellschaft 1932. 97 S. 3. Der Westfälische Frieden. Münster: Aschendorff 1959, 2. Aufl. 1965, 623 S. 4. Acta Pacis Westphalicae, im Auftrage der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte hrsg. von Max Braubach und Konrad Repgen. Serie I Instruktionen, Bd. 1: Frankreich, Schweden, Kaiser, bearbeitet von Fritz Dickmann, Kriemhild Goronzy, Emil Schlieche, Hans Wagner und Ernst Manfred Wermter. Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung 1962. 476 S. 5. Die Kriegsschuldfrage auf der Friedenskonferenz von Paris 1919. (Beiträge zur europäischen Geschichte, Bd. 3) München: Oldenbourg Verlag 1964. 101 S. (Identisch mit N r . 15) 6. Renaissance, Glaubenskämpfe, Absolutismus, bearbeitet von Fritz Dickmann. (Geschichte in Quellen, unter Beratung von Helmut Beumann, Fritz Taeger f und Fritz Wagner hrsg. von Wolfgang Lautemann und Manfred Schlenke, Bd. 3) München: Bayerischer Schulbuch-Verlag 1966. 758 S. II.
Aufsätze
7. Bismarck und Sachsen zur Zeit des Norddeutschen Bundes. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 49 (1928), S. 255—288. 8. Aufstieg und Beförderung im höheren Schuldienst. In: Die Höhere Schule, 6. Jg., 1953, N r . 10, S. 191—193. 9. Auflockerung der Oberstufe. In: Pädagogische Provinz, 7. Jg., 1953, N r . 1, S. 16 bis 20. 10. Großschulsysteme. In: Der hessische Erzieher, 6. Jg., 1957, S. 165—167. 11. Versetzungsbestimmungen. In: Pädagogische Provinz, 11. Jg., 1957, N r . 11, S. 565—571. 12. Der Friedensschluß von 1648. Ratifikation des niederländischen Friedens. In: Auf roter Erde, 15. Jg. — Neue Folge N r . 8, 1959, S. 3 ff. 13. Der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Friede. In: Die Europäer und ihre Geschichte. Epochen und Gestalten im Urteil der Nationen, hrsg. von Leonhard Reinisch. München: C. H . Beck 1961, S. 74—100.
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14. Rechtsgedanke und Machtpolitik bei Richelieu. Studien an neu entdeckten Quellen. In: H Z 196 (1963), S. 265—319. 15. Die Kriegsschuldfrage auf der Friedenskonferenz von 1919. In: H Z 197 (1964), S. 1—101. 16. Machtwille und Ideologie in Hitlers außenpolitischen Zielsetzungen vor 1933. In: Spiegel der Geschichte. Festgabe f ü r Max Braubach zum 10. April 1964, hrsg. von Konrad Repgen und Stephan Skalweit. — Münster: Verlag Aschendorff 1964, S. 915—941. 17. Der Westfälische Friede und die Reichsverfassung. In: Westfälische Zeitschrift 114 (1964), S. 209—211. 18. Der Westfälische Friede und die Reichsverfassung. In: Forschungen und Studien zur Geschichte des Westfälischen Friedens. Vorträge bei dem Colloquium französischer und deutscher Historiker vom 28.—30. April 1963 in Münster. (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V., Bd. 1) Münster: Verlag Aschendorff 1965, S. 5—32. 19. Das Problem der Gleichberechtigung der Konfessionen im Reich im 16. und 17. Jahrhundert. In: H Z 201 (1965), S. 265—305. 20. Die Regierungsbildung in Thüringen als Modell der Machtergreifung. Ein Brief Hitlers aus dem Jahre 1930. In: V j H Z G 14 (1966), S. 454—464. III.
Rezensionen
21. Brüning, Heinrich: Ein deutscher Staatsmann im Urteil der Zeit. Reden und Aufsätze. Gesammelt von Wilhelm Vernekohl. Regensberg. Münster 1961. In: H P B X (1962), S. 112—113. 22. Pünder, Hermann: Politik in der Reichskanzlei. Aufzeichnungen aus den Jahren 1929—1932. Hrsg. von Thilo Vogelsang. Stuttgart 1961. In: H P B X (1962), S. 275—276. 23. Besson, Waldemar: Friedrich Ebert, Verdienst und Grenze, Göttingen 1963. In: H P B X I (1963), S. 307—308. 24. Kessler, H a r r y Graf: Walter Rathenau, sein Leben und sein Werk. Wiesbaden 1962 (2. Aufl.). In: H P B X I (1963), S. 177. 25. Mayer, Eugen: Skizzen aus dem Leben der Weimarer Republik. Berliner Erinnerungen. Berlin 1962. In: H P B X I (1963), S. 51—52. 26. Repgen, Konrad: Die Römische Kurie und der Westfälische Friede. Bd. I, Papst, Kaiser und Reich 1521—1644. 1. Teil: Darstellung. Tübingen 1962. In: H P B X I (1963), S. 110—111. 27. Zu demselben: H Z 197 (1963), S. 161—167. 28. Stationen der Deutschen Geschichte 1919—1945. Internationaler Kongreß zur Zeitgeschichte München. Hrsg. von Burghard Freudenfeld. Stuttgart 1962. In: H P B X I (1963), S. 87—88. 29. Der Weg in die Diktatur 1918—1933. Zehn Beiträge von Th. Eschenburg u. a. München 1962. In: H P B X I (1963), S. 178. 30. Zeitgeschichte in Text und Quellen: Die Weimarer Republik. Hrsg. von Walter Tormin. Beiträge von Krummacher, Prüfer u. a. Hannover 1962. In: H P B X I (1963), S. 239—240.
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31. Eschenburg, Theodor: Die improvisierte Demokratie. Gesammelte Aufsätze zur Weimarer Republik. München 1963. In: HPB X I I (1964), S. 239—240. 32. Repgen, Konrad: Die Römische Kurie und der Westfälische Friede. Bd. I, Papst, Kaiser und Reich 1521—1644. 2. Teil: Analekten und Register. Tübingen 1965. In: HPB X V (1967), S. 44—45. 33. Frohnweiler, Karl-Heinz: Die Friedenspolitik Landgraf Georgs II. von HessenDarmstadt in den Jahren 1630—1635. Phil. Diss. Mainz 1961. In: Hessisches Jahrbuch 15 (1965), S. 322—323. 34. Lecler, Joseph, S. J . : Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation. 2 Bde. Stuttgart 1965. In: Der Staat 6 (1967), S. 377—379. 35. Randelzhofer, Albrecht: Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648. (Schriften zum Völkerrecht, Bd. 1) Jur. Diss. München. Berlin 1967. In: H Z 208 (1969), S. 143—145. 36. Das Erbe von Weimar. (Rezensionen von Franz von Papen: Vom Scheitern einer Demokratie 1930—1933. Mainz 1968. Hjalmar Schacht: 1933. Wie eine Republik stirbt. Düsseldorf/Wien 1968. Gottfried Reinhold Treviranus: Das Ende von Weimar. Heinrich Brüning und seine Zeit. Düsseldorf/Wien 1968.) In: HPB X V I I (1969), S. 129—132.
BERICHT ÜBER DIE TÄTIGKEIT DER HISTORISCHEN KOMMISSION ZU BERLIN IM ARBEITSJAHR 1968/69 Mit einem Festakt in der Eichengalerie des Charlottenburger Schlosses hat die Historische Kommission zu Berlin in Anwesenheit von Vertretern der Landesregierung, der Freien Universität Berlin und einer Reihe befreundeter wissenschaftlicher Institute am 13. April 1969 den Anlaß ihres zehnjährigen Bestehens feierlich begangen. Wie Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Herzfeld, Vorsitzender der Kommission seit ihrer Wiederbegründung, in seinem Rechenschaftsbericht ausführte, wurden die ursprünglichen Forschungs- und Publikationspläne durch eine in diesem Ausmaß nicht erwartete stürmische Aufwärtsentwicklung weit übertroffen. Zum Ertrag des ersten Dezenniums der Kommissionstätigkeit gehören 35 Bände und zwei Sonderbände der Schriftenreihe, sieben Bände bzw. Doppelbände und ein Sonder- sowie ein Registerband des Publikationsorgans der Historischen Kommission - des „Jahrbuchs für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands" - , ferner eine vierteilige Lieferung des großen Historischen Atlas von Brandenburg, 26 Kartenblätter des Historischen Handatlas und sieben Hefte der „Internationalen wissenschaftlichen Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" (IWK), insgesamt also rund 80 Publikationen überwiegend monographischer, bibliographischer und kartographischer Art zu den von der Kommission betreuten Themenbereichen. Bis zum Erscheinen des 18. Jahrbuchbandes konnten zwei weitere Bände der Schriftenreihe, ein Heft und zwei Sonderhefte der IWK sowie zwei Lieferungen des Handatlas vorgelegt werden. Zum Gesamtergebnis durfte Prof. Herzfeld hervorheben, daß die märkisdie Landesgeschichte ebenso wie die preußische und die Kulturgeschichte, die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung sowie die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, deren Berliner Probleme mit einem besonderen Forschungsschwerpunkt der Deutschen Forschungsgemeinschaft bedacht worden sind, durch die Tätigkeit der Kommission eine Summe von Anregungen und Impulsen erfahren haben.
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Die Historische Kommission ist sich in vollem Umfange bewußt, daß sie die positiven Resultate ihrer Zwischenbilanz nicht nur dem außergewöhnlichen Einsatz der Mitglieder und Mitarbeiter, sondern in gleicher Weise der Aufgeschlossenheit des großen Kreises ihrer Freunde und Förderer verdankt. Nachdem das damalige Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen die finanzielle Erstausstattung der Kommission übernommen hatte, wurde ihr die Hilfe zahlreicher weiterer öffentlicher und privater Geldgeber zuteil. In diesem Zusammenhang verdient zunächst das Land Berlin Erwähnung, das mit seit Jahren steigenden Beträgen die Grundfinanzierung des Forschungsinstituts der Historischen Kommission ermöglicht. Als zusätzliche Förderer waren und sind überwiegend auch weiterhin folgende Stellen beteiligt: Das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium des Innern und das bisherige Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Stiftung Volkswagenwerk, die Thyssen- und die Ernst-ReuterStiftung sowie neben dem Senator für Wirtschaft und Kredit, Abteilung E R P Sondervermögen, insbesondere die Deutsche Klassenlotterie Berlin. Ihnen allen, aber auch dem Abgeordnetenhaus von Berlin und den publizistischen Förderern herzlich zu danken, ist der Kommission, ihren Mitgliedern und Mitarbeitern Verpflichtung und Bedürfnis zugleich. Eine außergewöhnliche Anerkennung ihrer Wirksamkeit hat die Kommission zu Beginn des Jahres 1969 dadurch erfahren, daß ihr von der Stiftung Volkswagenwerk ein größerer Betrag als Starthilfe für die erweiterte Durchführung ihres internationalen Konsultationsprogramms zur Verfügung gestellt worden ist. Diese Mittel erlauben es, ausländische Fachgelehrte für mehrere Monate zum wissenschaftlichen Gedankenaustausch und zur Vollendung historischer Studien nach Berlin einzuladen, deren Thematik sich im Rahmen der von der Kommission betreuten Aufgabengebiete bewegt. Als erster auswärtiger Gelehrter hat Herr Prof. Dr. Gerhard Masur, USA, die Einladung der Kommission angenommen, um eine Monographie über das Berlin der Kaiserzeit in der alten Reichshauptstadt zu vollenden. Im Rahmen dieser Fragestellung durfte die Kommission ihr erstes internationales Symposion anberaumen, für dessen erfolgreiche Durchführung sie sich ebenfalls der Stiftung Volkswagenwerk zu größtem Dank verpflichtet weiß. Sie begrüßt die Entscheidung der Stiftung als Würdigung der Bemühungen auf dem Gebiet des internationalen wissenschaftlichen Austausches, den die Kommission durch ihre Abteilungen für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und für Geschichte der Arbeiterbewegung seit längerem pflegt. Gegenüber dem letzten Berichtsjahr sind in der Zusammensetzung sowohl des Vorstandes als auch des Kreises der Mitglieder mehrere Änderungen festzuhalten. Auf ihrer Elften Jahrestagung im April 1969 hat die Kommission
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Herrn Prof. Dr. Richard Dietrich und Herrn Prof. Dr. Gerd Heinrich als weitere Beisitzer in den Gesamtvorstand gewählt. Indem Herr Prof. Dr. Guggisberg einem Ruf nach Basel folgte, verringerte sich die Zahl der Ordentlichen Mitglieder auf 29, während sich die der Korrespondierenden auf 20 erhöhte. Kurz nach ihrer letzten Jahrestagung traf die Kommission dann ein unersetzlicher Verlust. Am 29. Juli starb völlig unerwartet Herr Prof. Dr. Fritz Dickmann, Ordentliches Mitglied seit 1966. Sein wissenschaftliches Erbe wird der Historischen Kommission bei ihren weiteren Arbeiten Antrieb und Maßstab sein.
Berlin-Lichterfelde, im November
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Historische Kommission zu Berlin Der Vorstand
INTERNATIONALES BERLIN-SYMPOSION Die Historische Kommission zu Berlin veranstaltete am 3. und 4. November ein Symposion über das Thema: Das kaiserliche Berlin. An der Tagung nahmen als ausländische Gäste die Professoren Mary Gilbert und John Ryder (England), Pierre-Paul Sagave (Frankreich), Fritz Epstein und Carl Schorske (USA) teil. Von deutschen Historikern hatten die Herren Heinz Gollwitzer (Münster), Martin Schmidt (Mainz) und Rudolf Vierhaus (Bochum) die Einladung angenommen. Aus Berlin beteiligten sich die Herren H . Urner und T. Nipperdey sowie andere Mitglieder und Mitarbeiter der Historischen Kommission an den Beratungen. Prof. Hans Herzfeld führte den Vorsitz. Im Mittelpunkt der Tagung stand das Buch Imperial Berlin, das Professor Gerhard Masur im nächsten Jahr zu veröffentlichen hofft. Der Verfasser hielt einleitend ein kurzes Referat über sein Werk. Er glaubt, daß Deutschland bis 1870 das Land ohne Hauptstadt gewesen sei. Nach 1870 wurde Berlin zur deutschen Hauptstadt, weil Preußen der Einigungsbewegung zum Siege verhalf. Der politischen Konzentration folgte dann in rascher Folge die gesellschaftliche, industrielle und finanzielle Konzentration, die Berlin zum wirtschaftlichen Zentrum Deutschlands machte. Die Geschichte des kaiserlichen Berlins stellt den Historiker vor eine Reihe schwieriger Probleme, die nur durch eine Kombination von Methoden gelöst werden können. Masur betrachtet dies als eine Aufgabe der Kulturgeschichte. Die Fragen, die er in seinem Buch zu beantworten versucht, gruppieren sich um folgende Themen: 1. die Gründerjahre, 2. die Berliner Gesellschaft, 3. ob und wieweit Berlin jemals zur Weltstadt wurde, 4. das Verhältnis von Schriftstellern, Journalisten und Gelehrten zu Berlin, 5. die Situation der Künste in Berlin. Den Abschluß bildet ein Kapitel über den Ersten Weltkrieg und die Revolution. In der Weimarer Zeit sieht Masur den Triumph aller jener Kräfte, die sich den falschen Tendenzen des zweiten Kaiserreichs entgegengestellt haben. Die sehr lebhafte Debatte kann nur in Stichworten angedeutet werden. Vergleiche zwischen Paris, London, Wien und Berlin ergaben manche Gemeinsamkeiten der europäischen Situation, ließen aber auch das Spezifische der deut-
INTERNATIONALES BERLIN-SYMPOSION
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sehen Hauptstadt klarer hervortreten. Die Frage, ob es einen Berliner Typus gegeben habe, woher er stammt, was seine psychologischen Eigentümlichkeiten sind und ob er einer bestimmten Gesellschaftsklasse zuzurechnen sei, wurde lange erörtert. Ebenfalls wurde das Problem des kirchlichen Lebens in Berlin aufgeworfen und die Frage gestellt, worauf die Tendenz zur Säkularisation zurückzuführen sei und ob sie alle Schichten der Berliner Bevölkerung gleichmäßig erfaßt habe. Die Rolle der Literatur als historische Quelle wurde von verschiedenen Seiten her beleuchtet. Es ergab sich eine Scheidung der Geister, je nachdem, ob eine wertfreie oder eine wertbetonte Interpretation der Kategorie „Literatur" zugrunde gelegt wird. Andere Probleme, die zu lebhafter Kontroverse führten, waren die Beurteilung der Berliner Presse, die Frage, inwieweit Sport und Leibesübungen legitime Gegenstände historischer Untersuchung sein können, und das höchst schwierige Problem, ob und in welchem Maße Berlin sich zum geistigen Zentrum Deutschlands entwickelt habe. Man darf sagen, daß es wohl allen Teilnehmern der Tagung klar geworden ist, daß nicht ein Buch alle diese Fragen beantworten kann und daß es noch einer ganzen Reihe von Spezialstudien bedarf, bevor die Probleme des Berliner Parteilebens, der Vereine, des Zusammenlebens der verschiedenen Gesellschaftsschichten im Räume der Hauptstadt geklärt werden können. Die Tagung schloß mit einem geselligen Zusammentreffen im Harnack-Haus, zu dem Herr Professor Masur und seine Gemahlin die Gäste eingeladen hatten.
Anhang I 1 . VERÖFFENTLICHUNGEN BIS E N D E
1969
(Soweit nicht anders vermerkt, erschienen die Publikationen im Verlag Walter de Gruyter, Berlin) Band 1 :
Otto Büsch, Geschichte der Berliner Kommunalwirtschaft Epoche, 1960.
Band 2:
J . A. Schmoll gen. Eisenwerth, Das Kloster Chorin und die Architektur in der Mark Brandenburg 1260—1320, 1961.
Band 3 :
Hans-Heinz Krill, Die Rankerenaissance — Max Lenz und Erich Mareks. Ein Beitrag zum historisch-politischen Denken in Deutschland 1880—1935, 1962.
Band 4:
Jacob Jacobson, Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin 1809—1851. Mit Ergänzungen für die Jahre 1791—1809, 1962. Rudolf Lehmann, Geschichte der Niederlausitz, 1963. Die brandenburgischen Kirchenvisitations-Abschiede und -Register des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Bd. 2: Das Land Ruppin. Aus dem Nachlaß von Victor Herold, herausgegeben von Gerhard Zimmermann, bearbeitet von Gerd Heinrich, 1963.
Band 5: Band 6:
Band 7 :
Band 8:
in der
Weimarer askanische
Otto Büsch, Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713—1807. Die Anfänge der sozialen Militarisierung der preußisch-deutschen Gesellschaft, 1962.
Günther Gieraths, Die Kampfhandlungen der brandenburgisch-preußischen Armee 1626—1807. Ein Quellenhandbuch, 1964. Band 9: Kurt Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des modernen Kapitalismus in Brandenburg-Preußen 1685—1806, 1963. Band 10: Carl Hinrichs, Preußen als historisches Problem. Gesammelte Abhandlungen, 1964. Band 11: Friedrich Zipfel, Kirchenkampf in Deutschland 1933—1945. Religionsverfolgung und Selbstbehauptung der Kirchen in der nationalsozialistischen Zeit, 1965. Band 12: Bernhard Hinz, Die Schöppenbücher der Mark Brandenburg, besonders des Kreises Züllichau-Schwiebus, bearbeitet und eingeleitet von Gerd Heinrich, 1964.
TÄTIGKEITSBERICHT / ANHANG
719
Band 13: Johannes Schultze, Forschungen zur brandenburgiscben Geschichte. Ausgewählte Aufsätze, 1964. Band 14: Ernst Kaeber, Beiträge 1964. Band 15: Berlin-Bibliographie Heinrich, 1965.
(bis
zur Berliner 1960),
Band 16: Ernst Klein, Von der Reform gesetzgebung des preußischen 1965.
Geschichte.
und
preußischen
Ausgewählte
Aufsätze,
bearbeitet von Hans Zopf und Gerd
zur Restauration. Finanzpolitik und ReformStaatskanzlers Karl August von Hardenberg,
Band 17: Hans-Joachim Winkler, Preußen als Unternehmer 1923—1932. Staatliche Erwerbsunternehmen im Spannungsfeld der Politik am Beispiel der Preussag, Hibernia und Veba, 1965. Band 18: Manfred Stürzbecher, Beiträge zur Berliner Medizingeschichte. Quellen Und Studien zur Geschichte des Gesundheitswesens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, 1966. Band 19:
Eckart Kehr, Der preußisch-deutschen
Band 20:
Ilja Mieck, Preußische Gewerbepolitik in Berlin 1806—1844. und Privatinitiative zwischen Merkantilismus und Liberalismus,
Staatshilfe 1965.
Band 21:
Stefi Wenzel, Jüdische Bürger und kommunale schen Städten 1808—1848, 1967.
in
Band 22:
F. W. A. Bratring, Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg, bearbeitet von Otto Büsch und Gerd Heinrich, Neudruck, 1968.
Primat der Innenpolitik. Gesammelte Aufsätze zur Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, 1965.
Selbstverwaltung
preußi-
Band 23 : Hans-Hermann Hartwich, Arbeitsmarkt, Verbände und Staat 1918—1933. Die öffentliche Bindung unternehmerischer Funktionen in der "Weimarer Republik, 1967. Band 24 : Hans Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit. Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa, 1967.
Wirtschaftsablauf,
Band 25 : Berlin und die Provinz Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert, herausgegeben von Hans Herzfeld unter Mitwirkung von Gerd Heinrich (Geschichte von Brandenburg und Berlin, Band 3), 1968. Band 26 : Herrmann M. Z. Meyer, Moses Mendelssohn Bibliographie. Mit Ergänzungen zur Geistesgeschichte des ausgehenden 18. Jahrhunderts, (ausgeliefert 1967).
einigen 1965
Band 27:
Hartmut Kaelble, Industrielle Interessenpolitik in der 'Wilhelminischen Gesellschaft. Centraiverband Deutscher Industrieller 1895—1914, 1967.
Band 28:
Jacob Jacobson, Jüdische Trauungen in Berlin 1759—1813. gen für die Jahre von 1723—1759, 1968.
Band 2 9 : Peter Lösche, Der Bolschewismus im Urteil der deutschen 1903—1920, Colloquium Verlag, Berlin 1967. Band 30:
Mit
Ergänzun-
Sozialdemokratie
Sieglinde C. Othmer, Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa. Kultur- und sozialgeschichtliche Studien zu Jean Barbeyracs Pufendorf-Ubersetzungen und eine Analyse seiner Leserschaft, 1970.
720
HISTORISCHE KOMMISSION ZU BERLIN
Band 31: Ursula Ratz, Georg Ledebour. listischen Politikers, 1969. Sonderband 1:
1850—1947.
Weg und Wirken
eines
sozia-
Georg Kotowski, Friedrich Ebert. Eine politische Biographie, Band 1: Der Aufstieg eines deutschen Arbeiterführers 1871—1917, Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1963. Felix Mendelssohn Bartholdy, Briefe an deutsche Verleger, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Elvers (Felix Mendelssohn Bartholdy, Briefe, Band 1), 1968.
Berthold Schulze, Brandenburgische Besitzstandskarte des 16. Jahrhunderts. Der ritterschaftliche, geistliche, städtische und landesherrliche Besitz um 1540 ( = Historischer Atlas von Brandenburg, Neue Folge, Lieferung 1), mit Erläuterungsheft, 1962. Historischer
Handatlas
von Brandenburg
und
Berlin:
Blatt 1: Grundriß von Berlin mit nächster Umgegend 1850. Blatt 2: Die Nieder-, lausitz um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Besitzstand der Herrschaften, des Stiftes Neuzelle, der Ritterschaft, der landtagsfähigen Städte und der landesherrlichen Ämter um 1750. Blatt 3 : Berlin 1920. Das Gebiet der 1920 zusammengefaßten Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke / Bebauung und Vorortverkehr im Räume Berlin bis 1945. Blatt 4 : Neue Siedlungen in Brandenburg 1500—1800. Blatt 5/6: Zu- und Abnahme der Bevölkerung 1875—1939. Zu- und Abnahme der Bevölkerung 1939—1946. Blatt 7: Höhenschichten / Gewässer. Blatt 8: Stadt und Stadtrecht im Mittelalter. Blatt 9: Ausbau der Wasserstraßen. Blatt 10: Spätgermanische und frühslawische Zeit (380—750 n.Chr.). Blatt 11/12: Bevölkerungsdichte 1875. Bevölkerungsdichte 1939. Blatt 13: Natürliche Vegetation. Blatt 14: Bevölkerungsdichte um 1805. Blatt 15/16: Entwicklung der Bebauung im Berliner Raum. Baualtersstufen des Ortsteils Rixdorf-Neukölln (bis 1960). Stand der Bebauung in der Gemeinde Rixdorf-Neukölln. Blatt 17: Garnisonen und Garnisonsorte in Brandenburg (1640—1806). Blatt 18: Grundsteuerreinerträge 1925. Blatt 19: Die Niederlausitz in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Blatt 20: Die Prignitz im Dreißigjährigen Krieg. Der landesherrliche, geistliche, ritterschaftliche und städtische Besitz im Jahre 1618/Die Prignitz im Dreißigjährigen Krieg. Kriegsverlust und Zuwanderung nach dem Landreiterbericht von 1652. Blatt 21: Berlin und Umgebung 1874. Blatt 22: Entwicklung des Eisenbahnnetzes (1838—1966). Blatt 2 3 : Brandenburg 1939. Übersichtskarte. Blatt 24: Verwaltungsgliederung 1815 bis 1945. Blatt 25: Friedrich Wilhelm Carl Graf von Schmettau. Karte von Preußen. Aufgenommen und zusammengetragen 1766—1786. Blatt 26: Verwaltungsgliederung 1608—1806. Die Beritte und Kreise der Altmark, Kurmark und Neumark. Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Publikationsorgan der Berliner Historischen Kommission, herausgegeben von Wilhelm Berges und Carl Hinrichs im Auftrage des Friedrich-Meinecke-Instituts der Freien Universität Berlin, Bände 8 und 9/10 (Redaktion: Henryk Skrzypczak), Verlag Max Niemeyer, Tübingen 1959 und 1961. Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Publikationsorgan der Historischen Kommission zu Berlin, herausgegeben von Wilhelm Berges, Hans
TÄTIGKEITSBERICHT / A N H A N G
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Herzfeld und Henryk Skrzypczak im Auftrage des Friedrich-Meinecke-Instituts der Freien Universität Berlin, Bände 11, 12, 13/14, 15 und Ergänzungsband zu Band 11 (Redaktion: Henryk Skrzypczak und Sabine Wilke), 1962, 1963, 1965, 1966, 1967/68. Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Registerband für die Bände 1—10, Verlag Max Niemeyer, Tübingen 1966. Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, hrsg. von Henryk Skrzypczak, Hefte 1—8; 3. Aufl. von Heft 1; Sonderheft 1 und 2. (Nicht im Buchhandel.) 2 . EINZELVERÖFFENTLICHUNGEN BIS ENDE 1 9 6 9
Band 1: Band 2:
Band 3:
Band 4:
Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Probleme der frühen Industrialisierung, herausgegeben von Wolfram Fischer, Colloquium Verlag, Berlin 1968. Karl-Dietrich Abel, Presselenkung im NS-Staat. Eine Studie zur Geschichte der Publizistik in der nationalsozialistischen Zeit, Colloquium Verlag, Berlin 1968. Werner Schochow, Deutsch-jüdische Geschichtswissenschaft. Eine Geschichte ihrer Organisationsformen unter besonderer Berücksichtigung der Fachbibliographie, Colloquium Verlag, Berlin 1969. Peter Czada, Die Berliner Elektroindustrie in der Weimarer Zeit. Eine regionalstatistisch-wirtschaftshistorische Untersuchung, Colloquium Verlag, Berlin 1969. II 1. VERÖFFENTLICHUNGEN BIS FRÜHJAHR 1 9 7 0
Guido Kisdi, Rechts- und Sozialgeschichte der Juden in Halle
1686—1730.
Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin: Spitäler, Elendengilden und Kalandsbruderschaften bis 1520/Stifter, Klöster und Komtureien bis 1520 — Säkularisation und Besitzstand 1540—1550 — Kolonistenzuzug und Staatssiedlung 1688—1786 — Besitzstand um 1800 — Kietze und Kietzsiedlungen — Die Mark Brandenburg 1319—1575. Territoriale Entwicklung. In Vorbereitung: Gewerbe um 1849 — Bodenkarte (Geomorphologie) — Juden in der Mark (bis 1572) — Berlin am 18./19. März 1848 — Entwicklung der Kulturlandschaft — Flurnamen der Prignitz. Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen bewegung, herausgegeben von Henryk Skrzypczak, Fortsetzungsheft.
Arbeiter-
2 . EINZELVERÖFFENTLICHUNGEN BIS FRÜHJAHR 1 9 7 0
Untersuchungen zur Geschichte der frühen Industrialisierung vornehmlich im Wirtschaftsraum Berlin!Brandenburg, hrsg. von Otto Büsch, Colloquium Verlag, Berlin. Rudolf Wisseil, Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, herausgegeben von Ernst Schraepler, 2. Auflage, Bd. 1, Colloquium Verlag, Berlin. 46
722
HISTORISCHE KOMMISSION ZU BERLIN
Die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preußens im 18. Jahrhundert, Band 16, Teil 1: Akten vom 17. September 1722 bis zum Dezember 1778, bearbeitet von Ernst Posner, Stephan Skalweit, Peter Baumgart, Gerd Heinrich (Acta Borussica. Denkmäler der preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert), Verlag Paul Parey, Hamburg. III MITGLIEDERSTAND
Die Historische Kommission zu Berlin setzt sich aus 28 Ordentlichen, 20 Korrespondierenden und 2 Ehrenmitgliedern zusammen: Ordentliche Mitglieder: Prof. Dr. Adam Adrio; Prof. Dr. Wolfgang Baumgart; Prof. Dr. Wilhelm Berges; Prof. Dr. Herbert Bräuer; Oberarchivrat Dr. Hans Branig; Priv.-Doz. Dr. Otto Büsch; Prof. Dr. Richard Dietrich; Prof. Dr. Reinhard Elze; Prof. Dr. Dr. Wolfram Fischer; Prof. Dr. Wolfgang Fritze; Prof. Dr. Otto-Friedrich Gandert; Prof. Dr. Gerd Heinrich; Prof. Dr. Herbert Heibig; Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Herzfeld; Prof. Dr. Hans Kauffmann; Prof. Dr. Horst Kirchner; Prof. Dr. Georg Kotowski; Museumsdirektor Dr. Margarete Kühn; Bibliotheksdirektor Dr. Fritz Moser; Prof. Dr. Adriaan von Müller; Prof. Dr. Thomas Nipperdey; Prof. Dr. Heinz Quirin; Akad. Rat Dr. Ernst Schraepler; Baudirektor Dr. Klaus Schroeder; Prof. Dr. Ernst Schulin; Prof. Dr. Johannes Schultze; Wiss. Oberrat Dr. Henryk Skrzypczak; Staatsarchivdirektor Dr. Gerhard Zimmermann. Korrespondierende Mitglieder: Prof. Dr. Peter Baumgart; Prof. Dr. Walter Bußmann; Prof. Dr. Rudolf Guggisberg; Priv.-Doz. Dr. Hans-Dietrich Kahl; Prof. Dr. Anneliese Krenzlin; Priv.-Doz. Dr. Dietrich Kurze; Prof. Dr. Herbert Ludat; Dr. Rudolf Lehmann; Prof. Dr. Hans Patze; Prof. Dr. Werner Pols; Prof. Dr. Gerhard A. Ritter; Prof. Charles B. Robson; Prof. Dr. Hans Rosenberg; Prof. Dr. Walter Schlesinger; Prof. D. Martin Schmidt D. D.; Prof. Dr. Ludwig Erich Schmitt; Prof. Dr. Stephan Skalweit; Prof. Dr. Wilhelm Treue; Staatsarchivrat Dr. Werner Vogel; Akad. Oberrat Dr. Friedrich Zipfel. Ehrenmitglieder:
Ministerialrat a. D. Dr. Karl Pagel; Prof. Dr. Karl C. Thalheim.
Vorstand: Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Herzfeld (Vorsitzender); Prof. Dr. Wilhelm Berges (Stellv. Vorsitzender); Wiss. Oberrat Dr. Henryk Skrzypczak (Generalsekretär); Priv.-Doz. Dr. Otto Büsch (Stellv. Gen.-Sekr.); Prof. Dr. Reinhard Elze (Schatzmeister); Prof. Dr. Georg Kotowski (Stellv. Schatzmeister); Prof. Dr. Walter Bußmann; Prof. Dr. Dr. Wolfram Fischer; Prof. Dr. Heinz Quirin; Prof. Dr. Johannes Schultze; Prof. Dr. Richard Dietrich; Prof. Dr. Gerd Heinrich. Den Geschäftsführenden Vorstand bilden der Vorsitzende, der Generalsekretär, der Schatzmeister und ihre Stellvertreter.
Anschrift des Geschäftsführenden Vorstandes und der Jahrbuch-Redaktion: 1 Berlin 45 (Lichterfelde), Tietzenweg 79
REGISTER ZU D E N
BUCHBESPRECHUNGEN
Das älteste Rostocker Stadtbuch [M. Hamann] Das alte Sachsen [R. Dietrich] Altpreußische Biographie. Bd. 2, Lfg. 1—7 [G. Heinrich] Archenholz, Bogislav von: Die verlassenen Schlösser [W. Mertineit] Aschkewitz, Max: Zur Geschichte der Juden in Westpreußen [S. Jersch-Wenzel] Ashkenasi, Abraham: Reformpartei und Außenpolitik. Die Außenpolitik d. SPD Berlin-Bonn [H. Herzfeld] Aus der Arbeit der Sächsischen Landesbibliothek 1956—1965 [W. Schodiow]
463 497 468 426 474
Balfour, Michael: Der Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit [H. Herzfeld] Baske, Siegfried, u. Martha Engelbert: Zwei Jahrzehnte Bildungspolitik in der Sowjetzone Deutschlands. 2 Teile [H. Scholtz] Batt, Kurt: Fritz Reuter [I. Rarisch] Bauermann, Johannes: Von der Elbe bis zum Rhein [G. Heinrich] Bensing, Manfred: Thomas Müntzer und der Thüringer Aufstand 1525 [P. Baumgart] Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie. Bd. 3 , 1 [J. Neubauer] Berlin in Buch und Zeitschrift [W. Schochow] Berlin in Vergangenheit und Gegenwart [G. Heinrich] Die Berliner Stadtbibliothek [W. Schochow] Besymenski, Lew: Der Tod des Adolf Hitler [D. Gaedke] Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Sonderbd. IV: Das Buch [W. Schochow] Bibliographische Kalenderblätter [W. Schodiow] Blaschke, Karlheinz: Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution [R. Dietrich] Bornkamm, Heinrich: Thesen und Thesenanschlag Luthers [K. Kupisch] Boveri, Margret: Tage des Überlebens. Berlin 1945 [D. Gaedke] Brandt, Walther: Vom feurigen Elias und der sanften Elise [W. Scharfe] Breyer, Richard: Ostdeutschland im Luftbild [W. Scharfe] Der Briefwechsel Friedrichs des Großen mit der Gräfin Camas und dem Baron Fouque [J. Schultze] Bruns, Alfred: Der Archidiakonat Nörten [M.Erbe] Buchholz, Friedrich, u. Gerhard Buchwald: Die brandenburgischen Lehrerseminare und die ihnen angegliederten Präparandenanstalten [G. Heinrich] Bude, Herbert: Zur Geschichte der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse in Preußen 1810—1933. Bd. 1 , 2 [G.Heinrich] Butte, Heinrich: Geschichte Dresdens bis zur Reformationszeit [R. Dietrich]
392
46*
404 493
415 465 340 490 363 446 433 446 401 510 446 498 365 442 460 425 374 358 455 382 509
724
REGISTER
Carsten, Francis L.: Die Entstehung Preußens [G. Heinrich] Clauss, Herbert (Hrsg.): Das Erzgebirge [R. Dietrich] Conzemius, Victor: Die Briefe Aulikes an Döllinger [G. Kotowski]
369 506 385
Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Die Bezirke Dresden, KarlMarx-Stadt, Leipzig [F. Steenbock] Die deutsdie Revolution 1848/49 in Augenzeugenberichten [G. Heinrich] Die deutsdie Schule in den Sudetenländern [H. Kirrinnis] Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn [H. G. Bütow] Dikau, Joachim: Wirtschaft und Erwachsenenbildung [H. Scholtz] Dinger, Walter: Der Kreis Niederbarnim [G. Heinrich] Documenta Decennarii Academiae Dresdensis [M. Stürzbecher] Dokumente deutscher Kriegssdiäden. Bd. 4, 2: Berlin [G.Heinrich] Dokumente des geteilten Deutschland [H. J . Reichhardt] Dühring, Hans: Das Gymnasium Marienwerder [F. Gause] Dulles, Eleanor L.: Berlin und die Amerikaner [H. Herzfeld] Dyck, Harvey L.: Weimar Germany and Soviet Russia 1926—1933 [W. J. Lavery] . .
503 383 542 544 415 454 510 443 418 485 445 398
Engel, Franz: Die mecklenburgischen Kaiserbederegister von 1496 [G.Heinrich] Erdmann, Hans: Schwerin als Stadt der Musik [I. von Broich-Oppert] Europa und der Norddeutsche Bund [G. A. Craig]
• • • • 461 464 342
Facius, Friedrich, Booms, Hans, u. Heinz Boberach: Das Bundesarchiv und seine Bestände [G. Heinrich] Fischer, Horst: Judentum, Staat und Heer in Preußen im frühen 19. Jahrhundert [M. Richarz] Fitzky, Wilhelm: Küstrin [G.Heinrich] Forschungen zur osteuropäischen Geschichte. Bd. 11 [M. Hellmann]
335 379 454 548
Galante, Pierre: Ein Franzose an der Mauer [H. Herzfeld] 444 Gause, Fritz: Geschichte des Preußenlandes [G. Heinrich] 471 Gause, Fritz: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen. Bd. 2 [G.Heinrich] • • • 483 Geist und Gesellschaft der Bismarckzeit [G. Masur] 390 Geliebtes Königsberg [G. Mertineit] 484 Geschichte von Brandenburg und Berlin. Bd. 3 [G. Masur] 457 Geschichtsbewußtsein in Ostmitteleuropa [R. Ulbrich] 343 Gimbel, John: The American Occupation of Germany [H. Herzfeld] 401 Gläser, Ludwig: Eduard Magnus [H. Börsdi-Supan] 440 Göhring, Martin: Alles oder nichts. Bd. 1 [K.-P. Hoepke] 398 Grassmann, Antjekatrin: Preußen und Habsburg im 16. Jahrhundert [K. Forstreuter] • • 472 Gropp, Volkmar: Der Einfluß der Agrarreform des beginnenden 19. Jahrhunderts in Ostpreußen auf Höhe und Zusammensetzung der preußischen Staatseinkünfte [H. Obenaus] 381 Grundmann, Günther: Das Riesengebirge in der Malerei der Romantik [H. Wille] • • • • 533 Gumpert, Jobst: Polen, Deutschland [H. G. Bütow] 554 Hamburger, Ernest: Juden im öffentlichen Leben Deutschlands [M. Richarz] 380 Handrieder, Wolfram F.: West German Foreign Policy 1949—1963 [Ch.B.Robson] • • 402 Harnisch, Hartmut: Die Herrschaft Boitzenburg [W.Vogel] 453
ZU DEN BUCHBESPRECHUNGEN Hartmann, Ernst: Das Kirdispiel Locken Kr. Osterode i. Ostpr. [H. Koeppen] Hartwich, Hans-Hermann: Arbeitsmarkt, Verbände und Staat 1918—1933 [H. Kaelble] Heimatbuch des Kreises Lauban in Schlesien [G. Zimmermann] Heinemann, Wolfgang: Das Bistum Hildesheim im Kräftespiel der Reichs- und Territorialpolitik vornehmlich des 12. Jahrhunderts [M. Erbe] Heitz, Gerhard: Ländliche Leinenproduktion in Sachsen 1470—1555 [R.Dietrich] • • •• Heibig, Herbert: Universität Leipzig [R. Dietrich] Helmert, Heinz, u. Hans-Jürgen Usczeck: Preußisch-deutsche Kriege von 1864 bis 1871 [E. Kaulbach] Hillerbrand, Hans J.: Brennpunkte der Reformation [K. Kupisch] Historisch-Geographischer Atlas des Preußenlandes. Lfg. 1 [G. Heinrich] Hoffmann, Egbert A.: Schlesien heute [G.Zimmermann] Hoff mann, Erich, u. Erwin Zischke: Klobschin (Burchardsdorf), Kr. Karthaus/Westpr. und seine Umgebung am Turmberg (1605—1945) [W. Mertineit] Hubatsch, Walther: Masuren und Preußisch-Litthauen in der Nationalitätenpolitik Preußens 1870—1920 [H. Jablonowski] 100 Jahre Reclams Universal-Bibliothek 1867—1967 [W. Schochow] Juhr, Hannelore: Die Verwaltung des Hauptamtes Brandenburg/Ostpreußen von 1713 bis 1751 [G. W. von Brandt] Kabel, Rudolf: Die Militarisierung der SBZ [A. Lampe] Kartengeschichte und Kartenbearbeitung [W. Scharfe] Die katholische Kirche und die Völkervertreibung [G. Zimmermann] Kehn, Wolfgang: Der Handel im Oderraum im 13. und 14. Jh. [H. Branig] Kisch, Guido: Melanchthons Rechts- und Soziallehre [K. Kupisch] Knoll, Joachim H., u. Horst Siebert: Erwachsenenbildung, Erwachsenenqualifizierung [H. Scholtz] Kohnke, Meta: Das preußisdie Kabinettsministerium [H. Obenaus] Koselleck, Reinhart: Preußen zwischen Reform und Revolution [H. Herzfeld] Koszyk, Kurt: Die Presse der deutschen Sozialdemokratie [H. H . Biegen] Kotschenreuther, Hellmut: Kleine Geschichte Berlins [J. Schultze] Kranold, Karl Heinz: Frühgeschichte der Danziger Presse [S. Obenaus] Der Kreis Mohrungen [K. Forstreuter] Kroll, Erwin: Musikstadt Königsberg [I. von Broich-Oppert] Kunst des Mittelalters in Sachsen [F. Steenbock] Kurowski, Franz: Armee Wenck [D. Gaedke] Kurth, Willy: Sanssouci [F. Schwenkner] Landwehr, Götz: Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter [F. Schwind] Lange, Annemarie: Berlin, Hauptstadt der DDR [F. Schwenkner] Letkemann, Peter: Die preußisdie Verwaltung des Regierungsbezirks Danzig 1815 bis 1870 [K. Forstreuter] Libor, Reinhard Maria: Ars Cisterciensis [F. Schwenkner] Liebich, Curt: Werden und Wachsen von Petersdorf im Riesengebirge [G.Zimmermann] Löschburg, Winfried, Heinz Wegehaupt u. Leonhard Penzold: Die Deutsche Staatsbibliothek und ihre Kostbarkeiten [F. Schwenkner] London, Kurt, ed.: Eastern Europe in Transition [J. Schwartz]
725 485 396 529 355 500 521 386 366 469 536 477 387 512
478 414 340 428 362 365 415 317 377 335 433 480 477 484 501 398 457 352 443 480 362 531 373 345
726
REGISTER
Lorck, Carl von: Vom Geist des deutschen Ostens [H. Wille] Lorenz, Franz: Die Musikerfamilie Benda [I. von Broich-Oppert]
426 376
Martini, Johannes (Hrsg.) : Deutsche Heimat Oberschlesien [G. Zimmermann] Matthes, Erich: Das Häuserlehnbudi der sädisisch-böhmischen Bergstadt Platten im Erzgebirge 1535—1570 [R.Dietrich] Mehnert, Arno: Die Frühgeschichte des Waldhufendorfes Probsthain, Kr. Goldberg in Niederschlesien [G. Zimmermann] Meinecke, Friedrich: Zur Geschichte der Geschichtsschreibung [G. Schmidt] Merian, Matthäus: Topographia Germaniae. Obersachsen 1650 [H. Quirin] Meyer, Waldtraut: Gemeinde, Erbherrschaft und Staat im Rechtsleben des schlesischen Dorfes vom 16. bis 19. Jh. [G. Heinrich] Mittenzwei, Ingrid: Der Joachimsthaler Aufstand von 1525 [R. Dietridi] Moll, Georg: Die kapitalistische Bauernbefreiung im Klosteramt Dobbertin (Mecklenburg) [K.-P. Hoepke] Müller, Adriaan von: Berlin vor 800 Jahren [E. Böhm] Müller, Ewald: Berlin-Zehlendorf [W. Scharfe] Müntzer, Thomas: Schriften und Briefe [P. Baumgart]
534
Nachbarn im Osten [H. G. Bütow] Nasarski, Peter: östlich von Oder und Neiße 1945—1965 [G. Heinrich] Nawrocki, Joachim: Das geplante Wunder. Leben und Wirtschaften im anderen Deutschland [H. J. Reichhardt] Nerée, Hans-Günter v. : Friedrich August Ludwig von der Marwitz [G. Heinrich] • • • Neubach, Helmut: Die Ausweisungen von Polen und Juden aus Preußen 1885/86 [S. Jersch-Wenzel]
507 530 349 496 528 544 464 434 449 366 545 426 413 • 376 388
Neue Veröffentlichungen der Deutschen Bücherei, Leipzig [W. Schochow] Neumann, Rudolf J.: Polens Westarbeit [F. Kaiser] Neumeyer, Heinz: Bibliographie zur Kirchengeschichte von Danzig und Westpreußen [G. Heinrich] Noyés, P. H . : Organization and Revolution. Working-Class Associations in the German Révolutions of 1848—1849 [Ch. B. Robson]
515 427
Obersdilesien in 144 Bildern [G. Zimmermann] Olechnowitz, Karl-Friedrich: Rostock von der Stadtrechtsbestätigung im Jahre 1218 bis zur bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49 [M. Hamann] Opgenoorth, Ernst: „Ausländer" in Brandenburg-Preußen als leitende Beamte und Offiziere 1604—1871 [G. Heinrich] Der Osten auf dem Wege zur Marktwirtschaft? [E. Schinke] Ostpommerns Küste in 144 Bildern [G. Heinrich] Ostpreußen [G. Heinridi]
534
Paret, Peter: Yorck and the Era of Prussian Reform, 1807—1815 [J. L. Snell] Paschenda, Viktor R.: Oberschlesische Passion [G. Zimmermann] Perlick, Alfons : Biographische Studien zur sdilesischen Heimatforschung [G. Zimmermann] Pierson, Kurt: Dampfzüge auf Berlins Stadt- und Ringbahn [W. Scharfe] Planck, Charles R.: The Changing Status of German Reunification in Western Diplomacy 1955—1966 [Ch. B. Robson]
469 383
462 373 346 467 472 377 535 526 439 420
ZU DEN BUCHBESPRECHUNGEN
727
Preußische Anekdoten [S. Sandow] Die Preußischen Landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalten Landsberg/W. [E. Schinke] Preußisches Lesebuch [G. Heinrich] Prinz Ernst Heinrich von Sachsen: Mein Lebensweg vom Königsschloß zum Bauernhof [R. Dietrich]
371
Reclam. 100 Jahre Universal-Bibliothek [W. Schochow] Reclams Universal-Bibliothek. Verfasser-, Schlag- und Stichwortkatalog [W. Schochow] Die Reformation in Augenzeugenberichten [K. Kupisch] Die Reformation in Dokumenten [K. Kupisch] Rehfeld, Klaus Helmut: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Bromberg 1848—1871 [R. Vogelsang] Reise nach drüben. Vergangenheit und Gegenwart im Land zwischen Elbe und Oder [H. J. Reichhardt] Rieger, Julius: Berliner Reformation [G. Heinrich] Riess, Curt: Alle Straßen führen nach Berlin [H. Herzfeld] Röhl, J. C. G.: German/ without Bismarck [J. L. Snell] Rosenberg, Hans: Probleme der deutschen Sozialgeschichte [H. Herzfeld]
512 512 365 365
Sachsen. Hrsg. von Walter Schlesinger [H. Quirin] Sächsische Bibliographie. Berichtsjahr 1965, Nachträge 1961/64 [W. Schochow] Schlesier des 15. bis 20. Jahrhunderts [I. Rarisch] Schlesisches Urkundenbuch. Bd. 1, 2 [G. Heinrich] Schmidt, Eberhard: Kammergericht und Rechtsstaat [G. Heinrich] Schobess, Joachim: Brandenburgische Literatur. H. 4 [G. Heinrich] Schöne, Johannes: Kirdifahrt durch Sachsen [F. Steenbock] Schräder, Franz: Die ehemalige Zisterzienserinnenabtei Marienstuhl vor Egeln [D. Kurze] Schramm, Gottfried: Der polnische Adel und die Reformation [M. Hellmann] Schütze, Theodor: Um Bautzen und Schirgiswalde [R. Dietrich] Schultze, Johannes: Die Mark Brandenburg. Bd. 5 [H. Branig] Schulz, Günter: Das Berlinische Archiv der Zeit und ihres Geschmacks [W. Schochow] Schwipps, Werner: Otto Lilienthals Flugversuche [H. H . Biegert] Seibicke, Wilfried: Beiträge zur Mundartkunde des Nordobersächsischen (östlich der Elbe) [P. Wiesinger] Sieber, Helmut: Unvergessenes Sachsen [R. Dietrich] Sieber, Helmut: Die Oberlausitz [R. Dietrich] Sieber, Siegfried: Studien zur Industriegeschichte des Erzgebirges [R.Dietrich] Sieber, Siegfried: Von Annaberg bis Oberwiesenthal [R.Dietrich] Skalweit, Stephan: Reich und Reformation [K. Kupisch] Staar, Richard F.: The Communist Regimes in Eastern Europe [J. Anderle] Stehle, Hansjakob: Deutschlands Osten, Polens Westen? [H. G. Bütow] Steinbach, Hartmut: Die Reichsgewalt und Niederdeutschland in nachstaufischer Zeit (1247—1308) [D.Kurze] Steinberg, Jonathan: Yesterday's Deterrent. Tirpitz and the birth of the German Battie Fleet [L. Cecil] Steinberg, S. H.: The Thirty Years War and the conflict for European Hegemony 1600 bis 1660 [J. M. Headley]
495 493 527 524 372 452 504 487 367 508 452 438 441
455 370 395
482 412 437 444 393 341
504 498 508 507 508 364 404 545 361 394 369
728
REGISTER
Stengel, Walter: Zeitvertreib. 10 Kapitel Berliner Kulturgeschichte [G. Heinrich] Stöckl, Günther: Osteuropa und die Deutschen [H. G. Bütow] Stolberg, Friedrich: Befestigungsanlagen im und am H a r z von der Frühgeschichte bis zur Neuzeit [G. Heinrich] Stürmer, Michael: Koalition und Opposition in der Weimarer Republik 1924—1928 [H. Herzfeld] Stürzbedier, Manfred: Beiträge zur Berliner Medizingeschichte [W. Ribbe]
440 544
Texte zur Deutschlandpolitik [H. J. Reichhardt] Thiel, Heinrich: Wilhelmine von Bayreuth [J. Schultze] Thierfelder, Hildegard: Rheinland-Westfalen und Pommern-Mecklenburg [G.Heinrich] Thüringen. Hrsg. von Hans Patze [G. Heinrich] Toland, John: Das Finale [D. Gaedke] Tolksdorf, Ulrich: Volksleben in den Ermländersiedlungen der Eifel [R. Beitl]
419 374 463 489 399 429
Unser Berlin in Buch und Zeitschrift [W. Sdiochow]
446
Vali, Ference A.: The Quest for a United Germany [R. A. Rupen] Verzeichnis der Bibliotheken in Berlin (West) [W. Schochow] Vogel, Werner: Führer durch die Geschichte Berlins [J. Schultze] Vogler, Günter: Zur Geschichte der Weber und Spinner von Nowawes 1751—1785 [J. Schultze] Volkmann, Heinrich: Die Arbeiterfrage im preußischen Abgeordnetenhaus 1849—1869 [P. Lösche]
419 445 433
Wagner, Oskar: Reformation in Schlesien [K. Kupisch] Was soll aus Deutschland werden? [P. Lösche] Wege und Forsthungen der Agrargeschichte [O. Brunner] Wermter, Ernst M.: Geschichte der Diözese und des Hochstifts Ermland [G.Heinrich] Wiese, Erich: Biedermeierreise durch Schlesien [H. Wille] Wieser, Klemens: Die Bedeutung des Zentralarchivs des Deutschen Ordens für die Geschichte Schlesiens und Mährens [G. Zimmermann] Wrangel, Georg von: Wird der Ostblock kapitalistisch? [E. Schinke] Wrangeil, Wilhelm Baron von, u. Georg von Krusenstjern: Die Estländisdie Ritterschaft, ihre Ritterschaftshauptmänner und Landräte [F. Schwenkner]
365 347 337 477 532
Zaunidk, Rudolph: Der Dresdner Stadtphysikus Friedrich August Röber (1765—1827) [M. Stürzbecher] Zernack, Klaus: Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den Ost- und Westslaven [C. Goehrke] Zieger, Andreas: Das religiöse und kirchliche Leben in Preußen und Kurland im Spiegel der evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts [D.Kurze] Zitzewitz-Muttrin, Friedrich Karl von: Bausteine aus dem Osten [H. Branig] Zolling, Hermann, u. Uwe Bahnsen: Kalter Winter im August. Die Berlin-Krise 1961/63 [H. Herzfeld] Zusammenstellung der von der „Deutschen Demokratischen Republik" seit deren Gründung (7. Oktober 1949) abgeschlossenen internationalen Verträge und Vereinbarungen [H. J. Reichhardt]
336 397 437
457 384
525 405 540
510 350 474 467 444
413
HISTORISCHE K O M M I S S I O N ZU B E R L I N BEIM FRIEDRICH-MEINECKE-INSTITUT D E R FREIEN UNIVERSITÄT BERLIN Berlin 45 (Lichterfelde) • Tietzenweg 79
Vorstand: HANS HERZFELD / WILHELM BERGES O T T O BÜSCH / WALTER BUSSMANN RICHARD DIETRICH / REINHARD E L Z E WOLFRAM FISCHER / G E R D HEINRICH G E O R G KOTOWSKI / H E I N Z QUIRIN JOHANNES SCHULTZE / HENRYK SKRZYPCZAK
Das periodische Publikationsorgan der Historischen Kommission zu Berlin ist das JAHRBUCH FÜR D I E G E S C H I C H T E MITTEL- UND OSTDEUTSCHLANDS Herausgegeben von WILHELM BERGES • HANS HERZFELD HENRYK SKRZYPCZAK Redaktion: H E N R Y K S K R Z Y P C Z A K und S A B I N E
WILKE
Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands Publikationsorgan der Historischen Kommission zu Berlin
Herausgegeben von W I L H E L M B E R G E S , H A N S H E R Z F E L D und H E N R Y K SKRZYPCZAK Im Auftrage des Friedrich-Meinecke-Instituts der Freien Universität Berlin Redaktion: H E N R Y K SKRZYPCZAK und SABINE W I L K E
Das Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands betrachtet alle historischen Perioden von der Vor- und Frühgeschichte bis zur unmittelbaren Zeitgeschichte als seinen Forschungsbereich. Vom Bande VIII (1959) an (seit der Umgestaltung als Publikationsorgan der Historischen Kommission) erhielt es einen Rezensionsteil und eine Zeitschriftenumschau, einsetzend mit der Berichterstattung über das Jahr 1957; der Anschluß an die laufende Buchproduktion soll durch Sammelreferate ergänzt werden, die in zwangloser Folge einen Überblick über die wichtigsten Monographien und Zeitschriftenveröffentlichungen der Jahre 1941 bis 1956 vermitteln sollen; die Themen dieser Sammelreferate werden sowohl von den regionalen als auch von sachlichen Gesichtspunkten bestimmt. Das Jahrbuch schließt eine durch Krieg und Nachkrieg entstandene Lücke in der Berichterstattung über die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands. Es will damit nicht nur den Historiker, sondern auch den Politiker und Journalisten mit dem neuesten Stand der Erkenntnis auf diesem Gebiet vertraut machen. Die Bände I—X des Jahrbuches sind im Max Niemeyer Verlag, Tübingen, erschienen, ab Band XI kommt die Publikation im Verlage Walter de Gruyter & Co., Berlin, heraus.
Band XI (1962). Mit 13 Tafeln. X, 541 Seiten. Ganzleinen DM 7 4 , Ergänzungsband zu Band XI. VI, 345 Seiten. 1967. Ganzleinen DM 78,— Band XII (1963). VIII, 568 Seiten. Ganzleinen DM 7 8 , Band XIII/XIV (1965). VI, 749 Seiten. Ganzleinen DM 1 2 0 , Band XV (1966). VI, 646 Seiten. Ganzleinen DM 1 0 6 , Band XVI/XVII (1968). VIII, 747 Seiten. Ganzleinen DM 1 3 5 , -
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO • B E R L I N 30
VERÖFFENTLICHUNGEN DER HISTORISCHEN KOMMISSION ZU BERLIN Zuletzt
erschienen:
Band 20
ILJA MIECK,
Band
21
STEFI WENZEL, Jüdische Bürger und kommunale Selbstverwaltung in preußischen Städten 1808—1848. Mit einem Vorwort von H A N S HERZFELD. X I I , 2 6 5 Seiten. 1 9 6 7 . Ganzleinen DM 38,—
Band
22
F . W . A . B R A T R I N G , Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg. Kritisch durchgesehene und verbesserte Neuausgabe von OTTO B Ü S C H und G E R D H E I N R I C H . Mit einer biographisch-bibliographischen Einführung und einer Ubersichtskarte von G E R D H E I N R I C H . Mit einem Bildnis. XLII, 116*, 1508 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 320,—
Band 23
Arbeitsmarkt, Verbände und Staat 1918—1933. Die öffentliche Bindung unternehmerischer Funktionen in der Weimarer Republik. Mit einem Vorwort von GEORG KOTOWSKI. XVI, 4 8 8 Seiten. 1 9 6 7 . Ganzleinen DM 7 8 , -
Band
H A N S ROSENBERG, Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteleuropa. XII, 301 Seiten. 1967. Ganzleinen DM 28,— (Publikationen zur Geschichte der Industrialisierung Band 2)
24
Preußische Gewerbepolitik in Berlin 1806—1844. Staatshilfe und Privatinitiative zwischen Merkantilismus und Liberalismus. Mit einer Einführung von W O L F R A M FISCHER und OTTO B Ü S C H . XVI, 276 Seiten. 1965. Ganzl. DM 38,— (Publikationen zur Geschichte der Industrialisierung Band 1)
HANS-HERMANN HARTWICH,
Band 25 Berlin und die Provinz Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert.
Mit Beiträgen von
R . BÖSCHENSTEIN-SCHÄFER, W . BOLLERT, R . D I E T R I C H , P . D I T T M A R , E . D O V I F A T , P . GOELDEL, G . H E I N R I C H , H . HERZFELD, H . KNUDSEN, G . KOTOWSKI, K . K U -
K. M Ü L L E R - D YES, P . O . R A V E , M . SCHMIDT, E . SCHMIEDER. Herausgegeben von H A N S HERZFELD unter Mitwirkung von G E R D H E I N R I C H . Mit einer Kartenbeilage. XII, 1034 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 48,— (Geschichte von Brandenburg und Berlin Band 3) PISCH,
Band
26
Moses Mendelssohn Bibliographie. Mit einigen Ergänzungen zur Geistesgeschichte des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Mit einer Einführung von H A N S HERZFELD. Mit 8 Abbildungen auf 4 Tafeln. X X I I , 3 4 3 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 54,— (Bibliographien Band 2)
HERRMANN M . Z . M E Y E R ,
Band 27
HARTMUT K A E L B L E ,
Industrielle Interessenpolitik in der Wilhelminischen Gesellschajt. Centraiverband Deutscher Industrieller 1895—1914. Mit einem Vorwort von G E R H A R D A. R I T T E R . XV, 268 Seiten. 1967. Ganzleinen DM 38,—
Band 28
JACOB JACOBSON, Jüdische Trauungen in Berlin 1759—1813. Mit Ergänzungen für die Jahre von 1723—1759. Mit einem Geleitwort von H A N S HERZFELD. Mit 18 Abbildungen. XLIV, 668 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 84,— (Quellenwerke Band 4)
Ein Verzeichnis aller Veröffentlichungen auf Anforderung zur Verfügung.
der Historischen Kommission
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO • B E R L I N 30
zu Berlin
steht
Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin Begründet von Archivrat Dr.
BERTHOLD SCHULZE T
Wissenschaftliche Leitung des Gesamtwerkes: Arbeitsgemeinschaft Historischer Handatlas Prof. Dr. Prof. Dr.
(Herausgeber) • Akad. Rat Dr. H A N S - G E O R G Ltd. Baudir. Dr. K L A U S SCHROEDER HEINZ QUIRIN
GERD HEINRICH
SCHINDLER
Etwa 160 Karten auf etwa 70 Blättern. Format: 44 x 67 cm. Alle Karten in Mappen und mit Erläuterungsheften. Der „Historische Handatlas" möchte über den Kreis der Historiker hinaus den Interessierten und besonders auch dem Schulunterricht eine möglichst vollständige Dokumentation der Geschichte dieser Landschaft bieten. Einige wenige Karten werden durch Generalisierung aus den entsprechenden Karten des großen „Historischen Atlas" abgeleitet werden können; weitaus die meisten Karten jedoch werden völlig neu erarbeitet aus dem in den zugänglichen Archiven vorhandenen Quellenmaterial, durch Verwertung von Vorarbeiten aus der Zeit vor dem zweiten Weltkriege und mit Hilfe der gedruckten Quellen und Darstellungen. Der „Handatlas" wurde von Berthold Schulze (t) begründet und wird bearbeitet von der Arbeitsgemeinschaft Historischer Handatlas: Heinz Quirin (Herausgeber), Gerd Heinrich, Hans-Georg Schindler und Klaus Schroeder. Folgende Sachgebiete werden bearbeitet: Natur / Vor- und Frühgeschichte / Territorium und Verwaltung / Siedlung / Bevölkerung / Verkehr und Wirtschaft / Kirche, Bildung, Kunst / Militärwesen. Jährlich sollen etwa 10 Kartenblätter erscheinen; zu jedem Blatt gehören etwa 4 Seiten erläuternder Text. Jede Karte mit dem dazugehörigen Erläuterungstext ist auch einzeln lieferbar. Eine Einbanddecke für das Gesamtwerk ist vorgesehen. Bisher erschienen: Lfg. 1 - 6 . 1962/1963. Je DM 1 8 , - ; Lfg. 7 - 1 2 . 1964. Je DM 19,50; Lfg. 13-18. 1965. Je DM 19,50; Lfg. 19-26. 1968. Je DM 19,50. In Vorbereitung: Wandel der Kulturlandschaft 1820—1939 — Gewerbe 1849 — Flurnamen der Prignitz seit Beginn der deutschen Ostsiedlung — Besitzstand 1800 — Spitäler, Kalandsbruderschaften und Elendengilden bis 1520 / Stifter, Klöster und Komtureien bis 1520 — Kolonistenzuzug und Staatssiedlung 1688—1786 — Kietze und Kietzsiedlungen — Juden in der Mark (bis 1572) — Geomorphologie — Mittelalterlicher Bestand des Territoriums und Entwicklung bis um 1600 — Militärische Operationen 1945 — Die Kämpfe um Berlin 1945 — Berlin am 18. und 19. März 1848 — Jüngere Steinzeit — Potsdam und Umgebung 1780—1920 — Festungen in Brandenburg.
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO • B E R L I N 30
Die Wedeischen terrae nach dem Neumärkischen Landbuch von 1337, die Herrschaftsbereiche in Pommern(Uchtenhagen-Freienwalde und Cremzow) und die Wedeischen Wohnsitze Bearbeitet von Helga Cramer, 1969 Maßstab 1:500000
Zeichenerklärung
terra Böthin
terra Tütz
terra Kallies
terra Falkenburg
Sowohl zur terra Falkenbg. als auch zur terra Arnswalde gerechnete Orte Im Landbuch nicht aufgeführte zu Falkenbg. gehörige Orte Herrschaftsbereich Uchtenhagen-Freienwalde Herrschaftsbereich Cremzow
Wedeische Wohnsitze
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