Irans Aufstieg zum Nationalstaat im fünfzehnten Jahrhundert [Reprint 2013 ed.] 9783111465074, 9783111098166

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German Pages 175 [204] Year 1936

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Table of contents :
Einführung
I. Abriß der ṣafavı̄dischen Ordensgeschichte
Die Ordensmeister
Die Anhängerschaft
Die Gliederung des Ordens
Das Ordensheiligtum
II. Die Anfänge des ṣafavı̄dischen Priesterstaates
Scheich Dschoneid Ordensmeister
Scheich Dschoneid in Anatolien
Scheich Dschoneid in Qaramān
Scheich Dschoneid in Syrien
Das trapezuntische Unternehmen
III. Uzun Ḥasan und Scheich Dschoneid
Die Anfänge der Weißen Horde
Uzun Ḥasans erste Erfolge
Uzun Ḥasan Herr der Weißen Horde
Dschoneid in Āmid
Kalo Ioannes und Uzun Ḥasan
Fäden abendländischer Politik
Dschoneids Tod
IV. Der machtpolitische Aufstieg der Weißen Horde unter Uzun Ḥasan
Die Unterwerfung der kurdischen Machthaber
Uzun Ḥasans Züge gegen Georgien
Uzun Ḥasans Beziehungen zum Mamlūkenreich
Die Auseinandersetzung mit der Schwarzen Horde
Uzun Ḥasans Sieg über Dschehānschäh
Abü Sa‘ı̄ds Zug gegen Uzun Ḥasan
Uzun Ḥasan auf dem Gipfel seiner Macht
Abendländisch-persisches Zwischenspiel
Die Iranisierung des Reiches der Weißen Horde
Uzun Ḥasans Tod und Nachfolge
Uzun Ḥasans Persönlichkeit
V. Der ṣafavı̄dische Priesterstaat unter Scheich Ḥaidar
Ḥaidars Einzug in Ardabı̄l
Ḥaidars Ehe mit Fürstin Marta
Die Rüstungen Ḥaidars
Ausgestaltung des Ordensverbandes
Die Gliederung der Qyzylbaschen
Ḥaidars erste Unternehmungen
Ḥaidars Aufstand
König Ja‘qūbs Eingreifen
Ḥaidars Tod
VI. Die letzten Jahre des Ardabı̄ler Priesterstaates
König Ja‘qūbs Tod
Überblick über Ja‘qūbs Herrschaft
Thronwirren nach Ja‘qūbs Tod
Scheich Solṭān ‘Alı̄ verläßt Iṣṭachr
Solṭān ‘Alı̄s Tod
Isma‘ı̄l verbirgt sich in Ardabı̄l
Isma‘ı̄ls Flucht nach Gı̄lān
Isma‘ı̄ls Aufenthalt in Lāhidschān
VII. Kultur- und Verfassungsgeschichte der Weißen Horde
Staatsverwaltung
Finanzwesen
Heerwesen
Die Bauten der Turkmenenzeit
Das geistige Leben am Hof der Weißen Horde
Das religiöse Leben am Hofe Uzun Ḥasans
VIII. Rückblick
Anhang
Stammbaum der Weißen Horde
Stammbaum der Schwarzen Horde
Zeittafel-Übersicht
Quellenverzeichnis
Die morgenländischen Quellen
Die abendländischen Quellen
Blattweiser
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Irans Aufstieg zum Nationalstaat im fünfzehnten Jahrhundert [Reprint 2013 ed.]
 9783111465074, 9783111098166

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IRANS ZUM

AUFSTIEG

NATIONALSTAAT

IM F Ü N F Z E H N T E N

JAHRHUNDERT

VON

WALTHER

HINZ

MIT 8 TAFELN UND 4 KARTEN

B E R L I N UND

LEIPZIG

W A L T E R D E G R U Y T E R & C 0. 19 3 6

Printed in Germany Archiv-Nr. 4125 36 Druck von C. G. Rüder, A.-G. in Leipzig

MEINER

FRAU

INHALTSVERZEICHNIS

Seit«

Einfühlung I. Abriß dei safavidischen Ordensgeschichte Die Ordensmeister Die Anhängeischaft Die Gliederung des Ordens Das Ordensheiligtmn II. Die Anfänge des safavidischen P r i e s t e r s t a a t e s . . . . Sdieich Dschoneid Ordensmeister Scheich Dschoneid in Anatolien Scheich Dschoneid in Qaramän Scheich Dschoneid in Syrien Das trapezustische Unternehmen

7 12 12 14 16 19 22 23 25 26 27 28

III. Uznn H a s a n und Scheich Dschoneid Die Anfänge der Weißen Horde Uzun Hasans erste Erfolge Uzun Hasan Herr der Weißen Horde Dschoneid in Ämid Kalo loannes und Uzun Hasan Fäden abendländischer Politik Dschoneids Tod

33 33 34 35 37 39 41 48

IV. Der machtpolitische Aufstieg der Weißen Horde unter Uzun Hasan Die Unterwerfung der kurdischen Machthaber Uznn Hasans Züge gegen Georgien Uzun Hasans Beziehungen zum Mamlükenreich Die Auseinandersetzung mit der Schwarzen Horde Uzun Hasans Sieg über Dschehänschäh Abü Sa'ids Zug gegen Uzun Hasan Uzun Hasan auf dem Gipfel seiner Macht Abendländisch-persisches Zwischenspiel Die Iranisierung des Reiches der Weißen Horde Uzun Hasans Tod und Nachfolge Uzun Hasans Persönlichkeit

SO 51 52 53 54 55 58 61 62 67 68 69

6

Inhaltsveizeichnis ~~~~ y. Dei safavidische P r i e s t e i s t a a t unter Scheich Haidai HaidaxB Einzug in Aidabü Haidarg Ehe mit Ffirstin Marta Die Rüstungen Haidars Ausgestaltung des Ordensveibandes Die Gliederung der Qyzylbaschen Haidars erste Unternehmungen Haidars Aufstand König Ja'qObs Eingreifen 5aidars Tod VI. D i e l e t z t e n J a h r e d e s A r d a b i l e r P r i e s t e r s t a a t e s König Ja'qObs Tod Überblick aber Ja'qObs Herrschaft Thronwirren nach Ja'qObs Tod Scheich Soltan 'Ali verläßt Istachr Soltto 'Alis' Tod Isma'il verbirgt sich in Ardabil Isma'fls Flucht nach Gflan Isma'ils Aufenthalt in LahidschBn

s ^ 72 72 73 75 76 77 80 83 85 88

. .

90 90 92 93 94 95 96 98 99

VII. K u l t u r - u n d V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e d e r W e i ß e n H o r d e Staatsverwaltung Finanzwesen Heerwesen Die Bauten der Turkmenenzeit Das geistige Leben am Hof der Weißen Horde Das religiöse Leben am Hofe Uzun Hasans

101 101 103 107 108 113 119

VIIL R ü c k b l i c k Anhang Stammbaum der Weißen Horde Stammbaum der Schwarzen Horde Zeittafel-Übersicht Quellenverzeichnis Die morgenländischen Quellen Die abendländischen Quellen Blattweiser

123 125 143 144 145 150 150 155 161

EINFÜHRUNG

Dieses Buch wendet sich nicht allein, ja nicht einmal vornehmlich, an den kleinen Kreis von Wissenschaftlern, von Orientforschem im engeren Sinne. Es ist vielmehr in seinem Hauptteil verfaßt mit dem Blick auf alle diejenigen, die an dem Schicksal des Nahen Ostens inneren Anteil nehmen, sei es betrachtend oder handelnd. Auch das Iran von heute, die Schöpfung Reiä Schah Pahlavis, geht in seinen wesentlichen Bestandteilen zurück auf das Nationabreich der ^afaviden (1500—1722), wie auch die Laufbahn des genialen politischen Führers des heutigen Iran Züge aufweist, wie wir sie in der Geschichte des Reichsgründers Schah Isma'Ü (1500—^24) oder in der seines Enkels, des Schah 'Abbas des Großen (1587—1629), in ähnlicher Form wiederfinden. Das Erbe, das Isma'd I. bei seiner Staatsgründung vorfand — zugleich die Grundlagen des Aufstiegs Irans zum Nationalstaat nach neun Jahrhunderten der Fremdhei^schaft seitens der Araber, Seldschuken, Mongolen, Tataren und Turkmenen —, das ist der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Sie behandelt einen Geschichtsablauf, der sich über die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts erstreckt und in dem man eine Art morgenländisches Gegenstück zur gleichzeitigen Renaissance des Abendlandes erblicken kann, an Vielfalt und Buntheit der äußeren Erscheinungen dieser vergleichbar, bisher aber praktisch imerforscht. Den Anstoß zu dieser Arbeit empfing ich im Sommer des Jahres 1931 beim Lesen des vierten Bandes der LiteTorgeschickte Irans^ von E . G . BROWNE. Dieser Band beginnt mit den Worten: ^ Der Band trägt den Titel: A History of Persian Literature in Modern Times, Cambridge 1924.

8

Einffibrimg

Der Aufstieg des safavidischen Herrscherhauses in Persien zu Begirin des 16. nachchristlichen Jahrhunderts war ein Ereignis von größter geschichtlicher Bedeutung nicht nur för Iran selbst und dessen unmittelbare Nachbarn, sondern fiir Europa schlechthin. Aber schon kurz darauf stellt BROWIVE fest, daß es noch immer an einer brauchbaren Geschichte der §afaviden fehle, weil die Fülle und Mannigfaltigkeit des Stoffes, die Unzugänglichkeit vieler ivichtiger Quellen und die Yielsprachigkeit der zu berücksichtigenden Unterlagen einer gründlichen Bearbeitung des Gegenstandes emstliche Schwierigkeiten in den Weg lege. Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, diese Lücke unsres geschichtlichen Weltbildes zu schließen. Eine frühere Abhandlung über die verworrenen Geschicke Isma'ils II. des Grausamen (1576—77) ist bereits erschienen^. Beide Untersuchungen sind als Vorarbeiten anzusehen, die den Weg für eine in Aussicht genommene GesamtdarsteUimg des iranischen Nationalreiches des $afavlden frei machen sollen. I n der Entwicklungsgeschichte dieses merkwürdigen Staatswesens lassen sich drei Abschnitte unterscheiden: 1301—1447: G e s c h i c h t e d e s ^ f i f i - O r d e n s {Beschränkung auf die Verbreitung der safavidischen Glaubenslehre). 1447—1494: G e s c h i c h t e d e s „ P r i e s t e r s t a a t e s " z u A r d a b i l {Aufnahme engerer Beziehungen zu den weltlichen Gewalten). 1500—1722: G e s c h i c h t e d e s N a t i o n a l s t a a t e s d e r $ a f a VI d e n{Schaffung undAusbau eines großen iranischen Reiches auf der Grundlage eines neuen Glaubens). Während der erste dieser drei Abschnitte von E.G.BROWNE verhältnismäßig ausführlich dargestellt worden ist^ liegt über dem zweiten noch immer ein fast nirgends aufgehelltes DunkeL Gerade dieser Abschnitt, der — wie schon erwähnt — die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts umspannt, wurde daher der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt. Denn ohne Kenntnis der ^ In den Mitteilungen des Seminars fiir Orientalische Sprachen an der Universität Berlin, xxxvi. Bd., 1933, II. Abt., S. 19—100. 2 o. a. 0. S. 32f.

Eiinfüluraiig

9

verschlungenen Pfade der ^afavlden Scheich D s c h o n e i d (1447 bis 60), Scheich J J a i d a r (1460—88) und S o l t ä n 'Ali (1488—94) m u ß ein wirkliches Verständnis der Entstehung des Nationalstaates Iran und im besonderen der Leistung des Reichsgründers Schah Isma'il (geb. 1487, gest. 1524) unmöglich erscheinen. Besonders aufschlußreich ist das Verhältnis der beiden vorerwähnten Scheiche (Dschoneid imd ü^aidar) z u U z u n ^ a s a n , dem Führer des Turkmenenstammes der Weißen Horde imd späteren König von Westiran und Mesopotamien, auf dessen eigenartige Stellung innerhalb der islamischen Kulturgeschichte erstmalig F . BABINIJER hingewiesen hat^. Selbst in Fachkreisen war die Gestalt Uzun Qasans bis in die Gegenwart hinein kaum dem Namen nach bekannt. Nur J . VON HAMMER-PURGSTALL und E . G. BROWNE hatten Uzun l^asan im Rahmen ihrer Hauptwerke berücksichtigt, aber doch nur in Umrissen^. Erst in letzter Zeit h a t sich der verdienstvolle russische Orientforscher V. MINORSKIJ (London) eingehender mit dieser geschichtlich bedeutsamen Persönlichkeit befaßt und zwei ausgezeichnet gründliche Aufsätze über Uzun ^ a 8 a n veröffentlicht^. MINORSKIJ ist es mit diesen Arbeiten gelungen, die Geschicke Irans unter der Turkmenenherrschaft des 15. Jahrhunderts in allen wichtigeren Zügen des äußeren Geschehens aufzudecken u n d damit den Boden f ü r eine kulturgeschichtliche Behandlung jener Zeit zu bereiten. Die vorliegende Untersuchung strebt infolgedessen weniger nach Vollständigkeit der Darstellung politischer Ereignisse als vielmehr nach Erfassung des kulturu n d geistesgeschichtlich Wesentlichen. ^ Der Istäm in Kleinasien, in: Zeitschr. der Deutschen Morgenland. Gesellschaft, Bd. Ixxvi , S. 136. ' Jener im zweiten Band seiner Geschichte des Osmanischen Reiches (Pest 1828, S. 54—57, 87—90, 105 — 123); dieser in: A History of Persian Lüerature under Tartar Dominion (A. D. 1265-1502), Cambridge 1920, S. 4 0 4 - 1 4 . 8 Enzyklopädie des Islam unter „Uzun Hasan", S. 1123—27, und La Perse au XF« siicle entre la Turquie et Venise, Paris 1933.

10

Einfahrung

Der Ausrichtung dieses Buches entsprechend wurden alle, den Orientalisten allein angehenden Einzelheiten (vorwiegend als Ergänzung zu den Forschungen MiNORSKI JS gedacht) in den Anhang verwiesen; ebenso ist im Hauptteil bei der Umschrift morgenländischer Eigen-und Ortsnamen usw. auf den deutschen Leser Rücksicht genommen^. Es wurde auch davon abgesehen, die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung von denen anderer Veröffentlichungen abzuheben, da der Wissenschaftler die Vergleichung selbst durchzuführen imstande ist, der Nichtfachmarm aber durch eine Aufzählung überholter Meinungen nichts gewinnt. Was die Q u e l l e n betrifft, die herangezogen wurden (vgl. das Verzeichnis am Schluß des Buches), so hat schon MiNORSKIJ (S. 18) festgestellt, daß angesichts des Fehlens grundlegender Überlieferungsberichte für jene Zeit der Stoff einer Vielzahl von gedruckten und handschriftlichen Werken entnommen werden muß (in persischer, türkischer, georgischer, syrischer, griechischer, arabischer, itaUenischer und lateinischer Sprache), die das uns angehende Gebiet nur gelegentlich berühren. Von einer Quellenkritik im landläufigen Sinne kann daher an dieser Stelle nicht die Rede sein. Erstmalig verwertet wurde der ix. Band des Ahsan ot- TavärXch betitelten Ceschichtswerkes ! ^ a s a n R ü m l u s , der hierzu offenbar heute verschollene Chroniken benutzte, sowie die Urschrift der Dschaväher ol-Achbär genannten allgemeinen Ge1 Punkte bzw. Striche über oder unter Mitlauten (z. B. f, t, g) bezeichnen zwar verschiedene Zeichen des arabischen Abc, sind aber für die Aussprache ohne Belang. Bei ihr ist nur folgendes zu beachten: q ist ein dumpfes kehllautiges k; s wird stets stimmlos (wie ß) gesprochen, z dagegen weich wie in z£ro. i (selten vorkommend) entspricht dem französischen j in Journal; v neigt zum deutschen w, entspricht genau dem englischen v. 6 ist ein kurzes helles e, y ein dumpfes i (türkisch heute i geschrieben, russisch bi). Striche über Selbstlauten (z. B. ä, fi) bedeuten Langen; wo sie fehlen, muß auf Kürze geachtet werden! Die Umschrift des Anhanges und des Quellenverzeichnisses entspricht im wesentlichen den Richtlinien, die gemäß dem Vorschlag der deutschen Abordnung auf dem xix. Internationalen Orientalistenkongreß zu Rom am 28. September 1935 angenommen wurden.

Einfähnmg

H

schichte des Staatsschreibers {MonscM) B u d a q aus Qazvin (beide Handschriften 1828 von den Russen aus der Ärdabiler Moscheebücherei nach Petersburg überführt). Weniger ergiebig war die von mir in den Sammlungen der Preiiß. Staatsbibliothek Berlin aufgefundene Chronik des Richters (Qäii) Al^mad aus Qom, über die ich in der Zeitschr. der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (1935) berichtet habe. Als ganz besonders wertvoU erwies sich hingegen die bisher nur von M I N O R S K I J herangezogene Hofchronik König Ja'qübs (1478 b i s 9 0 ) , d i e F a 4 l o ' l l ä h e b n R ü z b e h ä n a u s I?fahän verfaßt hat. (Vgl. die Nummern 1, 2,19 und 5 des Quellenverzeichnisses.) Bezüglich der a b e n d l ä n d i s c h e n Quellen erscheint nur bei dem Bericht A N G I O L E L L O S eine kritische Feststellung angezeigt. Seine Aufzeichnungen enden mit der Schilderung der Rückkehr Mehmeds des Eroberers nach Stambul unmittelbar nach der Schlacht von Terdschän (1473), in der Ausgabe bei L E Z Z E (WO der Bericht tatsächlich damit aufhört) auf S. 61, bei RAMUSIO ü auf S. 6 9 b , bei HAKLUYT B d . 49 auf S. 93.

Kapitel ix in den beiden letztgenannten Ausgaben ist später von fremder Hand hinzugefügt nach dem Bericht Barbaros, der auch als Quelle erwähnt wird (Ramusio 70 a, Hakluyt S.94). Auch Kapitel x — Uzun Kasans letzter Feldzug nach Georgien — stimmt mit Auszügen aus dem entsprechenden Abschnitt bei B A R B A R O (Aldine S. 52aflF.) vielfach wörtlich überein. Von Kapitel xi ab — Tod König Ja'qübs, Aufkommen Schah Isma'ils — fußt der fälschlich Angiolello zugeschriebene Bericht offenbar wesentlich auf dem des ungenannten „venezianischen Kaufmannes", mit Zusätzen aus anderen, gegenwärtig noch nicht erkeimbaren Quellen. Von Kapitel ix ab ist somit nur von einem P S E U D O - A N G I O L E L L O ZU sprechen. Für die mit zahlreichen Verbesserungsvorschlägen verbundene Durchsicht der Druckbogen bin ich Herrn Prof. H. H. S c h a e d e r (Berlin) zu herzlichem Dank verbunden. Meine Frau besorgte die Anfertigung eines Blattweisers.

ABRISS DER SAFAVIDISCHEN ORDEN S GE SCHICHTE

Der iranisclie Nationalstaat der §afaviden verdankt seine Entstellung einem auf religiöser Grundlage beruhenden Männerbund. Heiligmäßige Scheiche hatten sich in jahrhundertelanger Geschlechterfolge eine blind ergebene Anhängerschaft gesammelt, eine Derwischbewegung geschaffen, die schließlich von Isma^Ü dem Reichsgründer (1500—1524) mit genialer Tatkraft ins Politische gelenkt wurde. Die Wurzeln dieser Entwicklung führen freilich bis ins 13. Jahrhundert und noch weiter zurück. Die

Ordensmeister

Die $afaviden leiten ihre Benennung von dem Ahn hres Hauses her, von § a f i o d - D l n (dem „Glavbensreinen"), der zwei Jahre nach dem Tod des großen Staufers, Friedrichs II., nämlich 1252, in der Gegend von Ardabil (nahe der Südwestküste des Kaspischen Meeres) geboren wurde. Dieser $üfiScheich führte seine Abstammung auf den siebenten Imäm tmd durch diesen auf *All, den Vetter und Schwiegersohn des Propheten, zurück (1). Der Anspruch der $afavlden auf ihre heilige Abkimft, der infolge mancher imklarer Stellen im Stammbaum auch von E. G. BROWNE nur bedingt anerkannt wurde, findet eine gewisse Stütze in einem Quellenhinweis, wonach ein Vertreter dieses Geschlechts namens Firflz-schäh mit der Goldkappe im Jahre 1174 aus Südarabien nach Azarbäidschän eingewandert sei (2).

Die Ordensmeigter

13

Die Frage der Echtheit der ^alldischen Ahstammung der $afavlden ist freilich nur in dem Sinne bedeutsam, als der Glaube an sie dem Herrscherhaus entscheidenden Rückhalt verlieh im Kampf gegen die andersgläubigen {sunnitischen) Feinde Irans im Westen (Osmanen) wie im Osten (özbegen). Das heutige Iran ist mm allerdings geneigt, nicht nur die heilige Abstammung der Begründer des persischen Nationalstaates abzustreiten, sondern darüber hinaus zu bezweifeln, daß die ^afaviden selbst von der Rechtmäßigkeit dieser Abkunft überzeugt gewesen seien — was ohne Frage zu weit gegangen ist. Die Einzelheiten der an äußeren Ereignissen verhältnismäßig armen Leben^eschichte des Stammvaters §afi zu schildern, ist hier nicht der Ort. Entscheidend für die spätere Entwicklung wurde sein Lehrmeister Scheich Zähed GÜäni, den $afl nach jahrelangem vergeblichen Suchen im Winter des Jahres 1276 (oder 77) in dessen Klause aufsuchte, die in der südlichen Küstenlandschaft des Kaspischen Meeres, in Gilän, dicht am Ufer verborgen lag. §afl war damals fünfundzwanzig, Scheich Zshed sechzig Jahre alt. Nach dem Tode seines Lehrmeisters, dessen Tochter Bibi Fafemä ihm vermählt worden war^, trat $afl an seine Stelle. Daß er mit der Zeit eine berühmte und hochgeachtete Persönlichkeit geworden ist, geht aus Briefen des großen Staatsmannes und Geschichtsschreibers der mongolischen Il-Chäne in Persien, des Großvezirs Raschid od-Dln, zur Genüge hervor. In einem solchen Schreiben macht er dem Scheich das Anerbieten, seinem Kloster alljährlich am Geburtstag des Propheten Wein, öl, Vieh, Zucker, Honig xmd sonstige Erträgnisse zu stiften. In einem anderen ermahnt Raschid od-Din seinen Sohn Mir Ahmad, damals Statthalter von Ardabil, dem Scheich mit größter Achtung zu begegnen und stets um dessen Wohlergehen bemüht zu sein®. Will man die Echtheit dieser Briefe in Zweifel ziehen, so kann eine andere persische Quelle herangezogen werden. Danach lud 1 SN 36. • E. G. B r o w n e , o. o. 0. Bd. iv, S. 19, 33.

14

I- Abriß der $afa^ädischen OTdensgeschichte

der über Iran herrschende Mongolenchän öldscheitü nach der Fertigstellung seiner Hauptstadt Solfänijjä (um das Jahr 1320) die bedeutendsten Gelehrten und Gottesmänner des Reiches zu einem Gelage. Als der II-Chan das Fehlen §afls bemerkte, ließ er durch Sonderboten ausdrucklich nach dem Scheich schicken, der sich seines Alters wegen entschuldigte^. Auch §afis Sohn $adr od-Dln (1334—92), der Enkel Chodschä 'All (1392—1429) sowie der Urenkel Scheich Ibrählm (1429—47) „saßen auf dem Teppiche beschaulichen Daseins, ohne die breitere Öffentlichkeit mit ihren Wünschen und Ansprüchen zu behelligen", und der Ruf ihres gottgeweihten Lebens drang selbst bis nach Brusa an den Hof des Großherm, von wo Jahr für Jahr reiche Gaben und wohlgefüUte Beutel („Lampengeld", türkisch tschirä^ aqtschesi) nach ArdabÜ abgingen». Die Anhängerschaft Unter diesen Umständen kann es nicht verw\mdem, daß die Quellen von einem gewaltigen Strom von Wallfahrern zu berichten wissen, die zur Klause der Ardabüer Scheiche kamen, um deren Lehre zu lauschen, von der wir freilich kaum etwas wissen. Schon unter Scheich §afi belief sich die Zahl allein der Pilger, die über Tabriz und Marägä, d. h. aus Anatolien imd dem *Lräq, nach Ardabll kamen, in drei Monaten auf dreizehntausend^. Eine persische Chronik erwähnt ergänzend, daß in späterer Zeit ^afavidische Anhänger in so weit östlich entlegenen Gegenden wie Balch und Bochärä zu finden waren*. Über die Gefolgschaft §adr od-Dins ist Näheres nicht bekannt, aber von §afis Enkel Chodschä 'All wird überliefert, daß er in Anatolien, besonders in den südlichen Landschaften Tekke imd Hamid bzw. QaTomän (vgl. Karte 1), zahlreiche Jünger besaß. Dies hatte sich so zugetragen: 1 T'AA 134b. * F. B a b i n g e r , o. o. 0. S. 137 und Bedr ed-Din Sp. 647; 'Aäyqp. S. 264. » SN 38. * TE bei E. G. B r o w n e , iv, 51.

81; L e u n c l a v i u e

Die Anhängenchaft

15

Als Timur Läng (Tamerlan), der tatarische Welteroberer, im Jahre 1402 aus seinem siegreichen kleinasiatischen Feldzug gegen den Großherm Bajezid den „"Wetterstrahl" zurückkehrte, suchte er Scheich Chödschä 'All in dessen Ardahiler Einsiedelei auf. So außerordentlich muß der Eindruck des heiligen Mannes auf Timur gewesen sein, daß er Ardahll samt den dazugehörigen Dörfern und Ländereien den $afaviden als Stiftung übertragen ließ und ihr Kloster zu einer Freistätte selbst für die schlimmsten Verbrecher erklärte; jahrhundertelang behielt so dieser Ort die Eigenschaft eines hast. Die Schenkungsurkunden wurden fast genau zweihundert Jahre später von Truppen des Schah 'Abbäs des Großen in Westturkestän aufgefunden^. In der seltenen Chronik über Schah Isma'Ü den Reichsgründer heißt es in diesem Zusammenhang weiter«: Timur drang sehr in Chödschä 'Ali, welchen Dienst er ihm außerdem noch erweisen könne? Der Scheich erwiderte, er brauche nichts; wessen er bedürfe, werde ihm von der Bevölkerung gegeben. Der Herrscher möge aber die aus Anatolien mitgeschleppten Kriegsgefangenen freilassen. (Ihre Zahl wird mit dreißigtausend angegeben, was gewiß übertrieben ist; doch werden es trotzdem nicht wenige gewesen sein.) Sofort gab Timur Befehl, sämtliche Gefangenen dem Scheich auszuliefern, der ihnen die Freiheit wiedergab; in ihrer Dankbarkeit wurden sie alle seine Anhänger und Jünger. Viele kehrten in ihre Heimat zurück; für die übrigen aber bestimmte Chödschä 'All in ArdabÜ einen beson1 SN 48, EM 12. Eskandar Monschi, der Hofscbreiber des Schah 'Abbas, bemerkt zu dieser und der im folgenden erwähnten Begebenheit — der Freilassung der anatolischen Gefangenen —: er habe diese Umstände in seine Schrift aufgenommen, obwohl sie in den Urkunden des Herrscherhauses nicht verzeichnet waren, denn so sei die allgemeine Überlieferung gewesen. ,, Aach sind in mit alten Zeichen geschriebenen, mit dem Tam^a der Mongolen und dem Siegelzeichen des Emir Timur versehenen Schriftrollen, die auf dem Feldzug nach Balch bei der Eroberung der Festung Andechad in die Hände der Sieger fielen (1602) und dem Schah zur Ansicht vorgelegt wurden, die Zusammenkünfte des Chödschä 'All mit Timur, die Wunder jenes Mannes und einige andere dieser Vorgänge verzeichnet." (Wortlaut deutsch bei F. v. Erdmann in ZDMG, Bd. xv, S. 489.) » TE 12b.

16

I- Abriß der ^afavidischen Ordensgeschichte

deren Stadtteil, wo sie ihre Behausungen errichten konnten, und noch im 17. Jahrhundert trugen die Nachkommen dieser anatolischen Freigelassenen die Bezeichnimg Süfijän-e Rümlu, die Süfl aus Rüm, d. h. aus Kleinasien^. Von der blinden Ergebenheit, mit der die ^afavidischen §üfl ihren Ordensmeistem anhingen, gewinnt man eine anschauliche Vorstellung aus den Schilderungen späterer Zeit, als die Jüngerschaft sich bereits zur Kampfgemeinschaft entwickelt hatte. So berichtet beispielsweise ein venedischer Kaufinann aus dem Anfang des 16. Jahrhimderts, daß sich viele ßüfl weigerten, eine Rüstung zu tragen, wenn sie unter den ^afavidischen Feldzeichen fochten; sie pflegten häufig mit entblößter Brust in den Kampf zu ziehen, u m f ü r ihren Abgott zu streiten^. Andere Reisende berichten, sie kämpften stets „wie Löwen*', und so erscheint es begreiflich, daß ihre Tapferkeit, die treuester Hingabe an die Sache ihrer Ordensmeister entsprang, im Morgenwie im Abendland bald sprichwörtlich wurde. Entsprechend der Herkunft der meisten Anhänger der §afaviden war auch deren Kriegsruf Szarbaidschänisch-türkisch; er lautete bezeichnenderweise: qurbän oldygym (oder: sadaqa oldygym) plTüm,

mürschidim^!

Zu deutsch: 0 mein geistiger Führer und Meister^ dessen Opfer ich bin! (oder: dessen Scherflein ich bin!) Die Gliederung

des

Ordens

Über die Gliederung des $afavidischen Ordens als der noch unpolitischen Glaubensgemeinschaft sind die Angaben sehr spärlich. 1 SN 48, Ross 36. « Venez. Kaufmann (bei H a k l u y t ) , S. 206; F. B a b i n g e t ,

Marino

Sanutos Tagebücher, S. 41. » TE, Hs. Add 200 der Cambridger Univ.-Bibliothek, Bl. 41a; vgl. Browne, a.a.O. iv, 15.

Die Gliederung des Ordens

17

An der Spitze des Ordens stand als Großmeister (Pir oder Morsched) zu allen Zeiten ein $afavide, und zwar stets ein Sohn des vorhergehenden Oberhauptes^. Diese Art der Nachfolge wurde auch dann beibehalten, wenn der Erbe noch ein Knabe war. Für die straffe Gliederung des Ordens spricht der Umstand, daß die Frage der Erbfolge nie Ursache eines Streites oder gar einer Spaltung wurde. Nur einmal unternahm, wie wir noch sehen werden, ein älteres Mitglied des ^afavidischen Hauses (Dscha'far) stillschweigend und hartnäckig, aber letzten Endes doch erfolglos den Versuch, die Führung der Derwischgemeinschaft unter Ausschaltung des eigentlichen Nachfolgers an sich zu reißen. Die Einsetzung des Nachfolgers wurde offenbar jeweils vom Ordensoberhaupt noch zu dessen Lebzeiten selbst vollzogen, wodurch nach Ansicht der $afi gleichzeitig die geheimsinnige Gabe der „Gottesnähe" {veläjät) vom Vater auf den erwählten Sohn überging, der jedoch keineswegs auch der älteste zu sein brauchte. So war zum Beispiel Scheich Ibrählm der dritte, Scheich Dschoneid gar der sechste Sohn. Der Nachfolger trat aber nicht nur in den Besitz des geistlichen, sondern auch des gesamten weltlichen Erbes, das aiißer dem Heiligtum, auf das noch zurückzukommen sein wird, die pfründenmäßigen Einkünfte aus Ortschaften und Ländereien um und in ArdabÜ (Kalchorän,

Tädschl-Böjük,

Talchäb,

IbTShim-äbäd

u . a.) u m -

faßte«. Zwischen Ordensmeister und Jüngerschaft gab es anscheinend, wenigstens zu gewissen Zeiten, Mittelspersonen, besonders für die Anhänger in fernen Gegenden, die zugleich die Werbung für die ^afavidische Lehre dort übernahmen und als Challfen (Stellvertreter) bezeichnet werden®. Später erhielten diese Mittelsmänner oder Führer örtlicher Gruppen ein Oberhaupt; der „Groß-Chalife" {challfat ol-cholafä), erstmalig 1508 ^ Schah Isma'il I. freilich folgte nicht unmittelbar seinem Vater Haidar, sondern seinem alteren Bruder SolfSn 'All nach. « SN 113. » HR ix, 98a. Sanuto iv, SOO, T'AA Bl. 139b. Hinz, Iniu Aufstieg 2

18

I. Abriß der «afavidischen Ordensgeschichte

von Schall Isma'il dem Reichsgründer ernannt, genoß großes Ansehen als Anführer der anatolischen Hervorragende Jünger wurden in Ardabll wohl auch mit Verwaltungsaufgaben betraut; so hatte beispielsweise imter Scheich $afi ein Sajjed namens Dschamäl od-Dln aus I^fahän die Speisung der Armen unter sich, wozu an einem Tag allein tausend Schafe benötigt wurden^. Solche Armenspeisungen bildeten übrigens einen wesentlichen Bestandteil der Aufgaben des Ardabüer Heiligtums auch dann noch, als die §afavlden zur Herrschaft gelangt waren. Wir kennen beispielsweise den Küchenbedarf aus der Zeit Schah 'Abbäs des Großen (beginnendes 17. Jahrhundert) sehr genau und wollen diese aufschlußreichen Zahlen — auf ein Jahr bezogen — hier einschalten^: Reis Fleisch Brühe Mehl öl Sirup Honig

142500 57000 11400 10260 29255 15076 570

kg „ „ „ ,, ,, „

Erbsen Salz Zwiebeln Fett Wachs Zucker

4172 kg 8550 „ 4172 „ 285 „ 855 ,, 142,,

Bei den Jüngern ist zu unterscheiden zwischen den Anhängern draußen im Land (den Laienmitgliedem) imd den eigentlichen Ordensjüngem in ArdabÜ. „Ihre (der $afavlden) Wohnung war in einer sehr großen und schönen Tekke", so heißt es in den Tagebüchern Marino Sanutos*, ,4n der Nähe von Tabriz (gemeint ist das Heiligtum in Ardabil); in dieser Tekke lebten mit ihnen stets ungefähr dreihimdert Leute, alles Mönchen zu vergleichen. Und stets haben sie ein sehr strenges und frommes Leben geführt, so daß sie nicht nur in Persien, sondern auch in der ganzen Türkei imd in ganz Syrien und der Barbarei in großer Verehrung gehalten wurden." 1 EM 18, 26; Hinz, Schah Esma'Ü IL, S. 59f. « SN 38. » SN III. * Zusammenfassung eines Briefes aus Ragusa vom 6. Nov. 1502, S a n u t o iv, 500.

e f g h i k 1 m

= kleiner Vorhof = = großer Vorhof = Brunnen - Moschee (links die altere) ; - Grabturm Scheich S a f i s = Grabturm Schah Isma'ils I. = Porzellanhaus = Friedhof

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(Der schraffierte Kreis in der Nähe von i und k bezeichnet den Grabturm B j b i Fätemäs, der Gemahlin des Scheich S a f i )

Grundriß des safavidischen Ordensheiligtums zu Ardabil

Das Oidenshefligtnm

19

Das strenge Leben der Ordensmitglieder bestätigen auch die morgenländischen Quellen^. Der Tag wurde mit Schweigen begonnen, das von der Dämmerung bis in den hellen Morgen währte; dann folgte eine einstündige verzückte Andachtsübung, die abends wiederholt wurde; nachmittags wurde aus dem Qor'än vorgelesen; die Nahrung war karg, vorwiegend aus Weizengrütze bestehend, imd es wurde viel gefastet; die letzten zehn Tage des Monats Ramaiän und die ersten zehn des Monats ZuH-Hedäschä wurden in Zurückgezogenheit verbracht; zu Beginn des Winters erfolgte das bekannte vierzigtägige Sichabschließen von jeder Gemeinschaft® mit Fasten und harten Übungen bis zur Erreichimg des Zustandes völliger Entrückung. Das

Ordensheiligtum

F. S A R R E hat in seinem Werk über Ardabil die Baugeschichte der Grabmoschee des Scheichs §afl ausführhch untersucht, so daß wir tms hier im wesentlichen auf ergänzende Bemerkungen beschränken können (vgl. den nebenstehenden Grundriß, aufgenommen von B. SCHULZ, veröffentlicht bei S A R R E , S . 6). Von der linken Schmalseite des großen Vorhofs führt eine Nische zu der eigentlichen Moschee der Gesamtanlage, einem Gebetsraum von eigenartiger achteckiger Gestalt, der von einer jetzt verschwundenen Kuppel überdeckt war. Hier stand neben der rechts vom Eingang befindlichen Kanzel eine angeblich von des Propheten Tochter FSfima gefertigte Fahne, die Scheich $adr od-Dm (um 1380) aus Medina mitgebracht hatte^. Diese Moschee ist wohl das älteste Gebäude und stammt nach SARRE^ noch aus dem 13. Jahrhundert. Die nächstälteste Anlage dürfte der viereckige, von einer Kuppel gekrönte Bau sein (auf dem Grundriß schraffiert), nach der örtlichen Überlieferung „das Mausoleum einer Frau"'. Wir » SN

' » * »

36-38.

Tschellä, von persisch tschehel = vierzig. SN 45. Ardabil 16. Ebenda S. 13. 2*

20

I- Abriß der «afavidigchen OrdenggCBchicbte

haben es hier ohne Frage mit der Gruft B i b i F a t e m ä s , der Gemahlin des Scheich §aft und Tochter seines frommen Lehrers Scheich Zähed aus GäSn zu tun, die 1324 (also zehn Jahre vor ihrem Gatten) in ArdabÜ starb. Scheich §afi selbst hatte verfügt, daß über ihrem Grab eine Kuppel errichtet werden solle^. An diesen ursprünglich freistehenden Bau schließt sich der Grabturm des Scheich Safi selbst an (i). Zu der Angabe OLEARIUS'2 über die Erbauung des Grabmals durch Safis Sohn Scheich $adr od-Din tritt als Ergänzung eine persische Quellennachricht^, wonach dieser Bau nach Anweisungen $adr od-IHns in zehn Jahren fertiggestellt worden sei; er habe auch die Einrichtung und Ausstattung mit Schreinhütem, Dienern, Kerzen, Fackeln sowie die Anordnimg der Einsiedelei, des Waschraumes imd der sonstigen Räumlichkeiten bestimmt. Die Bauzeit selbst wird man in das letzte Viertel des 14. Jahrhunderts verlegen müssen, da Sadr od-Dln Werkmeister aus Medlna mitgebracht haben soll, die Wallfahrt des Scheichs aber in die Spätzeit seines langen Lebens (1305—1392) fällt. Eine Erweiterung der Bauanlage soll erst von Scheich Dschoneid um die Mitte des 15. Jahrhunderts vorgenommen worden sein; doch berichtet darüber nur OLEARIUS nach örtlichen Überlieferungen des 17. Jahrhunderts*, und diese erfahren durch die reichbewegte Lebensgeschichte dieses Scheidis nicht gerade eine Bestätigung. Ich möchte eher annehmen, daß diese Bauerweitemng auf Scheich I^laidar zurückgeht, der um vieles länger in ArdabÜ lebte als Dschoneid, und zwar auf Grund eines Quellenvermerks, wonach Qaidar am Ufer des ArdabÜ berührenden Flüßchens einen Garten angelegt und in dessen Mitte ein festes Schloß erbaut habe". ^ SN 36; die Kuppel nannte man: gotpbad-ii haram.

« S.338. » SN 39. * „Schick Tzinid aber hat den Hoff enceüert / die Vorhöff« vnd noch »Üiehe Häuser daran gesetzt ( O l e a i i u s 339). » T'AA 147 b,

Dag Oidensheiligtnm

21

Über die Entstehungszeit des sogenannten „Porzellanhauses" fehlen verläßliche Unterlagen; für eine frühe Ansetzung (vielleicht noch 14. Jahrhundert) spricht nach SARRE^ sowohl das altertümliche Äußere wie auch die ungleichmäßige Anordnung im Rahmen der Cesamtanlage. Bezüglich der Ausgestaltung des Heiligtums unter den ^afavldischen Herrschern im 16. und 17. Jahrhundert verweisen wir auf das bereits mehrfach angezogene Werk SARRES sowie auf eine für später geplante Sonderuntersuchung zur Malerei und Baukunst Irans. 1 o. o. 0. 17.

II

DIE ANFÄNGE: DES SAFAVIDISCHEN PRIESTERSTAATES

Der Übergang von der ^flfl-Ordensgemeinschaft der ^afavidischen Scheiche zu einem Priesterstaat vollzieht sich mit dem Auftreten des Scheichs D s c h o n e i d , eines höchst seltsamen Mannes, der — ausgehend von seiner Stellung als uneingeschränktes Oberhaupt einer glaubenswütigen Derwischgemeinde — den Anspruch auch auf weltliche Herrschaft erhebt, wobei die Frage nach der erdräumlichen Lage dieser Herrschaft als nebensächlich betrachtet wird. Die Beziehungen der ArdabÜer Scheiche zu den weltlichen Gewalten ihrer Zeit setzen natürlich nicht erst jetzt, unter Scheich Dschoneid (1447—60), ein; aber diese Beziehungen beruhten vorher stets auf reinlicher Scheidung zwischen geistlichen und weltlichen Ansprüchen. Hierher gehören vor allem die Fürsorge des Mongolenvezirs Raschid od-Dln für Scheich $afi sowie die Gunsterweisungen Timurs für Scheich Chödschä 'All. Auch Timurs Sohn und Nachfolger Sch&h-Roch versäumte nicht, als er gegen Qara Jüsuf, den Führer der Schwarzen Horde, im Felde lag, bei seinem Zug nach dem Winterlager Qarabäg Anfang März 1412 in ArdabÜ Scheich Chödschä 'All aufzusuchen und mit ihm geistliche Gespräche zu führen^. Aber auch gewaltsamere Beziehungen zwischen Herrscher und Scheich finden wir in der Geschichte des ^afavldischen Ordens. Zur Zeit des Verfalls der Tschingiziden-Herrschaft in Iran hatte Malek Aschraf (aus dem Mongolenstamm der Tschobän) in AzarbSidschSn die Gewalt an sich gerissen; er 1 HR ix, 24b.

Scheich Dschoneid Ordensmeister

23

lockte Scheich $adr od-Din, dessen Anhang ihm bedenklich erscheinen mochte, nach seiner Hauptstadt Tahriz und hielt ihn dort drei Monate gefangen. Durch einen Traum geschreckt, gab er den Scheich frei, bereute es aber dann und sandte ihm Truppen nach; doch ohne Erfolg, da §adr od-Din nach GllSn ausgewichen war. Im Jahre 1357 machte jedoch der Herr der Goldenen Horde von Qiptschäq, Dschäni Beg Chän, durch einen siegreichen Feldzug dem Treiben Malek Aschrafs ein Ende und trat in freimdschaftUche Beziehungen zu Ardabd, indem er dem Scheich bei Udschän einen ehrenvollen Empfang bereitete^. Scheich

Dschoneid

Ordensmeister

Ein ähnlicher Vorgang, nämlich das feindselige Verhalten eines weltlichen Herrschers, bestimmte entscheidend die Laufbahn des Scheich Dschoneid, der 1477 die Nachfolge seines Vaters Scheich Ibrählm {Scheich-Schäh zubenannt) in ArdabÜ angetreten hatte — sehr zum Mißvergnügen seines gelehrten und erfahrenen, aber ehrgeizigen Oheims Scheich D s c h a f a r , des ältesten Sohnes Chödschä 'Alls, der offenbar schon unter der Ordensmeisterschaft seines Bruders Scheich IbrShim eine gewisse Rolle gespielt hat'. Wir wissen nicht, wie alt Scheich Dschoneid 1447 war, doch wird er als sechster Sohn seines Vaters, über den wir fast keine Nachricht haben, damals noch verhältnismäßig jung gewesen sein; auch scheint Scheich Dschafar ihm gegenüber die Stelle eines Vormunds eingenommen zu haben^. Er war offenbar ein recht unruhiger Kopf, der nicht nur die Geheimlehre seines Ordens, die erst unter seinem Großvater Giödschä *All eindeutig schiitisches Gepräge angenommen hatte, eigenwillig ausbaute, sondern sich auch durch den bewußt geförderten Zustrom von Anhängern und Jüngern zu hochfliegenden Machtplänen verleiten Ueß. ^ SN 41—43; Mouradgea d'Ohsson iv, 740/1; Hammer, Goldene Horde 311. » SN 50, 94-96. ä a l - C a f f ä r i 47b.

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II- Die Anfänge des «afavidischen Priesteistaates

Die große Zahl der sicli um Scheicli Dschoneid scharenden $üfl und Ordensmitglieder weckte in D s c h e h ä n s c h a h , dem Führer der Schwarzen Horde (Qara-Qojunlu) (3) und damaligen Herrn Äzarbäidschäns, lebhaftes Mißtrauen und Unbehagen; denn ArdabÜ bot, da die Anhänger des Scheichs sich samt ihren Familien und ihrer ganzen Habe bei ihm eingefunden hatten, den Anblick eines Heerlagers von beträchtlichem Umfang, wenn auch spärlicher Bewaffnung. Es erschien Dschehänschah allerdings mißlich, mit Truppenmacht gegen einen heiligen Mann der Schl'a aufzutreten, um so mehr als er selbst Schiit schärfster Prägung war. Aus dieser Überlegung heraus beschränkte er sich darauf, einen Brief an Scheich Dscha'far zu schreiben, er solle seinen Neffen unverzüglich des Landes verweisen. Der Turkmenenherrscher war nämlich über die Spannung zwischen Scheich Dschoneid und Scheich Dschafar genau unterrichtet, denn er hatte eine seiner Töchter dem Zweitältesten Sohne Dscha'fars, Sajjed Qäsem Chan, zur Frau gegeben. Scheich Dschafar entsprach um so lieber der Aufforderung des fürstlichen Schwiegervaters seines Sohnes, als er auf diese Weise die Verwaltung des Heiligtums und Klosters ganz in seine Hand bekam. Da weder er es an Drohungen mit einem bewaffneten Einmarsch der Schwarzen Horde noch Dschehänschah an Boten mit Ausweisungsbefehlen mangeln ließ, brach Scheich Dschoneid notgedrungen aus ArdabÜ auf, um, nur von seinen treuesten Jüngern begleitet, in die Fremde zu ziehen. Dies mag im Jahre 1448 gewesen sein^. Welche politischen Verhältnisse herrschten nun damals im vorderen Orient? Karte 1 läßt die ganze Zersplitterung der Machtverteilung zu jener Zeit erkennen: sie mußte einem Manne wie Scheich Dschoneid als der gegebene Boden zur Durchführung seiner auf weltliche Herrschaft gerichteten Pläne erscheinen. Schon nach zwanzig Jahren dagegen waren an die Stelle des Staatenwirrwarrs drei große Reiche getreten, nämlich das Osmanenreich mit der Hauptstadt Stambul, das (auf 1 TE 14b; HR ix, 98a; SN 50; al- Gaffäri 47b; Mün. üi, 180; EM 13; B u d a q MonSi 281b; R ä z i 574a.

Scheich Dtehoneid in Anatolien

25

aBiatiBcIiem Boden) nahezu ganz Anatolien umfaßte; das Mamlükenreich (Syrien-Ägypten) mit der Hauptstadt Cairo, das weitere fünfzig Jahre später (1517) gleichfalls dem Osmanenreich verfiel, und das mesopotamisch-persische Reich Uzun Hasans, des Führers der Weißen Horde, mit der Hauptstadt fabriz. Die „merkwürdigen Gastrollen"^, die Scheich Dschoneid 1449—1456 in Anatolien und Syrien gab, waren somit in höchstem Maße zeitbedingt imd einmalig, sind darum aber kulturgeschichtlich nicht weniger reizvoll. Scheich

Dschoneid

in

Anatolien

Welchen Weg Scheich Dschoneid nach seiner Ausweisimg einschlug, läßt sich nicht sicher angeben; die nächste Spur, die wir von ihm haben, weist nach dem osmanischen Kleinasien, und da er schwerlich die Straße über Tabriz, die Hauptstadt seines Feindes Dschehänschäh, benutzt haben wird, ist anzunehmen, daß er über den Qarabäg und Armenien, den Yän-See im Süden liegen lassend, nach Anatolien vorgedrungen ist. Daß er gerade das Gebiet des Großherm aufsuchte, wird seinen Grund in den freigebigen Spenden des türkischen Herrscherhauses haben, von denen schon oben die Rede war. Kaum betrat nämlich Dschoneid osmanischen Boden, als er auch schon Müräd II. durch einen Jünger Geschenke in Gestalt eines Gebetsteppichs, eines Qor'äns und eines Rosenkranzes überbringen ließ mit der Bitte, ihm Qurt-beli als Wohnsitz zuzuweisen, damit er dort frommem Wandel nachgehen könne. Der die Geschenke überbringende Jünger wurde beim Großvezir Chalil Pascha vorstellig, der den Großheirn von diesem Anliegen in Kenntnis setzte. Müräd II. nahm die Geschenke zwar an, beriet sich aber mit Challl Pascha, ob man demWunsche des Scheichs entsprechen solle. Bei diesem Gespräch äußerte der Großherr ungehalten: „Der Alte des Klosters ist doch schon gestorben®!" Der Vezir erinnerte seinerseits an das bekannte 1 F. Babinger, in: Der Islam xii, 232.

® Valläh, uhkenia qodschasy ölmüaeh-dürl (Leunclavius Sp. 648.)

26

II- Die Anfänge des ^afavidischen PrieBtentaates

persische Sprichwort, daß zwar sieben Derwische auf einem Teppiche Platz hätten, nicht aber zwei Herrscher im Bereich eines ganzen Weltteils. Daraufhin übergab Müräd II. dem Jünger zweihundert Dukaten für Scheich Dschoneid, \md indem er auch den mitgekommenen Derwischen tausend Aqtsche (etwa 200 Mark heutigen Geldes)^ ausbezahlen ließ, sandte er sie mit abschlägigem Bescheid zu ihrem Herrn ztmick^. Scheich

Dschoneid

in

Qaramän

Angesichts dieses Mißerfolges verließ Dschoneid das Osmanenreich und wandte sich nach Südwesten, nach Qaramän, das zu den wenigen kleinasiatischen Staaten gehörte, die damals (1449) den Osmanen noch nicht völlig unterworfen waren. Das dortige Herrscherhaus der Qaramän-O^lu wie auch die Bevölkerung scheinen seit langem eine gewisse Neigung für die schiitische Lehre gehabt zu haben, ebenso (wie schon erwähnt) die Bewohner der im Westen an Qaramän grenzenden Landschaften Tekke und Qamid®. Diese Erscheinung mag auch das Auftreten Dschoneids in der qaramänischen Hauptstadt Qonia erklären, wo er während seines dortigen Aufenthaltes die von Scheich §adr ed-Din Qonevl im 13. Jahrhundert gegründete Klause zum Wohnsitz wählte. Leider fehlen für die zeitliche Festlegung der Wanderungen Dschoneids bis zum Jahre 1456 jegliche Unterlagen; vermutungsweise wird man das Erscheinen des Scheichs in Qaramän etwa in das Jahr 1450 verlegen können. Es scheint, daß er nicht lange in Qonia blieb; denn bei den religiösen Streitgesprächen, vor allem mit dem rechtgläubigen (sunnitischen) Vorsteher der ihn beherbergenden Klause, Scheich 'Abd alLatlf, stellte sich gar bald die Eigenart seiner Glaubensansichten heraus. Offenbar gingen diese schon damals über die gewöhnliche schütische Lehre hinaus, und so wird berichtet, daß Scheich 'Abd al-Laflf seinen Gast wegen seiner sonder1 Gibb i, 262. » «Ääyqp. 264. ° Babinger, Bedr ed-Din 14, 85; Marino Sanutos Tagebücher S. 41, 43.

Scheich Dschoneid in Syrien

27

baren Auffassungen mit schweren Vorwürfen bedachte und ihn einen Ketzer nannte: „Mit dieser Lehre bist du ein Ungläubiger geworden; jeder, der sich dir mit diesem Glauben anschließt, wird auch ein Ungläubiger^!" Am Tag nach dieser Auseinandersetzimg verließ Scheich Dschoneid beim Morgengrauen Qonia und begab sich eilends in die cüicischen Berge, um unter den dort hausenden VarsaqTurkmenen Anhänger zu werben; noch nach mehr als einem Jahrhundert zählten Mitglieder dieses Stammes zu den Trägem der ^afavidischen Herrschaft^. So leichten Kaufes wollte ihn aber Scheich 'Abd al-Lafif nicht entkommen lassen, weshalb er unverzüglich den Landesfürsten Ibrählm Beg Qaramän-Oglu von den Umtrieben des Scheich Dschoneid in Kenntnis setzte, der keinen ^üfischen Wandel führe, sondern das Religionsgesetz mißachte und nach weltlicher Gewalt verlange. Auf diese Warnung hin ließ Ibrähim Beg sofort Befehl an den Führer der Varsaq ergehen, er solle Scheich Dschoneid gefangennehmen. Scheich

Dschoneid

in

Syrien

Auch dieser Gefahr entrann jedoch unser abenteuernder $afavlde, indem er sich samt dem neugeworbenen Anhang auf Syrisches Gebiet rettete, das zum Mamlükenreich des Sulfäns Dschaqmaq gehörte. Dort zog er sich nach dem Dschebel Arsüs zurück, einem Gebirgsstock am Golf von Alexandretta, wo er von dem dortigen Machthaber Ihn Biläl ein verfallenes „Ungläubigenschloß", eine Kreuzfahrerburg, pachtete und diese so weit instand setzte, daß sie als Kloster dienen konnte. Vermutlich handelt es sich bei dieser Burg um das 1129 geschleifte Sarepta, heute as-Saret^. Von dieser Stätte aus entfaltete nun Scheich Dschoneid längere Zeit eine ebenso wirksame wie weitgreifende Werbetätigkeit für seine Lehre. Zahlreiche Süfl aus Syrien wie aus Rüm 1 'Ääyqp. 265; übersetzt bei Babinger, Bedr ed-Din 81. ' So befanden sich beispielsweise 1576 Varsaq-Turkmenen unter der großkgl. berittenen Leibwache (HR x, 466). > Nach Babinger, Bedr ed-Din 82.

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II- Die Anfänge des «afavidigchen Priestentaates

und Mesopotamien scharten sich um ihn^, darunter auch frühere Anhänger des wegen seiner Ketzerei berüchtigten Scheichs Bedr ed-Dln, der 1416 von Rumelien aus einen gewaltigen, vom Großherm Mehmed I. nur nach größten Anstrengungen in Blut erstickten Derwischaufstand entfacht hattet. Die Umtriebe dieser täglich zunehmenden Anhängerschaft beunruhigten die in Aleppo ansässige Jüngerschaft MevlänS Ahmed Bekris imd andrer strenggläubiger Scheiche so sehr, daß sie an den Sulfän nach Cairo schrieben, in seinen Landen treibe ein Betrüger und Aufrührer sein Unwesen. Daraufhin wies Sulfän Dschaqmaq den Statthalter von Aleppo an, Scheich Dschoneid mit den dortigen Truppen gefangenzunehmen. Da der Statthalter gerade krank war, gab er diesen Auftrag an seinen Stellvertreter weiter, der mm nach dem Dschebel Arsüs zog. Bei dem sich entspinnenden Handgemenge wurden siebzig Leute des Scheichs erschlagen; er selbst ergriff die Flucht, indem er nach Norden auswich. Da ihm unterwegs auch turkmenische und kurdische Nomadenstämme Widerstand entgegensetzten, zerstreuten sich seine Jünger wieder, und so gelangte er schheßUch fast ohne Anhängerschaft nach der osmanischen Nordostmark Dschäniq am Schwarzen Meer®. Die geschilderten Ereignisse müssen, soweit sie die Ausweisung aus Syrien betreflfen, noch vor 1453 eingetreten sein, weil Sulfän Dschaqmaq erst in eben diesem Jahre starb. Das trapezuntische Unternehmen In Dschäniq verweilte Scheich Dschoneid längere Zeit, indem er eifrig neue Anhänger um sich zu sammeln suchte. Die Hauptstadt dieses Gebietes, Samsün, die schon seit 1422 den Osmanen gehörte, nahm ihn anscheinend gastlich auf, da sich der dortige Statthalter Mehmed Beg den hochfliegenden Plänen des Scheichs 1 'ÄÄyqp. 266; a l - C a f f ä r i 47b. » Babinger 55-64. » 'Ääyqp. 266.

Das trapezuntiache Untemehmen

29

niclit mdersetzte. Dieser hegte nämlich die kühne Absicht, das griechische Kaisertum von Trapezunt zu erobern und sich auf dessen Trümmern ein eigenes Reich zu bauen. Warum sollte er, nachdem ihm in den islamischen Gebieten des Osmanenreichs, Qaramäns und Syriens kein Erfolg beschieden -war, nicht einmal einen „Heiligen Krieg" gegen die Ungläubigen unternehmen ? Da sich sein Machtstreben in diesem Falle nicht gegen bestehende moslemische Staatswesen richtete, kümmerten sich deren Lenker zunächst wenig um seine Umtriebe, und auf diese Weise gelang es ihm in Dschäniq, eine nach mehreren Tausenden zählende bewaffnete Anhängerschaft um seine Fahne zu sammeln. Der Plan, das gewaltig befestigte Trapezunt mit Waffengewalt zu erobern, hätte aberwitzig erscheinen müssen, wäre nicht die Feigheit der Bewohner dieses merkwürdigen Staates und der innere Zerfall des ihn beherrschenden Comnenen-Geschlechts bekannt gewesen. Die Leichtigkeit, mit der Kalo loannes (1447—1458) den väterlichen Thron umgestürzt hatte, enthüllte den benachbarten Fürsten mehr als jeder andere Umstand die Schwäche des trapezuntischen Reiches^. Diese Lage suchte sich Scheich Dschoneid zunutze zu machen, und so unternahm er im Jahre 1456 einen Einfall in das bergumschlossene trapezuntische Gebiet. Über diesen — kulturgeschichtlich ungemein merkwürdigen— Zug Dschoneids berichtet ausführlicher nur der byzantinische Geschichtsschreiber Chalcocondyles', dessen Schilderung FALLMERAYER übernahm, freilich ohne in dem Ardabikr Zyches seiner Quelle den Scheich (nämlich Dschoneid) zu erkennen®. Auf die Nachricht von dem plündernden Einfall der Horden des Scheichs zog auch Kalo loannes seine Land- und Seestreitkräfte zusammen und rückte bis zum Kloster von St. Phokaa, ' J a c . P h . F a l l m e r a y e r , Geschichte des Kaiserthums S. 251/2. » S. 4 6 4 - 6 6 . * a . a . O . , S. 2S2/3; auch W . M i l l e r , Trebitond, 83/4.

von Trapexunt,

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II- Die Anfänge des ^favldischen Piiestemaates

Kordyle genannt, vor^. Gleichzeitig segelte die Flotte am Ufer neben dem Landheere her, u m einen gemeinsamen Angriff auf die Feinde zu unternehmen, die bei MeKares Stellung genommen und den E n g p a ß Capanion vor ihrem Lager stark besetzt h a t t e n . Von allen trapezuntischen Fürsten half dem Kaiser in dieser Not nur der Pansebastos Alexander, der F ü r s t von Mesochaldion. Dieser befehligte das vereinigte Heer zu Lande, da sich Kalo loannes die Leitimg der Triremen vorbehalten hatte. Während n u n Alexander den E n g p a ß angriff u n d die Schiffsmannschaft zu gleicher Zeit landen wollte, erhob sich ein Sturm, der die Fahrzeuge vom Ufer trieb. Diesen Umstand benutzte Scheich Dschoneid zu einem raschen Ausfall, indem er den Pansebastos samt dessen Sohne erschlug und das Heer des Comnenen in die Flucht trieb. Alles stürzte in wilder Unordnung in die H a u p t stadt zurück, wohin sich auch Kalo loannes mit den Schiffen gerettet hatte. Außer dem Anführer waren von den Trapezunt i e m nach Chalcocondyles^ zwar nur weitere dreißig Mann gefallen, sehr viele aber in Gefangenschaft geraten, von denen Dschoneid eine große Anzahl töten ließ. D a n n besetzte er das St. Phokas-Kloster u n d rückte bis unter die Mauern der H a u p t stadt vor. Um die Besatzimg einzuschüchtern, ließ Dschoneid den gleichfalls gefangenen Oberst-Stallmeister und kaiserlichen Wagenlenker Maurokostas vor den Wällen Trapezunts hinrichten. Ein neues Unglück k a m über die Bevölkerung der Stadt. I n der Nacht, als der Scheich noch in St. Phokas war, schaffte eine Armenierin in der Befürchtung, der Scheich könne die Außenburg einnehmen, ihre meiste Habe der Sicherheit halber in die Hochburg. I n dem leerstehenden Hause geriet durch Zufall Wollgespinst in Brand, und gegen Mittemacht dehnte sich das Feuer auch auf die Nachbarschaft aus. Die Bewohner flohen, Verrat der eigenen Bürgerschaft witternd, schreckerfüllt teils zu Land, teils zu Schiff nach Georgien, so daß n u r der Groß-Comnene m i t wenigen Wächtern zurückblieb. Die 1 Heute Altza-Qal'e. " S. 465.

Das trapezuntische Untemehmen

31

ganze Nacht streifte Kalo loannes mit seiner spärlichen, kaum fünfzig Mann umfassenden Besatzung durch die Verteidigungsanlagen der Festung. Am Morgen erschien Scheich Dschoneid vor den Toren, um sich in Eile der Stadt zu bemächtigen. Allein die Festigkeit der Mauern war so groß, daß aUe Angriffe, die er drei Tage lang unimterbrochen unternahm, durch die geringe Besatzung abgeschlagen -wurden. Hierauf wandte er sich gegen die Festung Mesochaldion, nach deren gleichfalls vergeblicher Bestürmung Dschoneid das trapezuntische Gebiet wieder verließ. Der Grund für diesen Rückzug ist darin zu suchen, daß zur selben Zeit auch der osmanische Bannerherr Chyzr Beg, der zu Amäsia im Namen des Prinzen Bäjezid die Grenzmark verwaltete, vom Großherm Meljimed II. den Befehl erhalten hatte, das trapezimtische Gebiet heimzusuchen. Er rückte mit starker Heeresmacht über Dschanlq nach Osten vor, und so blieb Dschoneid nichts anderes übrig, als enttäuscht seine Irrfahrten wieder aufzunehmen. Der Pascha erntete insofern die Früchte der Kämpfe des Scheichs, als Kalo loannes ohne Hilfsmittel, ohne Truppen, ohne Lebensmittel unfähig war, eine Belagerung seiner durch Seuchen und Flucht verödeten Hauptstadt auszuhalten. Es kam zu Verhandlungen mit dem Ergebnis, daß der Groß-Comnene sich verpflichtete, alljährlich dreitausend Goldstücke als Zins an den Großherm zu entrichten, dem vor drei Jahren (1453) die Einnahme von Byzanz gelungen war und der seine Hand nun auch nach dem letzten noch selbständigen Griechenstaat ausstreckte^. Zu jener Zeit (1456) machte im nördlichen Mesopotamien ein Turkmenenfürst namens !Hasan Beg viel von sich reden. Dieser Mann, der seiner ungewöhnlichen Körpergröße wegen den Beinamen Uzun (Uzun I^asan, der „lange 5asan") erhalten hatte, entstammte der führenden Sippe des Turkmenenstammes der Weißen Horde (Aq-Qojunlu) und herrschte seit 1453 in Dijärbekr, von wo aus er sein Gebiet durch kühne Einfälle 1 F a l l m e r a y e r 255; C h a l c o c o n d y l e s 466/7; Hammer, GOÄii, 57; 'Aäyqp. 266.

32

II- Die Anfänge des «afavidischen Prie«t«T8taates

ständig weiter ausdehnte. Zu diesem Fürsten beschloß Scheich Dschoneid zu gehen, denn Qasan Beg schien ihm gleichzeitig ein möglicher Bundesgenosse gegen ihren gemeinsamen Feind Dschehänschäh, den Führer der Schwarzen Horde, zu sein. Auch hieß es, Uzun Qasan sei ein Freund von Derwischen und Gottesmännem, so daß Dschoneid hoffen konnte, bei ihm gastliche Aufnahme zu finden. Ehe wir jedoch die Beziehungen zwischen Scheich Dschoneid und Uzun ^ a s a n näher betrachten, müssen wir, etwas weiter ausholend, erst die Geschichte der Weißen Horde und der Anfänge Uzun Qasans in großen Zügen kennenlernen.

B l i c k in d e n g r o ß e n V o r h o f des A r d a b l l e r H e i l i g t u m s (links die alte Moschee des Scheich S a f i , rechts die aus dem 16. J a h r h u n d e r t s t a m m e n d e A u ß e n w a n d der zweiten Moschee) Aus F. S a r r e , Ardabil,

Tafel v

III

UZUN HASAN UND SCHEICH DSCHONEID

Die Anfänge

der Weißen

Horde

Die beiden schon mehrfach erwähnten Turkmenenstämme der Weißen und Schwarzen Horde^, deren gegenseitiges Verhältnis der Venezianer BAKBARO nicht übel mit denBeziehnngen zwischen Weifen und Waiblingen! verglich®, waren gegen Ende des 13. Jahrhunderts aus Turkestän nach Azarbäidschän eingewandert; während die Schwarze Horde sich in der Gegend von Erzindschän imd Siväs niederließ, besetzte die Weiße Horde das Gebiet von DijSrbekr'. Wir kennen die Namen einer Anzahl von Führern der Weißen Horde (4), aber erst mit Uznn Qasans Großvater ' O s m ä n Beg mit dem bezeichnenden Beinamen Qara Ilük („Schwarzer Blutegel'*) beginnt die Reihe der geschichtlichen Persönlichkeiten dieses Stammes. 'Osmän Beg gelang es durch Tapferkeit und Geschick, sein Gebiet in Kämpfen gegen die Schwarze Horde und die Mamloken des Sultans von Ägypten auf Erzindschän, Märdln, Ruhä (Edessa) und Slväs auszudehnen, so daß sein Herrschaftsbereich zuletzt den auf Karte 2 angegebenen Umfang erreicht haben mochte (5). Im Kampf gegen die Schwarze Horde fiel 'Osmän Beg 1435 bei Er4erüm«. ' Von den türkischen Bezeichnungen Aq-Qojunlu bzw. Qara-Qojunlu, d. h. „WeiB-Hanunel- bzw. SchwaTz-Hammel-"Tvirkmenen, nahm man gewöhnlich an, sie rührten von den Feldzeichen dieser Stämme her; M i n o r s k i j (S. 4) hält es für einfacher, diese Benennungen mit der Rasse der Herden beider Horden in Zusammenhang zu bringen.

' Viaggio 49 a. » Ö e n ä b i 115b; Mün. iü, 149; C l a v i j o 173. * Ö e n ä b i 115b; Mün. iii, 156; M e d z o p h 143; R S z i 573b; an-

Nu^ttm vi, 741. H i o z , Itani An&tieg

3

34

III. Uznn Hasan und Scheich Dschoneid

Auf den „Schwarzen Blutegel" folgte zunächst Uzun Qasans Vater 'Ali B e g , der als „Statthalter" in Dijarbekr die Oberhoheit des ägyptischen Sulfäns anerkannte, bald aber von seinem Bruder Qamze vertrieben wurde. 'Ali Beg floh zum türkischen Großherm nach Adrianopel, indem er gleichzeitig nach Cairo um Hilfe sandte (6). Die Folge der in der Weißen Horde zutage getretenen Wirren war die Einbuße großer Gebietsteile, die die neuerstarkte Schwarze Horde unter ihrem bedeutenden Führer DschehSnschäh an sich riß, den wir schon bei der Ausweisung Dschoneids aus ArdabÜ kennengelernt haben. 'All Beg starb nach wechselvollem Schicksal im Jahre 1441 imd wenige Jahre darauf auch sein Bruder Qamze. Uzun Hasans

erste

Erfolge

Wir nähern uns der Zeit, zu der Uzun Qasan (geb. um 1423 in Ämid) zum erstenmal selbst in das Licht der Geschichte tritt. Seinem Bruder Dschehänglr war es noch zu Lebzeiten des Vaters gelungen, einen Teil des von diesem an die Schwarze Horde verlorenen Gebietes zurückzugewinnen. Seit 1444 herrschte Dschehänglr über die Weiße Horde, unablässig bemüht, sein Land zu befrieden und in Zucht zu halten. Er entzweite sich aber bald mit seinen Oheimen Qäsim Beg und Scheich Hasan, beides Söhne des „Schwarzen Blutegels*'. Während jener sich zum SulfSn nach Cairo begab, verband sich dieser mit der Schwarzen Horde. Dschehänglr sandte daher seinen Bruder (Uzun Qasan) im Jahre 1451 mit etlichen Truppen gegen Scheich Qasan. Uzun H^san blieb Sieger, der ehrgeizige Oheim fiel, ebenso dessen Sohn (7). Ein zweiter Zug Uzun Hasans, ebenfalls im Auftrage seines Bruders Dschehängirs unternommen, richtete sich gegen den unbotmäßigen Statthalter von Erzindschän; an ihn schloß sich sodann eine nicht mehr abreißende Kette von Streifzügen, die !Hasan auf eigene Faust gegen die kurdischen Machthaber im Osten unternahm, bis ihm schließlich — 1453, im Jahre der Eroberung Konstantinopels durch die Türken — ein großer Wurf gelang: die Verdrängung seines Bruders Dschehänglr aus

Uran Hasan Herr der Weißen Horde

35

der Hauptstadt Ämid (Dijfirbekr). Dies aber hatte sich so sugetragen (8): Uzun

Hasan

Herr

der Weißen

Horde

Während sich Uzun !Hasan gerade mit einem Kurdenstamm herumschlug, erfuhr er durch einen geheimen Boten, sein Bruder habe die Hauptstadt verlassen und sich nach dem Ala-Dag (bei Märdin) ins Sommerlager begeben. Unverzüglich machte sich Qasan auf, die Gelegenheit für einen kühnen Handstreich zu nutzen, indem er den Großteil seiner Turkmenen bei Kemäch zurückließ, selbst jedoch in Eihitten mit einer kleinen Schar auserlesener Truppen nach Ämid aufbrach. Als sie in der Nähe der Hauptstadt angelangt waren, verkleideten sich Uzun Ha^^ii ^ d einige Dutzend Getreue als Kohlen- und Futterhändler, während die übrigen vor der Stadt Bereitschaftsdienst versahen. Die WaflFen unter der Gewandung versteckt, brachten jene friedlich ein paar Eselslasten Waren nach Ämid hinein. Bei der Hochburg angelangt, griffen sie blitzschnell zum Schwert und erschlugen die nichtsahnende Festungswache samt ihrem Befehlshaber, dem von Dschehängir eingesetzten Statthalter. Die draußen lauernden Turkmenen drangen nun gleichfalls in die Stadt ein, und die Bevölkerung anerkannte die Herrschaft Uzun Qasans, auf dessen Namen jetzt das Kanzelgebet erscholl und Münzen geprägt wurden, da er als Herr von Dijärbekr auch Führer der Weißen Horde geworden war. Diese Tat, so schreibt FALLMERAYER^ über die Einnahme des starken Ämid durch Uzun H^san, erwarb ihm einen großen Namen, und nach Sitte des Orients, wo alles dem glücklichen Feldherm zuströmt, in kurzer Zeit ein großes Heer, welches in ihm die ausschweifendsten Hoffnungen erregte. Sein kriegerischer Mut, sein Glück und seine Freigebigkeit, zu gehöriger Zeit und am gehörigen Ort angebracht, machten ihn zum unbeschränkten Gebieter über seine Soldaten. 1 a. o. 0. 259. 8*

36

III- Uznn Hasan und Scheich Dschoneid

Die weitreichenden Folgen des Falles der Hauptstadt zeigten sich sehr bald. Der überlistete Dschehänglr besetzte, als er die Kunde von dem Überfall seines Bruders erhalten hatte, die Festung Märdüi und verband sich bald mit dem dritten Bruder Oveis in Ruhä. Uzun Qasan zwang jedoch beide zur Botmäßigkeit und dehnte in zahllosen Zügen seine Eroberungen immer weiter aus (9). In diese Zeit des beginnenden Aufstiegs Uzun ^asan8 fällt nun die Begegnung mit Scheich Dschoneid, die für die ganze weitere Entwicklung der Geschichte des vorderen Orients eine so durchgreifende Bedeutung erhalten sollte. Zum Verständnis aller mit dieser Begegnung verbundenen Umstände gehört aber auch eine genaue Vorstellung von der damaligen Ausdehnung der Macht Uzun Kasans, die zwischen 1455 und 1460 noch keineswegs den auf Karte 2 vermerkten Gebietsumfang seines Großvaters 'Osmän Beg, des „Schwarzen Blutegels", wieder erreicht hatte^, und die in der Folge noch schweren Erschütterungen ausgesetzt sein sollte. Nicht zum späteren Beherrscher eines von Anatolien bis Ostiran (Gioräs&n) sich erstreckenden Großreiches kam Scheich Dschoneid, sondern zum keineswegs unumstrittenen Führer eines Nomadenstammes, der 1457 kaum mehr als fünftausend wehrfähige Männer umfaßt haben mochte. Mit dieser Macht konnten sich die fast ebenso zahlreichen §flf! des Scheichs zwar nicht messen; sie genügten jedoch, Dschoneid ein achtunggebietendes, nicht aber bescheiden Zuflucht heischendes Auftreten Uzun Hasan gegenüber zu ermöglichen. Über die Aufnahme dieser Beziehungen zwischen den beiden Männern gehen die Quellenberichte stark auseinander. Übereinstimmung herrscht nur darüber, daß Scheich Dschoneid nach dem Wegzug von Trapezunt, also Ende des Jahres 1456, nach Hi§n-Keif in Kurdestän ging, worunter wohl nur das Gebiet von Hisn-Keif verstanden werden muß, nicht aber die am ^ Siväs war osmanisch geworden, Erierüm gehörte der Schwarzen Horde, Ruhä und Mardin waren nur zur Hälfte botmäßig, Charput gehörte dem Herrn von Ablestin, einem Lehensmann des Mamlakensulfans.

Dschoneid in Ämid

37

Tigris gelegene Handelsstadt und Festung selbst, die damals noch einem selbständigen kurdischen Ejjühengproß (aus dem Hause Saladins) unterstand. Nach der persischen Chronik Ahsano't-Tavärlch^ hatte Uzun ^asan, dem die Feindschaft zwischen Dschoneid und dem Führer der Schwarzen Horde bekannt war, an den Scheich nach ^i9n-Keif einen Brief geschrieben, worin er ihn seiner Freundschaft imd Verehrung versicherte ; über diese Botschaft habe sich Dschoneid sehr gefreut. Nach dem türkischen Geschichtsschreiber 'Äschyqpaschazäde® soll dagegen Uziin ^asan ursprünglich feindselig gegen den Scheich aufgetreten sein und ihn sogar gefangengenommen haben. Erst als Dschoneid ihm klarmachte, daß er doch Uzun Qasans Bundesgenosse gegen ihren gemeinsamen Gegner Dschehanschah sein könne, habe er ihm Vertrauen geschenkt. Es ist schwer zu sagen, wie der Sachverhalt tatsächlich lag; im Hinblick auf Uzun Qasans bekannte Derwischfreundlichkeit wird wohl den persischen Berichten über die Begegnung mit dem Scheich mehr Glauben zu schenken sein. Dschoneid

in

Ämid

Als Uzun l^asan erfuhr, daß Scheich Dschoneid das Gebiet von !9i9n-Keif verlassen hatte, befahl er den Ältesten seines Stammes, ihm drei Tagereisen weit zum Empfang entgegenzuziehen. Nach zwei Tagen brach er selbst an der Spitze der Emire der Weißen Horde nach Osten auf; als er dann dem Scheich begegnete, stieg er ab und umarmte ihn, indem er ihn herzlich willkommen hieß. Hierauf ritten Uzun ^asan und Scheich Dschoneid mit ihrem Gefolge gemeinsam durch eines der sechs Tore Ämids ein, dessen schwarze Mauern mit den zahllosen Türmen der AußenwäUe und dessen prächtige Marmorbauten, Schlösser, Moscheen und Kirchen einen gewaltigen Eindruck auf die $afi des Scheichs machten^. » HR ix, 98a. « S. 267. > TE 14b; EM 13; venez. Kanfin. 145/6; Qaii A^mad 16a.

38

III- Uzon Hasan nnd Scheich Dschoneid

Drei Jahre genoß Dschoneid die Gastfreundschaft Uzim ^a8an8 in DijSrbekr. Dieser hatte jedem der Emire und Vornehmen unter den ^afavidischen eine seinem Range entsprechende Stellung eingeräumt; die Beziehungen des Scheichs selbst zum Führer der Weißen Horde wurden, ungeachtet mancher Eifersüchteleien turkmenischer Großen, immer herzlicher, so daß es Dschoneid schließlich wagen konnte, um die Hand der Schwester Uzun Kasans anzuhalten. Um das Jahr 1458 (spätestens Anfang 1459) wurde C h a d l d s c h a B e g ü m feierlich dem Scheich vermählt, der damals von einer Tscherkessensklavin bereits einen Sohn namens Chödschä Mol^ammad besaßt. Inwieweit das enge Verhältnis zwischen Scheich Dschoneid und Uzun Qasan durch die Beziehungen zwischen Ordensoberhaupt imd Jünger erklärt werden kann, wird später im Zusammenhang mit dem religiösen Leben am Hofe Kasans zu untersuchen sein. Auf jeden Fall verfolgte Dschoneid, von äußeren Gefahren durch die Gastlichkeit der Weißen Horde beschirmt, aufmerksam die geschichtlichen Ereignisse der Zeit, die in immer größerem Umfang in Ämid einen Brennpunkt fanden. Diese Stadt mit ihrer zahlreichen, aus Moslemen (vorwiegend Sunniten), Christen (Griechen, Armeniern) und Juden zusammengesetzten Bevölkerung bot ungewöhnlich günstige Bedingungen für die Ausbreitung seiner Lehre; Tausende ihm blindlings ergebener §üfl reihten sich in seine Gefolgschaft ein, und überall im Gebiet der Weißen Horde ernannte er — im Einverständnis mit Uzun ^ a s a n — Stellvertreter {Chalsfen), die ihm neue Anhänger warben'. Welche politischen Begebenheiten trugen sich nun während dieser drei Jahre (1456—59), die Dschoneid in Ämid miterlebte, im Vorderen Orient z u ? 1 B n d a q Monäl 282a; T B 15a; T A A m b ; al- 6 a f f S r i 47b; SiV67; ' A i y q p . 267. Ob die Tochter Dachoneids (Pascha Chatun) zu diesem Zeitpunkt gleichfalls schon am Leben war, ist nicht bekannt (vgl. R o s s 36). » H R ix, 98a.

Kalo loannes nnd Uzan Hasan

Kalo loannes

39

und Uzun



Hasan

Etwa ein J a h i nach Dschoneids Übersiedlung in die HauptStadt der Weißen Horde traf dort ein Abgesandter des trapezuntischen Kaisers Kalo loannes ein — freilich nicht um die Ausweisung des Scheichs zu fordern, der dem Groß-Gomnen so übel mitgespielt hatte —, sondern um den Beistand Uzun Hasans gegen die immer bedrohlicher werdende Osmanengefahr zu erbitten. Denn die dreitausend jährlich zu entrichtenden Goldstücke, um die Kalo loannes den Frieden mit Me^med II. dem „Eroberer" erkauft hatte, waren nur der Preis für die Frist, die der Großherr wegen seiner Kämpfe gegen die vereinigten Ungarn und Albaner dem groß-comnenischen Reiche bis zu dessen endgültiger Unterwerfung einräumen mußte. Kalo loannes fühlte das Lästige und Schmachvolle seiner Lage und suchte sich davon zu befireien. Da er auf seine eigenen feigen Untertanen hierbei nicht zählen konnte, mußte Hilfe also von außen kommen: aber nicht aus Anatolien, deren Fürsten den Osmanen bereits imterlegen waren oder (wie Sinöb und QaramSn) diesem Schicksal entgegensahen; auch nicht aus Persien, wo Dschehänschäh die Einnahme des entlegenen ChorSsän in Angriff genommen hatte. Unter diesen Umständen erschien vielmehr der im stillen an seiner Macht bauende Uzun HBS^I^ allein in Frage kommende Bundesgenosse des Comnenen, da das Bestreben der Osmanen, sich in Kleinasien günstige Grenzen zu schaffen, unweigerlich zu einem Zusammenstoß auch mit der Weißen Horde führen mußte, für die das trapezuntische Reich bisher eine Schutzmauer im Nordwesten bedeutete. Aus diesen Erwägimgen heraus hatte sich Kalo loannes in seiner Bedrängnis 1457 an den Hof zu Dijärbekr gewandt. Mit dieser Gesandtschaft nahm der Griechenkaiser übrigens nur eine Überlieferung wieder auf, die bereits unter seinem Vater eingeleitet worden war. Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts bestanden enge Beziehungen zwischen Trapezunt und der

40

III. Uzun Hasan und Scheich Dschoneid

Weißen Horde; so untemahmeii 1420 beide Mächte gemeinsam die Belagerung von Erzindschän, wobei der Gomnene die Schleudergeschütze, Mörser und Minen stellte^; das politische Bündnis fußte zudem auf enger verwandtschaftlicher Verbindung, da Uzixn Qasans Großvater, der „Schwarze Blutegel", eine Tochter Alexis' IV. geheiratet hatte®. Auch Alexis' Sohn Kalo Joannes besaß eine Tochter, Kyra Katerina mit Namen, von der damals im ganzen Morgenlande die Meinimg herrschte, sie übertreflFe an Schönheit alle ihres Geschlechts. Der Ruf davon war bereits an den turkmenischen Hof nach Ämid und durch ganz Persien gedrungen. Diese Prinzessin verlangte Uzun Qasan, als der Abgesandte des Groß-Comnenen in DijSrbekr die Verhandlimgen eröffnet hatte, zur Gemahlin imd die anatolische Provinz Cappadocien als Morgengabe^; dagegen versprach er nicht nur sein Heer, sondern auch seine eigene Person und seine Schätze zu verwenden, um Trapezunt gegen die Angriffe der Osmanen zu beschützen*. Mit dieser Antwort kam der Gesandte zu Kalo loannes zurück, der um einen solchen Preis \mgem Uzun Qasans Beistand zu erkaufen schien. Da er aber einsah, daß er nicht stark genug sei, Mehmed dem Eroberer allein Widerstand zu leisten, gab er schließlich dem Verlangen des Turkmenenfürsten nach, jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß Katerina die christliche Religion am moslemischen Hofe zu Ämid bekennen und ausüben dürfe, und daß ihr gestattet sei, Kaplane, Mönche 1 HR ix, 30 a. * DncaB 124/5. H a m m e r {GOR ii, 113) hält sogar Uzun Hasans Mntter Sarah Chatnn für eine Fürstin aus comnenischem Geblüt; dies trifft jedoch nicht zo, da ihr Vater n r T'AA 52a; Barbaro, Aldine 53b.

Uzun Hasans Persönlichkeit

69

vorher hätifig gesehen, „er war ständig in Ketten gewesen, weil er mit Gurlumameth {Ogurlu Mohammed, einem anderen Halbbruder) sich verschworen hatte^". Danach, wohl noch im Januar 1478, bestieg Chalil, nach Contarini damals etwa 35 jährig, auf dem Platze Sdheh-ähäd den Thron als König der Weißen Horde; neben ihm saß sein fast zwanzig Jahre jüngerer Bruder Ja'qüb, der aber kurz darauf, argwöhnisch geworden, trotz heftigsten Frostes und Schneetreibens nach seinem Statthaltersitz Ämid aufbrach, begleitet von seiner Mutter*. Chalils Herrschaft war von kurzer Dauer. Ja'qüb empörte sich, nachdem er aus den Städten Dijärbekis Zuzug erhalten hatte, gegen den Bruder, und am 15. Juli 1478 fand in der Gegend von Marand eine bewaffnete Auseinandersetzung statt, bei der Chalil sein Leben verlor. So trat der erst fünfzehnjährige Ja'qüb die Nachfolge Uzun Qasans an®. Uzun

Hasans •

Persönlichkeit

Durch die schon mehrfach genannten Botschafter Venedigs am Hofe Uzun !Hasans besitzen wir glücklicherweise Schilderungen der Person dieses Herrschers, wie wir sie in dieser Anschaulichkeit mit Bezug auf morgenländische Fürsten selten finden. Als Ciosafat Barbaro nach langem Warten im April 1474, zahlreiche Gefahren und Entbehrungen glücklich überstanden, nach Tabriz kam, wurde er tags darauf durch ein Tor, wo sich der Gastmarschall aufzuhalten pflegte, imd über eine ummauerte Rasenfläche zu der erhöhten Bogenhalle geleitet, in der der König Hof hielt. In der Mitte der Halle sorgte ein Springbrunnen für Kühlung; Uzim ^ a s a n selbst saß am Eingang, neben ihm „nach Maurenart" der Leibwächter des Schwertes, ringsum die Vornehmen seines Reiches*. 1 H a k l u y t , S. 173. » T'AA 5 4 b - 5 5 a ; H a k l u y t S. 173. 3 T'AA 75 a - 8 3 a. * B a i b a r o , Aldine 30b—31a.

70

Der machtpolitische Aufstieg der Weißen Horde unter Uzun Hasan

Zwar beschreibt Barbaro den König in seinem Wesen nicht weiter; glücklicherweise springt für ihn Contarini mit folgender Schilderung ein: „Der König trinkt stets Wein zu den Mahlzeiten; er scheint ziemlich viel vertragen zu können und machte sich ein Vergnügen daraus, ims einzuladen. Stets waren eine Anzahl Spielleute und Sänger anwesend, denen er befahl, was sie singen oder spielen sollten; er schien recht aufgeräumten Sinnes zu sein. Er war groß, schlank und hübsch, mit leicht tatarischem Einschlag in seinem Gesichtsausdruck, das Antlitz von gleichmäßiger Färbimg. Seine Hand zitterte, wenn er trank. Er machte den Eindruck eines Siebzigjährigen (tatsächlich war er damals erst etwa fünfzig Jahre alt). Er unterhielt sich sehr gerne in ansprechender Weise; doch war er zuweilen, wenn er zu weit ging, gefährlich. Alles in allem aber war er ein freundlicher Fürst!." Bezüglich der Umgebung Uzim Hasans bemerkt Zeno, die turkmenischen Großen gehorchten ihm aufs Wort, und selbst die mächtigsten unter ihnen, denen er Zutritt zu seinem Zelt gewähre, würden es nie wagen zu reden; nur der Herrscher spreche, und was er sage, werde alles ohne den geringsten Widerspruch bestätigt. Eine solche Stille herrsche im Feldlager, daß man glauben könne, sich in einem Heiligtum zu befinden®. Die morgenländischen Geschichtsschreiber nennen Uzun Qasan einen klugen, verständigen, entschlossenen, tapferen und überaus gerechten Herrscher, listenreich und wohlgesittet, einen Freimd und Förderer der Wissenschaften und der Gottesgelehrten®. Dieses Urteil wird durch den Eindruck vollauf bestätigt, den wir Heutigen bei einem Überblick über sein Leben und seine Taten gewinnen und den wir mit den Worten des venezianischen Kaufmannes zusammenfassen wollen, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts das Gebiet der einstigen Weißen 1 Contarini 73a. « Berchet 134. » ÖenBbi 116b; Mün. Iii, 165.

Uzan Hasans Persönlichkeit

71

Horde bereiste: „Der große Assambei war ein so ausgezeichneter und tüchtiger Mann, daß er in Persien damals nicht seinesgleichen hatte^." Nach diesem Überblick über die Entwicklung der Weißen Horde und ihres Führers kehren wir jetzt zum ^afavidischen Priesterstaat zurück, dessen Schicksal seit Uzun ^a8ans Siegen über die Schwarze Horde und den Timurlden Abü Sa'id auf den jungen Schultern Scheich Qaidars ruhte. 1 Hakluyt S. 178.

DER SAFIVIDISCHE PRIESTERSTAAT UNTER SCHEICH HAIDAR

Haidars

Einzug

in

Ardabll

Qaidar hatte als neunjähriger Knabe im Lager der Weißen Horde deren Auseinandersetzung mit AJbü Sa'ld miterlebt, und als nun Uzun ^a8an nach siegreich beendeter Schlacht die Muqän-Steppe zu Beginn des Jahres 1470 verlassen und sich nach ArdabÜ gewandt hatte, betrat der junge l^afavide in seiner Begleitung zum erstenmal das Ordensheiligtum seines Hauses^. Dort empfing ihn sein Croßohm Scheich Dscha'far mit scheelen Blicken aber freundlichem Gehabe, denn mit dem Herrn der Weißen Horde war nicht zu spaßen. Uzun Hasan scheint freilich dem Alten das Bündnis mit seinen Feinden — früher mit Dschehänschäh, dann mit dessen Sohn IHasan 'Ali und zuletzt mit Abn Sa'id — nicht nachgetragen zu haben; dies läßt sich daraus schließen, daß Scheich Dscha'far es mit Erfolg wagen konnte, bei ihm für den gdänischen Machthaber von Schendän Fürsprache einzulegen. Auf jeden Fall setzte Uzun Hasan jetzt Haidar feierlich als Ordensoberhaupt in Ardabil ein, da er von ihm trotz seines zarten Alters erwartete, daß er ein würdiger Nachfolger seines Vaters Dschoneid sein werde®. Erst Anfang Juni 1470 verließ Uzun Hasan Ardabll, um in seine neue Hauptstadt Tabriz überzusiedeln. Die Erziehtmg Haidars lag nun in den Händen seines strengen Großoheims, der ihn vor allem in der Kunst des Stemdeutens unterrichtet ^ Teixeira 36. " HR ix, 124b-125a; T'AA 139a.

Haidars Ehe mit Fürstin Marta

73

Ml haben scheint^. Sicher ist bei alledem, daß er dem Knaben nicht wohlgesonnen war und ihm sogar in seiner Bewegungsfreiheit empfindliche Beschränkungen auferlegte. Diese lästige Vormundschaft wird wohl erst mit dem Tode des Scheich Dscha^ar ihr Ende gefunden haben; wann dies geschah, ist allerdings unbekannt. Durch das plötzliche Scheitern der Machtpläne Dschoneids (1460) war die Ausbreitung der ^afavldischen Lehre eine Zeitlang ins Stocken geraten; mit der Rückkehr seines Sohnes — noch dazu unter dem Schutz des mächtigen Turkmenenfürsten und Königs der Perser Uzun Hasan — nahm jedoch die Bewegimg erneut einen Aufschwung, der vor allem in der großen Zahl der nach Ardabil pilgernden Anhänger sichtbar wurde. Die Heimat dieser §üfl und Ordensjünger war die gleiche wie einst: Rüm, d . h . die kleinasiatische Türkei, vor allem deren südliche Landschaften Qaramän, Tekke und Hamid; Schäm, d. h. Syrien; Gllän und Tälysch, d. h. die Gebiete am Südwestund Westrand des Kaspischen Meeres. Haidars •

Ehe mit Fürstin

Marta

Noch mehr stiegen Ansehen und Einfluß Scheich Qaidars durch ein Ereignis, das Uzim Qasan und die §afavlden enger verband als alle voraufgegangenen Geschehnisse: die Vermählung ]^aidars mit der ältesten Tochter Uzun Qasans aus dessen Verbindimg mit Despina Chatun, der trapezuntischen Kaisertochter. Dieser Ehe Uzun Kasans waren, wie schon S. 41 erwähnt, ein Sohn (Maq^üd, um 1460 geboren) und drei Töchter entsprossen, von denen die älteste von ihrer Mutter den Namen M a r t a erhalten hatte, während sie bei den Turkmenen Q a l l m a B e g i A q a hieß und 'Alamschäh Begüm zubenannt war. Diese mit Haidar nahezu gleichaltrige Prinzessin wurde ihm nun feierlich in Ardabil vermählt, wahrscheinlich erst gegen Ende der Herrschaft Uzun ]9asans, da der Scheich bei dessen Tode (1478) noch nicht achtzehn volle Lenze zählte®. 1 R o t a S,3. » SN 67; EM 14; TE 15b.

74

Der fafavidische Priesterstaat nnter Scheich Haidar

Dieser politiscb hochbedeutsamen Verbindung entstammten drei Söhne: Solfän 'Ali, Isma'il und Ibrähim, von denen der Zweitälteste, I s m a ' i l (geb. 17. Juli 1487), zum Begründer des ersten iranischen Nationalreiches nach fast neun Jahrhunderten einer nur vorübergehend unterbrochenen Fremdherrschaft aufsteigen sollte. In diesem Zusammenhang mag auch der Frage nachgegangen werden, welcher Rasse Isma'il, den man gemeinhin als Türken anzusehen pflegt, eigentlich angehörte. Verfolgt man jedoch seine Ahnen mehrere Geburtsschichten zurück, so ergibt sich, daß in Isma'lls Adern überwiegend nichttürkisches Blut rollte — nämlich durch seine Mutter Marta (Halbgriechin, dazu griechischer Einschlag väterlicherseits); durch seine Großmutter mütterlicherseits Kyra Katerina, deren Vater ein Grieche und deren Mutter eine Georgierin war; durch seinen Großvater mütterlicherseits imd seine Großmutter väterlicherseits, die Geschwister Uzun Hasan und Chadidscha, deren Mutter eine aramäische Christin und deren Groß- und Urgroßmutter trapezuntische Prinzessinnen waren (vgl. untenstehenden Stammbaum). K)emBii Beg Scheich IbiBlüm

'Ali

>'Grieehin

Alexis IV. loannea >-Georgierin

^Kyra Katerina

Über Isma'ds rassische Veranlagung geben femer Aufschluß die sehr schätzbaren Angaben unsres venezianischen Kaufmannes, der den ^afavidischen Reichsgründer mehrfach in Tabriz persönlich sah. Er beschreibt ihn als „sehr hübsch von Aussehen, nicht zu hochgebaut, wohl aber von angemessenem Wuchs; er ist beleibt und breitschultrig, im C^sicht erweist

Die Rüstungen Haidars

75

er sich als ziemlich hell; sein Bart ist rasiert, den Schnurrb a r t ausgenommen; er scheint von der Natur mit spärlichem Haarwuchs ausgestattet zu sein^". I m Pseudo-Angiolello heißt es: „Dieser Sophi (Isma'll) ist sehr hübsch, hell und sehr zierlich; sein Bart ist von rötlicher Färbung, doch trägt er nur einen Schnurrbart®." Nach diesen Schilderungen scheint ein nordischer Einschlag vorzuliegen. — Die Rüstungen

Haidars

Um aber zu Isma'ils Vater, Scheich Qaidar, zurückzukehren, so zeigte sich bei diesem immer deutlicher, daß er durchaus gewillt war, die von Scheich Dschoneid nicht verwirklichte Absicht aufzugreifen und weiterzuführen. Vor allem brannte in ihm der Wunsch, den Tod seines Vaters am Schirvänschäh zu rächen. Jahraus, jahrein richtete er sein ganzes Augenmerk auf die Bewaffnung seiner Anhänger. Zu diesem Zweck verwandelte er die Einsiedelei, ja seine eigenen Gemächer in Rüstkammern und Waffenwerkstätten; ein persischer Chronist bemerkt dazu verwundert, statt Rohrfedem habe man in Ardabil nur noch Schwerter gefunden®. Qaidar selbst muß ein tüchtiger Waffenschmied gewesen sein, denn der gleiche Gewährsmann berichtet glaubhaft^: „Ich habe gehört, daß er Tausende von Lanzenspitzen, Panzerhemden, Schwertern und Schilden verfertigte, ohne dazu die Hilfe von Handwerkern zu benötigen." Zu dieser Arbeit, die er nur unterbrach, um sich ritterlichen Übungen — Pfeilschießen, Lanzenwerfen, Bogenspaimen und Schwertfechten — oder der Unterweisimg seiner Jünger zu widmen, trug er seine gewöhnliche geistliche Kleidung: Derwischkutte und $üfi-Mütze. ^ Ramusio ii, 90a: i di bdlissimo aspetto ... ne di troppo alta, ma di ragümeuole Statura: i grosso, & largo nelle spaUe, & nel viso mostra d'essere alquanto biondo: porta la barba rasa, lasciatoui solo i mostaeehi, & mostra d'esser di natura d'hauer poca barba. * R a m u s i o ii, 73a: Questo Sophi i beüissimo, biondo, ha la barba di pelo rosso, ma porta solamete mostaeehi. » T'AA 140 b. « T'AA 141a.

etgratiosissimo...,

76

Der safavidische Priesterstaat unter Scheich Haidar

Aus allen diesenAngaben über Scheich ^aidar, zu denen wir noch erfahren, daß er von großer persönlicher Tapferkeit ^md Unerschrockenheit und gleichzeitig in den,, Kriegswissenschaften" gründlich bewandert war, gewinnen wir den Eindruck eines entschlossenen und zielbewußten Mannes, der in noch höherem Maße als sein Vater Dschoneid aus der Ordensjüngerschaft sich eine Kampfgemeinschaft, ein Machtwerkzeug zu schaffen verstand, das mit Erfolg zur Gewinnung politischen Einflusses eingesetzt werden konnte. Ausgestaltung

des

Ordensverbandes

Für die organisatorische Befähigung Scheich l^aidars spricht auch die von ihm durchgeführte Einführung einer A r t Uniform für seine Anhänger: zu ihrer b l a u e n Derwischkutte trugen die Ordensmitglieder statt der turkmenischen täqijjä von nun an den ^afavldischen tädsch, die sog. „Haidar-Kappe" (vgl. die Abbildung). Im Gegensatz zu der gebauschten Form des turkmenischen Turbans bestand der tädsch (wörtlich: „ K r o n e " ) aus einem r o t e n , zwölfzwickligen Aufsatz von fl^schenförmiger, nach oben sich verjüngender Gestalt, aus einer A r t Kegelstutz von halber Armeslänge, der auf einem w e i ß e n Unterbau aus dünnem Tuch ruhte. Die zwölf fingerdicken Zwickel (torfe) wie auch deren rote Farbe^ waren ein Ausdruck der 'alidischen Glaubensform der §afavlden, ein sinnbildlicher Bezug auf die heiligen zwölf Imäme als die allein rechtmäßigen weil blutsverwandten Nachfolger des Propheten, deren Namen auf die einzelnen Zwickel gestickt waren. Mit der roten Färbung der neuen Kopftracht hängt auch die — zuerst wohl als Spottname von den Osmanen aufgebrachte, späteraber allgemein übliche — Bezeichnung ihrer Träger zusammen: der Qyzylbaschen, d.h. „Rotköpfe oder -kappen" (türkisch qyzyl = rot, hasch = K o p f ; persisch koläh-e sorch) 1 M e n z e l S. 188. Sä T'AA 1 1 4 b ; H o u t u m - S c h i n d l e r S . 1 1 4 / 5 ; K a r a b a c e k S . 88;venez. Kaufinann bei R a m u s i o ii, 9 1 a : Vvsanze loro i di portar berretta rossa, et soprauanza quasi mezo braccio, una cosa, come sarebbe uro zon, che dallaparte, che si mette in testa, vierte a esser larga, ristringedosi tuttauia sim in cima, & i fatta CO dodicipieghe, grosse come un dito,,, (Zeitgenössischer Augenzeugenbericht.)

Persisches Seidengewebe aus dem 16. Jahrhundert mit Darstellungen der „Haidar-Kappe" (TädschJ Aus: ,Apollo'—

A Journal

of the Arts. Edited by T. L e m a n H a r e . Vol. xiü

Die Cliederang der Qyzylbaschen

77

Die Einführung der ^aidar-Kappe bewirkte eine innere Festigung der Kampfgemeinscliaft insofern, als nur die überzeugten Anhänger den Wechsel der Kopftracht mitmachten. Nach der durchaus religiös beeinflußten Weltanschauung des Orients wohnt der Derwischtracht, besonders der Mütze, mystische Kraft imd Bedeutung inne, schreibt zutreflFend MENZEL (S. 178). Man muß sich ferner vor Augen halten, daß ^aidar nach dem Tode Uzun Kasans (also seit 1478) den Schutz des mesopotamisch-persischen Herrscherhauses mehr und mehr verlor, da König Ja'qOb, der, wie erwähnt, seinen Bruder Challl bereits am 15. Juli 1478 vom Throne gestoßen hatte dem Vetter in ArdabÜ nicht sonderlich günstig gesonnen war. Während Uzun Qasan anscheinend gegen die Einführung der Qyzylbasch-Tracht — wenn sie tatsächlich noch zu seinen Lebzeiten erfolgte — keine Einwände erhoben hatte, verbot Ja'qOb seinen Untertanen das Tragen der ^aidar-Kappe'. Die Schicksale dieser Kopfbedeckung sind reich bewegt und zugleich ein Spiegelbild der ^afavldischen Geschichte. Während sie nach !^aidars Tod (1488) vorübergehend fast außer Gebrauch kam, wurde sie von Schah Isma'll nachdrücklich wieder eingeführt' Tznd erreichte bald eine solche Verbreitung, daß die Venezianer zu Beginn des 16. Jahrhunderts ganze Karawanenlasten roter Tuche über Aleppo nach Iran, an den „Sophi" ( § ü f l , gemeint ist der Schah) verkauften^. Unter Schah TahmSsp kam sie (seit etwa 1540) für die Qyzylbaschen allmählich außer Gebrauch, und schließlich (im 17. Jahrhundert) trugen sie nur noch die dem Herrscherhaus ergebenen $üfl. Die Gliederung

der

Qyzylbaschen

Die türkrassischen Qyzylbaschen gelangten in der Folgezeit, unter den Großkönigen Irans im 16. Jahrhundert, zu großem 1 T'AA 78b. » ROBB S. 5 - 7 .

' T e r c i e r (S, 765) behauptet, erst nach dem Sieg über Alvand und Muräd, also in der Zeit nach 1503 — was Bchwerlich zutreffen dürfte. * S a n u t o vi, 57.

78

Der safavidische Priesterstaat nntei Scheich Haidai

Einfluß in ihrer Eigenschaft als Träger der Wehrmacht, als Schwertadel des neuen Reiches, bis unter Schah 'Ahhäs dem Großen im 17. Jahrhundert durch Heranziehung der eigentlichen persischen Bevölkerung (der Tadschiken) bzw. georgischer Knappen {^oläm) ein gewisser Ausgleich erzielt wurde, der entscheidend zur damaligen Blütezeit Irans beitrug. Die Qyzylbaschen selbst gliederten sich, teilweise schon im 15. Jahrhundert, in eine Mehrzahl von Stämmen, deren Herkunft vielfach im Dunkeln liegt. Das $afavidische Oberhaupt, dessen engere Anhängerschaft allerdings zumeist aus freien, stammesmäßig nicht gebundenen §üfi bestand, beherrschte die Qyzylbasch-Stämme nicht nur als geistiger Führer auf der Grundlage des neuen Glaubens, der neben rein schütischen Zügen anfänglich solche stark sozialistischer Prägung aufwies, sondern auch in weltlicher Hinsicht als Leiter der Stammesverbände. So wenig ausgeprägt diese stammesmäßige Gliederung unter Scheich I^aidar in Erscheinung tritt, so wurde sie doch zu seiner Zeit durchaus schon als solche empfunden: den Besuch, den König Ja'qüb ^ a i d a r in Tabriz einmal abstattete, erklärt der damalige Reichsgeschichtsschreiber damit, daß die Ardabiler Scheiche wie Soltäne, d. h. wie weltliche Stammesfürsten, behandelt wurden^. Im einzelnen läßt sich über die Stämme der Qyzylbasch vorläufig folgendes feststellen: Eine Sonderstellung nehmen unter ihnen die Nachkommen der einst von Timur an Scheich Chödschä 'Ali abgetretenen anatolischen Kriegsgefangenen ein, die als R f l m l u in ArdabÜ einen eigenen Stadtteil bewohnten (vgl. S. 15/6). Diese Türken bildeten im 16. und noch im 17. Jahrhundert einen der mächtigsten Qyzylbasch-Stämme. Zur Zeit Haidars sind femer belegt die S c h ä m l u , die der zeitgenössische Chronist EaMo'lläh (über ihn ausführlich später) als „unreine Truppe dunkelgesichtiger (!) Plünderer" bezeichnet. Der Stammesname weist auf syrischen Urspnmg hin {Schäm — Syrien); doch scheinen sie Ende des 15. Jahrhunderts ihre Weideplätze in Äzarbäidschän, vornehmlich in der 1 T'AA 142 b.

Die Gliederung der Qyzylbaschen

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Gegend von Tärom, gehabt zu haben^. Ein gewisser Hosein Beg Lälä Schämlu gehörte zu den engsten Vertrauten Scheich Qaidars wie Schah Isma'ils^. Ganz dunkel ist die Herkunft des Stammes der U s t ä d s c h l u , deren Benennung gleichfalls um 1488 erstmalig überliefert wird. Anscheinend siedelte dieser Turkstamm in der Gegend von Erzindschän, also mehr nach Armenien hin^; vielleicht bildete er ursprünglich nur eine Unterabteilung der Schämlu*, Zur selben Zeit werden in den Quellen auch d i e Q ä d s c h ä r e n erwähnt; ein Angehöriger dieses Stammes namens Qara Piri Beg befehligte eine Abteilung unter Scheich Haidar®i. Über den Ursprung der Qädschären, auf die auch das nicht besonders rühmliche Herrscherhaus gleichen Namens zurückgeht (1786—1925), das erst vom gegenwärtigen Schah Rezä Pahlavi beseitigt worden ist, habe ich bisher noch keinen Anhaltspunkt gefunden. Etwas später, aber noch vor 1500, sind die beiden Turkstämme der Q a r a m ä n l u und der Z ü ' l - Q a d r belegt*. Während bei dem erstgenannten Stamm die Herkunft aus der südanatolischen Provinz Qaramän ohne weiteres ersichtlich ist, ergibt erst nähere Untersuchung bezüglich der Zü'l-Qadr, daß ihr Name sich ableitet von Dulgadir bzw. Torqud-eli, der Gegend von Albistän (Abulastein), einem damals zu ÄgyptoSyrien gehörenden Gebiet Kleinasiens (siehe Karte 1). Die übrigen Qyzylbasch-Stämme treten erst unter Schah Isma'il dem Reichsgründer in Erscheinimg; zu ihnen gehören die T e k k e l ü (nach der kleinasiatischen Landschaft Tekke); die A f s c h ä r e n , i n Süd-Äzarbäidschän und am Urmia-See nachweisbar'; die B a j ä t , deren Herkunft nach der Gegend von 1 ROBB S . 85.

« EM 18. ' EM 20. * Hierauf weist T'AA 154a: Hasan Aqa-yi (7stä|Iu ke äx ^omlä-yS umafä-ye Sämlu .. . » HR ix, 156b. • Ross 10, 36. ' Nikitine 68f.

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Dei^ «afavidische Priesteistaat unter Scheich Haidar

Qastamuni im nördlichen Kleinasien weist^, wo es noch heute ein Dorf Bajät gibt; die Y a r s a q aus den cilicischen Bergen u. a. m. Ein klareres Bild über diese Turkstämme und ihre Rolle im politischen Leben Irans im 16. Jahrhundert und darüber hinaus bis in die Gegenwart kann freilich erst durch gründliche volkskundliche „Gewebe-Untersuchungen" gewonnen werden. Für die unter Scheich ^ a i d a r entstandene Kampfgemeinschaft blieb allerdings der ausschlaggebende, in der Wirkung unvergleichliche Zusammenhalt stets die innere Bindung der Ordensmitglieder an den Meister (Pir). Haidars

erste

Unternehmungen

Die Rüstungen Scheich Qaidars und die Zusammenziehung seiner „uniformierten" Ordensstreiter waren im Jahre 1483 so weit vorgeschritten, daß er — der knapp Zweiundzwanzigj i h rige — eine erste gegen die christlichen Tscherkessen gerichtete Unternehmung ins Werk setzen konnte. Auch hierin folgte er dem Vorbild seines Vaters Dschoneid, und wir werden vermuten dürfen, daß es ihm vorwiegend auf einen Beutezug ankam, um noch mehr Zulauf zu erhalten und seine Anhänger für ihre Treue zu belohnen, daß er hingegen keine eigentliche Eroberung im Sinne trug. Der Weg in das im nördlichen Kaukasus gelegene Gebiet der Tscherkessen führte notgedrungen über das feste Darband, am Westufer des Kaspischen Meeres entlang, wo das Gebirge so nahe an das Ufer heranreicht, daß nur ein schmaler Paß den Durchgang ermöglicht. Darband konnte somit für eine uneinnehmbare Hafenfestung gelten, weshalb sie auch den Namen „Eisenpforte" (türkisch Demir Qapy) erhalten hatte. Zum Durchzug nach Dagestan bedurfte Qaidar der Genehmigung des Landesherrn, des Schirvänschähs; sie wurde ihm, wenn auch ungern, erteilt, weil der Scheich einen Fermän König Ja'qübs vorweisen konnte®. 1 Gordlevskij S. 7, Anm. 3. « T'AA 141b.

Haidats erste Unternehmungen

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Ein Teil der Tscherkessenstämme zog sich bei der Kunde vom Herannahen des Scheichs zurück; die übrigen bereiteten sich zur Gegenwehr, es kam zur Schlacht, die für Qaidar zu einem vollen Erfolg wurde. Dieser Sieg brachte ihn auf den Gedanken, schon jetzt zu einem Zug gegen den Schirvänschäh Farroch-Jasär aufzubrechen, um den Tod seines Vaters Dschoneid zu rächen. Die §afi wandten jedoch ein, die Qyzylbaschen hatten einige Zeit der Ruhe nötig; auch müßten sie sich für einen solchen Feldzug noch besser ausrüsten^. Scheich Qaidar leuchtete dies ein, und so zog er „wie der Abt eines Mdnchsvolkes"^ an der Spitze seiner Anhänger im Herbst 1483 wieder in ArdabÜ ein. Bei der Rückkehr von diesem ersten Zug durch schirvänisches Gebiet benutzte Scheich Qaidar die Gelegenheit, den Nachkommen des Lehrmeisters seines Urahns §afi, des Scheich Zshed GÜfinI, ihre ererbten Ländereien zu bestätigen. Er fertigte im August 1483 eigenhändig eine entsprechende Urkunde aus, deren Wortlaut uns überliefert ist'. Bezeichnenderweise heißt es darin: „Die örtlichen Machthaber (hokkäm) und die Steuereinheber ('ommSZ) des Gebietes von Muqän haben gemäß dem Vorbemerkten (bezüglich der Besitzrechte des Zahedi-Geschlechtes) zu handeln und den Nachkommen des Scheichs mit unbedingter Achtung imd Zuvorkommenheit zu begegnen." Haidars verschlungener Namenszug, seine Tugrä, befand sich am Rand der Urkunde, an der, wenn sie echt ist, besonders auffaUen muß, daß der Scheich in ihr den öffentlichen und Steuerbehörden Weisung erteilt, d. h. daß er demnach schon 1483 im südlichen Schirvän Hoheitsrechte ausgeübt oder zumindest beansprucht hat. In AxdabÜ beschenkte er die Einwohnerschaft mit dem weggeschleppten Raubgut, unter dem sich vor allem schöne Tscherkessensklaven und -Sklavinnen befanden; gleichzeitig befahl er seinen Qyzylbaschen, ihren ganzen Gewinn auf den Erwerb von Waffen und Kriegsgerät zu verwenden. Einen Teil der Beute 1 H R ix, 155 a. ä Venez. Kfm. 185. » SN 103/4. H i n z , Irans Aufstieg

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Oer safavidische Priesterstaat unter Scheich Haidar

sandte er vorsorglich an seinen königlichen Vetter Ja'qüb nach Tabrizi. Einen ähnlichen Zug mit gleichem Ausgang unternahm Scheich Qaidar auch im Frühjahr 1487^; diese Erfolge und seine große Freigebigkeit (so erhob er beispielsweise von keinem Dorf Grundsteuer) steigerten sein Ansehen so sehr, daß von allen Seiten Abenteurer und Gläubige in bunter Mischung zu seinen Fahnen strömten. Dies wiederum führte zu der bereits klassisch gewordenen Entwicklung: der Herrscher des Landes faßte Argwohn gegenüber der Machtentfaltung des Ardabller Priesterstaates. In einer Hofversammlung König Ja'qübs kamen die Beutezüge Haidars zur Sprache, imd es erging der Befehl, er solle unverzüglich nach Tabriz kommen. Angetan mit einer alten Kutte, auf dem Haupt einen schmutzigen tädsch, traf der Scheich, begleitet von nur zwei oder drei Jüngern, Anfang Mai 1487 in der Hauptstadt ein, wo er in der Klause abstieg, die der Il-Chän Schah Qosein Dschalä'ir (1357 bis 1382) gestiftet hatte. Die Emire imd Yomehmen der Weißen Horde suchten ihn dort auf, seinen Segen zu erbitten; ja der Großkönig selbst stattete ihm einen Besuch ab. Tags darauf wurde JHaidar vom Herrscher empfangen, und es kam zu einer gründlichen Aussprache. Die Meinung bei Hofe war, man müsse ihm das Kriegfiihren abgewöhnen, indem man ihn aus Ardabil verbanne und vor allem seine Beziehimgen zu den Chalifen, den Führern der ^afavidischen „Ortsgruppen" in Kleinasien, unterbinde; die Gefahr einer Empörung sei sonst zu groß. Ja'qüb widerstrebte es jedoch, gegen seinen Vetter vorzugehen; er vermahnte ihn aber zu unbedingtem Gehorsam und verlangte, daß er einen Treueid leiste. Es wurde ein Qor'än gebracht, und der geistliche Oberrichter §afi od-Dln 'Isä nahm den Schwur des Scheichs entgegen^. Daraufbin wurde Qaidar entlassen, der ohne Säumen und wahrscheinlich mit einer ge1 T'AA 142 a. 2 HR ix, 155b; T'AA 142b. » T'AA 142b-143a, 168a.

Haidais Aufstand

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wissen Erleichterung den Rückweg nach Ardabll antrat, wo wenig später (am 17. Juli 1487) sein zweiter Sohn aus der Ehe mit Prinzessin Marta zur Welt kam — Isma'il, der künftige Begründer des $afavidenreiches. Inzwischen war Ja'qfib (am 18. Mai) nach dem Sommerlager Sähänd aufgebrochen; Ende August 1487 weilte er auf dem Rückweg nach seiner Hauptstadt in UdschSn, als ihm durch den Stadthauptmann von Tabriz Kunde zuging, dort sei die Pest ausgebrochen^. Der König wich daher nach Sarah und ArdabÜ aus; leider erfahren wir von seinem Geschichtsschreiber Failo'lläh nicht, ob er dort mit 9aidar zusammenkam. Als sich die Nachricht von der Verseuchung seiner Hauptstadt bestätigte, zog König Ja^qfib südwärts nach Qom, wo er Ende September 1487 eintraf, und weiter nach I^fahän. Am 4. Dezember erfolgte die Rückkehr auf demselben Weg, und in Qom nahm die Weiße Horde Winterlager'. Haidars Aufstand Dorthin, nach der den Schiiten heiligen Stadt Qom, kam Anfang 1488 in den Harem des Königs dessen Tante, Fürstin Chadldscha Begüm aus Ardabll, um für ihren Sohn Haidas die Genehmigung zu einem abermaligen Tscherkessenzug zu erwirken. Ja'qüb ließ sich — im Vertrauen auf den Eid seines Vetters — herbei, an seinen Schwiegervater Farroch-JasSr, den Schirvänschäh, eine Weisung zu richten, er solle dem Scheich bei seinem „Glaubenskrieg" behilflich sein. Kaum war Uzun Hasans Schwester mit diesem Bescheid wieder in Ardabll eingetroffen, als Scheich Haidar auch sogleich das von seinen Ahnen ererbte ijafavidische Nachrichtennetz spielen Heß, das ungeachtet aller Verkehrs- und Geländeschwierigkeiten Hunderte von Meilen mühelos zu überbrücken imstande war. Tag um Tag stießen so seine Chatifen mit ihren Anhängergruppen zu ihm, besonders aus den Gebieten Tälysch (am Kaspisee) und Qarabäg (im Kaukasus)^. 1 T'AA 121b. ^ T'AA 122a, 130b. ' T'AA 143 b. 6*

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Der ^afavidiscbe Priesterstaat unter Scheich Haidar

Als Scheich Qaidar die Kura überschritten hatte, rückte er gen Malmnüd-abäd in die Muqän-Steppe vor, wo er vor neun Jahren (Januar 1469) Zeuge des Sieges seines Großvaters Uzun ^asan über den Timurlden Abu Sa'id gewesen war. Als die dortige Bevölkerung sich gegen die Plünderungen der Qyzylbaschen zur Wehr setzte, ließ Qaidar ein Blutbad unter ihr anrichten^. Gleichzeitig sandte er einen Boten an den Schirvänschäh, er sei im Glaubenskrieg gegen die Tscherkessen begriffen und erbitte daher die Freigabe des Weges über Darband gemäß dem Fermän des Königs Ja'qüb. Durch die Absendung eines besonderen Boten wollte sich der Scheich hauptsächlich über die Lage Schirväns im allgemeinen und über die militärische im besonderen unterrichten. Da zu jener Zeit Ruhe im Lande herrschte, waren die Truppen Farroch-Jasärs überall verstreut; beim Schirvänschäh selbst befanden sich lediglich einige Emire und Höflinge. Als Qaidars Spion in der Hauptstadt Schemächä eintraf, feierte der Fürst gerade die Hochzeit einiger seiner Söhne; er wurde gastlich empfangen, mit Ehrengewand, Roß und Rüstung beschenkt und im Geleit eines Schirväners zum Scheich zurückgeschickt. Auf diese Weise erfuhr 9aidar, daß Zeit imd Umstände für einen Einfall nach Schirvän günstig waren. Er behandelte den Abgesandten Farroch-Jasärs geringschätzig und trug ihm auf, seinem Herrn zu melden, er sei gekommen, Vergeltung für den Tod seines Vaters zu üben. Haidar nannte sogar den Tag, an dem er vor Schemächä eintreffen werde®. Da der Bote kein Reittier erhielt, traf er nur einen Tag vor dem festgesetzten Zeitpunkt in der schirvänischen Hauptstadt ein, wo seine Kunde große Bestürzung hervorrief. Allgemein dachte man an Flucht, da die einheimischen Truppen entlassen, Mut und Kriegstüchtigkeit des Scheichs aber nur zu gut bekannt waren. Es blieb Farroch-Jasär nichts anderes übrig, als Harem und Habseligkeiten schleunigst in das feste Golestän unfern der 1 HR ix, 156a. 2 T'AA 144a.

König Ja'qübs Eingreifen

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Hauptstadt schafiTen zu lassen, während er selbst mit den wenigen Soldaten die Verteidigung der Stadtwälleübemahm — ähnlich wie einst Kalo loannes in Trapezunt sich des anstürmenden Scheichs Dschoneid zu erwehren versucht hatte. Schon tags darauf wimmelte die Ebene vor Schemächä von den safavidischen §üfi in ihren panzerbedeckten blauen Kutten imd ihrer weiß-roten Kopfbedeckung^. Vergebens suchte der Schirvanschäh den Weg nach der Veste Golestän zu decken: er wurde von Haidar in die Burg abgedrängt, während die Qyzylbaschen die Bevölkerung der brennenden Stadt rücksichtslos niedermetzelten und zahllose Greuel begingen'. König

Ja'qubs

Eingreifen

Hierauf schritt ^aidar an die Belagerung der Festung Golestän. Der Name dieses Ortes hat übrigens auch für das heutige Iran einen üblen Beigeschmack behalten: dort wurde 1813 ein Vertrag mit Rußland über die Abtretung persischen Gebietes geschlossen.. Der Scheich ließ seine Mörser (top) in Tätigkeit treten; es wurden Minen gelegt, Schleudermaschinen eingesetzt. In dieser Not wandte sich der Schirvänschäh hilfeheischend an seinen Schwager, an König Ja'qfib. Das Schreiben erreichte diesen im Lager von Güzel-dere bei Qom; der Entschluß, gegen den aufrührerischen Vetter vorzugehen, wurde unverzüglich in die Tat umgesetzt, indem Ja'qOb unter Voraussendung eines Stoßtrupps, geführt von Vall Aqa dem Leibkämmerer {eschik a^asy), über Solfänijjä nach Ardabil ins Feld zog^. Als der König am 7. Juni 1488 dort eintraf, machte der örtliche Gewalthaber, 'Omar Beg Tschäkirlu, seine Aufwartung. Die Turkmenen der Weißen Horde benutzten die Gelegenheit, auf den fruchtbaren Äckern Ardablls Futter zu schneiden; Ja'qfib befahl jedoch, den Schaden aus den Erträgnissen der 1 T'AA 144 b. " T'AA 145 a - b . » T'AA 146 a-147 b.

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Der safavidische Priesteretaat unter Scheich Haidar

Kronsgüter zu erstatten^. Er selbst war wie einst Abu Sa'ld und sein Vater Uzun Hasan im ^afavidischen Ordensheiligtum abgestiegen, wo Chadldscha und ihre Tochter Marta die „Scheichsöhne" 'Ali, Isma'il und Ibrähim betreuten. Bald darauf erhielt Ja'qOb Nachricht von seinem Leibkämmerer, Haidar habe, bestürzt von der Kunde des Heranzuges der Weißen Horde, die rauchenden Trümmer Schemächas verlassen und wolle über Darband auf tscherkessisches Gebiet ausweichen. Unverzüglich brach daraufhin der König aus Ardabü auf; als er einen Tagemarsch vorgerückt war, traf der Staatsschreiber des Schirvänschähs in seinem Heerlager ein. Was war inzwischen aus der Belagerung Golestäns geworden ? Darüber gibt der Bericht eben dieses schirvänischen Staatsschreibers Scharaf od-Din Hosein Aufschluß, den aufzuzeichnen der Reichsgeschichtsschreiber Failo'lläh glücklicherweise nicht versäumte. Ohne diesen wackeren Gelehrten, der seinem Fürsten treu ergeben war, hätten wir kaum Kunde von jenen Ereignissen im fernen Kaukasus überliefert, die in ihren Folgen bis auf den heutigen Tag wirksam sind. Durch ihn können wir die Geschehnisse aus der unmittelbaren Nähe des Augenzeugen nachempfinden und so die Voraussetzungen begreifen, auf denen das spätere gewaltige §afavldenreich Irans beruhte. — Während Qaidar die Festung Golestän umzingelt und die Belagerung eingeleitet hatte, waren die Anführer der örtlichen schirvänischen Truppenverbände zusammengekommen, um mit starker Streitmacht gegen den Scheich zu ziehen. Da es sich bei ihrem Gegner immerhin um einen heiligen Maim handelte, hatten sie sich vorher der Zustimmung der schirvänischen Geistlichkeit, der 'Ulamä, versichert. Durch einen geheimen Boten benachrichtigten sie hierauf den belagerten Fürsten von der Einberufung des Heeres sowie vom genauen Zeitpunkt des Entsatzes'. Allein auch in dieser Lage erwies sich die Überlegenheit des ^afavidischen Nachrichtendienstes: der Bote wurde durch einen 1 T'AA 148 a. « T'AA 148b.

König Ja'qübs Eingreifen

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Spion Qaidars abgefangen, seine Mitteilung dem Scheich hinterbracht. Unverzüglich entschloß sich dieser, die Festung vorläufig aufzugeben und dem Entsatzheer entgegenzurücken. Der Schirvänschäh konnte sich diesen Vorgang nicht anders erklären als durch Mutlosigkeit seines Feindes; frohlockend verließ er Golestän und machte sich an die Verfolgung seines Bedrängers — bis er unterwegs die Schreckenskunde erhielt, Haidar habe ein schirvänisches Entsatzheer vernichtend geschlagen und kehre zur Berennung Golestäns zurück. So blieb Farroch-Jasär nichts übrig, als schleunigst die nahegelegene Burg Solüf aufzusuchen^. Immerhin hatte das Entsatzheer den Schirvänschäh insofern gerettet, als er ohne Qaidars Wegzug nicht mehr lebend aus Golestän herausgekommen wäre, dessen Fall bereits unmittelbar bevorgestanden hatte. Mitten in die Siegesfreude Scheich Qaidars platzte jedoch die Nachricht, König Ja'qüb sei an der Spitze des Heeres der Weißen Horde gegen ihn zu Felde gezogen. Jetzt war kein Gedanke mehr daran, das imglückseUge Golestän zu erobern; es blieb nur die Möglichkeit, nordwärts über Darband nach der Küstenprovinz Tabarserän zu einen Ausweg zu suchen. Soweit der Bericht des Staatsschreibers Scharaf od-Din I^osein im Heerlager König Ja'qübs. Die Besatzung Darbands verweigerte dem Scheich jedoch den Durchzug, da er im Vorjahre (1487) jenes Gebiet heimgesucht hatte^; er nahm infolgedessen die Belagerung in Angriff, zerstörte in wenigen Tagen einen großen Teil der Stadttürme und zermürbte die Bevölkerung. Während dieser Kämpfe erfuhr der Scheich durch einen seiner Unterführer namens Qara Piri Beg (vom Stamme Qädschär), daß sich ein starkes Turkmenenheer, verstärkt durch georgische Hilfsvölker, unter dem Oberbefehl des Großemirs Suleimän Beg Bizen-Oglu und des Prinzen Ibrähim ben Dschehänglr (dieser starb kurz nach dem Feldzug) am 14. Juni 1488 in Marsch gesetzt habe, am Savalän-Gebirge entlanggezogen 1 T'AA U9a. 2 Venez. Kfm. 185.

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Der ^ a v i d i s c h e Priesterstaat unter Scheich Haidar

sei, die Kura überschritten und die zerstörten Gebiete Schirväns betreten habe. Dort sei auch Farroch-Jasär mit seinen Truppen zum Turkmenenheer gestoßen, nachdem er auf Grund des Wegzuges Qaidars die Burg Solüf verlassen hatte^. Unter diesen Umständen mußte Qaidar von dem schwer bedrängten Darband ablassen und nach Süden dem in Eilmärschen sich nähernden Feind entgegenziehen. Haidars

Tod

An der Grenze von Tabarserän, am Fuße des Elburz-Gebirges nahe dem Dorfe Dartanat, kam es am Mittwoch den 9. Juli 1488 zur Schlacht®, bei der die ^afavldischen Qyzylbaschen „wie die Löwen fochten" und ein Drittel der vereinigten Turkmenen und SchirvSner erschlugen. Qaidar persönlich hob den Heerführer Ja'qObs, Suleimün Beg, der schon unter Uzun Qasan als erfahrener Kriegsmann und Eroberer der Kurdenfestung Bidlls berühmt war, durch einen Lanzenstich aus dem Sattel, ohne ihn jedoch dann zu töten. Den Scheich selbst scheinen Todesahnungen bewegt zu haben — und tatsächlich traf ihn im Schlachtgewühl ein verirrter Pfeil, er fiel vom Pferd, die §Ofl nahmen ihn in ihre Mitte, um ihn in Sicherheit zu bringen; allein der Stoßtrupp der Weißen Horde durchbrach den schützenden Ring, und so fiel Qaidar in die Hände seiner Feinde. 'Ali Aqa, der Türsteher (qapydschy) König Ja'qübs, schlug dem Scheich das Haupt ab imd brachte es den turkmenischen Emiren. Die Qyzylbaschen fochten verzweifelt und voll bitteren Grimmes weiter, „wie noch nie eine Truppe nach dem Tod ihres Führers*'^; doch konnten sie den Ausgang der Schlacht nicht mehr wenden. Die Emire berichteten dem König ihren Sieg imd übersandten das Haupt ^aidars, das am 16. Juli 1488 bei ihm eintraf; dann erfolgte die Rückkehr nach der Hauptstadt. Auf 1 T'AA » T'AA Erdmann » T'AA

1 5 0 a - 1 5 1 b ; HR ix, 156b; venez. Kfm. 186. 152 a; zuverlässiger als SN, das den 30. Juni nennt (S. 67); S. 490. 156b.

G r a b t u r m Scheich H a i d a r s in K i j a v bei A r d a b i l (Anfang des 16. Jahrhunderts) Aus J . d e M o r g a n , Mission

Scientifique

en Perse, Bd. I, Tafel xliv, S. 348

Haidars Tod

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Befehl Ja'qflbs wurde der Schädel des erschlagenen Scheichs Anfang August durch die Gassen von Tabriz geführt und dann schimpflich aufgehängt. Jemand entwendete und verbarg das bleiche Haupt, bis IJaidars Sohn, Schah Isma'Ü der Reichsgründer, im Jahre 1502 siegreich in die Hauptstadt der Weißen Horde einzog; diesem brachte es der Anhänger und empfing reichen Lohn dafür^. Den Leichnam Qaidars hatten die Qyzylbaschen trauernd gewaschen, in Linnen gehüllt und dann im Dorfe Alfandijär im Bezirk Deh-kendl der Provinz TabarserSn bestattet^. Als Schah Isma'll nach fast zweiundzwanzig Jahren (1509) seinen zweiten Zug gegen SchirvSn unternahm, ließ er in TabarserSn die sterblichen Reste seines Vaters ausgraben, nach ArdabÜ überführen und dort in der Nähe, in KijSv, in einem prächtigen Kuppelgrab beisetzen (siehe Abbildung)'. » HR ix, 157 a; T'AA 157 a - b . » Qä4i A t m a d 18b. * EM 16; HR x, 109; de Moigan i, Tafel xlix.

VI

DIE LETZTEN JAHRE DES ARD ABILER PRIESTERSTAATES

„Nichts konnte aussichtsloser erscheinen als die Lage der drei Söhnchen Scheich Haidars, die in diesem Augenblick völlig den Feinden ihres Vaters ausgeliefert waren", schreibt E, G. Browne^. Denn unmittelbar nach seinem Siege sandte König Ja'qüb eine Abteilung Turkmenen nach Ardabll, wo die §üfi bereits Solfän 'All, den ältesten Sohn Haidars, als dessen Nachfolger anerkannt hatten. Die drei „Prinzen", wie die ScheichSöhne in den persischen Chroniken jetzt genannt werden, wurden samt ihrer Mutter Marta ('Alamschäh Begüm) noch im Herbst des Jahres 1488 nach der Provinz Färs verschleppt. Dort nahm sie der Statthalter von Schlräz, Man^flr Beg Purndk, in Empfang und veranlaßte ihre Einkerkerung in der Burg der alten Sassaniden-Hauptstadt I^tachr. Erst nach fast viereinhalb Jahren sollte die Fürstin mit ihren Söhnen aus der Festung befreit werden®. König

Ja^qübs

Tod

Ende des Jahres 1490, als die Scheich-Söhne ungefähr zwei Jahre auf I^t^chr verbracht hatten, starb plötzlich der noch nicht dreißigjährige Herrscher. Der Hofgeschichtsschreiber Fail'olläh berichtet darüber®, König Ja'qüb sei während seiner zwölfjährigen Herrschaft von emstlichen Erkrankungen stets verschont geblieben; die Luft im Qarabäg, wo er Winterlager genommen hatte, sei aber so verdorben gewesen, daß alltäglich etliche gestorben seien. Infolge 1 a. a. 0. iv, S. 48. 2 EM 16/7; HR ix, 157a; C h ö n d e m i r iii, 332/3. ä T'AA 2 2 0 b - 2 2 4 a .

König Ja'qübs Tod

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der ihn bedrückenden Mattigkeit habe der König nach Tabriz zurückgehen wollen, doch h ä t t e der Hof es ihm widerraten. Schon beim Hingang seiner Mutter Seldschük-Schah Begüm (Anfang November 1489) habe er sich angesteckt gehabt, sei aber infolge einer Schwitzkur damals wieder genesen. Diesmal jedoch habe er die Erkrankung nicht überwunden, und so sei am 24. Dezember 1490 in Qara-Agatsch der Tod eingetreten. Dem entgegen steht die Darstellung, die sich beim venezianischen K a u f m a n n findetund die auf mündliche Überlieferung aus der Zeit u m 1509 zurückgeht. Danach war der Hergang folgender: J a ' q ü b h a t t e zur Gemahlin die Tochter eines persischen Großen^, ein überaus der WoUust ergebenes Weib. Diese h a t t e sich in einen Vornehmen bei Hof verliebt und sann auf Mittel u n d Wege, König J a ' q ü b zu beseitigen, um ihren Liebsten heiraten und auf den Thron bringen zu können. Nachdem sie alles mit ihm besprochen hatte, bereitete sie ein todbringendes Gift f ü r ihren Gemahl, der seiner Gewohnheit folgend ein wohlriechendes Bad nahm. Mit seinem acht- oder neunjährigen Sohn blieb er von vier Uhr nachmittags bis Sonnenuntergang im Bad. Als er herauskam, begab er sich in die unmittelbar anschließenden Frauengemächer, wo ihm sein böses Weib m i t einem goldenen Gefäß entgegenkam, das das Gift enthielt, das sie unterdessen bereitet hatte, denn sie wußte, daß er beim Verlassen des Bades etwas zu trinken pflegte. Sie liebkoste ihn mehr als gewöhnlich, u m ihre schlimmen Absichten zu verwirklichen; da sie sich aber nicht genügend beherrschen konnte, wurde sie sehr blaß, was den Verdacht J a ' q ü b s weckte, der ihr schon nach ihrem ganzen Verhalten zu mißtrauen begonnen h a t t e . E r befahl ihr daher, zuerst davon zu kosten, was sie t u n mußte, obwohl sie wußte, daß es ihr gewisser Tod sei; sie reichte den Becher sodann ihrem Gemahl, der mit seinem Söhnchen 1 H a k l u y t S. 183/4. ' Im Pseudo-Angiolello (S. 99) wird er als „Herr von San Mutra" bezeichnet, was vielleicht für Scheniächä steht; damit würde übereinstimmen, daß Ja'qflb tatsächlich der Schwiegersohn des Schirvänschähs Challl war. TE nach R o s s , S. 8.

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Die letzten Jahre des Aidabilei Priesterstaates

zusammen den Rest austrank. So ^virksam war das Gift, daß sie um Mittemacht alle tot waren. Am andern Morgen wurde die Kunde vom plötzlichen Tod des Königs, seiner Gemahlin und seines Sohnes ruchbar. Soweit der Bericht des venezianischen K a u ^ a n n e s . Der in dieser Erzählung erwähnte Sohn Ja*(jühs kann auf jeden FaU nicht Baisonqur gewesen sein, der damals erst fünf Jahre alt war und seinem Vater vorübergehend in der Herrschaft nachfolgte; noch weniger kann der damals gerade neun Monate alte Muräd gemeint sein, und weitere Söhne Ja'qflbs werden in den persischen Chroniken nicht erwähnt. Andrerseits ist gesichert überliefert, daß Ja'qOb aus der Ehe mit der schir vänischen Prinzessin noch eine Tochter namens Tädschlu Chä num hatte, die später von Schah Isma'Ü geheiratet wurde^ Wie es sich im ganzen mit der Glaubwürdigkeit der Ermor dung Ja'qübs verhält, müssen wir dahingestellt sein lassen dafiir sprechen seine Jugend und seine sonst stetige Gesund heit, dagegen sprechen die Ausführungen des Hofgeschichts schreibers, der freilich unter Umständen manches verschweigen mußte oder wollte. — Überblick

über Ja'qübs

Herrschaft

Die Herrschaft Ja'qübs war im ganzen gesehen ruhig und dem inneren Aufbau des Reiches gewidmet, das sich in den gleichen Grenzen hielt wie zur Zeit des Todes Uzun Hasans. Schon zu Lebzeiten seines Vaters hatte man ihm den Thron vorausgesagt — als nämlich bei der Schlacht von Terdschän (12. August 1473) Uzun Hasan die Flucht ergriff, waren alle Musikkapellen {naqqärä-chänä, Vorrecht der Fürsten im Orient) im Kampf umgekommen, nur nicht die Ja'qübs, und dies wurde allgemein als Vorzeichen künftiger Herrschaft betrachtet^. Als Persönlichkeit besitzen wir von ihm leider keine so klare Vorstellimg wie von Uzun Hasan, da während seiner zwölfjäh1 Qa4i Aljmad 66b; Pseudo-AngioIeUo bei H a k l u y t , S. 106; B a b i n g e i , Marino Sanuto's Tagebücher, S. 45, Anm. 3. 2 T'AA 50 a.

Thronwirren nach Ja'qübs Tod

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rigen Herrschaft kein Europäer sein Reich besuchte. Die morgenländischen Quellen^ schildern ihn als einen Freund der Dichter und des Schrifttums, der viele Gebildete — fast ausschließlich Perser — an seinen Hof zog; er sei kein Verächter des Weins gewesen und habe gern ein fröhliches Leben geführt. In politischer Hinsicht bildete der Aufstand Scheich Qaidars die größte Bedrohung seiner Herrschaft; Aufstände örtlicher Art sowie ein Einfall der ägyptischen Mamloken (1482) wurden mit Erfolg bekämpft^. 1479 veranlaßte Ja'qüb einen Zug in die persische Südostmark KermSn, 1485, 86 und 89 solche nach Georgien, 1487 nach Gdän, 1488 nach Mazandarän. Im Jahre 1487 rüstete er auch eine öffentliche Pilgerfahrt nach Mekka aus. Im übrigen wird das Bild seiner Herrschaft durch das Eintreffen oder die Entsendung von Gesandten von und zu fremden Mächten (Herät, Cairo, Stambul) sowie durch eine ziemlich ausgedehnte Staatskorrespondenz belebt^. Den Schwerpunkt seines Reiches bildete Iran, obschon Tabriz Hauptstadt blieb. Sein Tod aber beschwor den Verfall der Herrschaft der Weißen Horde herauf. Thronwirren

nach Ja^qübs

Tod

Die Turkmenen der Weißen Horde hielten es nach dem Tod Ja'qObs teils mit dem letzten noch lebenden Sohne Uzun Qasans, Masi^, damals etwa 22jährig^, teils mit Ja'qübs Sohn Baisonqur. Diesem gelingt es, den Thron zu besteigen, Maslh kommt um, der mit ihm verbündete Enkel der Despina, Rostam, wird in der Festung Alandschaq eingekerkert. Aber Baisonqur ist nur ein Knabe, der wesentlich ältere Rostam erhält Zulauf durch Unzuftiedene, darunter den mächtigen Emir Aibeh (wohl von Ai-beg, ,3IondfürBt") Solfän; diesem gelingt es, Rostams Kerkermeister auf seine Seite zu ziehen, Rostam wird befreit und unternimmt einen Zug auf die Hauptstadt, bei ^ Mttn. Iii, 166. ® Weil V, 341. ' T'AA passim. * Contarini bei Hakluyt, S. 173.

94

Die letzten Jahre des Aidabller PriesteTstaates

Marand kommt es zu einem Treffen, Baisonqur wird von seinen Truppen verlassen und flieht zum Schirvänschäh, seinem Oheim und Schwiegervater, während Rostam siegreich in Tabrlz den Thron besteigt (1492)i, Immerhin war die Bedrohung der Herrschaft Rostams durch Baisonqur nicht beseitigt; die Beratung mit den Führern der Weißen Horde ergab, daß es am zweckmäßigsten sei, die in H a f t befindlichen $afavidischen „Prinzen" freizulassen, um mit ihrem zahlreichen Anhang den Kampf mit Baisonqur und dem Schirvänschäh aufzunehmen. Die Feinheit dieses Planes bestand darin, daß entweder die kriegstüchtigen §afaviden Baisonqur beseitigen würden — was das Ziel war; oder daß im Kampf mit Baisonqur die $afaviden vernichtet würden — was gleichfalls der Weißen Horde nur erwünscht sein konnte^. Scheich

Soltän

'All verläßt

Istachr

So kam es, daß im Frühjahr 1493 Soltän 'All mit seiner Mutter Marta und seinen Brüdern Isma'il und Ibrählm feierlich in Tabriz einzog, wo ihn Rostam mit königlichen Ehrungen überhäufte. Mit Hilfe der rasch herbeigeeilten Ordensjünger gelang es Solfän 'All an der Spitze eines vereinigten Turkmenen- und 9üfi-Heeres, Baisonqur in zwei Treffen vernichtend zu schlagen und durch gleichzeitige Niederwerfung eines Aufstandes des Statthalters von I^fahän die Thronfolge Rostams zu sichern^. Wenn somit die Nachfahren Uzun Hasans im Mannesstamm die Herrschaft über das Reich der Weißen Horde zu dieser Zeit nur noch durch die Waffenhilfe der ^afavidischen Ordensanhänger aufrechterhalten konnten, so zeichnet sich hierdurch eine Entwicklung ab, die es nur als Frage der Zeit erscheinen lassen mußte, daß die Safaviden selbst diese Herrschaft an sich rissen. Dschoneid war einem bloßen Provinzfürsten, nämlich dem Schirvänschäh Challl, gegenüber unterlegen; Haidar wäre 1 EM 17. 2 R o s s 8/9; EM 17; Mün. iii, 166. 3 Ross 9-12.

Soltän 'Alis Tod

95

mit dessen Sohn Farroch-Jasär ohne weiteres fertig geworden, zog aber gegenüber der Weißen Horde den kürzeren; Solfän 'Ali sichert durch sein Eingreifen als Bundesgenosse Rostams den ferneren Bestand dessen Reiches, wird dafür aber schnöde verraten; Isma'll endlich sollte es gelingen, nur auf seine Anhänger gestützt, das zerfallende Reich der Weißen Horde vollends zu zerschlagen und die Trümmer zu einem persischen Nationalstaat zusammenzuschweißen. — Soltän

'Alls

Tod

Der siegreiche SoUän 'Ali war nach Tabriz zurückgekehrt, wo ihn Rostam feierlich empfing. Danach hatte er den Hof verlassen, um als Nachfolger seines Vaters Qaidar die Leitung des Ardabiler Priesterstaates zu übernehmen. Wieder wurde das Ordensheiligtum zu einem Mittelpunkt religiösen und politischen Geschehens, in Scharen strömten die Jünger imd Anhänger herbei — und gerade das mußte König Rostam unbequem erscheinen. Durch einen Boten hieß er den Scheich noch im Spätherbst 1493 nach Tabriz kommen, wo er von Rostam äußerlich zwar mit Achtung behandelt, tatsächlich aber mit einem Netz von Spionen umgeben wurde, um zu verhindern, daß er mit seinen §üfi zusammenkomme^. Den Winter verbrachte der Hof in Choj. Die Anhänger Solfän 'Alis ließen ihrem geistigen Führer auf Schleichwegen Geld und Vorräte zugehen, was aber König Rostam bekannt wurde; durch allerlei Einbläsereien geängstigt, plante er beim Aufbruch aus Choj ins Sommerlager die Beseitigung der $afavlden. Ein Turkmene, der heimlich dem Scheich anhing, verriet Rostams Absichten Solfän 'Ali, und im Einverständnis mit den engsten Vertrauten imter seinen Süfi floh er noch in derselben Nacht gen Ardabil. Als am andern Morgen König Rostam dies erfuhr, sandte er Aibeh Solfän und seinen Vetter Hosein Beg 'Alichäni eiligst hinter dem Scheich her, „denn," so sagte er, „wenn Solfän 'Ali 1 Ross 12/3.

96

Die letzten Jahre des Ardabiler Priesteistaates

erst einmal Ardabll erreicht hat, was Alläh verhüte, so nützt der Einsatz von zehntausend Turkmenen nichts mehr^!" Als die flüchtigen §afavlden das Dorf Schammäsl in der Nähe von ArdabÜ erreichten, überkam Solfän 'All — so berichten die Quellen — eine Vorahnung seines baldigen Endes. Er rief daher seinen jüngeren Bruder Isma'll herbei, krönte ihn mit der Haidar-Kappe imd setzte ihn zu seinem Nachfolger ein, indem er ihm gleichzeitig das von seinen Ahnen ererbte geheimsinnige Wissen mitteilte. Hierauf wählte er sieben der verläßlichsten §üfi aus, darunter Qosein Beg Lälä, Qara Pirl Beg Qädschär, Abdal Beg und Dede Beg aus Tälysch, alles Männer, die dann unter Schah Isma'Ü zu den Großen des Reiches gehörten; ihnen vertraute Scheich 'All seine Brüder an, damit sie Isma'll und Ibrählm nach Ardabil in Sicherheit brächten, während er sich den Verfolgern stellte. Bei dem alsbald erfolgenden Zusammenprall behielt SoUan 'All zunächst die Oberhand; aber bei der Verfolgiing hielten sich seine Anhänger mit Plündern auf, während er selbst mit geringem Gefolge dem Feind auf den Fersen blieb, bis er eiaen Wasserlauf erreichte, in den er unglücklicherweise mit seinem Roß stürzte, so daß er, in die Steigbügel verstrickt, ertrank. Fürstin Marta ließ bekümmert den Leichnam ihres ältesten Sohnes nach Ardabll schaffen, wo er, im zeitigen Sommer des Jahres 1494, bei seinen Ahnen beigesetzt wurde*. Isma'll

verbirgt

sich in

Ardabll

Über die Erlebnisse der beiden überlebenden Söhne Scheich Qaidars, insbesondere Isma'lls, berichtet im wesentlichen nur die seltene Chronik, die Sir E. DENISON ROSS bearbeitet hat imd deren Verfasser bisher nicht bekannt geworden ist. Danach trug sich nach dem Tod Solfän 'Alls folgendes zu: Die Fürstin Marta ('Älamschäh Begüm) hatte ihre beiden Söhne nach deren Ankunft in Ardabll zunächst in die Gruft des Ordensheiligtums gesandt, während sie die Beisetzung ihres 1 TE bei Ross, 14. ' TE bei Ross, S. 14/5; HR x, 2f.; Qä4i Abmad 19b.

Isma'il verbirgt sich in Ardabil

97

Sohnes Solfän 'All veranlaßte. Tags darauf drangen Aibeh Solfän und die von ihm befehligten Turkmenen in die Stadt ein auf der Suche nach den Prinzen. Sie bedrückten die BeTölkerung, plünderten und raubten und durchsuchten alles. Isma'il kam aus Furcht vor ihnen aus dem Ordensheiligtum heraus und verbarg sich im Haus des Richters Al;imad Käkull, das ganz nahe war. Dieser nahm ihn freudig auf imd hielt ihn drei Tage verborgen^. Da die Turkmenen die Häuser gründlich durchstöberten, schien es ihm geraten, Isma'll in das Haus einer Frau namens Ghändschän zu schaffen, die nun den siebenjährigen Knaben einen Monat hindurch betreute. Nur seine Tante Pascha Chatun, die Tochter Scheich Dschoneids, die mit einem Turkmenen namens Mol^ammedl Beg verheiratet war, besuchte Isma'il zuweilen; sonst wußte niemand seinen Aufenthaltsort, nicht einmal seine Mutter. Sie wurde absichtlich nicht verständigt, solange Aibeh Solfän in Ardabil weilte, weil dieser in seinen Mitteln unbedenkliche Heerführer nicht davor zurückschreckte, die Fürstin Marta foltern zu lassen, die aber das Versteck nicht verraten konnte, da sie es nicht kannte^. Nachdem vier Wochen um waren, veranlaßte Pascha Chatun die Überführung Isma'lls in das Haus eines anderen Weibes, der Wundärztin Uba vom Stamme ZüH-Qadr. Dieses Haus befand sich im Viertel der Rümlu, d. h. der Nachkommen jener durch Vermittlung Ghödschä 'Alis fireigelassenen Kriegsgefangenen Timurs; als aber auch dieser Stadtteil von den Turkmenen durchsucht wurde, weil König Rostam schärfstens auf die Beseitigung der beiden Prinzen drängte, brachte Uba den Knaben in die hochgelegene Freitagsmoschee zu Ardabil. Dort wachte sie über ihn in einem Grabgewölbe; damals ließ sie auch seiner Mutter Nachricht zugehen, daß Isma'il lebe. In der Moschee verbarg sich auch ein §üfi, der in der Schlacht verwundet worden war; als Uba ihm den Prinzen zeigte, berichtete er Isma'il, daß sich achtzig $üfl, die den Turkmenen entkommen waren, 1 Ross 35. » R o s s 36. H i a z , Irans Aufstieg

7

98

Die letzten Jahre des Aidabiler Priesterstaates

im Berg Bagrou bei Ardabil aufhielten, die nur auf die Befehle ihres „vollkommenen Führers" warteten^. Uba riet dem §üfl, die Moschee zu verlassen und seine Gefährten zu verständigen; daraufhin kam Rostam BegQaramänlu, der Führer jener §üfl, mit seinen Gefolgsleutenum Mittemacht zur Moschee, holte Isma'il ab und brachte ihn nach dem Berge Bagrou in das Dorf Kargän, in das Haus des Predigers Farroch Zäd. Sodann beratschlagten die einflußreichsten unter den §üfi miteinander, wohin man Isma'il am sichersten bringen könne, und sie entschieden alle schließlich, daß der Prinz zunächst nach Rascht gehen solle. Isma'ils

Flucht

nach

Gllän

Zwischen dem Gemahl der Fürstin Pascha Chatun (MoJ^ammed! Beg) und dem Beherrscher von Rascht, Amirä Isl^aq, bestanden nämlich seit langem freundschaftliche Beziehungen. Es erwies sich bald, daß Isma'll in der Grenzgegend Ardabils noch nicht sicher war, da Aibeh Solfän Kunde von der Flucht erhalten hatte. Der Prinz wurde daher zunächst nach Gaskar gebracht, das gleichfalls in Gllän liegt, wo sich ein weitgehend unabhängiges Fürstenhaus hatte halten können, wenngleich die Oberhoheit der Weißen Horde auch in Gilän anerkannt wurde. Der Statthalter von Gaskar, Amirä Sijävusch, empfing Isma'Ü persönlich und brachte ihn in seinem Hause unter, bis er die Weiterreise nach Rascht antreten konnte^. Er gab ihm bis nahe bei Rascht das Geleit und kehrte dann nach Gaskar zurück. In der Hauptstadt Westglläns angekommen, stieg Isma'il in der „Weißen Moschee" dort ab, deren Bauweise ihm so gut gefiel, daß er nicht in das Haus des Statthalters Amirä Isljtaq gehen wollte, ungeachtet dessen Bitten. Nahe bei der Moschee hatte ein Goldschmied namens Amirä Nadschm seine Werkstätte; dieser bemühte sich ganz besonders um den Knaben. Der Aufenthalt Isma'lls in Rascht war jedoch nicht von langer Dauer, da man ihn auch dort nicht genügend in Sicher1 Ross 37. ' ROS8 38.

Ismails Aufenthalt in Lahidschan

99

heit glaubte. Der Beherrscher von Lähidschän im östlichen Gilän lud ihn ein, zu ihm zu kommen; Isma'll nahm an, und so bereitete Kärgijä{= Fürst) Mirzä *All ihm in Lähidschän eine Unterkunft gegenüber der Medrese (geistl. Hochschule) Kei Äfridün. Inzwischen aber hatte Aibeh Solfän in Ardabll die Wundärztin Uba verhaften lassen, von der er mm ein Geständnis über den ganzen Hergang erpreßte^, König Rostam ergrimmte über diesen Bericht so sehr, daß er das arme Weib in Tabriz auf dem Marktplatz zu erdrosseln befahl. Auch Mol;iammedi Beg und andere Helfershelfer wurden eingesperrt, schließlich aber gegen Entrichtung einer Geldstrafe in Höhe von 30000 Tonga freigelassen. Isma'lls

Aufenthalt

in

Lähidschän

Der Fürst von Lähidschän, Kärgijä Mirzä 'Ali, betreute Isma'il nach Kräften imd bestellte ihm einen Lehrmeister in der Person Meister Schams od-Dlns, eines gebürtigen Lähidschäners, der ihm Lesen und Schreiben beibrachte und ihn im Qor'än unterrichtete. Auch während dieser Zeit ließen es sich die $afavldischen Anhänger nicht nehmen, ihrem Ordensoberhaupt Gaben zu senden und ihm selbst ihre Aufwartung zu machen; doch kehrten sie stets ohne Säumen zurück nach Kleinasien, nach dem Qara-Däg oder nach Ahar, um Isma'il nicht zu gefährden. All dies spielte sich unter strengster Geheimhaltung ab. Der Raschter Goldschmied Nadschm war Isma'il auch nach Lähidschän gefolgt; desgleichen suchten die Brüder des Fürsten seinen Umgang, und so wuchs der Knabe allmähhch zum Jüngling heran®. Isma'ils Bruder Ibrähim sowie sein gleichfalls bei ihm befindlicher Halbbruder Soleimän verlangten nach einiger Zeit des Aufenthaltes in Gilän, nach Ardabil zurückzukehren. Sie nahmen daher die zwölfzwicklige Haidar-Kappe ab und setzten statt dessen die übliche Turkmenen-Mütze auf, wie die Weiße Horde sie trug. Danach brachen sie auf gen Ardabil. Nach Ibrahims Wegzug erkrankte Isma'il und war ein volles Jahr über 1 Ross 39. 2 Ross 40.

100

Die letzten Jahre des Ardabiler Priesteistaates

bettlägerig, bis er schließlich genas. Nach seiner Genesung ließ ihn seine Tante Pascha Chatun durch Boten grüßen und schickte ihm allerlei Kleinigkeiten. Wenngleich Isma'll so in der Abgelegenheit Lähidschäns in aller Stille heranwuchs, fehlte es nicht an Gefahren für den ihn beherbergenden gilänischen Fürsten. Wir wollen nicht im einzelnen all die anfänglich freundlichen, später drängenden, endlich drohenden Gesandtschaften aufführen, die vom Hof der Weißen Horde nach Lähidschän abgingen, um Isma'Üs Auslieferung zu erwirken. Kärgijä 'All Mlrzä verfiel schließlich auf folgenden Ausweg, den ihm die §üfi Isma'ils anrieten: An einem Baum ließ er einen Korb mit einem Seü anbringen, in dem der Prinz verstaut und hochgezogen wurde; dann trat er vor die Abgesandten König Rostams und schwor, Isma'Ü befinde sich nicht auf seinem Grund und B o d e n . . . Daraufhin mußten jene wohl oder übel abziehen; Rostam gab sich damit zwar nicht zufrieden, sondern wollte mit einem Heerbann gegen GÜSn ziehen — als er plötzlich selbst Krone und Leben verlor durch die Hand seines Vetters Gevde („Zwerg") A^med und des Verräters Aibeh'^. Dies geschah im Jahre 1497. Der nun unaufhaltsam einsetzende Zerfall des Reiches der Weißen Horde blieb Isma'il nicht verborgen, dessen offensichtlich frühreife und so auch frühvollendete Persönlichkeit zu den merkwürdigsten Erscheinungen der Weltgeschichte gehört. Als er, ein noch nicht dreizehnjähriger Knabe, Ende 1499 von Lähidschän auszog, um das Erbe seines Großvaters Uziin Qasan anzutreten, fand die Geschichte des Priesterstaates von Ardabil ein Ende, und es begann die Geschichte des iranischen Nationalstaates der ^afaviden. Den Aufstieg Isma'lls vom Führer einer Schar ihm fanatisch ergebener Jünger zum Beherrscher ganz Irans und Mesopotamiens zu schildern wird im nächsten Band der Ort sein. Es bleibt uns aber noch die Aufgabe, einen Überblick über das geistige Erbe zu gewinnen, das die Weiße Horde den §afavlden vermachte. — 1 Ros» 47-SO.

VII

KULTUR- UND VERFASSUNGSGESCHICHTE DER WEISSEN HORDE

Staatsverwaltung Das Reich Uzun ^asans zerfiel sozial -wie rassisch im wesentlichen in zwei Bestandteile: in die turkmenische nomadische Herren- und Kriegerklasse einerseits, und in die (vorwiegend persische) seßhafte Bevölkerung der Äckerbauer, Handwerker und Gebildeten. Es ist gewiß, so schreibt MlNORSKIJ^, daß die neuen Herren der friedlichen iranischen Bevölkenmg ebenso fremd blieben wie früher die Seldschuken, Mongolen, Timuriden und die Schwarze Horde; allein Zahl und Kultur waren für die Einheimischen, und die neuen turkmenischen Eroberer mußten allmählich in den Iranern aufgehen. So ist es auch erklärlich, daß die Zivüverwaltung wie zuvor von Persem ausgeübt wurde; von den vier Reichshofkanzlem (Wesiren) Uzun J^asans stammte einer aus KermSn, ein zweiter aus Schiräz, und auch die beiden übrigen waren, ihrem Namen nach zu schließen, Iraner^. Von den letztgenannten kam Schams od-Dln Zakarijjä im Jahre 1500 zu Schah Isma'il und wurde von diesem als Kanzler (Croßvezir) übernommen^. 'Emäd od-Dln Sahnän Beilami war Reichshofkanzler unter König Challl, nämlich von Januar 1478 bis zu seinem gewaltsamen Tode im August desselben Jahres in I$fahän*; seine 1 La Perse S. 11. ' Chöndemii iii, 330. » HR X, 54. ' TAA 64 a.

102

Kultur- und Verfassungsgeschichte der Weißen Horde

Heimat Deilam gehört zusammen mit den Küstenprovinzen des Südufers des Kaspischen Meeres und mit Kermän in Ostiran zu den Gegenden, wo sich arisches Blut am längsten erhalten hat. Salmäns Tüchtigkeit in Staats- und Finanzsachen wird in den Quellen besonders hervorgehoben. Als Sadr, d. h. als Oberhaupt der Geistlichkeit in Fragen der Stiftungsgüter usw., wirkte unter Chalils kurzer Herrschaft der Richter 'Alä Beihaql, der die Kunde vom Tod Uzun Kasans dem Großherm in Stambul mitzuteilen hatte^. Unter König Ja'qüb wurde das Amt des Sa4r dem Richter §afi od-Din 'Isä aus Soudsch-Bulaq übertragen, den Uzun Qasan auf Vorschlag des Reichsfinanzrates {mostoufl ol-mamälek) Chodschä Schokro'lläh (wiederum eines Iraners) zum Lehrer des Prinzen Ja'qüb ernannt hatte®. Als nun Ja'qOb selbst regierte, stieg sein Lehrmeister nicht nur zum Sadr auf, sondern zugleich zum Vakll, was im allgemeinen soviel bedeutet wie Reichsverweser, hier aber wohl so verstanden werden muß, daß §afi od-Din 'Isä das Amt des Reichshofkanzlers mitversah. Er war es, wie erinnerlich, der 1487 Scheich Qaidars rasch vergessenen Treueschwur abnahm. An sonstigen Staats- oder Hofämtem werden in den Quellen noch überliefert die des Großsiegelbewahrers (moÄr-dör) und des Marschalks {mlr-äclwr), d. h. des Vorstehers der Marställe. Unter Uzun Hasan war Scheich 'Äll Beg Großsiegelbewahrer, vermutlich ein Kurde, da er zugleich Statthalter von Qi^n-Keif war®. Der Marschalk scheint hingegen ein Turkmene gewesen zu sein*. Gründlichere Ausführungen über den Aufbau der Zivilverwaltung unter der Herrschaft der Weißen Horde können hier deshalb nicht gemacht werden, weil vieles nur im Zusammenhalt mit einer Gesamtverfassungsgeschichte Irans sinnvoller Darstellung zugänglich ist. 1 T'AA « Läri » T'AA « T'AA

64 b. 229a. 82 b. 83 a.

Finanzwesen

103

Finanzwesen Die Münzeinheit höheren Grades war der tomän, dessen genauer Wert allerdings schwer abzuschätzen ist. Während der tomän um 1575 etwa mit 20 Dukaten anzusetzen ist^, kann er für die Zeit hundert Jahre früher ungefähr geschätzt werden, wenn man erfährt, daß ein Großemir oder ein Sadr 1000 tomän Gehalt jährlich bezogen®. Während die Schwarze Horde, besonders unter DschehSnBchäh, die Grundsteuer sehr hoch angesetzt hatte, suchte die Weiße Horde sie zu mildem. So erließ Uzun H^^^i^ eigens ein Gesetz über die Erhebung und Eintreibung der Steuern von der seßhaften Bevölkerung, das seinen Namen erhielt (QänünNämä-je Hasan Begl) und so glücklich abgefaßt war, daß es in seinen Herrschaftsgebieten auch unter den Safaviden bis weit ins 16. Jahrhundert hinein Geltung behielt^. Während Chalil bei seinem Regierungsantritt (1478) der reichen Provinz Färs (mit der Hauptstadt Schlräz) Abgaben in entsprechender Höhe auferlegte, nämlich auf 5000 Tabrlzer tomän bemessen*, suchte sein ihm nachfolgender Bruder Ja'qOb die Lasten zu mindern. 1479 wurden dem persischen ^ r ä q (mit der Hauptstadt I^fahän) die rückständigen Grundsteuerbeträge erlassen, die der Reichsfinanzrat auf 70000 tomän geschätzt hatte®! Als Ja'qüb 1487 die Abgaben der Provinz Gilän neu festsetzte, hielt er sich in den mäßigen Grenzen von 1200 tomön«. Neben der Grundsteuer {charädsch) bestand im Reiche der Weißen Horde noch die Handels- und Gewerbesteuer (tam^a) fort, ein Erbe der Timurldenherrschaft aus heidnisch-tatarischer Zeit. Das tamga wurde in der ganzen moslemischen Welt als Verstoß gegen das Religionsgesetz, die Scharl^at, betrachtet; 1 Vgl. W. Hinz, Schah EsmaHl IL, S. 56. » T'AA 55 b, 67 a. » SN ii, 120. « T'AA 64a. » T'AA 91a. • T'AA 126a-b.

104

Kultur- und Verfassungsgeschichte der Weißen Horde

oft haben Herrscher der Geistlichkeit zuliebe diese Steuer abgeschafft, um sie nach kürzerer oder längerer Frist doch wieder einzuführen. 1460 hatte so der Timurlde Abu Sa'id in Samarqand und BochärS das tam^a aufgehoben^. In Iran bestand unter Uzun ^ a s a n tmd seinen Nachfolgern die Handels- und Gewerbesteuer jedenfalls fort, denn sie wird in einem Erlaß König Ja'qübs vom Jahre 1486 betreffend die Wallfahrt nach Mekka ausdrücklich erwähnt®. Nach diesem vom Hofgeschichtsschreiber Failo'Uäh selbst aufgesetzten Neschän wird den Pilgern bei der Durchreise durch das Gebiet der Weißen Horde Befreiung von folgenden Abgaben zugesichert: a) Handels- und Gewerbesteuer (tam^a), b) Warenzoll (bädsch), c) Wegzoll oder Maut {rähdän). Eine entsprechende Weisung erging daher nicht nur an die Statthalter, Stadthauptleute und die Finanzaufseher im königlichen Divän, sondern auch an die Handelssteuer-Einheber (türkisch: tamgatschy), die in besonderen Gebäuden ihres Amtes walteten (im tamga-chänä), ferner an die Zolleinnehmer (persisch: bädsch-där), die Mautner (räh-där) sowie an die Straßenwächter und Festungskommandanten. Das tam^a im besonderen wird noch unter Schah Isma'll um 1510 erwähnt; der venezianische Kaufmann berichtet^, es bestehe in Tabriz die üble Sitte, die seit jeher in Iran eingeführt sei, daß jeder Händler, der im Bazar einen Laden habe, täglich zwei bis sechs Asper, ja gar einen Dukaten, entrichten müsse, je nach seinem Geschäftszweig. Ebenso sei für die Meister eines jeden Gewerbes, je nach ihrem Stand, eine Gebühr festgesetzt. Nach demselben Gewährsmann scheint der Zolltarif (bädsch) für Christen auf 10%, für Mosleme auf 5 % festgesetzt gewesen zu sein; wurde die Ware weiterbefördert, so wurde als 1 B a r t h o l d - H i n z , Uh4

2 T'AA 117 a - b . » H a k l u y t S. 172.

Beg und seine Zeit, S. 160, 214.

M ü n z e n der W e i ß e n H o r d e (Uziin Hasans, J a ' q ü b s , Baisonqurs und Rostams) (Urbilder

im Münzkabinett

der Berliner

Staatlichen

Museen)

FinanzweBen

105

Durchgangszoll eine wesentlich niedrigere Pauschsumme erhoben^. Bezüglich der M ü n z e n , die von den Herrschern der Weißen Horde geprägt wurden, verweisen wir auf die nebenstehende Wiedergabe von neun Aq-Qojunlu-MüBxen, die kurz erläutert seien: Münzen Uzun Qasans: 1. Ursprünglich eine Münze Schäh-Rochs, des Sohnes Timurs, der von Uzun Hasan durch einen Gegenstempel für sein Reich Gültigkeit verliehen wurde. Auf dieser Silbermünze ist zu lesen: 'adl Hasan Beg

zu deutsch:

gültig Hasan Beg

Slräz

Schlraz

(720)

(Jahreszahl irrig, daher wertlos)

2. Ebenfalls durch Gegenstempel für das Gebiet der Weißen Horde gültig gemachte Silbermünze Schah>Rochs mit gleicher Aufschrift wie bei 1, lediglich mit Prägeort urdü = Heerlager. (Die Jahreszahl 706 wiederum unbrauchbar; solche Versehen der Stempelschneider sind nicht selten.) Aus der Bezeichnung urdü geht hervor, daß Uzun Hasan bei seinen Kriegszügen eine „fliegende Münzwerkstätte" mit sich führte. 3. Silbermünze Uzun Kasans, ohne Prägeort und J a h r : as-sul[(S]n al-a'zam Ifasan challada'ttähu fmulkahuj

der großmächtigste Sal[ja]n Hasan Alläh lasse [sein Reich] ewig währen!

Münzen König Ja'qübs: 4. Gegengestempelte Silbermünze mit der Aufschrift: 'adl sultän 892 Ja'^b Jaxd 1 Ebenda S. 173.

gültig Sultan Ja'qüb 1487 Jazd

106

Kultur- und Verfassungsgeschichte der Weißen Horde

5. Silbermünze: aa-sultän al-'Bdü

der gerechte Sultan

Tabriz Ja'qüb Chän chaUada*ltShu

Ja'qüb Chän' AIlBh lasse sein [Reich] ewig währen!

[mulkajhu

Tabnz

6. Silbermünze: os-sulfBn [ajl-'üda

der gerechte Sulfän

Ja'^b

Ja'qüb

duriba

geprägt

Bc^^d

(in) Bagdad

7. S i l b e r m ü n z e K ö n i g B a i s o n q u r s : as-sulßn al-'Sdü Baison^ur Sulfän Chän

der gerechte Sultan Baisonqur Sultan Chän

challada'llshu muUcahu Sana 895

AU&h lasse sein Reich ewig währen! (im) Jahr 1490

8. S i l b e r m ü n z e K ö n i g R o s t a m s : as-suIfSn [ajl.'nda

D . ARostam Chan ehaUadamhu mulkafhuj

geredite Suljän

,„ , Rostam , r Chän . , „ . . ^ ^ ^ ewig währen!

Von besonderem Reiz ist die Tatsache, auf die mich Dr.HELLICE vom Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin aufmerksam machte — daß nämlich die Weiße Horde ähnlich wie Timur oder die Krim-Tataren ein W a p p e n fährte, das, gleichfalls als tam^a bezeichnet, auf fast sämtlichen Münzen zu finden ist, im Gegensatz zu denen der Schwarzen Horde. Das Wappen, das folgende Gestalt h a t

in und auf der letzten Münze (9, rechts unten) besonders deutlich zu erkennen ist, wird ursprünglich wohl als Besitzmal bei der KenntUchmachung der Herden verwendet worden sein.

Heerwesen

107

Heerwesen Die Militärverwaltung im Staate der Weißen Horde, zu der auch die Landesstatthalter (meist Söhne des Herrschers) und die von ihm eingesetzten Stadthauptleute {därü^ägän) als Vertreter der Reichsgewalt und Führer der örtlichen Streitkräfte zu rechnen sind, war streng auf den König bezogen als den obersten Befehlshaber in Krieg und Frieden. Die einzelnen Machthaber in den Provinzen hatten bei Weisung des Königs mit einer bestimmten Anzahl Reiter und Fußtruppen (entsprechend ihren Einkünften aus den ihnen zugewiesenen Lehensländereien^) zu ihm zu stoßen; der Sold der Truppen belief sich nach Zeno^ jährlich auf 40 bis 60 Dukaten für Mann und Roß zusammen, bei halbjährlicher Auszahlung. Über den Umfang der Truppenmacht Uzun Hasans hat uns Barbaro sehr genaue Angaben hinterlassen. Er benutzte eine im Jahre 1474 abgehaltene Musterung dazu, mit seinem Diener zu Fuß die ganze, in einem riesigen Viereck aufgebaute Truppen- und Lagerfront abzugehen und je fünfzig gezählte Gegenstände seiner Statistik durch eine Bohne in seiner Tasche zu kenn-zeichnen. Auf diese Weise ermittelte er die Zahl der berittenen Krieger mit 15000, zu denen noch 2000 bewaflfnete Sklaven, Hirten und Lastträger, 1000 Büchsenschützen und 3000 mit Bogen ausgerüstete Fußtruppen kamen, also im ganzen 21000 wehrfähige Männer. Diese wurden in 6000 Zelten untergebracht; zur Beförderung des Hausrates und der Familien (die das Heerlager meist begleiteten) benötigte man 30000 Kamele, je 5000 Lastpferde und -maultiere und 2000 Esel. Die Zahl der Frauen gibt Barbaro mit 10000 an, die Dienerinnen und Skla^ Die in Iran übliche Bezeichnung für diese Lehen im eigentlichen Sinne ist tijül — meist tojül gesprochen —, während der aus dem Osttürkischen stammende, von den Mongolen verbreitete Ausdruck sijürgSl Pfründe oder Kirchenlehen bedeutet, da vorzugsweise Geistliche oder Gelehrte damit belehnt wurden. In einem Erlaß Schah T^hmasps des Gebildeten wird beispielsweise eine bestimmte Gegend innerhalb des tijiU des Prinzen BahrSm einem Scheich als sijürgäl übertragen (SN 105). * B e r c h e t 134.

108

Kultur- und Verfassungsgeschichte der Weißen Horde

Vinnen (5000) nicht eingerechnet; dazu 6000 Kinder unter zwölf J a h r e n und 5000 darüber. Um das Bild voll zu machen, sei noch erwähnt, daß 20000 Stück Kleinvieh und 2000 Rinder im Lager mitgeführt wurden^. Es k a n n nicht verwundern, wenn Barbaro bemerkt, zum Durchreiten des Lagers benötige m a n einen guten halben T a g ; trotzdem ist die Zahl der eigentlichen Truppen wesentlich niedriger als m a n im Abendland glaubte, wo m a n Uzun Kasans Kriegsmacht auf Grund der Mitteilungen Zenos mit hundert-, ja zweihunderttausend angab. Die Bewaffnung der Truppen bestand vorzugsweise aus Bogen, Schwert imd Schild; Barbaro gibt wieder die Zahlen: 10000 Armbrüste, 5000 Schilder, aber n u r 1000 Lanzen«. Die vornehmen Turkmenen trugen schön gearbeitete Helme u n d Panzerhemden; auch 2000 Pferde besaßen mit Eisenplättchen verkleidete Panzerüberhänge, die bis auf den Boden herabhingen. Die Streitrosse der minder Begüterten waren teils mit Leder, teils m i t Seide oder Filz so dick umwickelt, daß kein Pfeil durchdrang®. An Artillerie fehlte es dagegen so gut wie ganz; bei dem Feldzug gegen das ägyptische Bira (Frühjahr 1473) befanden sich im Lager Uzun ^ a s a n s n u r je zwei Mörser {bombarde) und Feldschlangen (ballestrieri)*. Über den Versuch, diesem Mangel durch venedische Hilfe zu begegnen, haben wir oben ausführlich berichtet. Die

Bauten

der

Turkmenenseit

Über die Bautätigkeit der Fürsten der Weißen Horde, vornehmlich Uzun Hasans und J a ' q ü b s , sind die Angaben der Chroniken sehr spärlich. So ist beispielsweise von der Moschee Uztin Hasans in Tabriz k a u m mehr etwas bekannt. Diese darf nicht mit der „Blauen Moschee" (gök dschämä'^) verwechselt 1 » ' «

B a r b a r o , Viaggio 38a—b. Ebenda. C o n t a r i n i 76a; B a r b a r o , a.a.O. B a r b a r o , Lettere 27.

38a.

Die Bauten der Turkmenenzeit

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werden, die auf Dscliehäiischäh, den Führer der Schwarzen Horde, zurückgeht und die selbst im Verfall zu den herrlichsten Bauten gehört, die iranische Meister geschaffen haben (vgl. Abbildung). Die Moschee Uzun Hasans befand sich offensichtlich etwas außerhalb der Hauptstadt, in der Siedlung Säheb-äbäd, in der die Aq-Qojunlu-Fürstcn Hof hielten und die durch einen Flußlauf vom eigentlichen Tabriz getrennt war^. Nach den Schilderungen des venezianischen Kaufmannes muß dort eine Anlage entstanden sein, die sich durch Großartigkeit imd Pracht auszeichnete. Auf einem riesigen Platz {meidän), wo sowohl Ghalil im Januar 1478 als auch Ja'qüb im Juli desselben Jahres den Thron bestiegen, befand sich unter anderem die schon erwähnte Moschee Uzun Hasans, die sehr groß war und viele Räume besaß, die mit Stuck und blau-goldenen Fayencefliesen verziert waren'. Im Jahre 1535 wurde die HasanPädeschäh'M.oschee Schauplatz einer sonderbaren Hinrichtung: damals ließ nämlich Schah TahmSsp der Gebildete zwei Verbrecher in einem eisernen Käfig zwischen den beiden Minarets aufhängen und verbrennen®. Beim Feldzug des Großherm Müräd IV. hundert Jahre später (1635) blieb von allen Bauten Tabriz' allein die Moschee Uzun Qasans unversehrt*. An der Westseite des großen Platzes befand sich ein großes, gewölbtes und weiß getünchtes Tor, das in die königlichen Gärten führte, durch die man Zutritt zum Schloß erhielt. Ob dieser ungewöhnlich prunkvolle Palast namens Häscht-Behescht („Schloß der Acht Paradiese") schon auf Uzun Qasan zurückgeht, wie der venezianische Kaufmann glaubte, ist nicht erwiesen ; wahrscheinlich wurde er von Uzun Hasan nur begonnen, während Ja'qüb den Bau vollends durchführte, dessen Fertigstellung nach dem Hofgeschichtsschreiber Failo'lläh in das Jahr 1486 fiel«. 1 Venez. Kfm. 173. 2 Ebenda 177. » EM 117. « H a g g i C h a l f a , Gehän-numä 381. » T'AA 115 b.

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Kultur- und Verfassungsgeschichte der Weißen Horde

Eine ausführliche Beschreibung dieses Schlosses bringt der venezianische Kaufmann^. Danach ruhte auf einem eingeschossigen, vier Räume mit ebenso vielen Vorräumen umfassenden Zentralbau eine prächtige runde Kuppel. „Alle Räume sind auf verschiedenartigste Weise mit Fayence und Goldschmuck geziert, und zwar so schön, daß ich kaum Worte dafür finden kann. Dieses Schloß liegt, wie ich schon bemerkte, inmitten eines Gartens auf einer Plattform {mastebe, arabisch mastaba). An jeder Ecke dieser Plattform befindet sich ein Wasserspeier in Drachengestalt aus Bronze und so künstlich gemacht, daß man sie für lebend nehmen könnte. Iimerhalb des Schlosses sind an der Decke der großen Halle in Gold, Silber und Blau zahlreiche Schlachten, sodann Gesandtschaften des Großherm von Stambul zu Uzun Hasan, dessen Jagden zu Pferd mit Hunden und Falken und allerlei andere Vorfälle dargestellt. Den Boden deckt ein riesiger Seidenteppich. — Ungefähr in Bogenschußweite befindet sich der einstöckige Harem, in dessen einzelnen Räumen wohl tausend Frauen Platz finden könnten. Nach dessen einer Seite hin ist ein Sommerhaus errichtet, aufs herrlichste mit Lüsterfliesen, gold und blau, verziert, in dem sich die Königin und ihre Damen mit Nadelarbeiten zu beschäftigen pflegten. Der Garten selbst hat drei Eingänge, gen Norden, Süden imd Osten (letzterer wie erwähnt nach dem Meidäny Mit der vorgenannten Moschee Uzun Hasans verbunden war eine geistliche Hochschule, in deren Gartenhof Uzun Hasan bestattet wurde. Dieser auf ihn zurückgehende Bau trug den Namen Nasrijjä- („Sieges"-) Medrese®. Nicht weit davon befand sich übrigens auch eine von Maq^üd, dem Sohn der Despina, erbaute Moschee, die Maqsüdijjä^. Nach Failo'lläh* habe auch König Ja'qüb in Tabriz eine Moschee gebaut, die den Namen Nasrijjä-Moechee erhalten habe. Diese Bezeich1 S. 174f. » Mer'öt ol-Boldän « SN ii, 121. * TAA 223 b.

i, 341; Wilson 65; E v l i j ä ü, 249.

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nimg klingt jedoch verdächtig an die der Medrese Uzun Kasans und an dessen Beinamen Abu Nasr an, so daß wahrscheinlich auch hier Ja'qüb, der nach seinem am 24. Dezember 1490 erfolgten Tode bei der besagten Moschee bestattet wurde, ein von seinem Vater begonnenes Werk zu Ende geführt hat. Auf dem schon mehrfach genannten Platz oder Meidän von Säheb-äbäd befand sich außer einem kleineren Schlößchen, von dessen Loggia aus die Könige der Weißen Horde den Festspielen zusahen oder fremde Gesandte empfingen, noch ein großes Spital (bimärestän), das nur durch eine Mauer von der Moschee Uzun Hasans abgeschieden war. Diesem Spital vorgebaut war eine Terrasse, vor der sich eine starke Eisenkette hinzog, so daß kein Pferd sich dem Spital noch der Mauer nähern konnte. Zur Zeit Uzun Hasans und Ja'qübs lebten nach dem Zeugnis des venezianischen Kaufmannes^ mehr als tausend Bedürftige und Sieche in diesem Spital, dessen geräumige Zimmer mit Teppichen ausgelegt waren. Innen sei es noch schöner geschmückt gewesen als die Moschee. In der angeschlossenen Armenküche wurde auf Kronskosten Essen ausgegeben. Diese für die damalige Zeit ungewöhnlich soziale Einrichtung, die nach Ja'qObs Tod verfiel, stellte sich dem von Uzun ISasans Bruder Dschehängir in Mardin gestifteten Spital würdig zur Seite, in dem Barbaro 1474 freundliche Aufnahme gefunden hatte, als er von Cypem aus nach Tabriz imterwegs war^. An geistlichen, auf Uzun Qasan zurückgehenden Bauten sind weiter zu nennen zwei Moscheen (in Abhar und Terdschän®), zwei armenische Kirchen (!) bei Erzindschän, eine dem Simeon, die andere Johannes dem Täufer geweiht*, sowie gegen vierhundert Klausen, Einsiedeleien imd Klöster^. Es ist übrigens bemerkenswert, daß Uzun Qasan Klima tmd Landschaft von Terdschän so schätzte, daß er eine Stadt ^ ' » *

S. 177/8. B a r b a r o , Viaggio 28b. B u d a q MonSi 271b; E v l i j ä ü, 201. Zeno bei B e r c h e t 134.

» T'AA

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Kultur- und VerfagBungsgeschichte der Weißen Horde

namens Hasan-äbäd dort zu erbauen gedachte, von welchem Plan die eben genannte Terdschäner Moschee Zeugnis ablegt; nach der Niederlage vom 12. August 1473 konnte freilich von der Verwirklichung solcher Absichten nicht mehr die Rede sein^. In Tabriz geht femer der schöne, Qaisarijjä genannte Marktplatz auf Uzun Qasan zurück, der achteckig und sehr geräumig war imd wo die kostbarsten Waren wie Edelsteine, seltene Stoffe usw. verkauft wurden^. Berühmt wurde auch die Festung Hasan-Q(il% zwei Tagemärsche östlich von Erierüm, auf einem alleinstehenden steUen Fels erbaut". Ausgebaut wurden unter Uzun Qasan die Burgen in Nachtschevän, Qojlu-Qi^är, Erierüm und wohl auch in Salmäs; denn die Vermutung MINORSKIJS* erscheint mir durchaus wahrscheinlich, wonach die verstümmelte Inschrift auf Uzun Qasan Bezug nimmt, die CHANYKOV dort (in Salmäs) an der Festung Güvertschin-Qal'e, der „Taubenburg", las und die sich auf einem in den Urmia-See vorspringenden Felsen befindet®. Auf Uzun Qasan gehen endlich zurück eine über den Euphrat nördlich von Erierüm führende Steinbrücke, die der Weißen Horde die Möghchkeit rascher Einfälle in das reiche Georgien sicherte, sowie die Münze in Erzindschän in der Nähe des Derwischklosters der Mevlevl, in dem der Sohn des Großmeisters Dscheläl ed-Din Rümf begraben liegt^. Abschließend seien noch die Bauten gestreift, die auf Uzun Hasans Gemahlin Seldschük-Schäh Begüm zurückgehen. Sie besaß sowohl zu seinen Lebzeiten als auch unter der Herrschaft ihres Sohnes Ja'qüb gewichtige Stimme im Rat und genoß hohes Ansehen bis zu ihrem Tod im November des Jahres 1489. Von ihr gestiftet war im besonderen der Erweiterungsbau der Freitagsmoschee in Tabriz, auf die sie viel Mühen und Kosten 1 E v l i j ä ii, 202. 2 C h a r d i n ii, 322. » E v l i j ä ii, 249; T a v e r n i e r i, 21.

* La Perse, S. 23, Anm. 32. ' Vgl. die Zeitschrift „Coucoae", Tiflis 1852, Nr. 22. • E v l i j ä , übers, von H a m m e r , 187, 202.

Inneres der ,BIauen Moschee' Dschehanschahs in Tabriz Aus J. d e M o r g a n , Mission

Scientifique

en Perse, Bd. I, Abb. 179, S. 328

Das geistige Leben am Hofe der Weißen Horde

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verwandte. An der Stelle der alten Gebetnische {Qibla) ließ sie eine hohe Kuppel errichten, deren Wölbungen mit bunten Fayence-FUesen ausgelegt wurden^. Das geistige

Leben

am Hof der Weißen

Horde

Einer der bedeutendsten Gelehrten des damaligen Morgenlandes, der Astronom 'Ali Q u s c h t s c h y aus Samarqand, lebte eine Zeitlang am Hofe Uzun Qasans, als dieser gerade auf dem Höhepunkt seiner Machtentfaltung angelangt war, d. h. in den Jahren 1470—72. 'Ali Quschtschy war am Hofe Ulug Begs, des Enkels Timurs und Nachfolgers Schäh-Rochs, aufgewachsen, wo sein Vater Muhammad das Amt eines Falkners (türkisch: quschtschy) inne gehabt hatte. Ulug Beg^ ist berühmt geworden weniger als Herrscher denn als Wissenschaftler, besonders durch seine Sternwarte in Samarqand und die in seinem Auftrag und unter seiner Mitwirkimg entstandenen astronomischen Tafeln. Als Ulug Begs gelehrte Mitarbeiter gestorben waren, hatte er in 'Ali Quschtschy einen neuen gefunden. Er war jünger als der 1394 geborene Ulug Beg, der in der Vorrede zu seinen Tafeln von ihm schreibt: „Hierauf wurde der ehrenwerte Sohn® ^All ihn Muhammad Quschtschy herangezogen, der sich bereits in seiner Jugend in den Wissenschafien auszeichnete.^'' 'Ali Quschtschy war für Ulug Beg tatsächlich nicht nur ein Gelehrter, sondern auch sein bester Freund, vor dem er keine Geheimnisse hatte*. Sogleich nach dem Tode Ulug Begs (25. oder 27. Oktober 1449) hatte dessen Sternwarte ihre Tätigkeit eingestellt; 'Ali Quschtschy, der letzte bedeutende Astronom des islamischen Morgenlandes, verließ Samarqand. Als nächstes erwähnen die Quellen seine Absicht einer Pilgerfahrt und sein Erscheinen in Tabriz bei Uzun Hasan; doch kann dies nicht vor 1470 gewesen 1 T'AA 2 1 6 b - 2 1 8 a . 2 Vgl. B a r t h o l d - H i n z .

3 Sedillot, Prol. 290: farzand-e arimand. * B a r t h o l d - H i n z , S. 165. H i n z , Irans Aufstieg

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sein. Jedenfalls überhäufte der Herrscher den Gelehrten mit Gunsterweisen^. 1471 (oder 1472) sandte ihn Uzun Hasan mit einer Großbotschaft zu Meljmed dem Eroberer, der 'Ali Quschtschy mit höchsten Ehren aufnahm, ihm aber die Rückkehr nach Tabrlz verwehrte. Er begleitete den Großherm dann bei dessen Feldzug gegen die Weiße Horde (1473) und erhielt nach dem Wiedereinzug in Stambul eine Lehrerstelle in der Medrese der Hagia Sophia, mit einem täglichen Gehalt von 200 ^gfscÄe( = 40Mark). 1474 starb er in Stambul und wurde in EjjOb begraben^. Durch reichlich bemessene Zuwendungen suchte Uzun [Hasan zahlreiche Gelehrte an seinen Hof zu ziehen, teils wohl, um diesen im Wettbewerb mit Herät, Stambul und Cairo möglichst glanzvoll erscheinen zu lassen, teils aber aus Neigung und persönlicher Anteilnahme an wissenschaftlichen Fragen®. Von den Gelehrten, die bei Terdschän in Mehmeds Hände fielen, werden M o u l ä n ä M a ^ m ü d Scharil;Ll (später Z)e/(er