Die Religionen Irans


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German Pages 393 [204] Year 1963

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Die Religionen Irans

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Die Religionen der Menschheit

Die Religionen Irans

Herausgegeben von

von

CHRISTEL MATTHIAS SCHRODER

GEO WIDENGREN

Band 14

W. KOHLHAMMER VERLAG STUTTGART

W. KOHLHAMMER VERLAG STUTTGART

Bild auf dem Schutzumschlag: Belehnung des Fürsten Ardashir II. durch Ahuramazda. Links Mithra ais Sonnengott. Tâk-é Bostan bei Kermânshâh · 4. Jahrh. v. Chr.

Venerando Ordini Theologorum Universitatis Argentoratensis hune librum auctor dedicavit

Alle Redue vorbehalten © 1965 W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart DruclGayomart), das erste Men­ schenpaar Masyak und Masyanak, Haosya1Jha (>Hosang) und Taxma Urupi (> Taxmoruw) 6• Von Gayomart und dem ersten Menschenpaar wurde in einem verloren­ gegangenen Nask, Cihrdat-Nask, erziihlt; eine kurzeZusammenfassung findet man in Dënkart VIII 13: 1-4 (DkM, S. 688 f.). Auch der Husparam-Nask lieferte wenigstens eine Anspielung auf einen Mythus vom ersten Menschen­ paar (vgl. Dënkart VIII 31: 30). Varstmansr-Nask und Bay-Nask enthielten verschiedene Mitteilungen über Gayomart (vgl. Dënkart IX 32: 9-10; IX 53: 18); spiiter haben solche Pahlavischriften wie Bundahisn und Zatspram vieles mythische Material, das vorzarathustrisch oder jedenfalls nicht-zara­ thustrisch ist 7, daraus geschêipft. 4 V�-1. die instruktive und einleuchtende Darstellung bei Wikander, Der arische Mannerbund, Kap. V, S. 96-107, wo dies alles dargelegt wird. Eine Hauptstelle der Faridunsage ist Biruni, Chronology, übers. Sachau, S. 207; Text, ed. Sachau, S. 222: 6 ff.; vgl. auch S. 212 Übers. und S. 226 Text. 5 Vgl. Dumé�il, Aspe�ts de la fonction guerrière, S. 30; Widengren, La légende r�y�le de_ l Iran antique, S. 237 Anm. 1: hac vastryosïh i dën sitïkar pësak .. . bizi'sk!h ni.mut o mart�man. Die Heilkt!nde ist für die Zwillingsgotter der dritten Funkbon 1mmer beze1chnend, vgl. Widengren, a.a.O., und Wikander, Or Suec V!/1957, S. 66-96. Das Wort bizisk kommt von avest. baësaza = aind. bhi�aj-. 6 D1ese Urm:nschg;estalt�n hat Christensen behandelt, Les types du premier homme et du p_remier roi, 1. Hier werden die meisten einschliigigen Texte in übersetzun­ gen (te1lwe1se Jetzt veraltet) geboten und sehr gut analysiert.

2 \:gL Widengren, lranische Geisteswelt, S. 207, 210, wo die betr. Stellen übersetzt smd. Daz� treten vor allem die spiiteren, z. B. bei Firdausi und al-Biruni erhalte­ nen Überheferungen, vgl. unten S. 51 Anm. 4. 3 Vgl. Christensen, Smeden Kaviih og det persiske Rigsbanner.

7 \:gl. Widengren, lranische Geisteswelt, S. 72 ff., wo einige Textstellen übersetzt smd. Ferner Schaeder in Reitzenstein-Schaeder, Studien zum antiken Synkretis­ mus, S. 217 ff., wo eine Spezialbehandlung mit einer Auswahl von Texten und û_bersetzungen gegeben wird, und Hartman, Gayëimart, eine Monographie über d1esen Urmenschen mit vielem wertvollen Material, aber z. T. wenig einleuch­ tenden Hypothesen.

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r,i

10. Das Kèinigtum

JO. Das Konigtum a. Y i m a , Ur k o n i g u n d U rme n s c h Es gibt in Iran viele Urmensch- und Urkonigsgestalten, aber kaum eine bedeutendere als Yima, den Sohn Vivahvants. Dieser ist identisch mit dem indischen Yama, dem Sohne Vivasvants, hat also eine indo-irànische Vor­ geschichte. Dieselbe Gestalt hat sich indessen in Indien und in Iran in ver­ schiedener Richtung entwickelt 1. Yama - der Name bedeutet wie Yima ,,Zwilling" 2 - ist vor allem der Herrscher in der Totenwelt, wahrend bei Yima der Typus des Urkonigs dominiert 3• ln dem Mythus, der in Vendidad Kap. 2 zu lesen ist, finden sich indessen Züge, die offenbar der gemeinsamen arischen Vergangenheit angehoren. So etwa die dreimalige Ausweitung der Erde, die Yima infolge der überbevolkerung der Erde durch die Menschen und ihre Haustiere bewerkstelligt. Auch nach indischer Anschauung war die Erde zuerst klein, wurde aber dann durch Gotter und derartige Gestalten er­ weitert. Besondere Einzelheiten, die wir in diesem Zusammenhang zwar nicht in der jetzigen iranischen, wohl aber in der indischen Fassung der Erzahlung antreffen, lassen sich anhand spateren, folkloristischen Materials wohl als einst auch iranisch nachweisen. Die übervolkerung der Erde selbst hat eben­ falls in dem gro:Ben indischen Epos Mahabharata ihre Parallelen 4• Man hat in der Yima-Erzahlung Reminiszenzen an eine Sintflutsage ver­ mutet. Von einer solchen findet man jedoch kaum eine Spur. Zwei Motive sind miteinander kombiniert: das goldene Zeitalter, das Zeitalter Yimas, und die Wohnung der Seligen in dem unterirdischen Raum, vara, wohin sie unter Yimas Führung ihre Zuflucht nehmen, weil die von nun an regelmafüg auf­ tretenden Winter îhr normales Dasein bedrohen. Es ist mit Recht hervorgehoben worden, da:B der Mythus vom Zoroastris­ mus unabhangig ist; er ist nur au:Berlich zoroastrisiert. Denn es entspricht nicht der zoroastrischen Anschauung, da:B der Unterschied zwischen guten und schlechten Wesen, der im Text deutlich hervortritt, nicht zugleich auch, wie im ursprünglichen Zoroastrismus 5, ein ethischer ist, sondern nur ein Ausscheiden l Zu diesem Abschnitt vgl. Widengren, Iranische Geisteswelt, S. 263-267, und den interessanten Aufsatz von Molé, IIJ, 111/1959, S. 282 ff., bes. S. 290-298. über den indischen Yama vgl. Oldenberg, Die Religion des Veda, S. 280 f., 532 ff. 2 Vgl. Oldenberg, a.a.O., S. 280; in der iranischen Sprache yima>yim>mir. gam(ik), vgl. Schaeder, lranica, S. 23 Anm. 4, zum manichiiischen Sprachgebrauch. 3 Das Yima betreffende Material ist gesammelt von Christensen, Les types du premier homme et du premier roi, II, S. 1-80. Eine modernere Übersetzung der wichtigsten Textabschnitte bei Widengren, a.a.O., S. 267-279. 4 über diese indischen Entsprechungen vgl. vor allem Hertel, Die Himmelstore im Veda und im Awesta, S. 32 ff., und Lommel, Die Yiist's, S. 196 ff. 5 Vgl. unten S. 76 ff. die Darstellung der Lehre Zarathustras.

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von korperlich Kranken und Schwachen bedeutet. Dieser Abgang der Besten bat ferner zur Folge, da:B die in der korperlichen Welt zurückbleibenden Men­ schen die schlechtesten sind. Diese pessimistische Sicht widerspricht durchaus dem zoroastrischen Optimismus 6• Den Raum, vara, naher zu bestimmen, den Yima auf Befehl Ahura Mazdas anlegen lie:B, ist nicht ganz leicht. Man hat ihn auf verschiedene Weise auf­ gefa:Bt. Ganz deutlich ist jedoch damit ein unterirdischer Ort gemeint, wo Sonne, Mond und Sterne nicht leuchten (vgl. Vd. 2: 40). Dieser Ort hat drei Stockwerke, die man als das oberste, mittlere und unterste versteht (vgl. Vd. 2: 30). Auch die Pahlavi-Quellen bestatigen, da:B vara als eine unterirdische Wohnung gedacht ist 7. Nun hat man bei den russischen Ausgrabungen in Ostiran (im alten Xwarizm) gewisse Anlagen gefunden, die man mit dem von Yima angeleg­ ten vara glaubt gleichsetzen zu konnen. Man rekonstruiert dabei den Grund­ ri:B der xwarizmischen ,,Wohnmauersiedlungen" so, da:B es sich um eine quadratische Siedlung einer ganzen Sippe handelt, bei der jede Seite von einer Wohnmauer-Siedlung, vara, in Anspruch genommen ist. In diesem vara be­ fanden sich nebeneinander drei lange, gewolbte, korridorartige Raume, die den Menschen als Wohnung dienten. Der quadratische leere lnnenhof der Siedlung dagegen cliente dem Vieh ais Hürde. Dann ist man allerdings ge­ notigt, den Text Vd. 2: 30 so zu verstehen, da:B die Raume nicht untereinan­ der, sondern nebeneinander lagen, und dann zu übersetzen: ,,breit", ,,mittel­ gro:B" und ,,schmal", statt ,, oberst", ,,mittler" und ,, unterst" 8• Eine derartige übersetzung ist zwar formalphilologisch gesehen nicht unmoglich, aber kei­ neswegs als unmittelbar einleuchtend zu bezeichnen. Eine gewisse Zurück­ haltung ist daher geboten, auch wenn der vorausgesetzte archaologische Hin­ tergrund gewi:B sehr erwagenswert bleibt. Yima ais eine indo-iranische Gestalt gehort von Anfang an nicht dem Zoroastrismus an, aber auch nicht zu den von Zarathustra ererbten nationalen überlieferungen. lm Gegenteil: Zarathustra hat Y. 32: 8 ein sehr abfalliges 6 Zu den parallelen indischen Zeugnissen vgl. Hertel, a.a,O., S. 23 ff. Über den nichtzoroastrischen Charakter der Erziihlung vgl. Lommel, a.a.O., S. 199. 7 Vgl. Bundahisn XXIX 14, ed. Anklesaria, S. 210: 12 ff., und Mënok i xrat LXII 15. Vgl. auch Christensen, Les Kayanides, S. 89. Das Wort vara ist offenbar mit dem aind. vara, ,,Raum", identisch. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum AirWb 1363 das Wort ais var- auffaBt. Die niihere Bedeutung des Pahlaviwortes var, das in der Vendidadübers. gebraucht wird, ist etwas unbestimmt, es wird indessen ais .Bezirk" verstanden, aber "Wehr" wiire wohl besser; über diese Bedeutung von var vgl. Bailey, Zoroastrian Problems, S. 222 (.estate"). 8 Vgl. Tolstov, Auf den Spuren der altchoresmischen Kultur, S. 103 ff. Hertels Deu­ tung (a.a.O., S. 11-40), vara wiire das Himmelsgewèilbe, schon an sich sehr wenig wahrscheinlich - die Pahlavitradition spricht ja dagegen - (obgleich von Nyberg, RAI, S. 440, akzeptiert), wird angesichts des neugefundenen archiiologischen Hin­ tergrundes erst recht unannehmbar. Molé, a.a.O., S. 291, akzeptiert restlos die Er­ kliirung T olstovs.

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1. Die vorzarathustrische Periode

1O. Das Ki:inigtum

Urteil über Yima geauEert, weil dieser die Menschen veranlaEte, das Rind zu essen. Andererseits wird gesagt, daE Vivahvant, der Vater Yimas, als erster den Haoma gekeltert habe, um Yima ais Sohn zu bekommen (Y. 9: 3-5) 9• Der Haoma-Kultus ist also wie auch die Schlachtung des Rindes mit Yimas Namen verknüpft, und man ist geneigt gewesen, in Yima den Ver­ treter eines dem Zoroastrismus besonders unsympathisch erscheinenden Kultes zu sehen und ihn mit der vom altesten Zoroastrismus verponten Mithra­ verehrung in Zusammenhang zu bringen 10• Ais spezifische Sünde Yimas wird aber sonst (Yt. 19) die ,,unwahre Lügen­ rede" erwahnt. Die Texte führen auch den Hochmut ais seine personliche Sünde gegen Gott an 11• Ais Yima gelogen hatte, verlieE ihn der Glücksglanz, der nach iranischer Anschauung für alle legitimen Kônige bezeichnend ist, das xvarnah (vgl. unten S. 58). Dreimal entwich das xvarnah und wurde, dem dreifunktionellen System entsprechend, zuerst von Mithra, dem Vertreter der ersten Funktion, dann von 0raëtaona, dem der dritten, und zuletzt von Kgrgsaspa, dem der zweiten, in Besitz genommen 12• Bedeutet die hier durchgeführte, recht eigen­ tümliche Reihenfolge (erste, dritte und zweite Funktion), daE der konigliche Glücksglanz endgültig bei der zweiten Funktion der Gesellschaft und damit bei deren Reprasentanten, dem Kriegerstand, geblieben ist? Unbezweifelbar ist jedenfalls, schon nach Yt. 19: 35-36, 38 zu urteilen, daE der konigliche Glücksglanz mit allen drei Funktionen der Gesellschaft in Beziehung steht, so wie der Konig selbst mit den drei Standen verbunden ist (vgl. unten S. 55, 57). Als Yima den Glücksglanz verlor, war er dem Angriff des Béisen Geistes wehrlos ausgeliefert. Dieser lieE gegen ihn u. a. Aësma, Dahaka und Spityura los. Yima muEte fliehen, und die Pahlavi-Oberlieferungen, die hier wie sonst alteren Stoff verwerten, wissen allerlei über seine Wanderungen und Aben­ teuer zu erzahlen. Hier ist vor allem auf die in Dënkart, Ayatkar i Zamaspïk und Pahlavi Rivayat zu Datastan i Dënïk enthaltenen überlieferungen auf­ merksam zu machen. Besonders wertvoll ist der Dënkart, weil hier auf die Verwendung avestischen Materials deutlich hingewiesen wird 13•

Wichtig ist, daE die Verwandten-Ehe auf Yima zurückgeführt wird, denn auch dieser Umstand verweist auf eine ursprüngliche nicht-zoroastrische Um­ gebung 14• Wenn allerlei Tiere und Mischgestalten ais aus Yimas Ehe mit einer Damonin, einer Pairika, stammend ausgegeben werden (Pahl. Riv. Dat. i Dënïk, VIII), ist daran zu erinnern, daE Yima ais eine Art Karnevalskonig im Mittelpunkt des Jahresfestes steht und daE in seinem Gefolge allerlei son­ derbare Mischgestalten auftreten, deren mythisch-folkloristische Niederschlage wir eben in unseren Pahlavi-Texten antreffen (vgl. oben S. 49). Yima ist ais Kéinig des goldenen Zeitalters ganz besonders der Friedens­ konig. Seine Natur ist die der Sonnenkonige. Seine Epitheta bringen dies deutlich zum Ausdruck: ,,der Glanzreichste unter den Geborenen, x,varanavu­ hastamo zatanqm, der Sonnenaugige unter den Menschen, hvara.daraso masyanqm" (Y. 9: 4). Es gibt in der indo-iranischen überlieferung zwei Typen von Konigen, den friedlichen und den kriegerischen. ln Iran wie in Indien verkôrpern die Sonnenkônige wie Yima im Gegensatz zu den kriege­ rischen Mondkéinigen die friedfertigen Herrscher 15• Yima ist der Kosmoskonig, der die héichste Macht auf der siebenteiligen Erde ausübt und über alle Lander, über Deven und Menschen (d. h. ursprüng­ lich: über Gotter und Menschen, was die alte Formel besagte, vgl. oben S. 20), herrscht (Yt. 5: 26 und Yt. 19: 31). Yima ist auch der dreifunktionelle Kéinig, der Herrscher, der in seiner Person aile drei sozialen Funktionen, alle drei Stande, vertreten kann. Er ist im Besitz der Herrschaft, zugleich ist er der Herdenreiche, hvq{}wo, aber er führt auch den Krieg gegen die Damonen 16• Dementsprechend wird er als "fromm" (oder ,,gerecht", asavan-), ,, stark" und ,,herdenreich" bezeichnet (Yt. 13: 130). Deshalb hat er auch das dreifache xvarnah in seinem Besitz, das sich, wie wir soeben sahen, auf die drei Funktionen verteilt. Doch ist wegen seiner friedlichen Natur als Sonnenkonig der kriegerische Aspekt am schwachsten entwickelt. Eben dieser friedliche Charakter macht es ihm schwer, sich gegen den Usur­ pator Azi Dahaka (Pahlavi: Azdahak) zu verteidigen. Er führt keinen wirk­ lichen Kampf gegen diesen, sondern weicht ihm aus und verbirgt sich auf der weiten Erde. Aber zuletzt wird er doch entdeckt und von dem Bruder Azdahaks, Spityur, ergriffen und mit einer Sage zerstückelt. Andere Texte

9 Auch der indische Yama steht in engem Zusammenhang mit