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German Pages [151]
UTB 3261
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Philip Clart
Die Religionen Chinas – Reader
Vandenhoeck & Ruprecht
Dr. Philip Clart ist Professor fr die Kultur und Geschichte Chinas an der Universitt Leipzig.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8385-3261-5 (UTB) ISBN 978-3-525-03919-9 (Vandenhoeck & Ruprecht) 2009, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen, Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile drfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages çffentlich zugnglich gemacht werden. Das gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung fr Lehr- und Unterrichtszwecke. Produced in Germany.
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
Das Buch der Urkunden: Die Große Verkndigung .
9
Bronzeinschriften der Zhou-Zeit . . . . . . . . . . . .
11
Das Buch der Lieder (Shijing) . . . . . . . . . . . . .
13
Konfuzius: Gesprche (Lunyu) – Auszge . . . . . .
16
Das Große Lernen (Daxue) – Auszge . . . . . . . .
24
Maß und Mitte (Zhongyong) – Auszge . . . . . . .
26
Menzius – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Xunzi – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
Mozi – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
Daode jing – Auszge
. . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Zhuangzi – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
Das Buch der Wandlungen (Yijing) – Auszge . . .
60
Die Gesnge von Chu (Chuci) – Auszge . . . . . . .
68
Ge Hong: Biographien der gçttlichen Unsterblichen (Shenxian zhuan) – Auszge . . . . .
74
Herz-Sutra (Hr. dayasu¯tra, Xinjing) . . . . . . . . . . .
78
6
Inhalt
Meister Mous Erluterung der Missverstndnisse (Mouzi lihuo lun) – Auszge . . . . . . . . . . . . . .
80
Die Schrift der Reinheit und Stille (Qingjing jing) .
83
Lotos-Sutra: Das Universelle Tor des Bodhisattva Avalokites´vara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
Die Niederschrift von der Smaragdenen Felswand (Biyanlu) – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Shandao: Abhandlung ber den Weißen Pfad zwischen zwei Flssen . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
Han Yu: Denkschrift ber die Buddhareliquie . . . . 102 Zhang Zai: Westinschrift . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Zhou Dunyi: Die Tafel des Urprinzips . . . . . . . . . 108 Zhu Xi: Regeln der Akademie der Weißhirschgrotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Yuan Huang: Die vier Instruktionen des Liaofan (Liaofan sixun) – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . 113 Traktat des Hçchsten ber Taten und ihre Folgen (Taishang ganying pian) – Auszge . . . . . . . . . . 126 Wang Yangming: Erkenntnis und Handeln sind eins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Luo Qing: Fnf Bcher in Sechs Bnden (Wubu liuce) – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Die Gedichte von Hanshan – Auszge . . . . . . . . 140
Inhalt
7
Die Aufzeichnungen von der manifestierten Heiligkeit der Himmelsprinzessin (Tianfei xiansheng lu) – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Yuan Mei: Wovon Konfuzius nicht sprach (Zibuyu) – Auszge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Vorwort
Dieser Reader ist als Beiheft zum Lehrbuch „Die Religionen Chinas“ (UTB 3260) konzipiert. Er enthlt Auszge aus der reichen religiçsen Schrifttradition Chinas, darunter sowohl anerkannte kanonische Klassiker wie auch Texte aus volksreligiçsen Traditionen und literarische Werke mit religiçser Thematik. Der begrenzte Raum erlaubt keine reprsentative Abdeckung aller Bereiche der religiçsen Textgeschichte Chinas, so dass eine Auswahl getroffen wurde, die sich hauptschlich an den Bedrfnissen der Komplementaritt des Readers zum Lehrbuch orientiert. Existierte fr einen Text bereits eine gute deutsche bersetzung, so wurde diese herangezogen und als Quelle nach dem jeweiligen Textauszug angegeben. Solche bestehenden bersetzungen wurden in Orthographie und chinesischer Lateinumschrift dem Standard des Lehrbuchs und Readers angepasst, wobei zum Beispiel die ltere Wade-Giles-Umschrift in das moderne Pinyin-System transkribiert wurde. Darber hinausgehende Modifikationen wurden jeweils vermerkt. Texte ohne Quellenangabe sind fr den Reader eigens neu bersetzt worden. Jeder Quellentext wird von einem kurzen Absatz mit Informationen zu Autor, Inhalt und Textgeschichte eingeleitet. Die Texte erscheinen in der Reihenfolge ihrer Erwhnung im Lehrbuch. Leipzig, im August 2009 Philip Clart
Das Buch der Urkunden: Die Große Verkndigung
Das Buch der Urkunden als einer der Fnf Klassiker enthlt einige der ltesten Texte der chinesischen Schrifttradition, aber auch viel sptere, erst im 4. Jh. n. Chr. verfasste Elemente. Mehrheitlich nimmt die Forschung an, dass die gao („Verkndigungs“)-Kapitel zur ltesten Textschicht gehçren. Eines dieser Kapitel, welches gute Einblick in das politisch-religiçse Legitimationsdenken der frhen Zhou-Zeit gibt, ist hier wiedergegeben.
Der Kçnig sprach wie folgt: „Ich gebe Euch eine große Verkndigung, Euch meinen Lehnsfrsten und Sachwaltern. Ohne Unterlass und Gnade schickt der Himmel Unheil auf uns herab. Wie immens und zahlreich sind die Aufgaben, die ich trotz meiner jungen Jahre geerbt habe! Ich besitze nicht einmal die Weisheit, das Volk zum Frieden zu fhren, wie kçnnte ich das Mandat des Himmels verstehen? Oh, ich bin nur ein kleines Kind. Soll ich ein tiefes Wasser berqueren, so muss ich einen Ort finden, wo ich bersetzen kann. Ich muss das Reich und das Mandat, das ich von meinen Vorgngern erhalten habe, erweitern; diese große Aufgabe werde ich nicht vergessen. Gleichzeitig wage ich es nicht, mich der vom Himmel herabgesandten Gewalt zu verschließen. Ich verwendete die unschtzbare Schildkrçte, die mir die seligen Kçnige hinterlassen haben, um den hellen Willen des Himmels zu bermitteln. Das Ergebnis lautete: ,In den Westlanden gibt es große Schwierigkeiten und die Menschen dort sind unruhig.‘ Daher schleichen sie umher [und stiften Unruhe]. Wenn Yin auch klein ist, so wagt es doch, an seine Herkunftslinie anzuknpfen. Da der Himmel nun seine Gewalt herabsendet, weiß [der Frst von Yin], dass unser Reich Mngel hat und das Volk nicht friedvoll ist, und so sagt er : ,Wir werden zurckkommen!‘, und er verachtet unser Zhou-Reich. [Die Aufrhrer] schleichen und schwrmen aus, jedoch am selben Tag kommen mir zehn Mnner aus dem Volk zu Hilfe bei
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Das Buch der Urkunden
der Erlangung des Werkes des seligen [Kçnigs] Wu. Diese meine große Aufgabe wird erfolgreich sein; auch meine Divination ist glcksverheißend. Daher sage ich Euch, Ihr wohlgesonnenen Lehnsfrsten, Ihr Minister, Staatsdiener und Sachwalter : Ich habe ein glcksverheißendes Orakel erhalten und werde mit der Hilfe der Lehnstmer den abtrnnigen Vasallen von Yin angreifen. Darauf erwidert Ihr alle, die Ursache fr die großen Schwierigkeiten und die Unruhe des Volkes fnde sich im Palast des Kçnigs und den Husern der Lehnsfrsten. Da die Rebellen ehemals meine Sttze waren, solle ich sie nicht angreifen. Warum wende ich mich nicht gegen das Orakel? Auch ich, jung wie ich bin, denke an die Schwierigkeiten und sage: Oh weh und ach, dieses hinterhltige Tun wird sicherlich schutzlosen Witwern und Witwen schaden. Als Diener des Himmels ist mir diese schwere Aufgabe auferlegt worden, aber ich bedauere mich nicht selbst. Und Ihr Lehnsfrsten, Minister, Staatsdiener und Sachwalter solltet mich trçsten und sagen: ,Grmt Euch nicht. Bestimmt werdet Ihr die Plne Eurer seligen Ahnen erfllen!‘ Jawohl, ich kleines Kind wage es nicht, mich dem Befehl des Hçchsten Di zu entziehen. Der Himmel war den seligen Kçnigen geneigt und erhob unseren kleinen Zhou-Staat. Durch die Verwendung des Orakels konnten die seligen Kçnige dieses Mandat in Ruhe erhalten. Da der Himmel auf diese Weise nun dem Volk geholfen hat, mssen auch wir vom Orakel Gebrauch machen. Oh, der Himmel ist hell und ehrfurchtserregend, er sttzt die Grundlage [unserer Herrschaft]. [….] Stets denke ich: ,Der Himmel hat Yin zerstçrt wie ein Bauer [das Unkraut auf seinen Feldern]. Wie kçnnte ich es wagen, die Arbeit auf meinen Feldern unvollendet zu lassen. Der Himmel zeigte meinen seligen Vorgngern seine Gunst. Wie kçnnte ich das Orakel zunchst erschçpfend befragen und ihm dann nicht Folge leisten? Ich folge den Anweisungen meiner seligen Vorgnger, welchen wir unser Land verdanken. Nun da die Orakel alle glcksverheißend waren, werde ich mit Euch gen Osten vorrcken. Das Mandat des Himmels ist eindeutig und auch das Orakel besttigt dies.
Bronzeinschriften der Zhou-Zeit
Zahlreiche Bronzegerte wurden (und werden weiterhin) in Grbern der Zhou-Zeit gefunden. Die Inschriften dieser bei Ahnenopfern verwendeten Gefße und Instrumente geben Einblicke in die religiçse Mentalitt der zhou-zeitlichen Oberschicht.
a. Auf einem Bronzedreifuß (ding) des spten 8. oder frhen 7. Jh. v. Chr. Am renshen-Tag des ersten Viertels des fnften Mondes ließ Liang Qi diesen ehrwrdigen Dreifuß anfertigen. Er mçge ihn verwenden, um seinen erhabenen Ahnen Opfer darzubringen und ihnen seine Kindespiett zu bezeugen. Er mçge ihn verwenden, um fr reichlichen Segen zu beten, fr grenzenlose Langlebigkeit, fr vortrefflichen Dienst am Himmelssohn, fr eine beraus zahlreiche Nachkommenschaft, fr eine Lebensspanne von zehntausend Jahren ohne Ende. Mçgen seine Nachkommen [diesen Dreifuß] stets schtzen und verwenden. Quelle des chinesischen Textes: Olivier Venture, L’criture et la communication avec les esprits en Chine ancienne, Bulletin of the Museum of Far Eastern Antiquities 74 (2002), 35 – 65.
b. Auf einer Bronzeglocke des 6. Jh. v. Chr. Der Herzog von Qin sagte: „Groß und glanzvoll waren meine erhabenen Ahnen. Mit dem Mandat des Himmels schufen und besaßen sie einen Staat. Zwçlf Herzçge stiegen auf. Mit Hochachtung respektierten und ehrten sie das Mandat des Himmels, schtzten und ordneten ihren Staat Qin und befassten sich wachsam mit den Man und den Xia.“ [Der Herzog] sagte: „Obwohl ich nur ein kleines Kind bin, folge und gehorche ich leuchtender Tugend mit großem Ernst. Weise fhre ich die leuchtenden Gesetze aus. Fromm und ehrerbietig sind meine Opfer und daher erhalte ich reichlichen Segen. Ich eine und
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Bronzeinschriften der Zhou-Zeit
harmonisiere die Massen des Volkes. Morgens und abends erlasse ich Befehle, glanzvoll und tapfer, und alle gehorchen. Ich vereine und fçrdere die hundert mter, Verwalter und Ritter. Ich bin gebildet in zivilen wie militrischen Knsten. Ich besiege und befriede die, welche sich nicht an meinem Hof unterwerfen. Ich zhme und ordne die hundert Staaten, so dass sie Qin ihre Dienste erweisen. Ich mache diese edle und harmonische Glocke, deren Name ,Strke den Staat‘ sei. Ihr Klang ist rein und wunderbar. Dadurch bezeuge ich in glnzender Weise meine Kindespiett und erhalte berreichliche Segnungen, viele Gaben und langes Leben ohne Ende. Mçge ich lang und sicher den Thron besitzen, hohes und andauerndes Glck haben und alle vier Richtungen beherrschen. Schtzt diese Glocke in Ewigkeit.“ Quelle des chinesischen Textes: Gilbert L. Mattos, Eastern Zhou Bronze Inscriptions. In: New Sources of Early Chinese History : An Introduction to the Reading of Inscriptions and Manuscripts, hg. v. Edward L. Shaughnessy. Berkeley : The Society for the Study of Early China & The Institute of East Asian Studies, University of California, Berkeley, 1997, 85 – 123.
Das Buch der Lieder (Shijing)
Das Buch der Lieder, einer der Fnf Klassiker, enthlt 305 Lieder aus der Zeit zwischen ca. 1000 und 600 v. Chr. Die Tradition schreibt die Auswahl und Zusammenstellung des Textes Konfuzius zu. Es ist eine wichtige Quelle fr unser Wissen ber die Sitten und Gebruche der frhen ZhouPeriode.
Der große Opferdienst im Ahnentempel Wo wild Gestruch verworren stand, Riß man die Dornen aus mit Hnden; Warum ward das voreinst gethan? Daß unsre Hirsen Anbau fnden; Daß Hirs’ und reif im berfluß Und Opferhirse zum Verschwenden; Und wren unsre Speicher voll, Und tausend Feimen aller Enden, – Zu Speis’ und Wein sie zu verwenden, Zur Darbringung, zu Opferspenden, Um hinzutreten, einzuladen, Noch grçßern Segen herzuwenden. Voll Wrd’ und Anstand geh’n wir fein, Mit Stieren und Widdern rein, Zum Herbst- und Winteropfer ein. Die huten ab, Die kochen klein, Die richten zu, Die tragen ein. Der Beter opfert thrherein. Gar glnzend sind die Opferweih’n; Und herrlich zieh’n die Ahnen ein; Es freuen sich die Geisterreih’n, Dem frommen Enkel zum Gedeih’n; Sie lohnen ihm mit großem Segen, Sein Alter soll ohn’ Ende sein.
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Das Buch der Lieder
Am Herd’ ist eifriger Verkehr, Gewalt’ge Trachten stellt man her ; Der bratet und es rçstet Der. Die hohen Frau’n gehen still einher, Und richten an der Schsseln Heer. Die Fremden und die Gst’ umher Trinken sich zu in Kreuz und Quer Man feiert ganz nach Brauchs Begehr ; Lcheln und Wort sind schicklich sehr. Die Geister thun sich gndig her, Und lohnen es mit großem Segen, Zehntausend Jahren und noch mehr. Sind wir ermattet ganz und gar, Daß nichts am Brauch versumet war, So kommt dem weisen Beter Kunde, Der giebt’s dem Enkel dar : „Sß roch des frommen Opfers Weise; Die Geister freute Trank und Speise. Sie fgen, dass dich Glck umkreise, Gehoffterweis’, verdienterweise. Du zeigtest Eifer, bliebst im Gleise, Du thatst es recht, du sorgest weise: Sie schenken dir das Hçchst’ im Preise Zehntausend-, hunderttausendweise.“ Erfllt ist jeder Brauch zur Stunde, Es mahnten Glock’ und Pauk’ im Bunde, Der fromme Enkel ging zum Thron; Da kommt dem weisen Beter Kunde: „Satt ist des Weins der Geisterchor.“ Da steht der Todtenknab’ empor. Ihn leiten Pauk’ und Glock’ hinaus; Die gnd’gen Geister zieh’n nach Haus. Die Schaar der Diener und der Frauen Trgt alles ungesumt hinaus. Die Oheim’ aber und die Brder Vereinigt ein besondrer Schmaus.
Das Buch der Lieder
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Spielleute treten ein, mit Tçnen Den Folgesegen zu verschçnen; Und sind die Speisen aufgetragen, Fhlt Keiner Unlust, nur Behagen. Dann, satt von Speisen, satt vom Wein, Verneigt die Hupter Groß und Klein: „Die Geister werden, froh des Mahles, Lang Leben unserm Herrn verleih’n. Ganz willig, ganz zur rechten Zeit Erfllt’ er alles nach Gebhren. Ihr Sçhn’ und Enkel allzumal, Ermangelt nicht, es fortzufhren!“
Nachgedichtet von Victor von Strauß, Schı¯-kı¯ng: Das kanonische Liederbuch der Chinesen, Heidelberg 1880, 347 – 349.
Konfuzius: Gesprche (Lunyu) – Auszge
Die Gesprche sind eine Sammlung von Anekdoten ber Konfuzius sowie ihm zugeschriebenen Sprche und Dialoge, die ber mehrere Schlergenerationen hinweg gewachsen ist und ihre heutige Form im 3. Jh. n. Chr. erlangte. Im Folgenden wird eine kleine Auswahl aus den insgesamt 20 Kapiteln dieses in der chinesischen Religions- und Geistesgeschichte beraus einflussreichen Werkes prsentiert.
I,1 Konfuzius sprach: „Etwas lernen und sich immer wieder darin ben – schafft das nicht auch Befriedigung? Und wenn von fernher Gleichgesinnte kommen – ist das nicht auch ein Grund zur Freude? Von den Menschen verkannt zu werden, ohne dabei Verbitterung zu spren – ist das nicht auch eine Eigenschaft des Edlen? I,6 Konfuzius sprach: „Ein junger Mensch soll in der Familie ehrfrchtig und gehorsam gegenber seinen Eltern sein. Außer Haus begegne er den Menschen so, wie sich ein jngerer Bruder gegenber seinem lteren Bruder verhlt, mit Achtung und Aufrichtigkeit; er sei durchdrungen von Liebe zu allen und eng mit dem Guten verbunden. Wenn ihm bei all dem noch Kraft bleibt, dann soll er sich den Bchern widmen.“ I,11 Konfuzius sprach: „Zu Lebzeiten des Vaters folge seinem Willen; nach dem Tode des Vaters orientiere dich an seinen Taten. Wenn du lange Zeit nicht vom Weg des Vaters abweichst, kann man sagen, dass du dich ehrfrchtig und piettvoll verhltst.“ I,12 You-zi sprach: „Bei der Anwendung der Riten, bei der Beachtung der Umgangsformen lege man vor allem Wert auf Harmonie. Der Weg der frheren Kçnige zeichnete sich dadurch aus, dass sie in den großen wie in den kleinen Dingen des Le-
Konfuzius: Gesprche
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bens so handelten. Strebt man in Anbetracht von Schwierigkeiten nach Harmonie, weil man um deren Wert weiß, so ist dieses Ziel nur erreichbar, wenn man sein Handeln den Riten und Zeremonien, den allgemeinen Formen anstndigen Umgangs, unterwirft.“ II,1 Konfuzius sprach: „Wer nach sittlichen Grundstzen regiert, gleicht dem Polarstern; er behlt seinen Platz, und die anderen Sterne umkreisen ihn.“ II,3 Konfuzius sprach: „Will man Gehorsam durch Gesetze und Ordnung durch Strafe, dann wird sich das Volk den Gesetzen und Strafen zu entziehen versuchen und alle Skrupel verlieren. Wird hingegen nach sittlichen Grundstzen regiert und die Ordnung durch Beachtung der Riten und der gewohnten Formen des Umgangs erreicht, so hat das Volk nicht nur Skrupel, sondern es wird auch aus berzeugung folgen.“ II,4 Konfuzius sprach: „Als ich fnfzehn war, war mein ganzer Wille aufs Lernen ausgerichtet. Mit dreißig Jahren stand ich fest. Mit vierzig hatte ich keine Zweifel mehr. Mit fnfzig kannte ich den Willen des Himmels. Als ich sechzig war, hatte ich ein feines Gehçr, um das Gute und das Bçse, das Wahre und das Falsche herauszuhçren. Mit siebzig konnte ich den Wnschen meines Herzens folgen, ohne das Maß zu berschreiten.“ II,5 Meng Yi-zi fragte den Meister, wie man sich zu seinen Eltern verhalten soll. Konfuzius antwortete: „Man soll die Regeln der Achtung und des Gehorsams nicht verletzen.“ Als der Meister dann mit [dem Schler] Fan Chi unterwegs war und dieser den Wagen lenkte, sprach er : „Meng Sun [Meng Yi-zi] fragte mich, wie man sich zu seinen Eltern verhalten solle. Ich habe geantwortet: ,Man soll die Regeln der Achtung und des Gehorsams nicht verletzen.‘“ Fan Chi fragte daraufhin: „Was bedeutet das?“
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Konfuzius: Gesprche
Der Meister erwiderte: „Zu Lebzeiten der Eltern soll man ihnen so dienen, wie es sich ziemt. Wenn sie gestorben sind, soll man sie dem Ritual gemß bestatten und ihnen entsprechend Opfer darbringen.“ II,24 Konfuzius sprach: „Wer Geistern opfert, die nicht die eignen Ahnen sind, ist ein Schmeichler. Wer seine Pflicht kennt, sich ihr aber entzieht, ist ein Feigling.“ III,12 Konfuzius opferte den Ahnen, als stnden sie vor ihm. Er opferte den Geistern, als wren sie gegenwrtig. Konfuzius sprach: „Nehme ich nicht selbst an der Opferhandlung teil, so ist es, als htte ich kein Opfer gebracht. Man kann sich nicht durch andere vertreten lassen.“ IV,8 Konfuzius sprach: „Wer am Morgen den rechten Weg erkannt hat, kçnnte am Abend getrost sterben.“ IV,15 Konfuzius sprach: „Zeng Shen, es gibt einen Gedanken, der sich wie ein roter Faden durch meine Lehre zieht.“ Zeng-zi bejahte. Nachdem der Meister gegangen war, fragten die Schler : „Was bedeutet das ?“, und Zeng-zi sagte daraufhin: „Treu sein und immer das Rechte tun – das ist der Weg des Meisters, und nichts weiter!“ IV,16 Konfuzius sprach: „Der Edle ist mit seinen Pflichten vertraut; der Gemeine sieht nur den eigenen Vorteil.“ IV,18 Konfuzius sprach: „Dienst du deinen Eltern, dann kannst du ihnen auch in gebotener Zurckhaltung widersprechen. Siehst du aber, dass sie nicht gewillt sind, dir zu folgen, dann sei weiterhin ehrerbietig und widersetze dich nicht. Mhe dich fr sie, ohne zu murren.“ VI,22 [Der Schler] Fan Chi fragte, was Weisheit sei. Konfuzius antwortete: „Zu den Pflichten stehen, die man gegenber dem Volke hat,
Konfuzius: Gesprche
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die Geister verehren, aber nicht darin aufgehen – das kann man Weisheit nennen.“ Fan Chi fragte dann, was sittliches Verhalten sei. „Erst die Mhe, dann der Lohn – so verhlt man sich richtig“, erwiderte Konfuzius. VII,1 Konfuzius sprach: „Ich bermittle, aber ich schaffe nichts Neues. Ich glaube an das Alte und liebe es. Darin vergleiche ich mich unserem Lao Peng.“ VII,7 Konfuzius sprach: „Ich habe niemandem – sofern er nur etwas, und war es noch so wenig, mitbrachte – jemals die Unterweisung verweigert.“ VII,20 Konfuzius sprach: „Ich bin nicht mit Wissen geboren. Ich liebe das Altertum und erforsche es mit Eifer.“ VII,21 Worber der Meister nicht sprechen mochte, das waren Zauberei, Kraftstcke, Aufruhr und Geister. VII,22 Konfuzius sprach: „Unter Dreien ist bestimmt einer, von dem ich lernen kann. Ich suche die guten Eigenschaften heraus und folge ihnen. Ich sehe zugleich die schlechten Eigenschaften, um es besser zu machen.“ VIII,2 Konfuzius sprach: „Hçflichkeit, die weder Norm noch Grenze kennt, wird lstig. Ohne Norm und Grenze wird Vorsicht zu Furcht, Mut zu Auflehnung und Unordnung. Aufrichtigkeit, die keinen Anstand kennt, wirkt verletzend. Wenn der Herrscher seine Umgebung behandelt, wie es sich ziemt, wird sich das Volk daran ein Beispiel nehmen und das Rechte tun. Wenn der Herrscher die guten Traditionen nicht verwirft und alte Freunde nicht vergisst, dann sind auch dem Volke Gemeinheit und Niedertracht fremd.“ IX,8 Konfuzius sprach : „Weiß ich viel? Nein, durchaus nicht. Ein ganz gewçhnlicher Bauer fragt mich etwas, und ich fhle
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Konfuzius: Gesprche
mich bei seiner Frage wie leer. Aber ich betrachte das Problem von allen Seiten und beantworte ihm die Frage, so gut es nur geht.“ XI,12 Zi-lu fragte, wie man den Geistern dienen solle. Konfuzius antwortete: „Wer nicht den Menschen zu dienen versteht, wie kann der den Geistern dienen?“ Dann fragte Zi-lu nach dem Tode, und der Meister gab zur Antwort: „Wer noch nicht das Leben kennt, wie will der wohl den Tod begreifen?“ XII,1 Yan Hui wollte wissen, was sittliches Verhalten sei. Konfuzius antwortete ihm: „Sich selbst berwinden, die eigenen Wnsche und Begierden bezwingen, sich von Anstand, Hçflichkeit und guten Sitten leiten lassen, das ist sittliches Verhalten. Wer nur einen Tag so handelt, wird schon von allen ob seines guten Verhaltens gelobt. Es hngt von uns selbst ab, das Rechte zu tun. Oder muss man sich dabei etwa auf andere verlassen?“ Yan Hui bat um eine Erluterung. Da sprach Konfuzius: „Was sittenwidrig ist, darauf schaue nicht und das hçre nicht; so etwas sage weder, noch tue es.“ Yan Hui erwiderte: „Obwohl ich etwas unbeholfen bin, werde ich mich bemhen, nach Euren Worten zu handeln.“ XII,5 Si-ma Niu sprach traurig: „Alle anderen haben Brder, nur ich nicht.“ Zi-xia entgegnete: „Ich habe gehçrt, Tod und Leben haben ihre Bestimmung, Reichtum und Ansehen hngen vom Willen des Himmels ab. Wenn der Edle gewissenhaft seine Pflicht tut, ohne zu fehlen, und anderen Menschen stets mit Achtung und Hçflichkeit begegnet, wie es den bewhrten Regeln des Zusammenlebens entspricht, dann sind innerhalb der vier Meere alle Menschen seine Brder. Wie kann er da betrbt sein, dass er ohne Bruder ist?“ XII,11 Jing-gong [Herrscher von Qi] fragte Konfuzius, was Regieren heiße. Der Meister antwortete ihm: „Der Herrscher muss Herrscher sein, der Untertan muss Untertan bleiben. Der Vater
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sei Vater, der Sohn Sohn.“ Jing-gong meinte dazu: „Das ist gut! Denn wenn der Herrscher nicht Herrscher, der Untertan nicht mehr Untertan, der Vater nicht Vater und der Sohn nicht Sohn ist, dann htte ich selbst bei einer guten Ernte wohl kaum etwas zu essen.“ XIII,18 Der Prfekt von She unterhielt sich mit Konfuzius. Dabei sagte er : „Hier sind die Menschen wahrhaft aufrichtig. Der eigene Sohn bringt es zur Anzeige, wenn sein Vater ein Schaf gestohlen hat.“ Dazu bemerkte der Meister : „Bei uns ist das anders. Bei uns deckt der Vater den Sohn, und der Sohn deckt den Vater. Darin liegt Aufrichtigkeit.“ XIV,30 Konfuzius sprach: „Es kmmert mich nicht, wenn mich die Menschen nicht kennen. Es kmmert mich aber, wenn es mir an Fhigkeiten mangelt.“ XIV,34 Jemand fragte den Meister : „Soll man mit Gte vergelten, wenn einem Unrecht geschieht?“ – „Womit willst du dann Gte vergelten? Unrecht ist mit Gerechtigkeit, Gte mit Gte zu vergelten“, entgegnete der Meister. XIV,35 Konfuzius sprach: „Niemand kennt mich.“ – „Wie meint Ihr das?“, wollte Zi-gong wissen. Der Meister erwiderte: „Ich verble es dem Himmel nicht, ich hadere nicht mit den Menschen. Unten fing ich zu lernen an, zu Hohem will ich vordringen. Einzig der Himmel kennt mich.“ XIV,41 Konfuzius sprach: „Wenn die Herrschenden die allgemeinen Umgangsformen und Anstandsregeln befolgen, dann ist das Volk leicht zu regieren.“ XIV,43 Yuan Rang [ein alter Bekannter des Meisters] hockte auf dem Boden. Er verharrte in dieser Haltung und wartete, dass Konfuzius zu ihm herantrat. Der Meister sagte zu ihm: „Als Junge warst du nicht artig und bescheiden, als Erwachsener hast du nichts Nennenswertes geleistet. So lebst du immer weiter – wie ein
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Konfuzius: Gesprche
Tagedieb.“ Er nahm seinen Stock und schlug ihn auf die Schienbeine. XV,1 Ling-gong [Herrscher im Staate Wei] wollte die Meinung des Meisters zu Regeln der militrischen Taktik hçren. Doch Konfuzius meinte: „ber die Regeln des Anstands und die Riten habe ich viel gehçrt. Von militrischen Regeln dagegen verstehe ich nichts.“ Am nchsten Tag verließ der Meister den Staat Wei. XV,5 Konfuzius sprach: „Das Reich in Ordnung halten und selbst dabei ruhig und gelassen bleiben – das konnte doch wohl nur [der alte Kaiser] Shun. Denn was tat er anderes, als ernst und wrdevoll auf dem Thron zu sitzen, das Gesicht nach Sden gewandt?“ XV,20 Konfuzius sprach: „Der Edle hasst den Gedanken, die Welt zu verlassen, ohne etwas geleistet zu haben, was bleibender Anerkennung wert ist.“ XV,24 Zi-gong fragte den Konfuzius: „Gibt es ein Wort, das ein ganzes Leben lang als Richtschnur des Handelns dienen kann?“ Konfuzius antwortete: „Das ist ,gegenseitige Rcksichtnahme‘. Was man mir nicht antun soll, will ich auch nicht anderen Menschen zufgen.“ XV,39 Konfuzius sprach: „Bildung soll allen zugnglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“ XVI,8 Konfuzius sprach: „Der Edle hat vor drei Dingen Ehrfurcht: vor dem Befehl des Himmels, vor den großen Mnnern und vor den Worten der Weisen. Der Gemeine weiß nichts vom Befehl des Himmels; er ist respektlos gegenber großen Mnnern; er spottet ber die Worte.“ XVII,2 Konfuzius sprach: „Von Natur aus sind die Menschen einander hnlich. Durch die Erziehung entfernen sie sich voneinander.“
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XVII,3 Konfuzius sprach: „Nur die wirklich Klugen und die wirklich Dummen ndern sich nicht.“ XVII,21 [Der Schler] Zai Wo sprach zu Konfuzius: „Um die Eltern soll drei Jahre lang getrauert werden, doch ein Jahr ist eigentlich lange genug. Denn wenn der Edle sich drei Jahre lang ritueller Zeremonien und feierlicher Gebruche enthlt, dann geraten sie in Gefahr. Wenn er sich drei Jahre lang der Musik enthlt, dann ist sie unausweichlich dem Verfall preisgegeben. Das alte Korn ist aufgebraucht, das neue Korn ist bereits aufgegangen, und die verschiedenen Holzarten sind, jede einmal, als Feuerholz verwendet worden. – Ein Jahr ist wirklich genug.“ Konfuzius erwiderte: „Gut essen und sich elegant kleiden, noch ehe die drei Jahre der Trauer vorber sind – kçnnte deine Seele dabei Ruhe finden?“ Zai Wo bejahte. Dazu meinte der Meister : „Wenn du dabei Ruhe findest, dann handele entsprechend. Dem Edlen allerdings, wenn er in Trauer ist, bereiten erlesene Gerichte keinen Genuss, und wenn er Musik hçrt, erfreut sie ihn nicht; an behaglichem Wohnen findet er kein Gefallen. Darum tut er solche Dinge nicht. Wenn aber deine Seele dabei Ruhe finden kann, dann handele entsprechend.“ Nachdem Zai Wo gegangen war, sagte der Meister : „Zai Wo hat keine gute Gesinnung. Ein Kind wird drei Jahre alt, ehe es nicht mehr getragen werden muss. Und berall sind drei Jahre Trauer um die Eltern blich. Hat denn Zai Wo nicht jene drei Jahre lang die liebevolle Frsorge seiner Eltern erfahren?“ XX,3 Konfuzius sprach: „Wer den Willen des Himmels nicht kennt, kann kein Edler sein. Wer die Regeln sittlichen Verhaltens nicht kennt, hat im Leben keinen festen Stand. Wer nicht Worte richtig zu verstehen weiß, kann die Menschen nicht erkennen.” Konfuzius: Gesprche (Lun-yu). Aus dem Chinesischen bersetzt und hrsg. von Ralf Moritz. Reclams Universal-Bibliothek Nr 9656. (c) 1982, 1998 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.
Das Große Lernen (Daxue) – Auszge
Das Große Lernen war ursprnglich ein Kapitel im Buch der Riten. Der Neokonfuzianer Zhu Xi (1130 – 1200) hob es als eigenstndiges Werk hervor, welches dank seiner konzisen Darstellung am Anfang jeden Klassikerstudiums stehen sollte. [Vorwort des Zhu Xi] Die Brder Chengzi sagen: „Das Große Lernen ist ein von Konfuzius hinterlassenes Buch; es ist das Tor, durch das jener, der zu lernen beginnt, zu moralischer Kraft gelangt. Allein der Bewahrung dieses Buches ist es zu verdanken, dass wir noch heute in der Lage sind, die Reihenfolge zu ersehen, in der die Menschen in alter Zeit beim Lernen vorgingen. Die Gesprche [des Konfuzius] und das Buch Mengzi folgen ihm. Der Lernende muss diese Reihenfolge beachten, dann drfte er nicht in die Irre gehen. [Haupttext] Der Weg des Großen Lernens besteht darin, die klare moralische Kraft zum Strahlen zu bringen, das Volk zur moralischen Erneuerung zu bewegen und beim Guten in seiner hçchst-vollendeten Form zu verharren. Erst wenn man weiß, wo man verharren soll, ist man standhaft. Ist man standhaft, dann hat man innere Ruhe. Hat man innere Ruhe, vermag man gelassen zu sein. Durch Gelassenheit ist man zu sorgfltigem Bedenken fhig. Erst wenn man zu sorgfltigem Bedenken fhig ist, kann man das Ziel erreichen, beim Guten in seiner hçchst-vollendeten Form zu verharren. Die Dinge haben ihre Wurzel und ihre Zweige, die Angelegenheiten haben ihr Ende und ihren Anfang. Begreift man, was vorausgeht und was folgt, dann nhert man sich dem rechten Weg. Die Alten, welche die klare moralische Kraft berall unter dem Himmel zum Strahlen bringen wollten, sie ordneten zunchst ihren Staat.
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Um ihren Staat ordnen zu kçnnen, schufen sie zunchst Ordnung in ihrer Familie. Um in ihrer Familie Ordnung schaffen zu kçnnen dazu entwickelten sie zunchst ihre eigene moralische Qualitt. Um ihre eigene moralische Qualitt entwickeln zu kçnnen, richteten sie zunchst ihr Herz korrekt aus. Um ihr Herz korrekt ausrichten zu kçnnen, mussten zunchst ihre Absichten echt und aufrichtig sein. Um echte und aufrichtige Absichten erreichen zu kçnnen, mussten sie zunchst Einsicht gewinnen. Das Gewinnen von Einsicht – es besteht darin, dass man den Dingen auf den Grund geht. Den Dingen auf den Grund gehen – daraus folgt Einsicht. Ist man zu Einsicht gelangt, gewinnt man echte und aufrichtige Absichten. Echte und aufrichtige Absichten – sie fhren zur korrekten Ausrichtung des Herzens. Ist das Herz korrekt ausgerichtet, dann entwickelt sich die eigene moralische Qualitt. Ist die eigene moralische Qualitt entwickelt, dann vermag Ordnung in der Familie zu sein. Ist Ordnung in der Familie, kann der Staat geordnet werden. Ist der Staat geordnet, dann kann die ganze Welt zu Ruhe und Frieden finden. Fr alle, vom Sohn des Himmels bis zum einfachen Volk, gilt gleichermaßen, dass die Entwicklung der eigenen moralischen Qualitt die Wurzel ist. Dass die Wurzel in Unordnung, die Zweige aber in Ordnung sind, das gibt es nicht. Dass das Wichtige unwichtig und das weniger Wichtige aber wichtig wre, das hat es noch nicht gegeben. Das Große Lernen (Daxue). Herausgegeben von Ralf Moritz, Reclams Universal-Bibliothek 18265, (c) 2003 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 7 – 9.
Maß und Mitte (Zhongyong) – Auszge
Auch Maß und Mitte war ursprnglich ein Kapitel im Buch der Riten. Zhu Xi (1130 – 1200) sah in ihm die ideale Zusammenfassung und Vertiefung des konfuzianischen Weges und stellte es daher ans Ende seines Curriculums der Vier Bcher (Großes Lernen, Gesprche des Konfuzius, Menzius, Maß und Mitte).
Was der Himmel [dem Menschen] bestimmt hat, ist sein Wesen. Was dieses Wesen [zum Rechten] leitet, ist der Weg. Was den Weg ausbildet, ist die Erziehung. Der Weg darf nicht einen Augenblick verlassen werden. Drfte er verlassen werden, so wre es nicht der Weg. Darum ist der Edle vorsichtig gegenber dem, das er nicht sieht, und besorgt gegenber dem, das er nicht hçrt. Es gibt nichts Offenbareres als das Geheime, es gibt nichts Deutlicheres als das Allerverborgenste; darum ist der Edle vorsichtig in dem, was er allein fr sich ist. Der Zustand, da Hoffnung und Zorn, Trauer und Freude sich noch nicht regen, heißt die Mitte. Der Zustand, da sie sich ußern, aber in allem den rechten Rhythmus treffen, heißt Harmonie. Die Mitte ist die große Wurzel aller Wesen auf Erden, die Harmonie ist der zum Ziel fhrende Weg auf Erden. Bewirke Harmonie der Mitte, und Himmel und Erde kommen an ihren rechten Platz, und alle Dinge gedeihen. Richard Wilhelm, Li Gi: Das Buch der Riten, Sitten und Gebruche, Jena 1930.
Menzius – Auszge
In der neokonfuzianischen Lehre ab der Song-Zeit nimmt Menzius (4. Jh. v. Chr.) die Stellung des „zweiten Weisen“ nach Konfuzius ein. Das Buch Menzius erhielt kanonischen Rang als eines der Vier Bcher und bekam damit eine wichtige Stellung im traditionellen Lehrplan. Menzius’ Verstndnis der menschlichen Natur als gut prgt bis heute den ethischen Grundkonsens der chinesischen Tradition.
Mandat des Himmels / 5A5 Wan Zhang sprach: „Ist es wahr, dass Yao die Welt dem Shun bergeben hat?“ Menzius sprach: „Nein, der Himmelssohn kann die Welt nicht einem andern geben.“ Jener sprach: „Shun hat aber doch die Herrschaft ber die Welt gehabt: Wer hat sie ihm dann gegeben?“ „Der Himmel hat sie ihm gegeben.“ „Wenn der Himmel sie ihm gegeben hat, hat er da mit deutlichen Worten ihm seinen Willen kund gemacht?“ Menzius sprach: „Nein, der Himmel redet nicht, sondern er unterweist nur durch Wirkungen und Geschehnisse.“ Jener sprach: „Unterweisungen durch Wirkungen und Geschehnisse, was heißt das?“ Menzius sprach: „Der Himmelssohn kann dem Himmel einen Menschen anempfehlen, aber er kann den Himmel nicht zwingen, dass er ihm die Weltherrschaft gibt, grade wie die Frsten dem Himmelssohn einen Mann anempfehlen kçnnen, aber ihn nicht zwingen kçnnen, ihm ein Frstentum zu geben, oder die Minister ihrem Frsten einen Mann anempfehlen kçnnen, aber ihn nicht zwingen kçnnen, dass er ihm eine Ministerstelle gibt. So hat seinerzeit Yao den Shun dem Himmel anempfohlen, und der Himmel hat ihn angenommen; er hat ihn dem Volk vorgestellt, und das Volk hat ihn angenommen. Darum sagte ich: Der Himmel redet nicht, sondern er unterweist nur durch Wirkungen und Geschehnisse.“
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Jener sprach: „Darf ich fragen, wie das zuging, dass er ihn der Himmel anempfahl und der Himmel ihn annahm und dem Volk vorstellte und das Volk ihn annahm?“ Menzius sprach: „Er ließ ihn ber die Opfer walten, und alle Geister nahmen sie gndig auf; so nahm ihn der Himmel an. Er ließ ihn ber die Geschfte walten, und alles, was geschah, war in Ordnung, die Leute beruhigten sich dabei; so nahm ihn das Volk an. Der Himmel hat es ihm gegeben, die Menschen haben es ihm gegeben, darum sagte ich: Der Himmelssohn kann die Welt nicht einem andern geben. Shun war der Gehilfe Yaos achtundzwanzig Jahre lang. Das stand nicht in der Menschen Macht. Es kam vom Himmel. Als Yao abgeschieden war und die dreijhrige Trauer zu Ende, da zog sich Shun zugunsten von Yaos Sohn zurck in das Land sdlich vom Sdfluss. Aber die Frsten der ganzen Welt, die zu Hofe gingen, gingen nicht zu Yaos Sohn, sondern kamen zu Shun. Die Streitigkeiten zu schlichten hatten, gingen nicht zu Yaos Sohn, sondern kamen zu Shun. Die Snger besangen nicht Yaos Sohn, sondern besangen Shun. Darum sagte ich: Es kam vom Himmel. Darnach erst kam er ins Reich der Mitte und bestieg den Thron als Himmelssohn. Wenn er Yaos Schloss bezogen htte und Yaos Sohn vergewaltigt htte, das wre Thronraub gewesen, nicht Gabe des Himmels. Das ist der Sinn des Wortes im großen Schwur : ,Der Himmel sieht, wie mein Volk sieht; der Himmel hçrt, wie mein Volk hçrt.‘“ Menschliche Natur / 6A6 Gongduzi sprach: „Gaozi behauptet, die Natur sei weder gut noch bçse. Andere behaupten, die Natur lasse sich gut machen oder bçse machen; darum als die guten Kçnige Wen und Wu herrschten, sei das Volk dem Guten zugetan gewesen, als die schlechten Kçnige You und Li herrschten, sei das Volk zu Gewaltttigkeiten geneigt gewesen. Wieder andere behaupten, es gbe teils solche, die von Natur gut, und teils solche, die von Natur bçse seien. So habe es unter einem Yao als Frsten Menschen wie Xiang gegeben. Umgekehrt habe ein Vater wie Gu Sou einen Shun zum Sohne gehabt. Mit einem Zhou Xin als
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Neffen und gleichzeitig als Herrscher habe es einen Weizi Qi und einen Kçnigsohn Bigan gegeben. Wenn man nun sagt, die Natur sei gut, so haben jene alle Unrecht.” Menzius sprach: „Die natrlichen Triebe tragen den Keim zum Guten in sich; das ist damit gemeint, wenn die Natur gut genannt wird. Wenn einer Bçses tut, so liegt der Fehler nicht in seiner Veranlagung. Das Gefhl des Mitleids ist allen Menschen eigen, das Gefhl der Scham und Abneigung ist allen Menschen eigen, das Gefhl der Achtung und Ehrerbietung ist allen Menschen eigen, das Gefhl der Billigung und Missbilligung ist allen Menschen eigen. Das Gefhl des Mitleids fhrt zur Liebe, das Gefhl der Scham und Abneigung zur Pflicht, das Gefhl der Achtung und Ehrerbietung zur Schicklichkeit, das Gefhl der Billigung und Missbilligung zur Weisheit. Liebe, Pflicht, Schicklichkeit und Weisheit sind nicht von außen her uns eingetrichtert, sie sind unser ursprnglicher Besitz, die Menschen denken nur nicht daran. Darum heißt es: ,Wer sucht, bekommt sie; wer sie liegen lsst, verliert sie.‘ Dass so große Unterschiede vorhanden sind, dass manche doppelt, fnffach, ja unendlich mehr besitzen als andere, kommt nur davon her, dass diese ihre Anlagen nicht erschçpfend zur Darstellung bringen. Menschliche Natur / 2A6 Menzius sprach: „Jeder Mensch hat ein Herz, das anderer Leiden nicht mit ansehen kann. Die Kçnige der alten Zeit zeigten ihre Barmherzigkeit darin, dass sie barmherzig waren in ihrem Walten. Wer barmherzigen Gemts barmherzig waltet, der mag die beherrschte Welt auf seiner Hand sich drehen lassen. Dass jeder Mensch barmherzig ist, meine ich also: Wenn Menschen zum ersten Mal ein Kind erblicken, das im Begriff ist, auf einen Brunnen zuzugehen, so regt sich in aller Herzen Furcht und Mitleid. Nicht weil sie mit den Eltern des Kindes in Verkehr kommen wollten, nicht weil sie Lob von Nachbarn und Freunden ernten wollten, nicht weil sie ble Nachrede frchteten, zeigen sie sich so. Von hier aus gesehen, zeigt es sich: Ohne Mitleid im Herzen ist kein Mensch, ohne Schamgefhl im Herzen ist kein Mensch,
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ohne Bescheidenheit im Herzen ist kein Mensch, ohne Recht und Unrecht im Herzen ist kein Mensch, Mitleid ist der Anfang der Liebe, Schamgefhl ist der Anfang des Pflichtbewusstseins, Bescheidenheit ist der Anfang der Sitte, Recht und Unrecht unterscheiden ist der Anfang der Weisheit. Diese vier Anlagen besitzen alle Menschen, ebenso wie sie ihre vier Glieder besitzen. Wer diese vier Anlagen besitzt und von sich behauptet, er sei unfhig, sie zu ben, ist Ruber an sich selbst. Wer von seinem Frsten behauptet, er kçnne sie nicht ben, ist ein Ruber an seinem Frsten. Wer diese vier Anlagen in seinem Ich besitzt und sie alle zu entfalten und zu erfllen weiß, der ist wie das Feuer, das angefangen hat zu brennen, wie die Quelle, die angefangen hat zu fließen. Wer diese Anlagen erfllt, der vermag die Welt zu schirmen, wer sie nicht erfllt, vermag nicht einmal seinen Eltern zu dienen.“ Menschliche Natur / 6A8 Menzius sprach: „Die Wlder auf dem Kuhberg waren einstens schçn. Aber weil er in der Nhe der Markung einer Großstadt lag, wurden sie mit Axt und Beil gefllt. Konnten sie da schçn bleiben? Doch wirkte Tag und Nacht die Lebenskraft, Regen und Tau feuchteten den Boden; so fehlte es denn nicht, dass neue Triebe und Sprossen wuchsen. Da kamen die Rinder und Schafe dahinter und weideten sie ab. Nun steht er kahl da. Und wenn die Menschen ihn in seiner Kahlheit sehen, so meinen sie, er sei niemals mit Bumen bestanden gewesen. Aber wie will man behaupten, das sei die Natur des Berges? Und ganz ebenso verhlt es sich mit den Menschen. Wie kann man sagen, dass sie nicht Liebe und Pflicht in ihrem Herzen haben? Aber wenn einer sein echtes Herz verloren gehen lsst, so ist das gerade, wie wenn Beil und Axt in den Wald kommen. Wenn er Morgen fr Morgen es verwstet, kann es da gut bleiben? Doch das Leben wchst weiter Tag und Nacht; in der Kraft der Morgenstunden werden seine Neigungen und Abneigungen denen der anderen Menschen wieder hnlich. Aber wie lange dauert’s, dann schlagen seine Tageshandlungen sie wieder
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in Fesseln und zerstçren sie. Wenn so seine besseren Regungen immer wieder gefesselt werden, so ist schließlich die Kraft der Natur nicht mehr stark genug, sie zu erhalten, und er sinkt herunter auf eine Stufe, da er vom Tier nicht mehr weit entfernt ist. Wenn nun die Menschen sein tierisches Wesen sehen, so meinen sie, er habe niemals gute Anlagen gehabt. Aber wie will man behaupten, das seien die wirklichen Triebe des Menschen? Darum: Es gibt nichts, das nicht wachsen wrde, wenn ihm seine rechte Pflege zuteil wird, und es gibt nichts, das nicht in Verfall geriete, wenn es der rechten Pflege entbehren muss. Konfuzius sprach: ,Halt es fest, und du behltst es; lass es los, und du verlierst es. Es kommt und geht; kein Mensch weiß, wo und wann.‘ Das sagt er vom Herzen.“ Nach Richard Wilhelm, Mong Ds (Mong Ko), Jena 1916.
Xunzi – Auszge
Wenn ihm die neokonfuzianische Orthodoxie ab der Song-Zeit auch einen dem Menzius vergleichbaren Status verweigerte, so reprsentiert das Werk des Xunzi (3. Jh. v. Chr.) doch eine bedeutsame alternative Perspektive fr mehrere wichtige Anliegen der konfuzianischen Tradition. Hier wird auszugsweise seine explizit in Kritik an Menzius entwickelte Theorie der menschlichen Natur vorgestellt.
Die menschliche Natur ist bçse Die menschliche Natur ist bçse, und was am Menschen gut ist, ist [das Ergebnis] seiner Anstrengungen (wei). Unsere menschliche Natur ist so, dass wir von klein auf an materiellem Gewinn interessiert sind. Lsst der Mensch diesem Interesse freien Lauf, dann kommen Streit und Raub auf, und vorbei ist es mit der [guten Sitte des] dankenden Ablehnens und des hçflichen Den-Vortritt-Lassens. Von klein auf empfindet der Mensch Neid und Abneigungen. Lsst er diesen Gefhlen freien Lauf, dann kommt es zu zersetzendem und destruktivem Verhalten, und aus ist es mit [der Tugend] der Loyalitt und Glaubwrdigkeit. Von klein auf hat der Mensch die Ohr- und Augenlust, die ihn interessiert macht an Wohlklang und Farbenpracht [Frauenschçnheit?]. Lsst der Mensch diesen Gelsten freien Lauf, dann kommt es zu Ausschweifung und sozialer Unordnung, und vorbei ist es mit den berlieferten Verhaltensweisen, mit Schicklichkeit, feinen Formen (wen) und dem ganzen Ordnungsgefge. Kurz: Lsst der Mensch seiner Natur die Zgel schießen, lsst er seinen natrlichen Trieben freien Lauf, dann kommt es unvermeidlich zu Streit und Raub und damit zur Verletzung der Standesgrenzen und Verwirrung des ganzen Ordnungsgefges und schließlich zu offener Gewaltttigkeit. Aus diesen Grnden muss es unbedingt den veredelnden Einfluss der Lehrer und Gesetze (fa) geben, sowie jene Anleitung [zu gutem Verhalten], welche die Kulturtradition und die Regeln
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der Recht- oder Schicklichkeit uns bieten. Nur so kommt es zu [der guten Sitte] des dankenden Ablehnens und des hçflichen Den-Vortritt-Lassens und damit zu den feinen Formen (wen) und dem ganzen Ordnungsgefge, was alles endlich in einer wahrhaft sozialen Ordnung seine Krçnung findet. Von diesen Tatsachen her gesehen ist es klar, dass die menschliche Natur [von Haus aus] bçse ist, und was an ihr Gutes sich findet, ist [das Ergebnis] menschlichen Bemhens (wei). Krummes Holz wird erst dadurch gerade, dass es aufgeweicht und an Hand des Yingua Richtgertes gerichtet wird. Stumpfes Metall wird erst dadurch scharf, dass es gewetzt und geschliffen wird. So kommt auch die menschliche Natur, welche nun mal bçse ist, erst durch Lehrer und Gesetze ins rechte Lot, erst durch Einhalten der Kulturtradition und die Regeln der Schicklichkeit zu sozialer Ordnung. Aber den Menschen von heute fehlen solche Lehrer und Gesetze, darum bleiben sie auf Ab- und Irrwegen und sind nicht „im rechten Lot“; weil die berlieferten Verhaltensweisen und die Regeln der Schicklichkeit nicht eingehalten werden, darum gibt es keine soziale Ordnung, sondern nur Aufruhr und Unordnung. Die weisen Kçnige des Altertums hielten [von vornherein] die menschliche Natur fr bçse, fr ab- und irrwegig, fr orientierungslos, fr rebellisch und ohne soziale Ordnung. Aus diesem Grunde schufen sie fr die Menschen die berlieferten Verhaltensweisen und die Regeln der Recht- und Schicklichkeit, stellten sie Gesetze und Bestimmungen auf. Dadurch korrigierten und verfeinerten sie die natrlichen Triebe der Menschen und brachten sie so ins rechte „Lot”. Indem sie die natrlichen Triebe zhmten und veredelten, leiteten sie die Menschen auf den rechten Weg. Damit erreichten sie, dass alles zur sozialen Ordnung beitrug und in bereinstimmung mit dem rechten Weg (dao) blieb. Wenn heutzutage Menschen sich von Lehrern und Gesetzen beeinflussen ließen, wenn sie immer wieder sich um die feinen Formen und das Lernen bemhten, wenn sie die Tradition und die Regeln der Recht- und Schicklichkeit sich zur Richtschnur nhmen, dann wrden auch sie zu Edlen. Wenn sie aber ihren natrlichen Trieben freien Lauf
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lassen, an ausgelassenen Lustbarkeiten ihr Vergngen finden und somit den Traditionen und Regeln der Schicklichkeit zuwiderhandeln, dann werden sie zu gemeinen Menschen. Von diesen Tatsachen her gesehen ist es klar, dass die menschliche Natur von Haus aus bçse ist, und das Gute an ihr das Ergebnis menschlichen Bemhens ist. […] Hermann Kçster, Hsn-tzu ins Deutsche bertragen, Kaldenkirchen 1967, 301 – 303.
Mozi – Auszge
Das Buch Mozi („Meister Mo“) enthlt in 71 Kapiteln Schriften verschiedener Provenienz, welche die Positionen der mohistischen Schule darstellen und verteidigen. Die folgenden Auszge wurden aufgrund ihrer religionsgeschichtlichen Relevanz ausgewhlt.
Einfachheit bei Begrbnissen […] Und welche Riten hat derjenige, der sich in Trauer befindet, zu erfllen? Er muss in unregelmßigen Tçnen wehklagen und „Vater“ rufen. Der Leidtragende hat Trauerkleidung an und weint; er wohnt in der angebauten Trauerhtte, schlft auf einer Strohmatte und benutzt einen Klumpen Erde als Kopfkissen. Ferner beschrnkt er seine Lebenskraft: Er isst nicht und hungert, hat nicht gengend Kleidung und friert. Seine Gesichtszge sind eingefallen und abgehrmt, seine Gesichtsfarbe ist aschfahl, Augen und Ohren verlieren ihre Klarheit und Schrfe, Hnde und Fße ihre Kraft und Behendigkeit und versagen den Dienst. Es heißt, dass ein hervorragender Beamter in Trauer gesttzt werden muss, um aufzustehen, und nur an einem Stocke gehen kann. Das dauert drei Jahre lang. Wenn diese Vorschriften befolgt und diese Regeln beachtet werden, so kçnnen Kçnige, Frsten und Herren, die danach handeln, in der Frhe nicht Audienzen abhalten, von den fnf mtern und sechs Abteilungen wird das Land nicht urbar gemacht, und Scheunen und Speicher werden nicht gefllt. Wenn die Landleute danach handeln, so kçnnen sie nicht des Morgens hinausgehen und abends heimkehren, nicht pflgen, sen und pflanzen. Richten sich die Handwerker danach, so kçnnen sie nicht Schiffe und Wagen bauen, oder Gerte und Gefße anfertigen. Wenn die Frauen der Sitte folgen, so kçnnen sie nicht frh aufstehen und spt zu Bette gehen und Tags ber spinnen und weben. […] Ist der Wunsch, von Gott und den Geistern Glck zu erlangen, erfllbar? Auch daran ist nicht zu denken, denn, wenn
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pomphafte Begrbnisse und lange Trauer von der Regierung gebilligt werden, muss der Staat und die Familien verarmen, die Bevçlkerungszahl zurckgehen, Justiz und Verwaltung entarten. Sind die Leute arm, so kçnnen der Reis in den Opfergefßen, Wein und Most nicht von tadelloser Reinheit sein. Sind ihrer nur wenig, so sind auch diejenigen, welche Gott und den Geistern dienen, nur wenig zahlreich, und wenn Verwirrung herrscht, wird die richtige Zeit fr die Opfer nicht innegehalten. Jetzt wird die Verehrung Gottes und der Geister sogar verboten. Bei einem derartigen Regierungssystem mssen Gott und die Geister von oben einschreiten. Sie werden sich die Frage vorlegen, ob es besser sei, jene Menschen zu haben oder nicht, und darauf antworten, dass es keinen Unterschied macht, ob die Menschen vorhanden sind oder nicht. Darauf werden Gott und die Geister Strafen auf die Menschen herabsenden, Unglck ber sie verhngen, sie zchtigen und verwerfen. Ist das nicht auch das, was ihnen gebhrt? Die von den alten weisen Herrschern fr die Begrbnisse erlassenen Bestimmungen setzten fest, dass ein dreizçlliger Sarg gengte, um den Leichnam verwesen zu lassen, und dass drei Sargtcher hinreichten, um den Moder zu verhllen. Was das Grab betrifft, so sollte es unten nicht bis zu den Quellen hinabreichen und oben die Ausdnstungen nicht durchlassen. Der Grabhgel brauchte nur eine geringe Erhçhung in dem gepflgten Ackerland zu sein, das gengte. Nachdem der Tote begraben, weinten und trauerten die berlebenden nicht lange, sondern gingen ihren Geschften nach, indem sie das verrichteten, was sie verstanden, und sich gegenseitig ntzten. Der Wille des Himmels Aber was wnscht der Himmel und was hasst er? Der Himmel wnscht Gerechtigkeit und hasst das Unrecht. Wenn ich daher das Volk anleite, gerecht zu handeln, dann tue ich, was der Himmel wnscht, und wenn ich den Wunsch des Himmels erflle, so wird der Himmel auch meine Wnsche erfllen. Was aber wnsche ich und was wnsche ich nicht? Ich wnsche Glck und Wohlergehen und hasse Unglck und Verderben.
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[Wenn ich nun nicht tue, was der Himmel wnscht, dagegen das, was er nicht wnscht], dann verleite ich das Volk dazu, an seinem eigenen Unglck und Verderben zu arbeiten. Woher ist mir bekannt, dass der Himmel Gerechtigkeit wnscht und das Unrecht hasst? – Wer auf Erden Gerechtigkeit besitzt, bleibt am Leben, der Ungerechte kommt um, der Gerechte wird reich, der Ungerechte arm, der Gerechte lebt in wohl geordneten Verhltnissen, der Ungerechte in Wirren und Unruhen. Der Himmel nun liebt das Leben, den Reichtum, die Ordnung und er mag nicht den Tod, die Armut und die Verwirrung. Daher weiß ich, dass der Himmel Gerechtigkeit wnscht und das Unrecht verabscheut. […] Der Meister Mozi sagte: „Die weisen Herrscher der drei alten Dynastien, Yu, Tang, Wen und Wu handelten den Absichten des Himmels gemß und wurden dafr belohnt, die verbrecherischen Herrscher dieser drei Dynastien, Jie, Zhou, Yu und Li handelten gegen den Willen des Himmels und erlangten dafr ihre Bestrafung.“ Aber in welcher Weise wurden Yu, Tang, Wen und Wu belohnt? Der Meister Mozi sagte: „In der hçchsten Sphre verehrten sie den Himmel, in der mittleren dienten sie den Geistern und in der unteren liebten sie die Menschen. Daher sprach der Himmel in seinem Sinn: ,Alles was ich liebe, lieben diese auch, und alles, was ich untersttze, untersttzen diese gleichfalls. Ihre Liebe zu den Menschen ist allumfassend, und ihre Frsorge fr dieselben grenzenlos.‘ Deshalb erhob er sie zum Range von Himmelssçhnen und gab ihnen das ganze Reich zu eigen. Ihre Taten wirkten tausende von Generationen fort, die Nachkommen priesen ihre Gte, welche sich ber das ganze Reich verbreitete. Noch heute nennt man sie rhmend die heiligen Kçnige.“ – Aber wie wurden Jie, Zhou, Yu und Li bestraft? Der Meister Mozi sagte: „In der oberen Region schmhten sie den Himmel, in der mittleren beschimpften sie die Geister und in der unteren schdigten sie die Menschen. Da sprach der Himmel in seinem Sinn: ,Was ich liebe, von dem wenden diese sich ab und hassen es, und was ich fçrdere, dem wenden sie sich zu, um ihm zu schaden. Ihr Menschenhass ist ohne Grenzen und
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der Schaden, den sie der Menschheit zufgen, außerordentlich.‘ Deswegen ließ er sie nicht ihr Leben in hohem Alter beschließen und nicht einmal eine Generation berdauern. Bis zum heutigen Tage verflucht man sie und nennt sie die verbrecherischen Herrscher.“ Woher wissen wir, dass der Himmel die Menschen auf Erden liebt? Daher, dass er ihnen allen gleichmßig leuchtet. Und woher wissen wir, dass er ihnen allen gleichmßig leuchtet? Daher, dass er sie alle besitzt. Wie wissen wir aber, dass er sie alle besitzt? Daher, dass er sie alle ernhrt. Doch woher wissen wir, dass er sie alle ernhrt? Alle Vçlker innerhalb der vier Meere, welche von Kçrnerfrucht leben, zchten Rinder und Schafe, msten Hunde und Schweine und fllen die reinen Gefße reichlich mit Hirse, Reis, Wein und Most, um sie Gott und den Geistern als Opfer darzubringen. ber die offenkundige Existenz von Geistern Der Meister Mozi sagte: Da die weisen Herrscher der drei alten Dynastien nicht mehr am Leben sind, so hat die Welt die Gerechtigkeit verloren, und nur die Gewaltherrschaft der Feudalfrsten ist brig geblieben. Zwischen Frsten und Untertanen, Oberen und Unteren besteht keine Wohlgeneigtheit und keine Treue, zwischen Vtern und Sçhnen, lteren und jngeren Brdern keine Gte und kindliche Liebe, kein Respekt vor den lteren oder Achtung vor der Tugend. Die Leiter der Regierung bemhen sich nicht, ihre Obliegenheiten in der Verwaltung zu erfllen, die gewçhnlichen Leute strengen sich nicht bei ihren Arbeiten an. Das Volk ist verderbt und lasterhaft, rebelliert und empçrt sich. Diebe und Ruber treten mit Waffen, Gift, Wasser und Feuer den unschuldigen Reisenden in den Weg, werfen sie auf den Nebenwegen zu Boden und rauben Wagen, Pferde, Kleider und Pelze, um sich zu bereichern. Alles das kommt zusammen. Davon nimmt die Verwirrung im Reiche ihren Anfang. Was ist der Grund davon? – Dass bei der Entscheidung ber Sein oder Nichtsein der Geister die Menschen zweifeln und nicht einsehen, dass die Geister die Guten belohnen und die Bçsen bestrafen. Wie wrde das Reich in Verwirrung geraten
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kçnnen, wenn die Menschen an die Macht der Geister, die Guten zu belohnen und die Bçsen zu bestrafen, glaubten? Diejenigen, welche an der Nichtexistenz der Geister festhalten, behaupten, dass es durchaus keine Geister und Dmonen gbe, und von Morgen bis Abend suchen sie den Leuten diese ihre Ansicht beizubringen. Sie erwecken Zweifel im Volk, indem sie es dazu verleiten, Zweifel zu hegen, ob es Geister und Dmonen gibt oder nicht. Dadurch gert das Reich in Verwirrung. Deshalb sagte der Meister Mozi: Wenn die heutigen Kçnige, Frsten, großen Herren, Gelehrten und Edlen wirklich den Vorteil des Reiches fçrdern und Schden beseitigen mçchten, denn mssen sie sich unter allen Umstnden ber die Frage, ob Geister existieren oder nicht, klar werden. Da diese Frage also jedenfalls geprft werden muss, so wollen wir versuchen, sie klarzustellen. Was haben wir dazu zu sagen? Der Meister Mozi bemerkt hierzu: [Diese Untersuchung ist dieselbe] wie diejenige, wodurch man im Allgemeinen feststellt, ob etwas ist oder nicht ist: Man benutzt zuverlssige Sinneswahrnehmungen mit Augen und Ohren als Mittel, um Sein oder Nichtsein zu erkennen. Wenn man ber etwas in Zweifel ist, so glaubt man, dass es nicht existiere, auch wenn man es sieht oder hçrt. Aber warum geht man dann nicht auf die Straßen oder in die Ortschaften, um sich danach zu erkundigen? Seitdem es Menschen gibt, von alters her bis auf den heutigen Tag, sind immer Geistererscheinungen wahrgenommen und die Stimmen von Geistern gehçrt worden. Wie kann man daher behaupten, dass es keine Geister und Dmonen gibt? Wrde man ihr Dasein behaupten kçnnen, wenn man sie nicht gehçrt oder gesehen htte? [Es folgen zahlreiche Beispiele von Augenzeugenberichten in der historischen berlieferung.] Der Meister Mozi sagt: In alter Zeit und heute noch sind die Geister und Dmonen dieselben geblieben. Da ist der Geist des Himmels, da sind die Geister der Berge und Flsse, und auch die Menschen werden nach ihrem Tode Dmonen. Nun kommt es zwar vor, dass ein Sohn vor seinem Vater stirbt und ein jngerer Bruder vor dem lteren, aber trotzdem gilt doch in der Welt die alte Regel, dass, wer zuerst geboren wird, auch zuerst stirbt.
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Demnach sind diejenigen, welche zuerst sterben, entweder der Vater oder die Mutter, entweder der ltere Bruder oder dessen Frau. Wenn man nun ehrerbietig und mit aller Sorgfalt tadellosen Wein, Most und Reis als Opfer darbringt, so erlangen dadurch, vorausgesetzt, dass Geister und Dmonen wirklich existieren, Vater, Mutter, lterer Bruder und Frau Speise und Trank. Ist das nicht fr sie eine große Wohltat? Sollte es wirklich keine Geister geben, so wrde man lediglich die fr Wein, Most, Reis und Hirse verwandten Stoffe verschwendet haben. Wenn man selbst etwas verschwendet, so schttet man es absichtlich in Kloaken und Grben und lsst es verkommen. In diesem Falle aber nehmen daheim die Verwandten und außerhalb Dorf- und Gemeindegenossen an Speise und Trank, wie sie fr das Opfer zubereitet worden sind, teil, auch wenn es also keine Geister geben sollte, so ist doch der Erfolg ein frçhliches Beisammensein, wodurch man sich die Freundschaft seiner Orts- und Gemeindegenossen erwirbt. Wenn nun die Leugner der Geister erklren, dass es ganz entschieden keine Geister gbe und man ihnen daher auch nicht Wein, Most, Reis und Opfertiere darbringen kçnne, wrde ich, wenn ich ihnen folge, nicht den Vorwurf auf mich laden, mit Wein, Most, Reis und Opfertieren zu geizen? Und was wrde ich damit erlangen? Ich wrde mich in Gegensatz bringen zu den Vorschriften der heiligen Kçnige und daheim den Pflichten eines piettvollen Sohnes zuwiderhandeln. Falls ich ein ausgezeichneter Gelehrter im Reiche sein mçchte, so ist dies jedenfalls nicht die richtige Methode, um ein bedeutender Mann zu werden. Der Meister Mozi sagte: Wenn ich jetzt opfere, so schtte ich nicht lediglich die Opfergaben in Kloaken und Grben, wo sie verkommen, sondern ich erlange Glck von den Geistern droben und nach unten hin gewinne ich durch das frçhliche Beisammensein die Zuneigung meiner Orts- und Gemeindegenossen. Wenn es Geister gibt, so werden mein Vater, meine Mutter und meine Brder gespeist. Ist das nicht eine große Wohltat in dieser Welt? Daher sprach der Meister Mozi weiter : „Wenn es den jetzigen Kçnigen, Frsten, Herren, Gelehrten und Edlen wirklich an einem Aufschwung des Reichs und an der
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Beseitigung von Mngeln liegt, so mssen sie die Existenz von Geistern und Dmonen annehmen, und es ist klar, dass sie es nicht unterlassen drfen, sie zu verehren. Das ist die Lehre der heiligen Kçnige.“ Alfred Forke, MÞ Ti, des Sozialethikers und seiner Schler philosophische Werke, Berlin 1922, 300 – 302, 305 – 307, 315 – 318, 343 – 345, 362 – 364.
Daode jing – Auszge
Der dem Laozi zugeschriebene Klassiker vom Dao und seiner Kraft ist der wichtigste Grundtext aller Spielarten des Daoismus und ist ber die Jahrtausende in mannigfaltiger Weise interpretiert worden. In unzhligen bersetzungen wirkt er heute auch weit ber den chinesischen Kulturkreis hinaus.
1 Ein Dao – kann es als Dao bestimmt werden, ist es kein stetiges Dao. Ein Name – kann er als Name bestimmt werden, ist er kein stetiger Name. Keinen-Namen-habend ist der Beginn der zehntausend Dinge. Namen-habend ist die Mutter der zehntausend Dinge. Also, stets ohne Begierden sein, um die Feinheiten zu sehen. Stets Begierden haben, um zu sehen, wonach verlangt wird. Die zwei – gemeinsam treten sie hervor, verschieden werden sie benannt. Gemeinsam heißen sie: Noch verborgener als das Verborgene. Das Tor der vielen Feinheiten.
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2 In der Welt erkennen alle Schçnes als schçn. Schon gibt es Hssliches. Alle erkennen, was taugt. So gibt es Untaugliches. Dass Flle und Leere einander erschaffen, schwer und leicht einander erzeugen, lang und kurz einander bilden, hoch und tief einander erfllen, Tçne und Stimmen einander ergnzen, vorher und nachher einander folgen, ist stetig. Gerade daher verweilt der Heilige beim Geschft des Nicht-Handelns, und betreibt die Lehre des Nicht-Redens. Die zehntausend Dinge – er bringt sie in Gang und fngt sie nicht an, er fhrt sie aus und hngt nicht daran, er bringt sie zum Erfolg und hat seinen Platz nicht bei ihnen. Nun, allein indem er seinen Platz nicht bei ihnen hat, gerade daher verlassen sie ihn nicht. 6 Der Geist des Tales stirbt nicht – das heißt: verborgene Weiblichkeit. Das Tor der verborgenen Weiblichkeit – das heißt: Wurzel von Himmel und Erde.
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Wie durchgngig! Gleichsam anwesend. Im Gebrauch unermdlich. 8 Der Beste ist wie das Wasser. Die Gte des Wassers besteht darin, den zehntausend Dingen zu nutzen und im Streit den Platz einzunehmen, den die Menge des Volkes fr schlecht hlt. Also ist er dem Dao nahe. Seine Stellung ist gut in Hinsicht der Ortswahl. Sein Herz ist gut in Hinsicht der Tiefe. Sein Spenden ist gut in Hinsicht des himmlischen Wirkens. Seine Rede ist gut in Hinsicht der Glaubwrdigkeit. Sein Regieren ist gut in Hinsicht der Ordnung. Sein In-Dienst-Nehmen ist gut in Hinsicht der Wahl der Fhigen. Sein Veranlassen ist gut in Hinsicht der Zeiten. Nun, allein, weil er nicht streitet, daher gibt es keinen Verdruss. 10 Wenn du die Seele nhrst und die Einheit umfasst, kannst du dabei Ungetrenntheit bewahren? Wenn du das Qi konzentrierst und die Weichheit erreichst, kannst du dabei dem Kind gleichen? Wenn du den dunklen Spiegel reinigst und pflegst,
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kann der dabei makellos werden? Wenn du das Volk liebst und im Staat das Leben entfachst, kannst du dabei ohne Kenntnisse bleiben? Wenn das Himmelstor sich çffnet und schließt, kannst du dabei das Weibliche sein? Wenn die helle Klarheit in alle vier Richtungen reicht, kannst du dabei ohne Kenntnisse bleiben? Es hervorbringen, es hegen; hervorbringen, ohne zu besitzen; wachsen lassen und nicht befehlen. 12 Die fnf Farben lassen die Augen der Menschen erblinden. Der Ritt im Galopp und die Jagd machen die Herzen der Menschen verrckt. Schwer zu erlangende Gter behindern das menschliche Streben. Die fnf Geschmcker verderben den menschlichen Gaumen. Die fnf Tçne machen die Ohren der Menschen taub. Gerade daher ordnet der Heilige so: Er sorgt fr die Mgen und nicht fr die Augen. Also lsst er das eine und whlt das andere. 19 Fort mit der Heiligkeit, weg mit der Weisheit und dem Volk wird daraus hundertfach Ntzlichkeit. Fort mit der Menschlichkeit, weg mit der Rechtlichkeit und das Volk findet wieder zu Pflicht und Mitleid. Fort mit der Geschicklichkeit, weg mit dem Gewinn und die Verbrecher und Ruber sind dahin.
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Diese drei Sprche: Ein Muster gehen sie noch nicht ein, also sollen sie mit etwas verbunden sein. Kargheit zeigen, einfach sein den Eigensinn zgeln, die Begierden klein, Gelehrsamkeit lçsen, von Zweifeln befrein. 20 Unterwrfige Zustimmung und empçrtes Ablehnen – wie weit ist das voneinander entfernt? Schçn und hsslich – worin liegt der Unterschied? Wer von den Menschen gefrchtet wird, der wird ebenso die Menschen notwendig frchten. Welche Wste! Nirgends hat sie ein Ende! Die Menge ist guter Stimmung – als gbe es ein großes Opfer zu feiern, als wrden im Frhling die Hçhen erklommen. Ich bin tatenlos dabei und gebe kein Zeichen von mir – wie ein Kleinkind, das noch nicht lacht. Welche Ermdung! – Als gbe es keinen Ort einer Rckkehr. Die Menge hat immer noch brig. Ich allein habe von mir gegeben. Ich habe das Herz eines Idioten. Welche Einfalt! Das gemeine Volk strahlt. Ich allein bin wie verborgen. Dem gemeinen Volk ist alles unterschieden. Mir allein ist alles vermischt. Welche dnis! – Sie ist wie das Meer. Welche Wste! – Als ob es nirgends ein Aufhçren gbe. Die Menge hat immer ihren Grund. Ich allein bin bis zur Unzugnglichkeit dumm.
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Mein Begehren allein ist anders als das der Menschen – und ich schtze die nhrende Mutter. 25 Es gibt ein Ding – im Mischmasch vollbracht, vor Himmel und Erde lebendig gemacht. Welche Stille! Welche Leere! Allein steht es fest und ndert sich nicht. Es kann Himmel und Erde Mutter sein. Ich kenne nicht seinen Namen. Man bezeichnet es „Dao“. War ich gezwungen, ihm einen Namen zu geben, sagte ich „Grçße“. „Grçße“ heißt „Fortgang“ „Fortgang“ heißt „Ferne“ „Ferne« heißt „Wende“. Das Dao ist groß. Der Himmel ist groß. Die Erde ist groß. Der Kçnig ist auch groß. Im Staat gibt es vier Grçßen – und der Kçnig besetzt die Einheit darin. Dem Mensch ist die Erde Gesetz. Der Erde ist der Himmel Gesetz. Dem Himmel ist das Dao Gesetz. Dem Dao ist der eigene Lauf Gesetz. 28 Kenne ihr Mnnliches und bewahre ihr Weibliches – sei der Welt Flusslauf. Sei der Welt Flusslauf und die bestndige Kraft verlsst dich nicht. Wenn die bestndige Kraft dich nicht verlsst, kehrst du wieder zurck zur Kleinkindlichkeit.
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Kenne ihr Unbeflecktes und bewahre ihr Beflecktes – sei der Welt Tal. Sei der Welt Tal und die bestndige Kraft gengt. Wenn die bestndige Kraft gengt, kehrst du wieder zurck zum Zustand unbehauenen Holzes. Kenne ihr Weißes und bewahre ihr Schwarzes – sei der Welt Muster. Sei der Welt Muster und die bestndige Kraft bleibt unbeschadet. Wenn die bestndige Kraft unbeschadet bleibt, kehrst du wieder zurck ins Unbeschrnkte. Wird das unbehauene Holz in Stcke geteilt, dann werden Gerte daraus. Nimmt der Heilige sie in Gebrauch, dann wird er zum Leiter aller Beamten. Nun, großes Schnitzwerk schneidet nichts weg. 36 Was man zusammenziehen will, muss unbedingt ausgedehnt werden. Was man schwchen will, muss man unbedingt strken. Was man entfernen will, muss man unbedingt mit sich verbinden. Was man an sich reißen will, muss man unbedingt mit Geschenken bedenken. Das heißt: „feine Klarheit“. Das Weiche und Schwache besiegt das Starke. Den Fisch darf man nicht der Tiefe des Wassers berauben.
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Die scharfe Gertschaft im Staat darf man den Menschen nicht zeigen. 37 Das Dao bleibt stets namenlos. Kçnnen Frsten und Kçnige es bewahren, dann wandeln sich die zehntausend Dinge von selbst. Was sich wandelt und begehrt, sich zu regen, das halte ich nieder mit dem namenlosen unbehauenen Holz. Wird es niedergehalten mit dem namenlosen unbehauenen Holz, nun, dann bleibt es unbescholten. Indem es unbescholten bleibt, wird Stille. Himmel und Erde sind von selbst richtiggestellt. 38 Hçhere Kraft ist kraftlos – gerade daher hat sie die Kraft. Niedere Kraft lsst nicht von der Kraft – gerade daher hat sie die Kraft nicht. Hçhere Kraft ist Nicht-Handeln ohne Wofr. Hçhere Menschlichkeit ist Handeln ohne Wofr. Hçhere Rechtlichkeit ist Handeln mit einem Wofr. Hçheres Wohlverhalten ist Handeln, dem nichts entspricht – was man dann mit hochgekrempelten Armen erzwingt. Also: Geht das Dao verloren, folgt die Kraft. Geht die Kraft verloren, folgt die Menschlichkeit. Geht die Menschlichkeit verloren, folgt die Rechtlichkeit. Geht die Rechtlichkeit verloren, folgt das Wohlverhalten.
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Nun, Wohlverhalten ist die Oberflchlichkeit von Treu und Glauben und der Beginn des Durcheinanders. Vorauswissen ist der Schein des Dao und der Beginn der Einfalt. Gerade daher wird, wer ein Mann von Grçße ist, sich in der Tiefe einrichten und nicht in der Oberflchlichkeit, sich im Echten einrichten und nicht im Schein. Also lsst er das eine und whlt das andere. 39 Von denen, die einst die Einheit erhielten: Der Himmel erhielt die Einheit – zur Klarheit. Die Erde erhielt die Einheit – zur Ruhe. Die Geister erhielten die Einheit – zur Geisterkraft. Die Flusstler erhielten die Einheit – zur Flle. Frsten und Kçnige erhielten die Einheit – um der Welt das Rechte zu schaffen. Dies heißt weiterhin: Der Himmel sei nicht schon klar — sonst wird er sicher zerspringen. Die Erde sei nicht schon ruhig – sonst wird sie sicher zerbersten. Die Geister seien nicht schon von Geisteskraft – sonst werden sie sicher ermatten. Die Flusstler seien nicht schon gefllt – sonst werden sie sicher erschçpft. Die Frsten und Kçnige seien nicht schon von edlem Stand und dadurch von Hoheit – sonst werden sie sicher verfallen. Also muss, was edel ist, doch auf Niederem ruhn; muss, was hoch ist, doch auf Unterem stehn.
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Nun, gerade daher nennen die Frsten und Kçnige sich selbst den „Verwaisten“, den „Verlassenen“, den „Unbegterten“. Gerade so ruhen sie auf dem Niederen – oder nicht? Daher sind sie, die die meisten Wagen haben, ohne Wagen. Ebenso wnschen sie weder zu glnzen wie Jade, noch hart zu sein wie Stein. 43 Das Allerweichste der Welt eilt flink hinweg ber das Allerhrteste der Welt. Was keine Flle hat, durchdringt, was ohne Zwischenraum ist. Gerade daher weiß ich darum, dass Nicht-Handeln ntzlich ist. Die Lehre des Nicht-Reden, die Ntzlichkeit des Nicht-Handeln: in der Welt kçnnen wenige an sie gelangen. 48 Wer das Lernen betreibt, gewinnt tglich hinzu. Wer vom Dao hçrt, wird tglich geringer. Geringer werden und wieder geringer werden, um zum Nicht-Handeln zu kommen. Nicht-Handeln und nichts bleibt ungetan. Will man die Weltherrschaft ergreifen, bleibe man stets ohne Verpflichtung.
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Sobald man eine Verpflichtung hat, gengt man wieder nicht dazu, die Weltherrschaft zu ergreifen. 56 Wer weiß, redet nicht. Wer redet, weiß nicht. Die ffnungen stopfend, die Eingnge schließend; den Glanz dmpfend, den Staub ebnend; das Spitze zerstoßend, die Verstrickungen lçsend: Das heißt: „verborgene Einheit“. Also, kann man ihn nicht zum Vertrauten machen und kann ihn auch nicht entfernen; kann man ihm keinen Gewinn bringen und kann ihm auch keinen Schaden zufgen, kann man ihm keine Ehren erweisen und kann ihn auch nicht missachten. Also wird er von der Welt geehrt. 60 Regiere den großen Staat, wie man kleine Fische brt. Weise, gemß dem Dao, die Pltze zu in der Welt, dann treiben die Geister ihr Unwesen nicht. Nicht nur, dass die Geister ihr Unwesen nicht treiben – ihr Unwesen schadet den Menschen nicht. Nicht nur, dass ihr Unwesen den Menschen nicht schadet auch der Heilige schadet ihnen nicht.
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Nun, zwei schaden einander nicht: Also bertrgt sich die Kraft und kehrt zu ihm um. 78 Nichts in der Welt ist geschmeidiger und weicher als Wasser, doch nichts kann besser als es dem Festen und Harten zusetzen. – denn es lsst sich nicht wandeln. Dass das Wasser das Massive besiegt, dass das Weiche das Harte besiegt – keiner auf der Welt, der das nicht wsste, und doch keiner, der es anzuwenden vermag. Also lauten die Worte des Heiligen: Das Schndliche im Staat auf sich zu nehmen – das bedeutet, Herrscher der Erd- und Getreidealtre zu sein. Das Unheilvolle im Staat auf sich zu nehmen – das bedeutet, Kçnig der Welt zu sein. Rechte Worte sind wie verkehrt. 80 Ein kleines Land, wenig Menschen. Soldaten und Waffen werden gewhrt, und bleiben doch ungenutzt. Die Menschen werden in Furcht vor dem Tod gehalten, und es liegt ihnen fern auszuwandern. Man hat Boote und Wagen, die niemand besteigt. Man hat Schilde und Schwerter, die keiner erhebt. Dem Volk gibt man wieder die Knotenschrift zum Gebrauch.
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Sß sei das Essen. Schçn sei die Kleidung. Froh seien die Sitten. Friedlich seien die Wohnsttten. Die Nachbarlnder liegen in Sichtweite gegenber, gegenseitig hçrt man das Lrmen der Hhne und Hunde. Aber bis ins Alter, bis in den Tod reisen die Menschen nicht hin und her. 81 Glaubwrdig zu reden ist unschçn. Schçn zu reden ist unglaubwrdig. Wer weiß, ist ungelehrt. Wer gelehrt ist, weiß nichts. Was taugt, ist nicht viel. Was viel ist, taugt nicht. Der Heilige hortet nicht: indem er so fr die Anderen wirkt, hat er selbst umso mehr ; indem er so den Anderen gibt, gewinnt er selbst mehr hinzu. Also: Das Dao des Himmels ntzt, ohne zu schaden. Das Dao des Menschen wirkt, ohne zu entzweien. Laotse/Hans-Georg Mçller. Tao-Te-King. Die Seidenmanuskripte von Mawangdui. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch, 1995.
Zhuangzi – Auszge
Im Unterschied zum Daode jing geht der zweite klassische Text des Daoismus zumindest in Teilen auf eine historisch greifbare Person, den im 4. Jh. v. Chr. lebenden Zhuang Zhou, zurck. Der elegante und lebhafte Stil des Zhuangzi hat dem Werk großen Einfluss nicht nur in der Religionsund Geistesgeschichte, sondern auch in der Literaturgeschichte Chinas gegeben.
Buch 2,14 Einst trumte Zhuang Zhou, er sei ein Schmetterling – ein Schmetterling, der glcklich und frçhlich umherflatterte. Er wusste nicht, dass er Zhuang Zhou war. Plçtzlich erwachte er und war ganz handgreiflich Zhou. Nun wusste er nicht, ob er Zhou war, der getrumt hatte, ein Schmetterling zu sein, oder ein Schmetterling, der gerade trumte, Zhou zu sein. Es muss aber einen Unterschied zwischen Zhou und dem Schmetterling geben. Dies nennt man die Transformation der Dinge. Buch 3,2 Ein Koch zerteilte einen Ochsen fr den Frsten Wen Hui. Wo immer seine Hand zupackte, seine Schulter sich anlehnte, sein Fuß hintrat, sein Knie anstieß,
da fiel das Fleisch mit einem zischenden Laut. Ritsch und Ratsch, jeder Streich seines Hackmessers war vçllig im Einklang. Er tanzte im Rhythmus von „Der Maulbeerbaumhain“, bewegte sich im Einklang mit der Melodie des „Jingshou“. „Ah, welch ein Anblick“, sagte der Frst Wen Hui, „dass Kçnnen solche Meisterschaft erreichen kann!“ Der Koch legte sein Hackmesser nieder und antwortete. „Was Euer Diener liebt, ist der WEG, der bloßes Kçnnen
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berschreitet. Als ich Ochsen zu zerlegen begann, sah ich zuerst nichts als den ganzen Ochsen. Nach drei Jahren sah ich keinen unzerteilten Ochsen mehr. Heute nhere ich mich dem Ochsen mit meinem Geist, statt ihn mit den Augen anzusehen. Die Wahrnehmung meiner Sinne hçrt auf, und mein Geist fließt, wie es ihm gefllt. Ich passe mich der natrlichen Maserung an, schneide dort, wo schon große Spalten sind, fhre die Klinge durch die großen Hçhlungen. Indem ich der ihm eigenen Struktur folge, stoße ich niemals auf das kleinste Hindernis, nicht einmal dort, wo die Blutgefße sich hufen, wo Bnder und Sehnen zusammentreffen, und selbst die großen Knochen hindern mich nicht. Ein guter Koch wechselt einmal im Jahr sein Hackmesser, weil er damit schneidet. Ein schlechter Koch wechselt sein Hackmesser jeden Monat, weil er damit hackt. Nun benutze ich mein Hackmesser schon seit neunzehn Jahren und habe Tausende von Ochsen damit zerlegt, aber die Klinge ist noch so scharf, als kme sie gerade vom Schleifstein. In den Gelenken gibt es Zwischenrume, und die Schneide des Messers hat keine Dicke. Wenn ich aber etwas, das keine Dicke hat, in einen offenen Raum einfhre, dann gibt es sicherlich gengend Spiel fr die Klinge. Darum ist meine Klinge heute noch so scharf, als kme sie gerade vom Schleifstein. Dessen ungeachtet : Komme ich an eine schwierige Stelle, von der ich sehe, dass sie Probleme bereiten kçnnte, dann nehme ich mich vorsichtig in Acht, konzentriere mich und verlangsame meine Bewegung. Und mit einer unmerklichen Bewegung des Hackmessers ist das Fleisch im Nu abgetrennt und fllt ,Platsch !‘ wie ein Klumpen Erdreich zu Boden. Da stehe ich, das Hackmesser in der Hand, und sehe mich zufrieden um ; dann wische ich das Messer sauber und verstaue es.“ „Wunderbar!”, sagte der Frst Wen Hui. „Die Worte eines Kochs haben mich gelehrt, wie man das Leben nhren muss.“ Buch 18,2 Meister Zhuangs Ehefrau war gestorben. Als Meister Hui zu ihm kam, um zu kondolieren, traf er Meister Zhuang an, wie der sich
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mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden rkelte, auf einer Schssel den Takt schlug und dazu sang. „Sie lebte mit Euch zusammen“, sagte Meister Hui, „zog Eure Kinder, wurde alt und starb. Es ist schon genug, dass Ihr nicht um sie weint, aber ist es nicht ein bisschen viel, dass Ihr auch noch auf einer Schssel trommelt und singt?“ „Keineswegs“, sagte Meister Zhuang. „Als sie eben erst gestorben war, wie htte ich da anders als jeder Mensch nicht traurig sein kçnnen? Aber dann besann ich mich auf ihren Ursprung und machte mir klar, dass sie im Grunde ungeboren war. Nicht nur, dass sie im Grunde ungeboren war, im Grunde hatte sie keine Form. Nicht nur hatte sie keine Form, sie besaß im Grunde keinen Lebensatem. In der Mischung des Vagen und Verschwommenen kam es zu einer Transformation, und plçtzlich war da Lebensatem; der Lebensatem wurde transformiert, und plçtzlich war da Form; die Form wurde transformiert, und plçtzlich war da Geburt. Nun ist es zu einer weiteren Transformation gekommen, und sie ist tot. Das ist wie die Abfolge der vier Jahreszeiten – vom Frhling zum Herbst, vom Winter zum Sommer. Da schlft sie nun selig in einer gewaltigen Kammer. Wrde ich sie verfolgen mit Weinen und Wehklagen, so dachte ich mir, dann hieße das die Bestimmung nicht verstehen – also ließ ich es sein.“ Buch 18,4 Als Meister Zhuang nach Chu unterwegs war, sah er [am Wegrand] einen Totenschdel. Der war zwar schon morsch, hatte aber noch seine Form. Meister Zhuang tippte mit seiner Reitpeitsche an den Totenschdel und fragte: „Ist es so weit mit dir gekommen, weil du in deiner Gier nach Leben nicht mehr vernnftig gehandelt hast? Oder warst du in einen Verrat verwickelt und dir wurde deshalb der Kopf mit einer Axt abgeschlagen? Oder warst du in irgendwelche unanstndigen Affren verstrickt und hast Schande ber deine Eltern, deine Frau und deine Kinder gebracht? Oder bist du etwa verhungert oder erfroren? Oder kam es einfach so, weil deine Zeit abgelaufen war?“ Nachdem er so gefragt hatte, hob Meister Zhuang den To-
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tenschdel auf und nahm ihn, als er sich schlafen legte, zur Kopfsttze. Um Mitternacht erschien ihm der Totenschdel im Traum und sagte: „Wie Ihr daherredet, kçnnte man meinen, Ihr wret ein Sophist. Ich sehe jetzt, dass alles, worber Ihr gesprochen habt, nur fr die Lebenden eine Brde ist. Wenn Ihr erst einmal gestorben seid, gibt es nichts mehr davon. Soll ich Euch vom Tod erzhlen, mein Herr?“ „Ja“, sagte Meister Zhuang. „Wenn du tot bist“, sagte der Totenschdel, „dann gibt es keinen Herrscher ber dir und keine Untertanen unter dir. Es gibt auch nicht die den vier Jahreszeiten entsprechenden Besorgungen; stattdessen vergeht die Zeit gemchlich wie fr Himmel und Erde. Nicht einmal die Freuden eines nach Sden gewandten Kçnigs wren grçßer als die der Toten.“ Meister Zhuang glaubte dem Totenschdel nicht und sagte: „Kçnnte ich den Schiedsrichter des Schicksals dazu bringen, deiner kçrperlichen Form wieder Leben einzuhauchen, dir dein Fleisch, deine Knochen und deine Haut zurckzugeben und dich zu deinen Eltern, deiner Frau und deinen Kindern sowie deinen Freunden im Dorf zurckkehren zu lassen – wre dir das nicht lieb?“ Zutiefst konsterniert sagte der Totenschdel: „Warum sollte ich die ,Freuden eines nach Sden gewandten Kçnigs‘ aufgeben und zur Mhsal des Menschenlebens zurckkehren?” Buch 26,13 Mit einer Reuse fngt man Fische; hast du den Fisch gefangen, kannst du die Reuse vergessen. Eine Schlinge braucht man zum Fangen von Kaninchen; ist das Kaninchen gefangen, kannst du die Schlinge vergessen. Mit Wçrtern fngt man Ideen ein; hast du die Idee erst einmal begriffen, kannst du die Wçrter vergessen. Wo finde ich nur einen Menschen, der die Wçrter zu vergessen weiß, so dass ich einige Worte mit ihm wechseln kçnnte? Buch 32,14 Als Meister Zhuang dem Tode nahe war, ließen seine Schler
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erkennen, dass sie ihm gern ein prchtiges Begrbnis bereitet htten. Meister Zhuang sagte: „Himmel und Erde werden mein ußerer und mein innerer Sarg sein, Sonne und Mond meine beiden Jadestcke, die Sterne und Konstellationen mein Perlenschmuck und die Myriaden Dinge meine Grabbeigaben. Ist mein Begrbnis damit nicht gengend ausgestattet? Was gbe es da noch hinzuzufgen?“ „Wir haben Angst, dass Euch die Krhen und Falken fressen, Meister“, sagten die Schler. Meister Zhuang sagte: „Hier oben fressen mich die Krhen und Falken; da unten fressen mich die Maulwurfsgrillen und Ameisen. Warum parteiisch sein, indem ihr mich den einen wegnehmt und mich den anderen berlasst?“ […] Zhuangzi – Das Buch der Spontaneitt, Windpferd/Schneelçwe, Aitrang 2006, in einer bersetzung von Victor H. Mair (englisch) und Stephan Schuhmacher (deutsch), 64, 66, 208 – 209, 210, 316, 373 – 374.
Das Buch der Wandlungen (Yijing) – Auszge
Das Buch der Wandlungen hat kanonischen Rang sowohl in der konfuzianischen wie in der daoistischen Tradition. Die frhesten Textschichten dieses Klassikers datieren vermutlich in die spte westliche Zhou-Periode, die sptesten in die Han-Zeit. Um einen Eindruck von Struktur und Inhalt des Werkes zu geben, werden hier die Auslegungstexte zum ersten Hexagramm (qian) wiedergegeben, in der bersetzung und mit den eigenen Kommentaren des Sinologen Richard Wilhelm.
1. Qian / das Schçpferische
Abb. 1: Qian, das Schçpferische, der Himmel
Abb. 2: Qian, das Schçpferische, der Himmel
Das Zeichen besteht aus sechs ungeteilten Strichen. Die ungeteilten Striche entsprechen der lichten, starken, geistigen, ttigen Urkraft. Das Zeichen ist ganz einheitlich stark in seiner Natur. Da ihm keinerlei Schwche anhaftet, ist es seiner Eigenschaft nach die Kraft. Sein Bild ist der Himmel. Die Kraft wird dargestellt als nicht gebunden an bestimmte rumliche Verhltnisse. Darum wird sie aufgefasst als Bewegung. Als Grundlage dieser Bewegung kommt die Zeit in Betracht. So ist denn auch die Macht der Zeit und die Macht des Beharrens in der Zeit, die Dauer, in dem Zeichen begriffen.
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Bei der Erklrung des Zeichens ist durchgehend eine doppelte Deutung zu bercksichtigen: die makrokosmische und die Wirkung in der Menschenwelt. Auf das Weltgeschehen angewandt ist in dem Zeichen das starke schçpferische Wirken der Gottheit ausgedrckt. Auf die Menschenwelt angewandt bezeichnet es das schçpferische Wirken des Heiligen und Weisen, des Herrschers und Fhrers der Menschen, der ihr hçheres Wesen durch seine Kraft weckt und entwickelt. (Das Zeichen ist dem 4. Monat (Mai-Juni) zugeordnet, wenn die lichte Kraft auf ihrer Hçhe steht, noch ehe die Sonnenwende den Rckgang des Jahres beginnt.)
Das Urteil Das Schçpferische wirkt erhabenes Gelingen, fçrdernd durch Beharrlichkeit.
Dem ursprnglichen Sinne nach gehçren die Eigenschaften paarweise zusammen. Fr den, der dies Orakel gewinnt, bedeutet das, dass ihm Gelingen aus den Urtiefen des Weltgeschehens zuteil werden wird und dass alles darauf ankommt, dass er allein durch Beharrlichkeit im Rechten sein und anderer Glck sucht. Sehr frh hat sich das Nachdenken den vier Eigenschaften in ihrer Sonderbedeutung zugewandt. Das chinesische Wort, das mit „erhaben“ wiedergegeben ist bedeutet „Haupt, Ursprung, groß“. Darum heißt es in der Erklrung des Konfuzius: „Groß wahrlich ist die Ursprungskraft des Schçpferischen, alle Wesen verdanken ihm ihren Anfang. Und diese Kraft durchdringt den ganzen Himmel.“ Denn diese erste Eigenschaft geht auch durch die drei andern hindurch. Der Anfang aller Dinge liegt sozusagen noch im Jenseitigen in der Form von Ideen, die erst zur Verwirklichung kommen mssen. Aber im Schçpferischen liegt auch die Kraft, diesen Urbildern der Ideen Gestalt zu verleihen. Das wird in dem Wort
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„Gelingen“ bezeichnet. Dieser Vorgang wird dargestellt unter einem Bild der Natur.* „Die Wolken gehen, und der Regen wirkt, und alle einzelnen Wesen strçmen in ihre Gestalt ein.“ Auf das menschliche Gebiet bertragen zeigen diese Eigenschaften dem großen Mann den Weg zu großem Erfolg: „Indem er in großer Klarheit die Ursachen und Wirkungen schaut, vollendet er zur rechten Zeit die sechs Stufen und steigt zur rechten Zeit auf ihnen wie auf sechs Drachen empor zum Himmel.“ Die sechs Stufen sind die sechs Einzelpositionen des Zeichens, die weiter unten unter dem Bild von Drachen dargestellt werden. Als Weg zum Erfolg ist hier das Erkennen und Verwirklichen des Weltsinnes bezeichnet, der als durchlaufendes Gesetz durch Ende und Anfang alle zeitlich bedingten Erscheinungen bewirkt. So wird jede erreichte Stufe zugleich die Vorbereitung fr die nchste, und die Zeit ist dann kein Hemmnis mehr, sondern das Mittel der Verwirklichung des Mçglichen. Nachdem durch die beiden Eigenschaften erhaben und Gelingen der Schçpfungsakt zum Ausdruck kam, wird im Anschluss an die beiden Ausdrcke „fçrdernd“, d. h. wçrtlich „schaffend, was das dem Wesen Entsprechende ist“, und „beharrlich“, d. h. wçrtlich „recht und fest“, das Werk der Erhaltung als fortlaufend sich verwirklichende Ausgestaltung aufgezeigt. „Der Lauf des Schçpferischen verndert und gestaltet die Wesen, bis jedes seine rechte, ihm bestimmte Natur erlangt, dann bewahrt er sie in bereinstimmung mit dem großen Gleichmaß. So zeigt er sich fçrdernd durch Beharrlichkeit.“ Auf das menschliche Gebiet bertragen ergibt sich hieraus, wie der große Mann durch seine ordnende Ttigkeit der Welt Frieden und Sicherheit bringt: „Indem er sich mit seinem Haupt erhebt ber die Menge der Wesen, kommen alle Lande zusammen in Ruhe.“ Eine andere Spekulation geht mit der Trennung der Worte „erhaben, Gelingen, fçrdernd, beharrlich“ noch weiter und setzt * Vgl. Genesis Kap. 2,1 ff., wo auch die Entfaltung des Einzelwesens auf das Fallen des Regens zurckgefhrt wird.
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sie in Parallele mit den vier menschlichen Kardinaltugenden: Der „Erhabenheit“, die zugleich als Grundprinzip alle andern Eigenschaften einschließt, wird die Liebe zugeordnet. Der Eigenschaft „Gelingen“ wird die Sitte zugeordnet, die die ußerungen der Liebe ordnet, organisiert und darum erfolgreich macht. Der Eigenschaft „fçrdernd“ wird die Gerechtigkeit zugeordnet, die Zustnde schafft, in denen jeder das seinem Wesen Entsprechende, was ihm gebhrt und sein Glck ausmacht, erhlt. Der Eigenschaft der „Beharrlichkeit“ wird die Weisheit zugeordnet, die die festen Gesetze alles Geschehens erkennt und darum dauernde Zustnde zu schaffen vermag. Diese Spekulationen, die schon in dem Aufsatz Wen Yen im zweiten Teil des Buchs der Wandlungen angeregt sind, haben dann die Brcke gebildet, auf der die Philosophie der fnf Wandlungsstufen (Elemente) die im Buch der Urkunden verankert ist, mit der Philosophie des Buchs der Wandlungen, die rein auf der polaren Zweiheit von positiven und negativen Prinzipien beruht, kombiniert wurde, wodurch dann im Lauf der Zeit einer immer weiter gehenden Zahlensymbolik die Tr geçffnet wurde.** Das Bild Des Himmels Bewegung ist kraftvoll. So macht der Edle sich stark und unermdlich ** Das Schçpferische bewirkt Anfang und Zeugung aller Wesen. Man kann es daher bezeichnen als Himmel. lichte Kraft, Vater, Herr. Es ist nun eine Frage, ob das Schçpferische im Chinesischen persçnlich gedacht ist wie Zeus bei den Griechen. Die Antwort lautet, dass dieses Problem fr das Chinesentum gar nicht das Wichtigste ist. Das Gçttlich-Schçpferische ist sozusagen berpersçnlich. Es macht sich nur fhlbar und bemerkbar durch seine bermchtige Aktivitt. Wohl hat es sozusagen ein ußeres, das ist der Himmel. Und der Himmel hat wie das Lebende ein seelisches Selbstbewusstsein, das ist Gott (der hçchste Herrscher). Allein ganz objektiv redet man von dem allen als dem Schçpferischen.
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Die Verdoppelung des Zeichens Qian, dessen Bild der Himmel ist, deutet, da es nur einen Himmel gibt, auf die Bewegung des Himmels. Eine vollendete Kreisbewegung des Himmels ist ein Tag. Die Verdoppelung des Zeichens bedeutet, dass auf jeden Tag ein weiterer folgt. Das erzeugt die Vorstellung der Zeit und zugleich, da es derselbe Himmel ist, der sich in unermdlicher Kraft bewegt, der kraftvollen Dauer in und ber der Zeit, einer Bewegung, die nie stillsteht oder erlahmt, wie Tag um Tag einander dauernd folgen. Diese Dauer in der Zeit ist das Bild der Kraft, wie sie dem Schçpferischen zu eigen ist. Der Weise entnimmt daraus das Vorbild dafr, wie er sich zu dauernder Wirkung zu entwickeln vermag. Er muss sich ganz einheitlich stark machen, indem er alles Niederziehende, Gemeine bewusst ausschaltet. So gewinnt er die Unermdlichkeit, die auf geschlossenen Ttigkeitskreisen beruht Die einzelnen Linien Anfangs eine Neun bedeutet: Verdeckter Drache. Handle nicht.
Der Drache hat in China eine ganz andere Bedeutung als in der westlichen Auffassung. Der Drache ist das Symbol der beweglich-elektrischen, starken, anregenden Kraft, die sich im Gewitter zeigt. Diese Kraft zieht sich im Winter in die Erde zurck, tritt im Frhsommer wieder in Wirkung und erscheint am Himmel als Blitz und Donner. Infolge davon regen sich dann auf der Erde auch die schçpferischen Krfte wieder. Hier ist diese schçpferische Kraft noch verdeckt unterhalb der Erde und hat daher noch keine Wirkung. Das bedeutet, auf menschliche Verhltnisse bertragen, dass ein bedeutender Mensch noch unerkannt ist. Aber er bleibt sich darum dennoch selber treu. Er lsst sich von ußerem Erfolg und Misserfolg nicht beeinflussen, sondern wartet stark und unbekmmert seine Zeit ab. So gilt es fr den, der diesen Strich zieht, zu warten in ruhig starker Geduld. Die Zeit wird sich schon erfllen. Man braucht
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nicht zu frchten, dass ein starker Wille sich nicht durchsetzt. Doch gilt es, seine Kraft nicht voreilig auszugeben und etwas erzwingen zu wollen, das noch nicht an der Zeit ist. Neun auf zweitem Platz bedeutet: Erscheinender Drache auf dem Feld. Fçrdernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Hier beginnen die Wirkungen der lichten Kraft sich zu zeigen. Auf menschliche Verhltnisse bertragen bedeutet das, dass der große Mann auf dem Felde seiner Ttigkeit erscheint. Noch hat er keine herrschende Stellung, sondern ist noch unter Seinesgleichen. Aber was ihn vor andern auszeichnet, ist sein Ernst, seine unbedingte Zuverlssigkeit, der Einfluss, den er ohne bewusste Anstrengung auf seine Umgebung ausbt. Ein solcher Mensch ist dazu bestimmt, großen Einfluss zu bekommen und die Welt in Ordnung zu bringen. Darum ist es fçrdernd, ihn zu sehen. Neun auf drittem Platz bedeutet: Der Edle ist den ganzen Tag schçpferisch ttig. Des Abends noch ist er voll innerer Sorge. Gefahr. Kein Makel.
Ein Wirkungskreis erçffnet sich fr den bedeutenden Mann. Sein Ruhm beginnt sich auszubreiten. Die Massen fallen ihm zu. Seine innere Kraft ist der gesteigerten ußeren Ttigkeit gewachsen. Es gibt alle Hnde voll zu tun, und selbst abends noch, da andere ruhen, drngen sich die Plne und Sorgen. Eine Gefahr ist hier vorhanden am Platz des berganges aus der Niedrigkeit in die Hçhe. Schon mancher große Mann ging dadurch zugrunde, dass die Massen ihm zueilen und ihn mitrissen in ihre Bahnen hinein. Ehrgeiz verdarb die innere Reinheit. Aber wahre Grçße wird durch Versuchungen nicht beeintrchtigt. Wenn man in Fhlung bleibt mit den Keimen der neuen Zeit und ihren Forderungen, so besitzt man gengende Vorsicht, sich vor Abwegen zu hten, und bleibt ohne Makel.
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Das Buch der Wandlungen Neun auf viertem Platz bedeutet: Schwankender Aufschwung ber die Tiefe. Kein Makel.
Hier ist die Stelle des bergangs erreicht, wo die Freiheit sich bettigen kann. Eine doppelte Mçglichkeit liegt vor dem bedeutenden Mann: entweder sich aufzuschwingen und im großen Leben maßgebend zu sein oder sich zurckzuziehen und in der Stille seine Persçnlichkeit auszubilden: der Weg des Helden oder des verborgenen Heiligen. Welches der richtige ist, darber gibt es kein allgemeines Gesetz. Jeder, der in solcher Lage ist, muss nach den innersten Gesetzen seines Wesens sich frei entscheiden. Wenn er ganz wahr und folgerichtig handelt, so findet er den Weg, der ihm entspricht, und dieser Weg ist fr ihn recht und ohne Makel. Neun auf fnftem Platz bedeutet: Fliegender Drache am Himmel. Fçrdernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Hier ist der große Mann in der Sphre der Himmlischen angelangt. Sein Einfluss erstreckt sich weithin sichtbar ber die ganze Welt. Jeder, der ihn sieht, kann sich selig preisen. Konfuzius sagt darber : „Was im Ton bereinstimmt, schwingt miteinander. Was wahlverwandt ist im innersten Wesen, das sucht einander. Das Wasser fließt zum Feuchten hin, das Feuer wendet sich dem Trockenen zu. Die Wolken (des Himmels Atem) folgen dem Drachen, der Wind (der Erde Atem) folgt dem Tiger. So erhebt sich der Weise und alle Wesen blicken nach ihm. Was vom Himmel stammt, fhlt sich verwandt mit dem was droben ist. Was von der Erde stammt, fhlt sich verwandt mit dem, was drunten ist. Jedes folgt seiner Art.“ Oben eine Neun bedeutet: Hochmtiger Drache wird zu bereuen haben.
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Wenn man so hoch emporsteigen will, dass man die Fhlung mit den brigen Menschen verliert, so wird man vereinsamt, und das fhrt notwendig zu Misserfolg. Hier liegt eine Warnung gegen ein titanisches Emporstreben, das ber die Kraft geht. Ein Sturz zur Tiefe wrde die Folge sein. Wenn lauter Neunen erscheinen, bedeutet das: Es erscheint eine Schar von Drachen ohne Haupt. Heil!
Wenn alle Linien Neunen sind, so kommt das ganze Zeichen in Bewegung und verwandelt sich in das Zeichen Kun, das Empfangende, dessen Charakter die Hingebung ist. Die Strke des Schçpferischen und die Milde des Empfangenden vereinen sich. Das Starke ist angedeutet durch die Schar der Drachen, das Milde durch den Umstand, dass ihre Hupter verborgen sind. Das bedeutet: Milde in der Handlungsweise verbunden mit Strke des Entschlusses bringt Heil. bersetzung und Kommentar: Richard Wilhelm, I Ging: Das Buch der Wandlungen, Dsseldorf 1956, 25 – 30.
Die Gesnge von Chu (Chuci) – Auszge
Chuci wird manchmal auch als „Gesnge des Sdens“ bersetzt, da der Staat Chu in der vor-Qin-zeitlichen Staatenwelt große Teile des sdlichen Chinas beherrschte. Die Gesnge werden grçßtenteils einem historisch schwer fassbaren Minister von Chu namens Qu Yuan zugeschrieben, der im 4. Jh. v. Chr. gelebt haben soll. Sie geben faszinierende Einblicke in das schamanistische Religionsmilieu der sdlichen Regionen Chinas.
Die weite Fahrt Gefangen in den Wirren der Welt Wollt ich den Sorgen entschweben; Doch meine Krfte sind allzu schwach, Wer soll zum Himmel mich tragen? Ich lebe in Fulnis, in unreiner Zeit, Mein Herz kennt keinen Vertrauten. Schlaflos gehen die Nchte vorber, Und ich liege wach bis zum Morgen. Ich dachte, wie weit das Weltall ist, Dachte an menschliche Schranken. Die vor mir lebten, ich sehe sie nicht, Weiß nicht, wer nach mir wird kommen. Unruhig denke ich fernen Geschehns, Verzehrt von trben Gedanken. Wirr wandert im Ungewissen der Traum, Das Herz ertrinkt bald in Trnen. So fuhr meine Seele, kehrt nicht zurck, Der leere Kçrper wird lter. Im Innersten suchte ich neuen Mut, Sucht’ nach der Quelle des Anfangs. In Ruhe und Leere fand ich das Glck, Im Schweigen allein liegt die Ruhe. Chisong wusch ab den Staub der Welt, Ich will seinem Vorbild folgen.
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Ich ehre der Reinen Wundermacht, Den Unsterblichen will ich folgen. Sie flohen die Menschen, flohen die Zeit, Ihr Name allein blieb bestehen. Fu Yue lebte auf einem Stern. Die Einheit fand Han Zhong. Ihr Kçrper verblasst in der Ferne, Fern vom Getriebe der Welt. Sie stiegen empor mit dem ther, Fuhren gleich Gçttern dahin. Die Welt lag fern im Nebel, Die Seelen glnzten hell. Sie verließen den Staub der Erde, Sie kehrten niemals zurck. Sie entkamen den Wirren des Lebens, Und niemand fand ihre Spur. Frhling und Herbst vergehen, Ich frchte Verfall und Zeit. Die Sonne senkt sich im Westen, Die Blten von Rauhreif sind schwer. Verschwendet sind meine Jahre In Nichtstun und Mßiggang. Den letzten Duft, wer teilt ihn? Ich spreche taub in den Wind. Gao Yang lebt in grauer Vorzeit, Und ich … Endlos sind Herbst mir und Frhjahr, Was blieb ich so lange daheim? Der Gelbe Kaiser ist fern mir, So folge ich Meister Wang Qiao. Die Sechs Essenzen, die trank ich, Schlrfte den Tau der Nacht, Ich trank den Nebel der Sonne, Schmeckte des Morgens Glanz.
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Die Krfte der Reinheit bewahrend, Streifte ich Stoffliches ab, Fuhr ich dahin mit dem Sdwind, Der trug mich nach Nanchao. Dort grßte ich Wang, den Meister, Fragt nach dem Geheimnis ihn. [Er sprach:] Der Weg wird empfangen, wird nicht gegeben. Klein, ohne Inhalt, und grenzenlos groß. Sei frei von Verwirrung, so kommt es von selbst. Einig die Seele, gezgelt der Geist, Bewahre die Stunde der Mitternacht. Verharre im Leeren, jenseits des Nichts, Durch sie strçmt alles, die Pforte der Macht. Ich lauschte seiner kostbaren Lehre Und machte mich schnell zur Reise bereit. Geflgelte Wesen auf roten Hgeln Sah ich in dem Unsterblichen Land. Ich wusch mein Haar im Flusstal des Morgens Und trocknet es abends am Himmelsstrand. Ich trank das Wasser der Fliegenden Quelle, Ich trug im Busen das Blumenjuwel. Wie Jade erstrahlte von neuem mein Antlitz, Und reiner strçmte die Lebenskraft. Schmiegsam wurde mein reinerer Leib, Nach neuen Fahrten begierig mein Geist. Im Feuer erstrahlte das Land des Sdens, Im Winter blht dort ein Kassienbaum. Einsam die Berge, es rhrte kein Tier sich, Niemand geht ber das einsame Moor. ................................... Ich stieg hinauf in die oberen Himmel, Treibende Wolken trugen mich mit. Gruß entbot ich dem Pfçrtner des Himmels, Er çffnet die Tore und blickte mich an. Fen Long rief ich, den Weg mir zu weisen, Fragt ihn nach des Großen Geheimnis Palast.
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Durch die Mauern des Himmels, zu Gottes Haus, Zum Stern der Woche in der Reinen Stadt. Am Morgen verließ ich die Hçfe des Himmels, Wei L lag am Abend tief unter mir. Zehntausend Wagen rief ich zusammen Und fuhr dahin in festlichem Zug. Acht Drachen zogen zngelnd den Wagen, Als Banner weht Wolke im brausenden Wind. Der Regenbogen war meine Standarte, Fnf Farben blenden das Auge im Glanz. Leitpferde trabten und bumten sich edel, Beipferde trabten munter im Zug. Verwirrung schuf der Lrm, der Glanz, Prchtig der Zug am Himmel entlang. Ich hielt die Zgel, schwenkte die Peitsche, Besuchen wollte ich den Herrn Gou Mang. Es brausten die Wagen am çstlichen Himmel, Fei Lian lief auf dem Weg uns voran. Im Morgengrauen ward rot der Himmel, Da setzte ich ber den Himmelsteich. Vor mir brauste der Herr des Sturmes, Der fegte den Staub von meinem Weg. Am Himmel trug mein Banner der Phçnix, Als ich zu Ru Shou im Westen fuhr. Kometenbesen hielt in der Hand ich, Die Kelle trug ich als Marschallsstab. Der Zug strmt brausend durch die Wolken, Der Tag ging unter in wachsendem Dunkel, Als sich Xuanwu dem Zug anschloss. Wenchang diente in meinem Gefolge, Er wies die Gçtter an ihren Ort. Der Weg zog sich hin ins Grenzenlose ber die Hçhen des Himmels dahin. Zu meiner Linken der Herr des Regens, Der Herr des Donners zur Rechten mir geht. Ich verließ die Welt ohne Wiederkehr, Freiheit nur wollte ich denken.
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Freude fand das Herz im eigenen Grund, Nur meinem Wunsch noch wollte ich leben. In blauen Wolken schweift’ ich dahin, Da erblickte ich plçtzlich die Heimat. Heimweh erfasste den Pferdeknecht, Die Rosse blieben stehen. Ich dachte an die, die einst ich gekannt, Und wischte die Trne vom Auge. Langsam schwebte ich hçher empor Und verbannte die Heimwehgedanken. Ich galoppierte nach Sden, zum Feuergott, Zog hin zum sdlichen Ufer. Ich sah die Wildnis jenseits der Lnder Schwebend hoch ber den Wassern. Warnend stand am Wege Zhurong, Der Phçnix rief mir Fufei. Die Herrin vom Xiang die Laute rhrt, Hebo tanzt mit dem Herrn der Meere. Sie spielten das Lied vom Himmelsteich, Das Lied der Wolken, die Neun Gesnge. Meeresdrachen im Reigen sich drehn, Schuppig, gewunden, im Kreise. Regenbogenherrin umschwebte sie, Phçnix am Himmel zog Kreise. Die Musik erfllte den endlosen Raum, Doch ich wollte weiter reisen. Im Gleichschritt trabten die Rosse dahin, Dem Tor der Klte entgegen. Im Windbraus ber der Reinen Quelle Folgt ich Zhuanxu im Eise. Abseits vom Wege stand Xuanming, Ich schaute zurck im Nordkreis. Qian Lei, den Schçpfer, beschwor ich hinauf, Er ebnete mir die Wege.
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Ich fuhr durch Vier Lnder, Durch Sechs Regionen, Zum Blitzstrahl hinauf Und ber den Abgrund. Unsichtbar lag die Erde in der Tiefe, Der Himmel hoch oben im Leeren verschwand. Ich blickte um mich, nichts sah das Auge, Und nichts vernahm das lauschende Ohr. Jenseits des Nichts fand ich die Reinheit, So ward ich eins mit dem Urbeginn. Peter Weber-Schfer, Altchinesische Hymnen aus dem ,Buch der Lieder‘ und den ,Gesngen von Ch’u‘, Kçln 1967, 89 – 97.
Ge Hong: Biographien der gçttlichen Unsterblichen (Shenxian zhuan) – Auszge
Die Biographien der gçttlichen Unsterblichen sind ein Werk des Daoisten und Alchemisten Ge Hong (283 – 343). Es versammelt 84 Geschichten von Individuen, die die Unsterblichkeit erlangt haben und deren Beispiel den Leser ermutigen soll, es ihnen nachzutun.
Wei Boyang Wei Boyang stammte aus Wu. Er war der Sohn eines Beamten von hohem Range, schtzte aber selbst von Natur aus die DaoGeheimknste hçher [als eine Beamtenlaufbahn] ein. Spter ging er mit dreien seiner Schler in die Berge, um das gçttliche Elixier zusammenzubrauen. Es gelang ihm auch [tatschlich], das Elixier vollstndig herzustellen. Da er wusste, dass die Schler noch Zweifel [bezglich der Wirksamkeit der Medizin] in ihrem Innersten hegten, beschloss er, sie zu prfen. Er sagte: „Obwohl das Elixier gelungen ist, wre es doch besser, es zunchst an einem Hund auszuprobieren. Fliegt der Hund [in den Himmel] auf, kçnnen auch wir Menschen es schlucken. Stirbt der Hund aber, drfen wir es wohl nicht einnehmen.“ Daraufhin gab er einem Hund [von dem Elixier] zu lecken, doch der Hund starb sogleich. Da sprach Boyang zu seinen Schlern: „Als wir das Elixier herstellten, waren wir in Sorge, dass es uns nicht gelnge. Jetzt jedoch, da wir es fertiggebracht haben, ist der Hund, der es aufleckte, tot. Man muss frchten, dass es nicht in bereinstimmung mit der gçttlichen Idee entstanden ist. Schlucken auch wir davon, mssen wir ebenfalls befrchten, dass es uns wie dem Hund ergeht. Was machen wir am besten?“ Die Schler antworteten: „Herr, Ihr drft nichts davon einnehmen.“
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Boyang entgegnete: „Ich habe den weltlichen Dingen den Rcken gekehrt. Ich gab meine Familie auf und zog mich in die Berge zurck. Ohne im Besitz von Dao zu sein, schme ich mich auch, nach Hause zurckzukehren. Ob ich nun daran sterbe oder damit lebe [ist einerlei], ich sollte auf jeden Fall davon trinken!“ Dann nahm er von dem Elixier zu sich und als es in seinen Mund kam, war er auf der Stelle tot. Die Schler schauten ihn an und sagten zueinander : „Er stellte eine Medizin her, um sein Leben zu verlngern, er nahm sie ein und starb darauf, was soll man davon halten?“ Allein einer unter den Schlern meinte: „Unser Meister ist ein außergewçhnlicher Mensch. Er nahm dieses [Elixier] ein und starb daran, steckt da nicht eine Absicht dahinter?“ Dann schluckte er auch von dem Elixier und starb ebenfalls. Die beiden brig gebliebenen Schler sagten zueinander : „Diejenigen, die das Elixier bekommen, haben den Wunsch, ein langes Leben zu erreichen. Jetzt, nachdem sie es zu sich genommen haben, sind sie tot. Was sollte es fr einen Nutzen haben, da mitzumachen? Wenn wir die Medizin nicht einnehmen, kçnnen wir noch gut und gerne einige zehn Jahre auf der Welt weilen.“ Daher tranken sie nicht davon. Sie verließen nun zusammen den Berg, um fr Boyang und den verstorbenen Schler das Begrbnis vorzubereiten. Kaum waren die beiden weggegangen, erhob sich Boyang augenblicklich. Er nahm das Elixier, das sie geschluckt hatten, trufelte es dem toten Schler und dem weißen Hund ein, und beide waren wieder lebendig. Der Schler trug den Familiennamen Yu. Beide wurden dann Unsterbliche und gingen weg. Als sie auf dem Wege weit in die Berge waren, trafen sie unterwegs Holzfller. Da schrieb [Boyang] einen Brief [an die beiden Schler] und gab ihn den Dçrflern mit. Er bedankte sich [in dem Schreiben] bei den Schlern [fr die Mhe, die sie bei den Begrbnisvorbereitungen hatten]. Die beiden Schler waren dann zuerst sehr zornig auf sich.
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Boyang verfasste das Cantongqi ber die Gleichartigkeit der fnf Elemente in insgesamt drei Juan. Es hat den Anschein, als seien seine Ausfhrungen eine Erklrung und Erluterung des Yijing der Zhou[zeit]. In Wirklichkeit entlehnt er nur die Gestalt der acht Trigramme, um seine Ansichten ber die Herstellung von Drogen zu erçrtern. Jedoch halten viele der heutigen Konfuzianer, die nicht ber das gçttliche Elixier Bescheid wissen, das Werk fr einen Kommentar zu Yin und Yang und missverstehen so seinen Grundgedanken. Taixuann (Die Frau des Grçßten Mysteriums) Taixuann, mit Familienname Zhuan, mit Vornamen He, verlor ihren Vater als kleines Kind. Wenn andere Leute Mutter und Kind so betrachteten, sagten alle: „Die werden nicht alt!“ [Taixuann] war sehr traurig und bekmmert darber. Oft sagte sie: „Das Menschenleben auf dieser Welt, einmal verloren, kann es nicht wieder erstehen! Nun hçre ich, meine Tage seien gezhlt! Wenn ich mein Dao nicht pflege, kann ich mein Leben nicht verlngern.“ So ging sie weg und hielt Ausschau nach einem erleuchteten Lehrer. Sie reinigte ihr Herz [von allen Begierden] und suchte das Dao. Sie bekam die Methode des Wangzi und handelte viele Jahre lang danach. Alsdann konnte sie durch Wasser schreiten ohne nass zu werden. War sie bei Schnee und Wintersklte mit ungeftterter Kleidung auf dem Wasser, dann blieb ihre Gesichtsfarbe unverndert, sie konnte nmlich ihre Kçrperwrme tagelang aufspeichern. Sie konnte auch den Amtssitz, den Palast, den Marktplatz und alle Huser [einer Stadt] an einen anderen Ort verschieben. Betrachtete man [den neuen Ort], so fand man keinen Unterschied. Zeigte sie mit dem Finger auf etwas, schon war es verschwunden. Tren, Tore und Schrnke, die fest verschlossen waren, çffneten sich [von selbst], wenn sie darauf deutete. Zeigte sie auf einen Berg, zerbarst er. Zeigte sie auf einen Baum, zersplitterte er. Zeigte sie noch einmal darauf, so war alles wieder wie zuvor.
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Zusammen mit ihren Schlern ging sie in den Berg hinein. Tglich klopfte sie abends mit einem Stock an den Felsen, da çffnete sich dieser wie ein Tor und sie gingen hindurch. Da gab es Zimmer, Liegesttten, Frauengemcher und Vorratskammern. Sie aßen und tranken wie gewçhnliche Sterbliche. Selbst wenn sie zehntausend Meilen ging, war ihre Umgebung immer dieselbe. Sie konnte kleinen Dingen befehlen, plçtzlich so groß zu werden wie ein Haus und konnte großen Gegenstnden befehlen, plçtzlich ganz klein zu werden. Manchmal spuckte sie Feuer gen Himmel, mit einem Atemstoß lçschte sie es dann wieder. Auch konnte sie in Flammen sitzen, ohne dass ihre Kleidung Feuer fing. In einem Augenblick konnte sie sich entweder in eine Greisin, ein kleines Kind oder in Pferd und Wagen verwandeln. Es gab nichts, was sie nicht fertigbrachte. Sie beherrschte sechsunddreißig Methoden hervorragend. Sie konnte Tote auferwecken und zum Leben zurckfhren. So rettete sie zahllose Menschenleben. Niemand wusste, was sie zu sich nahm. Auch kam kein Einziger in den Besitz ihrer Geheimknste. Sie sah immer jung aus, ihre Haare waren rabenschwarz. Plçtzlich, an einem hellen Tag, stieg sie in den Himmel auf und verschwand. Gertrud Gntsch, Das Shen-hsien chuan und das Erscheinungsbild eines Hsien, Frankfurt/M. 1988, 66 – 67, 201 – 202.
Herz-Sutra (Hr. dayasu¯tra, Xinjing)
Das Herz-Sutra enthlt die Essenz der Ma¯ha¯yana-Philosophie der Leere (s´u¯nyata¯) und ist einer der wichtigsten Rezitationstexte im chinesischen Buddhismus. Die heute gelufige chinesische Version geht auf den berhmten Tang-zeitlichen Pilgermçnch Xuanzang (ca. 602?–664) zurck.
Als der Bodhisattva Avalokites´vara in profunder und vollkommener Weisheit wandelte, sah er dass die Fnf Skandhas [Daseinsgruppen, Elemente der Persçnlichkeit] allesamt leer sind. Diese Einsicht erlçst von allem Leid. S´ariputra, Form ist nicht verschieden von Leere und Leere nicht verschieden von Form. Form ist also Leere und Leere Form. Und genauso verhlt es sich mit den [brigen vier Daseinsgruppen] Empfindungen, Wahrnehmungen, Antriebe und dem Bewusstsein. S´ariputra, alle dharmas, sind von Leere gekennzeichnet; sie entstehen und vergehen nicht, sind nicht unrein oder rein, nehmen nicht zu noch ab. Daher gibt es in der Leere keine Form, keine Empfindungen, keine Wahrnehmungen, keine Antriebe, kein Bewusstsein, keine Augen, Ohren, Zunge, Kçrper oder Denken, keine Formen, Laute, Gerche, Geschmacksempfindungen oder wahrnehmbare dharmas keine Sicht und schließlich auch kein aktives Bewusstsein. Es gibt keine Unwissenheit und kein Ende der Unwissenheit, und schließlich gibt auch kein Altern und Sterben und kein Ende von Altern und Sterben. Es gibt kein Leiden, keine Ursache und keine Auslçschung [des Leidens] und keinen Weg dahin. Es gibt keine Einsicht und kein Erlangen, denn es gibt nichts zu erlangen. Gesttzt auf diese vollkommene Weisheit ist das Herz des Bodhisattva frei von hinderlichen Gedanken. Ohne hinderliche Gedanken hat er keine Furcht, ist weit entfernt von Unruhe und Illusionen und tritt schließlich ins Nirvana ein. Gesttzt auf diese vollkommene Weisheit erlangen die Buddhas der Drei Zeitalter die unbertroffene, vollstndige Erleuchtung. Daher weiß man, dass die vollkommene Weisheit das große wirk-
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krftige Mantra ist, das große leuchtende Mantra, das hçchste Mantra, das Mantra ohnegleichen. Es kann alles Leid beseitigen und ist vçllig wahr. Sprich daher das Mantra der vollkommenen Weisheit wie folgt: „gate, gate, paragate, parasamgate, bodhi, svaha!“ [Gegangen, gegangen, hinber gegangen, gnzlich hinber gegangen, Erwachen, Dank und Preis!]
Meister Mous Erluterung der Missverstndnisse (Mouzi lihuo lun) – Auszge
„Meister Mous Erluterungen der Missverstndnisse“ ist einer der frhesten apologetischen Texte des chinesischen Buddhismus, auch wenn die Meinungen ber seine genaue Entstehungszeit in der Forschung weit auseinander gehen (3.–5. Jh. n. Chr.). Das Werk ist von besonderem Interesse wegen seines Argumentationsschemas, das Kritik am Buddhismus mit Verweis auf bestehende und anerkannte Parallelen in der chinesischen Tradition zurckweist.
Jemand fragte: „Wenn der Weg des Buddha tatschlich so ehrenhaft und gewaltig ist, warum praktizierten ihn dann [die Urkaiser] Yao und Shun, der Herzog von Zhou und Konfuzius nicht? Er ist mit nicht einem Wort in den sieben Klassikern erwhnt. Da Ihr die Bcher der Lieder und Urkunden liebt und Euch an den Klassikern der Riten und der Musik erfreut, wie kçnnt Ihr da gleichzeitig Gefallen am Weg des Buddha finden und eine Vorliebe fr heterodoxe Knste pflegen? Wie kçnnten diese die Klassiker und ihre Kommentare bertreffen und die Errungenschaften der Weisen verbessern! An Eurer Stelle, Meister, wrde ich sie nicht annehmen.“ Meister Mou antwortete: „Nicht alle Schriften mssen die Worte des Konfuzius sein, nicht alle Medizin muss den Rezepten des [berhmten Arztes] Pian Que folgen. Man folgt den Lehren, die mit den rechten Prinzipien bereinstimmen; man schtzt diejenige Medizin, die Krankheiten heilt. Der Edle whlt weithin aus allem Guten aus und hilft sich auf diese Weise selbst. Zigong, [ein Schler des Konfuzius], sagte: ,Wie kçnnte Konfuzius nur einen einzigen Lehrer gehabt haben?‘ [Der Urkaiser] Yao diente Yin Shou, Shun diente Wucheng, der Herzog von Zhou lernte von L Wang, und Konfuzius von Lao Dan. Und doch wird keiner dieser Lehrer in den Klassikern erwhnt. Obwohl alle vier
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Weise waren, sind sie doch im Vergleich zu Buddha nicht mehr als weiße Hirsche neben dem Einhorn, Schwalben neben dem Phçnix. Wenn Yao, Shun, der Herzog von Zhou und Konfuzius schon solchen Lehrern folgten, wie kçnnte man sich da weigern, von Buddha zu lernen, dessen wundersame Kçrpermerkmale, Wandlungen, und spirituelle Kraft grenzenlos sind? Die Aufzeichnungen der fnf Klassiker haben Lcken. Warum sollte es verwunderlich sein, wenn der Buddha in ihnen nicht verzeichnet ist?“ Jemand fragte: „Im Kanon der Kindespiett heißt es: ,Wir empfangen Kçrper, Haar und Haut von unseren Eltern und wagen nicht, sie zu verletzen.‘ Als Meister Zeng [ein Schler des Konfuzius] im Sterben lag, rief er, ,Entblçßt meine Hnde und Fße!‘ [um zu zeigen, dass sie unversehrt geblieben waren]. Nun rasieren sich die buddhistischen Mçnche aber den Schdel. Warum verstoßen sie gegen die Worte der Weisen und stehen nicht in bereinstimmung mit dem Weg der Kindespiett? Wie kçnnt Ihr, Meister, der Ihr es liebt, das Rechte und das Falsche zu disputieren und das Gerade und Krumme abzuwgen, wie kçnnt Ihr nun solches Verhalten gutheißen?“ Meister Mou antwortete: „Die Weisen zu verunglimpfen entspricht nicht der Menschlichkeit, in der Abwgung zu fehlen ist nicht weise. Wie kçnnte man ohne Menschlichkeit und Weisheit eine feste Grundlage fr Tugend errichten? Ohne feste Tugend aber wrde man sich zu denen gesellen, die prinzipienund treulos sind. Wie aber kçnnte Eure Argumentation so einfach sein? Als Leute aus dem Staate Qi einst einen Fluss berquerten, strzte ein Vater ins Wasser. Seine Sçhne krempelten die rmel hoch, stellten ihn auf den Kopf, auf dass das Wasser aus seinem Mund flçsse, worauf der Vater sich wieder belebte. Es gibt kaum einen grçßeren Verstoß gegen die Kindespiett, als den eigenen Vater auf den Kopf zu stellen, jedoch bewahrten sie so sein Leben. Htten Sie die Hnde zusammengelegt und sich den formellen Normen der Kindespiett gefgt, wre ihr Vater ertrunken. Konfuzius sagte: ,Derjenige, mit dem man den Weg be-
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schreiten kann, ist nicht unbedingt auch jemand, mit dem man Abwgungen treffen kann.‘ Dies bezieht sich auf die Notwendigkeit, der Situation angemessen zu handeln. Im Kanon der Kindespiett heißt es: ,Die Kçnige des Altertums besaßen hçchste Tugend und die Essenz des Dao.‘ Dennoch schnitt sich Taibo die Haare und ttowierte seinen Kçrper, nach Art der Leute von Wu und Yue und entgegen der Aussage der [von Euch zitierten Passage ber] ,Kçrper, Haar und Haut‘. Dennoch verabscheute ihn Konfuzius nicht ob seines kurzen Haars. So gesehen, sollte man sich in Gegenwart von großer Tugend nicht mit Kleinigkeiten aufhalten. Die Mçnche geben Heim und Besitztmer auf, verlassen Frau und Kinder, lauschen nicht der Musik, achten nicht auf weibliche Schçnheit. So praktizieren sie sicherlich hçchste Entsagung, wie kann man da davon reden, dass sie gegen die Worte der Weisen verstießen und nicht in bereinstimmung mit dem Weg der Kindespiett stnden?! Yu Rang schluckte Holzkohle und bemalte seinen Kçrper ; Nie Zhang hutete sein eigenes Gesicht und richtete sich selbst; Bo Ji ging ber Feuer ; Gao Xing verstmmelte ihr Antlitz. [Da sie dies aus Pflichtbewusstsein taten], betrachten alle edlen Menschen sie als tapfer und gerechtfertigt. Nie habe ich gehçrt, dass man sie fr ihre Selbstzerstçrung kritisierte. Die Sitte der Mçnche, ihre Kçpfe zu rasieren, ist doch sicherlich bei weitem nicht so schwerwiegend wie die Taten der vier genannten Personen?“
Die Schrift der Reinheit und Stille (Qingjing jing)
Die in die Tang-Dynastie datierende Schrift der Reinheit und Stille ist sozusagen die daoistische Antwort auf das buddhistische Herz-Sutra (Text 15), indem es eine prgnante Zusammenfassung daoistischer Lehre und Praxis bietet. Die Schrift ist in daoistischen Kreisen seit der Tang-Zeit weit verbreitet.
Der Frst Lao sagt: Das große Dao hat keine Form, aber Es gebiert und hegt Himmel und Erde. Das große Dao hat keine Empfindungen, aber Es lsst Sonne und Mond ihre Bahnen ziehen. Das große Dao hat keinen Namen, aber Es nhrt alle Wesen in ihrem Wachstum. Ich kenne seinen Namen nicht, Muss ich es benennen, so nenne ich es „Dao“. Das Dao kann rein oder trbe sein, bewegt oder still. Der Himmel ist rein und die Erde trbe. Der Himmel ist bewegt und die Erde still. Das Mnnliche ist rein und das Weibliche trbe. Das Mnnliche ist bewegt und das Weibliche still. Von seinem Anfang herabsteigend und zum Ende fließend, Entstehen alle Wesen. Das Reine ist der Ursprung des Trben, Die Bewegung ist das Fundament der Stille. Wem es gelingt, stets rein und still zu sein, In dem kehren Himmel und Erde [zum Urzustand] zurck. Der menschliche Geist liebt die Reinheit, aber das Herz stçrt ihn.
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Das menschliche Herz liebt die Stille, aber die Begierden beeintrchtigen es. Wem es gelingt, seine Begierden bestndig zu vertreiben, Dessen Herz wird von selbst still. Wer sein Herz klrt, Dessen Geist wird von selbst rein. So werden die Sechs Begierden nicht entstehen Und die Drei Gifte werden ausgelçscht. Wem dies nicht gelingt, Dessen Herz ist noch nicht geklrt Und dessen Begierden sind noch nicht vertrieben. Wer seine Begierden vertrieben hat, Schaut sein Herz innen Und erkennt, dass es kein Herz gibt. Er schaut seinen Kçrper außen Und erkennt, dass es keinen Kçrper gibt. In der Ferne schaut er Dinge außerhalb seiner selbst Und erkennt, dass es keine Dinge gibt. Hat er diese drei Einsichten erlangt, Betrachtet er die Leere. Die Leere schauend erkennt er, dass auch sie leer ist Dass die Leere also nicht leer an sich ist. Wenn die Leere nicht existiert, So ist die Nicht-Existenz des Nichts doch noch eine NichtExistenz. Erst wenn fr ihn die Nicht-Existenz des Nichts nicht mehr existiert, Erlangt er bestndige und tiefe Ruhe. In unbedingter Ruhe Wie kçnnten da Begierden entstehen? Wenn Begierden nicht entstehen – Das ist wahre Stille. In wahrer Bestndigkeit begegnet man den ußeren Dingen, In wahrer Bestndigkeit erlangt man seine innere Natur.
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Bestndige Begegnung, bestndige Stille – So ist man bestndig rein und still. In solcher Reinheit und Stille Tritt man allmhlich ein ins Wahre Dao. Ist man ins Wahre Dao eingetreten, Nennt man dies „das Dao erlangen“. Obwohl man es „das Dao erlangen“ nennt, Ist da in Wirklichkeit nichts zu erlangen. Es dient der Wandlung aller Lebewesen, Wenn wir es „das Dao erlangen“ nennen. Wer dies versteht, Kann das Dao bermitteln. Der Hçchste Frst Lao sagt: Der Edle streitet nicht, Der Unwrdige liebt es zu streiten. Die hçchste Tugend ist nicht [bewusst] tugendhaft, Niedere Tugend hlt an ihrer Tugendhaftigkeit fest. Wer sich festhlt und bindet Hat kein Verstndnis vom Dao und seiner Tugend. Der Grund, warum Lebewesen das Wahre Dao nicht erlangen, Ist ihr falsches Herz. Denn haben sie ein falsches Herz, So wird ihr Geist beunruhigt. Ist ihr Geist beunruhigt, Klammern sie sich an ußere Dinge. Haben sie sich an ußere Dinge geklammert, Entstehen Gier und Wnsche. Sind Gier und Wnsche entstanden, So gibt es rger und Kummer. rger, Kummer und falsche Gedanken Bringen Kçrper und Herz Sorge und Leid. Darauf erleidet man ble Erniedrigung, Treibt dahin im Kreislauf von Leben und Tod,
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Versinkt ewig im Meer des Leides Und verliert fr immer das Wahre Dao. Das wahre und bestndige Dao Erlangt der Verstndige von selbst. Wer das Verstndnis des Dao erlangt hat, Wird immer rein und still sein.
Lotos-Sutra: Das Universelle Tor des Bodhisattva Avalokites´vara
Das Lotos-Sutra ist einer der einflussreichsten kanonischen Texte des chinesischen Buddhismus und gilt insbesondere der Tiantai-Schule als die beste und hçchststehende Formulierung der buddhistischen Lehre. Es wurde mehrfach vom Sanskrit ins Chinesische bersetzt, wobei die bersetzung von Kuma¯rajı¯va (343 – 413) die gebruchlichste ist. Das hier vollstndig wiedergegebene 25. Kapitel ist von großer Bedeutung in der Entwicklung des Avalokites´vara-/Guanyin-Kultes in China.
Da erhob sich der Bodhisattva Unerschçpfliche Absicht von seinem Sitz, entblçßte die rechte Schulter, legte verehrend die Handflchen zusammen und sagte zum Buddha: „Oh Weltverehrter! Aus welchem Grund heißt dieser Bodhisattva Avalokites´vara?“ Der Buddha sagte zu dem Bodhisattva Unerschçpfliche Absicht: „Oh Sohn aus gutem Hause! Angenommen, da wren unermessliche hunderttausende und Abermillionen von Lebewesen, die alle bel und Leiden erfahren. Wenn sie von diesem Bodhisattva Avalokites´vara erfahren und einen Herzens seinen Namen ausrufen, dann wird der Bodhisattva Avalokites´vara ihre Stimmen wahrnehmen und alle werden von ihren Leiden befreit werden. Wenn jemand, der sich auf diesen Namen des Bodhisattva Avalokites´vara verlsst, in ein großes Feuer hineingehen wrde, dann kçnnte ihn das Feuer nicht verbrennen. Dies ist so wegen der bernatrlichen Kraft dieses Bodhisattva. Wenn einer in einer großen Wasserflut davongetrieben wrde und er wrde dessen Namen ausrufen, so erlangte er sogleich eine seichte Stelle. Angenommen, da begben sich Hunderttausende und Abermillionen von Lebewesen auf der Suche nach Schtzen wie Gold, Silber, Lapislazuli, Perlmutt, Agathe, Korallen, Smaragde und Perlen aufs Meer – und ein schwerer Sturm ließe ihr Schiff in
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einem Reich von Raksas und Dmonen stranden. Wenn unter ˙ der den Namen des Bodhisattva Avadiesen nur einer wre, lokites´vara ausrufen wrde, so wrden doch alle diese Menschen von der Gefahr der Raksas erlçst werden. Aus diesem Grunde heißt er Avalokites´vara. ˙ Oder wenn da ein Mensch, der von einem Angriff bedroht wre, den Namen des Bodhisattva Avalokites´vara ausrufen wrde, so wrden die Schwerter und Stçcke seiner Angreifer sofort in einzelne Stcke zerbrechen, und er wrde davon erlçst werden. Selbst wenn alle Yaksas und Raksas, die Tausende und ˙ ˙ Abertausende von Lndern fllten, herbeikmen und einen Menschen qulen wollten, dann wrden diese blen Dmonen, sobald sie den Namen des Bodhisattva Avalokites´vara hçren wrden, dann kçnnten sie diesen mit ihren bçsen Augen nicht einmal mehr sehen, geschweige denn ihm Schaden zufgen. Oder nehmen wir an, da wre ein Mensch, sei er nun schuldig oder nicht schuldig, dessen Kçrper in Handschellen, in Fesseln, in Ketten eingeschlossen ist. Wenn dieser den Namen des Bodhisattva Avalokites´vara anrufen wrde, so wrden alle Fesseln zerreißen, und er wrde sofort davon befreit werden. Oder nehmen wir an, es gbe einen Ort, angefllt mit allen blen Rubern der tausend-millionenfachen Welt, und da wre ein Handelsherr, der mit einer Gruppe von Kaufleuten mit ihren ganzen Schtzen ber einen steilen Bergpfad kme – und dieser eine Handelsherr wrde Folgendes ausrufen: ,Oh Sçhne aus gutem Hause! Ihr sollt Euch nicht frchten! Ihr sollt aus ganzem Herzen den Namen des Bodhisattva Avalokites´vara anrufen. Dieser Bodhisattva vermag den Lebewesen Furchtlosigkeit zu verleihen. Wenn Ihr den Namen ruft, dann werdet Ihr von diesen blen Rubern erlçst.‘ Wenn die Kaufleute dies hçrten und ausriefen: ,Verehrung dem Bodhisattva Avalokites´vara!‘, so wrden sie sofort erlçst, weil sie diesen Namen ausgerufen htten. Oh Unerschçpfliche Absicht! So gewaltig sind die bernatrlichen Krfte des Bodhisattva, des Maha¯sattva Avalokites´vara. Wenn da Lebewesen voller Laster und Begierden sind, lasst
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sie allzeit voller Verehrung an den Bodhisattva Avalokites´vara denken, dann kçnnen sie sich von ihren Begierden lçsen. Wenn sie voll Zorn und Hass sind, lasst sie allzeit voller Verehrung an den Bodhisattva Avalokites´vara denken, dann kçnnen sie sich von ihrem Zorn lçsen. Wenn sie voll Dummheit und Verblendung sind, lasst sie allzeit voller Verehrung an den Bodhisattva Avalokites´vara denken, dann kçnnen sie sich von ihrer Verblendung lçsen. Oh Unerschçpfliche Absicht! Der Bodhisattva Avalokites´vara besitzt solche großen bernatrlichen Krfte und kann so viel Nutzen bringen. Deshalb sollen die Lebewesen in ihrem Herzen allzeit seiner gedenken. Wenn da eine Frau wre, die sich einen Sohn wnschte und den Bodhisattva Avalokites´vara verehrt und ihm Spenden darbringt, dann wrde sie einen tugendhaften und weisen Sohn gebren. Wenn sie sich eine Tochter wnschte, dann wrde sie eine Tochter gebren, die mit allen Merkmalen der Anmut ausgestattet wre, einst die Wurzel des Heils gepflanzt hat und von den Menschen liebend verehrt wird. Oh Unerschçpfliche Absicht! Der Bodhisattva Avalokites´vara besitzt solche Kraft. Wenn da Lebewesen sind, die den Bodhisattva Avalokites´vara verehren, ihm Spenden darbringen, so wird ihr Verdienst niemals schwinden oder vergeblich sein. Deshalb sollen alle Lebewesen den Namen des Bodhisattva Avalokites´vara annehmen und bewahren. Oh Unerschçpfliche Absicht! Wenn es einen Menschen gbe, der die Namen von Bodhisattvas, so zahlreich wie die Sandkçrner in zweiundsechzig Millionen Gan˙ga¯-Flssen, annehmen und bewahren und ihnen außerdem bis zum Ende seines Lebens Speis und Trank, Kleidung und Bettzeug und Arznei spenden wrde – was meinst Du: Wrde dieser Sohn aus gutem Hause, diese Tochter aus gutem Hause, wrde deren Verdienst groß sein oder nicht?” Unerschçpfliche Absicht sprach: „ußerst groß, oh Weltverehrter!” Der Buddha sprach: „Angenommen, da gbe es noch einen Menschen, der den Namen des Bodhisattva Avalokites´vara an-
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nehmen und bewahren, ihn auch nur einmal verehren und ihm Spenden darbringen wrde – der Verdienst dieser beiden Menschen wre gleich und ohne Unterschied und wre in Myriaden von Kalpas nicht erschçpft. Oh Unerschçpfliche Absicht! Wenn man den Namen des Bodhisattva Avalokites´vara annimmt und bewahrt, dann kommt man in den Genuss von solch unermesslichem, unbegrenztem Verdienst.“ Der Bodhisattva Unerschçpfliche Absicht sprach zum Buddha: „Oh Weltverehrter! Der Bodhisattva Avalokites´vara – wie bewegt er sich in dieser Sabha¯-Welt? Wie verkndet er den Lebewesen die Lehre? Die Kraft seiner hilfreichen Mittel – wie setzt er diese ins Werk?“ Der Buddha erklrte dem Bodhisattva Unerschçpfliche Absicht: „Oh Sohn aus gutem Hause! Wenn es Lebewesen in Lndern gibt, die durch den Kçrper eines Buddha erlçst werden kçnnen, so erscheint der Bodhisattva Avalokites´vara sogleich im Kçrper eines Buddha und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Pratyekabuddha erlçst werden kçnnen, so erscheint er sogleich im Kçrper eines Pratyekabuddha und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Hçrers erlçst werden kçnnen, so erscheint er sogleich im Kçrper eines Hçrers und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper des Gçtterkçnigs Brahma erlçst werden kçnnen, so erscheint er sogleich im Kçrper des Gçtterkçnigs Brahma und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper des Gçtterfrsten S´akra erlçst werden kçnnen, so erscheint er sogleich im Kçrper des Gçtterfrsten S´akra und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines s´vara erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines s´vara und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Mahes´vara erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Mahes´vara und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Großen Gçttergenerals erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Großen Gçttergenerals und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper des Vais´ravan. a erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper des Vais´ravan. a und verkndet ihnen das Gesetz.
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Wenn sie durch den Kçrper eines kleinen Kçnigs erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines kleinen Kçnigs und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Gildenmeisters erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Gildenmeisters und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Hausvaters erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Hausvaters und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Beamten erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Beamten und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Brahmanen erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Brahmanen und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Mçnchs, einer Nonne, eines Laienanhngers oder einer Laienanhngerin erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Mçnchs, einer Nonne, eines Laienanhngers oder einer Laienanhngerin und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Knaben oder eines Mdchens erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Knaben oder eines Mdchens und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Gottes, eines Na¯ga, eines Yaksa, eines Gandharva, eines Asura, eines Garuda, eines ˙ ˙ Kim . nara, eines Mahoraga, eines menschlichen oder eines nichtmenschlichen Wesens erlçst werden kçnnen, so erscheint er im dementsprechenden Kçrper und verkndet ihnen das Gesetz. Wenn sie durch den Kçrper eines Vajrapa¯n. i erlçst werden kçnnen, so erscheint er im Kçrper eines Vajrapa¯n. i und verkndet ihnen das Gesetz. Oh Unerschçpfliche Absicht! Der Bodhisattva Avalokites´vara hat solche Verdienste erlangt, dass er sich in den verschiedensten Gestalten durch die Lnder bewegen kann, um die Lebewesen zu erlçsen. Deshalb msst Ihr mit ganzem Herzen dem Bodhisattva Avalokites´vara Spenden darbringen. Dieser Bodhisattva, Maha¯sattva Avalokites´vara kann inmitten von angstvollen, niederschmetternden und gefhrlichen Umstnden Furchtlosigkeit gewhren. Deshalb nennen ihn alle in dieser Sabha¯-Welt den Gewhrer von Furchtlosigkeit.“ Der Bodhisattva Unerschçpfliche Absicht sprach zum Buddha:
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„Oh Weltverehrter! Ich werde jetzt dem Bodhisattva Avalokites´vara Spenden darbringen.“ Darauf lçste er von seinem Hals ein Juwelenhalsband im Wert von zwanzigtausend Goldstcken und brachte es ihm dar. Nachdem er dies getan hatte, sprach er : „Oh Werter! Bitte, nimm dieses Juwelenhalsband als Dharmagabe an.“ Da wollte der Bodhisattva Avalokites´vara diese Gabe nicht annehmen. Unerschçpfliche Absicht sagte noch einmal zum Bodhisattva Avalokites´vara: „Oh Werter! Aus Mitleid mit uns, bitte, nimm die Gabe an.“ Da sprach der Buddha zum Bodhisattva Avalokites´vara: „Du sollst dieses Halsband annehmen, aus Mitgefhl gegenber dem Bodhisattva Unerschçpfliche Absicht und der vierfachen Versammlung, mit den Gçttern, den Na¯gas, den Yaksas, den ˙ Gandharvas, den Asuras, den Garudas, den Kim . naras, den ˙ Mahoragas, den menschlichen und nichtmenschlichen Wesen!“ Da empfand der Bodhisattva Avalokites´vara Mitgefhl gegenber der vierfachen Versammlung und den Gçttern, den Na¯gas, den menschlichen und nichtmenschlichen Wesen und nahm dieses Halsband sogleich an, teilte es in zwei Teile und gab einen Teil dem Buddha S´a¯kyamuni und einen Teil dem Stu¯pa des Buddha Juwelenreich. Der Buddha sagte: „Oh Unerschçpfliche Absicht! So sind die frei ausgebten bernatrlichen Krfte, die der Bodhisattva Avalokites´vara auf seinen Reisen durch die Sabha¯-Welt zeigt.“ Da fragte der Bodhisattva Unerschçpfliche Absicht in folgenden Versen: „Weltverehrter, voller wunderbarer Merkmale, ich frage Dich jetzt ein weiteres Mal: Aus welchem Grund heißt der Sohn des Buddha Avalokites´vara?“ Der mit allen wunderbaren Merkmalen versehene Weltverehrte antwortete Unerschçpfliche Absicht: „Hçre die Handlungen des Avalokites´vara, wie treffend er an den verschiedenen Orten reagiert. Sein weites, umfassendes Gelbde ist tief wie der Ozean, durch unvorstellbar zahlreiche Kalpas hindurch. Er hat unzhlig vielen Buddhas gedient,
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hat ein großes reines Gelbde abgelegt. Ich werde Euch kurz erklren. Hçrt seinen Namen und erblickt seinen Kçrper ; behaltet ihn im Herzen, verschwendet keine Zeit, denn er kann alles Leiden des Daseins auslçschen. Sollte jemand die Absicht hegen, Euch zu schaden, Euch in einen großen Feuergraben hineinstoßen – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und der Feuergraben verwandelt sich in einen See. Oder Ihr treibt auf dem weiten Ozean, bedroht von Na¯gas, Fischen und Geistern – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und diese Wellen und Strudel kçnnen Euch nicht versenken. Oder Ihr werdet vom Gipfel des Sumeru von jemandem hinabgestoßen – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und Ihr werdet im Luftraum verweilen wie die Sonne. Oder Ihr werdet von einem Bçsewicht verfolgt, der Euch von einem Diamantberg herabstçßt – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, so kann Euch kein einziges Haar gekrmmt werden. Oder Ihr seid von blen Rubern umringt, von denen jeder ein Messer hlt, um Euch zu verwunden – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und sofort werden alle von Mitgefhl berwltigt. Oder Ihr habt Schwierigkeiten mit einem kçniglichen Schwur, und der Henker naht, um Eurem Leben ein Ende zu setzen – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und das Messer wird sogleich in einzelne Stcke zerbrechen. Oder Ihr seid eingekerkert und eingeschlossen, Hnde und Fße in Ketten und Fesseln – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und Ihr erlangt problemlos die Befreiung. Jemand will Euch mit Flchen und Giften Schaden am Leib zufgen – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und der Schaden wird auf den Verursacher zurckfallen.
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Oder Ihr trefft bçse Raksas, giftige Na¯gas und andere˙ Geister – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und dann wird keiner es wagen, Euch Schaden zuzufgen. Wenn Ihr von wilden Tieren umzingelt seid, mit scharfen Zhnen und Krallen, Furcht erregend – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und sie werden unermesslich weit davonlaufen. Gbe es da giftige Schlangen und Skorpione, deren Atem und Gift wie Feuer brennen – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und beim Klang Eurer Stimme verschwinden sie von selbst. Wenn Wolken-Donner rollt und Blitze einschlagen, Hagel fllt und Regengsse herabstrçmen – denkt an die Kraft dieses Avalokites´vara, und sofort lçsen sich die Unwetter auf. Widerfhrt den Lebewesen Ungemach, und unermessliche Leiden zwingen sie nieder – die Kraft der Weisheit dieses Avalokites´vara vermag die Welt vor dem Leiden zu erretten. Voller bernatrlicher Krfte wendet er weithin die hilfreichen Mittel der Weisheit an. In den Lndern der zehn Himmelsrichtungen ist keine Region, in der er nicht seine Gestalt zeigt. In den vielen Formen der schlechten Existenz, als Hçllenwesen, Hungergeist oder Tier, die Leiden von Geburt, Alter, Krankheit und Tod, all diese lçscht er nach und nach aus. Ihn, der den wahren Blick hat, den reinen Blick hat, der den Blick von umfassender, großer Weisheit hat, der den Blick des Mitgefhls und den Blick der zuwendenden Liebe hat – allzeit flehen wir ihn an, allzeit blicken wir zu ihm auf. Sein unbefleckter reiner Lichtstrahl ist eine Sonne der Weisheit, alle Dunkelheit zerstçrend. Er kann den Wind und das Feuer des Unglcks besiegen und bringt berall Licht in die Welt.
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Sein edles Verhalten, das seinem mitfhlenden Kçrper entstrçmt, rttelt uns auf wie Donner, seine zuwendende Liebe ist wie eine wunderbare große Wolke. Er lsst den Gesetzesregen des Unsterblichkeitstranks herabstrçmen und lçscht die Flammen der Bedrngnis. Ob man im Streit vor Gericht steht oder sich angstvoll von einer Armee umringt sieht – denke an die Kraft dieses Avalokites´vara, und der Hass in all seinen Formen wird zerstreut. Avalokites´vara, dessen Klnge wunderbar sind, dessen Klnge brahmahaft sind, dessen Klnge wie die Flut des Meeres sind, sie bertreffen die Klnge dieser Welt, deshalb soll man allzeit an sie denken. Von Gedanken zu Gedanken, niemals Zweifel hegend an Avalokites´vara, diesem reinen Weisen! In Leid, Befleckung, Tod und Bedrngnis kann er Hilfe und Untersttzung bieten. Mit all seinen Verdiensten schaut er mit seinem Auge des Mitgefhls auf die Lebewesen. Sein angesammeltes Heil ist so groß wie ein unermesslicher Ozean; deshalb soll man vor ihm sein Haupt beugen.“ Da erhob sich der Bodhisattva Erdsttzer von seinem Sitz, trat vor und sprach zum Buddha: „Oh Weltverehrter! Wenn es Lebewesen gibt, die dieses Kapitel ber den Bodhisattva Avalokites´vara hçren, ber die freien Taten dieses Selbstbeherrschten, ber sein Aufzeigen des Universellen Tores, ber seine bernatrlichen Krfte, so sollen deren Verdienste als nicht gering erachtet werden.“ Als der Buddha dieses Kapitel ber das Universelle Tor predigte, waren da in der Menge vierundachtzigtausend Wesen, in denen der Entschluss entstand, nach der unvergleichlichen Anuttarasamyaksam . bodhi zu streben. Max Deeg, Das Lotos-Su¯tra, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, 306 – 313.
Die Niederschrift von der Smaragdenen Felswand (Biyanlu) – Auszge
Die Niederschrift von der Smaragdenen Felswand ist eine der bekanntesten Spruchsammlungen zum Zwecke der meditativen „Fallstudien“ (gong’an; jap. ko¯an). Sie geht auf die Song-zeitlichen Chan-Meister Xuedou (980 – 1052) und Yuanwu (1063 – 1135) zurck.
1 Kaiser Wu der Liang-Dynastie fragte den Großmeister Bodhidharma: Welches ist der hçchste Sinn der Heiligen Wahrheit? Bodhidharma sagte: Offene Weite – nichts von heilig. Der Kaiser fragte weiter : Wer ist das Uns gegenber? Bodhidharma erwiderte: Ich weiß es nicht. Der Kaiser konnte sich nicht in ihm finden. Bodhidharma setzte dann ber den Strom und kam nach Wei. Spter wandte sich der Kaiser an den Edlen Zhi und befragte ihn. Der Edle Zhi sagte: Aber Eure Majestt wissen doch wohl, wer das ist? Oder nicht? Der Kaiser erwiderte: Ich weiß es nicht. Da sagte der Edle Zhi: Das ist der große Held Avalokites´vara, der das Siegel des Buddhageistes weitergibt. Da reute es den Kaiser, und schließlich sandte er einen Boten ab, um Bodhidharma zurckzubitten. Der Edle Zhi aber riet: Sagen Eure Majestt es lieber niemand, dass Sie einen Boten schicken wollten, ihn zurckzuholen! Dem kçnnte das ganze Land nachlaufen: Er kehrte doch nicht wieder um. 11 Huangbo sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft: Ihr Leute hier seid alle samt und sonders Tresterlecker. Das ist die Art, wie ihr als fahrende Scholaren von Ort zu Orte pilgert. Wo
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aber habt ihr euer Heute? Wisst ihr denn eigentlich, dass im ganzen großen Tang-Reich kein Chan-Meister zu finden ist? Nun war da ein Mçnch, der trat vor und sagte: Dann mçchte ich nur wissen, was es bedeutet, dass berall im Lande Klçster sind, wo man sich der Scholaren annimmt und Bruderschaften leitet? Huangbo erwiderte: Ich sage nicht: Es gibt kein Chan; nur : Es gibt keinen Meister. 20 Longya fragte Cuiwei: Was ist der Sinn des Kommens unseres Patriarchen aus dem Westen? Cuiwei sagte: Reiche mir einmal das Sttzbrett her! Longya reichte Cuiwei das Sttzbrett hin. Cuiwei nahm es und schlug ihn damit. Longya sagte: Wenn Ihr mich schlagt, so lasse ich mich schlagen! Kurz, einen Sinn des Kommens unseres Patriarchen aus dem Westen gibt es nicht. Longya fragte dann auch Linji: Was ist der Sinn des Kommens unseres Patriarchen aus dem Westen? Linji sagte: Reiche mir das Sitzpolster her! Longya nahm das Polster und reichte es Linji hin. Linji nahm es und schlug ihn damit. Longya sagte: Wenn Ihr mich schlagt, so lasse ich mich schlagen! Kurz, einen Sinn des Kommens unseres Patriarchen aus dem Westen gibt es nicht. 26 Ein Mçnch fragte Baizhang: Was gibt es Außerordentliches? Baizhang versetzte: Hier auf dem Reckenberg allein zu sitzen. Der Mçnch verneigte sich verehrend. Da schlug ihn Baizhang. 30 Ein Mçnch fragte Zhaozhou: Mir ist gesagt worden, der Ehrwrdige habe den Meister Nanquan noch persçnlich gekannt. Ist das wirklich wahr?
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Zhaozhou erwiderte: Im Kreis Zhen gedeihen die großen Rettichkçpfe. Bi-Yn-Lu, Meister Yan-wu’s Niederschrift von der Smaragdenen Felswand. Ins Deutsche bertragen und erlutert von Wilhelm Gundert. 1960 Carl Hanser Verlag Mnchen, 37 – 38, 221, 351, 441, 489; leicht modifiziert.
Shandao: Abhandlung ber den Weißen Pfad zwischen zwei Flssen
Dieser kurze Essay des spter als dritter Patriarch der Schule des Reinen Landes betrachteten Mçnchs Shandao (613 – 681) gibt eine prgnante Darstellung ihrer Sicht der conditio humana. Heil kann nur derjenige erhoffen, der sich auf das Gelbde des Amita¯bha verlsst und die Wiedergeburt im Reinen Land anstrebt.
Und dies fr alle, die auf die Wiedergeburt [im Reinen Land] hoffen: Heute will ich den Pilgern eine Parabel erzhlen, um ihr glubiges Herz zu bewahren und den Bedrohungen durch Heterodoxie und hretische Ansichten zu wehren. Dies ist nun die Parabel: Ein Mann gedenkt, hunderttausend Meilen gen Westen zu reisen. Auf dem Weg sieht er plçtzlich zwei Flsse, ein Fluss aus Feuer im Sden, ein Fluss aus Wasser im Norden. Jeder der beiden Flsse ist hundert Schritt breit und unermesslich tief und erstreckt sich ohne Ende von Norden nach Sden. Genau in der Mitte zwischen Wasser und Feuer gibt es einen weißen Pfad, vielleicht vier oder fnf Zoll breit, der hundert Schritt lang vom Ost- zum Westufer fhrt. Auf der einen Seite wird er von Wogen bespritzt, auf der anderen von Flammen gebrannt. Ohne Unterbrechung branden Wasser und Feuer gegen den Pfad. Der Mensch befindet sich in einer Wstenei, wo es niemanden sonst gibt außer einer großen Zahl von Rubern und wilden Bestien. Als sie den Mann ganz allein sehen, drngen sie alle heran und wollen ihn tçten. In Todesangst rennt er direkt nach Westen, als er plçtzlich die großen Flsse sieht. Er denkt bei sich selbst, „Im Norden und Sden ist kein Flussufer zu sehen; in der Mitte befindet sich ein weißer Pfad. Er ist allerdings ußerst eng und sicherlich unmçglich zu begehen, auch wenn die Entfernung zwischen den beiden Ufern nicht weit ist. Zweifelsohne werde ich heute umkommen. Wenn ich umkehren will, werden mich
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die Ruber und Bestien bedrngen. Suche ich nach Norden oder Sden zu entkommen, greifen mich wilde Bestien und giftiges Gewrm an. Will ich den Wege nach Westen suchen, so frchte ich, dass ich in die beiden Flsse aus Wasser und Feuer falle.“ Vor Entsetzen verschlgt es ihm die Sprache. Dann denkt er, „Wenn ich umkehre, sterbe ich; wenn ich stehen bleibe, sterbe ich; wenn ich weitergehe, sterbe ich. Wenn ich den Tod ohnehin nicht vermeiden kann, kann ich genauso gut auf diesem Pfad weitergehen. Da es nun einen Pfad gibt, muss man ihn wohl auch berqueren kçnnen.“ Als er dies denkt, hçrt er plçtzlich eine ermutigende Stimme am Ostufer : „Guter Mann, entschließ Dich fr diesen Pfad—es droht keine Todesgefahr. Bleibst du aber stehen, wo du bist, so wirst du sterben.“ Darauf ruft jemand vom Westufer : „Komm direkt her, mit ganzem Herzen und voller Konzentration. Ich kann dich beschtzen. Habe keine Angst, dass Du ins Wasser oder Feuer fallen kçnntest.“ Als er die Ermahnung dieser und den Ruf jener Stimme hçrt, richtet sich der Mann auf in Kçrper und Geist und beschließt ohne weiteres Zçgern und Zaudern, auf dem Pfad voran zu gehen. Er ist gerade eine kleine Strecke gegangen, als die Ruber am Ostufer rufen: „Guter Mann, komm zurck. Der Pfad ist gefhrlich und nicht begehbar. Du wirst sicherlich umkommen. Wir wollen Dir nichts Bçses.“ Der Mann hçrt die Rufe zwar, aber wendet sich nicht zu ihnen um. Voll auf den Pfad konzentriert schreitet er voran und erreicht im Nu das Westufer. Er lsst alles Leid fr immer hinter sich, trifft seinen guten Freund und genießt grenzenlose Freude. Dies ist die Parabel. Und nun ihre Bedeutung: Das Ostufer steht fr die brennende Behausung der unbestndigen Welt. Das Westufer meint das Juwelenland des Hçchsten Glcks. Die Ruber, Bestien und falschen Freunde sind die Sechs Sinnesorgane, Sechs Bewusstseinsweisen, Sechs Stube, Fnf Komponenten und Vier Elemente. Die menschenleere Wstenei steht fr die Gesellschaft schlechter Freunde und das Fehlen wahrer und guter Berater. Die beiden Flsse aus Wasser und Feuer reprsentieren die Gier und emotionale Verwicklung der Menschen (Wasser) und ihren Zorn und Hass (Feuer). Der vier bis fnf Zoll breite weiße Pfad
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steht fr die reine Hoffnung auf die Wiedergeburt im Reinen Land, welche inmitten der Anfechtungen von Gier und Zorn keimen kann. Die Strke von Gier und Hass vergleicht man mit Wasser und Feuer. Die Schwche des Bewusstseins des Guten ist wie der weiße Pfad. Dass Letzterer von den Wogen bespritzt wird, ist wie das bestndige Aufwallen der Emotionen, welche das Bewusstsein des Guten verunreinigen. Dass Flammen den Weg anbrennen, ist wie ein von Zorn und Hass geflltes Herz, welches Dharma-Schtze des Verdienstes verbrennen kann. Der Mann, der auf dem Pfad direkt gen Westen schreitet, ist wie einer, der all sein Tun auf das Westparadies hin ausrichtet. Die Stimme am Ostufer , die ihn ermutigt, den Pfad nach Westen zu beschreiten, steht fr S´a¯kyamuni, der bereits ins Nirvana eingegangen und fr die Nachgeborenen nicht sichtbar ist, dessen Lehren gefunden werden kçnnen und so mit Stimmen verglichen werden. Die Ruber, die den Mann nach einer kurzen Weile zurckrufen, sind wie die Vertreter anderer Traditionen und schlechter Ansichten, welche Verwirrung und Chaos mit ihren verantwortungslos verbreiteten Ideen stiften und sich selbst und andere versndigen und in die Irre fhren. Der Rufer am Westufer entspricht dem Gelbde des Amita¯bha Buddha. Die Freude ber das Wiedersehen mit guten Freunden am Westufer beschreibt all die lebenden Wesen, die schon lange im Sam . sa¯ra stecken, ber endlose onen wiedergeboren, verloren und verstrickt, ausweglos. Aufblickend erhalten sie S´a¯kyamunis Sendung, die gen Westen weist, und verlassen sich auf Amita¯bhas gndigen Ruf. Im Vertrauen auf die gute Absicht der beiden Buddhas schenken sie den beiden Flssen aus Wasser und Feuer keine Beachtung, sondern beschreiten mit voller Konzentration jenen Pfad der Gelbdeskraft. Nach ihrem Dahinscheiden werden sie in jenem Land wiedergeboren werden. Sie treffen den Buddha und das Glck hat kein Ende.
Han Yu: Denkschrift ber die Buddhareliquie
Mit seiner Denkschrift, in der er die kaiserliche Hingabe an den Buddhismus heftig kritisierte, handelte sich der Tang-zeitliche Konfuzianer Han Yu (768 – 824) im Jahre 819 die Verbannung ein. Der Text wird gemeinhin als Zeugnis sowohl der unerschrockenen Aufrichtigkeit des Han Yu verstanden, wie auch als ein Zeichen des Wiedererstarkung der konfuzianischen Tradition in der Tang-Zeit und ihrer selbstbewussten Abgrenzung von der „Fremdlehre“ des Buddhismus.
Ihr gehorsamer Diener mçchte Folgendes erklren: Ich bin der Ansicht, dass der Buddhismus eine Lehre von Barbarenvçlkern ist, die seit der spten Han nach China einfloss. In unserer historischen Tradition hat es so etwas nicht gegeben. Frher hat unser Gelber Kaiser hundert Jahre regiert und ist einhundertzehn Jahre alt geworden. Shao Hao hat achtzig Jahre regiert und ist hundert Jahre alt geworden. Zhuan Xu hat neunundsiebzig Jahre regiert und ist achtundneunzig Jahre alt geworden. Der Kaiser Ku hat siebzig Jahre regiert und ist einhundertfnf Jahre alt geworden. Kaiser Yao saß achtundneunzig Jahre auf dem Thron und ist einhundertachtzehn Jahre alt geworden. Shun und Yao sind beide ber hundert Jahre alt geworden. Damals herrschte Frieden auf der Welt, und die Menschen genossen ein langes und glckliches Dasein, obwohl es in China keinen Buddha gab. Spter wurde Kaiser Tang der Yin-Dynastie auch ber einhundert Jahre alt. Sein Enkel Tai Wu war auch fnfundsiebzig Jahre an der Macht. Wu Ding saß neunundfnfzig Jahre auf dem Thron. Zwar schweigen sich die Geschichtsbcher ber ihre Lebensdaten aus, doch wenn man nachrechnet, wird man feststellen, dass beide mindestens einhundert Jahre alt wurden. Wen Wang der Zhou Dynastie ist siebenundneunzig Jahre alt geworden, Wu Wang wurde dreiundneunzig Jahre, Mu Wang saß einhundert Jahre auf seinem Thron. Damals war die buddhistische Lehre noch nicht nach China gedrungen, daher kann man
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nicht behaupten, diese Langlebigkeit sei dem buddhistischen Einfluss zu verdanken. Buddhismus gibt es bei uns erst seit der Zeit des Kaisers Ming der Han-Dynastie, und er hat nur achtzehn Jahre regiert. Danach kamen sehr unruhige Zeiten, und die Herrscher wechselten in schneller Abfolge. Seit dem Wechsel der kleinen Dynastien wie Song, Qi, Liang, Chen und Yan Wei sind die Menschen immer eifriger im Buddhadienst geworden, aber die Lebensspanne der Herrscherhuser wurde immer krzer. Lediglich Liang Wu Di saß achtundvierzig Jahre auf seinem Thron, dreimal weihte er seine Person dem Buddhadienst, bei der Ordinationsfeier verzichtete er auf Tieropfer und ging soweit, nur einmal am Tag zu essen, und auch dann nur Pflanzenkost. Doch spter wurde er vom Rebellen Hou Jing gezwungen, nach Taicheng auszuweichen, wo er verhungerte. Auch sein Reich ging zugrunde. Er diente dem Buddha, um Glck zu erlangen, hat aber, im Gegenteil, nur Unheil geerntet. Daraus ergibt sich, dass es nichts fruchtet, den Buddha zu ehren. Als Gao Zu das Reich von den Sui bernahm, hat man bereits darber diskutiert, den Buddhismus abzuschaffen. Doch die damaligen Beamten besaßen keine tiefere Einsicht und waren außerstande, die Lehre der alten Herrscher wirklich zu erfassen und zu erkennen, was sowohl frher als auch heute von Gltigkeit ist. Sie waren unfhig, die große Lehre in der Welt leuchten zu lassen und so ihre Missstnde zu kurieren. Dass ein so großes Unternehmen bereits in seinen Anfngen ins Stocken kam, bedaure ich noch heute. Nun hatte ich aber gedacht, dass Sie, der große und heilige Herrscher, der sich so bedeutende kulturelle und militrische Verdienste erwarb wie seit Jahrtausenden kein Kaiser vor Ihnen, und der gleich bei seiner Thronbesteigung beschloss, die Ordinierung der Mçnche und den Neubau von Tempeln zu begrenzen, so dass ich annahm, das große Vorhaben des Gao Zu wrde von Ihnen endlich verwirklicht – wie konnte ich denken, dass gerade Sie einen Gegenbefehl geben wrden, der die Befçrderung des Buddhismus zum Inhalt hatte. Heute habe ich gehçrt, dass Sie angeordnet haben, die
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Mçnche mçchten die Buddhareliquie aus Feng Xiang einholen, um sie in den kaiserlichen Gemchern auszustellen, damit Ihre Majestt sie persçnlich verehren kçnne. Außerdem sollten die verschiedenen Tempel der Reihe nach Wallfahrten zur Reliquie ausrichten. Trotz meiner bescheidenen Intelligenz weiß ich, dass Sie diese Dinge nicht aus aberglubischer Gesinnung heraus tun, sondern diese Zeremonie lediglich abhalten, weil Sie Glck und Segen auf das Reich herabflehen wollen. Es geht darum, die Wnsche des Volkes nach guter Ernte und Glck zu erfllen. Das Ganze ist wohl als ein großartiges Schauspiel gedacht, um die Eliten und Massen der Hauptstadt zu unterhalten. Denn wie kçnnte ein so kluger Herrscher wie Sie ernsthaft an so eine Sache glauben! Doch das Volk in seiner geistigen Beschrnktheit ist leicht zu verfhren und schwer zur Wahrheit zu bringen. Wenn es sieht, dass Sie so handeln, wird es annehmen, Sie glaubten ernsthaft an die buddhistische Lehre. Die Leute werden sagen: „Wenn selbst der heilige Himmelssohn an den Buddha glaubt, wie kçnnten wir einfachen Menschen uns dem versagen?“ Sie fangen an, sich am Kopf und an den Hnden zu verbrennen, sie werfen die Kleider ab und verteilen ihr Geld. Von frh bis spt eifern sie einander nach, so als kçnnten sie etwas versumen. Alte und Junge beeilen sich gleichermaßen, Geschft und Gewerbe aufzugeben. Wenn man diese Dinge nicht rechtzeitig unterbindet und die Reliquie noch zu anderen Tempeln gelangt, dann mag es dahin kommen, dass sich die Leute noch mehr verstmmeln, um ihre Ergebenheit dem Buddha gegenber zu bezeugen. Dies wrde unsere kulturelle Tradition verderben und uns zum Gespçtt der ganzen Welt machen, was keine Kleinigkeit ist. Der Buddha war ein Mensch aus dem Barbarenland, er kannte unsere Sprache nicht und trug andere Kleider als wir. Was er lehrte, entsprach nicht den Gesetzen unserer alten Kçnige, und er kleidete sich auch unterschiedlich. Er verstand nicht, welches das richtige Verhltnis zwischen Herrscher und Beamten ist, noch welche Gefhlsbande Vater und Sohn verbinden. Falls der Buddha heute leben wrde und im Auftrage seines Herrschers
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unsere Hauptstadt besuchte, dann wrden Sie ihn gndig im Audienzsaal empfangen, ein Bankett fr ihn ausrichten lassen und ihn mit den nçtigen Kleidungsstcken ausstatten – danach sollten ihn die Soldaten zur Grenze geleiten, damit er niemand im Lande verwirren kçnnte. Er ist aber schon lange tot – wie kçnnte es angehen, seinen trockenen und unreinen Gebeinen zu gestatten, ins Palastinnere gebracht zu werden. Konfuzius sagte: „Man soll die Geister ehren, sich aber fern von ihnen halten.“ Wenn die Frsten der alten Zeit fr den Staat beten wollten, so beauftragten sie zuerst die Schamanen, den Platz mit Pfirsichzweigen von blen Einflssen zu reinigen. Erst danach konnte die Zeremonie stattfinden. Heute hingegen sind Sie ohne wirklichen Grund bereit, diese unreinen Dinge in persona zu betrachten, ohne zuvor Schamanen und Pfirsichzweige zu verwenden. Dabei weisen die Beamten nicht auf das Unrecht hin, noch wagen es die Zensoren, die Falschheit der Sache aufzuzeigen. Ich schme mich wahrhaftig fr sie. Ich bitte darum, man mçge diese Reliquien den zustndigen Behçrden berweisen, um sie durch Feuer und Wasser endgltig zu beseitigen, um das Land vor weiterem Irrglauben zu bewahren und der Zukunft geistige Verwirrung zu ersparen. Damit kçnnten Sie aller Welt beweisen, dass Ihre großartige Tat sich unendlich weit ber den Alltagsverstand erhebt. Wre das nicht ein Grund zum Jubeln und Feiern! Falls der Buddha wirklich die Macht htte, Schaden zu stiften, dann sollte alles Unheil auf meinen Kopf fallen. Der Himmel sei Zeuge, dass ich das nicht bereuen werde. Das Ausmaß meiner Dankbarkeit und Aufrichtigkeit verpflichtet mich, diese Denkschrift abzufassen. In ngstlicher Erwartung verbleibe ich in Ehrfurcht. Ihr gehorsamer Diener. Rainer Hoffmann / Hu Qiuhua, Neokonfuzianer und Sinobuddhisten, Arnold-Bergstraesser Institut, Freiburg i.Br. 1997, 257 – 261.
Zhang Zai: Westinschrift
Der Name der „Westinschrift“ des Neokonfuzianers Zhang Zai (1020 – 1077) rhrt daher, dass sie ursprnglich auf die Westwand von Zhangs Studierzimmer geschrieben war. Dieser kurze Text gilt als Summa seines Denkens.
[Das yang-Prinzip] Qian preiset als Vater, [das yin-Prinzip] Kun preiset als Mutter – so winzig bin ich gegen sie, doch gemischt [aus ihnen] hab’ ich als [ihre] Mitte meine Bleibe. Was also Himmel und Erde vollfllt – unser ist seine Gliederung; was Himmel und Erde lenkt – unser ist sein Wesen. Das Volk und wir sind aus gleichem Schoß; die Dinge und wir haben [aneinander] teil. Der Großherr ist der Stammsohn unseres Vaters und der Mutter ; sein Großknecht ist der Hausbeistand des Stammsohns. Wrdiget die Hochbejahrten, dadurch macht ihr die lteren zu den Euren; erbarmet euch der Waisen und der Schwachen, dadurch macht ihr die Jungen zu den Euren. Berufung ist solcher Zusammenschluss der Tugend, Weisheit ihr Knospen. Alle unter dem Himmel, die hinfllig oder entstellt sind, ohne Bruder oder Sohn, ohne Frau und ohne Mann, sind solche unserer Brder, die geplagt sind, doch niemand haben, um sich mitzuteilen. „Dies zeitigend bewahren“, das ist Beflgelung des Sohnes; „freudig sein und sich dazu nicht sorgen“, das ist das Bloße in der Kindlichkeit. Sich dem entgegenstellen, dazu saget „Auflehnung gegen Tugend“; der Menschlichkeit schaden, dazu saget „Diebstahl“. Wer Schlechtes hinberrettet, ist ohne [schçne] Eigenschaften; wer [aber] in die Gestalt eintritt, ist’s, der ihr hnlich ist. Erkennet Wandlung, dann kndet ihr gut dies Ereignis; erschçpfet Geist, dann knpft ihr gut an dies Streben an. „Nicht bedrckt sein im Innersten“ nehmet als „nicht schmachvoll sei es“, „auf dem Herzen beruhen und das Wesen nhren“ nehmet als „nicht nachlssig seiet“.
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Hasset den sßen Wein – [mßig wie] Yu bercksichtigt das Nhren [des Vaters]. Zieht hehre Eigenschaften auf – [wie] Grenzer Ying verleiht [eure Kindlichkeit] der [ganzen] Art. Nicht erschlaffen in Mhsal und [den Vater es] erahnen lassen – Shun, sein Verdienst war es. Nicht Zuflucht haben und auf [den Tod durch] Sieden warten – Shensheng, seine Ehrerbietigkeit [gegenber dem Vater] war es. Wer das Empfangene gliederte und es als Ganzes beheimatete, das war Zengzi! Wer mutig im Folgen war und Befehlen [des Vaters] sich fgte, das war Boqi. Reichtum und Adel, Segen und berfluss werden großzgig machen unser Gebren; Armut und niedere Stellung, Sorge und [entfernte] Verwandtschaft bewirken, dass du wie Jade wirst in der Vollendung. Beruhend fgen wir uns den Ereignissen [des Dienstes], ablebend ist uns [der Friede] lieb. Michael Friedrich / Michael Lackner / Friedrich Reimann, Chang Tsai: Rechtes Auflichten / Cheng-meng, Hamburg 1996, 132 – 133.
Zhou Dunyi: Die Tafel des Urprinzips
Zhou Dunyi (1017 – 1073) war ein frher Neokonfuzianer der Song-Zeit, dessen metaphysische und kosmologische Arbeiten von besonderer Bedeutung fr diese Bewegung waren. Das hier wiedergegebene kosmologische Diagramm Taiji tu mit Zhous Begleittext fasst seine Lehre sehr prgnant zusammen.
Das hçchste Nichtsein ist zugleich das hçchste Sein. Bewegt sich das hçchste Sein, so entsteht das Yang. Am Ende der Bewegung steht die Ruhe, das Yin. Am Ende der Ruhe entsteht wieder Bewegung. So sind Bewegung und Ruhe jedes der Ursprung des anderen. Unterschieden stellen Yin und Yang die beiden Pole dar. Wandelt sich das Yang, und tritt Yin hinzu, so erzeugen sie Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde, jedes mit einem eignen Wesen, und die vier Jahreszeiten treten ihren Lauf an. Die fnf Elemente in ihrer Gesamtheit sind Yin und Yang, Yin und Yang in ihrer Gesamtheit bilden das hçchste Sein, und das hçchste Sein wurzelt im hçchsten Nichtsein. Sind die Fnf Elemente hervorgebracht, hat jedes seine eigene Natur. Das wahre hçchste Nichtsein und die Essenz der Zwei (Polaritt) und Fnf (Wandlungsphasen) vereinigen sich in unfassbarer Weise und gerinnen. Der Weg (Dao) des Himmels wird der mnnliche, der der Erde der weibliche. Ihrer beider Wesen vereinigen sich, erregen einander und bringen durch ihre Wandlungen die Zehntausend Dinge hervor. Alle Dinge haben ihr Leben, verndern und wandeln sich ohne Ende. Allein der Mensch erhlt den feinsten Stoff und das meiste an Geist. Ist sein Kçrper entstanden, entwickelt sein Geist das Wissen, seine fnf Naturen erregen und bewegen sich, er unterscheidet Gut und Bçse und tut alle mçglichen Taten. Der Heilige richtet sich nach der rechten Mitte, der Gradheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit, vor allem strebt er nach Ausgeglichenheit und erreicht dadurch das Hçchste der Men-
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schen. So gleicht seine Tugend der des Himmels und der Erde, sein Glanz dem der Sonne und des Mondes, seine Taten dem Ablauf der vier Jahreszeiten, und er hat Macht ber Glck und Unglck wie die Geister und Dmonen. Der Edle pflegt die Tugend und wird dadurch glcklich, der Niedrige widersetzt sich ihr und wird dadurch unglcklich. Darum heißt es: erfasst man den Weg des Himmels, so spricht man von Yin und Yang, erfasst man den Weg der Erde, so spricht man von Weichem und Hartem, erfasst man den Weg des Menschen, so spricht man von Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Fragt man nach dem Anfang und Ende, dann versteht man den Sinn von Leben und Tod. Wahrlich groß sind die Wandlungen, und darin ist alles beschlossen. Gnther Debon / Werner Speiser, Chinesische Geisteswelt, Baden-Baden 1957, 178 – 180.
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Abb. 3: Kosmologisches Schema des Zhou Dunyi (http://sangle.web.wesleyan.edu/etext/song-qing/song-qing.html)
Zhu Xi: Regeln der Akademie der Weißhirschgrotte
1180 betrieb der Song-zeitliche Neokonfuzianer Zhu Xi (1130 – 1200) die Renovierung und Wiedererçffnung der Akademie der Weißhirschgrotte, welche zu einem der wichtigsten Zentren des Neokonfuzianismus werden sollte. Die hier wiedergegebenen, von Zhu Xi verfassten Akademieregeln reflektieren sein Verstndnis des konfuzianischen Dao als Weg der ganzheitlichen Persçnlichkeitsbildung. Das Verhltnis von Vater und Sohn sei von Zuneigung gekennzeichnet. Das Verhltnis von Herrscher und Untertan sei von Pflichterfllung gekennzeichnet. Das Verhltnis von Ehemann und Ehefrau sei von Rollenteilung gekennzeichnet. Das Verhltnis von Alt und Jung sei von hierarchischer Ordnung gekennzeichnet. Das Verhltnis zwischen Freunden sei von Vertrauen gekennzeichnet. [Menzius 3A4]
Dies ist eine bersicht der Fnf Lehren, also eben der Fnf Lehren, mit deren ehrfurchtsvoller Verbreitung [die Urkaiser] Yao und Shun ihren Erziehungsminister Xie beauftragten. Wer lernt, hat nur dies zu lernen. In der Abfolge des Lernens gibt es ebenfalls fnf Abschnitte. Diese lauten: Erforsche es umfassend, hinterfrage es kritisch, durchdenke es sorgfltig, unterscheide es deutlich, fhre es ernsthaft aus. [Maß und Mitte 20]
Dies ist die Abfolge des Lernens. Durch Studium, Hinterfragung, Nachdenken und Unterscheidung gelangt man zum letzten
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Verstndnis des Prinzips. Bei der ernsthaften Ausfhrung von der Selbstkultivierung bis hin zur Handhabung von Angelegenheiten und dem Umgang mit anderen gibt es auch die folgenden Grundstze: Offen und ehrlich reden, redlich und pflichtbewusst handeln. [Gesprche des Konfuzius 15,6]. Zgle deinen Zorn und bndige deine Lust; wende dich zum Guten und berichtige deine Fehler. [Buch der Wandlungen, Hexagramme 41 und 42]
Dies sind die Grundstze der Selbstkultivierung. Richte dich nach dem Rechten und suche nicht deinen Profit; erhelle das Dao und kalkuliere nicht deinen Vorteil. [Aussage des Han-zeitlichen Konfuzianers Dong Zhongshu]
Dies sind die Grundstze zur Handhabung deiner Angelegenheiten. Was man mir nicht antun soll, will ich auch nicht anderen Menschen zufgen. [Gesprche des Konfuzius 15,24] Wenn dein Handeln Mngel zeigt, denke nach und suche den Fehler bei dir selbst. [Menzius 4A4]
Dies sind die Grundstze fr den Umgang mit anderen.
Yuan Huang: Die vier Instruktionen des Liaofan (Liaofan sixun) – Auszge
In dieser an seinen Sohn gerichteten Lehrschrift bezeugt der Beamtengelehrte Yuan Huang (1533 – 1606) den Wert einer methodischen moralischen Lebensfhrung, welche mittels der Akkumulation karmischen Verdienstes die Erfllung aller Wnsche ermçglicht. Dieser Text wird bis heute vielfach nachgedruckt und als „Moralbuch“ (shanshu) gelesen.
Die Lehre vom Verwirklichen der eigenen Bestimmung Mein Vater starb, als ich noch ein Junge war ; also bestimmte meine alte Mutter, ich solle das Studium fr die Beamtenprfungen aufgeben und die Medizin erlernen. Sie erklrte, ich kçnnte damit meinen Lebensunterhalt sichern und den Menschen helfen, und wenn ich diesen Beruf ausben und dadurch Berhmtheit erlangen wrde, entsprche dies auch ganz den Wnschen meines Vaters. Spter begegnete ich im Kloster Ciyun einem greisen Mann. Der trug einen langen Bart und war von stattlicher Erscheinung; in seiner schwebenden Leichtigkeit glich er einem Unsterblichen. Ich erwies ihm meine Ehrerbietung, und er sagte zu mir : „Du bist auf dem Weg, ein Beamter zu werden. Nchstes Jahr wirst du dich fr die Teilnahme an den Prfungen auf Provinzialebene qualifizieren. Weshalb studierst du nicht die Schriften?“ Nachdem ich ihm meine Grnde genannt hatte, erkundigte ich mich ehrerbietig nach Namen und Herkunft des greisen Mannes. Er antwortete: „Ich heiße Kong und stamme aus der Provinz Yunnan. Ich empfing die wahre berlieferung vom Berechnen des erhabensten Prinzips des Meisters Shao. Ich errechnete, dass ich es an dich zu berliefern habe.“ Also lud ich ihn nach Hause ein und berichtete meiner Mutter. Meine Mutter sagte: „Behandle ihn mit hçchstem Respekt.“
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Eine berprfung seiner Berechnungen ergab, dass alles bis in kleinste Einzelheiten zutraf. So kam mir der Gedanke, mich dem Studium [fr die Beamtenprfungen] zu widmen. Ich beriet mich mit meinem Cousin Shen Cheng, welcher sagte: „Meister Yu Haigu gibt im Hause des Shen Youfu Unterricht. Es wre sehr gelegen, wenn ich dich zum Studium dorthin schickte.“ Ich fhrte die entsprechenden Riten durch und Yu wurde mein Lehrer. Kong errechnete das mir Vorbestimmte: Dass ich bei den Zulassungsprfungen auf Kreisebene den vierzehnten, bei den Prfungen auf Bezirksebene den einundsiebzigsten und bei den Zulassungsprfungen [fr eine sptere Teilnahme an den Prfungen auf Provinzebene] den neunten Platz belegen wrde. Im Jahr darauf absolvierte ich diese Prfungen, und in allen drei Fllen belegte ich die entsprechenden Pltze. Außerdem weissagte er noch das Maß an Glck und Unglck meiner verbleibenden Lebenszeit und unterrichtete mich, in welchem Jahr ich mit welchem Ergebnis die Prfungen ablegen wrde, in welchem Jahr ich ein staatliches Stipendium erhielte, in welchem Jahr ich Oberlizenziat wrde, und danach, in welchem Jahr man mich als Magistratsbeamten nach Sichuan beriefe, dass ich nach dreieinhalb Jahren Amtszeit entlassen und in meine Heimat zurckgekehrt, in der Stunde des Bffels am vierzehnten Tag des achten Monats jenes Jahres, in welchem ich mein dreiundfnfzigstes Lebensjahr vollendete, in meinem Dienstzimmer sterben wrde, unglcklicherweise ohne Nachkommen. Dies zeichnete ich im Einzelnen auf und prgte es mir vollstndig ein. Von da an verhielt es sich so, dass jedesmal, wenn ich mich den Prfungen stellte, die von mir belegten Pltze nicht im geringsten von denen abwichen, die Herr Kong bestimmt hatte. Die einzige Ausnahme schien eine Berechnung zu sein, der zufolge ich zum Oberlizenziaten ernannt wrde, wenn meine Einknfte (auf Grund des Stipendiums) auf 91 dan und fnf dou bemessen sein wrden. Da aber meine Einknfte nur bei etwas ber 70 dan lagen, nachdem Bezirksprfungsdirektor Tu meinem Gesuch um die Stelle eines Oberlizenziaten entsprochen
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hatte, begann ich zu zweifeln. Wie sich spter herausstellte, hatte der amtierende Prfungsdirektor, Herr Yang, mein Gesuch tatschlich abgelehnt, bis mich schließlich im Jahr 1567 der Herr Bezirksprfungsdirektor Yin Qiuming im Prfungssaal Aufstze verfassen sah und klagte: „Diese fnf Schriftstcke – sie sind wie fnf Eingaben an den Kaiser! Wie kçnnte man zulassen, dass ein so fhiger und tchtiger Gelehrter in der Studierstube alt werde?” Daraufhin wurde meinem Gesuch um die Stelle eines Oberlizenziaten entsprochen, worauf ich zusammen mit meinen bisherigen Einknften tatschlich 91 dan und fnf dou bekam. Infolgedessen war ich noch mehr geneigt zu glauben, dass eines Menschen Vorankommen und Rckschlge seiner Bestimmung folgen und die rechten Zeitpunkte gesetzt wren. Von Gleichmut erfllt, strebte ich nicht mehr. Als Oberlizenziat ging ich an die Staatshochschule. Ich verbrachte das Jahr in der Hauptstadt mit ganztgigem stillen Sitzen, ohne mich mit Lektre zu befassen. Im Jahr 1569 kehrte ich zurck in den Sden, an die Staatshochschule zu Nanjing. Noch bevor ich in diese Lehranstalt eintrat, suchte ich im [Kloster] Qixia auf dem Berg [She] den Chan-Meister Yungu auf. Wir saßen uns in einer Kammer gegenber, drei Tage und drei Nchte, ohne zu schlafen. Yungu fragte: „Der Grund, weshalb die Menschen nicht dahin gelangen, Vollendete zu werden, besteht lediglich darin, dass sie in irrigen Gedanken verstrickt sind. Du saßest nun drei Tage hier, und ich sah nicht einen irrigen Gedanken dir entstehen. Was ist der Grund dafr?“ Ich antwortete: „Mir wurde von Meister Kong das mir Bestimmte berechnet, Ehre und Schande, Leben und Tod. Ein jeder hat ein ihm bestimmtes Los. Selbst wenn ich irrige Vorstellungen hegen wollte, mir wrden dennoch keine irrigen Vorstellungen entstehen kçnnen.“ Yungu antwortete lachend: „Und ich habe dich fr eine herausragende Persçnlichkeit gehalten, dabei bist du nur ein gewçhnlicher Kerl.“ Ich fragte ihn nach dem Grund und er sagte: „So lange ein Mensch nicht fhig ist, seinen Geist zu leeren, bleibt er von Yin
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und Yang gefesselt. Wie kçnnte er da Befreiung von seinem Los erlangen? Aber nur ein gewçhnlicher Mensch hat sein Los! Ein Mensch von hçchster Gte wrde sich sicherlich nicht von seinem Los bestimmen lassen. Und ebenso wrde sich ein Mensch von hçchster Schlechtigkeit sicherlich nicht von seinem Los bestimmen lassen. Wie kçnntest du kein gewçhnlicher Kerl sein, wo doch vor zwanzig Jahren von ihm (Kong) das dir Bestimmte berechnet wurde, und du dich seitdem nicht ein klein wenig davon gelçst hast?“ Ich fragte: „Demzufolge kçnnte ich meinem Los entrinnen?“ Er antwortete: „Die Bestimmung wird von dir selber erschaffen und Segnungen musst du selber erstreben: Dieses, was dich das Buch der Lieder und das Buch der Urkunden heißen, ist ein kluger Rat. Und in einem unserer Sutren heißt es: ,Wer nach Reichtum und Ansehen strebt, erlangt Reichtum und Ansehen, wer nach Sçhnen und Tçchtern strebt, erlangt Sçhne und Tçchter, wer nach langem Leben strebt, erlangt langes Leben.‘ Irrefhrende Worte sind nach der Lehre des (Buddha) S´a¯kyamuni ein großes Vergehen. Wie sollten da die Buddha und Bodhisattva mit Lgenworten die Menschen betrgen kçnnen?“ Ich fragte weiter : „Meister Meng sagte: ,Wie wir streben, so erlangen wir! Denn das Bestrebte ist in uns selbst.‘ Der Rechte Weg, die Tugend, Mitmenschlichkeit und Rechtschaffenheit kçnnen aus eigener Kraft erstrebt werden. Aber wie erlangte ich strebend Erfolg, Berhmtheit, Reichtum und Ansehen?“ Yungu antwortete: „Die Worte des Meisters Meng sind nicht falsch. Du hast sie nur falsch verstanden! Kennst du nicht den Ausspruch des Sechsten Patriarchen: ,Das Feld aller Segnungen ist nichts anderes als der Geistesgrund.‘ Wenn man vom Geiste her begehrt, gibt es nichts, was man nicht erreichen kçnnte. Indem du in dir selber strebst, erlangst du nicht nur den Rechten Weg, Tugend, Mitmenschlichkeit und Rechtschaffenheit, sondern auch Erfolg, Berhmtheit, Reichtum und Ansehen: Beides, das Innere und ußere erlangst du! Ein solches Streben ist von Nutzen fr das Erlangen. Wenn man aber nicht umkehrt und sich selbst prft, sondern dem ußeren zugewandt strebt, dann nimmt das, wonach man strebt, einen bestimmten Weg, und
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das, was man erlangt, ist einem bestimmt. So verliert man beides, das Innere und das ußere; deshalb bringt es keinen Nutzen.“ Daraufhin fragte er mich: „Was hat nun Herr Kong fr die dir verbleibende Lebenszeit errechnet?“ Ich teilte ihm alles wahrheitsgemß mit. Yungu sagte: „Also frage dich, ob du es verdienst, die Prfungen zu bestehen, und ob du es verdienst, einen Sohn zu bekommen.“ Ich dachte eine geraume Weile ber mich nach, dann antwortete ich: „Ich verdiene es nicht. Menschen, welche die Prfungen ablegen, besitzen in der Regel Anzeichen von Segen, doch meine Segnungen sind sprlich; berdies bin ich nicht im Stande, Verdienste in unablssiger bung zu sammeln, um so eine Grundlage fr reichliche Segnungen zu schaffen. Außerdem ertrage ich nicht schwierige Arbeiten und bin nicht im Stande, anderen Menschen mit Nachsicht zu begegnen. Manchmal verwende ich meine Fhigkeiten und Klugheit, um andere zu bertreffen, folge meinen Launen und handle rcksichtslos, rede leichtfertig und unvernnftig. All dies sind Anzeichen sprlicher Segnungen. Wie kçnnte es sich schicken, dass ich die Prfungen bestehe? Aus dem Schlamm des Erdbodens gehen die zahlreichen Lebewesen hervor, doch in klaren Gewssern gibt es meist keine Fische. Ich liebe die Makellosigkeit: Dies ist der erste Grund, weshalb es sich fr mich nicht schickt, einen Sohn zu haben. Mit einer einvernehmlichen Gemtsverfassung vermag man, Sorge fr unzhlige Dinge zu tragen, doch ich bin jhzornig: Dies ist der zweite Grund, weshalb es sich fr mich nicht schickt, einen Sohn zu haben. Liebe steht am Anfang des Hervorbringens von Leben, doch Gleichgltigkeit ist die Wurzel der Kinderlosigkeit; ich kmmere mich allein um meinen Ruf und meine Angelegenheiten, bin nicht im Stande, mich aufzuopfern und anderen zu helfen: Dies ist der dritte Grund, weshalb es sich fr mich nicht schickt, einen Sohn zu haben. Ich mache viele Worte und vergeude Tatkraft: Dies ist der vierte Grund, weshalb es sich fr
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mich nicht schickt, einen Sohn zu haben. Ich erfreue mich am Trinken und zerstreue meine Lebenskraft: Dies ist der fnfte Grund, weshalb es sich fr mich nicht schickt, einen Sohn zu haben. Ich liebe es, die Nchte sitzend zu durchwachen, ich achte nicht auf meine Gesundheit und verschwende meine Geisteskraft: Dies ist der sechste Grund, weshalb es sich fr mich nicht schickt, einen Sohn zu haben. Darber hinaus habe ich noch viel mehr Fehler und Laster, unmçglich, sie vollstndig aufzuzhlen!“ Yungu sagte: „Wie kçnnte das allein fr die Prfungen gelten? Jemandem, der sich in dieser Welt eines Besitzes von tausend Ta l erfreut, war bestimmt, ein Mensch [im Besitz] von tausend Ta l zu sein. Jemandem, der sich eines Besitzes von hundert Ta l erfreut, war bestimmt, ein Mensch [im Besitz] von hundert Ta l zu sein. Jemandem, der Hungers stirbt, war bestimmt, ein Hungers sterbender Mensch zu sein. Der Himmel geht in der Gunstgewhrung nicht ber die einem jeden angeborenen Befhigungen hinaus. Weshalb sollte er noch zustzlich eine allergeringste Sorge hegen? Und so verhlt es sich mit dem Nachwuchs: Demjenigen, der Verdienste fr hundert Generationen erworben hat, ist bestimmt, dass ihm hundert Generationen an Kindern und Kindeskindern folgen werden, dieses zu wahren. Demjenigen, der Verdienste fr zehn Generationen erworben hat, ist bestimmt, dass ihm zehn Generationen an Kindern und Kindeskindern folgen werden, dieses zu wahren. Demjenigen, der Verdienste fr drei oder zwei Generationen erworben hat, ist bestimmt, dass ihm drei oder zwei Generationen an Kindern und Kindeskindern folgen werden, dieses zu wahren. Wer aber kinderlos bleibt, dessen Verdienste sind allzu gering! Nun, da du deine Fehler kennst, solltest du mit aller Entschiedenheit die Wesensmerkmale dessen, der in Zukunft die Prfungen nicht bestehen und keinen Sohn zeugen wird, beseitigen. Es ist unbedingt erforderlich, Verdienste zu sammeln; es ist unbedingt erforderlich, weitherzig zu werden; es ist unbedingt erforderlich, freundlich zu werden; es ist unbedingt erforderlich, deine Geisteskraft zu schonen. So als ob du mit
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allem, was du frher getan hast, gestern gestorben wrest, und mit allem, was du von jetzt an tun wirst, heute geboren wrdest: Dies ist dann eine Person, welche in Rechtschaffenheit und Normbegriff erneut geboren wird. Es gilt wohl, dass eine Person aus Fleisch und Blut unweigerlich ein Los hat, doch wie sollte eine Person von Rechtschaffenheit und Normbegriff dem Maß des Himmels nicht gengen kçnnen? Im [Kapitel ber] Tai Jia wird gesagt: ,Schickt der Himmel Unheil, so lsst sich dem entkommen. Bringt man selber Unheil ber sich, so kommt man mit dem Leben nicht davon.‘ Und im Buch der Lieder heißt es: ,Sei stets darauf bedacht, dich in bereinstimmung zu befinden mit deiner Bestimmung; so erstrebst du dir selber zahlreiche Segnungen.‘ Lehrmeister Kong hat errechnet, dass du die Prfungen fr den Grad eines Provinzmagisters nicht bestehen und keinen Sohn bekommen wrdest. Du kannst dich diesem vom Himmel gesandten Unheil unterwerfen oder entziehen: Wenn du von nun an dein verdienstliches Wesen fçrderst, mit aller Kraft gute Werke vollbringst und zahlreich verborgene Verdienste sammelst, so sind dies Segnungen, die du dir selber geschaffen hast. Wie kçnntest du sie erlangen ohne in ihren Genuss zu kommen? Das Buch der Wandlungen gibt Frsten den Rat, nach Glck Verheißendem zu streben und Ungemach Verheißendes zu meiden. Wenn es heißen wrde, die vom Himmel verhngte Bestimmung sei unabnderlich, wie kçnnte da nach Glck Verheißendem gestrebt und Ungemach Verheißendes gemieden werden? Im ersten Abschnitt heißt es: ,Familien, die reich an guten Werken sind, erlangen bestimmt berreichlich Glck.‘ Vermagst du nun, darauf Vertrauen zu fassen, oder nicht?“ Ich vertraute auf seine Worte, erwies ihm Ehrerbietung und nahm seine Unterweisung an. Nachdem ich meine Vergehen vergangener Tage aus tiefster berzeugung vor dem Buddha gebeichtet hatte, schrieb ich sie in einem Verzeichnis vollstndig nieder und betete zunchst darum, dass ich die Prfungen zum Provinzmagister bestehen mçge. Sodann gelobte ich, dass ich dreitausend gute Werke vollbringen und (damit) die Ver-
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pflichtung [der Geister und Gottheiten von] Himmel und Erde und meiner Ahnen entgelten wrde. Yungu gab mir ein tabellarisches Verzeichnis guter und schlechter Handlungen und wies mich an, alle meine Taten tglich zu vermerken, die guten zusammenzuzhlen und die schlechten davon abzuziehen. Außerdem lehrte er mich in der Zuversicht, dass alles mit Bestimmtheit in Erfllung gehen wrde, die Cundı¯-Dha¯ran. ¯ı aufsagen. Dann sagte er mir : „Bei den Orakelschreibern heißt es: ,Wenn du die Orakelzeichen nicht richtig niederschreiben kannst, wirst du von den Geistern verspottet.‘ Dazu gibt es eine geheime berlieferung: Es kommt allein auf Absichtslosigkeit an! Wenn du den Pinsel ansetzt, um die Orakelzeichen niederzuschreiben, so musst du dich als Erstes von aller Bedingtheit gelçst haben; es darf dir nicht ein Staubkorn [an bewussten Gedanken] mehr entstehen. An diesem Ort der Absichtslosigkeit setzt du den Punkt, welchen man nennt: Grundlegung im Ununterschiedenen. Von dem aus vollendest du in einem Pinselstrich das Zeichen, welches, je weniger beabsichtigt, desto wirkmchtiger sich erweisen wird: Stets gilt, dass, wer den Himmel zum Verwirklichen der eigenen Bestimmung anruft, immer von einem Ort ausgehen sollte, der frei von Gedanken und frei von Absichten ist, um sich in die bereinstimmung einzufinden. Als Meister Meng die Lehre vom Verwirklichen der eigenen Bestimmung erçrterte, sagte er : ,Frher Tod oder langes Leben machen keinen Unterschied …‘ Frher Tod und langes Leben sind wohl ußerste Gegenstze. Sobald jedoch die Absichtslosigkeit verwirklicht ist, was gilt dann noch frher Tod, was gilt dann noch langes Leben? Im Einzelnen betrachtet bedeutet dies, dass, erst nachdem du nicht mehr zwischen berfluss und Mangel unterscheidest, du deine Bestimmung hinsichtlich Armut und Reichtum verwirklichen kannst; erst nachdem du nicht mehr zwischen Misslingen und Erfolg unterscheidest, du deine Bestimmung hinsichtlich Ehre und Schande verwirklichen kannst; erst nachdem du nicht mehr zwischen frhem Tod und langem Leben unterscheidest, du deine Bestimmung hinsichtlich Leben und Tod verwirklichen kannst. Der Mensch, in
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diese Welt geboren, misst Tod und Leben grçßte Bedeutung bei. Deswegen verweisen frher Tod und langes Leben auf alles Gnstige und Ungnstige. [Der Spruch des Meisters Meng:] ,Er veredelt sich selbst und harrt dessen, was kommen mag‘, das bedeutet Mehrung von Verdiensten und Anrufung des Himmels. Veredeln heißt, dass, wenn man selbst mit Fehlern und Lastern behaftet ist, man diese ausnahmslos in den Griff bekommen und beseitigen muss. Harren heißt, dass selbst die geringste Absicht, die geringste Erwartung ausnahmslos getilgt und ausgelçscht sein mssen. Bist du auf dieser Stufe angelangt, so hast du den Bereich der vom Himmel vorgegebenen Veranlagung gewahrt. Dieses ist das wirkliche Lernen. Du vermagst noch nicht, den Geist zu leeren, doch du kannst die Cundı¯-Dha¯ran. ¯ı aufsagen, indifferent, in unzhligen [Wiederholungen] und ohne eine Unterbrechung zuzulassen, sage sie auf, bis du sie vçllig verinnerlicht hast, so dass du sie aufsagend nicht aufsagst und nicht aufsagend aufsagst. Und wenn du Absichtslosigkeit erlangt hast, wird sie wirkmchtig.“ Ursprnglich trug ich den Namen Xuehai, doch an diesem Tag nderte ich meinen Namen in Liaofan. Ich hatte nun Yungus Darlegung ber das Verwirklichen der eigenen Bestimmung vollstndig verstanden und wnschte, nie mehr in die Irrnis gewçhnlicher Menschen zurckzufallen. Seitdem war ich alle Tage achtsam und fleißig, und so wurde mir der Unterschied gegenber frher bewusst: Zuvor hatte ich mich gehen lassen und meine Pflichten vernachlssigt. Doch nun verhielt ich mich gegenber meiner Situation wachsam und umsichtig: In einem dunklen Zimmer, im Innenhof des Hauses berkam mich oft eine Furcht, ich kçnnte mich an [den Unsterblichen von] Himmel und Erde, Geistern und Gottheiten vergehen; wo ich Menschen begegnete, die mich hassten oder erniedrigten, vermochte ich, ihnen mit Großmut zu begegnen. Ein Jahr spter nahm ich an den Prfungen des Ritenministeriums teil. Lehrmeister Kong hatte errechnet, dass ich den dritten Platz belegen wrde, doch ich absolvierte sie unversehens als Bester ; seine Worte bewahrheiteten sich nicht mehr!
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Und bei den abschließenden Prfungen im Herbst erlangte ich den Grad eines Provinzmagisters. Aber wo ich mich in Rechtschaffenheit bte, war ich noch nicht aufrichtig. Ich prfte mich selbst und erkannte meine zahlreichen Fehler : Sah ich die Mçglichkeit, Gutes zu tun, dann tat ich es, aber nicht entschieden genug; half ich anderen Menschen, so berkamen mich Zweifel an meiner Geisteshaltung; zwang ich mich dazu, Gutes zu tun, so lagen mir Worte des Zorns auf der Zunge; nchtern war ich beherrscht und entschlossen, doch hatte ich mich betrunken, dann ließ ich mich gehen. Mit meinen Verfehlungen minderte ich meine Verdienste, und an vielen Tagen vergeudete ich meine Zeit. Seitdem ich das Gelbde, dreitausend gute Werke zu vollbringen, im Jahr 1569 abgelegt hatte, vergingen ganze zehn Jahre, bis ich es im Jahr 1579 erfllte. Damals, als ich mit Li Jian’an aus dem nordçstlichen Grenzgebiet zurckkam, war ich noch nicht dazu gekommen, die Verdienste anderen zu bertragen. Im Jahr 1580 kam ich in den Sden zurck und bat als erstes Xingkong, Huikong und andere ehrwrdige Mçnche im Chan-Tempel Dongta um eine Verdienstbertragung. In der Folge legte ich in meinem Streben nach Nachkommenschaft ein Gelbde ab und gelobte, weitere dreitausend gute Werke zu vollbringen. Und im Jahr 1581 wurdest du geboren, Tianqi. Sobald ich ein gutes Werk vollbracht hatte, vermerkte ich es. Weil deine Mutter nicht schreiben kann, nahm sie jedesmal, wenn sie ein gutes Werk vollbracht hatte, den Gnsekiel und kennzeichnete im Kalender den betreffenden Tag mit einem zinnoberroten Kreis. Manchmal gaben wir den Armen zu essen, manchmal kauften wir Tiere, um sie freizulassen, so dass an einem Tag bis zu mehr als zehn Kreise eingetragen werden konnten. Und als schließlich im achten Monat des Jahres 1583 die Anzahl von dreitausend guten Werken erfllt war, baten wir Xingkong und andere Mçnche in unser Haus zur Verdienstbertragung. Am dreizehnten Tag des neunten Monates legte ich in meinem Bestreben, den Grad eines Palastdoktors zu erlangen, ein Gelbde ab und gelobte, weitere zehntausend gute Werke zu
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vollbringen. Im Jahr 1586 absolvierte ich die zentralen Beamtenprfungen und wurde zum Leiter des Magistrats von Baodi ernannt. Ich fertigte mir ein Heft mit leeren Tabellen an, welches ich „Heft zur Regelung der Geistes“ betitelte, und das, sobald ich morgens in meinem Amt zu Gericht saß, die Bediensteten meines Hauses den Gerichtsdienern bergaben, um es auf das Gerichtspult legen zu lassen. Darin vermerkte ich dann vollstndig und in allen Einzelheiten meine guten und schlechten Taten. Nachts ließ ich einen Tisch im Hof aufstellen und folgte dem Beispiel des Zhao Yuedao, indem ich Weihrauch anzndete und den Gottheiten Mitteilung machte. Deine Mutter bemerkte, dass der Taten noch nicht viele waren, und so mahnte sie mich, die Stirne in Falten gezogen: „Als ich frher im Hause war, haben wir uns gegenseitig geholfen, Gutes zu tun, und deshalb wurde die Anzahl von dreitausend guten Werken vollbracht. Nun hast du gelobt, zehntausend zu vollbringen, doch im Amt gibt es nichts mehr, das noch getan werden kçnnte; wann also willst du es erfllen?” Whrend der Nacht erschien mir im Traum eine Gottheit. Ich erklrte ihr, weshalb es so schwierig sei, diese guten Werke zu vollbringen. Die Gottheit sprach: „Es reichte allein, die Steuern zu senken, um ganze zehntausend gute Werke zu vollbringen!“ Die Bewohner des Kreises Baodi mussten vom Ertrag aus jedem mou Land 2 fen, 3 li, und 7 hao als Steuer abgeben. Das wollte ich neu regeln und die Steuer auf 1 fen, 4 li und 6 hao senken. Insgeheim war ich jedoch berrascht und hegte Zweifel. Es ergab sich, dass der Chan-Meister Huanyu vom Berg Wutai [nach Baodi] kam. Ich berichtete ihm von meinem Traum und fragte ihn, ob man dieser Erscheinung Glauben schenken drfe. Der Meister antwortete: „Wenn die gute Absicht von tiefster Aufrichtigkeit ist, dann kann schon eine einzige Tat zehntausend guten Werken entsprechen. Gilt dies nicht umso mehr, wenn du in der ganzen Provinz die Steuern senkst und dadurch die gesamte Bevçlkerung Segnungen empfngt?“ Darauf nahm ich mein Gehalt und gab es dem Mçnch mit der
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Bitte, er mçge damit am Berg Wutai zehntausend Mçnche zur Fastenspeise einladen und [die Verdienste] bertragen. Herr Kong hatte errechnet, dass ich mit 53 Jahren sterben wrde, und obwohl ich niemals fr ein langes Leben gebetet habe, traf mich in jenem Lebensjahr nicht einmal eine Krankheit. Heute bin ich 69 Jahre alt. Im Buch der Urkunden heißt es: ,Auf den Himmel kann man schwerlich setzen, die eigene Bestimmung ist unbestndig.‘ Und weiter heißt es: ,Allein die Bestimmung ist nicht von Dauer.‘ Dies sind keine irrefhrenden Worte. Dadurch erkannte ich, dass das, was Ungemach und Segen genannt wird, etwas ist, was man sich selbst erstrebt. Dies ist die Lehre der Vollendeten und Weisen. Und wenn behauptet wird, Ungemach und Segen wren allein vom Himmel bestimmt, dann ist das Gerede des gemeinen Volkes! Was deine Bestimmung ist, wissen wir noch nicht. Sofern es deine Bestimmung sein wird, Ruhm zu erlangen, bleibe in Gedanken stets zurckhaltend. Sofern dein Leben reibungslos und nutzbringend verlaufen wird, bleibe in Gedanken stets wachsam. Auch wenn du vor Augen immer gengend Speise haben wirst, bleibe in Gedanken stets arm und bedrftig. Auch wenn du von den Menschen geliebt und verehrt wirst, bleibe in Gedanken stets vorsichtig. Auch wenn deine Familie hohes Ansehen genießen wird, bleibe in Gedanken stets bescheiden. Auch wenn du ein großes Wissen erwerben wirst, bleibe in Gedanken stets schlicht. Des Fernen eingedenk erweitere das Verdienst der Ahnen, des Nahen eingedenk bedecke die Verfehlungen der Eltern. Des Oberen eingedenk entgelte die Wohltaten des Reiches, des Unteren eingedenk schaffe das Glck der Familie. Des ußeren eingedenk helfe anderen Menschen aus Bedrngnis, des Inneren eingedenk sperre die eigene Schlechtigkeit aus. Es ist unbedingt erforderlich, tagtglich seine Fehler zu erkennen, tagtglich seine Verfehlungen zu berichtigen. Ein Tag, an dem ein eigener Fehler nicht erkannt wurde, ist ein Tag, an dem man sich in Selbstgerechtigkeit ausruhte. Ein Tag, an dem eine eigene Verfehlung nicht berichtigt wurde, ist ein Tag, an dem man nicht einen Schritt vorangekommen ist. Unter dem
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Himmel gibt es nicht wenige kluge und tchtige Menschen, aber der Grund, weshalb das Verdienst nicht gefçrdert und [gutes] Karma nicht weiter ausgebildet wird, heißt Nachlssigkeit, und so vergeudet man sein ganzes Leben. Die Darlegung des Chan-Meisters Yungu zum Verwirklichen der eigenen Bestimmung ist die feinste, tiefste, wahrhaftigste und rechtmßigste sittliche Norm. Das prge dir ein und pflege es, handle danach mit aller Kraft, und lasse dich keinesfalls gehen! Martin Lehnert, Partitur des Lebens: Die Liaofan si xun von Yuan Huang (1533 – 1606), Bern 2004, 51 – 70.
Traktat des Hçchsten ber Taten und ihre Folgen (Taishang ganying pian) – Auszge
Der dem vergçttlichten Laozi zugeschriebene Traktat des Hçchsten ber Taten und ihre Folgen ist ein frhes, vermutlich ins 12. Jh. zu datierendes Beispiel der sogenannten Moralliteratur (shanshu). Er beschreibt gute und schlechte Taten und korreliert diese mit ihren verdienten Belohnungen und Strafen, die von einer aufsichtsfhrenden Gçtterwelt bestimmt werden. In diesem ußerst weit verbreiteten und viel gelesenen und zitierten Text spiegelt sich der moralische Grundkonsens des frhneuzeitlichen China wider.
Der Hçchste sagt: Glck und Verderben kommen nicht durch besondere Einfallstore, sondern werden von jedem selbst herbeigerufen. Die Vergeltung folgt guten wie bçsen Taten wie der Schatten dem Kçrper. Daher gibt es auf der Welt Gçtter, die die berschreitungen der Menschen berwachen. Je nachdem, wie schwer die Vergehen sind, verringern sie die Lebensspanne. Wem die Lebensspanne verkrzt wird, der verarmt und erleidet viel Kummer und Leid. Die Menschen hassen ihn, Strafen und Verderben folgen ihm, Glck und Freude meiden ihn, ble Sterne bringen ihm Unheil. Ist die Lebensspanne aufgebraucht, stirbt er. Darber hinaus befinden sich ber dem Kopf eines jeden die gçttlichen Herrscher der Drei Terrassensterne des Großen Wagens, welche Verfehlungen und schlechte Taten aufzeichnen und die Lebensspanne entsprechend verkrzen. Im menschlichen Kçrper gibt es außerdem die Drei Leichgeister. Einmal alle sechzig Tage, am gengshen-Tag, steigen sie empor zum Himmelsamt und erzhlen von der Menschen Verfehlungen und berschreitungen. Am letzten Tag eines jeden Mondes tut es der Herdgott ihnen gleich. Bei großen berschreitungen werden zwçlf Jahre von der Lebensspanne abgezogen, bei kleineren hundert Tage. Es gibt hunderte solcher großen und kleinen berschreitungen. Wer ein langes Leben anstrebt, sollte zuvor-
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derst sie alle meiden. Sodann schreitet er nur auf dem rechten Weg voran und weicht vom falschen zurck. Er wandelt nicht auf hretischen Pfaden und betrgt nicht einmal sich selbst. Er sammelt Verdienst und bezeugt allen Wesen Mitgefhl. Mit Loyalitt, Piett, Freundschaft und Bruderliebe bessert er sich selbst und beeinflusst andere. Er empfindet Mitleid fr Waisen und Witwen, ehrt die Alten und sorgt fr die Jungen. Sogar Insekten und Pflanzen wird er nicht verletzen. Die bçsen Taten anderer betrben ihn, die guten erfreuen ihn. Er hilft anderen in der Not, rettet sie aus Gefahr. Die Erfolge anderer betrachtet er als seine Erfolge, ihre Fehler als die seinen. Er stellt die Schwchen anderer nicht heraus und prahlt nicht mit seinen eigenen Strken. Er stellt sich dem Bçsen entgegen und fçrdert das Gute. Er gibt viel von sich und nimmt wenig. Demtigungen ertrgt er ohne Groll, whrend er Lobpreis mit berraschung empfngt. Fr seine Wohltaten erwartet er keine Vergeltung; er gibt anderen, ohne es nachher zu bereuen. Solch einen Mann nennt man einen guten Menschen. Alle ehren ihn, der Weg des Himmels beschtzt ihn, Segen und Bestallung folgen ihm, alle Dmonen bleiben ihm fern, gute Geister bewachen ihn. Was er anfngt, gelingt, und er kann sogar hoffen, in die Reihen der Gçtter und Unsterblichen aufzusteigen. Wer ein Himmelsunsterblicher werden mçchte, muss 1300 gute Taten tun; will er ein Erdunsterblicher werden, so muss er 300 gute Taten tun. Wenn jemand jedoch mit unlauteren Motiven und in Verletzung der Prinzipien handelt, wenn er seine bçsen Taten fr den Ausweis von Talent hlt und es ber sich bringt, grausam und verletzend zu sein; wenn er im Stillen die Guten beraubt und heimlich Herrscher und Familie beleidigt; wenn er seine Lehrer verachtet und sich gegen die auflehnt, denen er dienen soll; wenn er die Unwissenden betrgt und seinen Mitschlern bel nachredet; wenn er Verleumdungen und Lgen verbreitet und seine eigenen Verwandten attackiert; wenn er hart und unmenschlich ist und rcksichtslos seinen eigenen Vorteil verfolgt; wenn er Recht und Unrecht nicht unterscheiden kann und seine Vorlieben und Abneigungen ungehçrig sind; wenn er seine Untergebenen misshandelt und ihren Verdienst einheimst;
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wenn er seinen Vorgesetzten schmeichelt in der Hoffnung auf Befçrderung; wenn er fr empfangene Gunst keine Dankbarkeit empfindet, seinen Groll wegen Benachteiligungen aber nie vergisst; wenn er das Volk verachtet und den Staat ins Chaos strzt; wenn er die Unlauteren belohnt und die Unschuldigen bestraft; wenn er andere tçtet, um an ihren Besitz zu kommen; wenn er andere ruiniert, um selbst voranzukommen; wenn er die Besiegten hinrichtet und die Unterworfenen niedermetzelt; wenn er die Aufrechten verleumdet und die Wrdigen verschmht; wenn er die Waisen qult und die Witwen bedrngt; wenn er die Gesetze ignoriert und Bestechungsgelder annimmt; wenn er das Gerade als krumm nimmt und das Krumme als gerade; wenn er leichte Vergehen als schwere verzeichnet und bei Exekutionen die Strafe noch verschrft; wenn er um seine Fehler weiß ohne sie zu ndern; wenn er das Gute kennt ohne es zu tun; wenn er andere fr seine eigenen Verfehlungen verantwortlich macht; wenn er die mantischen Knste behindert und die Weisen und Wrdigen verleumdet; wenn er Weg und Tugend angreift und verunglimpft; wenn er Vçgel abschießt und Tieren nachstellt; wenn er Winterschlfer bloßlegt und nistende Vçgel erschreckt; wenn er Tierbaue verstopft und Nester zerstçrt; wenn er Ungeborene verletzt und Eier zerbricht; wenn er anderen Misserfolg wnscht und ihren Erfolg verleumdet; wenn er um der eigenen Sicherheit willen andere in Gefahr bringt; wenn er andere mindert um sich selbst zu bereichern; wenn er Gutes gegen Bçses austauscht und um des eigenen Vorteils willen das Gemeinwohl aufgibt; wenn er sich die Fhigkeiten anderer aneignet, ihr Gutes verbirgt, ihre Fehler bekannt macht, in ihren Privatangelegenheiten herumschnffelt, ihre Besitztmer vergeudet und sie ihren Familien entfremdet; wenn er anderen wegnimmt, was sie lieben, und sie in ihren Verfehlungen untersttzt; wenn er willkrlich und berheblich ist und andere um des eigenen Triumphes willen erniedrigt; wenn er die Ackerpflanzen anderer zerstçrt und ihre Ehen hintertreibt; wenn er arrogant ob seines Reichtums und schamlos ist, nur weil er einer Strafe entkommen ist; wenn er Gunstbezeigungen fr sich reklamiert und berschreitungen anderen zuschreibt;
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wenn er Unglck und bel auf andere abschiebt und sich selbst leeres Lob erwirbt; wenn er sein tckisches Herz verbirgt; wenn er die Strken anderer niedermacht und die eigenen Schwchen pflegt; wenn er seine Stellung missbraucht, um andere einzuschchtern; wenn er mit willkrlicher Gewalt tçtet und verwundet; wenn er grundlos Tuch zerschneidet; wenn er Opfertiere entgegen den rituellen Anforderungen zubereitet; wenn er die fnf Getreidesorten wegwirft und Lebewesen peinigt; wenn er die Familien anderer ruiniert und ihre Besitztmer an sich reißt; wenn er Wasser umleitet und Feuer legt, um die Behausungen des Volkes zu beschdigen; wenn er die Vorschriften durcheinander wirft, um das Verdienst anderer zu hintertreiben; wenn er die Werkzeuge und Gegenstnde anderer beschdigt, um ihnen ihren Gebrauch vorzuenthalten; wenn er andere in Ehren und Wrden sieht und sich wnscht, dass sie verbannt und degradiert wrden; wenn er andere reich und begtert sieht und sich wnscht, dass sie ihren Besitz verlçren; wenn er schçne Frauen bei anderen sieht und nur daran denkt, wie er sie fr sich bekommen kann; wenn er anderen Geld schuldet und dem Glubiger den Tod wnscht; wenn er flucht und schimpft, wenn seinen Wnschen nicht Folge geleistet wird; wenn er andere Missgeschicke erleiden sieht und sofort von ihren berschreitungen spricht; […] Bei all solchen Verfehlungen verringert die Schicksalsgottheit die Lebensspanne gemß ihrer Schwere. Wenn die Lebensspanne erschçpft ist, stirbt der beltter. Ist seine Schuld beim Tode noch nicht abgegolten, so gehen die Heimsuchungen auf seine Nachkommen ber. Wann immer jemand sich unrechtmßig den Besitz anderer aneignet, so wird dieser mit den Mitgliedern seiner Familie aufgerechnet, welche einer nach dem anderen sterben. Wenn sie nicht sterben, so erleiden sie stattdessen berschwemmungen und Feuersbrnste, Diebstahl und Raub, Verlust von Gtern, Seuchen und ble Nachrede, um der unrechtmßigen Bereicherung zu entsprechen. Solche, die einen anderen ungerecht tçten, geben die Waffe her, mit der sie selbst getçtet werden. Sich unlauteren Besitz zu erwerben ist wie den Hunger mit fauligem
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Fleisch und den Durst mit vergiftetem Wein zu stillen. Der vorbergehenden Sttigung folgt umgehend der Tod. Wenn nun der Sinn sich auf das Gute richtet, dann werden gute Geister einem bereits folgen, ehe man das Gute getan hat. Wenn jedoch der Sinn sich auf das Bçse richtet, dann werden bçse Geister einem bereits folgen, ehe man das Bçse getan hat. Wenn man einst Bçses getan hat, es spter aber bereut und sich bessert, nichts Schlechtes mehr tut und alles Gute praktiziert, so wird man auf lange Sicht Glck und Freude erfahren. Dies nennt man Unglck in Glck wenden. Daher spricht der Glckliche Gutes, sieht Gutes, tut Gutes. Vollbringt er drei gute Taten pro Tag, so wird ihm der Himmel mit Bestimmtheit innerhalb von drei Jahren Segnungen herabsenden. Der Bçsewicht hingegen spricht Schlechtes, sieht Schlechtes, tut Schlechtes. Begeht er drei beltaten pro Tag, so wird ihm der Himmel mit Bestimmtheit innerhalb von drei Jahren Unheil herabsenden. Warum also bemht Ihr Euch nicht, Gutes zu tun?
Wang Yangming: Erkenntnis und Handeln sind eins
Die Einheit von Erkenntnis und Handeln ist eine der Grundlagen von Wang Yangmings (1472 – 1528) Denken. In der folgenden Aufzeichnung eines Schlers legt Wang als der „Lehrer“ dieses Prinzip anschaulich dar.
Weil ich die Ermahnungen unseres Lehrers ber die Einheit von Erkennen und Handeln nicht erfasst hatte, sprach ich mit Zongxian und Weixian darber hin und her und kam zu keinem Schluss. Darauf ging ich zu unserm Lehrer und befragte ihn darber. Er sagte: „Mache einen Einwand.“ Ich sagte: „Alle wissen, dass man den Eltern Ehrfurcht und den lteren Brdern Achtung schuldet, und doch sind sie nicht imstande, dieses in ihren Handlungen zu tun. Bedeutet das nicht, dass in Wirklichkeit Erkenntnis und Handeln zwei verschiedene Dinge sind?“ Der Lehrer antwortete: „Diese Unterscheidung ist eine Schuld der Eigensucht und stellt nicht Erkenntnis und Handeln in ihrer eigentlichen Bedeutung dar. Es gibt keine Erkenntnis, die nicht in Handlung umgesetzt werden kçnnte, weil eine solche Erkenntnis in Wahrheit keine ist. Als die Weisen und Heiligen die Menschen Erkenntnis und Verhalten lehrten, geschah das, um sie zu ihrer eignen eigentlichen Natur hinzufhren, und nicht zu dem, was Du da andeutetest. Das Große Lernen lehrt das wahre Erkennen und Verhalten, das alle verstehen kçnnen. Nimm zum Beispiel an, es liebt jemand das Schçne und verabscheut ble Gerche. Das Schçne zu sehen, ist ein Akt des Erkennens, das Schçne zu lieben, ein Akt des Handelns. Indes ist richtig, dass jemand, der das Schçne sieht, es zugleich liebt und sich nicht erst, nachdem er es gesehen hat, dazu entschließen muss. Einen blen Geruch wahrzunehmen, schließt eine Erkenntnis ein, ihn zu verabscheuen, eine Handlung. Und freilich verabscheut man einen blen Geruch zugleich, indem man ihn wahrnimmt, und
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braucht sich nicht erst dazu zu entschließen, nachdem man ihn bemerkt. Jemand mit verschlossener Nase mag einen belriechenden Gegenstand vor sich sehen, aber er riecht ihn nicht. Unter diesen Umstnden geht es eher um ein Nicht-Wahrnehmen als um ein Verabscheuen. Von niemandem kann man sagen, dass er versteht, was Kindesehrfurcht und brderliche Achtung ist, bevor er sich nicht selbst ehrfrchtig gegenber den Eltern und achtungsvoll gegenber den lteren Brdern verhalten hat. Dass jemand ber Ehrfurcht und Achtung zu reden weiß, gengt noch nicht, dass man sagen kann, er versteht sie. Man kann auch z. B. auf den Schmerz hinweisen; es muss jeder selbst Schmerz erfahren haben, bevor er weiß, was Schmerz ist. Oder er muss gefroren haben, um zu verstehen, was Klte, gehungert haben, um zu verstehen, was Hunger ist. Wie kann also Erkenntnis und Handeln etwas Verschiedenes sein? Ihrer ursprnglichen Natur nach sind sie eins, solange selbstschtige Wnsche sie nicht trennen. Der Weise belehrt jeden, dass er selbst handeln muss, bevor man sagen kann, dass er ein Verstndnis hat. Solange jemand nicht handelt, versteht er nicht. Wie wichtig ist diese Aufgabe! Warum willst Du darauf bestehen, dass Erkenntnis und Handeln etwas Verschiedenes seien, whrend die Weisen sie als eine Einheit ansehen? Wenn man nicht den Sinn wohlbegrndeter Wahrheiten verstehen will, sondern nur die eine oder andere nachplappert, was soll das?“ Ich sagte: „Die Alten sprachen es aus, dass Erkenntnis und Handeln zwei verschiedene Dinge sind, und jedermann begreift das leicht. Einerseits erwirbt man Erkenntnis, anderseits Praxis. So gewinnt man einen Ausgangspunkt fr seine Aufgaben.“ Der Lehrer antwortete: „Nur verfehlst Du damit das, was die Alten meinten. Ich sagte, dass die Erkenntnis zum Handeln fhrt und dass das Handeln die Ausfhrung einer Erkenntnis in sich einschließt. Die Erkenntnis steht am Anfang des Handelns, und das Handeln ist die Vollendung der Erkenntnis. Indem man das begreift, ist darin eine Handlung eingeschlossen, auch wenn man nur von Erkenntnis spricht; und ebenso ist, wenn man von einer Handlung spricht, darin eine Erkenntnis eingeschlossen. Und wenn die Alten von einer Erkenntnis und einem Handeln
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sprechen, so taten sie es, weil es genug Menschen auf der Erde gibt, die tçrichterweise nur nach ihren Wnschen handeln und niemals verstehen, darber nachzudenken oder berlegungen anzustellen. Diese sind unwissend und unbekmmert; fr sie ist es notwendig, die Erkenntnis zu erçrtern, damit sie korrekt handeln. Es gibt andere Menschen, die unklar und eitel philosophieren und nicht daran denken, sich danach zu richten; sie lieben gleichsam die Schatten und das Echo. Es war nçtig, dass die Alten das Handeln erçrterten, denn nur dies kçnnen solche Menschen wirklich begreifen. So mussten sich die Alten einer Sprache bedienen, um Vorurteile zu beseitigen und Missbruche zu berichtigen. Versteht jemand den Gedanken, so gengt ein Wort. Heute machen allerdings viele aus Erkenntnis und Handeln zwei verschiedene Dinge und gehen darin immer weiter, in der Annahme, dass man erst Erkenntnis haben muss, bevor man handeln kann. Jeder sagt: ,Ich gehe in der Untersuchung und Diskussion der Erkenntnis weiter ; ich warte, bis die Erkenntnisse perfekt sind, und werde dann beginnen, sie in die Tat umzusetzen.‘ Bis zum Ende ihres Lebens werden sie verfehlen, etwas zu tun und zu verstehen! Ihr Irrtum ist nicht gering und kam auch nicht an einem Tage. Indem ich sage, dass Erkenntnis und Handeln eine Einheit bilden, biete ich fr diese Krankheit ein Heilmittel an. Ich verzettele mich nicht in Abstraktionen, noch oktroyiere ich eigne Ideen, denn Erkenntnis und Handeln sind ihrer ursprnglichen Natur nach so, wie ich sie beschreibe. Wenn Du den Sinn davon verstehst, magst Du ohne Schaden von ihnen als von zwei Dingen sprechen, die in Wirklichkeit eins sind. Verstehst Du ihn nicht, ist es unntz und leeres Gerede, wenn Du sagtest, sie seien eins.“ Gnther Debon / Werner Speiser, Chinesische Geisteswelt, Baden-Baden 1957, 265 – 268.
Luo Qing: Fnf Bcher in Sechs Bnden (Wubu liuce) – Auszge
Der Sektengrnder Luo Qing (1443 – 1527) hinterließ in seinen Fnf Bchern in Sechs Bnden ein fr diese Periode seltenes Zeugnis der religiçsen Erfahrungen eines Mannes, der nicht zur klassisch gebildeten Elite gehçrte.
In der Furcht vor dem Leiden von Unbestndigkeit und Leben und Tod machte ich den ersten Schritt. Ich beobachtete, dass alle Dinge der Welt ihren Lauf in der Unbestndigkeit nehmen und dass alles Formhafte leer und falsch ist. Hundert Jahre vergehen in einem Augenblick. Reichtum, Ehren und Glanz sind wie ein Traum. Denkt man darber nach, so ist alles ein leerer, schçner Traum; genau betrachtet, existiert nicht ein einziges Ding. Oh weh, dass der menschliche Kçrper nur kurz whrt – es fllte mein Herz mit Sorge. Wenn der Tod kommt, werden die vier Element des Kçrpers zu Asche und meine kleine Seele tritt in die Unterwelt ein, wo es nicht Sonne und Mond noch Sterne gibt, wo alles dster und schwarz ist. Wo werde ich hinkommen, um weiteres Leid zu ertragen? In der Furcht vor dem Leid des Kreislaufes der Wiedergeburten setzte ich meine Suche fort und ging einen Schritt weiter. Ach, dass der Kçrper nicht lange whrt; mein Herz war in Sorge. Meine Eltern starben und ließen mich allein zurck. Ohne Eltern in jungen Jahren wuchs ich auf. Ohne Sttze erduldete ich Leid und Sorge und litt viel Gram. Naiv dachte ich, dass meine Eltern immer leben wrden, Aber plçtzlich waren sie tot und ich weinte bitterlich in meinem Schmerz. Ich hatte gedacht, dass Vater und Sohn stets beisammen blieben, Aber die Eltern starben und ich werde sie nie wiedersehen. Wenn der Vater den Sohn sieht und der Sohn den Vater, freuen sie sich an ihrer Zuneigung.
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Als meine Eltern fort waren und mich zurckgelassen hatten, hatte ich keinen Zufluchtsort. Glcklicherweise beschtzten mich Devas und Buddhas, so dass ich erwachsen wurde. Ich ernhrte mich nur vegetarisch, frchtete Leben und Tod und gedachte, meine Zukunft zu gestalten. Ich dachte an meine Eltern, konnte sie aber nicht sehen und litt daher viel Kummer. Ich dachte an Leben und Tod, das Leiden der Wiedergeburten und seufzte, dass es mir das Herz zerriss. Plçtzlich waren die Eltern verstorben, die mir Leben gegeben hatten. Und ich wusste nicht, wo ich nach meinem Tod wiedergeboren werden wrde.
Im nchsten Schritt meiner Suche fragte ich mich, wo sich diese meine kleine Seele befindet. Seit unzhligen onen wurde ich geboren und starb wieder, starb und wurde wieder geboren, erduldete Leiden in den Vier Lebensformen und Sechs Pfaden der Wiedergeburt. In dieser Existenz nun habe ich einen menschlichen Kçrper erlangt, aber eine hundertjhrige Lebensspanne ist wie Traum und Illusion. Wohin werde ich nach dem Tod gelangen, um weiter zu leiden? Das Menschenleben ist ein großer Traum. Am Morgen kann man sich nicht darauf verlassen, den Abend zu erleben. Ich musste einen Ausweg finden. In der Furcht vor dem Leid des Kreislaufes der Wiedergeburten setzte ich meine Suche fort und ging einen Schritt weiter. Beim Tod werden die Vier Elemente zu Asche. Plçtzlich dachte ich an diese meine kleine Seele. Der stinkende Ledersack [des Kçrpers] wird von den Eltern geboren; in ihm sammeln sich Eiter und Blut. Diese kleine Seele aber, woher kommt sie? Von wem wird sie geboren? Ich grbelte, aber fand keinen Ausweg und hegte Kummer im Herzen. Geboren werden und sterben, sterben und geboren werden; langes
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Luo Qing Leben ist unerreichbar. Wenn die Vier Elemente sterben, verbrennen sie in einem Feuer zu Asche. In der Welt hat die kleine Seele keinen Zufluchtsort. Wenn man in der Welt der Lebenden krank wird, kmmern sich Verwandte um einen. In der Unterwelt hingegen fragt keiner nach einem und man ist allein, eine einsame Seele. Es gibt keine Sonne, es gibt keinen Mond, alles ist dster und schwarz. Mein Herz war voll von Kummer ohne Ende. Rat- und mutlos suchte ich mein Leben zu fristen – meine Trnen flossen reichlich. Auf dieser großen Erde haben sogar Steine [ihr Zuhause] in den Bergen, wo sie geboren werden und aufwachsen. Warum hat nur meine kleine Seele kein Zuhause? Der Sden kehrt in den Sden zurck, der Norden in den Norden, beide haben ihr Zuhause – Warum sieht nur meine kleine Seele keine Heimat? Rinder gebren Rinder, Pferde gebren Pferde, alle haben Eltern – Warum hat nur meine kleine Seele keine Verwandten? Drachen gebren Drachen, Tiger gebren Tiger, beide haben Eltern – Warum hat nur meine kleine Seele keine Verwandten? Reisende und Fremdlinge kehren nach Hause zurck – Warum hat nur meine kleine Seele keine Heimat? Auf dieser großen Erde haben alle Mnner und Frauen Eltern – Warum hat nur meine kleine Seele keine Verwandten? Auf dieser großen Erde haben alle beseelten Wesen Eltern – Warum hat nur meine kleine Seele keinen Zufluchtsort? […] Eines Tages kam plçtzlich ein Brief, dass sich ein Freund mit mir treffen wolle. Er erzhlte mir, dass es in Sunfu einen erleuchteten Meister gab. Ich eilte zu ihm, verehrte ihn als meinen Lehrer und wich ihm nicht von der Seite. Ich sagte zu ihm: „Erklre mir, wie ich mich kultivieren soll.“ Ich bat ihn viele Male, aber er weigerte sich, so dass ich Kummer im Herzen hegte.
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Erst nach einem halben Jahr erbarmte er sich meiner. Ich bte mich in Askese, kniete vor ihm nieder und sagte, dass ich mich nicht eher wieder erheben wrde, bis dass er zu mir sprche. Ich sagte ihm: „Habt Mitleid und dreht das große Rad des Dharma.“ Da erklrte er mir : „Amita¯bha Buddha ist der ungeborene Vater und die ungeborene Mutter. Dieses kleine Licht ist sein Baby, ein Nachkomme des Buddha.“ Daraufhin kniete ich nieder und fragte meinen Lehrer: „Wo ist der Buddha?“ Mein Lehrer sagte: „Amita¯bha Buddha ist im Himmel in jenem Land.“ Ich sagte zu meinem Lehrer: „Sagt mir, wie komme ich dort hin?“ [Er sagte, ich solle] den Namen Amita¯bhas rezitieren, dann kçnne ich emporsteigen. Jeden Tag rezitierte ich „Amita¯bha“ ohne Unterlass. Ich rezitierte im Gehen, ich rezitierte im Sitzen und schritt wild entschlossen auf dem Weg des Verdienstes voran. Wenn ich im Sterben lge, wrde ich Amita¯bha rezitieren und diese Welt verlassen. Ich wrde das Buddha-Land erreichen und dort meinen Vater treffen. Ich rezitierte Amita¯bha Tag und Nacht acht Jahre lang. Hellwach am Morgen, nicht schlafend am Abend schritt ich wild entschlossen auf dem Weg des Verdienstes voran. Mit aller Kraft rief ich nach meinen ungeborenen Eltern, da ich frchtete, Amita¯bha Buddha kçnnte mich nicht hçren. Ich bte mich in Askese und rezitierte Amita¯bha Tag und Nacht ohne Unterlass. Jedoch wurde mein Herz nicht erleuchtet und ich erlangte keine Freiheit, und so zog ich weiter.
[Luo Qing versucht noch verschiedene Methoden, um die ersehnte spirituelle Heimat zu erreichen. Manche Praktiken sind Sackgassen, andere fhren ihn ein Stck auf seinem Weg weiter, bis er schließlich den Durchbruch erzielt:] Bis hierhin war ich gelangt, bis zur Einsicht, dass mein Selbst die Dharma-Natur der Wahren Leere ist, aber ich kannte noch nicht
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Ungebundenheit und Freiheit, wusste noch nicht, wohin ich nach dem Tode kme. Da Leben und Tod eine wichtige Angelegenheit sind, war ich nicht willens, die Suche aufzugeben. Leben und Tod sind durch einen Atemzug getrennt. Wie konnte ich dem Leiden des Sam . sa¯ra entkommen? Tag und Nacht ließ es mir keine Ruhe, selbst im Traum weinte und litt ich. Dadurch rhrte ich die Ehrwrdige Wahre Leere. Sie erbarmte sich meiner und sandte einen weißen Lichtstrahl von Sdwesten, welcher meinen Kçrper erleuchtete. Von diesem Traumlicht erweckt, stand ich in großer Unruhe auf. Ich setzte mich aufrecht in Meditation, nach Sdwesten gerichtet. Da leuchtete meine Herzblume auf, mein Herz çffnete sich und erkannte die fundamentale Realitt. Endlich erlangte ich Ungebundenheit und Freiheit, endlich erlangte ich Freiheit und Geborgenheit. […] Dreizehn Jahre lang mhte ich mich in Askese, bevor ich die Erleuchtung erfuhr. Erst dann erkannte ich den unzerstçrbaren wahre Kçrper des Buddha S´hakyamuni. Dreizehn Jahre lang mhte ich mich in Askese, Tag und Nacht ohne Unterlass. Erst dann erkannte ich den unzerstçrbaren Goldkçrper aller Buddhas. Gehend hatte ich gesucht, sitzend hatte ich gesucht, ohne aufzugeben. Erst dann erkannte ich den unzerstçrbaren Goldkçrper aller Mnner und Frauen. […] Ich ermahne Euch instndig, die ihr in dieser Versammlung seid, beugt Leben und Tod vor. Bedenkt die Vier Lebensformen, das Leid der Sechs Pfade der Wiedergeburt, die bestndige Angst und Sorge. Wenn ihr in diesem Leben nicht dem Leidensmeer von Leben und Tod entkommt, Werdet Ihr in den Vier Lebensformen, im Leid der Sechs Pfade wiedergeboren und versinkt auf ewig.
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Wer weise ist, glaubt dies und bedenkt alle Umstnde. Durch die Zeiten sind Trnen geflossen wie das Meer, Knochen haben sich berghoch getrmt. Bedenkt vorher das Leid von Leben und Tod ber unzhlige onen; Wenn Ihr erst nachher daran denkt, seid Ihr bereits niedergefallen und werdet niemals zurck kçnnen. Sie mçgen Dich verlachen, die schlauen Dummkçpfe dieser Welt; Ohne Angst fallen sie nieder und werden niemals zurck kçnnen. Wer schlechtes Karma sammelt, verliert seinen Halt – schwerlich wird er einen menschlichen Kçrper wiedererlangen. Wer nach Ruhm und Profit giert, fllt nieder und wird niemals zurck kçnnen. Die Kaiser aller Dynastien, die alten Kaiser und Kçnige frchteten auch Leben und Tod. Sie besuchten erleuchtete Lehrer und suchten nach dem rechten Dharma, um den Vier Formen der Wiedergeburt zu entkommen. Ich ermahne Euch instndig, die ihr in dieser Versammlung seid, praktiziert das Dao mit festem Herzen. […]
Die Gedichte von Hanshan – Auszge
Hanshan, wçrtlich „Kalter Berg“, ist das Autorenpseudonym fr eine Sammlung von Gedichten, welche in buddho-daoistischer Manier die eremitische Zurckgezogenheit, die Nichtigkeit der Welt und die meditative Versenkung thematisieren. Die Historizitt des Hanshan ist umstritten und es gilt als wahrscheinlich, dass wir es bei seinem Werk mit einer Sammlung von Gedichten verschiedener Autoren der Tang-Zeit zu tun haben. Dennoch hatte diese Sammlung betrchtlichen Einfluss sowohl in der Religions- wie in der Literaturgeschichte Chinas.
58 Zhuangzi sagte, dass bei seinem letzten Geleit Der Himmel und die Erde seinen Sarg abgben Wenn dann fr mich die Zeit zur Heimkehr kommt Brauche ich nur ein paar Bananenbltter Als Leiche werde ich die grnen Fliegen fttern Bei weißen Kranichen mht man sich nicht um Totenklage Und bermannt mich auch der Hunger auf dem Shou Yang-Berg Nach einem unbescholtnen Leben ist auch der Tod voll Freuden 60 Seit ich mich einst auf den Han Shan zurckzog Ernhr ich mich von wilden Frchten Ein friedliches Leben, was braucht ich mich zu sorgen In dieser Welt nimmt alles seinen vorbestimmten Lauf Tage und Monde verstrçmen unaufhaltsam wie der Fluss Unsere Zeit – Funken von einem Feuerstein Die Welt zu ndern berlass ich euch Ich sitze stillvergngt zwischen den Klippen 61 Bin ich nicht um der Berge Wonnen zu beneiden In Muße wandernd und von niemand abhngig? Der Sonne nachjagend macht man sich nur kaputt
Die Gedichte von Hanshan
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Ruhen erst die Gedanken, dann bleibt nichts zu tun Gelegentlich entrolle ich eine der alten Sutren Klettere ab und zu zum Felsschlçsschen hinauf Schaue hinab auf tausend Klafter tiefe Schluchten ber mir quellen Wolkenwirbel auf Ein kalter Mond, frostigen Windes Sausen Mir ist wie einem einsam ziehenden Kranich zumut 62 Die Leute fragen nach dem Han Shan-Weg Han Shan? Kein Pfad fhrt euch dorthin Hier schmilzt das Eis auch spt im Sommer nicht Im Nebel steigt die Sonne blass wie der Mond Und ich, wie ist es mir gelungen? Mein Sinn ist nicht dem euren gleich – Wenn euer Sinn wie meiner wre Dann fhrte er auch euch hierher 76 Heute saß ich vor der Felsklippe Bis schließlich aller Nebel sich verzog Ein gerader Weg, glitzernd der kalte Bach Achttausend Fuß, die Gipfel jadefarben Im milden Morgenlicht stehn Weiße Wolken Bei Nacht des hellen Mondes schwebender Glanz Nun bin ich frei von jedem Makel Welch Kummer kçnnte meinen Sinn noch trben? 95 Sie kochen Kieselsteine, eine Mahlzeit zu bereiten Beginnen erst Brunnen zu graben wenn sie durstig sind Mht man sich noch so sehr den Ziegel zu polieren Wer kçnnte jemals einen Spiegel daraus machen? Der Buddha sagte, dass wir ihm von Anfang ebenbrtig sind Alle besitzen wir das gleiche Wahre-Wesen Doch denken sie allein in Fr und Wider Kçnnen das Streben und Streiten nicht sein lassen
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Die Gedichte von Hanshan
99 Euch Fleischessern mçcht ich ein Wçrtchen sagen: Mit eurem Essen solltet ihr nicht so nachlssig sein! In diesem Leben erntet ihr, was im vergangenen ihr stet Und heute richtet ihr bereits das zuknftige ein Doch kmmert ihr euch nur um das, was heute angenehm Habt keine Furcht vor den Leiden kommender Leben Einst schlpfte eine Ratte in den Vorratskrug Als sie sich vollgefressen, brachte sie kaum den Kopf heraus 115 Zahlloser Sterne breites Band glitzernd in tiefer Nacht Klippe beschienen von einsamer Leuchte Mond noch nicht gesunken Prchtiger Glanz vollkommener Kugel von ungeschliffnem Jaspis Aufgehngt im nachtschwarzen Himmel Das ist mein Sinn 149 Den Mann vom Kalten Berg Wird es fr immer geben Er ganz alleine lebt Ohne Geburt und Tod 150 Hast du die Han Shan Gedichte im Haus? Sie sind besser fr dich als Sutren-Lesen Auf einen Wandschirm schreibe sie dir Wirf ab und zu einen Blick darauf! Stephan Schuhmacher, Han Shan: 150 Gedichte vom Kalten Berg, Dsseldorf 1974, 82, 84 – 86, 100, 120, 124, 140, 174 – 175.
Die Aufzeichnungen von der manifestierten Heiligkeit der Himmelsprinzessin (Tianfei xiansheng lu) – Auszge
Die folgenden Textauszge entstammen einer ins 18. Jh. zu datierenden Sammlung von Wundergeschichten ber die Gçttin Mazu, die vor allem (aber nicht ausschließlich) in Kstenregionen als Patronin der Fischer und Seefahrer verehrt wird. Die prominente Rolle von Regierungsvertretern und kaiserlichen Gunsterweisen in den Geschichten verweist auf die wichtige Rolle von volksreligiçsen Gottheiten in den Beziehungen zwischen dem Staat und den Lokalgemeinschaften.
26. Nach einer Traumoffenbarung wird ihr ein Tempel errichtet Im sechsundzwanzigsten Jahr der Regierungsdevise Shaoxing, dem Jahr bingzi (1156), wurde die Gottheit im Opferkanon eigens mit dem Titel „Dame der gçttlichen Gnade“ belehnt. Im siebenundzwanzigsten Jahr (1157) [trug sich folgendes zu]: Etwas mehr als fnf li çstlich der Stadt Pu lag ein Kstendorf mit Namen Baihu, wo sich alle Schiffe zu sammeln pflegten. Im Herbst jenes Jahres kam die Gottheit dorthin und hielt sich dort auf. Zwei Angehçrige der [in Baihu ansssigen] Familien Zhang und Shao trumten zu gleicher Zeit, dass die Gottheit ihnen einen Platz bedeutete, an dem sie einen Tempel errichtet zu haben wnschte. Der Kanzler und edle Oberminister Chen vernahm davon und besah sich seinen Grundbesitz auf eine Glck verheißende Stelle hin, zu dem Zwecke, diese der Gottheit zum Geschenk zu machen. Im Jahre wuyin (1158) wurde der Tempelbau vollendet. Im dreißigsten Jahr (1160) rotteten Banditen, wie Liu Juxing und andere, sich zusammen und drangen geradewegs in die Flussmndung vor. Die ansssige Bevçlkerung betete ergeben im Tempel, als
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plçtzlich ein wilder Sturm anhob und die Erde heftig erbebte. Gischt und Wogen stiegen [auf dem Meer] zum Himmel empor, und es wurde so dunkel, dass man nichts mehr sehen konnte – als die Gottheit inmitten der Lfte erschien. Die Banditen bekamen Angst und verzogen sich. Als sie schließlich abermals in die Flussmndung vordrangen, demonstrierte die Gottheit erneut ihre bernatrliche Majestt, und die Banditen wurden bald darauf von Regierungstruppen festgenommen. Zur kaiserlichen Kenntnisnahme wurde ein Bericht darber verfasst, und der Himmelssohn proklamierte fr sie den Titel „Dame der gçttlichen Gnade und klaren Erwiderung“. 39. Sie rettet von Wellen bedrngte Schiffe Im siebten Jahre jiayin der Regierungsdevise Hongwu (1374), als der Wachkommandant von Quanzhou, Zhou Zuo, ein Kriegsschiff zur Ergreifung [von Piraten] befehligte, geschah es plçtzlich, dass sich ein Wirbelsturm erhob und man sich beeilte, das Schiff in ruhige Gewsser zu bringen und dort zu ankern. Den Matrosen rings um ihn herum standen die Trnen [der Verzweiflung] in den Augen; sie machten Kotaus und flehten die Gçttliche Prinzessin um Hilfe an. Bald konnte man, inmitten stockfinsterer Nacht, in der Luft den gçttlichen Feuerschein weithin schweben und strahlend auflodern sehen, und am Mastbaum tauchte er ebenso auf. Voller Freude sprach Zhou: „Ich habe gehçrt: Wenn man auf See im Augenblick der Gefahr des gçttlichen Feuerscheins teilhaftig wird, so ist man trotz der Gefahr doch sicher. Oh Gottheit, behte uns!” Da sprangen große Wellen auf, die das Schiff umherstießen und bersplten, und dadurch, dass sie es in der Tat etliche Male ber Felsenriffe hoben und gen Norden trugen, segelte es mit einer gnstigen Strçmung und gelangte bis an die Kste. Um die Zeit, als der Morgen graute, schickte Zhou jemanden voraus, der die Schifffahrtsrinne in der Bucht erkennen konnte, und so verlief schließlich alles ohne ein Unglck.
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Nach Quanzhou zurckgekehrt, begab man sich sofort in den Tempel und brachte ihr ein Opfer dar. Außerdem wollte man noch Holz nach der Insel Mei verschiffen, um die dortige Tempelhalle zu renovieren. Dieses Holz war noch nicht verladen, als es – auf der Wasseroberflche schwimmend – mit der Strçmung von selbst nach Mei trieb; und auf jedem der Hçlzer standen die beiden Schriftzeichen [fr] „Himmelsprinzessin“; alle verwunderten sich darber. Dann renovierte man die Residenzhalle der Gottheit, desgleichen den „Duftpavillon“, den Trommelturm und den [brigen] Tempel. Man stellte die in Ton modellierte heilige Gçtterstatue wieder her, fertigte Fahnen und Trommeln an; und entlang des Weges trommelte und blies man [die Instrumente], als man die Gottheit [i.e. ihre Statue] in ihren Ahnentempel geleitete. Außerdem, als Kommandant Zhang seine Truppen auf See hinausfhrte, betete er im Stillen zur Gçttlichen Prinzessin um Schutz und erlangte tatschlich ihre offenkundige Erwiderung. Von Quanzhou aus fuhr er, mit Baumaterial voll beladen, nach Meizhou und errichtete [aus Dankbarkeit] einen Pavillon links neben der Haupthalle [ihres dortigen Tempels] und nannte ihn „Pavillon der Himmelsbetrachtung“. 56. Bei den Penghu-Inseln erringt man mit gçttlicher Hilfe den Sieg Im sechsten Monat des zweiundzwanzigsten Jahres der Regierungsdevise Kangxi (1683) erhielt der Admiral, Marquis [Shi], Order, auf Taiwan Rebellen zu unterwerfen. Auf halber Strecke der Passage, die die Penghu-Inseln mit Taiwan verbindet, lauerten Piraten, die entlang der Hauptroute unberechenbar auftauchten und wieder verschwanden, so dass es schwierig war, geradewegs [und unbehelligt] hinber zu gelangen. Also gab der Marquis vor der gesamten altgedienten Truppe mit Ernst und Strenge seine Befehle aus. Die Soldaten auf den Schiffen berichteten [spter] bereinstimmend, die Himmelsprinzessin sei [whrenddessen] undeutlich zu erkennen gewe-
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sen, so, als wre sie an ihrer Seite – woraufhin alle voller Mut vorwrts gestrmt seien. Der Feind feuerte wie wild seine Kanonen ab und auch auf unseren Schiffen wurden Kanonen abgefeuert. Ihr Getçse ließ den Himmel erzittern und ihre Rauchschwaden vernebelten das Meer. Die Kriegsschiffe formierten sich in einer Lngsreihe und drangen vorwrts, brachen dann nach Backbord aus und schossen [gleichzeitig] auf Steuerbord hervor, so dass es sehr furchterregend anzusehen war und [dem Feind] Angst einflçßte. Die Zahl derer aus der Menge der Feinde, die whrend der Kmpfe getçtet oder verwundet wurden oder die ertranken, ließ sich nicht zhlen. Ihr Anfhrer hielt noch eine weitere Insel besetzt. Als unsere Schiffe ihre Kanonen abfeuerten und ihn [dort] angriffen, verkroch er sich auf ein kleines Boot und flchtete. Fortan herrschte auf den Penghu-Inseln Ruhe. Vor dieser Zeit, als die Penghus noch nicht niedergerungen waren, hatte der Leutnant des Regimentsstabes der Linken Brigadedivision, Liu Chun, getrumt, dass die Himmelsprinzessin zu ihm sprach: Am einundzwanzigsten Tag msst Ihr die Penghus einnehmen, im siebten Monat kçnnt Ihr Taiwan erobern! Und tatschlich, am zweiundzwanzigsten Tag vermochte er den Sieg ber die Penghu-Inseln zu erringen; die Erfllung der Prophezeiung war so prompt wie ein Echo erfolgt. Und außerdem, just an dem Tag, an dem sie gerade in das Gefecht gezogen waren, drngte die Bevçlkerung von Pinghai sich in den Tempel der Himmelsprinzessin, und dort konnten alle sehen, dass die Robe [der Statue] der Himmelsprinzessin feucht war und an den Hnden der beiden Geistergenerle zu ihrer Linken und ihrer Rechten Blasen angeschwollen waren! Die umstehenden Beobachter [dieses Phnomens] waren so zahlreich wie auf einem Marktflecken! Erst als die Nachricht bekannt wurde, dass an diesem Tage der Sieg ber die Penghus errungen worden war, erkannte man
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schließlich die Leistung der stillschweigenden Hilfe im Verborgenen [seitens] der Gottheit. Weil der Admiral, Marquis [Shi], von der gçttlichen Macht und stillschweigenden Hilfe tief ergriffen war, verfasste er einen Bericht an den Thron und ersuchte um ein kaiserliches Dekret zu ihrer Belehnung. Gleichzeitig setzte er sich fr eine Bereicherung [i.e. eine Erweiterung ihrer Titel] ein. Es erging die kaiserliche Anordnung: Die gçttliche Prinzessin ist bereits mittels kaiserlicher Dekrete belehnt worden und deshalb entsenden Wir nunmehr den Ministerialdirektor des Ritenamtes, Ya Hu, gemeinsam mit anderen, [Unseren] kaiserlichen Weihrauch zu berbringen, sich daselbst in Euren Tempel zu begeben und Opferzeremonien durchzufhren! Zu diesem Anlass begab sich der Admiral, Marquis [Shi], nach Mei und assistierte bei den Opferzeremonien. Dabei bemerkte er, dass die Buddhahalle und die Mçnchsunterknfte immer noch nicht fertiggestellt waren, woraufhin er sofort Spenden ber zweihundert liang Gold zu ihrer Errichtung zusammenbrachte. Gerd Wdow, T’ien-fei hsien-sheng lu, Nettetal 1992, 199 – 200, 217 – 218, 248 – 250.
Yuan Mei: Wovon Konfuzius nicht sprach (Zibuyu) – Auszge
Yuan Meis (1716 – 1798) Wovon Konfuzius nicht sprach ist eine umfangreiche Sammlung von Geistergeschichten, deren Titel auf die Passage in den Gesprchen des Konfuzius anspielt, nach der der Meister nicht von „Zauberei, Kraftstcken, Aufruhr und Geistern“ sprach (s. o., Konfuzius: Gesprche, VII,21). Yuans Werk ist Teil des in der chinesischen Literaturgeschichte sehr bedeutsamen Genres der „Aufzeichnungen ber seltsame Dinge“ (zhiguai), welches u. a. die frheste Form der Prosa-Erzhlliteratur hervorgebracht hat und eine wertvolle Quelle fr Studien zu Alltagskultur und Religionsgeschichte darstellt.
Ein Totengeist wird von einem anderen verjagt Der Bakkalaureus Zuo aus Tongcheng lebte sehr eintrchtig mit seiner Frau, einer geborenen Zhang, zusammen. Als sie an einer Krankheit starb, brachte er es nicht bers Herz, sich von ihr zu trennen, und lag den ganzen Tag neben ihrem Sarg. Am 15. Tag des 7. Monats richtete seine Familie ein Ullambana aus. Whrend seine Angehçrigen im ußeren Teil des Anwesens Buddha verehrten und Opfer brachten, blieb Zuo allein beim Sarg seiner Frau und las. Plçtzlich traf ihn ein kalter Windstoß, und der Geist eines Erhngten kam blutend und mit aufgelçstem Haar, seinen Strick in der Hand, geradewegs auf ihn zu. In panischer Angst klopfte Zuo an den Sarg und rief: „Rette mich, Liebste!“ Da stieß seine tote Frau ohne zu zçgern den Sargdeckel auf, stieg aus dem Sarg und schimpfte: „Was bist du fr ein bçsartiger Geist, dass du es wagst, meinen lieben Mann anzugreifen!“ Sie hob den Arm und schlug auf den Geist des Erhngten ein, der daraufhin stolpernd weglief. Nun sagte sie zu Zuo: „Es ist tçricht von dir, in deiner Gattenliebe so weit zu gehen. Dir ist kein Glck beschieden, nur darum hat er gewagt, dich anzugreifen. Warum willst du nicht mit mir kommen, damit wir wiedergeboren und im nchsten Leben zusammen alt werden kçnnen?“
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Zuo stimmte ihr zu, und sie legte sich wieder in den Sarg zurck. Als er jetzt seine Angehçrigen rief, stellten sie fest, dass die Sargngel in der Mehrzahl zerbrochen waren und der Rock seiner Frau zur Hlfte zwischen Sarg und Deckel klemmte. Ehe ein Jahr vergangen war, starb auch Zuo. Der kostbare Spiegel der çstlichen Heilkunst enthlt ein Mittel gegen Fuchsgeister Li Xuanmin aus Xiaoshan war ein junger Mann, der frei und ungezwungen lebte. Als er in einem Buddhatempel Weihrauch abbrannte, erblickte er dort ein schçnes Mdchen. Er schaute sich nach allen Seiten um und da niemand zu sehen war, sprach er sie an. Das Mdchen sagte, sie heiße mit Familiennamen Wu, habe schon als Kind Vater und Mutter verloren und lebe bei einem Onkel. Die Tante sei sehr grausam zu ihr, darum bete sie hier zu Buddha, damit sie einen guten Mann finde. Als Li ihr mit herausfordernden Worten zusetzte, gab sie gleich nach und ging mit ihm mit. Sie verstanden sich sehr gut miteinander, auf die Dauer aber magerte Li immer mehr ab und er merkte, wie sie beim Geschlechtsverkehr seinen Samen einsog, was anders war als bei normalen Paaren. Außerdem wusste sie stets im voraus, was sich zehn Li im Umkreis abspielen wrde. Im Innern war ihm klar, dass sie ein Fuchsgeist sein musste, aber er fand kein Mittel, sie zu vertreiben. Eines Tages zog er seinen Freund, den Magister Yang, mit sich fort, bis sie dreißig Li von seinem Haus entfernt waren, und offenbarte ihm die Sache. Yang sagte: „Ich entsinne mich, dass es im Kostbaren Spiegel der çstlichen Heilkunst einen Passus ber die Kunst gibt, mit Fchsen fertig zu werden. Warum wollen wir das nicht ausprobieren?“ Also begaben sie sich gemeinsam in die Liulichang und suchten sich dort das Buch. Dann baten sie einen Japaner, ihnen den Abschnitt zu bersetzen und handelten danach. Tatschlich ging das Mdchen unter Trnen fort. Diese Sache hat mir Magister Yang erzhlt, als ich ihn im Hause des Hanlin-Gelehrten Xie Yunshan am Xijiang traf. Leider
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habe ich nicht gefragt, an welcher Stelle im Kostbaren Spiegel der çstlichen Heilkunst das Mittel steht. Muse empfehlen einen Prfungsaufsatz Herr Huang, der Kreisvorsteher von Fanchang, war genau wie ich als Prfungsbeamter bei der Provinzialprfung in Jiangnan eingesetzt, die im ersten Jahr des Sechzigerzyklus stattfand. Als er einen Aufsatz las, der in der mit dem Schriftzeichen zhao bezeichneten Examenszelle geschrieben worden war, fand er ihn unbefriedigend und tat ihn in den Behlter fr die Aufstze durchgefallener Kandidaten. Doch als er am nchsten Morgen aufstand, um weiterzulesen, lag der Aufsatz auf seinem Tisch. Zuerst glaubte er noch, er habe wohl vergessen, ihn wegzulegen, und tat ihn in den Behlter. Aber am Morgen danach lag der Aufsatz wieder auf seinem Tisch. Jetzt argwçhnte er, seine Leute mssten dahinterstecken, darum ließ er zur Nacht die Kerze brennen und stellte sich schlafend, um zu beobachten. Da sah er, wie drei Muse in den Behlter schlpften und gemeinsam ein Heft herausholten, das sie auf seinen Tisch legten. Nun glaubte er, der Prfungskandidat msse irgendwelche geheimen Verdienste haben, deshalb habe der Gott des Prfungserfolges die Muse beauftragt, dies zu tun, und so empfahl er den Aufsatz notgedrungen zur Annahme, und der Kandidat bestand die Prfung. Als die Liste der erfolgreichen Teilnehmer verçffentlicht war, machte jener Kandidat, der mit Familiennamen Min hieß, Herrn Huang seine Aufwartung, und dieser erzhlte ihm, warum er den Aufsatz hatte durchgehen lassen. Dann fragte er : „Was fr gute Werke hat Eure Familie vollbracht?“ „Unsere Familie ist arm und kann keine guten Werke vollbringen“, erwiderte Min. „Aber schon seit drei Generationen darf bei uns keine Katze gehalten werden.“ Rainer Schwarz, Yuan Mei: Chinesische Geistergeschichten, Frankfurt/M. 1997, 143 – 144, 155 – 156, 210.
Studium Religionen herausgegeben von Hubert Seiwert