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German Pages 1099 [1100] Year 2013
Nagel/Gottwald
Internationales Zivilprozessrecht
Nagel/Gottwald
Internationales Zivilprozessrecht Begründet von
Dr. jur. Heinrich Nagel † Vizepräsident des OLG Bremen a.D. Honorarprofessor an der Universität Göttingen
Ab der 4. Auflage fortgeführt und neu bearbeitet von
Dr. jur. Peter Gottwald em. o. Professor für Bürgerliches Recht, Verfahrensrecht und Internationales Privatrecht an der Universität Regensburg
7. neu bearbeitete Auflage
2013
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-47110-1 ©2013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Gennany
Vorwort Diese Neuauflage habe ich stark erweitert. Erstmals informiert sie über das gesamte internationale Zivilverfahrensrecht vom streitigen Zivilprozess, über sämtliche Familien- und Erbrechtsverfahren bis hin zum Internationalen Insolvenzrecht. Das Europäische Zivilprozessrecht ist in den letzten Jahren in unglaublichem Maße gewachsen. Seit Abschluss der Vorauflage sind die Europäische Mahnverordnung, die Verordnung über das Verfahren über geringfügige Forderungen und die Europäische Unterhaltsverordnung erlassen worden und werden in der Praxis angewendet. Die Europäische Erbrechtsverordnung und – Ende 1012 – auch die Neufassung der Europäischen Gerichtsstandsverordnung sind verabschiedet worden und werden beide 2015 in Kraft treten. Die Unterhaltsverordnung, die Neufassung des AUG 2011, die Erbrechtsverordnung und die politisch bereits gebilligten Vorschläge für Verordnungen in Ehegüterstandsachen und zum Güterstand in Lebenspartnerschaftssachen waren für mich zusammen mit dem neuen deutschen FamFG von 2008 Anlass, nicht nur die Erbrechtssachen, sondern alle internationalen Familiensachen (einschl. Adoption, Erwachsenenschutz, Gewaltschutz usw.) neu in das Werk aufzunehmen. Die Neuordnung des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH und dessen neue Verfahrensordnung sind ebenso berücksichtigt wie das geplante neue Einheitliche Patentgericht. Im Bereich der Rechtshilfe habe ich neu auf die verschiedenen Fälle realer Zusammenarbeit in- und ausländischer Gerichte hingewiesen und die Neufassung der deutschen ZRHO eingearbeitet. Da die meisten neueren Europäischen Verordnungen, vor allem die Neufassung der EuGVO, auf das Verfahren der Vollstreckbarerklärung verzichten, habe ich dem Europäischen Vollstreckungstitel (seinen Voraussetzungen und der Verteidigung dagegen) neu ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit waren vor allem die Reformen der Schiedsordnungen der meisten bedeutenden institutionellen Schiedsgerichte (etwa die ICC-Rules 2012) zu berücksichtigen. Dargelegt sind bereits die Grundzüge der geplanten Europäischen vorläufigen Kontopfändung. Damit das Handbuch wirklich über alle Sachgebiete informiert, habe ich schließlich das Internationale Insolvenzrecht (Europäische Insolvenzverordnung, den Vorschlag zu ihrer Änderung, das nationale Insolvenzrecht und das UNCITRAL Modellgesetz) neu dargestellt.
V
Vorwort
Dementsprechend enthält das Buch viele neue Abschnitte, alle anderen Teile sind umfassend aktualisiert, insbesondere die zahlreichen rechtsvergleichenden Hinweise zu ausländischen Rechtsordnungen. Die Neubearbeitung gibt die Rechtslage zum 25.4.2013 wieder. Literatur und Rechtsprechung sind insoweit verarbeitet, zum ausländischen Recht im Rahmen der Verfügbarkeit. Die Darstellung will weiterhin den Praktiker wie den Wissenschaftler zuverlässig über alle Fragen der grenzüberschreitenden Prozessführung informieren, von Vorüberlegungen über das mögliche Forum, Abwägungen der Schwierigkeiten der Prozessführung, das Dickicht von Zustellungs- und Beweisproblemen, bis hin zu Fragen der Anerkennung und Vollstreckung, des einstweiligen grenzüberschreitenden Rechtsschutzes, der Schiedsgerichtsbarkeit, der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung und der Bewältigung transnationaler Insolvenzverfahren. Regensburg, im Mai 2013
VI
Peter Gottwald
Inhaltsübersicht* Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungs-/Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über europäische Rechtsakte und die wichtigsten Übereinkommen zum internationalen Zivilprozessrecht. . .
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V XI XXXIX
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LVII
§ 1 Einführung I. Allgemeine Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europäisches und internationales Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . III. Prozessrechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 21 31
§ 2 Grenzen der Gerichtsbarkeit I. Die Staatsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Immunität von Diplomaten und Konsuln . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Immunität internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . .
35 55 61
§ 3 Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen I. II. III. IV.
Europäisches Zivilprozessrecht. . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit nach Staatsverträgen . . . . . . . . . . Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten
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72 174 183 212
Zuständigkeit in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit in Sorgerechts-/Kindschaftssachen. . . . . Zuständigkeit in Abstammungssachen . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit in Adoptionssachen . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit in Ehewohnungs- und Haushaltssachen . Zuständigkeit in Versorgungsausgleichssachen . . . . . . Zuständigkeit in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit in Güterrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit in sonstigen Familiensachen . . . . . . . . . Zuständigkeit in Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . Zuständigkeit in Betreuungssachen. . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit in Erbrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . .
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235 245 254 255 256 256 257 262 263 264 264 266
§ 4 Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII.
* Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden sich jeweils am Anfang der einzelnen Kapitel.
VII
Inhaltsübersicht Seite
§ 5 Ausländer als Verfahrensbeteiligte I. II. III. IV.
Der prozessuale Status von Ausländern . . . . . . . Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesskostenhilfe und Prozesskostenvorschuss Ausländer und die deutsche Sprache . . . . . . . . .
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272 289 300 309
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315 343 364 370
Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die traditionelle Rechtshilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Rechtshilfe und Völkerrecht . . . . . . . Die grenzüberschreitende Kooperation der Gerichte . Das Europäische Justizielle Netz. . . . . . . . . . . . . . .
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378 379 385 392 394
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397 410 419
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435 437 439
§ 6 Inlandsverfahren mit Auslandsbezug I. II. III. IV.
Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug Ausländische Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . Maßnahmen gegen ausländische Verfahren . . . Internationales Anwaltsrecht . . . . . . . . . . . . .
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§ 7 Internationale Rechtshilfe I. II. III. IV. V.
§ 8 Internationale Zustellungen I. II. III. IV.
Die Zustellung im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Europäische Zustellungsverordnung vom 13.11.2007 . . . Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965 . . . Zustellungen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zustellungen außerhalb von Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . VI. Bilaterale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 9 Internationale Beweisaufnahmen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die EU-Verordnung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . III. Das Haager Beweisübereinkommen vom 18.3.1970 . . . . . . . . . . IV. Beweisaufnahmen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bilaterale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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445
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448 455
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472 483 487
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Beweisaufnahme . . . . . . . . .
492 507
§ 10 Internationales Beweisrecht
VIII
Inhaltsübersicht Seite
III. Beweiswürdigung und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die einzelnen Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
511 516
§ 11 Die Behandlung ausländischen Rechts I. Rechtshilfeverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Ermittlung ausländischen Rechts in anderen Staaten . . . . . . .
545 548 561
§ 12 Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Zivilund Handelssachen I. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
569 597
§ 13 Die Anerkennung von Entscheidungen in Familienund Erbrechtssachen I. Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . II. Anerkennung von Entscheidungen in Sorgerechts-/ Kindschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anerkennung von Adoptionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anerkennung von Entscheidungen in Gewaltschutzsachen . . . . . V. Anerkennung von Entscheidungen in Güterrechtssachen . . . . . . . VI. Anerkennung von Entscheidungen in Unterhaltssachen . . . . . . . . VII. Anerkennung von Entscheidungen in Betreuungssachen . . . . . . . VIII. Anerkennung von Entscheidungen in Erbrechtssachen . . . . . . . . . IX. Anerkennung von Personenstandsurkunden (Statusverhältnissen) .
630 643 646 648 648 649 651 652 654
§ 14 Europäische Vollstreckungstitel I. II. III. IV. V. VI.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen . . . . . Vollstreckungstitel nach der Neufassung der EuGVO . . . . . . Entscheidungen des Einheitlichen Patentgerichts. . . . . . . . . Der Europäische Zahlungsbefehl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungen im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Entscheidungen in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Entscheidungen zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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657 660 671 674 674
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677 678
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680
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. . . . . . . . . . . . . . . .
684 685
§ 15 Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
IX
Inhaltsübersicht Seite
III. Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Andere Familiensachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erbrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
739 755 763
§ 16 Anerkennung und Vollstreckung im Ausland I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
765 767
§ 17 Internationaler einstweiliger Rechtsschutz I. II. III. IV.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäisches Recht und Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten
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798 799 809 826
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das in der Sache anzuwendende Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis staatliches Gericht – internationales Schiedsgericht . . Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung inländischer Schiedssprüche sowie Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche . . . . . VIII. Anerkennung und Vollstreckung nach Vertragsrecht . . . . . . . . . IX. Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland
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840 846 864 878 885 892
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894 909 925
§ 18 Internationale Schiedsgerichtsbarkeit I. II. III. IV. V. VI. VII.
§ 19 Internationale Zwangsvollstreckung I. II. III. IV. V. VI.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der internationalen Zwangsvollstreckung Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung . . . . Die einzelnen Vollstreckungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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934 939 943 944 945 959
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961 969 986 991 997
§ 20 Internationales Insolvenzrecht I. II. III. IV. V.
Allgemeine Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Insolvenzverfahren in Deutschland . Insolvenzkollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren . . Sonderbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X
1001
Inhaltsverzeichnis* Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungs-/Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über europäische Rechtsakte und die wichtigsten Übereinkommen zum internationalen Zivilprozessrecht. . . I. Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationale Zuständigkeit, anwendbares Recht. . . . . III. Internationaler Rechtsverkehr und Rechtshilfe . . . . . . . IV. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . .
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V VII XXXIX
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LXII LXV Rz. Seite
§ 1 Einführung I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Allgemeine Grundfragen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezeichnung als IZPR . . . . . . . . . . . . Inhalt des IZPR . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsquellen des IZPR . . . . . . . . . . . Verhältnis des IZPR zum Völkerrecht . Die Gegenseitigkeit im IZPR . . . . . . . Unterschiede zwischen IZPR und IPR.
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II. Europäisches und internationales Zivilprozessrecht 1. Prozessrechtsvereinheitlichung in Europa und weltweit. . . 2. Europäischer Gerichtshof und Europäisches Gericht erster Instanz a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erstinstanzliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gericht für den öffentlichen Dienst der EU . . . . . . . . . . d) Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 AEUV . . . . e) Eilverfahren nach Art 107 Verfahrensordnung . . . . . . . . 3. Einheitliches Patentgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorabentscheidungsverfahren zum EFTA-Gerichtshof . . . . 5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einheitliche Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kooperation zwischen EGMR, EuGH und BVerfG . . . . .
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1 2 10 15 25 33 39
1 2 4 6 11 13 15
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65 66 67 68 81 82 85
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* Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden sich jeweils am Anfang der einzelnen Kapitel.
XI
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
III. Prozessrechtsvergleichung 1. Allgemeine Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozesskultur, Chancen und Risiken der Prozessführung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
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34 36 37 43 45 47
48 48 49 51 51 52
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52 53
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56
55
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57 67
55 57
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69 76
58 59
§ 2 Grenzen der Gerichtsbarkeit I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
8. 9. 10.
Die Staatsimmunität Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Immunität ausländischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Act of State-Doktrin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Immunität ausländischer Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder, Staatsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Immunität von Personen des öffentlichen Rechts und Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkung der Immunität im Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . a) Zustellung der Klage an den ausländischen Staat . . . . . . . b) Tätigkeit des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entscheidung unter Verstoß gegen Immunität . . . . . . . . . Fehlende Klagbarkeit kraft Besatzungsrechts . . . . . . . . . . . . Arrestverfahren und Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Immunität von Staatsschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Die Immunität von Diplomaten und Konsuln 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Immunität von Mitgliedern der diplomatischen Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Unverletzlichkeit des Gesandtschaftsgebäudes. . 4. Die Immunität von Mitgliedern der konsularischen Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkungen der Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3.
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Die Immunität internationaler Organisationen Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Funktionale Immunität internationaler Organisationen . . . . . . 81 Die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte, insbesondere von NATO-Truppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
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§ 3 Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen I. Europäisches Zivilprozessrecht 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Einheitliche Auslegung a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Autonome Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auslegung der EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auslegung des bisherigen EuGVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auslegung der Lugano-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . 4. Das System der direkten Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sachlicher Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Wohnsitzgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Ausschaltung der exorbitanten Gerichtsstände. . . . . . . 8. Geltung gegenüber Drittstaatsangehörigen. . . . . . . . . . . . . 9. Die besonderen Zuständigkeiten nach Art 5–7 aF bzw Art 7–9 nF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art 5 Nr 1 aF bzw Art 7 Nr 1 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gerichtsstand für unerlaubte Handlungen (Art 5 Nr 3 aF bzw Art 7 Nr 2 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gerichtsstand für Adhäsionsklagen (Art 5 Nr 4 aF bzw Art 7 Nr 3 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtsstand der Herausgabe eines Kulturguts (Art 7 Nr 4 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gerichtsstand der Niederlassung (Art 5 Nr 5 aF bzw Art 7 Nr 5 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gerichtsstand für trust-Klagen (Art 5 Nr 6 aF bzw Art 7 Nr 6 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Gerichtsstand für Berge- und Hilfelohn (Art 5 Nr 7 aF bzw Art 7 Nr 7 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (Art 6 Nr 1 aF bzw Art 8 Nr 1 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Gerichtsstand der Gewährleistungs- oder Interventionsklage (Art 6 Nr 2 aF bzw Art 8 Nr 2 nF) . . . . . . . . . . . . . j) Gerichtsstand der Widerklage (Art 6 Nr 3 aF bzw Art 8 Nr 3 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Dinglicher Gerichtsstand für Vertragsklagen kraft Sachzusammenhangs (Art 6 Nr 4 aF bzw Art 8 Nr 4 nF). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Haftungsbeschränkung des Schiffseigentümers (Art 7 aF bzw Art 9 nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Die Zuständigkeiten in Versicherungssachen . . . . . . . . . . . a) Klagen gegen den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klagen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Die Zuständigkeiten in Verbrauchersachen . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klagen gegen den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13 14 15 17 19 20 23 33 41 43
79 80 80 81 81 81 82 88 90 91
...
47
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...
49
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...
78
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97
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. . . 105
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121 121 122 124 124 125 126 132
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129 130 132 137 138 140 141 162
XIII
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12.
13.
14. 15.
16. 17. 18. 19. 20.
c) Klagen gegen den Verbraucher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zuständigkeiten für individuelle Arbeitsverträge a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) LugÜ 1988. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsstandsvereinbarungen a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formvorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen . . . d) Wirkungen der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Subjektive Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beschränkungen der Prorogationsfreiheit . . . . . . . . . . . . Die rügelose Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ausschließlichen Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der dingliche Gerichtsstand, Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klagen über den Bestand von Gesellschaften und über die Wirksamkeit von Gesellschaftsbeschlüssen (Art 22 Nr 2 EuGVO aF, Art 24 Nr 2 EuGVO nF). . . . . . . c) Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register (Art 22 Nr 3 EuGVO aF, Art 25 Nr 3 EuGVO nF). . . . . . . d) Gültigkeit von gewerblichen Schutzrechten (Art 22 Nr 4 EuGVO aF, Art 25 Nr 4 EuGVO nF) . . . . . . . . . . . . e) Verfahren über die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen (Art 22 Nr 5 EuGVO aF, Art 24 Nr 5 EuGVO nF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amtsprüfung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit für Streitigkeiten über Gemeinschaftsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit für Streitigkeiten über Gemeinschaftsgeschmacksmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit für Streitigkeiten über den Sortenschutz. . . . Zuständigkeiten für Streitigkeiten über Gemeinschaftspatente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Zuständigkeit nach Staatsverträgen 1. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Luftverkehrs-Übereinkommen a) Warschauer Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Montrealer Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . 3. CMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gütertransport auf See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eisenbahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Übereinkommen über besondere Unfälle . . . . . . . . .
XIV
. . . 165 . . . 166
133 133
. . . 169 . . . 170 . . . 183
134 134 138
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185 186 206 221 232 237 241 253
138 140 145 151 153 154 155 158
. . . 256
159
. . . 268
163
. . . 273
165
. . . 274
165
. . . 282 . . . 286
168 169
. . . 289
169
. . . 292 . . . 295
171 172
. . . 297
172
. . . . . . . . 300
173
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177 178 179 181 181 182
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311 314 317 325 326 327
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III. 1. 2. 3. 4.
5. 6. 7.
8. IV. 1. 2. 3.
Autonomes deutsches Recht Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . Die Regelung der internationalen Zuständigkeit gem §§ 12ff ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wohnsitz des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewöhnlicher Aufenthalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gerichtsstände einer juristischen Person . . . . . . . . . . d) Gerichtsstand des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gerichtsstand des Erfüllungsortes . . . . . . . . . . . . . . . f) Gerichtsstand für Haustürgeschäfte. . . . . . . . . . . . . . g) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. . . . . . . . . . h) Ausschließliche internationale Zuständigkeit . . . . . . Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rügelose Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs a) Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . 400 . . . . . 401 . . . . . 402
182 185 186
. . . . . . . . . . . . . . . . .
419 422 423 425 430 439 448 449 457 458 485 490 491 492 493 495 496
190 190 191 191 192 195 199 199 201 202 208 209 210 210 210 211 211
. . . 500 . . . 501
212 216
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. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
505 508 511 512 516 517 519 520 521
217 218 219 219 221 221 221 222 222
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. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
522 523 524 525 526 528 529 530 533 534
222 223 223 224 224 224 224 225 226 226
. . . . . . . . . . . . . . . . .
Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Gerichtsstandskonzeptionen a) Anwesenheit im Gerichtsstaat (Presence of Person) . . . . b) Vorübergehende Anwesenheit (transient jurisdiction) . . . c) Place of Incorporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Laufende Geschäftstätigkeit (doing business) . . . . . . . . . e) Service out of the jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gerichtsstand der Niederlassung oder Geschäftsstelle . . g) Gerichtsstand des Vertragsschlusses (forum actoris) . . . . h) Klägergerichtsstand nach Erbringung der Gegenleistung . i) Gerichtsstand der Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Zuständigkeit gegenüber Konzernmuttergesellschaften (Durchgriffszuständigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) „Non-economic activity within the forum“ . . . . . . . . . . l) „Foreseeable effect within the state“ . . . . . . . . . . . . . . . m) Sachzusammenhang mit economic activities . . . . . . . . . n) Deliktstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o) Forum legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . p) Admirality jurisdiction in rem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . q) Quasi in rem jurisdiction – Arrestgerichtsstand . . . . . . . r) Heimatgerichtsstand (Art 14, 15 franz. Code Civil) . . . . . s) Gerichtsstand des früheren Wohnsitzes . . . . . . . . . . . . .
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XV
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t) Klägergerichtsstand (Art 638 belg. B.W.) . u) Gerichtspflichtigkeit nach Due Process . 4. Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . 5. Forum non conveniens . . . . . . . . . . . . . . .
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536 537 538 552
226 227 227 230
§ 4 Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen I. Zuständigkeit in Ehesachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . a) Regelzuständigkeiten . . . . . . . b) Annexverfahren . . . . . . . . . . . c) Restzuständigkeit . . . . . . . . . d) Örtliche Zuständigkeit. . . . . . e) Verbundzuständigkeit . . . . . . 2. Autonomes deutsches Recht a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . c) Entscheidungszuständigkeiten d) Verbundzuständigkeit . . . . . .
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1 5 13 15 17 18
235 237 239 239 240 240
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20 21 22 36
240 241 241 244
II. Zuständigkeit in Sorgerechts-/Kindschaftssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufenthaltszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit zur Änderung einer Umgangsentscheidung. c) „Verweisung“ in einen EU-Mitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . d) Zuständigkeits„vereinbarung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Autonome Restzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen. . . . . . . . . . . g) Zuständigkeit bei Kindesentführung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. KSÜ und MSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haager Kindesentführungs-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . 4. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
40 41 45 46 48 50 51 54 59 71 74
245 246 247 248 248 249 249 250 251 253 253
III. Zuständigkeit in Abstammungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
254
IV. Zuständigkeit in Adoptionssachen 1. Internationale Adoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anträge nach dem Adoptionswirkungsgesetz . . . . . . . . . . . . . .
80 85
255 256
V. Zuständigkeit in Ehewohnungs- und Haushaltssachen . . . . . . .
86
256
VI. Zuständigkeit in Versorgungsausgleichssachen . . . . . . . . . . . .
89
256
XVI
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
VII. Zuständigkeit in Unterhaltssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit nach der EuUnthVO . b) Art 5 Nr 2 LugÜ. . . . . . . . . . . . . . . 2. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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. 92 . 93 . 104 . 107
257 258 261 262
VIII. Zuständigkeit in Güterrechtssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
262 263
IX. Zuständigkeit in sonstigen Familiensachen . . . . . . . . . . . . . . 113
263
X. Zuständigkeit in Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . . . 119
264
XI. Zuständigkeit in Betreuungssachen 1. Zuständigkeit nach ErwSÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
265 265
XII. Zuständigkeit in Erbrechtssachen 1. Streitsachen a) Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das deutsch-türkische Nachlassabkommen . c) Autonomes deutsches Recht. . . . . . . . . . . . 2. Erbscheinsverfahren a) Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das deutsch-türkische Nachlassabkommen . c) Autonomes deutsches Recht. . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . 130 . . . . . . . . . . . 136 . . . . . . . . . . . 138
267 268 268
. . . . . . . . . . . 140 . . . . . . . . . . . 148 . . . . . . . . . . . 149
269 270 270
§ 5 Ausländer als Verfahrensbeteiligte I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Der prozessuale Status von Ausländern Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugang zu Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Parteifähigkeit von Ausländern . . . . . . . . . . . . . Die Parteifähigkeit von Gesellschaften . . . . . . . . . . Die Parteifähigkeit ausländischer Staaten und internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Prozessfähigkeit von Ausländern. . . . . . . . . . . . 8. Postulationsfähigkeit; Zustellungsbevollmächtigter; Prozessvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Prozessführungsbefugnis im IZPR . . . . . . . . . . .
. . . . .
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1 2 7 13 20
272 273 274 275 277
....... .......
36 43
282 283
....... .......
53 61
285 287
II. Sicherheitsleistung 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sicherheitsleistung für Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . .
70 71
289 290
XVII
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
III. Prozesskostenhilfe und Prozesskostenvorschuss 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozesskostenhilfe in internationalen Fällen a) Prozesskostenhilfe für Ausländer . . . . . . . . . . b) Haltung des Auslandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzüberschreitende PKH-Anträge zwischen EU-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anträge nach den HZÜ 1954. . . . . . . . . . . . . . 3. Prozesskostenvorschuss in internationalen Fällen IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Ausländer und die deutsche Sprache Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Verhandlung . . . . . . . . . Fremdsprachige Dokumente . . . . . . Sprache im Rechtshilfeverkehr . . . . Dolmetscher . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . 119
300
. . . . . . . . . . 120 . . . . . . . . . . 134
300 303
. . . . . . . . . . 136 . . . . . . . . . . 151 . . . . . . . . . . 160
304 307 308
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164 165 169 173 174 175
309 310 311 312 312 312
......
1
315
§ 6 Inlandsverfahren mit Auslandsbezug I. Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Rechtsschutzformen a) Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Drittbeteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Prozessprinzipien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Prozesshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Inhalt des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Divergierende Rechtsschutzformen . . . . . . . . . . . . . i) Formen der Prozessbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . j) Grenzüberschreitende Verweisung . . . . . . . . . . . . . 3. Europäisches Bagatellverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten 5. Verbandsklagen, Klagen im öffentlichen Interesse, kollektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Grenzüberschreitende Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . a) Europäisches Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches Mahnverfahren mit Auslandsbezug. . . . . c) Mahnverfahren in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . 7. Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Drittbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Unklagbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klagefristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forderungen aus internationalen Devisenverträgen . XVIII
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2 3 5 6 7 14 15 17 28 29 30 38
316 316 317 317 317 318 318 319 322 322 322 324
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40 46 47 57 63 64 72 81 83 84
324 326 327 328 329 329 331 333 333 334
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
10. Fremdwährungsklagen . . . . . . 11. Internationale Familiensachen a) Eheverfahren . . . . . . . . . . . b) Scheidungsfolgen . . . . . . . . c) Unterhaltssachen. . . . . . . . d) Abstammungssachen . . . . .
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II. Ausländische Rechtshängigkeit 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtshängigkeit nach europäischem Zivilprozessrecht a) Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterhaltssachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Güterrechtsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ehe- und Sorgerechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erbrechtssachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gemeinschaftsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausländische Rechtshängigkeit nach autonomem deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit . . . . . . . . 5. Perpetuatio fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Materiellrechtliche Wirkungen der ausländischen Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Internationale Rechtshängigkeit nach Einzelverträgen . 8. Parallelverfahren im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Abgabe oder Verweisung ins Ausland. . . . . . . . . . . . . . 10. Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit eines ausländischen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Prozessunterbrechung durch ausländisches Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3. 4. 5.
IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Maßnahmen gegen ausländische Verfahren Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anti-suit injunctions . . . . . . . . . . . . . . . . Unterlassungs- und Schadenersatzklagen . . Negative Feststellungsklage . . . . . . . . . . . Blocking statutes a) Europäische Gemeinschaft . . . . . . . . . . b) England. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frankreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Andere Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 87 . 97 . 98 . 111 . 118 . 119
334 337 338 340 342 342
. . . . . . 200
343
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201 221 223 226 230 232
346 351 352 352 353 354
. . . . . . 233 . . . . . . 248 . . . . . . 255
354 357 359
. . . .
256 259 264 270
359 360 361 363
. . . . . . 271
363
. . . . . . 272
364
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300 301 307 308
364 365 367 368
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311 313 317 318 319
368 368 369 370 370
Internationales Anwaltsrecht Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwaltsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inlandstätigkeit ausländischer Rechtsanwälte Auslandstätigkeit deutscher Rechtsanwälte . . Anwaltskosten und Kostenerstattung . . . . . .
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400 401 408 420 430
370 372 373 374 376 XIX
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
§ 7 Internationale Rechtshilfe I. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
378
. . . . .
2 3 6 19 24
379 379 380 384 385
III. 1. 2. 3.
Internationale Rechtshilfe und Völkerrecht Rechtshilfe und Anerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Territorialitätsprinzip und Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befugnisse von Konsuln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 35 50
385 387 390
IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Die grenzüberschreitende Kooperation der Gerichte Beweishilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchsetzung von Unterhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Adoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elterliche Verantwortung, Kindesrückgabe. . . . . . . Kinderschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwachsenenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
58 59 60 61 63 65 66
392 392 393 393 393 394 394
Das Europäische Justizielle Netz Informationen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindungsrichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 72 73
395 395 395
1 2 36
397 399 408
II. 1. 2. 3. 4. 5.
V. 1. 2. 3.
Die traditionelle Rechtshilfe Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgrundlagen der Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der internationalen Rechtshilfe . Form der Erledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Internationale Zustellungen I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Die Zustellung im Rechtsvergleich Allgemeines Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzzustellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Europäische Zustellungsverordnung vom 13.11.2007 Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit der Auslandszustellung . . . . . . . . . . . . . . Zustellung im Rechtshilfeverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direktzustellung durch diplomatische oder konsularische Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Direktzustellung durch die Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unmittelbare Zustellung im Parteiauftrag . . . . . . . . . . . . 9. Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XX
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53 54 56 57 61
410 411 412 412 413
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. . . .
. . . .
74 76 81 84
417 417 418 419
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Übermittlungswege für Zustellungsersuchen . . . . . . . . Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzvorschriften für den Beklagten. . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auswirkung von Art 15 HZustÜ auf EuGVO und LugÜ Zustellungen von Versäumnisurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 101 121 127 138 140 141
419 423 429 431 433 434 434
IV. Zustellungen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
435
V. Zustellungen außerhalb von Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . 151
437
VI. Bilaterale Besonderheiten 1. Deutsch-türkisches Abkommen vom 28.5.1929 über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . 2. Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 . . . . . . . . . . . 5. Deutsch-marokkanischer Vertrag über internationale Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . 6. Zustellungen im Verhältnis zu den europäischen Kleinstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . 158
439
. . . . 159
439
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440 441
. . . . 172
443
. . . . 175
443
§ 9 Internationale Beweisaufnahmen I. 1. 2. 3.
Einführung Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Beweiszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extraterritoriale Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Die EU-Verordnung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen 1. EG-Beweisverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersuchen um Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht a) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art und Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Extraterritoriale Beweisaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 6
445 447 447
.... ....
9 12
449 450
. . . .
. . . .
20 21 27 30
451 452 453 454
.... ....
31 34
454 455
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. . . .
XXI
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
III. Das Haager Beweisübereinkommen vom 18.3.1970 1. Geltungsbereich a) Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Qualifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fakultatives Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übermittlungswege für Rechtshilfeersuchen . . . . . . . . . . 3. Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren des ersuchten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zeugnisverweigerungsrechte und Privilegien . . . . . . . . . . 6. Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beweisaufnahme durch Beauftragte („commissioners“) . . . 8. Vorbehalt gegen discovery of documents . . . . . . . . . . . . . 9. Andere gerichtliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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36 38 41 42 44 47 52 56 58
455 456 457 457 458 459 461 462 463
. . . . .
. . . . .
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. . . . .
64 71 79 92 96
464 466 468 471 472
. . . 97 . . . 98 . . . 102
472 473 474
. . . 108
475
. . . 109 . . . 111
476 476
. . . 113 . . . 114
477 477
. . . 117
478
. . . 130
481
. . . . . . . .
483 483 484 485 485 486 486 487
IV. Beweisaufnahmen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954 1. Übermittlungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwierigkeiten beim Zeugenbeweis. . . . . . . . . . . . . . . b) Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Zeugen von der Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schwierigkeiten bei Parteivernehmungen und Parteieiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das bei der Vorlage von Urkunden anzuwendende Recht e) Körperliche Untersuchungen und medizinische Eingriffe im Wege der internationalen Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . f) Der Sachverständigenbeweis im Rechtshilfeverfahren . . 3. Ablehnungsgründe für Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweisaufnahmen durch diplomatische und konsularische Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Autonomes Recht 1. Beweisaufnahme im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweismittelbeschaffung aus dem Ausland . . . . . . a) Auslandszeuge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachverständige Beweiserhebung im Ausland . . c) Augenschein im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Urkunden im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anhörung und Vernehmung der Auslandspartei . 3. Beweisaufnahme für das Ausland . . . . . . . . . . . . .
XXII
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134 137 138 141 143 144 145 146
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
VI. 1. 2. 3.
Bilaterale Besonderheiten Deutsch-türkisches Abkommen vom 28.5.1929 . . . . . . . Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 . . . . . . Deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 . . . . . . . . . . 5. Deutsch-marokkanischer Vertrag über internationale Rechtshilfe v 29.10.1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beweisaufnahmen in europäischen Kleinstaaten. . . . . . .
. . . . . 147 . . . . . 148
487 487
. . . . . 150 . . . . . 158
488 490
. . . . . 160 . . . . . 161
491 491
..... .....
1 2
492 494
. . . . . . .
17 19 21 28 32 33 35
498 500 501 504 505 505 506
....... .......
37 39
507 507
. . . . .
. . . . .
40 42 43 45 46
507 508 508 509 509
....... .......
51 52
510 510
. . . .
53 54 57 67
511 511 512 514
.... ....
74 75
515 515
§ 10 Internationales Beweisrecht I. 1. 2. 3.
II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
III. 1. 2. 3. 4. 5.
Einführung Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisverfahren und lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuale und vorprozessuale Aufklärungs- und Informationspflichten (discovery) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweismittelvorlage zum Schutz geistigen Eigentums b) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) England, Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Japan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit und Zulässigkeit der Beweisaufnahme Recht auf den Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuale Beweisbeschränkungen. . . . . . . . . . . . . . Materielle Qualifikation ausländischer Beweisbeschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermutungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbständige Beweisaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisthemenverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwertung erlangter Beweismittel a) Unerlaubt erlangte Beweismittel. . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigerweise erlangte Beweismittel . . . . . . . . .
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Beweiswürdigung und Beweislast Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freie Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Regeln über die Beweislast . . . . . . . . . . . . . . Beweislastumkehr als Folge pflichtwidrigen prozessualen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beweisführungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXIII
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
IV. Die einzelnen Beweismittel 1. Der Beweis durch Zeugen a) Zeugenfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeugnisverweigerungsrecht, Privilegien . . . . . . . . . 2. Parteivernehmung, Parteieid, gerichtliches Geständnis a) Parteivernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorrang der Parteivernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Parteieid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Beweis durch Urkunden a) Die Beweiskraft von Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die prozessuale und die materiellrechtliche Vorlagepflicht von Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Beweis durch Augenschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Beweis durch Sachverständige. . . . . . . . . . . . . . . .
...... ......
76 97
516 519
109 110 114 116 121
522 523 523 524 525
. . . . . . 123
526
. . . . . . 144 . . . . . . 168 . . . . . . 187
530 536 541
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§ 11 Die Behandlung ausländischen Rechts I. Rechtshilfeverträge 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Londoner Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.1968 und Auslands-Rechtsauskunftsgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deutsch-marokkanischer Vertrag über Rechtshilfe und Rechtsauskunft vom 29.10.1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Autonomes deutsches Recht Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das besondere Beweisverfahren für ausländisches Recht . Der Sachverständigenbeweis über ausländisches Recht . . Die Ermittlung ausländischen Rechts im Versäumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ausländisches Recht und einstweiliger Rechtsschutz . . . 8. Nichtfeststellbarkeit ausländischen Rechts . . . . . . . . . . 9. Die Revisibilität ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . .
III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Die Ermittlung ausländischen Rechts in anderen Staaten Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIV
1
545
2
546
12
547
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. . . . .
14 15 27 29 34
548 549 551 552 554
. . . .
. . . .
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39 41 45 52
555 556 557 558
. . . . . .
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. . . . . .
. . . . . .
65 67 72 75 76 79
561 562 563 564 565 566
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
7. 8. 9. 10. 11. 12.
Schweiz. . Italien . . . Japan . . . . Russland . Polen . . . Türkei. . .
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81 82 83 84 85 87
566 566 567 567 567 568
. . . . . . .
1 3 16 30 30 31 32
569 572 577 581 581 581 581
........ ........
80 87
595 597
101 102 106 111 138
597 600 601 601 607
. . . . 151
610
. . . . 152
611
. . . . 161
613
. . . . 171
616
. . . . 172 . . . . 187
616 621
. . . . 220
628
. . . . 221
628
§ 12 Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen I. 1. 2. 3. 4.
Europäisches Recht Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennungsverfahren und Anerkennungswirkung Versagung der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EuGVO nF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bindung des Zweitrichters an die Zuständigkeitsentscheidung des Erstrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verbot der révision au fond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
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Autonomes deutsches Recht Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Art und Weise der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wirkungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennungsfähige Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennungsvoraussetzungen a) Gerichtsbarkeit des ausländischen Staats. . . . . . . . . . . b) Anerkennungszuständigkeit (§ 328 I Nr 1 ZPO, § 109 I Nr 1 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtliches Gehör bei Verfahrenseinleitung (§ 328 I Nr 2 ZPO, § 109 I Nr 2 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Unvereinbarkeit mit anderen Entscheidungen (§ 328 I Nr 3 ZPO, § 109 I Nr 3 FamFG) . . . . . . . . . . . . e) Verstoß gegen den ordre public (§ 328 I Nr 4 ZPO, § 109 I Nr 4 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr 5 ZPO, § 109 IV FamFG). . . 7. Folgen der Nichtanerkennung a) Ausländische Entscheidung als Beweismittel . . . . . . . . b) Rückforderung von Leistungen auf nicht anerkannte Entscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXV
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
§ 13 Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen I. Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen 1. Europäisches Recht a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Brüssel IIa-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Automatische Anerkennung eheauflösender Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Selbständiges Anerkennungsverfahren. . . . . . e) Anerkennungsversagungsgründe . . . . . . . . . . 2. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . .
.......... ..........
1 2
630 631
. . . .
3 11 14 21
632 634 635 636
.
45
643
. . .
54 56 61
644 645 646
III. Anerkennung von Adoptionsentscheidungen 1. Haager Adoptions-Übereinkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63 65
646 647
IV. Anerkennung von Entscheidungen in Gewaltschutzsachen . . .
74
648
V. Anerkennung von Entscheidungen in Güterrechtssachen . . . .
75
648
. . . . . .
77 78 80 83 85 86
649 649 649 650 650 651
VII. Anerkennung von Entscheidungen in Betreuungssachen 1. Anerkennung nach dem ErwSÜ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung nach autonomem Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 91
651 652
. . . . .
92 93 95 96 97
652 652 653 653 653
IX. Anerkennung von Personenstandsurkunden (Statusverhältnissen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
654
. . . .
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II. Anerkennung von Entscheidungen in Sorgerechts-/ Kindschaftssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Titel zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung nach Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
VIII. 1. 2. 3. 4. 5.
XXVI
Anerkennung von Entscheidungen in Unterhaltssachen Schrifftum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäische Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere EU-Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel aus Vertragsstaaten der Haager Übereinkommen . Titel aus Staaten mit Gegenseitigkeitsvereinbarung . . . Titel aus Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anerkennung von Entscheidungen in Erbrechtssachen Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung nach der EuErbVO. . . . . . . . . . . . . . . . Europäisches Nachlasszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung nach Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung in anderen Fällen. . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
§ 14 Europäische Vollstreckungstitel I. 1. 2. 3.
Allgemeines Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens . . . . . . . . . Einwände im Vollstreckungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 4
657 658 659
...
6
660
... ...
7 10
660 661
. . . . .
. . . . .
18 23 31 34 37
663 664 666 666 667
... ...
40 43
667 668
... ... ...
44 45 46
668 668 669
... ... ...
48 50 52
669 670 670
. . . .
. . . .
55 56 63 70
671 671 672 673
IV. Entscheidungen des Einheitlichen Patentgerichts . . . . . . . . . . .
71
674
72 73 74 79 83
674 674 674 675 676
II. Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel a) Titel in einer Zivil- oder Handelssache . . . . . . . . . . . . . b) Titel über eine „unbestrittene Geldforderung“ . . . . . . . . c) Voraussetzungen für eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mindestvorschriften für das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . e) Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsbehelf bei schuldloser Nichtverteidigung . . . . . . . g) Bestätigung deutscher Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckung des Europäischen Vollstreckungstitels a) Keine Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorzulegende Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vollstreckung nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . d) Verweigerung der Vollstreckung wegen Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung . . . . . f) Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3. 4.
V. 1. 2. 3. 4. 5.
Vollstreckungstitel nach der Neufassung der EuGVO Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfassende Abschaffung des Exequaturverfahrens . . . . . . Einwände gegen die Vollstreckung im Vollstreckungsstaat Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Europäische Zahlungsbefehl Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zahlungsbefehl als Vollstreckungstitel . . . . . . . Überprüfung des Zahlungsbefehls im Ursprungstaat . Verweigerung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXVII
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
VI. Entscheidungen im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschaffung des Exequaturverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . 4. Ablehnung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung . . . . . . . . 6. Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
86 87 88 89 90 91
677 677 677 677 677 678
. . . . .
92 93 94 97 98
678 678 678 679 679
VIII. Entscheidungen zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Besondere Bescheinigung als Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
680
VII. 1. 2. 3. 4. 5.
Entscheidungen in Unterhaltssachen Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Exequaturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachprüfung im Ursprungsland . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . Verweigerung und Aussetzung der Vollstreckung
. . . . .
. . . . .
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680
§ 15 Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 1. EuGVO 2001/LugÜ 2007 a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckbarerklärung gerichtlicher Entscheidungen . c) Die Vollstreckung aus öffentlichen Urkunden und Prozessvergleichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis von EuGVO und LugÜ zu anderen Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EuGVÜ/LugÜ 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Multilaterale Übereinkommen a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haager Übereinkommen von 1971 . . . . . . . . . . . . . . c) Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übereinkommen für besondere Sachgebiete . . . . . . . . 4. Die Vollstreckung von Kostenentscheidungen nach dem Haager Zivilprozess-Übereinkommen a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren der Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis zu anderen Übereinkommen. . . . . . . . . . . XXVIII
1
684
.... ....
5 8
685 687
....
74
701
.... ....
88 93
705 707
. . . . 99 . . . . 100
708 708
. . . . 101 . . . . 108
708 710
. . . .
713 713 714 716
. . . .
. . . .
. . . .
119 120 121 137
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5. Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen a) Deutsch-belgisches Abkommen vom 30.6.1958 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen . . . . . b) Deutsch-britisches Abkommen vom 14.7.1960 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutsch-griechischer Vertrag vom 4.11.1961 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20.7.1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Deutsch-italienisches Abkommen vom 9.3.1936 über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . f) Deutsch-niederländischer Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30.8.1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 17.6.1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Deutsch-österreichischer Vertrag vom 6.6.1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . i) Deutsch-schweizerisches Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929 . . . . j) Deutsch-spanischer Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 14.11.1983 . . . . . . . . . . k) Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 über Rechtsschutz, Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 139
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XXIX
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6. Die Vollstreckbarerklärung nach autonomem Recht a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Die Vollstreckungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. 1. 2. 3. 4. 5.
Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbarerklärung europäischer Unterhaltstitel . . . . . Unterhaltstitel nach EuGVO 2001/LugÜ 2007 . . . . . . . . . Vollstreckbarerklärung nach internationalen Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haager Übereinkommen von 2007 . . . . . . . . . . . . . . . b) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (HUVÜ 1958). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (UNUÜ 1956) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Entscheidungen aus Staaten mit formeller Gegenseitigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vollstreckbarerklärung von Unterhaltsentscheidungen aus anderen Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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731 732
247 248 249 252
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741 741
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. . . . 317
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
755 756 758
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
758 759 759
IV. Andere Familiensachen A. 1. 2. 3. 4.
Personenrechtliche Entscheidungen Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sorgerechtsentscheidungen . . . . . . . Erwachsenenschutz . . . . . . . . . . . . Gewaltschutz a) EU-Verordnungsentwurf. . . . . . . b) EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . . . c) Autonomes Recht . . . . . . . . . . .
B. Vermögensrechtliche Entscheidungen 1. Kostenentscheidungen in Ehesachen . . 2. Güterrechtliche Entscheidungen a) Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . b) Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . 3. Ehewohnungs- und Haushaltssachen . . 4. Sonstige Familiensachen. . . . . . . . . . . 5. Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . a) Güterrechtliche Ansprüche . . . . . . b) Unterhaltsansprüche . . . . . . . . . . . XXX
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
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760 761 761 761 761 762 762
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345 347 349 352 354 355 357
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c) Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 358 d) Sonstige Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 e) Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 V. 1. 2. 3.
Erbrechtssachen EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsvertragliche Regelungen a) Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge b) Deutsch-türkisches Nachlassabkommen . . . . . . . . . . 4. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
762 762 763
. . . . . 361 . . . . . 362
763 763
. . . . . 365 . . . . . 366 . . . . . 367
764 764 764
§ 16 Anerkennung und Vollstreckung im Ausland I. Einführung 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennungsgrundsätze a) Keine Anerkennungspflicht b) Gegenseitigkeit . . . . . . . . . c) Révision au fond . . . . . . . .
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2 4 7
766 766 767
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8
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774 779
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. . 93 . . 107 . . 116
786 792 794
II. Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten 1. Anerkennung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in common law-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung in Lateinamerika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anerkennung in civil law-Staaten des europäischen Rechtsraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anerkennung und Vollstreckung in ost- und südosteuropäischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anerkennung in arabisch-/islamischen Staaten . . . . . . . . . . 7. Anerkennung in Ostasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 17 Internationaler einstweiliger Rechtsschutz I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
Europäisches Recht und Staatsverträge Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Arreste a) Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
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2 3 24
799 801 807
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810 XXXI
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
3.
4.
5.
6. IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
b) Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung. . . . . . . . . . . . c) Persönlicher Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Arrestanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Arrestverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Arrestvollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale einstweilige Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollzug der einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadenersatz nach § 945 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Probleme der Befriedigungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Anordnungen im Familienrecht . . . . . . . . . . . . . a) Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Familiensachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländisches Beweissicherungsverfahren für Beweismittel im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbständiges Beweisverfahren ohne Hauptsachezuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwertung des ausländischen Beweises . . . . . . . . . . . . . . d) Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckung ausländischer einstweiliger Maßnahmen im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preliminary injunction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Temporary Restraining Order . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Attachment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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33 38 39 43 46 49 50 54 55 56 61 62 64 84
810 811 811 812 813 814 814 815 815 816 817 817 818 822
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85
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87 88
823 823
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92
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93
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97 99 100 108 116 122 123 127 129 134 136 137 138 139
826 827 827 829 831 833 834 834 835 836 837 837 838 838
. . . .
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1 2 6 8
840 844 844 845
§ 18 Internationale Schiedsgerichtsbarkeit I. 1. 2. 3. 4.
Einführung Allgemeines Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXII
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II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Internationale Schiedsvereinbarungen Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unabhängigkeit vom Hauptvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektive Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive Schiedsfähigkeit, Immunität. . . . . . . . . . . . . . . . Vertretungsmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung Bindung Dritter an die Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . Mehrparteienschiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung und Reichweite der Schiedsvereinbarung . . . . . . . Einseitig eingesetzte Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
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10 11 17 24 25 44 55 56 60 64 69 72
846 848 850 852 852 856 860 860 861 862 863 863
III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Das Schiedsverfahrensrecht Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ad hoc- oder Institutionelles Schiedsverfahren . . . . Bestellung der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsrichtervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sitz des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren vor dem Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . Kostenvorschuss, Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . Beweisverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussfassung, Abfassung eines Schiedsspruchs . Kosten des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtskraft, Registrierung des Schiedsspruchs . . . . Schiedsgerichts- und Schlichtungsordnungen . . . . .
. . . . . . . . . . . .
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75 76 84 85 86 88 96 98 100 102 104 106
864 865 868 869 869 870 872 872 873 874 874 875
IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Das in der Sache anzuwendende Recht Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswahl der Parteien . . . . . . . . . . . Rechtswahl des Schiedsgerichts . . . . . Lex mercatoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tronc commun . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelsbräuche . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des anwendbaren Rechts . . Billigkeitsentscheidungen. . . . . . . . . .
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122 123 127 128 131 133 135 137 138
878 880 881 881 883 883 883 884 884
V. Verhältnis staatliches Gericht – internationales Schiedsgericht 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schiedseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kompetenz-Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anti-suit Injunction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufrechnung vor dem Schiedsgericht. . . . . . . . . 6. Ersatzbestellung von Schiedsrichtern. . . . . . . . .
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139 140 146 155 157 159
885 885 887 888 889 890
XXXIII
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7. Abberufung von Schiedsrichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 8. Verfahrensverzögerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 9. Hilfestellung bei der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 VI. 1. 2. 3.
Einstweiliger Rechtsschutz Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Einstweiliger Rechtsschutz vor dem staatlichen Gericht . . . . . 167 Einstweiliger Rechtsschutz durch das Schiedsgericht . . . . . . . 169
VII. Aufhebung inländischer Schiedssprüche sowie Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inländische – ausländische Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . 3. Aufhebung und Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Voraussetzungen für Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahren der Vollstreckbarerklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ausländische Schiedsvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Doppelexequatur des Schiedsspruch-Exequatururteils. . . . . . VIII. Anerkennung und Vollstreckung nach Vertragsrecht 1. New Yorker UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen . . . . . 2. Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 . . . . . . . . . . . 3. Genfer Protokoll und Genfer Abkommen. . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsstreitigkeiten a) Weltbank-Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.3.1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (MIGA) vom 11.10.1985 . . . . . . 5. Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bilaterale Verträge a) Deutsch-schweizerisches Abkommen vom 2.11.1929 . . . . b) Deutsch-italienisches Abkommen vom 9.3.1936 . . . . . . . c) Deutsch-belgisches Abkommen vom 30.6.1958 . . . . . . . . d) Deutsch-niederländischer Vertrag vom 30.8.1962 . . . . . . . e) Deutsch-österreichischer Vertrag vom 6.6.1959 . . . . . . . . f) Deutsch-griechischer Vertrag vom 4.11.1961 . . . . . . . . . . g) Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966. . . . . . . . . . .
XXXIV
890 891 891 892 892 893
. 174 . 175
894 896
. 179
897
. . . . . .
183 190 196 200 225 227
898 899 900 901 908 908
. 228
909
. 235 . 255
912 917
. 256
917
. 258
920
. 259
921
. . . . . . .
921 921 922 922 923 923 923
260 261 263 266 267 268 269
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
h) Deutsch-amerikanisches Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsabkommen vom 29.10.1954 . . . . . . . . . . . . . . . . 272 i) Deutsch-sowjetisches Handels- und Schifffahrtsabkommen vom 25.4.1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
925
IX. Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
925
924
§ 19 Internationale Zwangsvollstreckung I. 1. 2. 3. 4.
Einführung Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze der internationalen Zwangsvollstreckung. Inlandsvollstreckung gegen Ausländer . . . . . . . . . . . . Vollstreckung von Fremdwährungsverbindlichkeiten .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
1 2 10 15
934 937 938 939
II. Voraussetzungen der internationalen Zwangsvollstreckung 1. Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inlandswirkung der Vollstreckung im Ausland . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
16 18 24 34
939 940 941 943
III. Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung. . . . . . . . . . . . . . . .
37
943
IV. Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung . . . . . . .
41
944
. . . .
44 45 48 53
945 945 945 946
... ...
57 60
947 947
...
63
948
. . . . . .
68 70 72 73 78 79
949 949 950 950 951 951
. . . 96 . . . 98 . . . 110
955 955 957
V. Die einzelnen Vollstreckungsarten 1. Internationale Sachpfändung und Herausgabevollstreckung a) Sachpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Herausgabevollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immobiliarvollstreckung gegen ausländische Schuldner . . . 3. Internationale Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung a) Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung . . . . . . b) Vollstreckung vertretbarer Handlungen . . . . . . . . . . . . . c) Vollstreckung unvertretbarer Handlungen oder Unterlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Europäische Entscheidungen über die elterliche Verantwortung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterlassungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Schadenersatz wegen Nichterfüllung. . . . . . . . . . . . . . . g) Sachaufklärung und Vermögensauskunft . . . . . . . . . . . . 4. Internationale Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Belegenheit der Forderung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . b) Pfändung einer im Ausland zahlbaren Forderung bei der inländischen Niederlassung einer Bank?. . . . . . . . . . c) Grenzüberschreitende Kontenpfändung in der EU . . . . . d) Freezing Injunction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . . . .
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XXXV
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
e) Unpfändbarkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 f) Pfändung sonstiger Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5. Grenzüberschreitende Gläubigeranfechtung. . . . . . . . . . . . . . . 116
957 958 958
VI. Zwangsvollstreckung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
959
§ 20 Internationales Insolvenzrecht I. Allgemeine Grundfragen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlagen a) Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . b) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . c) UNCITRAL Model Law . . . . . . . . . d) Sonstige Regelwerke . . . . . . . . . . . 3. Universalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . a) Universalitätsgrundsatz . . . . . . . . . b) Beschränkte Universalität . . . . . . . c) Territorialitätsgrundsatz. . . . . . . . . 4. Lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anerkennung ausländischer Verfahren. a) Automatische Anerkennung. . . . . . b) Formelle Anerkennung. . . . . . . . . . 6. Konzerninsolvenzen. . . . . . . . . . . . . .
.................. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
II. Internationale Insolvenzverfahren in Deutschland 1. Internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationale Zuständigkeit für Hauptinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Für Sekundär- und Partikularverfahren . . . . . . . . . . c) Internationale Zuständigkeit für Annexverfahren. . . 2. Eröffnungsverfahren und Wirkungen der Verfahrenseröffnung a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragsbefugnis und Antragspflicht . . . . . . . . . . . . c) Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlagnahme des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . e) Befugnisse der Insolvenzverwalter. . . . . . . . . . . . . . f) Prozessunterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Prozessführung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . 3. Abwicklung grenzüberschreitender Verfahren . . . . . . . a) Forderungsanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung ausländischen Vermögens. . . . . . . . . . . c) Zusammenarbeit zwischen Insolvenzverwaltern . . . d) Zusammenarbeit der Insolvenzgerichte . . . . . . . . . . e) Insolvenzplan/Sanierungsverfahren . . . . . . . . . . . . .
XXXVI
1
961
. . . . . . . . . . . . .
2 10 11 12 15 15 17 18 19 22 22 25 29
961 963 964 964 965 965 965 966 966 967 967 967 968
......
33
969
...... ...... ......
35 47 62
969 972 975
. 70 . 71 . 72 . 75 . 76 . 81 . 85 . 87 . 88 . 91 . 99 . 102 . 105
977 978 978 979 979 980 981 981 981 982 984 984 985
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
f) Verfahrensbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 g) Restschuldbefreiung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Insolvenzkollisionsrecht Allgemeines Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verträge in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsrechte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufrechnung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzverschleppungshaftung, Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
109 110 112 113 117 120 121 124 125
986 986 987 987 988 989 990 990 991
. . . . . 127
991
IV. Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Insolvenzrecht a) Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . c) Beendigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insolvenzplan und Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . e) Anerkennung von Annexentscheidungen. . . . . . . . . . . 3. Anerkennung nach autonomem deutschen Recht a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennungsvoraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vollstreckung ausländischer Insolvenzentscheidungen . 4. Auslandswirkung des deutschen Insolvenzverfahrens . . . . V. 1. 2. 3.
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
985 986
. . . . 129
991
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
130 131 140 141 145
992 992 994 994 995
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
146 147 148 151 152
995 996 996 997 997
Sonderbereiche Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Bankeninsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Versicherungsinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
997 998 998
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1001
XXXVII
Abkürzungsverzeichnis aA ABGB Abs AcP ADR ADSp AdWirkG
AEntG AEUV aF AG AGB AJP AktG AmJCompL AmJIL AmtsG AnfG
Anh Anm AnwBl ArbGG ArbInt AsylVf G
Aufl AUG
anderer Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Alternative Dispute Resolution Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz) vom 5.11.2001 (BGBl I, 2950), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.1.2013 (BGBl I, 101) Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 20.4.2009 (BGBl I 799), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.11.2012, BGBl II, 1381 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (idF der Bekanntmachung vom 9.5.2008, ABl EG Nr C 115 S 47) alte Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktuelle Juristische Praxis (Zeitschrift, St. Gallen) Aktiengesetz vom 6.9.1965, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2012 (BGBl I, 2751) American Journal of Comparative Law American Journal of International Law Amtsgericht Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz) vom 5.10.1994 (BGBl I, 2911), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.12.2010 (BGBl I, 1900) Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Arbeitsgerichtsgesetz idF vom 2.7.1979 (BGBl I, 853), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.7.2012 (BGBl I, 1577) Arbitration International. The Journal of LCIA Arbitration International Asylverfahrensgesetz idF der Bek. vom 2.9.2008 (BGBl I, 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.11.2011 (BGBl I, 2258) Auflage Auslandsunterhaltsgesetz vom 23.5.2011 (BGBl I,898), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.2.2013 (BGBl I, 273)
XXXIX
Abkürzungsverzeichnis
AuRAG
AusfG AVAG
AVR BAföG
BAG BAnz BayObLG BB BerDGVR Beschl BfJG BGB BGBl BGH BGHZ BIT BKR BörsG BRAO BRD BR-Drucks Brüssel I-VO Brüssel IIa-VO BT-Drucks BVerfG BVerfGE bzw
XL
Gesetz zur Ausführung des Europäischen Übereinkommens betreffend Auskünfte über ausländische Rechte (Auslandsrechtsauskunftsgesetz) vom 5.7.1974 (BGBl I, 1433), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2008 (BGBl I, 2399) Ausführungsgesetz Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz) i.d.F. vom 3.12.2009 (BGBl I, S. 3881), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.2.2013 (BGBl I, 273) Archiv des Völkerrechts Bundesausbildungsförderungsgesetz idF vom 7.12.2010 (BGBl I, 1952), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2011 (BGBl I, 2854) Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater (Zeitschrift) Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Beschluss Gesetz über die Errichtung des Bundesamts für Justiz vom 21.12.2006 (BGBl I, 3171) Bürgerliches Gesetzbuch idF vom 2.1.2002, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.4.2013 (BGBl I, 831) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bilateraler Investitionsschutzvertrag Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Börsengesetz vom 16.7.2007 (BGBl I, 1330), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.2.2013 (BGBl I, 174) Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1.8.1959 (BGBl I, 565), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.12.2011 (BGBl I, 2515) Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache s EuGVO s EheGVO Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis
CAS cc CCP Ch CIEC CIETAC
CPC CPLR CPR cprc. CR CYArb
Court of Arbitration for Sport französischer Code civil Code of Civil Procedure Chapter Commission Internationale de l’Etat Civil China International Economic and Trade Arbitration Commission Costs, Insurance, Freight (Klausel aus den Incoterms) Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern Convention on Contracts for the International Sale of Goods vom 11.4.1980 (BGBl 1989 II, 588) Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck i.d.F. vom 3.6.1999 (BGBl 2002 II, 2149) Civil Justice Quarterly Common Market Law Review Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 19.5.1956 (BGBl 1961 II, 1119) Centre of Main Interests Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 3.6.1999 (BGBl 2002 II, 2149) Code de Procédure Civil (Frankreich) Civil Practice Law and Rules Civil Procedure Rules (England) (italienischer) Codice di procedura civile Computer und Recht (Zeitschrift) Czech Yearbook of Arbitration
DAJV-NL DB DEuFamR DGVZ DIS DNotZ DRiZ DZWIR
Newsletter der Deutsch-Amerikanischen Juristenvereinigung Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsches und Europäisches Familienrecht (Zeitschrift) Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Richterzeitung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ECC ed EFTA EF-Z EG
European Commercial Cases edition European Free Trade Association Zeitschrift für Familien- und Erbrecht (Wien) Europäische Gemeinschaften
CIF CIM CISG CIV CJQ CMLR CMR
COMI COTIF
XLI
Abkürzungsverzeichnis
EGBGB
EGGVG
EGInsO
EGMR EGV
EheGVO
Einf Einl E.L.Rev. EMRK EO EPG EPGÜ
ErbR ERPL ErwSÜ ErwSÜAG
ESÜ
ESUG EU
XLII
Einführungsgesetz zum BGB idF der Bek v 21.9.1994 (BGBl I 2494), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.1.2013 (BGBl I, 101) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1.1877 (RGBl 77), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.2012 (BGBl I, 2418) Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl I 2911), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.2.2013 (BGBl I, 174) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Konsolidierte Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997, zuletzt geändert durch EUBeitrittsakte 2003 vom 16.4.2003 (ABl EG Nr L 236/33) Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 vom 27.11.2003 (ABl EG 2003 Nr L 338/1) („Brüssel IIa“) Einführung Einleitung European Law Review (Zeitschrift) Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl 1952 II, 686, 953) (österr.) Exekutionsordnung vom 27.5.1896, RGBl Nr 79 Einheitliches Patentgericht (Entwurf eines) Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht und Entwurf der Satzung, Rat der EU, Dok. 16351/12 vom 11.1.2013 Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis European Review of Private Law (Zeitschrift) Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13.1.2000 (BGBl 2007 II, 323) Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 17.3.2007 (BGBl I, 314), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.2.2013 (BGBl I, 266) Luxemburger Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts vom 20.5.1980 (BGBl 1990 II, 220) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011 (BGBl I, 2582) Europäische Union
Abkürzungsverzeichnis
EuBewVO
EuErbVO
EuGFVO
EuGH EuGHE EuGüterRVO
EuGVO
EuGVO nF
EuGVÜ
EuInsVO EuJLRef EuLF EuLRev EuMahnVO
Verordnung (EG) Nr 1206/2001 des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (ABl EG Nr L 174/1 vom 27.6.2001) Verordnung (EU) Nr 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4.7.2012 (ABl EU Nr L 201/107) Verordnung (EG) Nr 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vom 11.7.2007 (ABl EU 2007 Nr L 199/1) Gerichtshof der Europäischen Union Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichts Erster Instanz (Vorschlag für eine) Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM (2011) 126/2 vom 16.2.2011 Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl EG 2001 Nr L 12 S 1) („Brüssel I“) (zuletzt geändert durch VO Nr 156/2012 vom 22.2.2012, ABl EU Nr L 50/3) Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl EU Nr L 351/1 vom 20.12.2012) EG-Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1972 II, 773) idF des 4. Beitrittsübereinkommens vom 16.7.1998 (BGBl 1998 II, 1411) Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl EG Nr L 160/1 vom 30.6.2000) European Journal of Law Reform The European Legal Forum (Zeitschrift) European Law Review Verordnung (EG) Nr 1896/2006 über das Europäische Mahnverfahren vom 12.12.2006 (ABl EU Nr L 399/1)
XLIII
Abkürzungsverzeichnis
EuRAG
EuÜ
EuUnthVO
EuVTVO
EuZustVO
EuZW EVÜ EWG EWiR EWIVVO
EWR EWS FamFG
FamPra.ch FamRÄndG
FamRBint FamRZ FernUSG FF XLIV
Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9.3.2000 (BGBl I, 182), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.12.2011 (BGBl I, 2515) Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II, 425), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.10.2003 (BGBl I, 2074) Verordnung (EG) Nr 4/2009 vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachenpflichten (ABl EU 2009 Nr L 7/1), zuletzt geändert durch Art 1 ÄndVO (EU) 1142/2011 vom 10.11.2011 (ABl. Nr L 293 S. 24) Verordnung (EG) Nr 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl EG Nr L 143/15 vom 30.4.2004) Verordnung (EG) Nr 1393/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2008 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten (ABl EU Nr L 324/79) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (BGBl 1986 II, 810) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Verordnung (EWG) Nr 2137/85 des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) (ABl EG Nr L 199/1) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (BGBl I, 2586), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.4.2013 (BGBl I, 831) Die Praxis des Familienrechts (Zeitschrift, Bern) Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften vom 11.8.1961 (BGBl 1961 I, 1221), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.4.2006 (BGBl I, 866) (aufgehoben durch FamFG) Familienrechts-Berater international (Quartalsbeilage zur Zeitschrift Der Familienrechts-Berater – FamRB) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fernunterrichtsgesetz vom 4.12.2000, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.3.2005 (BGBl I, 931) Forum Familienrecht (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
FGG
FMCA FOB FPR FRCP FRE FS FSIA GebrMG GeschmMG
GewSchG
GG
GGV GP GPR GRURInt GS GVG
HAdoptÜ
Hb HBÜ
HdbIZVR HGB
Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 (RGBl 1898, 189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.9.2005 (BGBl I, 2809) (aufgehoben durch FamFG) Foreign Money Claims Act Free on bord (Klausel aus den Incoterms) Familie, Partnerschaft, Recht (Zeitschrift) Federal Rules of Civil Procedure (USA) Federal Rules of Evidence (USA) Festschrift US Foreign Sovereign Immunities Act 1976 Gebrauchsmustergesetz idF vom 28.8.1986 (BGBl I, 1455), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.11.2011 (BGBl I, 2302) Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) vom 12.3.2004 (BGBl I, 390), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.11.2011 (BGBl I, 2302) Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) vom 11.12.2001 (BGBl I, 3513) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.7.2012 (BGBl I, 1478) Verordnung (EG) Nr 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster vom 12.12.2001 (ABl EG 2002 Nr 3/1) Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln im Handelsverkehr vom 24.8.1923 (RGBl 1925 II, 47) Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil (Zeitschrift) Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1.1877, in der Fassung vom 9.5.1975 (BGBl I, 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.12.2011 (BGBl I, 2582). Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 (BGBl 2001 II, 1035) Handbuch Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18.3.1970(BGB 1977 II, 1472) Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd I 1982, Bd II/1 1994, Bd III/1 1984, Bd III/2 1984 Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (RGBl, 219), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.4.2013 (BGBl I, 831)
XLV
Abkürzungsverzeichnis
HGÜ HKÜ
hM HP HUnthProt HUVÜ 58
HUVÜ 73
HZÜ HZustÜ
IBA ICC ICDR ICLQ ICSID idF IDR IGH IHK IHR IIRev IJPL ILA ILM. ILPr Incoterms InsO InsR
XLVI
Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.6.2005 (ABl EU 2009 Nr L 133/3) Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (BGBl 1990 II, 207) herrschende Meinung Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (ABlEU 2009 Nr L 331/19) s HP Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (BGBl 1961 II, 1006) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (BGBl 1986 II, 826) Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954 (BGBl 1958 II, 577) Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Ziviloder Handelssachen vom 15.11.1965 (BGBl 1977 II, 1452) International Bar Association International Chamber of Commerce (Paris) International Centre of Dispute Resolution, International Division of the American Arbitration Association International and Comparative Law Quarterly, London International Centre for Settlement of Investment Disputes in der Fassung Journal of International Dispute Resolution (Beilage zum BB) Internationaler Gerichtshof (Den Haag) Internationale Handelskammer in Paris Internationales Handelsrecht, Zeitschrift für das Recht des internationalen Warenkaufs und -vertriebs International Insolvency Review International Journal of Procedural Law International Law Association International Legal Materials (Zeitschrift) International Litigation Procedure (Zeitschrift), London International Commercial Terms, 1953 von der IHK veröffentlicht, Neufassung 2010 (wirksam seit 1.1.2011) Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl I, 2866), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2011 (BGBl I, 2854) Insolvenzrecht
Abkürzungsverzeichnis
IntFamRVG
iS IWF IZPR IZVR
Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz vom 26.1.2005 (BGBl I, 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.5.2011 (BGBl I, 898) Internationales Gesellschaftsrecht Investmentgesetz vom 15.12.2003 (BGBl I, 2676), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.2.2013 (BGBl I. 174) Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Gesetz über das internationale Privatrecht (Schweiz. Bundesgesetz vom 18.12.1987; Italien. Gesetz Nr 218 vom 31.5.1995) im Sinne Internationaler Währungsfonds Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht
JAmt JbItalR JBl JDI JIEL JIntArb JN JPIL JPS JR JW JZ
Das Jugendamt (früher: Der Amtsvormund) (Zeitschrift) Jahrbuch für italienisches Recht Juristische Blätter, Wien Journal du Droit International (Clunet), Paris Journal of International Economic Law Journal of International Arbitration Jurisdiktionsnorm (Österreich) vom 1.8.1895 Journal of Private International Law Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Juristische Rundschau Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
Kap KapMuG
Kapitel Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz vom 19.10.2012 (BGBl I, 2182) Kammergericht Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (BGBl 2009 II, 603) Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Kreditwesengesetz (idF v. 9.9.1998, BGBl I, 2776), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.2.2013 (BGBl I, 174)
IntGesR InvG IPR IPRax IPRG
KG KSÜ
KSzW KWG
LEC LG
Ley de Enjuiciamiento, Spanisches Prozessgesetz vom 7.1.2000, (Gesetz 1/2000, Boletín Oficial Nr 7 vom 8.1.2000) Landgericht XLVII
Abkürzungsverzeichnis
LJV L.Q.Rev LuftVG LugÜ
LugÜ 1988
MarkenVO MDR MIGA MittBayNot ML MMR MSA
MÜ
Landesjustizverwaltung Law Quarterly Review Luftverkehrsgesetz (idF v. 10.5.2007, BGBl I, 698), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.2012 (BGBl I, 2454) Lugano-Übereinkommen vom 30.10.2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl EU 2009 Nr L 147/5) Lugano-Übereinkommen vom 16.9.1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1994 II 2658) Verordnung (EG) Nr 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke vom 26.2.2009 (ABl EU Nr L 78/1) Monatsschrift für Deutsches Recht Multilateral Investment Guarantee Agency Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins (Zeitschrift) Model Law Multi-Media und Recht (Zeitschrift) Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961 (BGBl 1971 II, 219) Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28.5.1999 (BGBl 2004 II, 459)
NAFTA NATO nF NILR NJ NJOZ NJW NotBZ NTS NVersZ NZI NZM
North American Free Trade Association North Atlantic Treaty Organization neue Fassung Netherlands International Law Review Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Zeitschrift für notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis NATO-Truppenstatut vom 19.6.1951 (BGBl 1961 II, 1190) Neue Zeitschrift für Versicherungsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Mietrecht
O OHADA
Order Organisation pour l’Harmonisation en Afrique du Droit des Affaires Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht
OHG OLG
XLVIII
Abkürzungsverzeichnis
PatG PKH PKH-RiLi
ProzRB r RabelsZ RB RdC RDIPP RIDC RiLi Rev crit Rev int belge RG RGBl RGZ RHDI RIDC RIW (AWD)
Rom I-VO
Rom II-VO
Rom III-VO
RURESA R.V. Rz
Patentgesetz (idF v. 16.12.1980, BGBl 1981 I, 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.11.2011 (BGBl I, 2302) Prozesskostenhilfe Richtlinie des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl EG Nr L 26 S 41) Der Prozessrechts-Berater (Zeitschrift) rule Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rättegångsbalk, schwedisches Prozessgesetz vom 1.1.1948 Receuil des Cours de L’Académie de Droit International de La Haye Rivista di diritto internazionale privato e processuale Revue Internationale de Droit Comparé Richtlinie Revue critique de droit international privé, Paris Revue de Droit international et de Droit comparé (Bruxelles) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue Hellénique de Droit International Revue international de droit comparé, Paris Recht der Internationalen Wirtschaft, Betriebs-Berater International (früher: Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters) Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnnisse anzuwendende Recht („Rom I“) vom 17.6.2008 (ABl EU Nr L 177/6) Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 11.7.2007 (ABl EU Nr L 199/40) Verordnung (EU) Nr 1259/2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und -trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts vom 20.12.2010 (ABl EU Nr L 343/10) Revised Uniform Reciprocal Enforcement of Support Act 1968 Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering 1838 (Niederlande) Randziffer
XLIX
Abkürzungsverzeichnis
SchiedsVfG
SZW/RSDA
Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl I, 3224) (aufgehoben) Zeitschrift für Schiedsverfahren Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (Schweiz) Schleswig-Holsteinische Anzeigen Seegerichtsvollstreckungsgesetz vom 6.6.1995 (BGBl I, 786), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.1.2002 (BGBl I, 564, 565) Sozialgesetzbuch Achtes Buch Kinder- und Jugendhilfe idF vom 11.9.2012 (BGBl I, 2022), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.2.2013 (BGBl I, 254) Sozialgesetzbuch Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz idF vom 18.1.2001 (BGBl I, 130), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.7.2012 (BGBl I, 1566) Schweizerische Juristen Zeitung Streitkräfteaufenthaltsgesetz vom 20.7.1995 (BGBl II, 554), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I, 2407) Das Standesamt (Zeitschrift) Strafprozessordnung Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Tz
Textziffer
Übers UFMJRA UKlaG
Übersicht Uniform Foreign Money Judgment Recognition Act Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen idF vom 27.8.2002 (BGBl I, 3422, ber. 4346), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.2.2012 (BGBl I, 146) United Nation Commission on International Trade Law Institut International pour l’Unification du Droit Privé Unterhaltsvorschussgesetz idf vom 17.7.2007 (BGBl I, 1446), geändert durch Gesetz vom 21.12.2007 (BGBl I, 3194) New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II, 123) New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.1956 (BGBl 1959 II, 150) Urteil United States Code Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb idF vom 3.3.2010 (BGBl 2010 I, 254)
SchiedsVZ SchKG SchlHA SeeGVG
SGB VIII
SGB X
SJZ SKAufG
StAZ StPO SZIER
UNCITRAL UNIDROIT UnthVG UNÜ
UNUÜ
Urt USC UWG
L
Abkürzungsverzeichnis
v VAG
VersAusglG
VersR vgl VIZ VO Vorbem VuR VVG VwVfG
WA
wbl WIPO WM WpHG WRP WÜD WÜK
vom Versicherungsaufsichtsgesetz vom 6.6.1931 (RGBl I, 315, 750); zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.2.2013 (BGBl I, 174) Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz) vom 3.4.2009 (BGBl I, 700), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.12.2010 (BGBl I, 1768) Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht Verordnung Vorbemerkung Verbraucher und Recht – Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Versicherungsvertragsgesetz vom 23.11.2007 (BGBl I 2631), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl I, 3044) Verwaltungsverfahrensgesetz idF vom 23.1.2003 (BGBl I, 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.8.2009 (BGBl I, 2827) Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12.10.1929 (RGBl 1933 II, 1039) (aufgehoben durch das Montrealer Übereinkommen) wirtschaftsrechtliche blätter (Zeitschrift, Wien) World Intellectual Property Organization Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wertpapierhandelsgesetz (idF vom 9.9.1998, BGBl I 2708), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.2.2013 (BGBl I, 174) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (BGBl 1964 II, 958) Wiener UN-Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (BGBl 1969 II, 1587)
YCA
Yearbook Commercial Arbitration
ZAG
Zusatzabkommen zum Warschauer Abkommen von Guadalajara vom 18.9.1961 (BGBl 1963 II, 1159) Zivilrecht aktuell (Zeitschrift, Wien) Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3.8.1959 (BGBl 1961 II, 1218) zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht
Zak ZANTS zB ZBB ZErb ZEuP
LI
Abkürzungsverzeichnis
ZEV ZfIR ZfRV ZHR ZInsO ZIP ZPO
ZRHO ZRVgl ZSR ZUM ZV ZVglRWiss zZ ZZP ZZPInt
LII
Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht, Wien Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (deutsche) Zivilprozessordnung (in der Fassung der Bek. vom 5.12.2005, BGBl I 3202), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.4.2013 (BGBl I, 434) Rechtshilfeordnung in Zivilsachen vom 9.10.1956 in der Bek. der Neufassung vom 28.10.2011 (BAnz vom 7.3.2012) Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Wien) Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zusatzvereinbarung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft zur Zeit Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International
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Prütting/Gehrlein Prütting/Helms Rahm/Künkel
Rauscher Rauscher Rauscher Redfern/Hunter
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Thomas/Putzo/Hüßtege
ZPO, Kommentar, 33. Aufl 2012
unalex Kommentar
Brüssel I-Verordnung, Kommentar zur VO (EG) 44/2001, hrsg von Simons und Hausmann, 2012
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Schuschke/Walker Schütze Schütze Schütze IZPR
Schwab/Walter Simons/Hausmann Soergel/Kronke Staudinger/Spellenberg
Walter/Domej Wieczorek/Schütze Wimmer, FK-InsO
Zimmermann Zöller
ZPO, 9. Aufl 2011 ZPO, Kommentar, 29. Aufl 2012
LV
Übersicht über europäische Rechtsakte und die wichtigsten Übereinkommen zum internationalen Zivilprozessrecht I. Gerichtsbarkeit 1. United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property (Resolution by the General Assembly 59/38 of 16 December 2004) 2. Baseler Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16.5.1982 (BGBl 1990 II, 35) 3. Wiener UN-Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) vom 18.4.1961 (BGBl 1964 II, 958) 4. Wiener UN-Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24.4.1963 (BGBl 1969 II, 1587) 5. New Yorker UN-Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.6.1946 (BGBl 1980 II, 943) 6. New Yorker UN-Übereinkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 (BGBl 1954 II, 640) 7. Pariser Allgemeines Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarats vom 2.9.1949 (BGBl 1954 II, 493) mit Zusatzprotokoll vom 6.11.1952 (BGBl 1954 II, 501) 8. Londoner Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19.6.1951 (BGBl 1961 II 1190) mit Bonner Zusatzabkommen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3.8.1959 (BGBl 1961 II, 1218) 9. Brüsseler Internationales Abkommen zur Einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe vom 10.4.1926 (RGBl 1927 II, 484)
II. Internationale Zuständigkeit, anwendbares Recht 10. Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO) (ABl EG Nr L 12/1 vom 16.1.2001) 11. Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) (ABl EU Nr L 351/1 vom 20.12.2012)
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Übersicht über europäische Rechtsakte und die wichtigsten Übereinkommen
12. Brüsseler EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27.9.1968 (BGBl 1972 II, 774) i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 16.7.1998 (BGBl 1998 II, 1411) 13. Protokoll (zum EuGVÜ) vom 27.9.1968 (BGBl 1972 II, 808) i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 16.7.1998 (BGBl 1998 II, 1411) 14. Luxemburger Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof vom 3.6.1971 (BGBl 1972 II, 846) i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 16.7.1998 (BGBl 1998 II, 1411) 15. Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 (EheGVO, „Brüssel IIa“) (ABl EG Nr L 338 S 1) 16. Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten („Brüssel II“) (ABl EG Nr L 160/19 vom 30.6.2000) 17. Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl EU Nr L 7/1 vom 10.1.2009) 18. Verordnung (EU) Nr 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4.7.2012 (ABl EU Nr L 201/107) 19. Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) vom 17.6.2008 (ABl EU Nr L 177/6) 20. Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 11.7.2007 (ABl EU Nr L 199/40) 21. Verordnung (EU) Nr 1259/2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts („Rom III“) vom 20.12.2010 (ABl EU Nr L 343/10) 22. (Vorschlag für eine) Verordnung (EU) über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts („Rom IVa“) vom 16.3.2011 (KOM 126 endg.) 23. (Vorschlag für eine) Verordnung (EU) über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen LVIII
Internationale Zuständigkeit, anwendbares Recht
24. 25. 26. 27. 28. 29.
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32. 33. 34.
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im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften („Rom IVb“) vom 16.3.2011 (KOM 127 endg.) (Vorschlag für eine) Verordnung (EU) über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen vom 18.5.2011 (KOM 276 endg.) Haager Übereinkommen über die Vereinbarung gerichtlicher Zuständigkeiten vom 30.6.2006 (ABl EU 2009 Nr L 133/3) Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (ABl EU 2009 Nr L 331/19) Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13.1.2000 (BGBl 2007 II 323) Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (BGBl 1990 II 207) Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19.10.2005 (ABl EG Nr L 299/62 vom 16.11.2005) Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (ABl EU Nr L 339/3) Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ 1988) vom 16.9.1988 (BGBl 1994 II, 2660) Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) (ABl EG L 160/1 vom 30.6.2000) Genfer Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im Internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 19.5.1956 (BGBl 1961 II, 1120) Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (WA) vom 12.10.1929 (RGBl 1933 II, 1040) Zusatzabkommen von Guadalajara zum Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die von einem anderen als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung im internationalen Luftverkehr (ZAG) vom 18.9.1961 (BGBl 1963 II, 1161) Montrealer Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl 2004 II, 458) mit Durchführungsgesetz vom 6.4.2004 (BGBl I, 550) Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9.5.1980 (COTIF) (BGBl 1985 II, 133) mit Anhang A (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck/CIV) und Anhang B (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern/ CIM)
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Übersicht über europäische Rechtsakte und die wichtigsten Übereinkommen
38. Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung der Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen vom 10.5.1952 (BGBl 1972 II, 653; 1973 II, 169) 39. Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe vom 10.5.1952 (BGBl 1972 II, 653; 1973 II, 172) 40. Pariser Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie vom 29.7.1960 (BGBl 1976 II, 308) 41. Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 28.5.1929 – Anlage zu Art 20 des Konsularvertrages (Nachlassabkommen) (RGBl 1930 II, 748)
III. Internationaler Rechtsverkehr und Rechtshilfe 42. Haager Übereinkommen über den Zivilprozess (HZÜ) vom 1.3.1954 (BGBl 1958 II, 577) 43. Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZustÜ) vom 15.11.1965 (BGBl 1977 II, 1453) 44. Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 (BGBl 2001 II, 1035) 45. Verordnung (EG) Nr 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedsstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1348/2000 des Rates (ABl EU Nr L 324/79) 46. Verordnung (EG) Nr 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten (EuZustVO) (ABl EG Nr L 160/37 vom 30.6.2000) 47. Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivilund Handelssachen (HBÜ) vom 18.3.1970 (BGBl 1977 II, 1472) 48. Verordnung (EG) Nr 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bei der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (EuBewVO) (ABl EG Nr L 174/1 vom 27.6.2001) 49. Entscheidung des Rates vom 28.5.2001 über die Errichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (2001/470/EG) (ABl EG Nr L 174/25 vom 27.6.2001); ergänzt durch Entscheidung 568/2009/EG (ABl EU Nr L 168/35) 50. Verordnung (EG) Nr 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl EU 2006 L 399/1)
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Internationaler Rechtsverkehr und Rechtshilfe
51. Verordnung (EG) Nr 861/07 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl EU 2007 L 199/1) 52. Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl EG 2003 L 26/41) 53. Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl EU Nr L 136/3) 54. Deutsch-belgische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 25.4.1959 (BGBl 1959 II, 1524) 55. Deutsch-dänische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 1.6.1910 (RGBl 1910, 873) 56. Deutsch-französische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 6.5.1961 (BGBl 1961 II, 1040) 57. Deutsch-luxemburgische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 1.8.1909 (RGBl 1909, 907) 58. Deutsch-niederländischer Vertrag zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 30.8.1962 (BGBl 1964 II, 468) 59. Deutsch-norwegische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 17.6.1977 (BGBl 1979 II, 1292) 60. Deutsch-österreichische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 6.6.1959 (BGBl 1959 II, 1523) 61. Vereinbarung zwischen Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen zur weiteren Erleichterung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozess vom 14.12.1992 (BGBl 1994 II, 361) 62. Deutsch-schwedische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 1.2.1910 (RGBl 1910, 455) 63. Deutsch-schweizerische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 30.4.1910 (RGBl 1910, 674) 64. Deutsch-britisches Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20.3.1928 (RGBl 1928 II, 623) 65. Deutsch-griechisches Abkommen über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts vom 11.5.1938 (RGBl 1939 II, 848) 66. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik vom 2.2.2000 zur weiteren Erleichterung des Rechtshilfeverkehrs (BGBl 2001 II, 1211) LXI
Übersicht über europäische Rechtsakte und die wichtigsten Übereinkommen
67. Deutsch-türkisches Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 28.5.1929 (RGBl 1930 II, 6) 68. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit (BGBl 1969 II, 889) 69. Londoner Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.1968 (BGBl 1974 II, 938) 70. Zusatzprotokoll vom 15.3.1978 zum Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (BGBl 1987 II, 60) 71. New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (UNUÜ) vom 20.6.1956 (BGBl 1959 II, 150) 72. Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl 1956 II, 488, 763) 73. Abkommen über allgemeine Fragen des Handels- und der Seeschifffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 25.4.1958 (BGBl 1959 II, 222)
IV. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen –
Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen s o Nr 9 – Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) (ABl EU Nr L 351/1 vom 20.12.2012), s o Nr 11 74. Verordnung (EG) Nr 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl EG Nr L 143/15 vom 30.4.2004) – Brüsseler EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27.9.1968/14.7.1998 s o Nr 10 – Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 (s o Nr 14) – Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung s o Nr 15
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Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
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Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) vom 30.10.2007, s o Nr 13 Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) vom 16.9.1988, s o Nr 14 Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl EU Nr L 7/1 vom 10.1.2009), s o Nr 17 Verordnung (EU) Nr 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4.7.2012 (ABl EU Nr L 201/107), s o Nr 18 (Vorschlag für eine) Verordnung (EU) zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivilund Handelssachen vom 25.7.2011 (KOM 445 endg.) Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) (ABl EG L 160/1 vom 30.6.2000), s o Nr 32 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUVÜ 1973) (BGBl 1986 II, 826) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (HUVÜ 1958) (BGBl 1961 II, 1006) Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007 (HUnthÜ 2007) (ABl EU 2011 Nr L 192/51) Luxemburger Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (ESÜ) vom 20.5.1980 (BGBl 1990 II, 220) Revidierte Rheinschiffahrtsakte vom 17.10.1868 (Mannheimer Akte) (BGBl 1969 II, 598) Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden (Neufassung des Internationalen Übereinkommens von 1969) vom 25.5.1984 (BGBl 1988 II, 825) Übereinkommen über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen vom 25.5.1962 (BGBl 1975 II, 977) Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30.6.1958 (BGBl 1959 II, 766) LXIII
Übersicht über europäische Rechtsakte und die wichtigsten Übereinkommen
84. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 4.11.1961 (BGBl 1963 II, 110) 85. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 14.7.1960 (BGBl 1961 II, 301) 86. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20.7.1977 (BGBl 1980 II, 925, 1531) 87. Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Italien über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 9.3.1936 (RGBl 1937 II, 145) 88. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30.8.1962 (BGBl 1965 II, 27) 89. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 17.6.1977 (BGBl 1981 II, 341) 90. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6.6.1959 (BGBl 1960 II, 1246) 91. Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929 (RGBl 1930 II, 1066) 92. Deutsch-schweizerisches Abkommen über das Verfahren bei Anträgen auf Vollstreckbarerklärung der in Art 18 des Haager Abkommens bezeichneten Kostenentscheidungen vom 24.12.1929 (RGBl 1930 II, 1) 93. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 14.11.1983 (BGBl 1987 II, 35) – Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, s o Nr 43
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
V. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 94. New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II, 122) 95. Genfer Europäisches Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (EuÜ) vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II, 425) 96. Pariser Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 17.12.1962 (BGBl 1964 II, 449) 97. Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (GA) vom 26.9.1927 (RGBl 1930 II, 1068) 98. Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln (GP) vom 24.9.1923 (RGBl 1925 II, 47) 99. Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.3.1965 (ICSID) (BGBl 1969 II, 371)
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§ 1 Einführung Inhaltsübersicht I. Allgemeine Grundfragen 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bezeichnung als IZPR . . . . . . . . 3. Inhalt des IZPR . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsquellen des IZPR . . . . . . . 5. Verhältnis des IZPR zum Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Gegenseitigkeit im IZPR . . 7. Unterschiede zwischen IZPR und IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 10 15 25 33 39
II. Europäisches und internationales Zivilprozessrecht 1. Prozessrechtsvereinheitlichung in Europa und weltweit . 56 2. Europäischer Gerichtshof und Europäisches Gericht erster Instanz a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Erstinstanzliche Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
c) Gericht für den öffentlichen Dienst der EU . . . . . . . . . . . . d) Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 AEUV . . . . e) Eilverfahren nach Art 107 Verfahrensordnung . . . . . . . . 3. Einheitliches Patentgericht . . . 4. Vorabentscheidungsverfahren zum EFTA-Gerichtshof . . . . . . . 5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . b) Einheitliche Standards . . . . . c) Kooperation zwischen EGMR, EuGH und BVerfG . .
67 68 81 82 85
86 87 89
III. Prozessrechtsvergleichung 1. Allgemeine Ziele . . . . . . . . . . . . 90 2. Prozesskultur, Chancen und Risiken der Prozessführung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
I. Allgemeine Grundfragen 1. Schrifttum Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2. Aufl 2009; The American Law Institute, Restatement of the Law Third, The Foreign Relations Law of the United States, 2 Vol., 1987; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd I, 2. Aufl 2003; Basedow, Qualifikation, Vorfrage und Anpassung im internationalen Zivilverfahrensrecht, in: Schlosser (Hrsg), Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 131; Batiffol/Lagarde, Droit international privé, 7e ed 1983; S. Baumgartner, Is transnational litigation different?, U.Pa.J.Int’L Econ.L. 25 (2004), 1297; G. Born/P. Rutledge, International Civil Litigation in the United States, 4th ed. 2007; Burgstaller, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2000, S 1ff; Ch. Campbell, International Civil Procedure, 2nd ed. 2010; J. Carruthers, Substance and Procedure in the Conflict of Laws, A continuing debate in relation to damages, ICLQ 53 (2004), 691; Cheshire, North & Fawcett, Private International Law (Chapter 6 Substance and Procedure), 14th ed. 2008, p 75; A. Colman, Encyclopedia of International Commercial Litigation, 1994ff; Dicey/Morris, The Conflict of Laws, 13th ed, London, 1999; Ehricke, The impact of the European Convention for the protection of human rights and fundamental freedoms on civil procedure, Tel Aviv Univ Studies in Law 12 (1994), 115; J. Fawcett, The Interrelationships of Jurisdiction and Choice of Law in Private International Law, Current Legal Problems 1991, 39; J. Fellas/H. Hubbard & Reed, Transnational Litigation: A Practitioner’s Guide (3 Vol, Looseleaf), 2001; R. Fentiman, International Commercial Litigation, 2010; Furrer, Internationales Zivilprozessrecht im Wandel, SJZ 98 (2002), 141; Geimer, Menschenrechte im internationalen Zivilverfahrensrecht, in: Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, 1994, S 213; Furrer, Verfassung, Völkerrecht und internationales Zivilverfahrensrecht, ZR Vgl 5 (1992), 321 u. 401; Gerber, The Substance-Procedure Distinction in United States Law,
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Einführung
in: Schlosser (Hrsg), Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 113; Grundmann, Qualifikation gegen die Sachnorm, 1985 (S 85ff); Grunsky, Lex fori und Verfahrensrecht, ZZP 89 (1976), 241; T. Hartley, International Commercial Litigation, 2009; Heldrich/Kono (Hrsg), Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994; J. Hill, International Commercial Disputes in English Courts, 3rd ed., 2005; v Hoffmann/Thorn, Einführung in das internationale Privatrecht, 9. Aufl 2007 (§ 3); A. Huet, Procédure Civile et Commerciale dans le Rapports Internationaux, Compétence de la lex fori, Juris-Cl. Procédure civile Fasc. 57–10, 2001; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozessrecht, 1995; Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge als Problem des Völkerrechts, 1957; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl 2004, (§ 22); R. Kreindler/J. Holdsworth, Transnational Litigation, 3 Vol., 1997; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl 2006; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, Grundfragen des Internationalen Zivilprozessrechts, 1989; Leipold/Carrington/Aoyama, Problems in International Litigation, in: The International Symposium on Civil Justice in the Era of Globalisation, Tokyo 1993, 3 et seq.; J. Lookofsky/K. Hertz, Transnational litigation and commercial arbitration, 2d ed., 2001; A. Lowenfeld, International Litigation and the Quest for Reasonableness, Rec.d.Cours 245 (1994 I), 9; A. Lowenfeld, International Litigation and Arbitration, 3rd ed. 2006; Th. Main, Global issues in civil procedure, 2006; I. Meier, Privatrecht und Prozessrecht, in: Schlosser (Hrsg), Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 1; Meili, Das internationale Civilprozessrecht, Zürich, 1906; Meili/Mamelok, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Zürich, 1911; Morelli, Diritto processuale civile internazionale, Padova, 1954; Morelli, Studi di diritto processuale civile internazionale, Milano, 1961; V. Musin, The principle of international comity in the sphere of civil procedure, FS Boguslavskij, 2004, S 223; Nagel, Chancen des internationalen Zivilprozessrechts beim Ausgleich von Schwierigkeiten aus Rechtsordnungen unterschiedlicher Weltanschauung, ZZP 82 (1969), 360; Nagel, Auf dem Wege zu einem europäischen Prozessrecht, 1963; Neuhaus, Internationales Zivilprozessrecht und internationales Privatrecht, eine Skizze, RabelsZ 20 (1955), 201; L. W. Newman/D. Zaslowsky, Litigating International Commercial Disputes, 1996; Niederländer, Materielles Recht und Verfahrensrecht im IPR, RabelsZ 20 (1955), 1; G. Panagopoulos, Substance and procedure in private internatonal law, JPIL 1 (2005), 69; Rauscher, Internationales Privatrecht, 4. Aufl 2012; H. Rixen, Die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts im deutschen Zivilprozess, Diss. Regensburg 1999; H. Roth, Die Reichweite der lex-fori-Regel im internationalen Zivilprozessrecht, FS Stree u. Wessels, 1992, S 1045; G. Rühl, Effizienzprobleme bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, in Bork/Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S. 335; A. Svetlanov, The international civil process and conflict of laws, FS Boguslavskij, 2004, S 199; Szászy, International Civil Procedure, 1967; Szászy, Conflict of Laws in the Western, Socialist and Developing Countries, Budapest, 1974; Tarko, Ein Europäischer Justizraum, Österr JZ 1999, 401; M. Virgos Soriano/F. J. Garcimartin Alférez, Derecho Procesal Civil Internacional – Litigación internacional, 2000; Vlas, The Principles of Fair Trial in International Civil Litigation, Essays in Honour of Voskuil, 1992, 391; Walter, Neuere Entwicklungen im internationalen Zivilprozessrecht, FS G. Lüke, 1997, S 921.
2. Bezeichnung als IZPR 2
Die Begriffe „internationales Zivilprozessrecht“, „international“ oder „transnational litigation“ stehen nicht für ein fest gefügtes Regelwerk, sondern sind eine Kurzbezeichnung für die verschiedensten Fragen, die als Folge „internationaler“, grenzüberschreitender Elemente eines Rechtsstreits entstehen. Die Bezeichnung „international“ bezieht sich darauf, dass das IZPR alle prozessua-
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Allgemeine Grundfragen
§1
len Regeln für auslandsbezogene Sachverhalte umfasst.1 Eine Auslandsbezogenheit kann begründet werden durch die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz, den gewöhnlichen oder einfachen Aufenthaltsort einer oder beider streitenden Parteien, durch die prozessuale Ermittlung ausländischen materiellen Rechts, durch Probleme der internationalen Rechtshilfe, durch die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, durch den Parteiwillen bei einer Gerichtsstandsvereinbarung, durch die belegene Sache (Streitgegenstand), durch den Tatort einer unerlaubten Handlung, durch den Sitz einer juristischen Person oder einer Gesellschaft. Grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten beschäftigen in zunehmendem 3 Maße Wirtschaftsexperten, Rechtsanwälte und Richter. Fragen des IZPR können teilweise bei Vertragsschluss geklärt werden, lange bevor ein Verfahren eingeleitet oder eine Entscheidung getroffen wird. Seit Meili zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein groß angelegtes Werk veröffentlichte, setzte sich die Bezeichnung des internationalen Zivilprozessrechts im deutschsprachigen Gebiet durch. Die Bezeichnung wurde fast wortgetreu in andere Sprachen übersetzt. Riezler und Guldener haben diese Benennung als unzutreffend, unbestimmt und wenig glücklich kritisiert, weil sie weder der Herkunft noch dem Inhalt dieses Rechtszweiges gerecht werde. Sie haben allerdings keine bessere Bezeichnung gefunden. Das IZPR ist bislang noch weitgehend Teil des jeweiligen nationalen Rechts, 4 auch wenn europäische Verordnungen, Übereinkommen, bilaterale Staatsverträge und international erarbeitete Modellgesetze oder Regeln für eine gewisse Vereinheitlichung bzw Abstimmung gesorgt haben2 und der Trend zu einer weiteren Vereinheitlichung ungebrochen ist.3 „Principles of Transnational Civil Procedure“ sind nach breiter internationaler 5 Diskussion gemeinsam von ALI und UNIDROIT 2004 verabschiedet worden (s u Rz 57, 62). Sie sind bisher aber nicht in staatliches Recht umgesetzt worden. Soweit nichts anderes angegeben, wird nachfolgend also das deutsche IZPR dargestellt. Das deutsche IZPR ist ein Teil des Zivilverfahrensrechts.4 Es ist wie dieses in 6 der ZPO, dem FamFG und dem GVG direkt oder indirekt geregelt; hinzu kommen die EU-Verordnungen und Richtlinien sowie zahlreiche internationale Übereinkommen und Verträge.
1 Riezler, IZPR, S 1; Walter IZPR der Schweiz, S 47; Rauscher S 1; Szászy, International Civil Procedure, S 9: „International civil procedure regulates the international aspects of civil procedure.“ 2 Zum Einfluss der Haager Konferenz für IPR s Schack RabelsZ 57 (1993), 224. Für stärkere Ausbildung von Sonderregeln S. Baumgartner U.Pa.J.Int’L Econ.L. 25 (2004), 1297. 3 Vgl A. Schnyder, Zur Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts – international, in: Zivilprozessrecht, Arbeitsrecht, Kolloquium zu Ehren von A. Staehelin, 1997, S 59. 4 Vgl Linke/Hau, IZVR, Rz 1ff.
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§1
Einführung
Da in vielen Ländern keine besonderen Arbeitsgerichte bestehen, werden Arbeitsstreitigkeiten mit behandelt.5 7
Das IZPR ist gleichzeitig Teil des IPR.6 Die IPR-Definition des amerikanischen Restatement, Conflict of Laws 2d (1971) passt ohne Weiteres auch für das IZPR: „Conflict of laws is that part of the law of each state which determines what effect is given to the fact that the case may have a significant relationship to more than one state.“ Außerdem wird die Grenze zwischen materiellem Recht und Rechtsschutz von Land zu Land verschieden gezogen, gleiche Sachfragen werden ähnlich, aber konstruktiv verschieden behandelt. Viele Fragen lassen sich daher nur durch eine Art funktionaler Ganzheitsbetrachtung vernünftig lösen. Die IPR-Darstellungen enthalten daher regelmäßig zu Recht Grundzüge des IZPR.7
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Vielfach wird vom internationalen Zivilverfahrensrecht gesprochen. Diese Bezeichnung erfasst auch die freiwillige Gerichtsbarkeit8 und das internationale Insolvenzrecht.9 Diese Rechtsgebiete werden hier erstmals mit behandelt, um einen vollständigen Überblick über das internationale Zivilverfahrensrecht zu bieten.
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Der von Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann gewählte Ausdruck „zwischenstaatliches Zivilprozessrecht“ (Einl V) ist irreführend. Denn es geht nicht um die Prozessführung zwischen Staaten, und zum anderen bilden Staatsverträge und multilaterale Übereinkommen zwar einen wichtigen Teil des IZPR, der größte Teil ist aber nach wie vor (im Einzelnen divergierendes) nationales Recht.
3. Inhalt des IZPR 10
Die weitreichende Auslandsbezogenheit macht es erforderlich, alle für den Zivilprozess in Frage kommenden Normen und die entsprechenden Staatsverträge zu behandeln. Dazu gehören: – die Grenzen der deutschen Gerichtsbarkeit; – die internationale Zuständigkeit; 5 Für eine vertiefte Darstellung s Prütting, in: Germelmann/Matthes/Prütting/MüllerGlöge, ArbGG, 7. Aufl 2009, Einl K, Rz 256ff. 6 Vgl Schack, IZVR, Rz 23ff. 7 Vgl Kropholler, IPR, §§ 56ff; v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3; Kegel/Schurig, IPR, § 22; v Bar/Mankowski, IPR, Bd I, 2. Aufl 2003, § 5; Siehr, IPR, 2001, §§ 54ff.; Rauscher, IPR, §§ 12–20. 8 Zum internationalen Kindschaftsrecht s Henrich/Kropholler/Pirrung, in: Staudinger, EGBGB/IPR, Art 18 EGBGB (Neubearb 2003), Art 19–24 (Neubearb 2002); F. Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982; zum internationalen Nachlassrecht s Staudinger/Dörner, BGB (Neubearb 2000), Rz 773ff, 792ff; Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, 2005; Berenbrok, Internationale Nachlassabwicklung, 1989; Pinckernelle/Spreen DNotZ 1967, 195. 9 Vgl dazu Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl 2010 (Kap XI); Wimmer, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Aufl 2013.
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Allgemeine Grundfragen
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– das zivilprozessuale Fremdenrecht; – Auswirkungen der unterschiedlich ausgestalteten Beweisrechte in verschiedenen Staaten auf das IZPR; – die prozessuale Behandlung ausländischen Rechts; – die internationale Rechtshilfe bei Zustellungen und Beweiserhebung; – die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile nach – der EuGVO, der EheGVO, EuUnthVO, EuErbVO und der EuVTVO – sowie hilfsweise den Vorschriften der ZPO und des FamFG; – Verträge bzw Übereinkommen und EU-Verordnungen betreffend die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile; – die internationale Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsvereinbarungen, Schiedsverfahren und Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche). Es werden nicht behandelt:
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– die das IZPR betreffenden Verträge zwischen ausländischen Staaten, an denen Deutschland nicht beteiligt ist; – die Staatsverträge betreffend die Schifffahrt und die besonderen Schifffahrtsgerichte gem § 14 GVG; nämlich die Revidierte Rheinschifffahrtsakte v 17.10.1868 sowie das Moselschifffahrtsabkommen v 27.10.1956;10 – internationale Strafverfahren und Verwaltungsverfahren. Wie weit der Inhalt des IZPR geht, ist weitgehend eine Frage der Qualifikation, 12 ob nämlich eine Vorschrift dem Prozessrecht oder dem materiellen Recht zugeordnet werden muss. Es muss damit gerechnet werden, dass grds das angerufene Gericht die Qualifikation nach seiner lex fori vornehmen wird.11 Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Grenzlinie zwischen prozessualem und materiellem Recht nicht überall gleich gezogen wird. Vorschriften des ausländischen Verfahrensrechts, die zur Verwirklichung einer materiellen Anspruchsnorm unentbehrlich sind, können deshalb international als materielles Recht qualifiziert werden (materiellrechtliche Qualifikation).12 Deshalb können bestimmte Vorschriften in dem einen Land als materiellrechtlich, in dem anderen als prozessrechtlich eingeordnet werden.13 Die Folgen lassen sich einfach am Beispiel der Verjährung verdeutlichen. Nach 13 deutscher Auffassung wird sie dem materiellen Recht zugeordnet, sie gehört also nicht zu dem Inhalt des IZPR. In einem Fall mit Auslandsberührung muss also der deutsche Richter feststellen, ob bei der Einrede der Verjährung der geltend gemachte Anspruch nach dem in Frage kommenden materiellen Recht verjährt ist.14 Nach common law neigt man dazu, die Verjährungsvorschriften 10 Vgl Wolff, Hdb IZPR Bd III/2, S 515. 11 Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, 1995, S 43; Rauscher S 2. 12 Vgl Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl 1979, Einl Rz 738, 739; Burgstaller Rz 1.3 (funktionale und teleologische Einordnung). 13 Vgl Grundmann, Qualifikation gegen die Sachnorm, 1985, S 85ff. 14 BGH NJW 1960, 1721.
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§1
Einführung
dem Prozessrecht zuzuordnen. Die Frage der Verjährung wird also nach der lex fori des angerufenen Gerichts entschieden.15 Die Probleme, die sich aus der unterschiedlichen Qualifikation ergeben, sind aber weitgehend gesetzlich oder durch Rechtsprechung gelöst worden (s u § 6 Rz 65ff). 14
Zum Inhalt des IZPR gehören ebenfalls nicht die Regeln der Beweislastverteilung. Das englische Recht geht auch insoweit von einer Zuordnung zur lex fori aus, verschließt sich aber nicht der Anwendung der lex causae, wenn diese die Beweislast aus materiellen Gründen besonders regelt.16 Eindeutig geregelt ist die Frage in Art 18 I Rom I-VO sowie Art 22 I Rom II-VO. Danach regelt das maßgebende Statut auch die Beweislastverteilung. Die meisten Staaten neigen ebenfalls dazu, diese Frage dem materiellen Recht zuzuordnen.17
4. Rechtsquellen des IZPR Schrifttum: Schütze, Die Bedeutung der Rechtsprechung als Rechtsquelle im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, ZVglRwiss. 92 (1993), 29.
15
Das deutsche IZPR ist (anders als etwa in der Schweiz im IPRG 1987) nicht kodifiziert. Sonderregeln für internationale Sachverhalte finden sich verstreut im gesamten Prozessrecht, teilweise in Sondergesetzen. Vielfach ist es den Gerichten überlassen, Regeln doppelfunktionell anzuwenden (s u Rz 17). Durch die Überlagerung mit zahlreichen multilateralen und bilateralen Staatsverträgen ist die Regelung insgesamt relativ unübersichtlich.18 Soweit der Gesetzgeber Sachfragen nicht geregelt hat, kommt der Rechtsprechung und Lehre entscheidende Bedeutung zu.19
16
Die §§ 18 bis 20 GVG schreiben vor, welche Personen der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen sind. Es kommen hinzu: – das Wiener Übereinkommen v 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen;20 – das Wiener Übereinkommen v 24.4.1964 über konsularische Beziehungen;21 – das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität v 16.5.1972;22 – das Nato-Truppenstatut v 19.6.1951;23 – das Völkergewohnheitsrecht und eine Reihe weiterer Verträge.
15 Dicey, Morris & Collins, Vol 1, 14th ed, Rule 17 (7) (S 196) (no 7-045). 16 Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, Vol 1, 14th ed, Rule 17 (3) S 188f (no 7–027). 17 Für Frankreich Batiffol/Lagarde, no 706; für Italien Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, S 187. 18 v Bar/Mankowski, IPR, Bd 1, § 5 Rz 5ff. 19 Vgl Schütze ZVglRwiss. 92 (1993), 29; Linke/Hau, IZVR, Rz 7. 20 BGBl 1965 II, 147. 21 BGBl 1969 II, 1585. 22 BGBl 1990 II, 35. 23 BGBl 1961 II, 1183.
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§1
Allgemeine Grundfragen
Für die deutsche internationale Zuständigkeit sind die Vorschriften der örtli- 17 chen Zuständigkeit (§§ 12ff ZPO) doppelfunktionell anzuwenden, soweit nicht, wie in Familiensachen (§§ 98–105 FamFG), ausdrückliche Regeln bestehen. Vorrangig sind jedoch die Gerichtsstände der EuGVO bzw LugÜ sowie der EheGVO („Brüssel IIa“) zu berücksichtigen. Das prozessuale Fremdenrecht wird behandelt in den §§ 50, 51, 55, 110 ZPO, 18 § 188 GVG. Es kommen einige Sätze des Völkergewohnheitsrechts hinzu. Die prozessuale Behandlung ausländischen Rechts ergibt sich aus § 293 ZPO. 19 Es kommt hinzu das Europäische Übereinkommen v 7.6.1968 betr Auskünfte über ausländisches Recht (s u § 11).24 Hinsichtlich der internationalen Rechtshilfe ist zu unterscheiden:
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Für Zustellungen im Ausland gelten die §§ 183, 184 ZPO. Einzelheiten ergeben sich aus – der Europäischen Verordnung (EG) Nr 1393/2007 des europäischen Parlaments und des Rates v 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedsstaaten (s u § 8 Rz 53ff),25 – dem Haager Übereinkommen vom v 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen26 (s u § 8 Rz 85ff) und – der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) vom v 19.10.1956 (idF der Bek. der Neufassung v 28.10.2011)27 Auf Beweisaufnahmen im Ausland weist generell § 363 ZPO hin. Vorrangig zu beachten sind
21
– die Verordnung (EG) Nr 1206/2001 des Rates v 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (s u § 9 Rz 8ff), – das Haager Beweisübereinkommen von 1970 (s u § 9 Rz 36ff) und – die §§ 17ff, 55ff, 127ff ZRHO. Sowohl für Zustellungen als auch für Beweisaufnahmen im Ausland gelten:
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1.3.1954;28
– Das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v – die deutsch-belgische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs v 25.4.1955;29
24 25 26 27
BGBl 1974 II, 937. ABl EG Nr L324/79. BGBl 1977 II, 1452. BAnz. vom 7.3.2012 (in Geltung ab 15.3.2012); im Internet unter www.datenbanken. justiz.nrw.de verfügbar. 28 BGBl 1958 II, 577. 29 BGBl 1959 II, 1525.
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§1
Einführung
– die deutsch-dänische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs v 1.6.1910 in der Fassung v 6.1.1932;30 – die deutsch-französische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen v 1.3.1954 über den Zivilprozess v 6.5.1961;31 – die deutsch-luxemburgische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs v 1.8.1909;32 – die deutsch-niederländische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs v 31.7.1909;33 – der deutsch-niederländische Vertrag zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen v 1.3.1954 v 30.8.1962;34 – die deutsch-österreichische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen v 6.6.1959;35 – die deutsch-polnische Vereinbarung zur weiteren Erleichterung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen v 14.12.1992;36 – die deutsch-schwedische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs v 1.2.1910;37 – die deutsch-norwegische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs v 17.6.1977;38 – die deutsch-schweizerische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs v 30.4.1910;39 – das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr v 20.3.1928;40 – das deutsch-griechische Abkommen über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts v 11.5.1938;41 – der deutsch-tschechische Vertrag zur weiteren Erleichterung des Rechtshilfeverkehrs v 2.2.2000;42 – das deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen v 28.5.1929;43
30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
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RGBl 1932 II, 20. BGBl 1961, 1041. RGBl 1909 II, 910. RGBl 1909 II, 908. BGBl 1964 II, 469. BGBl 1959 II, 1523. BGBl 1994 II, 361. RGBl 1910 II, 456. BGBl 1979 II, 1292. RGBl 1910 II, 674. RGBl 1928 II, 624. RGBl 1939 II, 849. BGBl 2001 II, 1211; vgl BT-Drucks 14/6101 v 17.5.2001 und 14/6534 v 3.7.2001. RGBl 1930 II, 7.
Allgemeine Grundfragen
§1
– der deutsch-tunesische Vertrag über Rechtsschutz, Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v 19.7.1966.44 Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile ist im autonomen 23 deutschen Recht in den §§ 328, 722, 723 ZPO und in §§ 107–109 FamFG geregelt. Es gelten aber vorrangig: – – – – – – – –
– – – –
–
–
–
44 45 46 47 48 49 50 51 52
EuGVO (Brüssel I-VO) EuVTVO EheGVO (Brüssel IIa-VO) EuMahnVO EuGFVO EuUnthVO EuErbVO das Brüsseler EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) v 29.9.1968 idF v 29.11.199645 und das Lugano Übereinkommen (LugÜ) v 16.9.1988;46 das Lugano Übereinkommen (LugÜ) v 30.10.2007;47 das deutsch-schweizerische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen v 2.11.1929;48 das deutsch-italienische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 9.3.1936;49 das deutsch-belgische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, Schiedssprüche und öffentlicher Urkunden in Zivil- und Handelssachen v 30.6.1958;50 der deutsch-österreichische Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen v 6.6.1959;51 das deutsch-britische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 14.7.1960;52
BGBl 1969 II, 890. BGBl 1998 II, 1411. BGBl 1994 II, 2658. ABl EU 2009 Nr L 147, S. 5. RGBl 1930 II, 1065. RGBl 1937 II, 145. BGBl 1959 II, 765. BGBl 1960 II, 1246. BGBl 1961 II, 301.
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§1
Einführung
– der deutsch-griechische Vertrag über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, Vergleiche, Schiedssprüche und öffentlicher Urkunden v 4.11.1961;53 – der deutsch-niederländische Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen v 30.8.1962;54 – der deutsch-tunesische Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v 19.7.1966;55 – der deutsch-israelische Vertrag v 20.7.1977 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen;56 – der deutsch-norwegische Vertrag v 17.6.1977 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen;57 – der deutsch-spanische Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden zu Zivil- und Handelssachen v 14.1.1987;58 – das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern v 15.4.1958;59 – das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen v 2.10.1973;60 – das Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen v 23.11.2007.61 24
Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit unterliegt nach autonomem deutschem Recht keinen besonderen Regeln. Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach der Reform des Schiedsrechts ganz nach dem UNÜ 1958 (§ 1061 ZPO). Zu beachten sind folgende Staatsverträge: – Das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v 10.6.1958 (UNÜ 1958);62 – das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit v 21.4.1961 (EuÜ);63 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
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BGBl 1963 II, 109. BGBl 1965 II, 26. BGBl 1969 II, 890. BGBl 1980 II, 925. BGBl 1981 II, 342. BGBl 1987 II, 34. BGBl 1961 II, 1006. BGBl 1986 II, 826. ABl EU 2011 Nr L 192, S. 51. BGBl 1961 II, 122. BGBl 1964 II, 426.
Allgemeine Grundfragen
§1
– die Pariser Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit v 17.12.1962;64 – das Genfer Protokoll v 24.9.1923 über die Schiedsklauseln;65 – das Genfer Abkommen v 26.9.1927 zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche.66 – Schließlich garantieren einige bilaterale Abkommen (s o Rz 23) die Anerkennung von Schiedssprüchen.
5. Verhältnis des IZPR zum Völkerrecht Die vielen zweiseitigen und mehrseitigen Staatsverträge zeigen die Verbindung 25 des IZPR zum Völkervertragsrecht deutlich auf. Insoweit steht das IZPR unter dem völkerrechtlichen Gebot „pacta sunt servanda“. Da zu erwarten ist, dass das Netz der völkerrechtlichen Verträge in Zukunft noch enger geknüpft wird, wirkt das Vertragsrecht in zunehmendem Maß auf das IZPR ein. Ein Teil des IZPR, die Gerichtsbarkeit, die in § 2 behandelt wird, wird von 26 dem Völkerrecht in besonderer Weise beeinflusst. Hier wird auch das Völkergewohnheitsrecht von Bedeutung. Das allgemeine Völkerrecht könnte durchaus Grundregeln für die Regelung in 27 Lebensverhältnissen mit Auslandsberührung aufstellen. Bisher gibt es solche Regeln nach hM jedoch nicht. Der Geltungsbereich des eigenen Rechts bleibt im Wesentlichen dem nationalen Recht überlassen.67 Völkerrechtliche Bindungen ergeben sich primär aus Staatsverträgen zum IPR und IZPR.68 Außerhalb vertraglicher Bindung begrenzt das Völkerrecht die Gestaltungsfreiheit der einzelnen Staaten. Jeder Staat hat bei der Gestaltung seines Kollisionsrechts und bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit seiner Gerichte auf die Belange anderer Staaten Rücksicht zu nehmen. Er darf die Zuständigkeit der Gerichte nicht auf Fälle ausdehnen, die keinerlei Inlandsbeziehung haben, und er darf die Anwendung fremden Rechts nicht generell ausschließen, muss also gewisse Kollisionsregeln aufstellen. Missbräuchlich sei etwa eine Zuständigkeit aufgrund der einmaligen Lieferung eines fehlerhaften Produkts in den Formstaat oder aufgrund eines kurzfristigen Aufenthalts.69 Schon frühzeitig ist ein Völkerrechtssatz des Inhalts anerkannt worden, dass 28 die Gerichte eines Staats auch ausländischen Klägern, die sich in ihm aufhalten, zur Verfügung stehen.70 Durch den Aufenthalt des Ausländers wird eine Beziehung zum Urteilsstaat geschaffen. Die deutsche ZPO macht bis auf gewisse Ausnahmen, die unter dem zivilprozessualen Fremdenrecht behandelt 64 65 66 67 68 69 70
BGBl 1964 II, 449. RGBl 1925 II, 47. RGBl 1930 II, 1068. Dahm/Delbrück/Wolfrum Bd I/1, 2. Aufl 1989, § 3 I 3 (S 33). Dahm/Delbrück/Wolfrum, § 47 III 3c (S 323); Schack IZVR Rz 20 ff. Dahm/Delbrück/Wolfrum S 324. Van Praag, Jurisdiction et droit international public, Den Haag, 1915, 98.
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werden, keine Unterschiede zwischen In- und Ausländern. Es sind auch immer mehr Staaten dazu übergegangen, Ausländern ihre Gerichte in gleichem Maß zur Verfügung zu stellen wie Inländern. Als Beispiele seien einige Zivilprozessordnungen aus den letzten Jahren erwähnt: Art 3 der griechischen ZPO, Art 1 franz. CPC v 1.1.1976. Art 6 I EMRK bestätigt diese Entwicklung. Danach hat innerhalb der Vertragsstaaten „jedermann“ ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit Anspruch auf ein unparteiisches Gerichtsverfahren. 29
Unterschiedliche Auffassungen werden darüber vertreten, in welchem Umfang eine Beziehung des Ausländers zu dem Urteilsstaat gegeben sein muss. Reicht schon das Vermögen des ausländischen Beklagten im Inland aus, um gegen ihn einen inländischen Gerichtsstand zu begründen? § 23 ZPO bejaht das. Andererseits ist § 23 ZPO als international „unerwünschter“ Gerichtsstand bezeichnet worden.71 International unerwünschte Gerichtsstände finden sich auch in den Zivilprozessordnungen anderer Staaten. Sie sind allerdings im Verhältnis der EWGStaaten zueinander durch das EWG-Übereinkommen ausgemerzt worden. Dennoch kann nicht gesagt werden, dass es völkerrechtswidrig sei, wenn Staaten ihre Zuständigkeitsregeln auch auf international unerwünschte Gerichtsstände ausgedehnt haben. Eine Beziehung zum Urteilsstaat wird auch durch das Vermögen des Ausländers im Inland hergestellt. Eine Beziehung zum Urteilsstaat wird ferner dadurch geschaffen, dass der ausländische Beklagte, der überdies noch im Ausland wohnt, sich rügelos auf einen Prozess im Inland einlässt. Eine Beziehung zum Urteilsstaat kann auch durch den Willen der Parteien geschaffen werden, indem sie die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts prorogieren. Einige Staaten knüpfen die Derogation ihrer Gerichte allerdings an gewisse Voraussetzungen. Besteht also eine – wenn auch nur lose – Beziehung des ausländischen Klägers zu dem Urteilsstaat, so würde dieser völkerrechtswidrig handeln, wenn er dem Kläger seine Gerichte nicht zur Verfügung stellt. Das Problem der Rechtsverweigerung tritt auf, wenn ein Kläger in keinem Staat einen Gerichtsstand für seine Klage finden würde.
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Mit der Frage der Zurverfügungstellung inländischer Gerichte auch für ausländische Kläger hängt eng die Frage nach dem „freien und ungehinderten Zugang“ der Ausländer zu inländischen Gerichten zusammen. Hierbei handelt es sich darum, ob Ausländer persönlich vor Gericht erscheinen können. Der Staat des Urteilsgerichts darf ihnen also weder die Einreise verweigern noch sie daran hindern, an den Sitzungen des Gerichts persönlich teilzunehmen, noch ihre Ausreise behindern (s u § 5 Rz 10f). Riezler spricht insoweit von einem Satz des Völkergewohnheitsrechts.72 Dieser Ansicht muss schon deshalb zugestimmt werden, weil die Staaten sich mit ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen würden, wenn sie einerseits Ausländern bei einer gewissen Beziehung ihre Gerichte zur Verfügung stellen müssen, ihnen andererseits nicht den „freien und ungehinderten“ Zugang zu den Gerichten
71 Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge, 1957, 221. 72 Riezler, IZPR, S 413.
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verwehren dürfen.73 Die Staaten dürfen also in ihrem IZPR nicht Vorschriften aufnehmen, die dem Völkergewohnheitsrecht zuwiderlaufen. Hinsichtlich des Zugangs von Ausländern zu ihren Gerichten dürfen die Staaten mithin auch nicht die Verbürgung der Gegenseitigkeit fordern. Vgl insoweit die Ausführungen zur Bedeutung der Gegenseitigkeit für das IZPR. Ausnahmen von dem Satz des Völkergewohnheitsrechts, wonach Staaten Aus- 31 ländern bei einer gewissen Beziehung ihre Gerichte zur Verfügung stellen müssen, werden allgemein anerkannt, wenn es sich um Ehescheidungen von Ausländern oder um andere Statussachen für Ausländer handelt. § 98 I FamFG bietet hierfür ein treffendes Beispiel. Die Beziehung des Mannes oder der Frau durch den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland reicht für die Begründung der deutschen internationalen Zuständigkeit nicht aus. Es wird darüber hinaus die Anerkennung des deutschen Urteils durch das Heimatrecht des Mannes oder der Frau gefordert. Die Ausnahmeregelung wird dadurch verständlich, dass bei Statussachen die Interessen verschiedener Staaten besonders hart aufeinander stoßen. Jeder Staat nimmt insoweit die Zuständigkeit seiner Gerichte für die Belange seiner Staatsangehörigen in Anspruch. Auf internationaler Ebene kann es nur begrüßt werden, wenn die Staaten bei der Ausgestaltung der Vorschriften ihres IZPR auf die Interessen anderer Staaten Rücksicht nehmen. Insoweit ist die Ausnahmebestimmung nicht nur verständlich sondern auch gerechtfertigt. Schließlich ergeben sich aus der Verfassung (Art 1ff, 101, 103 GG), der EU- 32 Grundrechte-Charta (Art 47ff.) und der EMRK (Art 6 I) Rechtsschutzansprüche, Rahmenbedingungen und Grenzen für die Ausübung grenzüberschreitender Gerichtsbarkeit,74 auch wenn im deutschen und europäischen Recht bisher – anders als in den USA – nicht versucht wurde, konkrete Grenzen für die Ausübung von jurisdiction aus der Verfassung abzuleiten.
6. Die Gegenseitigkeit im IZPR Das deutsche IZPR stellt an drei Stellen auf die Verbürgung der Gegenseitig- 33 keit ab: in § 328 I Nr 5 ZPO und § 109 IV FamFG ausdrücklich, in der Neufassung von § 110 II Nr 1 u. 2 ZPO indirekt. Die Gegenseitigkeit war bereits bei Erlass der CPO umstritten. In der entscheidenden Kommissionssitzung v 8.6.1875 hat sich der Abgeordnete Struckmann für die Verbürgung der Gegenseitigkeit mit der Begründung eingesetzt, das internationale Recht beruhe auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit.75 Später sprach man von der Gegenseitigkeit als einer „perennial idea“.76 Trotz aller Angriffe hat der deutsche Gesetzgeber im Verein mit vielen anderen Staaten sich nicht entschließen können, das Erfordernis der Gegenseitigkeit im Interesse des internationalen Handels 73 Vgl Verdross RdC 37 (1931 III) 353; Kipp, Das Verbot der Diskriminierung im modernen Völkerrecht, AVR 1961, 149. 74 Vgl Th. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S 337ff, 368ff. 75 Hahn, Materialien zur Civilprozessordnung von 1877, II. Abtlg, 1880, 887. 76 Lehnhoff, Reciprocity, North Western L. Rev 1955, 756.
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und Verkehrs ganz aus dem IZPR zu streichen. Dabei hatte L. von Bar bereits 1862 davor gewarnt, den Verkehr mit dem Ausland dadurch zu erschweren, dass man ausländischen Urteilen mangels Gegenseitigkeit die Anerkennung versage, weil dadurch nur Nachteile für die eigenen Staatsangehörigen und Fremde entständen. Ähnliche Argumente sind in den folgenden Jahren immer wieder – aber leider – vergeblich vorgebracht worden. Ohne Rücksicht auf die Rechtsuchenden wird lediglich aus politischen Gründen, um noch Trümpfe in der Hand zu haben, an der Verbürgung der Gegenseitigkeit im IZPR festgehalten. 34
Dabei wird dem deutschen Richter die schwierige Aufgabe überlassen, festzustellen, ob im Einzelfall die Gegenseitigkeit verbürgt ist oder nicht. Andere Staaten wie zB Österreich (§ 79 II EO), Liechtenstein, die Türkei (Art 54 IPRG) verlangen, dass die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge oder Verordnungen bzw durch Regierungserklärungen festgestellt ist.77 Die Schwierigkeiten sind für den deutschen Richter umso größer, als der Inhalt der Gegenseitigkeit bei den einzelnen Vorschriften ein anderer ist. Nach § 110 ZPO wird lediglich darauf abgestellt, ob von deutschen Klägern in anderen Staaten auf Verlangen des Beklagten eine Prozesskostensicherheit verlangt werden kann oder nicht. Kann sie nicht verlangt werden, so ist die Gegenseitigkeit verbürgt. Auf andere Tatsachen, zB ob der deutsche Kläger Vermögen in dem ausländischen Staat hat, wird nicht abgestellt. Es wird also eine volle Gegenseitigkeit verlangt.78 Das Gesetz, das das Armenrecht durch die Prozesskostenhilfe ersetzt hat,79 hat die Verbürgung der Gegenseitigkeit als Voraussetzung der Kostenhilfe abgeschafft. Bei der Verbürgung der Gegenseitigkeit, wie sie in § 328 I Nr 5 ZPO und § 109 IV FamFG vorsieht, handelt es sich nicht um etwas Gleiches, das von einem anderen Staat gefordert wird, sondern es kommt darauf an, dass der andere Staat keine wesentlich anderen Bedingungen für die Anerkennung deutscher Urteile stellt. In beiden Fällen wird von anderen Staaten also ein entsprechendes Verhalten, eine aktive Handlung, gefordert. Rein wörtlich genommen setzen die deutschen Vorschriften eine Vorleistung seitens aller anderen Staaten, zu denen keine Verträge bestehen, voraus.
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Soweit Staaten es lediglich dulden, dass andere Staaten fremde Gerichtshandlungen auf ihrem Staatsgebiet vornehmen, sei es, dass Gerichte Briefe an Personen im Ausland senden, oder dass Konsuln oder diplomatische Vertreter in ihren Bezirken Ladungen vornehmen bzw Zeugen, Sachverständige oder die Parteien hören, leisten sie internationale Rechtshilfe durch ein rein passives Verhalten. Dieses verträgt sich aber nicht mit dem Prinzip der Reziprozität, wie sie im IZPR gefordert wird. Soweit internationale Rechtshilfe also durch „Duldung“ gewährt wird, scheidet die Gegenseitigkeit aus.
77 Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1967, S 68. 78 Niboyet RdC 52 (1935 II), 271 spricht von einer „réciprocité symétrique“. 79 BGBl 1980 I, 677.
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Nach alledem führt die Verbürgung der Gegenseitigkeit im IZPR zu einer be- 36 dauerlichen Rechtsunsicherheit. Diese ist durch das RG noch gefördert worden, wenn es in dem Urteil v 8.2.1924 heißt, die Voraussetzung der Gegenseitigkeit sei es, dass die Prozesslage für den deutschen Gläubiger in der Schweiz im Allgemeinen nicht ungünstiger sei als für die schweizerischen Gläubiger.80 Auf die Interessen der hinter dem Urteil stehenden Personen kommt es bei der Anerkennung gar nicht an. Die in fast allen Zweigen des internationalen Rechts auftretende Gegenseitig- 37 keit beruht auf der comitas gentium, wie sie von den Holländern Ulrich und Johannes Voet und Huber entwickelt worden ist, um das starre territoriale Souveränitätsprinzip zu mildern.81 Über die „courtoisie internationale“ ist viel geschrieben worden. Man hat optimistische und pessimistische Meinungen darüber vertreten. Comity ist allerdings kein Recht im strengen Sinn, sondern hat lediglich „Konventionalregeln in einer Mittelschicht zwischen dem Recht im eigentlichen Sinne des Wortes und der unverbindlichen Sitte“ zum Inhalt.82 Courtoisie werde aus freiem Willen geübt; es besteht keine Rechtspflicht zu ihrer Befolgung. Ihre Missachtung ist also keine völkerrechtswidrige Handlung, die völkerrechtliche Sanktionen auslösen könnte. In der Staatenpraxis werden Comity-Regeln vielfach nur bei Gegenseitigkeit angewendet; ihre Anwendung aber versagt, wenn sie nicht gewährleistet ist. Ist die Gegenseitigkeit durch einen Staatsvertrag verbürgt, so ist sie sicherlich 38 unter das vertragliche Völkerrecht einzuordnen. Wo die Gegenseitigkeit aber durch ein tatsächliches Verhalten verbürgt wird, gehen die Staaten nicht so sehr von einem „do ut des“ aus. Der eine Staat wartet vielmehr, dass der andere vorangehe, damit dann eine Gegenseitigkeitslage festgestellt werden kann. Der Gegenseitigkeitsgedanke kann sich auch im Verhältnis zu Lasten von Bewohnern von Drittstaaten nachteilig auswirken.83
7. Unterschiede zwischen IZPR und IPR Das IPR enthält Regeln für Privatrechtsverhältnisse, die ein internationales, 39 grenzüberschreitendes Element enthalten. Meist handelt es sich um rein nationale Regeln, zunehmend aber (auf der Grundlage von Übereinkommen) um in den Vertragsstaaten geltendes internationales Einheitsrecht. Das IZPR ist zunächst ebenso zu definieren, als Regeln für Prozessrechtsverhältnisse, die ein grenzüberschreitendes Element aufweisen. Diese Sonderregeln sind weitgehend nationaler Art; auch hier findet sich zunehmend eine Vereinheitlichung durch Staatsverträge. Der Hauptunterschied besteht in Deutschland in der Regelungstechnik. Art 3 I 1 EGBGB definiert IPR im engeren Sinne als Kollisionsregeln, die bei Sach-
80 81 82 83
RGZ 107, 308. Mejers RdC 49 (1934 III), 663. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, S 74. Kropholler, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, BerDGVR 1988, 106.
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verhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staats angeben, welche Rechtsordnung anzuwenden ist.84 Diese Definition ist freilich unvollständig und ungenau. Denn das IPR enthält auch direkt anwendbare (besondere) Sachnormen, etwa Eingriffsnormen, und schon im klassischen Kollisionsrecht lassen sich die allgemeinen methodischen Regeln, wie Kollisionsnormen anzuwenden oder nicht anzuwenden sind, selbst nicht ohne Weiteres als Kollisionsnormen verstehen. Das Schwergewicht liegt aber bei Kollisionsnormen, die bestimmen, welches inländische oder ausländische Recht sachgerechterweise einen Fall regeln soll. 41
Das deutsche IZPR regelt primär das Verfahren vor den eigenen, nationalen Gerichten und enthält dazu besondere, unmittelbar anwendbare Sachnormen des eigenen Rechts.
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Streitig ist freilich, ob dieser Unterschied nur relativ ist, ob also auch das IZPR Kollisionsnormen enthalten kann und enthält. Das Verfahren vor den eigenen Gerichten kann aus praktischen Gründen grds nur nach der eigenen Prozessordnung, der lex fori, abgewickelt werden.85 In Deutschland und in den meisten Ländern wird das lex fori-Prinzip als selbstverständlich unterstellt.86 Ausdrücklich festgehalten ist es in Art 12 italien. IPRG 1995, Art 8.2 span. Código Civil und Book 10 Art 3 Burgerlijk Wetboek der Niederlande.87 Die lex fori-Regel folgt weder aus dem Völkerrecht noch dem Territorialitätsprinzip oder dem öffentlich-rechtlichen Charakter des Prozessrechts, sondern ist primär Folge der Erfordernisse von Rechtssicherheit und Prozessökonomie.88 Vor staatlichen Gerichten handelt es sich nie um die Wahl der anwendbaren Prozessordnung selbst, sondern nur darum, ob einzelne Elemente eventuell kollisionsrechtlich zu beurteilen sind. Eine generelle kollisionsrechtliche Verknüpfung der lex judicarii mit dem zu beurteilenden Rechtsverhältnis, wie sie Szaszy vorgeschlagen hatte,89 ist für staatliche Gerichte letztlich nicht durchführbar und sachgerecht. Man kann das Service-Unternehmen „Justiz“ nicht für den jeweiligen Einzelkunden anders führen. Möglich und nötig ist lediglich eine Anpassung des „Service“ an besondere Bedürfnisse des Kunden, also eine Modifizierung „sachrechtsbezogener“ Verfahrensnormen.
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Unterstellt man das materielle Recht Kollisionsnormen und damit ggf ausländischem materiellem Recht, das Verfahren aber der lex fori, so entstehen Spannungen, wenn beide Rechtsordnungen
84 Kropholler IPR, § 1 I 3. 85 OLG Koblenz RIW 1997, 328; vgl v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 5ff; Kegel/Schurig § 22 III (S 1055f); Leipold S 25ff; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz 83ff; Schütze Rz 51ff. 86 BGH NJW 1985, 552, 553; BGHZ 78, 108, 114 = NJW 1981, 126, 127. Für Frankreich s Huet Juris-Cl. Droit Intern. Fasc. 582–10, 582–20, 582–30 (2001). 87 Vgl M. ten Wolde YearbookPIL 13 (2011), 389, 395. 88 Jaeckel, Die Reichweite der lex fori, S 27ff, 51; Geimer, IZPR, Rz 322f; Schack, IZVR, Rz 45ff; v Bar/Mankowski, IPR, Bd 1, § 5 Rz 78. 89 International Civil Procedure, S 255.
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– (1) jeweils prozessuale und materielle Begriffe verwenden, – (2) „substance“ und „procedure“ unterschiedlich abgrenzen,90 – (3) das anzuwendende Recht in verfahrensrechtlichen Formen zu verwirklichen ist, die die lex fori an sich nicht kennt, oder umgekehrt die prozessuale lex fori Anforderungen stellt, die ganz auf Besonderheiten des eigenen materiellen Rechts zugeschnitten sind. Diese Fragen sind durch vernünftige rechtsschutzfreundliche Auslegung (funk- 44 tionelle Qualifikation) der einschlägigen Normen,91 notfalls durch Anpassung der lex fori an die Bedürfnisse des materiellen Rechts zu lösen.92 Kollisionsnormen könnte das Prozessrecht enthalten, soweit es ausdrücklich 45 oder sinngemäß auf ausländisches Recht verweist.93 Nach § 50 ZPO ist etwa parteifähig, wer rechtsfähig ist. Für Ausländer wird damit sinngemäß auf ihr Personalstatut verwiesen. Nach § 52 ZPO ist prozessfähig, wer selbst (ohne Vertreter) Verträge abschließen kann. Für Ausländer wird damit wieder (vorbehaltlich des § 55 ZPO) auf das Personalstatut verwiesen. Hieraus (und aus anderen Regeln) hat man zum Teil abgeleitet, dass es auch im Prozessrecht Kollisionsnormen gebe, wenngleich seltener.94 Dagegen wird eingewandt, es handele sich nur um eine Anpassung des deut- 46 schen Verfahrens an ausländische Sachverhalte, nicht aber um (räumliche) allseitig zu denkende Kollisionsnormen.95 Indes leitet selbst eine allseitig formulierte Kollisionsnorm nur die Rechtsanwendung des inländischen Richters (bzw eines inländischen Juristen).96 Auch Kollisionsrecht ist nur nationales Recht; viele Kollisionsnormen enthalten nur Sachverweisungen. Richtig ist allerdings, dass stets nur die Prozessfähigkeit vor den eigenen Gerichten, nicht die im Ausland in Rede steht usf. Jedoch gibt es zwei Bereiche, in denen das Prozessrecht Kollisionsnormen im 47 vollen sonstigen Sinn verwendet, nämlich bei Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarungen. Nach welcher Rechtsordnung die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung, die Vereinbarung eines Verfahrensstatuts und des Sitzes des Schiedsgerichts zu beurteilen ist, ist eine „offene“ kollisionsrechtliche Frage. Bei Gerichtsstandsvereinbarungen legen zwar die gewählte und die abgewählte Verfahrensordnungen fest, unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist. Aber die Fragen der vertraglichen Einigung bleiben Fragen des all-
90 Vgl Gerber, in: Schlosser, 113; Carruthers ICLQ 53 (2004), 691; Panagopoulos JPIL 1 (2005), 69; Cook Yale L. J. 42 (1932/33), 333. 91 Vgl Basedow S 131ff; Schütze Rz 57ff. 92 Vgl Looschelders, Die Anpassung im IPR, 1995; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori, 1995, S 134ff; Linke/Hau, IZVR Rz 55ff; v Hoffmann/Thorn § 3 Rz 9f. 93 Vgl Schack, IZVR, Rz 4ff. 94 Pagenstecher ZZP 64 (1951), 249; Grunsky ZZP 89 (1976), 249; Szaszy, International Civil Procedure, S 227; auch Kropholler, IPR, § 56 IV 5. 95 S v Bar/Mankowski, IPR I, § 5 Rz 76, 84ff; Jaeckel, Reichweite der lex fori, S 146ff, 155. 96 Schack, IZVR, Rz 7.
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gemeinen internationalen Vertragsrechts.97 In Sonderbereichen kennt daher auch das Prozessrecht Kollisionsnormen. 48
Über rein begriffliche Unterscheidungen ist zudem zu bedenken: Das klassische common law kennt keine materiellen Kollisionsnormen, sondern regelt, wann personal jurisdiction besteht, und ordnet, wenn diese bejaht wird, grds die Anwendung des eigenen materiellen Rechts an. Wird ausländisches Recht als Tatsache behandelt, so ändert auch eine Beachtung solcher „Tatsachen“ nichts daran. „All matters appertaining to procedure are governed exclusively by the law of the forum.“98 (In den USA haben sich die modernen IPR-Theorien, zB der better law-approach, freilich von diesem einfachen Ausgangspunkt teilweise entfernt.99) Ob man aus den jurisdiction Regeln verdeckte Kollisionsnormen ableiten kann,100 stehe dahin. Wichtig ist, dass die prozessualen Regeln über internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung für streitig entschiedene Fälle eine Art „zweite Kollisionsrechtsordnung“ aufstellen.101 Akzeptiert ein Gericht seine Zuständigkeit, so bestimmt dies die weitere kollisionsrechtliche und materielle Rechtsanwendung, Inhalt und Wirkung der Entscheidung. IPR und IZPR müssen deshalb, soweit erforderlich, auf gleichen Wertungen aufbauen und aufeinander abgestimmt sein. Schließlich sind die Schwierigkeiten ausländischen Rechts zu ermitteln, dieselben, ob es nun per echter Kollisionsnorm oder nur als Element der eigenen Verfahrensnorm anzuwenden ist.
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Ein anderer Weg, sachliche Widersprüche bei der Anwendung der prozessualen lex fori und eines ausländischen Sachstatuts zu vermeiden, ist der der Qualifikation als materiellrechtlich oder prozessual.102 Regeln des ausländischen Verfahrensrechts werden teleologisch dem materiellen Recht zugerechnet, andere Regeln als unbeachtliches Verfahren gewertet. Beweislast und Verjährung werden idR materiell qualifiziert, Beweismittelverbote, Zeugnisverweigerungsrechte usw als prozessual. Unterschiedliche Ansichten bestehen, nach welcher Rechtsordnung zu qualifizieren ist: nach der eigenen lex fori, nach der lex causae oder nach Mischformen. Regeln, nach denen das Gericht verfährt, sind – um alle Parteien gleich zu behandeln – stets nach der lex fori zu qualifizieren. Im Ausgangspunkt sind IPR- und IZPR-Normen als Teil des eigenen Rechts auch nach der lex fori zu qualifizieren (bzw auszulegen).103 Im Einzelnen kann aber differenziert werden: Normen, die das Parteiverhalten regeln, müssen ebenfalls prozessuale Gleichberechtigung gewährleisten und sind daher meist ebenfalls nach der lex fori zu qualifizieren.
97 98 99 100 101 102 103
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Vgl Gottwald, FS Henckel 1995, S 295. Cheshire North & Fawcett, Private international law, 14th ed 2008, p 75. Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 2.18ff, 2.26. Vgl Kropholler, IPR, § 13 IV 1, § 25 (versteckte Rückverweisung). v Bar/Mankowski, IPR, Bd 1, § 5 Rz 134, 139. Vgl Linke/Hau Rz 61ff. So hM; Jaeckel S 57ff; Schack, IZVR, Rz 52ff; auch Restatement, Conflict of Laws 2d, § 7 (2).
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Im Einzelfall kann aber nach Sinn und Zweck einer Regelung dieses Ziel auch 50 und besser durch Anwendung der lex causae erreicht werden,104 sog materiellrechtsfreundliche Qualifikation.105 Zweifel ergeben sich vor allem im Beweisrecht, inwieweit Regeln, die die Wahrheitsermittlung beschränken, als materiellrechtlich zu qualifizieren und der lex causae zu entnehmen sind (s u § 10 Rz 40). Nur nach der lex causae ist nur ausnahmsweise zu qualifizieren, etwa wenn das Wirkungsstatut einer Gleichbehandlung aller seiner Staatsangehörigen verlangt, damit eine Entscheidung anerkannt wird.106 Eine allgemein gültige Abgrenzung ist danach nicht möglich, vielmehr ist nach Fallgruppen zu unterscheiden. Verfahrensnormen sind häufig ganz auf inländische Sachverhalte hin abgefasst 51 (sachrechtsbezogene Verfahrensnormen). In internationalen Fällen ist jeweils in teleologischer Auslegung zu bestimmen, ob der inländische Sachverhalt durch ein ausländisches Äquivalent ersetzt werden kann (Substitution).107 Die Anerkennung einer entsprechenden Entscheidung (nach § 328 ZPO, Art 26ff EuGVO oder §§ 108 f FamFG) ist für die Substitution weder erforderlich noch ausreichend. Entscheidend ist, ob die ausländische Rechtstatsache nach Sinn und Zweck der inländischen Sachnorm geeignet ist, die inländische Rechtstatsache zu ersetzen. Ist Rechtshängigkeit im Ausland zu beachten, und ab wann (s u § 6 Rz 200ff)? Keine Probleme entstehen, soweit das inländische Verfahrensrecht selbst die 52 Berücksichtigung bzw Anwendung ausländischen (Prozess-)Rechts vorschreibt (ausdrückliche Verweisung), zB in §§ 98 I Nr 4, 109 II 2 FamFG oder in Art 9 II HBÜ. Größere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn im deutschen Verfahren Rechts- 53 institute nach materiellem ausländischem Recht zu verwirklichen sind, die das deutsche Recht nicht oder nicht in dieser Form kennt. Da den Parteien auch in diesen Fällen kraft Verfassungsrecht Rechtsschutz zu gewähren ist, ist das Verfahren hier soweit anzupassen, dass die ausländische lex causae im deutschen Verfahren verwirklicht werden kann. Als Grenze wird die sog wesenseigene Zuständigkeit angesehen: Vom deutschen Richter können Tätigkeiten nicht verlangt werden, die ihm vollständig fremd sind.108 In diesen Grenzen sind aber Anpassungen zulässig und geboten.109 Allgemein anerkannt ist etwa, dass deutsche Gerichte die Trennung ausländischer Ehegatten von
104 105 106 107
Grundmann, Qualifikation gegen die Sachnorm, 1985, S 85ff. Vgl Jaeckel S 65ff; Stein/Jonas/Schumann Einl Rz 738. Grundmann S 89. Vgl Hug, Die Substitution im IPR, 1983; Schulz, Die Subsumtion ausländischer Rechtstatsachen, 1997; Geimer, IZPR, Rz 324; Mansel, FS W. Lorenz, 1991, S 689; Staudinger/Sturm (2012) Einl zum IPR, Rz 259ff. 108 Kropholler, IPR, § 57 II; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S 255ff; Soergel/Kronke Art 38 Anh IV Rz 17. 109 Vgl v Bar/Mankowski, IPR, Bd 1, § 5 Rz 84, 93.
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Einführung
Tisch und Bett aussprechen können,110 obwohl dies in § 111 Nr 1, 121 FamFG nicht vorgesehen ist. Auch eine Vertragsaufhebung durch Urteil gem Art 1184 franz. Code civil kommt in Betracht.111 54
Unterschiede zwischen IPR und IZPR bestehen hinsichtlich des Prinzips der Gegenseitigkeit. Im IPR hat sich die Idee durchgesetzt, dass internationale Gerechtigkeit am besten durch allseitige Kollisionsnormen verwirklicht werden kann, ohne Rücksicht darauf, wie andere Staaten, zu denen der Fall Beziehungen hat, anknüpfen. Im IZPR hat der deutsche Gesetzgeber dagegen aus fremdenrechtlichen Gründen überwiegend daran festgehalten, dass Ausländern voller Rechtsschutz nur bei gleicher Behandlung Deutscher durch den Heimatstaat gewährt wird. Dies gilt im Grundprinzip weiterhin für die Sicherheitsleistung für Prozesskosten (§§ 110ff ZPO) und für Urteilsanerkennung und -vollstreckung (§§ 328 I Nr 5; 723 II 2 ZPO; § 109 IV FamFG). Für die Prozesskostenhilfe ist die Gegenseitigkeit 1980 glücklicherweise aufgegeben worden. Die Gegenseitigkeitsregel wird aufgestellt, damit der ausländische Staat sich ebenfalls fremdenfreundlich verhalten kann und Gleichbehandlung im Ausland gewährleistet ist. Kann oder will ein ausländischer Gesetzgeber aber nicht reagieren (etwa weil er kein ausreichendes Bedürfnis dafür sieht), so behindert das Erfordernis den Rechtsschutz konkreter Parteien, sinnwidrig auch der eigenen Staatsbürger, die dadurch eigentlich geschützt werden sollten. Die Parteien können diese objektive Hürde nur zum Teil durch Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung überwinden.
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In der Praxis ist die Gegenseitigkeit mit den meisten Staaten gewährleistet. Lücken des Systems erweisen sich aber gerade deshalb als bittere „Überraschung“. Zu Recht wird schließlich betont, dass Zivilrechtsschutz nicht primär als begünstigendes Staatshandeln, sondern als Dienstleistung für die Parteien zu begreifen ist, die das Gericht erbringen soll, das dazu am sachnächsten oder -kundigsten ist. Die Gründe, die im IPR gegen die Gegenseitigkeit sprechen, haben daher auch im IZPR Gültigkeit.112 Gerichte sollten Rechtsanwendung und Rechtsschutz nicht von der Haltung des jeweiligen Auslandes abhängig machen. Kurz gesagt: „The effect of lack of reciprocity seems a political rather than a legal question.“113
110 BGHZ 47, 324 = NJW 1967, 2109, 2111 = JZ 1967, 671 (Heldrich); BGH FamRZ 1994, 825; Schack IZVR Rz 573. Staudinger/Spellenberg Vorbem zu §§ 606a, 328 ZPO Rz 56f. 111 Vgl v Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl 2007, § 3 Rz 11; Schack IZVR Rz 573. 112 Kropholler, IPR, § 60 IV 6; v Bar/Mankowski, IPR, Bd 1, § 5 Rz 60ff; Gottwald ZZP 103 (1990), 257, 279ff; Siehr, IPR, § 53 IV 1c. 113 Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 24.34.
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Europäisches und internationales Zivilprozessrecht
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II. Europäisches und internationales Zivilprozessrecht 1. Prozessrechtsvereinheitlichung in Europa und weltweit Schrifttum: Europa: Baviati, Is flexibility a way to the harmonization of civil procedural law in Europe?, in Carpi/Lupoi, Essays on transnational and comparative civil procedure, 2001, S 85; Carpi, Riflessioni sull’armonizzazione del diritto processuale civile in Europa in relazione alla convenzione di Bruxelles del 1968, Riv.trim.dir.proc.civ 67 (1993), 1037; (= in engl. Sprache) FS Mancini, Vol II, 1998, S 111; F. Ferrand, L’harmonisation de la procédure civile dans le monde: Quels défis et guels espoirs pour le XXléme siècle?, FS Sonnberger, 2004, 791; Frattini, European Area of Civil Justice, ZEuP 2006, 225; Fuchs, Aktuelles zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, ERA-Forum 2/2005, S 162; R. Geimer, „Law making“ in Europa – Bemerkungen zur justiziellen Zusammenarbeit, FS Erecinski, 2011, S. 1003; Gilles, Vereinheitlichung und Angleichung unterschiedlicher nationaler Rechte – Die Europäisierung des Zivilprozessrechts als ein Beispiel, ZZPInt 87 (2002), 3; Hakenberg, Vorschläge zur Reform des Europäischen Gerichtssystem, ZEuP 2000, 860; Ch. Heinze, Zivilprozessrecht unter europäischem Einfluss, JZ 2011, 709; A. Herb, Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationaler Zivilprozess, 2007; Heß, Die „Europäisierung“ des internationalen Zivilprozessrechts durch den Amsterdamer Vertrag, NJW 2000, 23; Heß, Aktuelle Perspektiven der europäischen Prozessrechtsangleichung, JZ 2001, 573; Heß, The integrating effect of European civil procedure law, EurJLawReform 4 (2002), 5; Heß, Neue Rechtsakte und Rechtssetzungsmethoden im Europäischen Justizraum, ZSR 124 (2005) II, 183; Heß, Deutsches Zivilprozessrecht zwischen nationaler Eigenständigkeit und europäischem Anpassungszwang, Ritsumeikan Law Review Int. Ed. No 27 (2010), 191; St. Huber, Entwicklung transnationaler Modellregeln für Zivilverfahren, 2007; A. Junker, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht im Zugriff der Europäischen Union, FS Sonnenberger, 2004, S 417; Kerameus, Procedural Harmonization in Europe, AmJCompL 43 (1995), 401; Kerameus, Political Integration and Procedural Convergence in the European Union, AmJCompL 45 (1997), 919; Kerameus, Une Procédure civile sans frontières – Harmonisation et unification du droit procédural, RHDI 52 (1999), 515; Kerameus, Angleichung des Zivilprozessrechts in Europa, RabelsZ 66 (2002), 1; Kerameus, Quelques limites à l’harmonisabilité de la procédure civile, FS Nemeth, 2003, S 439; Kerameus, Some reflections on procedural harmonisation, Uniform L.Rev. 8 (2003), 443; Kerameus, Der Zivilprozess und die internationale Rechtsentwicklung, ÖJZ 2004, 661; H. Koch, Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Verfahren, EuZW 1995, 78; H. Koch, Procédure civile nationale et exigences communitaires, Études à J. Normand, 2003, 253; H. Koch, Konvergenzen der Rechte im Europäischen Zivilprozeß, FS Beys, 2002, S 753; K. Kreuzer, Vom bilateralen Staatsvertrag zum Einheitsgesetz, FS Sonnenberger, 2004, S 823; Leible, Die Angleichung der nationalen Zivilprozessrechte – Vom „Binnenmarktprozess“ zu einer europäischen ZPO?“, in: Müller-Graff, Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2005, S 55; Leisle, Dependenzen auf dem Weg vom EuGVÜ, über die EuGVVO zur EuZPO, 2002; Lubinski, Unifying trends in the progress of the law of civil procedure, Comparative Law Review Ed. Nich. Copernicus Univ 8 (1998), 93; Münzberg, Das Verfahren des EuGH im Vergleich zum deutschen Zivilprozess: Ansätze für einen europäischen Prozess?, Symposium Baur, 1992, 69; F. Netzer, Status quo und Konsolidierung des Europäischen Zivilprozessrechts: Vorschlag zum Erlass einer EuZPO, 2011; Pfeiffer, Die Vergemeinschaftung des Internationalen Privatund Zivilverfahrensrechts, in: Müller-Graff, Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2005, S 75; Prütting, Die Entwicklung des europäischen Zivilprozessrechts, 1992; Prütting, Die Strukturen des Zivilprozesses unter Reformdruck und europäische Konvergenz?, FS Schumann, 2001, S 309; Rehm, Auf dem Weg zu einer Europäischen Zivilprozessordnung und Instanzgerichtsbarkeit?, FS Heldrich, 2005, S 955; van Rhee, Civil procedure: a European Ius Commune?, ERPL 2000, 589; van Rhee, European Tradition in Civil Procedure, 2005; H. Roth, Grundfreiheiten des EG-Vertrags und nationales Zivil-
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prozessrecht, in: Müller-Graff/Roth, Recht und Rechtswissenschaft, 2001, S 351; H. Roth, Die Vorschläge der Kommission für ein europäisches Zivilprozessgesetzbuch, ZZP 109 (1996), 271; Schlosser, Neue Dimensionen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Ziviljustiz, FS W. Lorenz, 2001, S 409; A. Schnyder, Zur Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts – international, Kolloquium für A. Staehelin, 1997, S 59; Stadler, Die Europäisierung des Zivilprozessrechts, Festgabe BGH, Bd 3, 2000, S 645; Storme, Rapprochement du droit judiciaire de l’Union européenne, 1994; Storme, Das Prozessrecht in Europa, FS Drobnig, 1998, S 177; Storme, L’unification de la Procédure Civile en Union Européenne, FS Broniewicz, 1998, S 397; Storme, L’apport de la doctrine et de la science de la procédure civile pour l’harmonisation un Union Européenne, FS Nemeth, 2003, S 809; Storme, Un rêve de bâtisseur de cathédrales: Une procédure civile pour l’ Europe, Liber amicorum Raymond Martin, 2004, S 197; Stürner, Die Struktur des deutschen und des europäischen Zivilprozesses, FS Broniewicz, 1998, S 417; Stürner, Der europäische Zivilprozess, Symposium für Baur, 1992, 1; Stürner, Die Struktur des europäischen Zivilprozesses, FS Schumann, 2001, S 491; Tarzia, L’harmonisation des règles de procédure civile dans les pays de la communauté européenne, FS Mitsopoulos, 1993, S 1255; Wannemacher, Die Außenkompetenzen der EG im Bereich des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2003; Walter, Zum Entwurf einer Europäischen Zivilprozessordnung, ASP/PJA 1994, 425; M. Wolf, Abbau prozessualer Schranken im europäischen Binnenmarkt, Symposium Baur, 1992, S 35.
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Weltweit: American Law Institute/UNIDROIT, Principles of Transnational Civil Procedure von 2004. N. Andrews, The modern procedural synthesis: the american law institute and UNIDROIT’s „Principles and rules of transnational civil procedure“, Revista de Processo (São Paulo) 164 (2008), 109; R. Berizonce/F. Ferrand, Model Laws and national traditions, General report XIV World congress of Procedural Law, 2011; P. Gottwald, Die Principles of Transnational Civil Procedure und das deutsche Zivilprozessreccht, FS Leipold, 2009, S 33; Hazard/Taruffo, Cornell Intern.L.J. 30 (1997), 493; St. Huber, Entwicklung transnationaler Modellregeln für Zivilverfahren, 2007; K. Kerameus, Une procedure civile sans frontières – Harmonisation et unification du droit procédure, RHDI 52 (1999), 515; Nakamura, Auf dem Weg zu einer Globalisierung des Zivilprozessrechts, Dike Int. 2001, 813; Pfeiffer, Harmonising Transnational Civil Procedure, Rev. dr. unif. 2001, 1015; van Rhee, Towards a procedural ius commune?, in: J. Smits/G. Lubbe, Remedies in ZuidAfrika en Europa, 2003, S 217; A. Stadler, Principles of transnational civil procedure – auch ein Modellgesetz für Europa?, FS Kerameus, 2009, S 1355; Stürner, The Principles of Transnational Civil Procedure, RabelsZ 69 (2005), 201; Taruffo, Drafting Rules for Transnational Litigation, ZZPInt 2 (1997), 449; S. Vrellis, Major problems of international civil procedure as compared to the ALI/UNIDROIT principles and rules, RHDI 56 (2003), 91; S. Vrellis, Un juriste Grec face au projet de procedure civile transnationale d’ALI/UNIDROIT, Mélanges en l’honneur de Lagarde, 2005, S 817; G. Walter, Regeln für internationale Zivilprozesse, ZZP 112 (1999), 204; G. Walter/Baumgartner, Improving the Prospects of the Transnational Rules of Civil Procedure Project, ZZPInt 5 (2000), 477; G. Walter/Baumgartner, Utility and Feasibility of Transnational Rules of Civil Procedure, Texas Int.L.J. 33 (1998), 463; G. Walter/F. Walther, International Litigation: Past Experiences and Future Perspectives, 2000; D. Waterstraat, ALI/UNIDROIT Principles and Rules of Transnational Civil Procedure, 2006.
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An der systematischen Zuordnung und dem strukturellen Inhalt des IZPR ändert sich nichts, wenn es sachlich auf europäischer Ebene, teilweise auch darüber hinaus durch Staatsverträge oder auf der Grundlage von Modellgesetzen
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vereinheitlicht wird.114 Die Rechtsvereinheitlichung115 erleichtert aber die Rechtsverfolgung in internationalen Fällen innerhalb eines einheitlichen Wirtschaftsraumes ganz entscheidend. Über die Brüssel I und II-Verordnungen bzw das EuGVÜ bzw LugÜ hinausgehende Bestrebungen, die nationalen Prozessordnungen zu vereinheitlichen oder ganz oder teilweise durch eine europäische Prozessordnung zu ersetzen,116 stehen wohl erst in den Anfängen. Allerdings kann sich in Einzelfällen bereits jetzt aus den Grundfreiheiten des EG-Vertrags in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot (Art 18 AEUV) ein Zwang zur Vereinheitlichung nationaler Vorschriften ergeben.117 Art K 1 Nr 6 des Unions-Vertrags von 1992 (Maastricht-Vertrag) sah (über 59 Art 293 EGV nF hinausgehend) eine generelle justizielle Zusammenarbeit der Unionsstaaten in Zivilsachen vor.118 Art 65 EGV (idF des Amsterdamer Vertrags vom 2.10.1997) gab der grenzüberschreitenden justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen eine neue Basis.119 Art 81 AEUV (vom 1.12.2009) hat diese erneut verbreitert.120 Auf dieser Grundlage wurden inzwischen die EG-Verordnung Nr 44/2001 60 („Brüssel I“), die Verordnung Nr 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen („Brüssel II“), die zum 1.3.2005 durch die Verordnung Nr 2201/2003 („Brüssel IIa“) abgelöst wurde, die Europäische Zustellungsverordnung Nr 1348/2000 (abgelöst durch die VO (EG) Nr 1393/2007), die Europäische Beweisaufnahmeverordnung Nr 1206/2001 und die VO über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen Nr 805/2004, die VO Nr 1896/2006 v 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, die VO Nr 861/2007 v 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, die VO Nr 4/2009 v 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, die VO Nr 650/2012 v 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses und schließlich die VO Nr 1215/2012 v 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (Neufassung) erlassen. Die Erbrechtsverordnung und die Neufassung der EuGVO sind erst ab 2015 anwendbar. 114 Vgl Storme, FS Matscher 1993, S 495; Kerameus AmJCompL 43 (1995), 401. 115 Vgl generell MuirWatt, Globalisation and Comparative Law, in Reimann/Zimmermann, Comparative Law, 2006, S. 579. 116 Vgl Storme, Rapprochement … 1994; Walter/Walther S 33ff; krit H. Roth ZZP 109 (1996), 271. 117 Vgl H. Roth, in: Recht und Rechtswissenschaft, S 351; Walter/Walther S 8ff; R. Koch EuZW 1995, 78. 118 Zur derzeitigen Lage s D. McIntosh/M. Holmes, Civil Procedures in EC Countries, 1991. 119 Vgl Tarko, österr JZ 1999, 401; Heß NJW 2000, 23; Leible/Staudinger Art 65 EGV im System der EG-Kompetenzen, EuLF 2000/01, 225. 120 Vgl Geiger/Khan/Kotzur, EUV, AEUV, Art 81 AEUV Rz 1ff.
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Auf seiner Sondertagung in Tampere am 15./16.10.1999 hatte der Europäische Rat auch einen „besseren Zugang zum Recht in Europa“ gefordert. Dazu sollten ua „besondere gemeinsame Verfahrensregeln für vereinfachte und beschleunigte grenzüberschreitende Gerichtsverfahren bei verbraucher- und handelsrechtlichen Klagen mit geringem Streitwert sowie bei Unterhaltsklagen und bei unbestrittenen Forderungen“ verabschiedet werden.121 Diese Forderungen sind in einem Maßnahmenprogramm des Rates zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 30.11.2000122 konkretisiert worden. Inzwischen sind diese Pläne im Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union v 4./5.11.2004 fortgeschrieben123 worden. Auf dieser Grundlage hat der Europäische Rat am 17.6.2005 einen Aktionsplan gebilligt.124 Außerdem wurde durch Entscheidung des Rates v 28.5.2001 ein Europäisches Justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen errichtet125 (s u § 7 Rz 68), um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit generell und im Einzelfall zu erleichtern.126
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Die Vereinheitlichung des Prozessrechts macht nicht an den Grenzen der Europäischen Gemeinschaft halt. Unter Führung von G. Hazard und M. Taruffo hat das American Law Institute zusammen mit UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure 2004 verabschiedet, die zu einer Harmonisierung des Prozessrechts der sog common law-Staaten, insb der USA, und der sog civil law-Staaten beitragen sollen.127
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Dem gleichen Ziel dienten die Verhandlungen über ein weltweites Haager Übereinkommen über internationale Zuständigkeit und Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen (s u § 3 Rz 309f u. § 15 Rz 101ff), die leider gescheitert sind.
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Im Bereich des Schiedsverfahrensrechts bemühen sich vor allem UNCITRAL, UNIDROIT und die International Bar Association um einheitliche Regeln, insb. für Schlichtungsverfahren, Schiedsvereinbarungen und für Beweisaufnahmen in internationalen Schiedsverfahren.128
2. Europäischer Gerichtshof und Europäisches Gericht erster Instanz a) Schrifttum 65
Berger, Beweisaufnahme vor dem Europäischen Gerichtshof, FS Schumann, 2001, S 27; P. Biavati, Diritto processuale dell’ Unione Europea, 4. Aufl 2009; F. Gräfin v. Brühl/S. 121 122 123 124 125
„Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat“, NJW 2000, 1925. ABl EG C 12/1 = IPRax 2001, 163. ABl EU 2005, C 53/1. ABl EU 2005, C 198/1; vgl dazu Wagner IPRax 2005, 494. ABl EG Nr L 174/25–31 vom 27.6.2001; zum Vorschlag der Kommission vgl ABl EG C 29E/281 vom 30.1.2001. 126 Vgl Schlosser, FS W. Lorenz, S 409, 410. 127 Vgl Stürner RabelsZ 69 (2005), 201. 128 Vgl Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, 2001; Raeschke-Kessler, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, 2000, S 211, 231ff; Kessler, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 641.
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Wienhues, Rechtssschutz durch die europäischen Gerichte, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 39, 2. Aufl 2010, S 2335; Carpi, Diritto processuale comunitario, 2. Aufl 2000; A. Dashwood/A. Johnston, The Future of the Judicial System of the European Union, 2001; Dauses, Empfiehlt es sich, das System des Rechtsschutzes und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Union … weiterzuentwickeln?, Gutachten D für den 60. DJT, 1994; Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2 Teil P Gerichtsbarkeit der EU, 2010; Hakenberg, Vorschläge zur Reform des europäischen Gerichtssystems, ZEuP 2000, 860; Hakenberg/Stix-Hackl, Handbuch zum Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, 1997; G. Hirsch, Der Europäische Gerichtshof, MDR 1999, 1; G. Hirsch, Europäischer Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht, NJW 1997, 2457; N. Hunnings, The European Courts, 1996; Jung, Das Gericht erster Instanz, 1991; U. Karpenstein/E. Eckart, Neue Verfahrensordnung vor dem EuGH: Änderungen für die anwaltliche Praxis, AnwBl 2013, 247; Kirschner/Klüpfel, Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, 2. Aufl 1998; C. O. Lenz, Die Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft nach dem Vertrag von Nizza, EuGRZ 2001, 433; Lipp, Entwicklung und Zukunft der europäischen Gerichtsbarkeit, JZ 1997, 326; Lipp, Europäische Justizreform, NJW 2001, 2657; Pechstein, EU-/EG-Prozessrecht, 4. Aufl 2011; Pirrung, Zur Zukunft der europäischen Gerichtsbarkeit in Zivilsachen, FS H. Stoll, 2001, S 647; R. Plender, Procedure in the European Courts: Comparisons and Proposals, RdC 267 (1997), 9; R. Plender, European Courts Procedure, 2000; Rabe, Zur Reform des Gerichtssystems der Europäischen Gemeinschaften, EuR 2000, 811; Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl 2003; Rigaux, Tribunal de Premiere Instance, Juris Classeur, Droit Intern. Fasc. 161–20 (1991); Fasc. 161–20–1 (1993); H. Rösler, Europäische Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Zivilrechts, 2012; J. Sack, Zur künftigen europäischen Gerichtsbarkeit nach Nizza, EuZW 2001, 77; Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl 1996, S 133ff; J. Sladicˇ, Einstweiliger Rechtsschutz im Gemeinschaftsprozessrecht, 2008; A. Thiele, Europäisches Prozessrecht, 2007; B. Waegenbaur, The Statute and Rules of Procedure of the ECJ, 2009; B. Waegenbaur, Court of Justice of the EU, 2013; Wienhues/Horvath, Änderungen im Verfahrensrecht der Gerichte der Europäischen Union, EWS 2006, 358; C. Zatschler/V. Luszcz, European Court Procedure, 2012.
– Satzung des Gerichtshofs, Protokoll B zum Vertrag von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union v 26.2.2001, ABl EG 2002 C 325/167. – Verfahrensordnung des Gerichtshofs v 25.9.2012, ABl EU Nr C 337/1 v 6.11.2012 (diese ersetzt die bisherige Verfahrensordnung v 19.6.1991, ABl EG L 176/7 mit zahlreichen Änderungen) – Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz der EG v 2.5.1991, ABl EG Nr L 136/1, geändert ABl EG 1999 L 135/92.
b) Erstinstanzliche Zuständigkeiten Das Gericht erster Instanz der EU (EuG) ist in folgenden Fällen für den unmit- 66 telbaren Individualrechtsschutz natürlicher und juristischer Personen zuständig:129
129 Vgl Lenz EuGRZ 2001, 433, 436.
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§1
Einführung
(1) Nichtigkeitsklagen und Untätigkeitsklagen (Art 263 IV, 265 III AEUV), (3) Schadenersatzklagen wegen außervertraglicher Haftung der Gemeinschaft, unabhängig davon, ob der Schaden durch administratives oder normatives Handeln entstanden ist (Art 268 AEUV), (4) Schiedsklagen aus vertraglichen Rechtsbeziehungen der Gemeinschaft, die aufgrund einer Schiedsklausel anstelle der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit der Zuständigkeit des Gerichtshofs unterstellt sind (Art 272 AEUV). Der Europäische Gerichtshof wird in diesen Fällen nur als Rechtsmittelgericht gegen Entscheidungen des Gerichts erster Instanz tätig.130
c) Gericht für den öffentlichen Dienst der EU 67
Für Klage der Beamten und sonstigen Bediensteten gegen die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft ist seit 2.11.2004 das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union zuständig (Art 270 AEUV; Anhang I des Protokolls Nr 3 zum AEUV).
d) Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 AEUV 68
Schrifttum: Brück, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, 2001; Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EG-Vertrag, 2. Aufl 1995; Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2 Teil P II Vorabentscheidungsverfahren, 2000; Everling, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1986; M. Foerster, Vorabentscheidungsersuchen nach Art 267 AEUV und Anhängigkeit derselben Rechtsfrage am EuGH, EuZW 2011, 901; H. H. Fredriksen, Europäische Vorlageverfahren und nationales Zivilprozessrecht, 2009; Gebauer/Wiedmann/Wienhues, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 41 Gemeinsamer Rechtsschutz durch die deutschen Gerichte und den Europäischen Gerichtshof, 2. Aufl 2010, S 2381; B. Gsell/W. Hau, Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 2012; B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), 470; B. Hess, Die Zukunft des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 19 EUV und Art 267 AEUV, in Gsell/Hau, Zivilgerichtsbarkeit und Europäisches Justizsystem, 2012, S 181; Hummrich, Die Vorlage an den EuGH im Zivilprozess, DRiZ 2007, 43; J. Kokott/Th. Henze/Ch. Sobotta, Die Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und die Folgen ihrer Verletzung, JZ 2006, 633; Kropholler/von Hein, Eine Auslegungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs jenseits des EuGVÜ, FS Großfeld, 1999, S 615; P. Ludewig, Die zeitliche Beschränkung der Wirkung von Urteilen des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren, 2012; Prütting, Grundprobleme und neue Entwicklungstendenzen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 177 EWG-Vertrag, Dike Int. 1994, 1; Reichelt, Vorabentscheidungsverfahren, 1998; Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, 2. Aufl 2005; M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 234 EG, 2005; A. Thiele, Europäisches Prozessrecht (§ 9), 2007, S 134.
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Ähnlich wie das deutsche Bundesverfassungsgericht nach Art 100 GG entscheidet der Europäische Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über die
130 Vgl J. Molinier Juris-Cl. Droit Intern. Fasc. 161–24 (2000).
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Europäisches und internationales Zivilprozessrecht
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Auslegung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten, um die Rechtseinheit in der Europäischen Union zu sichern. Nach Art 267 AEUV entscheidet der Gerichtshof a) über die Auslegung der EU-Verträge, b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union (Einzelentscheidung oder Verordnung). Vorlageberechtigt ist nach Art 267 AEUV jedes Gericht (nicht nur letzt- 70 instanzliche), gleichgültig in welcher Verfahrensart das Ausgangsverfahren stattfindet, nicht jedoch private Schiedsgerichte.131 Eine Vorlage ist auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grds zulässig.132 Soweit es um die Auslegung von Maßnahmen nach Titel IV des EG-Vertrags 71 (Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr) ging, beschränkte Art 68 I EGV aF die Vorlagebefugnis auf letztinstanzliche Gerichte. Diese Einschränkung ist in Art 267 AEUV nicht mehr enthalten. Auch ein Art 68 III EGV aF entsprechendes „objektives“ Auslegungsverfahren 72 auf Antrag des Rates, der Kommission oder eines Mitgliedstaats ist nicht mehr vorgesehen. Nach Art 267 III AEUV sind nur letztinstanzliche Gerichte zur Vorlage ver- 73 pflichtet. Alle anderen Gerichte können über die Vorlage nach ihrem Ermessen ent- 74 scheiden. Kommt gegen eine Entscheidung nur eine Zulassungsrevision oder eine Rechtsbeschwerde in Betracht, so ist das Oberlandesgericht vorlagepflichtig, solange es sich nicht für eine Zulassung entschieden hat. Gegenstand der Vorlage kann jede Frage der Auslegung oder Gültigkeit des Ge- 75 meinschaftsrechts sein, sofern das vorliegende Gericht berechtigte Zweifel hinsichtlich der Lösung hegt. Soweit es um die Auslegung einer Verbraucherschutzrichtlinie geht („missbräuchliche Klausel“), muss das vorlegende Gericht prüfen, ob die streitige Vertragsklausel in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt und möglicherweise missbräuchlich ist.133 Der EuGH ist auch zuständig zur Auslegung von Übereinkommen, die die EU selbst geschlossen hat, nicht aber von internationalen Übereinkommen, die von Mitgliedsstaaten mit Drittstaaten geschlossen wurden.134
131 EuGHE 2005, I-923 (Guy Denuit v Transorient – Mosaique Voyages) = RIW 2005, 454; EuGHE 1999, I-3055 (Rz 34) (Eco Swiss v Benetton) = EuZW 1999, 565; vgl Kokott/Henze/Sobotta JZ 2006, 633f. 132 Vgl Fredriksen, S 311ff, 316ff. 133 EuGHE 2010, I-10847 (VB Pénzügyi Lízing Zrt.) = RIW 2010, 876, 879 (Tz 49ff). 134 EuGHE 2010, I-4107 (TNT Express Nederland v AXA Versicherung) = NJW 2010, 1736, 1739 (Rz 62).
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Eindeutige oder eindeutig auslegbare Regelungen bedürfen keiner Vorlage (Acte-clair-Doktrin).135 Soweit der EuGH eine Frage bereits entschieden hat, bedarf es einer erneuten Vorlage nur, wenn das Gericht erhebliche Zweifel gegen die bisherige Auslegung durch den EuGH hat, diese selbst auslegungsbedürftig ist oder seither in der Literatur ernstliche Zweifel an der Auslegung aufgekommen sind, nicht aber, wenn sich das Gericht der Ansicht des EuGH anschließt.136
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Für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist der EuGH gesetzlicher Richter iS von Art 101 I 2 GG. Soweit eine Vorlagepflicht besteht, muss sich ein deutsches Gericht damit zumindest so auseinandersetzen, dass es im Hinblick auf die Vorlagepflicht vertretbar erscheint.137 Zusammen mit der Vorlage an den EuGH setzt das vorlegende Gericht sein Verfahren aus. Ob die Vorlage weiteren Stellen mitzuteilen ist, richtet sich nach nationalem Recht.138
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Die Vorabentscheidung muss für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sein. Ist ein Vorlageverfahren wegen derselben Rechtsfrage bereits beim EuGH anhängig, so genügt es nach der Praxis, wenn das Gericht sein Verfahren analog § 148 ZPO aussetzt, ohne die Frage selbst erneut vorzulegen.139 Da auf diese Weise eine Beteiligung der Parteien am Verfahren vor dem EuGH abgeschnitten wird, ist diese Praxis nicht ganz unbedenklich.140 Soweit es um die Auslegung von Recht der Europäischen Union geht, muss die Frage dem EuGH vorgelegt werden; eine Vorlage nach Art 100 GG an das Bundesverfassungsgericht ist unzulässig, es sei denn, das vorlegende Gericht stütze den Verfassungsverstoß auf einen eigenständigen Verfassungsverstoß in dem deutschen Umsetzungsgesetz.141
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Der EuGH ist an die Vorlage grds gebunden, kann freilich offensichtlich unberechtigte Vorlagen, durch die das Vorlageverfahren missbraucht werden soll, zurückweisen.142 Bedarf die Vorlagefrage aus der Sicht des EuGH keiner erneuten Entscheidung, kann nunmehr darüber in einem „beschleunigten Verfahren“ entschieden werden.143
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Die Entscheidung des EuGH über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts hat Bindungswirkung gegenüber dem mit dem Ausgangsverfahren befassten Ge135 Vgl Fredriksen, S 180 ff; Gebauer/Wiedmann/Wienhues Kap 41 Rz 16. 136 EuGHE 1982, 3415 (Tz 13f) (SolCILFIT) = NJW 1983, 1257; BGH ZIP 2012, 444 (Tz 25). 137 BVerfG RIW 2010, 792 = NJW 2011, 288. 138 EuGHE 2010, I-10847 (VB Pénzügyi Lízing Zrt.) = RIW 2010, 876, 878 (Tz 28ff). 139 BVerfG NJW 2000, 1484, 1485; BGHZ 162, 373, 378 = FamRZ 2005, 1081; BGH FamRZ 2012, 632; BAG NJW 2011, 1836; BGH RIW 2012, 405. 140 BVerfG RIW 2011, 864; BAG NJW 2011, 1836. 141 Für erneute Vorlage daher Foerster EuZW 2011, 901. 142 Hess, EuZPR, § 12 Rz 21; Gebauer/Wiedmann/Wienhues Kap 41 Rz 13. 143 Lenz EuGRZ 2001, 433, 435.
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Europäisches und internationales Zivilprozessrecht
§1
richt. Eine absolute Bindungswirkung für andere Verfahren und dritte Parteien besteht dagegen nicht.144 Auch ist es dem Gerichtshof selbst möglich, von seiner Entscheidung auf eine erneute Vorlage hin abzuweichen. Entscheidet der EuGH über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht, so fehlt eine § 31 II BVerfGG entsprechende Bindung. Stellt der Gerichtshof freilich die Ungültigkeit einer Handlung eines Gemeinschaftsorgans fest (Einzelentscheidung oder Verordnung), so kann jedes nationale Gericht diese Handlung als ungültig ansehen.
e) Eilverfahren nach Art 107 Verfahrensordnung Schrifttum: Dörr, Das beschleunigte Vorabentscheidungsverfahren, EuGRZ 2008, 349; Kühn, Grundzüge des neuen Eilverfahrens, EuZW 2008, 263; J. Pirrung, Vorrangige, beschleunigte und Eilverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Ehe- und Sorgerechtssachen, FS v. Hoffmann, 2011, S 698; Rieck, Neues Eilvorlageverfahren zum EuGH, NJW 2008, 2958.
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Um die Effektivität des Rechtsschutzes sicherzustellen, hat der EuGH 2008 ein Eilvorlageverfahren eingeführt.145 Dieses Verfahren kann in dringenden Fällen auf Antrag des vorlegenden nationalen Gerichts oder des EuGH-Präsidenten durchgeführt werden. Zur Beschleunigung sind der Kreis der Beteiligten, die Fristen zur Stellungnahme und der Übersetzungsaufwand reduziert.146 In der neuen Verfahrensordnung v 25.9.2012 findet sich dieses Eilverfahren in den Art 107ff (bisher Art 104a).
3. Einheitliches Patentgericht a) Das Gericht. Gleichzeitig mit der Einführung eines Europäischen Einheits- 82 patents zum 1.1.2014 für 25 EU-Mitgliedstaaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligen (nicht Italien und Spanien),147 soll ein Einheitliches Patentstreitregelungssystem eingeführt werden. Durch Übereinkommen (EPGÜ) soll rechtzeitig ein Einheitliches Patentgericht (EPG) errichtet werden.148 Dieses Gericht umfasst ein Gericht erster Instanz, ein Berufungsgericht und eine Kanzlei. In erster Instanz sollen eine Zentralkammer mit Sitz in Paris und zwei Außenstellen in London und München sowie örtliche und regionale Kammern in den Vertragsstaaten geschaffen werden. Das Berufungsgericht soll seinen Sitz in Luxemburg haben. b) Die internationale Zuständigkeit des EPG soll sich aus der Neufassung der 83 EuGVO (VO Nr 1215/2012) oder aus dem Lugano Übereinkommen ergeben (E Art 31 EPGÜ). 144 Vgl Fredriksen, S 231f. 145 ABl EU Nr L 24/39 vom 29.1.2008; jetzt Art 23a Satzung des EuGH Protokoll Nr 3 zum AEUV. 146 Vgl Rieck NJW 2008, 2958; J. Pirrung, FS Spellenberg, 2010, S 467. 147 Gemäß VO (EU) Nr 1257/2012 v 17.12.2012 (ABl EU Nr L 361/1). 148 Rat der EU, Dok 16351/12 (PI 148 COUR 77) vom 11.1.2013. Diese Fassung wurde am 10.12.2012 von den EU-Ministern im Wettbewerbsrat und am 11.12.2012 vom Europäischen Parlament gebilligt.
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§1 84
Einführung
Nach E Art 32 I EPGÜ soll das Einheitliche Patentgericht die ausschließliche Zuständigkeit erhalten für (a) Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten, (a1) Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Patenten, (b) Klagen auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen, (c) Klagen auf Nichtigerklärung von Patenten, (c1) Widerklagen auf Nichtigerklärung von Patenten, (d) Klagen auf Schadenersatz oder auf Entschädigung aufgrund eines vorläufigen Schutzes. (e) Klagen wegen der Benutzung einer Erfindung vor Erteilung eines Patents, (f) Klagen auf Zahlung einer Lizenzvergütung, und (g) Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamtes. Für sonstige Klagen in Bezug auf Patente sind weiterhin die nationalen Gerichte der Vertragsmitgliedstaaten zuständig (E Art 32 II EPGÜ).
4. Vorabentscheidungsverfahren zum EFTA-Gerichtshof 85
Auch die EFTA-Staaten haben einen Gerichtshof in Luxemburg errichtet. Nach Art 34 des Abkommens zwischen den EFTA-Staaten über die Errichtung einer EFTA-Überwachungsbehörde und eines EFTA-Gerichtshofes können dem EFTA-Gerichtshof Fragen der Auslegung des EFTA-Rechts im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt werden. Das Verfahren gleicht weitgehend dem Vorlageverfahren nach Art 267 AEUV an den EuGH.149
5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte a) Schrifttum 86
Adolphsen, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK und Europäischem Zivilprozessrecht, in: Renzikowski, Die EMRK im Privat-, Straf- und öffentlichen Recht, 2004, S 39; A. Bärdsen, Reflections on „Fair Trial“ in Civil Proceedings According to Article 6 § 1 of the European Convention on Human + Rights, Scandinavian Studies in Law 51 (2007), 99; Geimer, Menschenrechte im internationalen Zivilverfahrensrecht, BerDGesVR 33 (1993), 213; S. Haß, Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006; Hess, EMRK, Grundrechte-Charta und europäisches Zivilverfahrensrecht, FS Jayme, 2004, S 339; Mayer-Ladewig/Petzold, Der neue ständige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, NJW 1999, 1165; Mayer-Ladewig/Petzold, Die Bindung deutscher Gerichte an Urteile des EGMR, NJW 2005, 15; Pache, Der Grundsatz des fairen gerichtlichen Verfahrens auf europäischer Ebene, EuGRZ 2000, 601; Papier, Umsetzung und Wirkung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Perspektive der nationalen deutschen Gerichte, EuGRZ 2006, 1; Schlette, Europäischer Menschenrechtsschutz nach der Reform der EMRK, JZ 1999, 219; M. Wolf, Zi-
149 Vgl H. H. Fredriksen, Europäische Vorlageverfahren und nationales Zivilprozessrecht, 2009, S 4ff.
30
Prozessrechtsvergleichung
§1
vilprozessuale Verfahrensgarantien in Art 6 I EMRK als Grundlage eines europäischen Zivilprozessrechts, FS Söllner, 2000, S 1279.
b) Einheitliche Standards Einheitliche Standards des Zivilrechtsschutzes in Europa ergeben sich aus den Verfahrensgarantien des Art 6 I EMRK. Diese Norm garantiert ein faires Verfahren, auch vor den Zivilgerichten der Mitgliedstaaten.150
87
Entscheidungen des EuGHMR binden nach Art 46 EMRK. Sie sind im Inland zu beachten, führen aber nicht unmittelbar zur Durchbrechung der Rechtskraft.151 Nach der Neufassung von § 580 Nr 8 ZPO kann eine Entscheidung aber mittels Restitutionsklage beseitigt werden, wenn der EGMR festgestellt hat, dass diese Art 6 I EMRK verletzt.152 Auch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert 88 Rechte auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht einschließlich des Anspruchs auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.153
c) Kooperation zwischen EGMR, EuGH und BVerfG Schrifttum: H. Sauer, Europas Richter Hand in Hand?, EuZW 2011, 94; H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008.
89
Entscheidungen des EGMR, des EuGH und des BVerfGs können von den jeweils anderen Gerichten anhand zumindest teilweise voneinander abweichender Maßstäbe überprüft werden. Die beteiligten Gerichte sind freilich bemüht, ihre Kompetenzen in wechselseitiger Rücksichtnahme und Kooperation auszuüben. Allerdings wird beklagt, dass das deutsche BVerfG dem EuGH noch keine Auslegungsfrage gemäß Art 267 AEUV vorgelegt hat.154
III. Prozessrechtsvergleichung 1. Allgemeine Ziele Schrifttum: A. Ateia, Le regroupement des families juridiques en droit judiciaire, in: Andolina, Transnational Aspects of Procedural Law, 1998, S 627; O. Chase/Herskoff, Civil Litigation in a Comparative Context, 2007; M. Damaška, The faces of justice and state authority, 1986; Gerber, Comparing procedural systems, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 665; Gilles, Prozessrechtsvergleichung, 1996; Gilles u. Lubinski, Eigenheiten der Prozessrechtsvergleichung, in: Andolina, Transnational Aspects of Procedural Law, 1998, S 967 u. 1091; Goldstein, The Utility of the Comparative Perspective in Understanding, Analyzing and Reforming Procedural Law, Oxford 1999 (= Comparative Law Review Ja150 Vgl Pache EuGRZ 2000, 601; Adolphsen, in: Renzikowski, S 39. 151 Vgl BVerfGE 111, 307 = FamRZ 2004, 1857 (Rixe); S. Haß, S 129ff; Papier, EuGRZ 2006, 1. 152 Vgl Braun, Restitutionsklage wegen Verletzung der EMRK, NJW 2007, 1620. 153 Vgl ABl EG Nr C 364/1 vom 18.12.2000. 154 Süddeutsche Zeitung v 8.3.2013, Nr 57, S 6 „Kritik an Karlsruhe – Deutsche Generalanwältin fordert mehr Zusammenarbeit mit dem EuGH.“
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§1
Einführung
pan 33 (1999), 87; Gottwald, Zum Stand der Prozessrechtsvergleichung, FS Schlosser, 2005, S 227; Habscheid, Introduzione al diritto processuale comparato, 1985; B. Hess, Effektiver Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten aus deutscher und vergleichender Sicht, in: Gottwald, Effektivität des Rechtsschutzes, 2006, S 121; Ishikawa/Mikami, Legal Families in Procedural Law, Keio Law Review 1995 (8), 21; J. Jolowicz, On the comparison of procedures, in: Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, 721; J. Jolowicz, Civil Procedure in the Common and Civil Law, in: Doeker-Mach/Ziegert, Law, Legal Culture and Politics in the 21st Century, 2004, S 55; Koch, Neuordnung der Rechtsfamilien im Prozessrecht; in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 119; Koch, Prozessrechtsvergleichung: Grundlage europäischer Verfahrensrechtspolitik und Kennzeichnung von Rechtskreisen, ZEuP 2007, 735; Koch, Verfahrensrechtsvergleichung zur Kennzeichnung von Rechtskreisen, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 563; T. Kojima, Legal families in procedural law revisited, in: Andolina, Transnational Aspects of Procedural Law, 1998, S 567; G. Miller, The Legal-Economic Analysis of Comparative Civil Procedure, AmJCompL 45 (1997), 905; J. Parker, Comparative Civil Procedure and Transnational „Harmonisation“, in Bork/Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S 387; van Rhee, European Traditions in Civil Procedure, 2005; van Rhee, English and continental civil procedure: similarities today and in the past, Studies in honour of W. Litewski, 2003, S 201; R. Stürner/Ch. Kern, Comparative Civil Procedure-Fundamentals and Recent Trends, GS Konuralp, 2009, S 997; Stürner/Stadler, Eigenarten der Prozessrechtsvergleichung, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 263; P. Taelman, Civil Procedure: International Encyclopedia of Laws, 1991ff; A. Uzelac, Kann die Effizienz der Justiz gemessen werden?, in: Gottwald, Effektivität des Rechtsschutzes, 2006, S 41; St. Vogenauer/Ch. Hodges, Civil Justice Systems in Europe, 2010; J. Zekoll, Comparative Civil Procedure, in Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2006, S 1327.
91
Bereits de lege lata sollte bei der Auslegung der Normen des IZPR einer Auslegung der Vorrang gegeben werden, die zu einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen den Staaten und zu einer Harmonisierung der Rechtsordnungen beiträgt. Der gegenseitigen Information, dem Kennenlernen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, aber auch der Erarbeitung von Vorschlägen zur Rechtsangleichung dienen Grundlagenstudien der Prozessrechtsvergleichung.
2. Prozesskultur, Chancen und Risiken der Prozessführung im Ausland 92
Schrifttum: D. Bamford/R. Caponi, Transnational Litigation and Elements of fair Trial, General reports XIV World congress of Procedural Law, 2011; O. Chase, Law, Culture and Ritual, 2005; O. Chase, American „Exceptionalism“ and Comparative Procedure, AmJCompL 50 (2002), 277; R. Cotterrell, Comparative Law and Legal Culture, in Reimann/Zimmermann, Comparative Law, 2006, S. 709; S. Elsing, Konflikte der Rechtskulturen bei der Beilegung internationaler Streitfälle, ZVglRWISS 106 (2007), 123; V. Gessner, Foreign Courts, Civil Litigation in Foreign Legal Cultures, 1996; V. Gessner, Europas holprige Rechtswege – die rechtskulturellen Schranken der Rechtsverfolgung im Binnenmarkt, FS Reich, 1997, S 263; B. Hess, Aktuelle Brennpunkte des transatlantischen Justizkonflikts, AG 2005, 897; Th. Ingenhofen, Prozessuale Gestaltungsmöglichkeiten ausländischer Unternehmen im Forum London, Diss. Tübingen 1999; R. Marcus, Putting Americas Procedural Exceptionalism into a Globalized Context, AmJCompL 53 (2005), 709; Maxeiner, Die Gefahr der Übertragung des deutschen Rechtsdenkens auf den US-amerikanischen Zivilprozess, RIW 1990, 440; R. Michaels, US-Gerichte als Weltgerichte, DAJV-NL 2006, 46; P. Nouel, International Practice of Law, Liber amicorum Th. Bär und R. Karrer, 1997, S 183; W. Posch, „Amerikanisierung“ oder „Verwilderung der Sitten“?, FS Jelinek, 2002, S 209; Reitz, Grundlegende Unterschiede zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Zivilprozessrecht, ZZP 104 (1991), 381; Schütze,
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Prozessrechtsvergleichung
§1
Konzeptionelle Unterschiede der Prozessführung vor US-amerikanischen und deutschen Gerichten, WM 1983, 1078; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 2. Aufl 1998; Schütze, Internationales Zivilprozessrecht und Politik, FS Georgiades, 2005, S 577; Stürner, U.S.-amerikanisches und europäisches Verfahrensverständnis, FS Stiefel, 1987, S 763; Stürner, Prozessrecht und Rechtskulturen, in: Gilles/Pfeiffer, Prozessrecht und Rechtskulturen, 2004, S 31; Stürner, Class actions und Menschenrechte, FS Georgiades, 2005, S 1299; M. Taruffo, Legal cultures and models of civil justice, FS Nakamura, 1996, S 621; A. Wise, Prozessführung und Schiedsverfahren in den USA, Die Kanzlei 2002, 28.
Ein Prozess im Ausland ist wegen seiner internationalen Dimension (Zustel- 93 lungszeiten, Postlauf, Übersetzungen, Befassung in- und ausländischer Anwälte) häufig zeitlich und finanziell erheblich aufwendiger als ein Inlandsverfahren.155 Nationale Prozessordnungen enthalten zwar vielfach vergleichbare Regelun- 94 gen. Dennoch unterscheidet sich die Prozesskultur von Land zu Land erheblich, Keine Partei darf erwarten, dass Institute des nationalen Verfahrensrechts im Ausland in gleicher Weise gehandhabt würden. Vielmehr bestehen in der Praxis praktische und konzeptionelle Unterschiede hinsichtlich des Verfahrensablaufs, etwa weil sich die Rollenverteilung zwischen den Beteiligten und die Ziele des Verfahrens beträchtlich unterscheiden. Dies gilt insb hinsichtlich des Beweisrechts zwischen Verfahren kontinentaleuropäischen Zuschnitts und dem US-amerikanischen Zivilprozess, aber auch gegenüber Verfahren in Japan.156 Unterschiede bestehen hinsichtlich der Möglichkeit der Vollstreckung aus nicht rechtskräftigen Entscheidungen157 und der Dauer des Verfahrens. Hinzuweisen ist auf die Risiken von Sammelklagen (class action) und Klagen 95 auf Ersatz von punitive damages,158 das Discovery-Verfahren und die Ziviljury, die generelle American rule fehlender Kostenerstattung,159 die höheren Anwaltskosten und die Dauer des Prozesses in den USA.160 Regelmäßig zwingen diese Gründe zu einem Vergleich;161 nur ein minimaler Prozentsatz der anhängig gemachten Verfahren erreicht ein trial. Ein Kläger, der die Wahl zwischen einem Prozess in den USA und Deutschland hat, hat diese Unterschiede im konkreten Fall gegeneinander abzuwägen; die beste Lösung ist dann evtl. ein „midatlantic-settlement“.162
155 Vgl Schermers, Essays in honour of Voskuil, 1992, 279. 156 Vgl Yamauchi/Cohen, Understanding the incidence of litigation in Japan, Int.Lawyer 25 (1991), 443. 157 Vgl Walter, IZPR der Schweiz, S 376, 395, 418. 158 Vgl Schütze RIW 2004, Heft 7 (Erste Seite); Stürner, FS Georgiades, S 1299. 159 Vgl S. Neufang, Kostenverteilung im US-amerikanischen Zivilprozess, 2002, S 31ff. 160 Vgl R. Weintraub, The United States as a Magnet Forum, in: Goldsmith, International Dispute Resolution, 1997, S 213ff; Ch. Platto, Economic Consequences of Litigation Worldwide, 1999. 161 Vgl Heidenberger RIW 1997, 464. 162 Silva, Texas Int’lL.J. 28 (1993), 479, 495ff.
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§1
Einführung
Gleichwohl locken die Hoffnung auf hohen Schadenersatz nach einem jury trial und die Möglichkeit der class action viele Kläger zu einem Verfahren in den USA. 96
Das IPR der jeweiligen lex fori bestimmt das in der Sache anwendbare Recht. Da das IPR nicht vereinheitlicht ist, können sich aus der Wahl des Gerichtsstaats erhebliche Vorteile (forum shopping) oder Nachteile ergeben.163
97
Schließlich ist zu bedenken, ob aus der Entscheidung tatsächlich vollstreckt werden kann, dh ob der Beklagte Vermögen im Gerichtsstaat hat oder die Entscheidung in Staaten, in denen Vollstreckungsobjekte belegen sind, anerkannt werden kann.164
163 Walter, IZPR der Schweiz, S 98ff.; vgl de Vareilles-Sommières, Forum shopping in the European Judicial Area, 2007. 164 Walter, IZPR der Schweiz, S 104ff.
34
§ 2 Grenzen der Gerichtsbarkeit Inhaltsübersicht I. Die Staatsimmunität 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Immunität ausländischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Act of State-Doktrin . . . . . . 5. Die Immunität ausländischer Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder, Staatsorgane. . . . . . . 6. Die Immunität von Personen des öffentlichen Rechts und Staatsunternehmen . . . . . . . . . . 7. Wirkung der Immunität im Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . a) Zustellung der Klage an den ausländischen Staat . . . . . . . . b) Tätigkeit des Gerichts . . . . . . c) Entscheidung unter Verstoß gegen Immunität . . . . . . . . . . 8. Fehlende Klagbarkeit kraft Besatzungsrechts . . . . . . . . . . . . 9. Arrestverfahren und Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 5 30
31
34 36 37 43 45 47
10. Die Immunität von Staatsschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Die Immunität von Diplomaten und Konsuln 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Immunität von Mitgliedern der diplomatischen Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Unverletzlichkeit des Gesandtschaftsgebäudes . . . . . . 4. Die Immunität von Mitgliedern der konsularischen Vertretungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkungen der Immunität . . . .
56
57 67
69 76
III. Die Immunität internationaler Organisationen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Funktionale Immunität internationaler Organisationen . . . . 81 3. Die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte, insb von NATO-Truppen . . . . . . . . . . . . . 100
48
I. Die Staatsimmunität 1. Schrifttum a) Allgemeines: E. Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, 2005; Barnhoorn, The Service of Process on a foreign state, Essays in Honour of Voskuil, 1992, 1; Baumgartner, Human rights and civil litigation in US courts, Washington Univ.L.Q. 80 (2002), 835; M. Berentelg, Die Act of State-Doktrin als Zukunftsmodell für Deutschland, 2010; J. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998; Beys, Die Staatenimmunität im Lichte des Grundsatzes der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde, FS Geimer, 2002, S 67; Boguslawskij, Die Regelung der Staatenimmunität in der Gesetzgebung der GUS-Staaten, IPRax 2002, 43; Born, International Civil Litigation in United States Courts, 3. Aufl 1996 (S 335–560); Bourel, Conflits de Juridictions, Immunités de juridiction et d’exécution, Juris-Cl. Droit intern. Fasc. 581–50 (1993); L. Collins, Revolution and Restitution: Foreign States in National Courts, Rec. d. Cours 326 (2007), 9; Dahlhoff, Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen exterritoriale Schuldner in Deutschland, BB 1997, 321; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd I/1, 2. Aufl 1989; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985; G. Delaume, Law and Practice of Transnational Contracts, 1988 (S 223–280); Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, AVR 41 (2003), 201; J. Donoghue, The public face of private international law: prospects for a convention on foreign state immunity, Law and contemp. problems 57 (1994), 305; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, 1990; A. Feldberg, Der Alien Tort Claims Act, 2008; Feld-
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1
§2
Grenzen der Gerichtsbarkeit
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Die Staatsimmunität
§2
Staat als Kläger, IPRax 1991, 209; E. Voyiakis, Access to Court v State Immunity, ICLQ 52 (2003), 297; P. de Waart u. Y. Schrevelius, Embassy employees and state immunity, in: W. Heere, International law and The Hague’s 750th anniversary, 1999, S 111; G. Walter, Immunität in der Zwangsvollstreckung im deutschen und schweizerischen Recht, FS Waseda Universität, 1988, S 771; P.-F. Walter, Gibt es eine Beweislastverteilung bei der Immunität von Staaten?, RIW 1984, 9; K. Weitz, Jurysdykcja krajowa w pustepowaniu cywilnym (Inländische Gerichtsbarkeit im Zivilverfahren), 2005; V. Yarkov, The evolution of jurisdictional immunity doctrine, FS Boguslavskij, 2004, S 231. – United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property (Resolution adopted by the General Assembly 59/38 of 16 December 2004) (abgedruckt in Rev arb 2005, 806 m Einführung Leboulanger S 803); dazu Denza, Fox, Gardiner, Hall, Dickinson u. McGregor ICLQ 55 (2006), 395ff; Foakis/Wilmshurst, State immunity: The United Nations Convention and its effect, Chatham House, ILP BP 05/01; D. Stewart, The UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property, AmJIL 99 (2005), 194. – Baseler Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität v 16.5.1972 (BGBl 1990 II, 35). b) Menschenrechtsverletzungen: Ch. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, 2007; Bröhmer, State Immunity and the Violation of Human Rights, 1997; Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, AVR 41 (2003), 201; Gebauer/Schulze, Kalifornische Holocaust-Gesetze zugunsten von NS-Zwangsarbeitern und geschädigten Versicherungsnehmern und die Urteilsanerkennung in Deutschland, IPRax 1999, 478; Heß, Staatenimmunität und völkerrechtlicher Rechtsschutz bei politischem Mord, IPRax 1993, 110; Heß, Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen, FS Schütze, 1999, S 269; Heß, Entschädigung für NSZwangsarbeit vor US-amerikanischen und deutschen Zivilgerichten, AG 1999, 145; Heß, Kriegsentschädigung aus kollisionsrechtlicher und rechtsvergleichender Sicht, in: Entschädigung nach bewaffneten Konflikten, 2003, S 107; Hobe, Durchbrechung der Staatenimmunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen – NS-Delikte vor dem Areopag, IPRax 2001, 368; M. Kohler, Zivilrechtliche Individualverantwortung transnationaler Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen unter dem Alien Tort Claims Act, FS P. Lindblom, Uppsala 2004, S 335; Oberhammer/Reinisch, Zwangsarbeiter vor deutschen Gerichten, IPRax 2001, 211; Rau, Schadenersatzklagen wegen extraterritorial begangener Menschenrechtsverletzungen: der US-amerikanische Alien Tort Claims Act, IPRax 2000, 558; Rau, Haftung privater Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen?, IPRax 2001, 372; Reinisch, NS-Verbrechen und „potitical questions“, IPRax 2000, 32; Rensmann, Internationale Verbrechen und Befreiung von staatlicher Gerichtsbarkeit, IPRax 1999, 268; Safferling, Zwangsarbeit vor US-amerikanischen Gerichten, NJW 2000, 1922; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, 1997; Tomuschat, Rechtsansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter gegen die Bundesrepublik Deutschland?, IPRax 1999, 237. c) Staatsoberhäupter: J. Dellapenna, Sueing foreign governments and their corporations, 1988; Gornig, Immunität von Statsoberhäuptern, FS Rauschning, 2001, S 457; G. Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern, 2002; Ch. Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, 2002; A. Watts, The legal position in international law of heads of states, heads of governments and foreign ministers, Rec.d.Cours 247 (1994 III), 9. d) Staatsunternehmen: Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, 1992; Esser, Zur Immunität rechtlich selbständiger Staatsunternehmen, RIW 1984, 577; Gramlich, Staatliche Immunität für Zentralbanken?, RabelsZ 45 (1981), 545; Herz, Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, 1996; Krauskopf/Steven, Immunität ausländischer Zentralbanken im deutschen Recht, WM 2000, 269; C.-P. Martens, Doctrine of State Immunity concerning
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Grenzen der Gerichtsbarkeit
State Enterprises, in: Rodriguez/Prell, International Judicial Assistance, 1999, S 221; J. Pullen, Die Immunität von Staatsunternehmen im zivilrechtlichen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, 2012.
2. Einführung 2
Jeder Staat besitzt die Justizhoheit und damit grds die Befugnis, auf seinem Hoheitsgebiet Recht zu sprechen. Insoweit steht ihm die Gerichtsbarkeit zu. Aus der Tatsache, dass alle Staaten für sich eine solche Gerichtsbarkeit in Anspruch nehmen, folgt bereits ein negativer Satz des Völkerrechts, dass kein Staat auf dem Gebiet eines anderen seine Gerichtsbarkeit ausüben darf und dass keinem Staat die Gerichtsbarkeit über einen anderen Staat zusteht. Die inländische Gerichtsbarkeit (facultas iurisdictionis) findet ihre Grenze also an der Immunität fremder Staaten. Diese können demnach grds nicht vor einem inländischen Gericht verklagt werden. Die Immunität der Staaten beruht auf dem Völkergewohnheitsrecht.1 Von vielen ist immer wieder der Satz wiederholt worden „par in parem non habet imperium“. Genau genommen beruht die Immunität der Staaten auf den drei Grundsätzen des Völkerrechts: der Unabhängigkeit, der Gleichheit und der Würde der Staaten. Soweit sich ein ausländischer Staat in Ausübung seiner Hoheitsgewalt betätigt, unterliegt er nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staats.2
3
Der Staat darf aber indirekt oder direkt im Wege der Rechtshilfe (s u §§ 7ff) gegenüber Parteien oder Dritten handeln, die sich im Ausland aufhalten. Seine Gerichte dürfen Vorgänge beurteilen, die sich im Ausland ereignet haben, sofern ihre internationale Entscheidungszuständigkeit besteht (s u §§ 3, 4).
4
Soweit sich ein Staat hoheitlich betätigt, sind seine Handlungen allein deshalb der Jurisdiktion anderer Staaten entzogen (funktionelle Immunität). Dagegen besteht heute keine allgemeine völkerrechtliche Immunität, wenn sich der Staat oder sein Repräsentant privatrechtlich betätigt („acta iure gestionis“). Der Gerichtsstaat kann aber auch insoweit Immunität als persönliches Vorrecht gewähren.3 Zudem macht die Abgrenzung zwischen beiden Bereichen gewisse Schwierigkeiten.
3. Die Immunität ausländischer Staaten 5
§ 20 II GVG lautet: „Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf andere als die in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.“
Nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts sind fremde Staaten von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Bei Bundesstaaten sind grds auch die einzel-
1 BGH NJW 1979, 1101. 2 Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 26 Rz 17; Stein/v. Buttlar Rz 717. 3 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 71 II, S 453.
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nen Gliedstaaten immun.4 Dies gilt nicht im Anwendungsbereich von Art 28 EuStImmÜ (s u Rz 19). a) Lange Zeit wurden Staaten als „absolut immun“ angesehen. Kein Staat 6 konnte gegenüber einem anderen Staat Gerichtsbarkeit ausüben. Seitdem sich die Staaten aber direkt oder indirekt durch Untergliederungen, Agenturen, Behörden oder sonstige Organisationen am internationalen Handel und Wirtschaftsverkehr beteiligen, ließ sich diese Ansicht aus praktischen Gründen nicht mehr aufrechterhalten. Vor allem die sozialistischen Staaten unter Führung der ehemaligen Sowjetunion hatten lange Zeit an der Lehre von der absoluten Souveränität des Staats und der absoluten Staatenimmunität festgehalten.5 Ursprünglich sollten danach auch Handelsvertretungen und Außenhandelsorganisationen an der staatlichen Immunität teilhaben. In den 80er Jahren wurde diese Ansicht dagegen im Interesse geordneter internationaler Wirtschaftsbeziehungen aufgegeben und die rechtliche Selbständigkeit sozialistischer staatlicher Unternehmen und damit ihre Gerichtspflichtigkeit betont.6 Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der Auflösung des Ostblocks und dem sukzessiven Übergang zu marktwirtschaftlichen Ordnungen ist aber davon auszugehen, dass die meisten ehemals sozialistischen Staaten für ihre Handelsbeziehungen heute keine Immunität mehr beanspruchen.7 Art 401 russ. ZPO von 2002 sieht für allgemeine Zivilsachen immer noch eine absolute Staatsimmunität als Grundsatz vor. Art 251 russ. APO von 2002 gewährt Staatenimmunität nur für Tätigkeiten in hoheitlicher Funktion.8 Die heute bei weitem vorherrschende Lehre von der restriktiven Staatsimmu- 7 nität unterscheidet danach, ob ein Staat hoheitsrechtlich (acta iure imperii) tätig geworden ist, oder ob er sich wie ein Privater am Wirtschaftsleben beteiligt hat (acta iure gestionis). Im ersten Fall ist der ausländische Staat jeder Gerichtsbarkeit eines anderen Staats entzogen. Wegen Bombenschäden, die seine Luftwaffe anderen zugefügt hat, kann er daher nicht im Ausland verklagt werden (s aber Rz 13, 16).9 b) Nach inzwischen hM im Völkerrecht ist der ausländische Staat dagegen 8 nicht immun, soweit er sich wie eine Privatperson betätigt, insb Handel treibt. Da sich der moderne Wohlfahrtsstaat aber vielfach aus politischen Gründen wirtschaftlich betätigt, ist die konkrete Abgrenzung im Bereich der staatlich
4 Soergel/Kronke, Anh IV Art 38 Rz 8; Geimer, IZPR, Rz 567ff. 5 Reß ZaöRV 40 (1980), 217, 230ff; Heß, Staatenimmunität, S 189ff. 6 Enderlein RIW 1988, 333; für China vgl Wang, China’s Attitude toward State Immunity, in: International Symposium in Commemoration of the Centennial of The Japanese Association of International Law, 1997, S 168. 7 Vgl Boguslawskij IPRax 2002, 43, 45. 8 Boguslawskij, in Boguslawskij/Trunk, Reform des Zivil- und Wirtschaftsprozessrechts in den Mitgliedstaaten der GUS, 2004, S 19, 31. 9 Österr. OGH IPRax 1996, 41; BGH (III ZB 40/12, 30.1.13) (Rz 11); Seidl-Hohenveldern, Staatenimmunität bei Kriegshandlungen, IPRax 1996, 52.
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kontrollierten Wirtschaft zweifelhaft und wird in der Staatenpraxis nicht völlig einheitlich beantwortet.10 9
Bei privatwirtschaftlicher Betätigung (commercial transaction) können sich die Staaten nicht auf eine Immunität berufen, sondern unterliegen der Gerichtsbarkeit anderer Staaten (so ausdrücklich Art 10 UN-Convention). Das BVerfG hat mehrfach ausgesprochen, dass es keine Regel des allgemeinen Völkerrechts gibt, wonach die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat auch in Bezug auf seine nicht hoheitliche Tätigkeit in jedem Fall ausgeschlossen sei.11 Der ausländische Staat kann daher auf Bezahlung des Werklohns aus einer Reparatur an seinem Botschaftsgebäude verklagt werden.12
10
Keine Immunität besteht auch für Streitigkeiten zwischen einem Staat und einem privaten Arbeitnehmer, der seine Arbeit in einem anderen Staat leistet.13 Sowohl nach Art 11 I UN-Convention als nach Art 5 I EuStImmÜ kann der Arbeitnehmer den ausländischen Staat verklagen. Dies gilt jedoch nicht, soweit der Arbeitnehmer hoheitliche Funktionen für den ausländischen Staat ausübt,14 Diplomaten- oder Konsulstatus hat, Staatsangehöriger des ausländischen Staats ist, der Prozess die Sicherheitsinteressen des ausländischen Staats beeinträchtigen würde oder die Zuständigkeit der Gerichte im Arbeitsvertrag (soweit zulässig) schriftlich ausgeschlossen wurde.
11
Ob im Einzelfall ein Hoheitsakt oder eine privatrechtliche Tätigkeit vorliegt, ist nach der Natur der staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses zu entscheiden. Für die Qualifikation ist die nationale lex fori des angerufenen Gerichts maßgeblich.15 Freilich muss dabei zumindest auf den Kernbereich dessen Rücksicht genommen werden, was nach überwiegender Ansicht der Staaten hoheitliche bzw nicht hoheitliche Tätigkeit ist.16 Verschiedene Oberlandesgerichte haben inzwischen bestätigt, dass ausländische Staaten der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, sofern sie sich im Inland privatrechtlich betätigen. So hat das OLG Frankfurt in seinem Urteil v 30.6.1977 ausgesprochen, die Tätigkeit der staatlichen spanischen Verkehrsämter sei privatrechtlicher Natur, auch wenn diese Verkehrsämter als Behörden organisiert seien.17 Das OLG München hat in seinem Urteil v 19.12.1974 bestätigt, dass keine Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben ist, wenn eine nicht hoheitliche Betätigung eines ausländischen Staats vorliegt.
10 Vgl Reß ZaöRV 40 (1980), 217ff; Stein/v Buttlar Rz 719f. 11 BVerfGE 15, 25 = NJW 1963, 435; BVerfGE 16, 27 = NJW 1963, 1732 (Reparatur an Heizung des Botschaftsgebäudes); vgl Heß, Staatenimmunität, S 39ff, 146ff, 292ff; v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 19f. 12 BVerfGE 16, 27 = NJW 1963, 1732; Kropholler, IPR, § 57 I 3a; Soergel/Kronke, Anh IV Art 38 Rz 4. 13 Vgl P. de Waart S 111ff u. Y. Schrevelius S 127ff. 14 BAG (1.7.2010, 2 AZR 270/09) RIW 2011, 167; ArbG Köln RIW 1999, 623 m Anm Kollatz. 15 BVerfGE 16, 27 = NJW 1963, 1732; Soergel/Kronke, Anh IV Art 38 Rz 5. 16 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl 1984, § 1173. 17 RIW/AWD 1977, 720.
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Der beklagte Staat hatte ein Grundstück zur Errichtung eines Generalkonsulats erworben. In dem Rechtsstreit ging es um die Maklergebühr.18 Als nicht hoheitlich sind qualifiziert worden: der Kauf von Waffen, das Betreiben einer Staatsreederei oder einer Omnibuslinie durch die Staatsbahn, der Betrieb eines (Atom-)Kraftwerkes zur Energieversorgung,19 der Bau eines Staudammes,20 die Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie für eine privatrechtliche Verbindlichkeit, die Ausgabe von Staatsanleihen oder Anleihen einer Zentralbank, Verträge über Pipelines und Gasleitungen, das Betreiben eines public relationsInstituts.21 Auch für Verkehrsunfälle22 und Produkthaftungsklagen besteht keine Immunität.23 c) Von den USA ausgehend wird zunehmend behauptet, gegenüber Klagen we- 12 gen Menschenrechtsverletzungen bestehe auch bei hoheitlichem Handeln des Staats keine Immunität.24 Soweit ersichtlich wurde bisher zwar die Immunität des Staats respektiert,25 aber der einzelne Amtsträger, der insoweit nicht kraft Amtes, sondern deliktisch gehandelt habe, in Anspruch genommen.26 Seit 1997 sind gem § 1605 (a) (7) FSIA Schadenersatzklagen in den USA gegen ausländische Staaten zulässig, die den Terrorismus gefördert haben. Allerdings muss ein US-Bürger Verletzter und ein schiedsgerichtliches Streitbeilegungsverfahren gescheitert sein.27 In der Literatur wird teilweise eine generelle Ausnahme von der Immunität für Schadenersatzklagen wegen Menschenrechtsverletzungen gemacht. In Europa wurden Schadenersatzklagen wegen Menschenrechtsverletzungen 13 gegen ausländische Staaten und ihre Amtsträger meist nicht zugelassen, doch ist Deutschland 1997 in Griechenland zunächst zum Schadenersatz wegen eines SS-Massakers aus dem Jahre 1944 verurteilt worden.28 Erst der griechische Oberste Sondergerichtshof hat schließlich die Staatsimmunität für unerlaubte Handlungen bewaffneter Kräfte bejaht.29 Das BVerfG hat die Abweisung einer nochmals in Deutschland erhobenen Klage auf Verfassungsbeschwerde bestätigt und dabei ausgeführt, dass ein Staat nach geltendem Völkerrecht für
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29
RIW/AWD 1977, 49. Heß, Staatenimmunität, S 154ff. OLG Frankfurt IPRax 1999, 247, 249 (dazu Hau S 232). Geimer, IZPR, Rz 583 m.w.N. Heß, Staatenimmunität, S 152f. U.S Court of Appeals (5th Cir.), [1996] ILPr 515. Vgl Stephens/Ratner, International Human Rights Litigation in U.S Courts, 1996; Bröhmer, State Immunity and the Violation of Human Rights, 1997; C. Hailer, Menschenrechte vor Zivilgerichten, 2006; Baumgartner Washington U.L.Rev. 80 (2002), 835. U.S. Court of Appeals, D.C., RIW 1994, 771; vgl Rensmann IPRax 1999, 268. Vgl Heß, FS Schütze, S 269, 272ff; Gibbons/Myers/Dolzer RIW 2004, 899, 900. Vgl Heß, FS Schütze, S 269, 274. Court of First Instance of Levadia, [1998] AJIL 765 (Bantekas); vgl Hobe IPRax 2001, 368; Ipsen/Epping § 26 Rz 20ff. Dike International 2002, 1382 (deutsche Übersetzung); vgl auch BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488.
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hoheitliches Verhalten von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staats befreit sei.30 Nach dem Völkerrecht haben Einzelpersonen bei völkerrechtswidrigem Verhalten keinen eigenen Ersatzanspruch, lediglich ihr Heimatstaat kann selbst auf diplomatischem Wege Wiedergutmachung für seine Bürger verlangen und den Ersatz an die Betroffenen verteilen.31 In der Literatur wird die Ansicht vertreten, bei Scheitern diplomatischer Streitbeilegungsversuche könne der Einzelne in seinem Heimatstaat klagen; für diese Klage sei eine Notzuständigkeit zu eröffnen.32 Allgemein anerkannt dürfte diese These von der eingeschränkten Immunität bei Hoheitsakten aber noch nicht sein.33 14
Art 18 Abs 3 des Haager Entwurfs eines Zuständigkeits- und Anerkennungsübereinkommens v 30.10.1999 sah dementsprechend vor, dass die Verfolgung von Schadenersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch das Übereinkommen nicht eingeschränkt werden soll (wobei über Einzelfragen keine Einigung erzielt wurde).
15
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob verletzte Privatpersonen Ansprüche gegen private Unternehmen geltend machen können, die einen Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen haben.34 Lange Zeit wurde die Geltendmachung von Ersatzforderungen von NS-Zwangsarbeitern gegen deutsche Unternehmen im Hinblick auf das Londoner Schuldenübereinkommen v 27.2.195335 als ausgeschlossen angesehen. Das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ v 2.8.200036 sieht vor, dass ehemalige Zwangsarbeiter und andere von nationalsozialistischem Unrecht Betroffene aus einem kollektiven Fonds, der vom Bund und der deutschen Wirtschaft finanziert wird, entschädigt werden sollen. Nach § 16 dieses Gesetzes sollen weitergehende Ansprüche „im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht“ ausgeschlossen sein. Diese kollektive Abgeltung ist inzwischen auch von einem New Yorker Gericht akzeptiert worden.37
30 BVerfG, NJW 2006, 2542 (Distimo); vgl Siehr FS Kerameus, 2009, S 1293. Zur Vollstreckungsimmunität s IGH, Iurisdictional Immunities of the State (Germany v Italy), Judgment of 3.2.2012. 31 Geimer, IZPR, Rz 135ff. 32 Heß, FS Schütze, S 269, 283. 33 Hobe IPRax 2001, 368, 371f. Zu Entschädigungsklagen von Folteropfern ausländischer Staaten s aber Cremer AVR 41 (2003), 137, 164. 34 Bejaht von LG Stuttgart IPRax 2001, 240 (dazu Oberhammer/Reinisch S 211); vgl Safferling NJW 2000, 1922; Reinisch IPRax 2000, 32 und Rau IPRax 2000, 558 (zu Klagen in USA); Rau IPRax 2001, 372; Heß DAJV-NL 1999, 33; Heß AG 1999, 145; Gebauer/ Schulze IPRax 1999, 478 (zu kalifornischen Holocaust-Gesetzen); Kohler, Zivilrechtliche Verantwortung transnationaler Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen unter dem Alien Tort Claims Act, Festskrift till Per Lindblom, 2004, S 335; A. Feldberg, Der Alien Tort Claims Act, 2008. 35 BGBl II, 331; vgl Heß DAJV-NL 1999, 33, 37; Heß AG 1999, 145, 150f. 36 BGBl I, 1263. 37 Vgl Vagts/Murray, Entschädigungsklagen der Zwangsarbeiter, ZZPInt 7 (2002), 333; Schütze, Internationales Zivilprozessrecht und Politik, FS Georgiades, 2005, S 577.
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Die Staatsimmunität
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Wieder eine andere Frage ist, ob Zwangsarbeiter wegen Amtshaftungsdelikten, 16 die NS-Machthaber begangen haben, die Bundesrepublik in Deutschland verklagen können. Solche Ansprüche werden durch § 8 BEG-SchlG ausgeschlossen.38 Das LG Bonn hat eine Schadenersatzklage wegen der deutschen Beteiligung an einem NATO-Luftangriff auf Jugoslawien 1999 nur als unbegründet abgewiesen.39 Im Beschluss des OLG Frankfurt v 4.5.198240 wurde weiterhin die Frage der 17 sachlichen Immunität geprüft und dabei erörtert, ob kraft Völkergewohnheitsrecht die Zuordnung der Ausnutzung der Erdölvorkommen zum inneren Bereich der staatlichen Souveränität gehöre. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage geprüft, ob der Gerichtsstand des Vermögens, § 23 ZPO, überhaupt heranzuziehen sei. Das OLG lehnte in allen Fällen eine persönliche oder sachliche Immunität ab.41 Freilich ist noch nicht endgültig geklärt, was im Einzelfall zum Kernbereich der staatlichen Souveränität gehört. Auch der Betrieb eines Atomreaktors wurde im Fall Tschernobyl als nicht- 18 hoheitliche Tätigkeit eingestuft.42 Art 13 (e) des Pariser Übereinkommens über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie v 29.7.196043 sieht ausdrücklich vor, dass sich eine Vertragspartei für Klagen, die unter das Übereinkommen fallen, für das Erkenntnisverfahren nicht auf Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen kann. d) Im Europäischen Übereinkommen über die Staatenimmunität v 16.5.197244 19 wurde kasuistisch festgelegt, wann einem Staat keine Immunität zukommt.45 Die grobe Unterscheidung zwischen acta jure imperii und acta iure gestionis wurde in dem Übereinkommen aufgegeben. Gliedstaaten sind nicht immun (Art 28 I). Das Übereinkommen gilt bisher für Belgien, Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz, das Vereinigte Königreich und Zypern. Der ausländische Staat ist danach gerichtspflichtig,
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– wenn er sich ausdrücklich der Gerichtsbarkeit unterworfen hat (Art 2) oder – rügelos auf das Verfahren einlässt (Art 3). – Er ist grds gerichtspflichtig für vertragliche Ansprüche, die im Gerichtsstaat zu erfüllen sind (Art 4), – für Arbeitsstreitigkeiten im Gerichtsstaat (außer mit eigenen Staatsangehörigen) (Art 5), – für Streitigkeiten aus der Beteiligung an einer Gesellschaft (Art 6), 38 39 40 41 42
Vgl OLG Köln IPRax 1999, 251, 253 (dazu Tomuschat S 237). LG Bonn JZ 2004, 572 (dazu Dörr). OLG Frankfurt IPRax 1983, 68. Krit Albert IPRax 1983, 55; Gramlich NJW 1981, 2619. AmtsG Bonn IPRax 1988, 351 (dazu Gundling S 338); Schack, in: Umweltschutz im Völkerrecht und Kollisionsrecht, 1992, 315, 322. 43 BGBl 1976 II, 308. 44 BGBl 1990 II, 34. 45 Vgl Geimer, IZPR, Rz 667ff, 668; Heß, Staatenimmunität, S 210ff.
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§2 – – – –
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aus Handelsgeschäften (Art 7), aus gewerblichen Schutzrechten (Art 8), aus unbeweglichem Vermögen oder Erbschaften im Gerichtsstaat (Art 9, 10) sowie bei Klagen auf Ersatz von Personen- oder Sachschäden, die im Gerichtsstaat eingetreten sind (Art 11).
Da Deutschland eine Erklärung gem Art 24 I abgegeben hat, unterliegen ausländische Staaten hier für actae iure gestionis wie bisher der inländischen Gerichtsbarkeit.46 21
e) Auch nationale Gesetze, wie der US Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) 1976,47 der britische State Immunity Act 1978,48 der Sovereign Immunity Act 1981 von Südafrika, der kanadische State Immunity Act 1982 oder der Foreign States Immunities Act 1985 von Australien folgen bei Unterschieden im Detail demselben restriktiven Ansatz.49 Nach 28 USC § 1330 sind amerikanische Bundesgerichte nur dann für eine Klage gegen einen ausländischen Staat zuständig, wenn nach dem FSIA keine Immunität besteht.50 Dementsprechend hat der US Supreme Court „subject matter jurisdiction“ für eine Klage in Amerada Hess Shipping Corp. gegen die Republik Argentinien verneint, womit Schäden eingeklagt werden sollten, die Schiffe der Klägerin durch argentinische Luftangriffe im Rahmen des Krieges um die Falkland-Inseln erlitten hatten.51 28 USC § 1605 (a) (2) verlangt außerdem, dass der Fall „caused a direct effect in the United States“, damit eine Klage zulässig ist. Bei Streitigkeiten aus internationalen Anleihen genügte es, dass dadurch der Status von New York als internationaler Finanzplatz gefestigt wurde.52
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„Commercial activities“, für die keine Immunität besteht, definiert 28 USC § 1603 (d) als „either a regular course of commercial conduct or a particular commercial transaction or act. The commercial character of an activity shall be determined by reference to the nature of the course of conduct or particular transaction or act, rather than by reference to its purpose“.53 Der Vertrag eines Opernsängers mit einem Stadttheater ist danach kommerzieller Natur.54
46 Schack, in: Umweltschutz im Völkerrecht, 1992, 315, 323. 47 Vgl Republic of Austria v Altmann, 124 S.Ct. 2240 (June 7, 2004); Shapiro v Rep. of Bolivia, 930 F.2d 1013 (2nd Cir. 1991); Esser S 25ff; Heß, Staatenimmunität, S 79ff; Ipsen/Epping § 26 Rz 25. 48 Vgl Fox ICLQ 43 (1994), 193; Esser S 61ff; Jacob, Private International Litigation, 1988, S 291ff; Heß, Staatenimmunität, S 120ff. 49 Rechtsvergleichender Überblick bei BVerfGE 64, 1, 24ff = NJW 1983, 2766; vgl Heß, Staatenimmunität, S 135ff. 50 Vgl Reimann IPRax 1995, 123, 126. 51 488 U.S 428 (1988); Amerada Hess Shipping Corp. v Argentine Rep., 638 F.Supp. 73 (S.D.N.Y. 1986); dazu W. Webster Hasting L.J. 39 (1988), 1109. 52 Weltover v Rep. of Argentina, 941 F.2d 145, 153 (2nd Cir. 1991). 53 Vgl Federal Insurance Co v Richard Rubin, U.S Court of App., 3rd Civ., [1996] I.L. 434; Shapiro v Republic of Bolivia, 930 F. 2d. 1013 (2nd Cir. 1991). 54 Bybee v Oper der Stadt Bonn, [1997] ILPr 42.
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Die Staatsimmunität
§2
Wird ein Staat aus Anlass einer wirtschaftlichen Aktivität verklagt, so trifft 23 ihn die Beweislast, wenn er sich darauf beruft, in Wirklichkeit handele es sich um Folgen hoheitlicher Tätigkeit, für die er Immunität genieße.55 Auf eine bestehende Immunität kann der ausländische Staat ausdrücklich oder 24 durch Einlassung auf den Rechtsstreit verzichten.56 Der Beklagte kann sich in diesem Fall voll verteidigen und auch eine konnexe Widerklage erheben (Art 1 II EuStImmÜ). Ferner besitzt der ausländische Staat als Grundstückseigentümer keine Immunität gegenüber rein dinglichen Klagen (Art 9 EuStImmÜ).57 Der Verzicht muss freilich eindeutig erfolgen. Aus einer Einlassung des Staats als Verwalter eines Fremdvermögens folgt kein Verzicht für ein Verfahren gegen den Staat selbst.58 Aus der Unterwerfung unter ein Erkenntnisverfahren folgt freilich nicht, dass 25 sich der Staat auch der Zwangsvollstreckung unterwirft (Art 23 EuStImmÜ). Allerdings ist eine Vollstreckung in Wirtschaftsvermögen des Staats auch ohne eine derartige Unterwerfung zulässig.59 Anders als vor dem staatlichen Gericht besitzt der Staat vor dem Schieds- 26 gericht keine Immunität, da diese nur gegenüber der Hoheitsgewalt eines anderen Staats besteht.60 Durch Abschluss eines Schiedsvertrags unterwirft sich der Staat auch dem Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs, nicht aber der anschließenden Zwangsvollstreckung.61 Die Immunität hindert den ausländischen Staat nicht, selbst als Kläger auf- 27 zutreten. Mit seiner Klage unterwirft sich der Staat – soweit nötig – der Gerichtsbarkeit. Über eine solche Klage ist daher nach allgemeinen Regeln zu verhandeln und zu entscheiden.62 Dies gilt auch für Widerklagen und selbständige Abwehrklagen (zB nach §§ 767, 771 ZPO).63 Zur Parteifähigkeit des Staats s u § 5 Rz 36. Jedoch kann der ausländische Staat auf die Rechtshilfe der Gerichte eines an- 28 deren Staats – vorbehaltlich abweichender staatsvertraglicher Regelung – nur zur Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche vertrauen; ausländische hoheitliche Ansprüche werden grds nicht durchgesetzt. Über die Abgrenzung sollte freilich nicht nach einer rein innerstaatlichen Qualifikation (lege fori), sondern
55 56 57 58 59 60 61 62 63
Vgl P.-F. Walter RIW 1984, 9. Schack IZVR Rz 190f; Esser S 161f; Soergel/Kronke Anh IV Art 38 Rz 6. Vgl Verdross/Simma § 1174. Drexel Burnham Lambert Group Inc. v Committee of Receivers for A.W. Galadari, US Court of Appeals, 2nd Cir., [1994] ILPr 655. BVerfGE 64, 1, 40 = NJW 1983, 2766; BVerfGE 46, 342, 388 = NJW 1978, 485; BVerfGE 117, 141 = NJW 2007, 2605; Verdross/Simma § 1175. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, 51ff; Berger RIW 1989, 956. Langkeit S 203ff; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl, Kap 4 Rz 12; vgl. BGH (III ZB 40/12 v 30.1.2013) (Rz 14). Rosenberg/Schwab/Gottwald § 19 Rz 17, 24; für England: Jacob, Private International Litigation, 1988, S 309. Schack Rz 191.
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§2
Grenzen der Gerichtsbarkeit
nach den Bedürfnissen einer internationalen Kooperation entschieden werden.64 Unterhaltsregressansprüche öffentlicher Stellen sind deshalb stets klagbar.65 29
Ansprüche aus öffentlichen Anleihen, die ein ausländischer Staat direkt oder durch seine Zentralbank ausgegeben hat, gehören zu den wirtschaftlichen Staatsaktivitäten, so dass sich weder Staat noch Zentralbank auf eine Immunität berufen können.66 Auch eine bestehende Staatsinsolvenz hindert nicht die Rechtsverfolgung kraft völkerrechtlichen Notstands.67
4. Die Act of State-Doktrin 30
Schrifttum: M. Berentelg, Die Act of State-Doktrin als Zukunftsmodell für Deutschland?, 2010.
Mit der Immunität verwandt, aber nicht gleichzusetzen ist die in den common law-Staaten anerkannte Lehre, dass fremde Hoheitsakte zu beachten sind und die Gerichte eines Staats nicht über Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit von Hoheitsakten eines anderen Staats, sei es als Haupt- oder als Vorfrage entscheiden können, wenn dieser Hoheitsakt in Ausübung ausschließlicher Zuständigkeiten im öffentlichen Interesse ergangen ist.68 Mit der Act of StateDoktrin kann aber auf extraterritoriale Wirkungen fremder Hoheitsakte, auch auf Enteignungen aus politischen Gründen oder auf schwere Menschenrechtsverletzungen nicht sinnvoll reagiert werden.69 Diese Doktrin muss daher ihre Grenzen am inländischen ordre public finden.70 Auch darf geprüft werden, ob der Akt dem Recht des erlassenden Staats entspricht.71 Die Act of State-Doktrin ist kein Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts, die deutschen Gerichte haben sie nicht anerkannt.72
64 Vgl A. Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, S 147ff; G. Delaume, Sovereign Immunity and Public Debt, Int.Lawyer 23 (1989), 811; F. Mann, FS Kegel 1987, S 365, 374ff; weitergehend: St. Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlicher Ansprüche im Inland, 1994; für freie Durchsetzung A. Dutta, Die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006. 65 Frank RabelsZ 34 (1970), 70; Brückner, Unterhaltsregress im internationalen Privatund Verfahrensrecht, 1994, S 145ff. 66 US Supreme Court, Rep. of Argentina and Banco Central v Weltover, Inc., 113 S.Ct. 1471 (1993); Vorinstanz: 941 F. 2d 145 (2nd Cir. 1991); dazu G. Delaume AmJIntL 88 (1994), 257; Esser S 186, 201, 221, 237, 258; vgl Krauskopf/Steven WM 2000, 269. 67 LG Frankfurt JZ 2003, 1010 m Anm Reinisch. 68 Vgl Restatement of Foreign Relations Law (Third), 1987, § 443; Born/Westin S 489ff; Hailbronner, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 1997, 3. Abschn Rz 75; Heß, Staatenimmunität, S 51ff; Holstein, Act of State, passim; Stern JDI 133 (2006), 63; M. Berentelg, S 28 ff. 69 Vgl Geimer ZRvgl 5 (1992), 321, 333; Berentelg, S 142 ff. 70 Berentelg, S 21. 71 Dahm/Delbrück/Wolfrum, § 75 III 2 (S 486). 72 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 75 III 4 (S 490); vgl A. Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, 1997.
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Die Staatsimmunität
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5. Die Immunität ausländischer Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder, Staatsorgane Die Immunität des Staats erstreckt sich auf die Staatsoberhäupter. Sie genie- 31 ßen „funktionelle“ Immunität für ihr amtliches Handeln und als Person „persönliche“ Immunität.73 Sie sind damit im gleichen Umfang wie der Staat selbst von der Zivilgerichtsbarkeit befreit. Diese Immunität besteht für amtliches Handeln auch nach dem Ende der Amtszeit, auch für amtlich begangene Verbrechen.74 Persönliche Immunität bei offiziellen Reisen genießen auch die Familienangehörigen des Staatsoberhauptes, die es begleiten, sowie die Mitglieder seiner Suite.75 Die Immunität endet mit Ende der Amtszeit. Ab diesem Zeitpunkt kann das frühere Staatsoberhaupt wegen privater Handlungen auch rückwirkend verklagt werden.76 Für frühere Amtshandlungen besteht die Immunität nach bisher hM fort, doch hat das englische House of Lords dem ehemaligen chilenischen Präsidenten Pinochet die Immunität im Hinblick auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgesprochen.77 Die Immunität gilt nicht nur für den Staat selbst, sondern auch für seine Orga- 32 ne, durch die er gehandelt hat (Regierung, Minister, Beamte etc).78 Immunität genießen danach der Staat mit seinen Behörden, aber auch Zentralbanken,79 Behörden für Zivilluftfahrt, staatliche Presseorgane oder Kulturinstitute, jeweils soweit sie hoheitlich tätig sind, unabhängig davon, ob sie organisatorisch selbständig oder unselbständig auftreten.80 Nach dem Völkergewohnheitsrecht sind Regierungsmitglieder den Staatsober- 33 häuptern und Diplomaten nicht ohne Weiteres gleichgestellt. Diplomatische Immunität genießt ein Regierungsmitglied nur, wenn es „als diplomatischer Vertreter seines Staats in besonderer Mission“ zu betrachten ist. Soweit Regierungsmitglieder ihre Staaten bei internationalen Organisationen und deren Sitzungen vertreten, ist ihnen idR vertraglich Immunität zugestanden. Aber auch außerhalb des Vertragsrechts besteht im Rahmen amtlicher Auslandsreisen dienstliche Immunität.81 Soweit sie sich auf amtliche Einladung in Deutschland aufhalten, genießen sie mit ihrer Begleitung Immunität nach § 20 I GVG.82
73 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 29 III, IV; vgl G. Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern, 2002; Ch. Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, 2002; Gornig, FS Rauschning, 457, 480. 74 Vgl Rensmann IPRax 1999, 268, 269; M. Lüke S 92ff. 75 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 29 III 2 (S 253). 76 Ipsen/Epping § 26 Rz 35; Stein/v. Buttlar Rz 725. 77 House of Lords, ILM 1999, 581; Stein/v. Buttlar Rz 726; vgl M. Lüke S 250ff, 277ff. 78 BGH NJW 1979, 1101 (Leiter von New Scotland Yard); M. Lüke S 103ff. 79 Vgl Krauskopf/Stevens WM 2000, 269; Gramlich RabelsZ 1981, 545. 80 BGH RIW 2010, 72, 73 (Russisches Haus). 81 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 30 II 2; Ipsen/Epping § 26 Rz 36. 82 MüKo/Zimmermann, § 20 GVG Rz 3, 5.
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Grenzen der Gerichtsbarkeit
6. Die Immunität von Personen des öffentlichen Rechts und Staatsunternehmen 34
Ausländischen Staatsunternehmen und Staatshandelsgesellschaften wird idR keine Immunität gewährt, soweit sie nicht im konkreten Fall hoheitlich gehandelt haben.83 Es kommt also nicht darauf an, ob ein Staatsunternehmen rechtlich selbständig ist oder nicht, sondern nur, ob es als Organ des ausländischen Staats gehandelt hat und dieser für die Handlung Immunität genießen würde.84
35
Selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts, Provinzen, Gemeinden, Körperschaften und öffentliche Stiftungen genießen nach hM keine Immunität,85 zunehmend wird aber auf die Funktion abgestellt, die das Staatsunternehmen erfüllt.86 Dies gilt insb für die Immunität von Zentralbanken.87
7. Wirkung der Immunität im Erkenntnisverfahren 36
Besondere Probleme ergeben sich hinsichtlich der Zustellung der Klage an einen ausländischen Staat, der Vertretung des ausländischen Staats im Verfahren, bei der Durchführung der Beweisaufnahme, bei der etwa erforderlichen Urteilsvollstreckung und schließlich beim einstweiligen Rechtsschutz, insb beim dinglichen Arrest gegen Vermögen des ausländischen Staats.88 Es ergeben sich also Fragen, ob der fremde Staat Immunität genießt bzw in welchem Umfang diese gegeben ist, ob gewisse Personen eine Exemtion, dh eine Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit, genießen, ob die Exterritorialität von Teilen des deutschen Staatsgebietes einer Klage im Wege stehen. Die Frage der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts wird erst berührt, wenn die Gerichtsbarkeit gegeben ist, denn die internationale Zuständigkeit setzt die Gerichtsbarkeit voraus.89
83 BVerfGE 64, 1, 23ff = NJW 1983, 2766; OLG Frankfurt RIW 1982, 439; Esser RIW 1984, 577; Ipsen/Epping § 26 Rz 33f; Rauscher IPR, Rz 1621. 84 Kuwait Airways v Iraqi Airways, House of Lords, [1996] ILPr 339, 349ff; Verdross/ Simma § 1176; Herz, Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen, 1996; Esser S 239ff; C.-P. Martens S 221ff. 85 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 71 IV 3; Heß, Staatenimmunität, S 70ff. 86 Schack Rz 181ff; vgl Kuwait Airways Corp. v Iraqi Airways Co., [1995] 1 W.L.R. 1147 = [1996] ILPr 339 [H.L.]; Rensmann IPRax 1998, 44; P. de Sena, Diritto internazionale e immunita funzionale degli organi statale, 1996; Esser, 164ff, 258f; Heß, Staatenimmunität, S 60ff; Soergel/Kronke, Anh IV Art 38 Rz 8. 87 Schack Rz 185ff; Esser, 170, 258f; Krauskopf/Steven WM 2000, 269. 88 Vgl OLG Frankfurt IPRax 1982, 71 (dazu Hausmann S 51); OLG Frankfurt RIW 1981, 484 und IPRax 1983, 68 (dazu Albert S 55). Vgl auch Draft Articles on Jurisdictional Immunities of States and their Property, adopted by International law Commission 1991, ILM 30 (1991), 1565 und Revised Draft Articles for a Convention on State Immunity, Report of the 66th Conference, ILA 1994, S 22. 89 Hausmann IPRax 1982, 52.
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Die Staatsimmunität
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a) Zustellung der Klage an den ausländischen Staat Eine Klage gegen einen ausländischen Staat ist dem nach seinem internen 37 Recht zuständigen Organ auf dem in den § 183 ZPO vorgeschriebenen Weg zuzustellen. Vorrangig ist im Wege der internationalen Rechtshilfe nach den einschlägigen Übereinkommen (Haager Übereinkommen von 1954 oder HZÜ 1965) zuzustellen. Wegen der Bedeutung der Sache ist idR auf diplomatischem Wege zuzustellen (§ 54 ZRHO). Die Justizverwaltung darf die Weiterleitung eines Zustellungsersuchens nicht mit der Begründung ablehnen, dem ausländischen Staat stehe Immunität zu. Denn hierüber entscheidet das Gericht; außerdem kann sich der ausländische Staat auf das Verfahren einlassen und auf seine Immunität verzichten. Diese Chance darf dem Kläger nicht von vornherein genommen werden.90 Weigert sich der beklagte Staat, die Zustellung entgegenzunehmen, kommt eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr 3 u. 4 ZPO in Betracht.91 Staatsvertraglich geregelt ist die Zustellung an ausländische Staaten nur in 38 Art 16 des Baseler Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität.92 Nach Art 16 II ist das das Verfahren einleitende Schriftstück (in Deutschland: die Klageschrift oder der Mahnbescheid) in Urschrift oder Abschrift dem Außenministerium des beklagten Staats auf diplomatischem Weg zur Weiterleitung an die zuständige Behörde gemeinsam mit einer Übersetzung in eine Amtssprache des beklagten Staats zu übermitteln. Zwischen den Vertragsstaaten hat dieses Verfahren ausschließliche Geltung und Vorrang vor dem HZustÜ 1965.93 Nach Art 16 III gilt die Zustellung als bewirkt mit Eingang beim Außenministerium des beklagten Staats. Art 16 IV gewährt dem beklagten Staat eine Einlassungsfrist von mindestens zwei Monaten ab diesem Zeitpunkt. Das Gericht darf keine kürzere Einlassungsfrist bestimmen (Art 16 V). Beteiligt sich der ausländische Staat am Verfahren, gilt die Zustellung als genehmigt (Art 16 VI). Ein Versäumnisurteil darf gegen den Staat nur ergehen, wenn die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt und die Einlassungsfrist abgelaufen ist (Art 16 VII). Nach US-amerikanischem Recht ist einem ausländischen Staat, einer seiner 39 politischen Untergliederungen, einer Behörde oder sonstigen Einrichtung eine Klage gem 28 USC § 1608 und FRCP 4 (j) auf diplomatischem Weg zuzustellen. Die Zustellung an den Staat, ein staatliches Unternehmen oder eine andere staatliche Einrichtung gilt als erfolgt mit der Ablieferung einer Kopie der Ladung und der Klage an den jeweiligen „chief executive officer“ oder nach einer Zustellung entsprechend den Zustellungsregeln im Empfangsstaat. Soweit die Zustellung nach den Haager Übereinkommen zu bewirken ist, darf 40 sie nach HZPÜ 1954 (Art 4) bzw HZustÜ 1965 (Art 13 I) abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine 90 91 92 93
So zu Recht F. Mann NJW 1990, 618. OLG Köln IPRax 1987, 223 (dazu Mansel S 212); Heß RIW 1989, 254ff. BGBl 1990 II 35; Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 142. Barnhoorn, FS Voskuil, 1992, S 1, 10.
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Sicherheit zu gefährden. Was unter Gefährdung der Hoheitsrechte und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines deutschen Landes zu verstehen ist, ist in der ZRHO beispielhaft aufgezählt. Es handelt sich dabei ua um Anträge auf Zustellung einer Klage, eines Zahlungsbescheides, einer Streitverkündung gegen die Bundesrepublik Deutschland oder gegen ein deutsches Land (§ 84 ZRHO). 41
Bei der Erkenntnis der Tatsache, dass die Staaten sich weitgehend am Wirtschaftsleben beteiligen und dass die Immunität daher durchlöchert ist, wird die deutsche Haltung in der ZRHO schwer verständlich. Es kann deshalb nicht erstaunen, wenn andere Staaten sich ähnlich verhalten. Besondere Schwierigkeiten tauchen immer wieder bei den ordnungsgemäßen Zustellungen auf. Das OLG Köln94 hat dazu entschieden: „Ist bei einer Klage gegen einen fremden Staat lediglich zweifelhaft, ob die Weiterleitung des Zustellungsersuchens durch das auswärtige Amt erfolgen werde, so liegen die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vor; es ist dem Kläger zuzumuten, zunächst zu klären, ob eine Auslandszustellung durchführbar ist.“ – Der Kläger verlangte von der UdSSR, vertreten durch die zuständige Behörde, 700 DM wegen Schäden an seiner Gartenanlage durch den Reaktorunfall des Kernkraftwerkes Tschernobyl. – Zunächst hatte der Kläger das Passivrubrum so gewählt, dass der Botschafter der UdSSR in Bonn als Vertreter der Beklagten benannt war. Der zuständige Landgerichtspräsident hatte die Weiterleitung des Gesuchs abgelehnt unter Bezugnahme auf einen Erlass des Justizministers. Nach Änderung des Rubrums meinte das OLG Köln, es sei noch zweifelhaft, ob nunmehr eine Weiterleitung des Gesuchs erfolgen werde. – UE wird deutschen Klägern schon von deutschen Gerichten und Behörden vieles zugemutet. Ein Kläger sollte vielmehr belehrt werden, dass mit einer Annahme der Zustellung schon nach § 84 ZRHO kaum zu rechnen sei. Bei einer öffentlichen Zustellung müsse weiter damit gerechnet werden, dass aus einem Versäumnisurteil in dem fremden Staat nicht mit einer Vollstreckung gerechnet werden könne.95
42
Die Folge davon ist es, dass eine ordnungsgemäße Zustellung nicht bewirkt werden kann. Sicher, es bleibt die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung gem § 185 Nr 3 ZPO. Bei dieser handelt es sich um eine Fiktion. Es fragt sich, ob der deutsche Richter unter solchen Umständen gegen die nicht erschienene Partei – einen fremden Staat – ein Versäumnisurteil erlassen wird. Zumindest wird er gem § 139 ZPO alle diese Schwierigkeiten, auch die einer möglichen Vollstreckung aus einem dennoch ergehenden Versäumnisurteil, mit der klagenden Partei erörtern müssen. Liegt wirklich ein Fall der Immunität vor, so wird der Richter auf einen sachdienlichen Antrag hinwirken, der dahin geht, dass die Klage zurückgenommen wird. Ist die Immunität des beklagten Staats zweifelhaft, so muss ein Versäumnisurteil ergehen, falls das Gericht der Überzeugung ist, der Beklagte habe iure gestionis gehandelt. Dann bleibt nur der Weg über den Einspruch. Kommt dagegen das Gericht zu der Überzeugung, der
94 Beschl v 23.3.1987, IPRax 1987, 233. 95 Vgl hierzu Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 119; Hess, Zur Zustellung von Klagen gegen fremde Staaten, RIW 1989, 254.
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Beklagte falle unter die Immunität, so muss es die Klage als unzulässig abweisen.
b) Tätigkeit des Gerichts Gegen einen Gerichtsbefreiten darf das Gericht nicht tätig werden. Zustellung 43 der Klage, Terminsbestimmung96 oder schriftliches Vorverfahren sind danach unzulässig, wenn die Immunität nach Aktenlage zweifelsfrei besteht.97 Diese Wirkung der Immunität ist mit Art 6 I EMRK vereinbar.98 In einer Zeit der eingeschränkten Immunität ist jeder Richter aber in Zweifels- 44 fällen gehalten, bei Eingang einer Klage gegen einen Exterritorialen den Zivilprozess in Gang zu setzen.99 Er muss also entweder gem § 275 ZPO einen frühen ersten Termin anberaumen oder ein schriftliches Vorverfahren gem § 276 ZPO einleiten. Auch über das Bestehen oder Nichtbestehen von Immunität kann nur im ordentlichen Verfahren entschieden werden.
c) Entscheidung unter Verstoß gegen Immunität Übersieht das Gericht die Immunität, so liegt ein „error in procedendo“ und 45 damit eine Verletzung des Rechts vor. Ein Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 223 ZPO bietet sich schon deswegen an, weil der Beklagte ohne sein Verschulden eine Frist versäumt hat, denn er brauchte sich als nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegend gar nicht auf ein Verfahren einzulassen. Macht der Beklagte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so mag in solchen Ausnahmefällen ein völkerrechtswidriges Urteil hingenommen werden. Man mag dann von einer Wirkungslosigkeit des Urteils sprechen.100 Besser sollte von einem fehlerhaften Urteil die Rede sein.101 Dasselbe gilt für Entscheidungen gegenüber Staatsoberhäuptern, ihren Familienmitgliedern und Bediensteten. Eine Sachentscheidung, die unter Verstoß gegen eine objektiv bestehende Im- 46 munität erlassen wird, ist nichtig und wirkungslos;102 dies gilt auch für Entscheidungen, die günstig für den Gerichtsbefreiten sind.103 Gegen das Urteil
96 So OLG Hamburg MDR 1953, 109. 97 So Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, S 360; Soergel/Kronke Anh IV Art 38 Rz 13; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, S 161, geht von einer Prozesswirksamkeitsvoraussetzung aus, deren Mangel zu einer Abweisung „a limine“ führe; Wieczorek/Schreiber § 18 GVG Rz 5. 98 Holland v Lampen-Wolte, [2001] ILPr 773, 778 (H. L.). 99 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 19 Rz 14; aA lediglich für formlose Terminsmitteilung und abgesonderte Verhandlung in Zweifelsfällen Linke/Hau, IZVR, Rz 76. 100 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 19 Rz 15, § 62 Rz 23. 101 Habscheid FamRZ 1972, 214. 102 BGHZ 182, 10, 16 (Rz 20) = NJW 2009, 3164; Kegel/Schurig, IPR, § 22 I (S 894); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf §§ 18–20 GVG Rz 2; MüKo/Zimmermann, § 18 GVG Rz 5. 103 Wieczorek/Schreiber § 18 GVG Rz 10.
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kann aber Rechtsmittel eingelegt werden. Bejaht das Gericht die Gerichtsbarkeit durch rechtskräftig gewordenes Zwischenurteil gem § 280 ZPO, so sind die Gerichte daran nicht gebunden.104 Eine ausländische Entscheidung unter Verstoß gegen eine Immunität wird im Inland nicht anerkannt (s u § 12 Rz 151).
8. Fehlende Klagbarkeit kraft Besatzungsrechts 47
Nach der Aufhebung des Besatzungsstatuts durch den Moskauer Vertrag v 12.9.1990 gibt es nur noch wenige Beschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit. Eine Fortwirkung des Überleitungsvertrags idF v 23.10.1954105 wird etwa weiterhin hinsichtlich von den Alliierten beschlagnahmten deutschen Vermögens angenommen,106 nicht aber für Ansprüche von Zwangsarbeitern.107
9. Arrestverfahren und Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten 48
Die Frage wurde akut, als auf Antrag amerikanischer Gläubiger Bankguthaben eines iranischen Staatsunternehmens mit Arrest belegt wurden. Das OLG Frankfurt hatte zu prüfen, ob dieses sich auf die Immunität berufen konnte.108 Es führte im Beschluss v 11.5.1981109 ua aus, die Frage, ob einem fremden Staat Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit zu gewähren sei, sei getrennt für das Erkenntnisverfahren und das Zwangsvollstreckungsverfahren zu beantworten.
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Für das Zwangsvollstreckungsverfahren bestehe eine allgemeine Regel des Völkerrechts dahin, dass gegen einen fremden Staat aus einem Vollstreckungstitel, der über ein nicht hoheitliches Verhalten dieses Staats ergangen ist, in der Bundesrepublik Deutschland in dort befindliche Gegenstände dieses Staats nicht vollstreckt werden darf, soweit diese im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahmen hoheitlichen Zwecken des fremden Staats dienen110 (s u § 19 Rz 24ff). Dient das Vermögen dagegen nicht hoheitlichen Zwecken, so steht es dem Vollstreckungszugriff offen.111 Die Abgrenzung von hoheitlichen und nichthoheitlichgen Zwecken ist nach der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorzunehmen.112
104 BGHZ 182, 10, 16 (Rz 20) = NJW 2009, 3164. 105 BGBl 1955 II, 405. 106 Vgl OLG Köln VIZ 1998, 213; BVerfG IPRax 1998, 482; dazu Fassbender NJW 1999, 1445. 107 Vgl LG Stuttgart IPRax 2001, 240 (dazu Oberhammer/Reinisch S 211); s o Rz 15. 108 OLG Frankfurt IPRax 1982, 71; OLG Frankfurt RIW/AWD 1981, 484; OLG Frankfurt IPRax 1983, 68. 109 OLG Frankfurt RIW/AWD 1981, 484 = NJW 1981, 2650. 110 BVerfGE 46, 342 = NJW 1978, 485ff.; BVerfGE 117, 141, 153ff = NJW 2007, 2605 (Vollstreckung in Botschaftskonten); BVerfG NJW 2012, 293, 295. 111 BGH WM 2008, 2302. 112 BVerfG NJW 2012, 293, 295.
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10. Die Immunität von Staatsschiffen Kriegs- und Staatsschiffe, ausländische Streitkräfte, Militärflugzeuge etc sind, 50 soweit sie sich im Hoheitsgebiet eines anderen Staats aufhalten, nicht exterritorial, also nicht Teil des ausländischen Staatsgebiets, sondern nehmen lediglich an der Immunität des ausländischen Staats teil.113 Befinden sich Staatsschiffe fremder Staaten in den Häfen oder Küstengewässern der Bundesrepublik Deutschland, so kann diese keine amtlichen Handlungen auf ihnen vornehmen. Zustellungen und Ladungen können also ohne Zustimmung des Kapitäns nicht bewirkt werden. Arreste, Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Zwangsversteigerungen dürfen nicht vorgenommen werden. Die Art 95, 96 UN-Seerechtsübereinkommen 1982 regeln nur die Immunität von Kriegsschiffen oder anderen im Staatsdienst (nicht für Handelszwecke) genutzten Schiffen auf Hoher See. Diese Grundsätze waren bereits in dem am 10.4.1926 in Brüssel unterzeichne- 51 ten Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität von Staatsschiffen enthalten.114 Vertragsstaaten waren damals das Deutsche Reich, Belgien, Brasilien, Dänemark, Island, Spanien, Estland, Frankreich, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, Indien, Ungarn, Italien, Japan, Lettland, Mexiko, Norwegen, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, Schweden.115 Nach Art 1 UN-Seerechtsübereinkommen werden die einem Staate gehören- 52 den oder von ihm verwendeten Schiffe grds den gleichen Regeln über die Verantwortlichkeit und den gleichen Verbindlichkeiten wie private Schiffe, Ladungen und Schifffahrtsunternehmungen unterworfen. Ebenso wird nach Art 2 grds die gleiche Zuständigkeit der Gerichte und der gerichtlichen Verfahren wie für die einer Privatperson gehörenden Handelsschiffe oder wie bei privaten Ladungen bejaht. Nach Art 3 sind hiervon jedoch ausgenommen: Kriegsschiffe, Staatsjachten, Schiffe des Überwachungsdienstes, Hospitalschiffe, Hilfsschiffe, Proviantschiffe und andere Fahrzeuge, die einem Staate gehören oder von ihm verwendet werden und die zur Zeit des Entstehens der Forderung ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt sind und verwendet werden. Es heißt ausdrücklich: „diese Schiffe werden nicht zum Gegenstand einer Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung durch irgendeine gerichtliche Maßregel gemacht und unterliegen keinem gerichtlichen Verfahren ‚in rem‘.“ Nach Art 3 § 1 II können die Beteiligten aber gewisse Ansprüche bei den zu- 53 ständigen Gerichten des Staats, dem das Schiff gehört oder der es verwendet, geltend machen, ohne dass dieser Staat sich auf eine Immunität berufen kann. Dabei handelt es sich um folgende Ansprüche:
113 Vgl Dahm/Delbrück/Wolfrum § 74 II, III; Verdross/Simma § 1027; Menzel, Die Immunität der Staatsschiffe, 1981; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, 2007, § 21 (S 1160). 114 RGBl 1927 II, 484; vgl Heß, Staatenimmunität, S 206ff. 115 Vgl Hoog AVR 20 (1982), 314.
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„1. Ansprüche aus Anlass von Schiffszusammenstößen oder anderen Schifffahrtsunfällen, 2. Ansprüche aus Anlass von Hilfeleistung und Bergung in Seenot oder großer Havarie, 3. Ansprüche aus Anlass von Ausbesserungen, Lieferungen oder anderen das Schiff betreffenden Verträgen.“
Nach Art 3 § 2 finden die gleichen Regeln Anwendung auf Ladungen, die einem Staat gehören und an Bord der genannten Schiffe befördert werden. Nach Art 3 § 3 sind auch Ladungen, die einem Staat gehören und an Bord von Privatschiffen für staatliche und nicht für Handelszwecke befördert werden, nicht Gegenstand einer Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung durch irgendeine gerichtliche Maßnahme und unterliegen keinem gerichtlichen Verfahren „in rem“. Wegen der in Art 3 § 1 II aufgezählten Ansprüche gelten wiederum Ausnahmen. 54
In dem am 24.5.1934 in Brüssel unterzeichneten Zusatzprotokoll zu dem internationalen Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität von Staatsschiffen116 sind gewisse Begriffsbestimmungen festgelegt worden. Abraham117 meint, das Abkommen von 1926 beschränke im Hinblick auf den Kredit staatlicher Handelsschiffe und staatlicher Ladungen deren Immunität gegenüber privatrechtlichen Ansprüchen. Colombos118 weist zu Recht darauf hin, dass das Brüsseler Abkommen von 1926/1934 die gefährliche Möglichkeit einer in der Praxis unterschiedlichen Auslegung in sich birgt, weil die von einem diplomatischen Vertreter des betreffenden Staats ausgestellte Bescheinigung den Beweis über die Art des Dienstes, für den das Schiff bestimmt ist, erbringt.
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Der auf der Genfer Seerechtskonferenz im Jahre 1958 angenommene Grundsatz, dass die einem Staat gehörenden oder von ihm betriebenen und nur nichtgewerblichen Regierungszwecken dienenden Schiffe die volle Immunität von der Gerichtsbarkeit aller anderen als ihres Flaggenstaats haben, enthält insofern eine Weiterentwicklung des Brüsseler Abkommens von 1926/1934, als er auch für Staaten gilt, die nicht Vertragsstaaten der Brüsseler Abkommen sind. Soweit Seeschiffe mehr wirtschaftlichen Zwecken dienen, müssen die subjektiven Anwendungsgrenzen des Brüsseler Übereinkommens v 10.5.1952 über den Arrest von Seeschiffen berücksichtigt werden.119 Für Handelsschiffe können keine Immunitäten beansprucht werden. Gleichwohl ist zweifelhaft, inwieweit sie der Jurisdiktion des jeweiligen Küstenstaats unterliegen.120 116 117 118 119 120
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RGBl 1936 II, 303. Das Seerecht, 1974, 20. Colombos, Internationales Seerecht, 1963, S 221. Kerameus, FS Nagel, 1987, S 133. Vgl H. Yang, Jurisdiction of the Costal State over Foreign Merchant Chips in International Waters and the Territorial Sea, 2006.
Die Immunität von Diplomaten und Konsuln
§2
II. Die Immunität von Diplomaten und Konsuln 1. Schrifttum C. Barker, The abuse of Diplomatic Privileges and Immunities, 1996; Bolewski, Les privilèges diplomatiques dans la pratique, Rev.int.belge 2005, 295; Brown, Diplomatic Immunity; State Practice under the Vienna Convention, ICLQ 37 (1988), 53; Denza, Diplomatic Law, 2. Aufl 1998; Hecker/Müller-Chorus, Handbuch der konsularischen Praxis, 2005; H. Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, 2007 (§§ 11–16); Leipold, Immunität versus Rechtsschutzgarantie, FS G. Lüke, 1997, S 353; Lewis, State and Diplomatic Immunity, 2. Aufl 1985; G. McClanahan, Diplomatic Immunity, 1989; Massicci/Garcimartin Alférez, Grundrechte und Immunität der Angehörigen ausländischer diplomatischer Missionen, IPRax 1997, 129; Nahlik, Development of Diplomatic Law, RdC 1990 III, 187; Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, 1994; Seidenberger, Die diplomatischen und konsularischen Immunitäten und Privilegien, 1994.
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2. Die Immunität von Mitgliedern der diplomatischen Missionen § 18 GVG lautet:
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„Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl 1964 II, 957ff) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Das gilt auch, wenn ihr Entsendestaat nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist; in diesem Falle findet Art 2 des Gesetzes vom 6. August 1964 zu dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (BGBl 1964 II, 957) entsprechende Anwendung.“
Zum Verständnis des § 18 GVG muss also das Wiener Übereinkommen über di- 58 plomatische Beziehungen v 18.4.1961 herangezogen werden. In diesem Übereinkommen wird an verschiedenen Stellen von der Immunität von der Zivilund Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaats gesprochen. Immunität bedeutet nicht, dass der Diplomat exterritorial oder nicht den allgemeinen Rechtsregeln unterworfen wäre, sondern nur Freistellung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats, primär wegen seiner Amtstätigkeit (funktionelle Immunität). Als Repräsentant seines Staats genießt der Diplomat aber auch persönliche Immunität. Der Diplomat darf nicht gegen seinen Willen verklagt oder sonst in ein Verfahren verwickelt werden. Er braucht daher auch nicht als Zeuge (Art 31 II WÜD) oder Sachverständiger auszusagen, kann aber dazu (ohne Ladung) aufgefordert werden.121 Zwangsmaßnahmen jeder Art, auch Arreste und einstweilige Verfügungen sind mit der Immunität unvereinbar.122 Diese Vorrechte bestehen ab der Einreise in den Empfangsstaat bis zur Ausreise (Art 39 WÜD). Die zivilgerichtliche Immunität der Diplomaten kennt nach Art 31 I 2 WÜD 59 drei Ausnahmen. Zulässig sind danach: „a) dingliche Klagen in Bezug auf privates, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats gelegenes unbewegliches Vermögen, es sei denn, dass der Diplomat dieses im Auftrag des Entsendestaates für die Zwecke der Mission in Besitz hat;
121 Verdross/Simma § 903; Stein/Jonas/Berger, ZPO, § 377 Rz 10. 122 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 35 I 4.
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Grenzen der Gerichtsbarkeit
b) Klagen in Nachlasssachen, in denen der Diplomat als Testamentsvollstrecker, Verwalter, Erbe oder Vermächtnisnehmer in privater Eigenschaft und nicht als Vertreter des Entsendestaats beteiligt ist; c) Klagen im Zusammenhang mit einem freien Beruf oder einer gewerblichen Tätigkeit, die der Diplomat im Empfangsstaat neben seiner amtlichen Tätigkeit ausübt“.
Die letzte Ausnahme steht in einem gewissen Widerspruch zu Art 42, wonach ein Diplomat im Empfangsstaat keinen freien Beruf und keine gewerbliche Tätigkeit, die auf persönlichen Gewinn gerichtet ist, ausüben darf. Offenbar wird davon ausgegangen, dass sich nicht alle Diplomaten an das Verbot des Art 42 halten. 60
Begünstigte der diplomatischen Immunität. Nach Art 37 I WÜD genießen die zum Haushalt eines Diplomaten gehörenden Familienmitglieder die gleiche Exemtion von der deutschen Gerichtsbarkeit. Es wird allerdings eine Ausnahme gemacht: die Familienmitglieder des Diplomaten dürfen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Nach Art 37 II genießen die Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission und die zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind, die Immunität für Handlungen, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit vorgenommen haben – die sog Amtsexemtion.123 Dieselbe Amts-Exemtion genießen die Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Mission, die weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind (Art 37 III). Nach Art 38 I genießen Diplomaten, die Angehörige des Empfangsstaats oder in demselben ständig ansässig sind, ebenfalls nur eine Amtsexemtion.124
61
Private Hausangestellte von Mitgliedern der Mission genießen grds überhaupt keine Exemtion. Eine solche und deren Umfang muss der Empfangsstaat besonders zugelassen haben (Art 37 IV WÜD).
62
Art 40 gewährt durchreisenden, in Drittstaaten akkreditierten Diplomaten, ihren Familienmitgliedern und dem Personal dieselben Befreiungen wie zu Rz 60f ausgeführt ist. Dies gilt auch für diplomatische Kuriere im Durchreiseverkehr (Art 40 III, 27 V, VI WÜD).
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Die Exemtion hindert die betreffenden Personen nicht, ihrerseits Klagen vor den Gerichten des Empfangsstaats zu erheben, und zwar ohne Zustimmung des Entsendestaats.125 In diesen Fällen können sie sich allerdings nicht auf die Exemtion von dessen Gerichtsbarkeit berufen, wenn die beklagte Partei eine Widerklage, die mit der Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht, erhebt (Art 32 III WÜD). Im Übrigen kann der Entsendestaat auf die Exemtion von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats verzichten. Ein solcher Verzicht 123 Ipsen/Fischer § 35 Rz 54f. 124 Vgl Ipsen/Fischer § 35 Rz 52. 125 BGHZ 189, 87 = FamRZ 2011, 788 (Gottwald) = JR 2012, 119 (Brunner); Vorinstanz: KG FamRZ 2010, 1589 (Scheidungsklage eines deutschen Diplomaten in Albanien).
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Die Immunität von Diplomaten und Konsuln
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muss jedoch ausdrücklich erklärt werden. Er gilt nicht zugleich als Verzicht auf die Exemtion von der Urteilsvollstreckung. Hierfür wird ein besonderer Verzicht des Entsendestaats gefordert (Art 32 I, II, IV WÜD). Die geschützte Person kann also durch rügelose Einlassung nicht auf die Exemtion verzichten. Die Exemtion von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats befreit die betref- 64 fenden Personen nicht von der Gerichtsbarkeit des Entsendestaats (Art 31 IV WÜD). Diese Vorschrift entspricht § 15 ZPO, wonach Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie die im Ausland beschäftigten deutschen Angehörigen des öffentlichen Dienstes den Gerichtsstand ihres letzten inländischen Wohnsitzes behalten. Wenn sie einen solchen Wohnsitz nicht hatten, haben sie ihren allgemeinen Gerichtsstand am Sitz der Bundesregierung. Danach können also alle unter die Exemtion von der deutschen Gerichtsbarkeit fallenden Personen in ihren Heimatländern verklagt werden.126 Durch das Europäische Übereinkommen über die Staatenimmunität scheint 65 in die persönlichen Exemtionen der Diplomaten Bewegung zu kommen. Der OGH von Österreich hat die Immunität der Vereinigten Staaten verneint, als es um den Schaden ging, der aus einem Verkehrsunfall anlässlich einer Dienstfahrt einer US-Botschaft entstanden war.127 Die Mitglieder von ständigen diplomatischen Vertretungen bei solchen Organisationen, Mitglieder von Delegationen zu einem Organ oder zu einer Konferenz der Organisation genießen Vorrechte und Immunitäten wie die bei einem Staat akkreditierten Diplomaten.128 Zusätzlich ist nach Völkergewohnheitsrecht die Immunität von diplomati- 66 schen Mitgliedern von Spezialmissionen, die mit dem Empfangsstaat vereinbart sind, anzuerkennen.129 Die UN-Konvention über Spezialmissionen v 16.12.1969 ist von Deutschland jedoch nicht ratifiziert worden.
3. Die Unverletzlichkeit des Gesandtschaftsgebäudes Im Interesse eines geordneten und guten diplomatischen Verkehrs zwischen 67 den Staaten sind die Räume der diplomatischen Missionen sowie die Wohnungen der Diplomaten (Art 30 WÜD) mit allen dazu gehörenden Einrichtungen unverletzlich (Art 22 I WÜD), dh vor dem Zugriff der Behörden des Empfangsstaats geschützt. Sie werden freilich nicht so behandelt, als wären sie exterritorial, lägen also quasi außerhalb des Empfangsstaats. Die Unverletzlichkeit schließt Vollstreckungsakte gegen oder in den geschützten Räumen aus, deren Durchsuchung und die Durchsuchung der darin befindlichen Personen (Art 22
126 127 128 129
Vgl Leipold, FS G. Lüke, S 353, 360ff. Zustimmend Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 586. Verdross/Simma § 939. Ipsen/Fischer § 36 Rz 1ff, 8; zum Fall Tabatabai vgl BGHSt 32, 275 = NJW 1984, 2048.
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III WÜD). Unzulässig ist die Zustellung von Ladungen oder von Urteilen außerhalb des diplomatischen Verkehrs.130 68
In dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen hat man sich gem Art 22131 auf folgenden Begriff der Exterritorialität, sofern man noch von einer solchen sprechen will, geeinigt: „(1) Die Räumlichkeiten der Mission sind unverletzlich. Vertreter des Empfangsstaats dürfen sie nur mit Zustimmung des Missionschefs betreten. (2) … (3) Die Räumlichkeiten der Mission, ihre Einrichtung und die sonstigen darin befindlichen Gegenstände sowie die Beförderungsmittel der Mission genießen Immunität von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung und Vollstreckung.“
Nach Art 24 WÜD sind die Archive und Schriftstücke der Mission jederzeit unverletzlich, wo immer sie sich befinden. Ebenso ist die amtliche Korrespondenz der Mission unverletzlich (Art 27 II WÜD). Das diplomatische Kuriergepäck darf nicht geöffnet und zurückgehalten werden (Art 27 III WÜD). Art 30 WÜD betrifft die Privatwohnungen der Diplomaten. Diese werden ebenso geschützt wie die Räumlichkeiten der Mission. Papiere, Korrespondenz und Vermögen der Diplomaten sind ebenfalls unverletzlich.
4. Die Immunität von Mitgliedern der konsularischen Vertretungen 69
§ 19 GVG lautet: „Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten konsularischen Vertretungen einschließlich der Wahlkonsularbeamten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (BGBl 1969 II, 1585) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Dies gilt auch, wenn ihr Entsendestaat nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist; in diesem Falle findet Art 2 des Gesetzes vom 26.8.1969 zu dem Wiener Übereinkommen vom 24.4.1963 über konsularische Beziehungen entsprechende Anwendung. Besondere völkerrechtliche Vereinbarungen über die Befreiung der in Abs 1 genannten Personen von der deutschen Gerichtsbarkeit bleiben unberührt.“
70
Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen. Nach Art 43 I WÜK unterliegen Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- oder technischen Personals wegen Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen worden sind, weder der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats noch Eingriffen seiner Verwaltungsbehörden. Bei Zivilklagen werden zwei Ausnahmen gemacht: a) wenn diese aus einem Vertrag entstehen, den ein Konsularbeamter oder Bediensteter des Verwaltungs- oder technischen Personals geschlossen hat, ohne dabei ausdrücklich oder sonst erkennbar im Auftrag des Entsendestaats zu handeln; 130 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 38 I 3, II 2; Verdross/Simma § 895. 131 BGBl 1964 II, 971.
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b) wenn diese von einem Dritten wegen eines Schadens angestrengt werden, der aus einem im Empfangsstaat durch ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug verursachten Unfall entstanden ist (Art 43 II WÜK). Im Gegensatz zu den Diplomaten genießen Konsuln nur Amtsimmunität,132 keine persönliche Immunität.133 Die Familienmitglieder der Konsularbeamten unterliegen anders als bei Diplomaten voll der inländischen Gerichtsbarkeit.134 Der Konsul untersteht grds der Jurisdiktion des Aufenthaltsstaats. Er hat daher 71 einer Ladung als Zeuge Folge zu leisten, auszusagen und muss sich vereidigen lassen (Art 44 I WÜK).135 Bei der Vernehmung sind jedoch die Bedürfnisse des konsularischen Dienstes zu berücksichtigen (Art 44 II WÜK). Zeugnis über Angelegenheiten, die mit der Wahrnehmung ihrer amtlichen Aufgaben zusammenhängen, brauchen Mitglieder einer konsularischen Vertretung nicht zu geben; diesbezügliche amtliche Korrespondenzen und Schriftstücke brauchen sie nicht vorzulegen. Sie sind auch berechtigt, die Aussage als Sachverständige über das Recht des Entsendestaats zu verweigern (Art 44 III WÜK). Hinsichtlich der Widerklage und des Verzichts auf die Immunität von der Ge- 72 richtsbarkeit des Empfangsstaats gilt das Gleiche wie unter Rz 63 ausgeführt worden ist (Art 45 I, II, III, IV WÜK). Nach Art 58 WÜK gilt für Wahlkonsulatsbeamte dasselbe, was für gewöhnli- 73 che Konsularbeamte (Rz 70ff) ausgeführt worden ist. Werden konsularische Aufgaben durch eine diplomatische Mission wahrgenommen, so bleibt es bei den diplomatischen Vorrechten (Art 70 IV WÜK). Zu einer Reihe von Staaten bestehen Konsularverträge,136 die durch das Wie- 74 ner Übereinkommen über konsularische Beziehungen nicht berührt werden, gegenwärtig aber keine weiterreichenden Immunitäten als nach dem WÜK vorsehen.137 Nach dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen sind die 75 konsularischen Räumlichkeiten, die konsularischen Archive und Schriftstücke unverletzlich (Art 31 und 33).138
5. Wirkungen der Immunität Soweit Diplomaten und Konsuln Immunität genießen, ist eine Klage gegen sie 76 im Empfangsstaat unzulässig. Von der generellen Immunität gibt es aber Ausnahmen, und zwar gem Art 31 I des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (s o Rz 59). Selbst in diesen wenigen Ausnahmefällen be132 133 134 135 136 137 138
Vgl LG Hamburg NJW 1986, 3034; M. Lüke S 88ff. Dahm/Delbrück/Wolfrum § 44 II 1; Schack Rz 162. MüKo/Zimmermann, § 19 GVG Rz 4. Stein/Jonas/Berger, ZPO, § 377 Rz 13 ff. Vgl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 19 GVG Rz 3. Vgl Steinmann MDR 1965, 708. BGBl 1969 II, 1595.
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reitet eine Klage vor einem Gericht der Bundesrepublik Deutschland große Schwierigkeiten, da die das Verfahren einleitende Ladung und andere Zustellungen nicht in den Räumlichkeiten der diplomatischen Mission bewirkt werden können. Es bleibt nur die Möglichkeit über eine Zustellung im Wege der internationalen Rechtshilfe oder eine öffentliche Zustellung, sofern die erste Alternative versagt.139 Soweit sich privates unbewegliches Vermögen des geschützten Personals oder bei Klagen in Nachlasssachen bewegliches oder unbewegliches Vermögen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet, haben Klagen vor einem Gericht der Bundesrepublik Deutschland durchaus Aussicht auf Erfolg, weil auch die Vollstreckung gewährleistet erscheint. 77
Als Folge der weitreichenden persönlichen Exemtion der Diplomaten und der diesen gleichgestellten Personen sind dingliche Klagen nur in beschränktem Ausmaß zulässig. Mit Urt v 31.1.1969140 entschied der BGH, dass der Klage gegen den Entsendestaat auf Einwilligung in die Berichtigung des Grundbuchs eine Immunität nicht entgegenstehe. Der Antrag auf Grundbuchberichtigung und ein Zahlungsantrag (Nutzungsentschädigung) beeinträchtige nicht dessen diplomatischen Funktionen. Aus dieser Entscheidung folgt, dass Klagen gegen einen fremden Staat in weiterem Maße zulässig sind als gegen seinen Diplomaten. Diese Tatsache wird auch den Gegebenheiten gerecht, denn die Diplomaten handeln gewöhnlich als Vertreter ihres Entsendestaats. Soweit sie Verhandlungen über Grundstücke führen oder solche abschließen, ist Partei des entsprechenden Vertrags der von ihnen vertretene Staat. Hinsichtlich der Frage, ob sie sich hoheitsrechtlich betätigt haben oder nicht, wird in den verschiedenen Staaten allerdings eine unterschiedliche Qualifikation vorgenommen. Sonnenberger141 weist darauf hin, dass Erwerbsverträge über Grundstücke in Frankreich als „actes de puissance publique“ betrachtet würden, während die deutsche Rechtsprechung zu einer privatrechtlichen Qualifikation neige.
78
Steinmann142 weist zu Recht darauf hin, dass bei Klagen von deutschem Personal gegen eine ausländische diplomatische Mission, deren Leiter oder deren Entsendestaat die deutschen Gerichte vielfach an einer Nachprüfung gehindert seien, da eine solche das interne Funktionieren der fremden Vertretung berühren könnte.
79
Bei allen unter II behandelten Möglichkeiten ist die Frage, ob im Einzelfall die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben ist, von den Gerichten in jeder Instanz besonders und unabhängig von der Frage nach der internationalen Zuständigkeit zu prüfen.143
139 140 141 142 143
60
Vgl Heß RIW 1989, 254. BGH MDR 1970, 222. AcP 162, 509. MDR 1965, 796. So statt vieler Rosenberg/Schwab/Gottwald § 19 Rz 14; vgl Geimer, IZPR, Rz 643ff.
Die Immunität internationaler Organisationen
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III. Die Immunität internationaler Organisationen 1. Schrifttum Bender, Die Immunität der NATO als internationaler Organisation im Zivilprozess, IPRax 1998, 1; H. Berger, Die Verfahrensstandschaft für die Stationierungsstreitkräfte, 1995; Börner, Probleme der internationalen Zuständigkeit und der Immunität in Arbeitsstreitigkeiten zwischen örtlich rekrutierten Mitarbeitern der Liga Arabischer Staaten und ihrem Arbeitgeber, in Islamisches und arabisches Recht als Problem der Rechtsanwendung, Symposium für Elwan, 2001, S 73; Dominicé, L’immunité de jurisdiction d’exécution des organisations internationales, RdC 187 (1984-IV), 145; Dominicé, La nature et l’étendue de l’immunité de juridiction des organisations internationales, FS SeidlHohenveldern, 1988, S 93; E. Gaillard/I. Pingel-Lenuzza, International organisations and immunity from jurisdiction, ICLQ 51 (2002), 1; E. Habscheid, Die durch Art 6 I EMRK beschränkte Immunität internationaler Organisationen im Erkenntnisverfahren, IPRax 2001, 396; E. Habscheid, Immunität internationaler Organisationen und Art 6 I EMRK, FS Geimer, 2002, S 255; W. Habscheid, Immunität internationaler Organisationen, FS Heini, 1995, S 147; W. Habscheid, Die Immunität internationaler Organisationen im Zivilprozess, ZZP 110 (1997), 269; M. Koster, Immunität internationaler Richter, 2002; Kraatz, Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Forderungen und Schuldtitel aus Vertrags- und Schadenersatzrecht gegen die Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, NJW 1987, 1126; Kunz-Hallstein, Privilegien und Immunitäten internationaler Organisationen im Bereich nicht hoheitlicher Privatrechtsgeschäfte, NJW 1992, 3069; K. Odendahl, Immunität internationaler Organisationen bei Dienstrechtsstreitigkeiten, IPRax 2007, 339; A. Peters, Die funktionale Immunität internationaler Organisationen und die Rechtsweggarantie, SZIER 2011, 397; A. Reinisch, International Organizations Before National Courts, 2000; Ch. Sato, Immunität internationaler Organisationen, 2004; Seidl-Hohenveldern, Die Immunität internationaler Organisationen in Dienstrechtsstreitfällen, 1981; Seidl-Hohenveldern, Immunität der Arabischen Liga im Arbeitsstreit mit örtlich rekrutierten Bediensteten, IPRax 1999, 273; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen, 6. Aufl 1996; Wenckstern, Verfassungsrechtliche Fragen der Immunität internationaler Organisationen, NJW 1987, 1113; Wenckstern, Die Immunität internationaler Organisationen, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd II/1, 1994.
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2. Funktionale Immunität internationaler Organisationen Internationale Organisationen144 genießen Immunität, soweit dies zur Erfül- 81 lung ihrer spezifischen Aufgaben notwendig ist.145 Die Vertretungen anerkannter internationaler Organisationen und ihre Vertreter genießen die gleichen Rechte wie diplomatische Vertretungen und Diplomaten, freilich nur funktional für ihre amtliche Tätigkeit und amtliche Reisen.146 Allerdings besteht diese Immunität nur in Staaten, die die Organisation anerkannt haben.147 Die Bediensteten in den Büros solcher Organisationen werden idR für „amtliche“ Zwecke tätig, können also grds nicht die staatlichen Gerichte am
144 Auflistung bei MüKo/Zimmermann, § 20 GVG Rz 16. 145 A. Peters SZIER 2011, 397, 407. 146 Dahm/Delbrück/Wolfrum § 41 II 3, 4; Klein, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 1997, 4. Abschn Rz 106ff. 147 Vgl Wenckstern, in: HdbIZVR, Bd II/1, 1994, Rz 76ff.
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Arbeitsort anrufen. Die internationale Organisation muss deshalb eine eigene „Gerichtsbarkeit“ für solche Fälle bereitstellen.148 Soweit eine internationale Organisation eine Schiedsvereinbarung schließt, gilt das für die Staaten Ausgeführte entsprechend (s o Rz 26).149 82
Die Mitglieder von ständigen diplomatischen Vertretungen bei solchen Organisationen, Mitglieder von Delegationen zu einem Organ oder zu einer Konferenz der Organisation genießen Vorrechte und Immunität wie die bei einem Staat akkreditierten Diplomaten.150
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Für die Vereinten Nationen, ihre Unterorganisationen, ihre Bediensteten gilt Folgendes: Art 105 der Charta der Vereinten Nationen151 schreibt vor: „Die Organisation genießt im Hoheitsgebiet jedes Mitglieds die Vorrechte und Immunitäten, die zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich sind. – Vertreter der Mitglieder der Vereinten Nationen und Bedienstete der Organisation genießen ebenfalls die Vorrechte und Immunitäten, deren sie bedürfen, um ihren mit der Organisation zusammenhängenden Aufgaben in voller Unabhängigkeit nachgehen zu können.“
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Die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen bestimmen sich im Einzelnen nach dem entsprechenden Übereinkommen v 13.2.1946 (Art 1 des Zustimmungsgesetzes v 16.8.1980).152 Nach Art IV Abschnitt 11 (a) des Übereinkommens genießen „die Vertreter der Mitglieder bei den Haupt- und Nebenorganen der Vereinten Nationen und auf den von den Vereinten Nationen anberaumten Konferenzen … während der Wahrung ihrer Aufgaben und während ihrer Reisen nach und von dem Tagungsort a) Immunität von jeder Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen …“
Nach Abschnitt 12 wird ihnen diese Immunität „auch dann noch gewährt, wenn sie nicht mehr Vertreter von Mitgliedern sind“. Diese Immunitäten gelten aber nicht im eigenen Heimatstaat (Abschnitt 15). Die Immunität ist kein persönliches Vorrecht. Deshalb ist der vertretene Staat verpflichtet sie aufzuheben, „wenn sie … verhindern würde, dass der Gerechtigkeit Genüge geschieht“, und wenn „sie ohne Schädigung des Zweckes, für den sie gewährt wird, aufgehoben werden kann“ (Art IV Abschnitt 14). 85
Die Bediensteten der Organisation der Vereinten Nationen genießen Amtsimmunität (Art V Abschnitt 18 [a]), der Generalsekretär und die beigeordneten Generalsekretäre mit Ehegatten und minderjährigen Kindern diplomatische Immunität (Art V Abschnitt 19). Auch Sachverständige, die Aufträge der UN durchführen, genießen insoweit Amtsimmunität (Art VI Abschnitt 22 [b]). 148 149 150 151 152
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Börner S 77, 79ff. Ferner Dominicé, FS Lalive 1993, S 483; Habscheid, FS Heini, 1995, S 147. Verdross/Simma § 939. BGBl 1973 II, 497. BGBl II, 941.
Die Immunität internationaler Organisationen
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Für die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und ihre Bedienstete be- 86 stimmen sich die Immunitäten nach dem Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der UN v 21.11.1947.153 Der Anwendungsbereich wird durch Rechtsverordnung näher festgelegt;154 darin kann auch diplomatische Immunität zuerkannt werden (Art 3 des ZustG155). Nach Art III § 4 des Abkommens über die Vorrechte sind die Sonderorganisationen selbst von der Gerichtsbarkeit befreit. Nach Art V § 13 genießen Vertreter der Mitglieder auf den durch eine Sonder- 87 organisation einberufenen Tagungen während der Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeiten und auf ihren Reisen Amtsimmmunität: Befreiung von der Verhaftung und Festnahme und von der Beschlagnahme ihres persönlichen Gepäcks in Bezug auf Handlungen, die sie in amtlicher Eigenschaft vornehmen; nach § 14 Befreiung von der Gerichtsbarkeit in Bezug auf ihre mündlichen und schriftlichen Äußerungen und Handlungen, die sie in Ausübung ihres Amtes vornehmen. Nach Art VI § 19 (a) sind Beamte der Sonderorganisationen von der Gerichts- 88 barkeit in Bezug auf die von ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen befreit. Nach Art VI § 21 genießen der Leiter jeder Sonderorganisation sowie jeder in seinem Namen während seiner Abwesenheit tätige Beamte für sich selbst, seinen Ehegatten und seine minderjährigen Kinder die diplomatischen Immunitäten. Sachverständige der Internationalen Arbeitsorganisation156 genießen wieder- 89 um nur Befreiung von jeder gerichtlichen Verfolgung wegen der von ihnen in Ausübung ihrer Amtsgeschäfte vorgenommenen Handlungen. Bedienstete der Organisationen der Vereinten Nationen genießen somit nur ei- 90 ne Amtsexemtion. Der diplomatische Status einer weitergehenden Exemtion wird nur den Leitern der Organisationen, deren Stellvertretern bei Abwesenheit der Leiter, deren Ehefrauen und minderjährigen Kindern gewährt. Eine solche Exemtion genießt danach auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen einschließlich seiner Familienangehörigen. Das gilt auch für die Richter des Internationalen Gerichshofes. Im Einzelnen ist insoweit das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v 18.4.1961 (s o Rz 57ff) heranzuziehen. Für die Exemtion der Europäischen Gemeinschaften (Europäischen Union) ist 91 das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften zu beachten.157 In den ersten beiden Artikeln wird auf die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten und Gebäude und der Archive der Gemeinschaften hingewiesen. Den Mitgliedern der Versammlung steht nach Art 10 während der Dauer der Sitzungsperiode der Versammlung im Hoheitsgebiet ih153 154 155 156 157
BGBl 1954 II, 640. Vgl zuletzt Bek v 20.1.2003 (BGBl II 122). IdF v 16.8.1980, BGBl II, 942. BGBl 1954 II, 653. BGBl 1965 II, 1482.
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res eigenen Staats die den Parlamentsmitgliedern eingeräumte Unverletzlichkeit zu. Im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats können sie weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden. Danach genießen die Mitglieder der Versammlung insoweit für sich persönlich volle Exemtion von der Gerichtsbarkeit eines anderen Mitgliedstaats. 92
Nach Art 11 werden Vertretern der Mitgliedstaaten während der Ausübung ihrer Tätigkeiten die üblichen Vorrechte und Befreiungen gewährt. Beamte genießen gem Art 12 Befreiung von der Gerichtsbarkeit bezüglich der von ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen. In beiden Fällen handelt es sich wiederum nur um eine Amtsexemtion. Diese wird gem Art 21 auch den Richtern, Generalanwälten, dem Kanzler und den Hilfsberichterstattern der Europäischen Gerichtshöfe gewährt. Das 7. Protokoll zum Vertrag über die Europäische Union v 7.2.1992 hat die Vorrechte auf die Europäische Zentralbank erstreckt.
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Vorrechte und Befreiungen ergeben sich aus dem Protokoll über Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Atomenergiekommission.158
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Die Europäische Zentralbank besitzt Immunität entsprechend den UN-Sonderorganisationen.159 Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) (mit Sitz in Basel) genießt, abgesehen von Streitigkeiten aus eigenen Bank- und Finanzgeschäften, Befreiung von jeglicher Gerichtsbarkeit.160
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Für den Europarat und seine Unterorganisationen gilt das Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Abkommen v 2.9.1949 über die Vorrechte und Befreiungen des Europarats mit Zusatzprotokoll v 6.11.1952.161 Es wird wiederum differenziert: Vertreter im Ministerkomitee sind gem Art 10 von der Gerichtsbarkeit für Handlungen, die sie in Ausübung ihres Amtes vorgenommen haben, befreit.
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Abgeordnete der Beratenden Versammlung genießen gem Art 13 während der Dauer der Tagungen Schutz gegen jede Verhaftung und gerichtliche Verfolgung. Beamte des Rates erfreuen sich nur einer Amtsexemtion (Art 18). Nur der Generalsekretär und sein Stellvertreter genießen für sich selbst, für ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder die Immunitäten, Vorrechte und Befreiungen, die nach dem Völkerrecht diplomatischen Vertretern zugebilligt werden.
97
Im Dritten Protokoll zum Übereinkommen sind Immunitäten des Wiedereingliederungsfonds des Europarats festgelegt.162
158 BGBl 1957 II, 1212. 159 VO v 22.10.1998, BGBl II, 2744. 160 Vgl A. Peters SZIER 2011, 397, 399f, für Auslegung i.S. funktionaler Immunität, S 418 ff. 161 BGBl 1954 II, 493. 162 BGBl 1963 II, 238.
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Die Immunität internationaler Organisationen
§2
Eine Diplomaten vergleichbare Immunität genießen auch die Richter der in- 98 ternationalen Gerichtshöfe, wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Internationalen Gerichtshofs und des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.163 Auch die Europäischen Schulen genießen Immunität im Kernbereich ihrer Au- 99 tonomie.164
3. Die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte, insbesondere von NATO-Truppen Schrifttum: Bender, Die Immunität der NATO als internationaler Organisation im Zivilprozess, IPRax 1998, 1; H. Berger, Die Verfahrensstandschaft für die Stationierungsstreitkräfte, 1995; Börner, Probleme der internationalen Zuständigkeit und der Immunität in Arbeitsstreitigkeiten zwischen örtlich rekrutierten Mitarbeitern der Liga Arabischer Staaten und ihrem Arbeitgeber, in Islamisches und arabisches Recht als Problem der Rechtsanwendung, Symposium für Elwan, 2001, S 73; Dominicé, L’immunité de jurisdiction d’exécution des organisations internationales, RdC 187 (1984-IV), 145; Dominicé, La nature et l’étendue de l’immunité de juridiction des organisations internationales, FS Seidl-Hohenveldern, 1988, S 93; M. Dumbs, Schadensregulierung in der Verteidigungslastenverwaltung nach dem NATO-Truppenstatut, VersR 2007, 27; M. Dumbs, Regulierung von NATO-Truppenschäden in Deutschland, VersR 2007, 1183; E. Gaillard/I. Pingel-Lenuzza, International organisations and immunity from jurisdiction, ICLQ 51 (2002), 1; E. Habscheid, Die durch Art 6 I EMRK beschränkte Immunität internationaler Organisationen im Erkenntnisverfahren, IPRax 2001, 396; E. Habscheid, Immunität internationaler Organisationen und Art 6 I EMRK, FS Geimer, 2002, S 255; W. Habscheid, Immunität internationaler Organisationen, FS Heini, 1995, S 147; W. Habscheid, Die Immunität internationaler Organisationen im Zivilprozess, ZZP 110 (1997), 269; M. Koster, Immunität internationaler Richter, 2002; Kraatz, Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Forderungen und Schuldtitel aus Vertrags- und Schadenersatzrecht gegen die Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, NJW 1987, 1126; Kunz-Hallstein, Privilegien und Immunitäten internationaler Organisationen im Bereich nicht hoheitlicher Privatrechtsgeschäfte, NJW 1992, 3069; K. Odendahl, Immunität internationaler Organisationen bei Dienstrechtsstreitigkeiten, IPRax 2007, 339; A. Reinisch, International Organizations Before National Courts, 2000; Ch. Sato, Immunität internationaler Organisationen, 2004; Seidl-Hohenveldern, Die Immunität internationaler Organisationen in Dienstrechtsstreitfällen, 1981; Seidl-Hohenveldern, Immunität der Arabischen Liga im Arbeitsstreit mit örtlich rekrutierten Bediensteten, IPRax 1999, 273; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen, 6. Aufl 1996; Wenckstern, Verfassungsrechtliche Fragen der Immunität internationaler Organisationen, NJW 1987, 1113; Wenckstern, Die Immunität internationaler Organisationen, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd II/1, 1994.
100
a) Die NATO ist von der deutschen Zivilgerichtsbarkeit nach §§ 1, 3 NATO- 101 VorrechteVO iVm Teil II Art 5 und Teil V Art 24 (a) NATO-StatusÜ befreit.165 Bei zivilen Rechtsgeschäften wird idR ein Schieds- oder Schlichtungsverfahren zur Beilegung vereinbart.166 163 164 165 166
Vgl M. Koster, Immunität internationaler Gerichte, 2002. BGHZ 182, 10, 17 (Rz 24 ff) = NJW 2009, 3164. Bender IPRax 1998, 1, 2; Wenckstern Rz 226. Bender IPRax 1998, 1, 6ff; Wenckstern Rz 463, 473, 478.
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§2
Grenzen der Gerichtsbarkeit
102 Soweit sich ausländische Truppen auf fremdem Gebiet mit Einverständnis des Empfangsstaats aufhalten, ist ihre Jurisdiktionsunterworfenheit idR vertraglich näher geregelt.167 Mangels einer Regelung sind ausländische Streitkräfte nicht „exterritorial“, sondern unterstehen dem Recht des Aufenthaltsstaats. Als hoheitlich tätige Organe des Entsendestaats genießen sie als solche aber Immunität. Das Gleiche gilt für das dienstliche Verhalten der Truppenmitglieder; privates Handeln außerhalb der Kasernen und sonstigen Truppenanlagen unterliegt dagegen der Gerichtsbarkeit.168 103 Damit der einzelne Bürger gegenüber Schäden, die NATO-Truppen verursachen, nicht rechtlos gestellt ist, kann er diese gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafter geltend machen (s u Rz 105). 104 b) Im Einzelnen geregelt ist die Stellung der NATO-Truppen. Das Gesetz zum NATO-Truppenstatut (NTS) v 18.8.1961169 und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZANTS) v 3.8.1959170 enthalten eine Reihe von besonderen Bestimmungen hinsichtlich des IZPR.171 105 NTS Art VIII (5)–(7) regelt im Detail, wie Privatpersonen Ansprüche gegen NATO-Truppen, Mitglieder der Truppe oder eines zivilen Gefolges aus Ausübung des Dienstes oder aus privatem Verhalten geltend machen können. Ansprüche aus dienstlichem Verhalten gegen einen Entsendestaat sind nach Art 41 ZANTS und Art 6ff Gesetz zum NTS bei der deutschen Verteidigungslastenverwaltung anzumelden. Erkennt die Verwaltung den Anspruch nicht an, so hat der Berechtigte die Bundesrepublik Deutschland vor den ordentlichen Gerichten als Prozessstandschafterin für den Entsendestaat zu verklagen (Art 12 I, II; 25 Gesetz z. NTS).172 106 c) Entsprechendes gilt für die Verfolgung von Ansprüchen aus Schäden, die Streitkräfte anderer Staaten, die im Rahmen des Übereinkommens mit der NATO an „der Partnerschaft für den Frieden“ teilnehmen nach Art 2 I des Gesetzes zum PfP-Truppenstatut v 9.7.1998.173 Mitglieder ausländischer Streitkräfte, die sich vorübergehend in Deutschland aufhalten, unterliegen der deutschen Zivilgerichtsbarkeit (§ 7 I SkAufG),174 soweit sie außerdienstliche Schäden verursachen. Solche Ansprüche werden nach Art 2 II G zum PfPTruppenstatut gem Art 2 S 1 mit § 16 V SkAufG abgewickelt. 107 d) Art 31 ZANTS betrifft das Armenrecht (jetzt: Prozesskostenhilfe) und die Sicherheitsleistung für Prozesskosten: „Die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges genießen hinsichtlich des Armenrechtes und der Befreiung von der Sicherheitsleistung für Prozesskosten die Rechte, 167 168 169 170 171 172 173 174
66
Vgl Dahm/Delbrück/Wolfrum § 74 IV. Dahm/Delbrück/Wolfrum § 74 V 1, 4, 5; MüKo/Zimmermann, § 20 GVG Rz 9, 16. BGBl 1961 II, 1183. BGBl 1961 II, 1218. Vgl Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, Schlussanh III, S 2875. Vgl Heß, Staatenimmunität, S 235ff. Zum Geltungsbereich s IPRax 1999, 398. BGBl 1995 II, 554.
Die Immunität internationaler Organisationen
§2
die in den auf diesen Gebieten zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem betreffenden Entsendestaat geltenden Abkommen festgesetzt sind. Die dienstliche Anwesenheit der genannten Personen im Bundesgebiet gilt für die Anwendung dieser Abkommen als ständiger Aufenthalt.“
Mit den Vertragsstaaten des Zusatzabkommens: Belgien, Frankreich, Kanada, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, sowie mit den Vereinigten Staaten bestehen seitens der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Verträge, so dass die Gegenseitigkeit sowohl hinsichtlich der Prozesskostensicherheit als auch der Prozesskostenhilfe verbürgt ist. Art 32 ZANTS betrifft Zustellungen:
108
„(1) a) Eine Klageschrift oder eine andere Schrift oder gerichtliche Verfügung, die ein nichtstrafrechtliches Verfahren vor einem deutschen Gericht oder einer deutschen Behörde einleitet, wird Mitgliedern einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder Angehörigen über eine Verbindungsstelle zugestellt, die von jedem Entsendestaat errichtet oder bestimmt wird. Die deutschen Gerichte und Behörden können die Verbindungsstelle um Durchführung der Zustellung anderer Schriftstücke in solchen Verfahren ersuchen. b) Die Verbindungsstelle bestätigt unverzüglich den Eingang jedes Zustellungsersuchens, das ihr von einem deutschen Gericht oder einer deutschen Behörde übermittelt wird. Die Zustellung ist bewirkt, wenn das zuzustellende Schriftstück dem Zustellungsempfänger von dem Führer seiner Einheit oder einem Beauftragten der Verbindungsstelle übergeben ist. Das deutsche Gericht oder die deutsche Behörde erhält unverzüglich eine Urkunde über die vollzogene Zustellung. c) i) Hat das deutsche Gericht oder die deutsche Behörde binnen 21 Tagen, gerechnet vom Ausstellungsdatum der Eingangsbestätigung durch die Verbindungsstelle an, weder eine Urkunde über die vollzogene Zustellung nach Buchstabe b) noch eine Mitteilung darüber erhalten, dass die Zustellung nicht erfolgen konnte, so übermittelt das Gericht oder die Behörde eine weitere Ausfertigung des Zustellungsersuchens der Verbindungsstelle mit der Ankündigung, dass 7 Tage nach Eingang bei ihr die Zustellung als bewirkt gilt. Mit Ablauf der Frist von 7 Tagen gilt die Zustellung als bewirkt. ii) Die Zustellung ist jedoch nicht als bewirkt anzusehen, wenn vor Ablauf der Frist von 21 oder gegebenenfalls von 7 Tagen die Verbindungsstelle dem deutschen Gericht oder der deutschen Behörde mitteilt, dass sie die Zustellung nicht durchführen konnte. Die Verbindungsstelle teilt dem deutschen Gericht oder der deutschen Behörde die Gründe mit, die sie an der Zustellung gehindert haben. iii) In dem unter Ziffer ii) vorgesehenen Fall kann die Verbindungsstelle auch bei dem deutschen Gericht oder der deutschen Behörde unter Angabe der Gründe eine Fristverlängerung beantragen. Entspricht das deutsche Gericht oder die deutsche Behörde diesem Verlängerungsantrag, so finden die Ziffern i) und ii) auf die verlängerte Frist entsprechende Anwendung. (2) Stellt ein deutsches Gericht oder eine deutsche Behörde ein Urteil oder eine Rechtsmittelschrift zu, so wird eine Abschrift des Schriftstückes, falls der betreffende Entsendestaat im Einzelfall oder allgemein darum ersucht, der Verbindungsstelle dieses Staates unverzüglich übermittelt, sofern nicht die Verbindungsstelle selbst in Anwendung von Abs 1 Buchstabe a) Satz 2 um die Zustellung ersucht wird.“
Es handelt sich bei Art 32 I nur um solche Zustellungen, durch die ein gericht- 109 liches Verfahren eingeleitet wird. Auch wenn diese Zustellungen nicht nach den Vorschriften der ZPO erfolgen, obwohl sie auf deutschem Staatsgebiet bewirkt werden, kann nicht von einer Beschränkung der deutschen Gerichts67
§2
Grenzen der Gerichtsbarkeit
barkeit gesprochen werden. Baumbach/Lauterbach/Hartmann175 weisen zu Recht darauf hin, dass die deutsche Gerichtsbarkeit in Zivilsachen 1955 in vollem Umfange wiederhergestellt wurde. Die Sonderstellung, die Deutschland den auf ihrem Staatsgebiet stationierten NATO-Truppen ausdrücklich durch Vertrag eingeräumt hat, ändert daran nichts. Diese Sonderstellung zeigt sich etwa in Art 33, wonach Mitgliedern einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder Angehörigen keine Nachteile entstehen dürfen, wenn sie wegen dienstlicher Obliegenheiten oder einer rechtmäßigen Abwesenheit vorübergehend in nicht strafrechtlichen Verfahren, an denen sie beteiligt sind, am Erscheinen verhindert sind. Die Verhinderung ist den deutschen Stellen ohne schuldhaften Aufschub mitzuteilen. 110 Nach Art 36 können deutsche Gerichte und Behörden Zustellungen an Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und an Angehörige nicht durch öffentliche Zustellung bewirken. Hierdurch werden die Mitglieder der Truppen besonders geschützt, wenngleich die zuständige Behörde einem deutschen Zustellungsbeamten, der ein Schriftstück an eine Person, die sich in einer Anlage der Truppe befindet, zustellen soll, helfen soll, damit die Zustellung durchgeführt werden kann. Nach Art 37 tragen die Militärbehörden dafür Sorge, dass Mitglieder einer Truppe, die zu einem Gerichtstermin geladen sind, auch erscheinen, soweit nicht militärische Erfordernisse dem entgegenstehen. 111 Art 38 und 39 betreffen Besonderheiten bei der Vernehmung eines Mitgliedes der Truppe als Zeuge oder Sachverständiger. Art 38: „(1) Ergibt sich im Verlauf eines strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Verfahrens oder einer Vernehmung vor einem Gericht oder einer Behörde einer Truppe oder der Bundesrepublik, dass ein Amtsgeheimnis eines der beteiligten Staaten oder beider oder eine Information, die der Sicherheit eines der beteiligten Staaten oder beider schaden würde, preisgegeben werden könnte, so holt das Gericht oder die Behörde vorher die schriftliche Einwilligung der zuständigen Behörde dazu ein, dass das Amtsgeheimnis oder die Information preisgegeben werden darf. Erhebt die zuständige Behörde Einwendungen gegen die Preisgabe, so trifft das Gericht oder die Behörde alle in ihrer Macht stehenden Maßnahmen, einschließlich derjenigen, auf die sich Abs 2 bezieht, um die Preisgabe zu verhüten, vorausgesetzt, dass die verfassungsmäßigen Rechte einer Partei dadurch nicht verletzt werden. (2) Die Vorschriften des deutschen GVG (§§ 172 bis 175) über den Ausschluss der Öffentlichkeit von Verhandlungen in strafrechtlichen und nichtstrafrechtlichen Verfahren und die Vorschriften der deutschen StPO (§ 15) über die Möglichkeiten der Übertragung von Strafverfahren an das Gericht eines anderen Bezirks werden in Verfahren vor deutschen Gerichten oder Behörden, in denen eine Gefährdung der Sicherheit einer Truppe oder eines zivilen Gefolges zu besorgen ist, entsprechend angewendet.“
112 Art 39: „Die Rechte und Vorrechte der Zeugen und Sachverständigen bestimmen sich nach dem Recht der Gerichte oder der Behörden, vor denen sie erscheinen. Das Gericht oder die Behörde berücksichtigt jedoch die Rechte und Vorrechte angemessen, welche Zeugen und Sachverständige, wenn sie Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder Angehö175 Schlussanh III Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut Einl Rz 1.
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Die Immunität internationaler Organisationen
§2
rige sind, vor einem Gericht des Entsendestaates, und wenn sie nicht zu diesem Personenkreis gehören, vor einem deutschen Gericht haben würden.“
Das Bemerkenswerte an dieser Vorschrift bleibt die Feststellung, dass der deutsche Richter nicht an seine lex fori hinsichtlich der Zeugeneigenschaft oder des Zeugnisverweigerungsrechts gebunden ist, sondern diese Vorrechte prüfen muss im Verhältnis zu denen, die der Entsendestaat Zeugen oder Sachverständigen einräumt, um diese angemessen zu berücksichtigen. Der deutsche Richter wird zumindest angewiesen, ausländisches Verfahrensrecht zu berücksichtigen. Die Art 34 und 35 betreffen die Vollstreckungshilfe seitens der Militärbehör- 113 den bei der Durchsetzung vollstreckbarer Titel deutscher Gerichte in nichtstrafrechtlichen Verfahren und die Vollstreckung in Zahlungsansprüche. Zu beachten ist auch Art VIII (5) (g) des NATO-Statuts.176 Danach darf ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges einem Verfahren zur Vollstreckung eines Urteils nicht unterworfen werden, das in dem Aufenthaltsstaat in einer aus der Ausübung des Dienstes herrührenden Angelegenheit gegen die betreffende Person ergangen ist. Schwenk177 will hieraus ableiten, dass Klagen gegen Schädiger, deren unerlaubte Handlungen im Dienste begangen sind, unzulässig seien, weil es an einem Rechtsschutzinteresse fehle. Diese Ansicht steht jedoch nicht im Einklang mit dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung. Wird aber die Vollstreckung aus einem deutschen Urteil untersagt, so wird auch insoweit die deutsche Gerichtsbarkeit begrenzt.
176 BGBl 1961 II, 1212. 177 NJW 1976, 1562.
69
§ 3 Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen Inhaltsübersicht I. Europäisches Zivilprozessrecht 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Einheitliche Auslegung a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . 13 b) Autonome Auslegung . . . . . . 14 c) Auslegung der EuGVO . . . . . 15 d) Auslegung des bisherigen EuGVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 e) Auslegung der Lugano-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . 19 4. Das System der direkten Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 20 5. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 6. Der Wohnsitzgerichtsstand . . . . 33 7. Die Ausschaltung der exorbitanten Gerichtsstände . . . . . . . . 41 8. Geltung gegenüber Drittstaatsangehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 9. Die besonderen Zuständigkeiten nach Art 5–7 aF bzw Art 7–9 nF . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art 5 Nr 1 aF bzw Art 7 Nr 1 nF) . . . . . . . . . 49 b) Gerichtsstand für unerlaubte Handlungen (Art 5 Nr 3 aF bzw Art 7 Nr 2 nF). . . . . . . 78 c) Gerichtsstand für Adhäsionsklagen (Art 5 Nr 4 aF bzw Art 7 Nr 3 nF) . . . . . . . . . 94 d) Gerichtsstand der Herausgabe eines Kulturguts (Art 7 Nr 4 nF) . . . . . . . . . . . . 95 e) Gerichtsstand der Niederlassung (Art 5 Nr 5 aF bzw Art 7 Nr 5 nF) . . . . . . . . . . . . . 97 f) Gerichtsstand für trustKlagen (Art 5 Nr 6 aF bzw Art 7 Nr 6 nF) . . . . . . . . . . . . . 105 g) Gerichtsstand für Bergeund Hilfelohn (Art 5 Nr 7 aF bzw Art 7 Nr 7 nF). . . . . . . 107 h) Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (Art 6 Nr 1 aF bzw Art 8 Nr 1 nF) . . . . . . . . . 111
70
10.
11.
12.
13.
i) Gerichtsstand der Gewährleistungs- oder Interventionsklage (Art 6 Nr 2 aF bzw Art 8 Nr 2 nF) . . . . . . . . . . . . . j) Gerichtsstand der Widerklage (Art 6 Nr 3 aF bzw Art 8 Nr 3 nF) . . . . . . . . . . . . . k) Dinglicher Gerichtsstand für Vertragsklagen kraft Sachzusammenhangs (Art 6 Nr 4 aF bzw Art 8 Nr 4 nF) . . l) Haftungsbeschränkung des Schiffseigentümers (Art 7 aF bzw Art 9 nF). . . . . . . . . . . Die Zuständigkeiten in Versicherungssachen . . . . . . . . . . . . a) Klagen gegen den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klagen des Versicherers . . . . c) Weitere Sonderregeln . . . . . . Die Zuständigkeiten in Verbrauchersachen . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . b) Klagen gegen den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Klagen gegen den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtsstandsvereinbarungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zuständigkeiten für individuelle Arbeitsverträge a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . b) EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . c) LugÜ 1988 . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsstandsvereinbarungen a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . c) Formvorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen . (1) Schriftlichkeit . . . . . . . . . (2) Mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung (halbe Schriftlichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Den Gepflogenheiten der Parteien entsprechende Form . . . . . . . . . .
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
14. 15.
16. 17.
18.
19. 20.
(4) Vereinbarung nach Handelsbrauch. . . . . . . . . . . . . 214 (5) Elektronischer Vertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . 219 (6) Form nach CMR. . . . . . . . 220 d) Wirkungen der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 e) Subjektive Reichweite. . . . . . 232 f) Beschränkungen der Prorogationsfreiheit . . . . . . . . . . . 237 Die rügelose Einlassung . . . . . . . 241 Die ausschließlichen Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Der dingliche Gerichtsstand, Art 22 Nr 1 EuGVO/ LugÜ bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF. . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Klagen über den Bestand von Gesellschaften und über die Wirksamkeit von Gesellschaftsbeschlüssen (Art 22 Nr 2 EuGVO aF, Art 24 Nr 2 EuGVO nF) . . . . . 268 c) Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register (Art 22 Nr 3 EuGVO aF, Art 25 Nr 3 EuGVO nF) . . . . . 273 d) Gültigkeit von gewerblichen Schutzrechten (Art 22 Nr 4 EuGVO aF, Art 25 Nr 4 EuGVO nF) . . . . . 274 e) Verfahren über die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen (Art 22 Nr 5 EuGVO aF, Art 24 Nr 5 EuGVO nF) . . . . . . . . . . . . . . . 282 Amtsprüfung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Zuständigkeit für Streitigkeiten über Gemeinschaftsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Zuständigkeit für Streitigkeiten über Gemeinschaftsgeschmacksmuster . . . . . . . . . . . 292 Zuständigkeit für Streitigkeiten über den Sortenschutz . . . . . 295 Zuständigkeiten für Streitigkeiten über Gemeinschaftspatente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
II. Zuständigkeit nach Staatsverträgen 1. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
2. Luftverkehrs-Übereinkommen a) Warschauer Abkommen . . . . b) Montrealer Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. CMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gütertransport auf See . . . . . . . 5. Eisenbahnverkehr . . . . . . . . . . . 6. Übereinkommen über besondere Unfälle . . . . . . . . . . . . . . . . III. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriff der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Regelung der internationalen Zuständigkeit gem §§ 12ff ZPO. . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wohnsitz des Beklagten . . . . b) Gewöhnlicher Aufenthalt . . c) Gerichtsstände einer juristischen Person . . . . . . . . . . . . d) Gerichtsstand des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gerichtsstand des Erfüllungsortes . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gerichtsstand für Haustürgeschäfte. . . . . . . . . . . . . . . . . g) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung . . . . . . . . . . . . . h) Ausschließliche internationale Zuständigkeit . . . . . . . . 5. Gerichtsstandsvereinbarungen. 6. Rügelose Einlassung . . . . . . . . . 7. Internationale Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs . . . . a) Streitgenossen . . . . . . . . . . . . b) Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . d) Anspruchskonkurrenz . . . . . 8. Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . IV. Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichende Gerichtsstandskonzeptionen a) Anwesenheit im Gerichtsstaat (Presence of Person) . . . b) Vorübergehende Anwesenheit (transient jurisdiction) . c) Place of Incorporation . . . . . . d) Laufende Geschäftstätigkeit (doing business) . . . . . . . . . . .
§3
311 314 317 325 326 327 400 401 402
419 422 423 425 430 439 448 449 457 458 485 490 491 492 493 495 496
500 501
505 508 511 512
71
§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen e) Service out of the jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 f) Gerichtsstand der Niederlassung oder Geschäftsstelle . . . 517 g) Gerichtsstand des Vertragsschlusses (forum actoris) . . . . 519 h) Klägergerichtsstand nach Erbringung der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 i) Gerichtsstand der Streitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 j) Zuständigkeit gegenüber Konzernmuttergesellschaften (Durchgriffszuständigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 k) „Non-economic activity within the forum“ . . . . . . . . . 523 l) „Foreseeable effect within the state“. . . . . . . . . . . . . . . . . 524
m)Sachzusammenhang mit economic activities . . . . . . . . n) Deliktstreitigkeiten . . . . . . . o) Forum legis . . . . . . . . . . . . . . p) Admirality jurisdiction in rem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . q) Quasi in rem jurisdiction – Arrestgerichtsstand . . . . . . . . r) Heimatgerichtsstand (Art 14, 15 franz. Code Civil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . s) Gerichtsstand des früheren Wohnsitzes. . . . . . . . . . . . . . . t) Klägergerichtsstand (Art 638 belg. B.W.) . . . . . . . . . . . . . . . . u) Gerichtspflichtigkeit nach Due Process . . . . . . . . . . . . . . 4. Gerichtsstandsvereinbarungen. 5. Forum non conveniens . . . . . . .
525 526 528 529 530
533 534 536 537 538 552
I. Europäisches Zivilprozessrecht 1. Schrifttum 1
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§3
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
2008, 41; Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung (unalex Kommentar), 2012; Staudinger/Hausmann, Internationale Zuständigkeit; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Anh II zu Art 27–37 EGBGB, 2001; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Bd 10 EuGVVO, GVG, 22. Aufl 2011; Ch. Thole, Mißbrauchskontrolle im Europäischen Zivilverfahrensrecht, ZZP 122 (2009), 423; K. Thoma, Der internationale Regress, 2007; P. de VareillesSommières, Forum shopping in the European Judicial Area, 2007; R. Wagner, Vom Brüsseler Übereinkommen über die Brüssel I-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2002, 75; R. Wagner, Scheinauslandsgesellschaften im Europäischen Zivilprozessrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, S 223; J. Weber, Internationale Zuständigkeit und Gläubigerschutz nach dem Wegzug von Gesellschaften, ZVglWiss. 107 (2008), 193; J. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im Internationalen Zivilverfahrensrecht, 2011; S. Zogg, Accumulation of contractual and tortious causes of action under the Judgments Regulation, JPIL 9 (2013), 39.
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3
b) Zum bisherigen EuGVÜ: Aull, Der Geltungsanspruch des EuGVÜ (Zur Auslegung von Art 17 Abs 1 EuGVÜ), 1996; Bachmann, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Internet, IPRax 1998, 179; Bajons/Mayr/Zeiler, Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano, 1997; Banniza von Bazan, Der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs im EuGVÜ, dem Lugano-Abkommen und im deutschen Recht, 1995; Basedow, Europäisches Zivilprozessrecht, HdbIZVR, Bd I, 1982, 99; Ph. Bauer, Die internationale Zuständigkeit bei gesellschaftsrechtlichen Klagen unter besonderer Berücksichtigung des EuGVÜ, 2000; Bauerreiss, Das französische Rechtsinstitut der action directe, 2001; Beraudo, Convention de Bruxelles du 27 Septembre 1968, Juris-Classeur Procédure Civile Fasc.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
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4
c) Zum Lugano Übereinkommen von 2007: A. Bonomi/E. Cashin/Ritaine/G. P. Romano, La Convention de Lugano – Passe, present et deveniv, 2007; A. Bucher, Loi sur le droit international privé (LDIP)/Convention de Lugano (CL), 2011; A. Buhr, Europäischer Justizraum und revidiertes Lugano-Übereinkommen, 2010; Dasser/Oberhammer, LuganoÜbereinkommen (LugÜ), 2. Aufl 2011; Oetiker/Weibel, Basler Kommentar Lugano-Übereinkommen, 2011; R. Rodriguez/A. Markus, The implementation of the revised Lugano Convention in Swiss procedural law, Yearbook PIL 12 (2010), 435; A. Schnyder, LuganoÜbereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht, 2011.
5
Zum Lugano Übereinkommen 1988: Bajons, Das Luganer Parallelübereinkommen zum EuGVÜ, ZfRV 34 (1993), 45; Beraudo, Convention de Lugano, J.-Cl., Procédure Civile, Fasc. 53–2ff, 1991; Burgstaller, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2000, S 25ff; F. Cometta/P. Volken u a, La Convenzione di Lugano nella pratica forense e nel suo divenire, 2002; Donzallaz, La convention de Lugano, Bd I/II, 1996; Heerstrassen, Die künftige Rolle von Präjudizien des EuGH im Verfahren des Luganer Übereinkommens, RIW 1993, 179; M. Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998; Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993; Mäder, Die Anwendung des Lugano-Übereinkommens im gewerblichen Rechtsschutz, 1999; F. Walther, Die Schweiz und das europäische Zivilprozessrecht – quo vadis?, ZSR 124 (2005) II 301.
2. Einführung 6
a) Das Brüsseler EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 27.9.19681 trat für Deutschland am 1.2.1973 in Kraft. Seither wurde das Über1 BGBl 1972 II, 774.
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§3
einkommen viermal geändert. Das 1. Beitrittsübereinkommen mit Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich v 9.10.19782 gilt für Deutschland seit 1.11.1986. Das 2. Beitrittsübereinkommen mit Griechenland v 25.10.19823 gilt für Deutschland seit 1.4.1989. Das 3. Beitrittsübereinkommen (von DonostiaSan Sebastian) mit Portugal und Spanien ist von Deutschland am 20.4.1994 ratifiziert worden4 und am 1.12.1994 für Deutschland in Kraft getreten. Das 4. Beitrittsübereinkommen (mit Österreich, Finnland und Schweden) ist in Brüssel am 29.11.1996 unterzeichnet worden.5 Für Deutschland6 ist es am 1.1.1999 in Kraft getreten. b) Das Parallel-Übereinkommen von Lugano v 16.9.1988 mit den EFTA-Staa- 7 ten (damals: Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Schweiz und Österreich)7 ist ebenfalls ratifiziert worden8 und für Deutschland am 1.3.1995 im Verhältnis zu Finnland, Island (zum 1.12.1995), Norwegen, Österreich (zum 1.9.1996), Schweden und der Schweiz in Kraft getreten.9 Liechtenstein als neues EFTAMitglied hat das Übereinkommen nicht ratifiziert. Finnland, Österreich und Schweden sind zum 1.1.1995 Mitglied der Europäischen Union geworden und sind dann dem EuGVÜ direkt beigetreten. Das Übereinkommen galt seit 1.2.2000 auch im Verhältnis zu Polen,10 bis Polen der EU (am 1.4.2004) beigetreten ist. c) Durch Art 65 EGV (idF des Amsterdamer EG-Vertrags v 2.10.1997) wurde 8 die justizielle Zusammenarbeit der Staaten in Zivilsachen zu einer echten Gemeinschaftsangelegenheit.11 Als Folge davon hat die EU das EuGVÜ in revidierter Fassung als Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates neu erlassen.12 Diese EuGVO (Brüssel I-VO) trat zum 1.3.2002 im Verhältnis zu allen EU-Mitgliedstaaten (ausgenommen Dänemark) an die Stelle des früheren Brüsseler Übereinkommens (Art 68, 76 EuGVO). Die EuGVO gilt seit dem Beitritt am 1.4.2004 auch im Verhältnis zu den zehn Mitgliedstaaten Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.13
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12 13
BGBl 1983 II, 803. BGBl 1988 II, 453. BGBl II, 518. ABl EG Nr C 15 v 15.1.1997. BGBl 1998 II, 1411. Dazu Pirrung, in: Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zum Europäischen Internationalen Zivilverfahrens- und Versicherungsrecht, 1991, S 161. BGBl 1994 II, 2658. Zum Verhältnis beider Übereinkommen s N. Watté, Les relations des conventions de Bruxelles et de Lugano, in: Fentiman, L’espace judicaire europeen, 1999, 3. BGBl 2000 II, 1246; vgl R. Wagner WiRO 2000, 47; Martiny/Ernst IPRax 2001, 29. Vgl Besse ZEuP 7 (1999), 107; Müller-Graff/Kainer DRiZ 2000, 350; Leible/Staudinger EuLF 2000/01, 225; K. Wannemacher, Die Außenkompetenzen der EG im Bereich des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 2003; Hausmann, unalex Kommentar Brüssel I-VO Einl Rz 27. ABl EG Nr L 12/1 v 16.1.2001; vgl Hausmann EuLF 2000, 40ff; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325; Beraudo JDI 128 (2000), 1033. Vgl Hess IPRax 2004, 374.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
Seit dem 1.1.2007 gilt die Verordnung auch im Verhältnis zu Bulgarien und Rumänien.14 Sobald der Beitritt von Kroatien wirksam wird, gilt die EuGVO auch im Verhältnis zu Kroatien. Das EuGVÜ ist weiterhin für die (überseeischen) Gebiete der Mitgliedstaaten anzuwenden, für die das Gemeinschaftsrecht nach Art 299 EGV (jetzt Art 355 AEUV) nicht gilt (EuGVO Erwägungsgrund 23; EuGVO nF Erwägungsgrund 9).15 9
d) Durch Abkommen der EG mit Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen v 19.10.200516 wurde (mit Wirkung v 1.7.2007) vereinbart, dass die EuGVO (Brüssel I-VO) auf die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Dänemark anzuwenden ist.17 Nach Art 3 dieses Abkommens steht es Dänemark frei, auch die neue EuGVO anzuwenden (s Erwägungsgrund 41 EuGVO nF). Mit einer entsprechenden Erklärung ist anscheinend zu rechnen.
10
e) Am 30.10.2007 wurde zwischen der EG und den EFTA-Staaten das neue Luganer Übereinkommen geschlossen, mit dem eine Gleichheit von EuGVO und LugÜ wiederhergestellt wird.18 Das neue Luganer Übereinkommen von 2007 ist am 1.1.2010 in Kraft getreten und seither im Verhältnis zu Norwegen anwendbar. Im Verhältnis zur Schweiz gilt es seit dem 1.1.2011.19 Für Island gilt das neue Übereinkommen seit dem 1.5.2011. Liechtenstein ist dem Übereinkommen bisher nicht beigetreten.20
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f) Neufassung der EuGVO. Nach Art 73 EuGVO sollte die Kommission über die praktischen Erfahrungen bei der Anwendung der EuGVO berichten. Dieser Bericht wurde am 21.4.2009 auf der Grundlage des sog Heidelberg Report21 vorgelegt.22 Beide Berichte veranlassten die Kommission, am 14.12.2010 einen Vorschlag für eine Neufassung der EuGVO (auf der Grundlage von Art 67 IV, 81 II AEUV) vorzulegen.23 Dieser Vorschlag war Gegenstand einer umfangreichen rechtspolitischen Diskussion (s o Rz 2). Das Europäische Parlament
14 ABl EU 2005 L 157/11 v 21.6.2005. 15 Vgl Jayme/Kohler IPRax 2005, 481, 486; Schoibl JBl 2003, 149, 152; Hausmann, unalex Kommentar Brüssel I-VO, Einl Rz 41f; vgl Stein/Jonas/Wagner Einleitung vor Art 1 EuGVO Rz 21ff. 16 ABl EU Nr L 299/62; ratifiziert durch Beschluss des Rates v 27.4.2006, ABl EU L 120/22. Zu den Ergänzungen des AVAG s BR-Drucks. 547/06 v 11.8.2006. 17 Auf Angaben zum EuGVÜ wird deshalb nachfolgend verzichtet. 18 Vgl Entwurf eines deutschen Durchführungsgesetzes, BT-Drucks 16/10119 v 13.8.2008. 19 Vgl R. Rodriguez/A. Markus, The implementation of the Revised Lugano Convention in Swiss Procedural Law, Yearbook PIL 12 (2010), 435. 20 Vgl M. Frick, Chancen und Risiken im Zusammenhang mit einem Beitritt Liechtensteins zum Lugano-Übereinkommen, ZVglRWiss 111 (2012), 442. 21 Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001, 2008. 22 KOM (2009) 174 endg. 23 KOM (2010) 748 endg.
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forderte in seinem Bericht v 28.6.2011 erhebliche Änderungen.24 Am 1.6.2012 beschloss der Rat der Europäischen Union eine Kompromissfassung,25 die endgültige Neufassung hat die Konferenz der Justizminister der EU am 7.12.2012 beschlossen.26 Sie ist als VO (EU) Nr 1215/2012 v 12.12.2012 verkündet worden.27 Diese Neufassung der EuGVO gilt ab 10.1.2015 (Art 81 EuGVO nF). Gleichzeitig tritt die bisherige VO (EG) Nr 44/2001 außer Kraft (Art 80 S 1 EuGVO nF). Soweit die Neufassung von der bisherigen Fassung abweicht, wird sie nachfolgend besonders dargestellt und als „EuGVO nF“ zitiert. g) Den EU-Staaten ist es mit dem EuGVÜ bereits vor über 40 Jahren gelungen, 12 sich auf einen einheitlichen Zuständigkeitskatalog hinsichtlich der internationalen – zum Teil auch der örtlichen – Zuständigkeit zu einigen und eine europäische Zuständigkeitsordnung zu schaffen. Dies kann nicht hoch genug bewertet werden. Dadurch ist zugleich die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen innerhalb des Gebietes der Vertragsstaaten so sehr gefördert worden, dass man von der „Freizügigkeit“ der Urteile in Zivilund Handelssachen innerhalb der Gemeinschaft sprechen kann. Insoweit ist es berechtigt, von einem „Europäischen Zivilprozessrecht“ zu sprechen.28 Die Einigung auf einen gemeinsamen Gerichtsstandskatalog für die internationale Zuständigkeit war nur dadurch möglich, dass das EuGVÜ in die nationalen Gerichtsstandskataloge der Vertragsstaaten eingriff und sie in den Grenzen des Übereinkommens beiseite schob. Bei jedem auslandsbezogenen Fall muss also zunächst geprüft werden, ob von der Zuständigkeitsregelung des Übereinkommens oder von den autonomen Zuständigkeitsbestimmungen der betreffenden Vertragsstaaten ausgegangen werden muss. Nicht vereinheitlicht wurde bisher das Kollisionsrecht,29 so dass ein forum shopping möglich wird, soweit Gerichtsstände in verschiedenen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen.30
3. Einheitliche Auslegung a) Schrifttum M. Audit, L’Interpretation autonome du droit international privé communautaire, JDI 131 (2004), 789; Beraudo, Convention de Bruxelles du 27 Septembre 1968, Juris-Classeur Procédure Civile Fasc. 53 (Interpretation), 1989; C. Buck, Über die Auslegungsmethoden des EuGH, 1998; A. Buhr, Europäischer Justizraum und revidiertes Lugano-Übereinkommen, 2010; Hess, Methoden der Rechtsfindung und Rechtsanwendung im Europäischen Internationalen Zivilprozessrecht, IPRax 2006, 348, 351ff; Kropholler, Die Auslegung von EG-Verordnungen zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, in: Aufbruch 24 Stellungnahme des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments (Zwiefka-Report), 2010/0383 (COD). 25 Dok. Nr 10609/12 ADD 1. 26 Dok. PE-CONS 56/12 v 30.11.2012. 27 ABl EU Nr L 351/1 v 20.12.2012. 28 Vgl Spellenberg EuR 1980, 329. Zum heutigen Stand vgl Leisle, Dependenzen auf dem Weg vom EuGVÜ, über die EuGVVO zur EuZPO, 2002. 29 Vgl Mankowski, FS Heldrich, 2005, S 867. 30 Vgl P. de Vareilles-Sommières, Forum shopping, 2007.
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nach Europa, 2001, S 583; Martiny, Autonome und einheitliche Auslegung im Europäischen Internationalen Zivilprozessrecht, RabelsZ 45 (1981), 427; J. Newton, The uniform interpretation of the Brussels and Lugano Conventions, 2002; Pfeiffer, Grundlagen und Grenzen der autonomen Auslegung des EuGVÜ, Jb junger Rwiss. 1991, 71; E. Scheibeler, Begriffsbildung durch den Europäischen Gerichtshof, 2004; Schlosser, Vorabentscheidungsverfahren und neues justizielles Europarecht, FS Nemeth, 2003, S 777; SchmidtParzefall, Die Auslegung des Parallel-Übereinkommens von Lugano, 1995; I. Scholz, Das Problem der autonomen Auslegung des EuGVÜ, 1998; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004; Schwander, Das Lugano-Übereinkommen, 1990; Tebbens, Die einheitliche Auslegung des Lugano-Übereinkommens, in: Reichelt, Europäisches Kollisionsrecht, 1993, S 49.
b) Autonome Auslegung 14
Auszulegen sind EuGVO31 (in alter und neuer Fassung) und LugÜ32 in autonomer, einheitlicher Weise, andernfalls wäre eine Rechtseinheit letztlich nicht zu erzielen. Auch der EuGH folgt grds der autonomen, rechtsvergleichenden Auslegung.33 Lediglich für die Bestimmung des Erfüllungsorts in Art 5 Nr 1 aF hat er aus Gründen der Rechtssicherheit an einer Verweisung auf die lex causae festgehalten (s u Rz 59f). Spezifische gemeinschaftsrechtliche Vorgaben können bei der Auslegung des LugÜ mit berücksichtigt werden.
c) Auslegung der EuGVO 15
Die Zuständigkeit des EuGH für die Auslegung der neuen EuGVO ergibt sich jetzt unmittelbar aus Art 267 AEUV. Nach dem früheren Art 68 I EGV war die Befugnis zur Vorlage auf konkret letztinstanzliche Gerichte beschränkt.34 Diese Beschränkung ist im AEUV von 2009 nicht mehr enthalten. Vorlageberechtigt ist nach Art 267 II AEUV jedes Gericht, nach Art 267 III AEUV sind letztinstanzliche Gerichte zur Vorlage verpflichtet. Vorzulegen ist dem EuGH eine Frage zur Auslegung der EuGVO, wenn das Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seiner Entscheidung für erforderlich hält.
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Unabhängig von jedem konkreten Einzelfall konnten daneben nach Art 68 II EGV der Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat dem Gerichtshof eine Frage der Auslegung der EuGVO zur Entscheidung vorlegen.35 Eine solche abstrakte Vorlage ist nie erfolgt. Diese Möglichkeit ist in Art 267 AEUV nicht mehr vorgesehen.
31 Martiny RabelsZ 45 (1981), 427; Pfeiffer Jb junger Rwiss. 1991, 71; Schack, IZVR, Rz 98; M. Audit JDI 2004, 789; Newton, The uniform interpretation, 2002; Hess IPRax 2006, 348, 351; Stein/Jonas/Wagner Einleitung vor Art 1 EuGVO Rz 31 ff. 32 Buhr, Europäischer Justizraum, Rz 575 ff. 33 EuGHE 1993, I-4075, 4102 (Mulox v Geels) = IPRax 1997, 110 (dazu Holl S 88); vgl Hausmann, unalex Kommentar Brüssel I-VO Einl Rz 46ff. 34 Vgl EuGHE 2002, I-3383 (Marseille Fret); EuGHE 2002, I-3393 (Tilly Reichling); Kropholler, in: Aufbruch nach Europa, 2001, S 583, 587; Schlosser, FS Nemeth, S 777; Dietze/Schnichels EuZW 2003, 581, 582; krit Schack, IZVR, Rz 91. 35 Vgl Kohler/Knapp ZEuP 2001, 116, 118.
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d) Auslegung des bisherigen EuGVÜ Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entscheidet über 17 die Auslegung des EuGVÜ nach dem Luxemburger Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens v 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof v 3.6.1971.36 Deutschland hatte dazu ein Ausführungsgesetz v 7.8.1972 erlassen.37 In Art 4 des Auslegungsprotokolls war ferner ein objektives Vorlageverfahren 18 bei divergierenden rechtskräftigen Entscheidungen (ohne Einfluss auf die Entscheidung, die Anlass dazu gegeben hat) vorgesehen. Von diesem Verfahren ist allerdings nie Gebrauch gemacht worden. Da die EuGVO inzwischen seit über zehn Jahren in Kraft ist, dürften neue Vorlagen zur Auslegung des EuGVÜ nicht mehr zu erwarten sein. Von einer näheren Darstellung wird daher abgesehen.
e) Auslegung der Lugano-Übereinkommen Grundsätze für die einheitliche Auslegung des Lugano-Übereinkommens von 19 1988 enthält das Protokoll Nr 2 v 16.9.1988.38 Eine einheitliche Auslegungsinstanz war danach nicht vorgesehen. Die zum parallelen Brüsseler Übereinkommen ergangenen Entscheidungen des EuGH sowie die neuen Entscheidungen der Gerichte der Vertragsstaaten sind zu beachten.39 Das Luganer Übereinkommen von 2007 unterliegt dagegen der Auslegungskompetenz des EuGH, da die EU diesen Staatsvertrag selbst abgeschlossen hat.40 Diese Auslegung ist freilich direkt nur für die Gerichte der EU-Mitgliedstaaten verbindlich. Die Gerichte der EFTA-Staaten legen das Übereinkommen an sich unabhängig davon aus. Eine einheitliche Auslegung soll aber durch gegenseitige Berücksichtigung der Entscheidungen und eine Verständigung entsprechend dem Protokoll Nr 2 zum LugÜ 2007 erreicht werden.
4. Das System der direkten Zuständigkeit Im Gegensatz zu anderen von der Bundesrepublik Deutschland mit anderen 20 Staaten abgeschlossenen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen, folgen
36 BGBl 1972 II, 846. 37 BGBl 1972 II, 845. 38 ABl EG 1988 Nr L 319, S 31; vgl Kreuzer/Wagner Q 55ff; Report on the national caselaw relating to the Lugano-Convention, IPRax 2001, 262. 39 Vgl Heerstrassen RIW 1993, 179; Schmidt-Parzefall, Die Auslegung des Lugano-Parallelübereinkommens, 1995; Stein/Jonas/Wagner Einleitung vor Art 1 EuGVO Rz 105ff; ferner: Report on the national case law relating to the Lugano convention, IPRax 2001, 262. 40 Schack, IZVR Rz 132; Hausmann, unalex Kommentar Brüssel I-VO Einl Rz 87; Stein/ Jonas/Wagner Einleitung vor Art 1 EuGVO Rz 111.
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EuGVÜ/LugÜ und die neue EuGVO dem System der direkten Zuständigkeit.41 Dieses System zwingt den Richter jedes Mitglieds- bzw Vertragsstaats, bei der Prüfung seiner Zuständigkeit von dem Zuständigkeitskatalog der EuGVO bzw des LugÜ auszugehen. Den Zuständigkeitskatalog seiner eigenen ZPO, also die lex fori, darf er nicht berücksichtigen. Man spricht insoweit von Befolgungsregeln.42 21
Dieses System begründet nach kontinentaler Tradition feste Zuständigkeiten. Die Gerichte haben kein Ermessen, eine gegebene Zuständigkeit aus Gründen der Zweckmäßigkeit („forum non conveniens“) nicht auszuüben und dürfen den Kläger nicht an ein sachnäheres Gericht verweisen,43 auch nicht wenn als alternatives Forum nur ein Drittstaatgericht in Frage kommt.44
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Die Frage der Anerkennung und Vollstreckung seiner Entscheidung im Ausland berührt den Erstrichter nicht, sie wird erst für den Zweitrichter, der über die Anerkennung und Vollstreckung der ausländischen Entscheidung befinden soll, von Bedeutung. Da nach Art 35 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 EuGVO nF) vor dem Zweitrichter grds nicht mehr über die internationale Zuständigkeit gestritten werden darf, ist diese vor dem Erstrichter von besonderer Bedeutung. Die internationale Zuständigkeitsregelung der EuGVO bzw des LugÜ geht als Sonderregelung den entsprechenden Vorschriften der ZPO vor.45 Als Gemeinschaftsrecht haben EuGVO und LugÜ 2007 stets Vorrang vor nationalem Recht. Gleiches galt und gilt auch für das EuGVÜ/LugÜ 1988. Über die Rechtsnatur des EuGVÜ wurden zwar unterschiedliche Auffassungen vertreten: primäres Gemeinschaftsrecht oder gewöhnlicher völkerrechtlicher Vertrag.46 Aber auch wer das Übereinkommen nur als völkerrechtlichen Vertrag einordnete, sah einen Vorrang vor früheren und späteren nationalen Vorschriften.47
5. Sachlicher Anwendungsbereich 23
Schrifttum: B. Laukemann, Die Absonderungsklage im Europäischen Zuständigkeitsrecht, IPRax 2013, 150; W. Lüke/A. Scherz, Zu den Wirkungen des Solvent Scheme of Arrangement in Deutschland, ZIP 2012, 1101; P. Mankowski, Insolvenznahe Verfahren im Grenzbereich zwischen EuInsVO und EuGVVO, NZI 2010, 508; M. Stürner, Staaten41 Vgl Kropholler/v. Hein Vor Art 2 EuGVO Rz 1; MüKo/Gottwald, Vor Art 1 EuGVO Rz 2. 42 Anlehnung an Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge, 1957, S 116. 43 Huber RIW 1993, 977; Kohler, FS Matscher, 1993, S 251; Schack Rz 569; Ch. Erwand S 185ff, 206; aA Fentiman Cornell Intern.L.J. 26 (1993), 59; North IPRax 1992, 183; für Einführung einer Verweisungsmöglichkeit de lege ferenda McGuire ZfRV 2005, 83; vgl N. Trocker, Party autonomy and iudicial discretion in transnational litigation, in Stürner/Kawano, International Contract Litigation, Arbitration …, 2011, S 177. 44 EuGHE 2005, I-1383 (Owusu v. Jackson) = IPRax 2005, 244 (dazu Heinze/Dutta S 224) = JZ 2005, 887 (A. Bruns) = ZZPInt 10 (2005), 277 (Huber/Stieber); vgl Ch. Thiele RIW 2002, 696; Gottwald FS Jayme, 2004, S 277; F. Blobel GPR 2005, 140; Rauscher/ Fehre ZEuP 2006, 459; krit Fentiman CMLR 43 (2006), 705. 45 Kropholler/v. Hein, Einl Rz 40. 46 Geimer/Schütze I, 50. 47 Kreuzer/Wagner Q 87.
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immunität und Brüssel I-Verordnung, IPRax 2008, 197; M. Zeuner/Th. Elsner, Die internationale Zuständigkeit der Anfechtungsklage oder die Auslegung des Art 1 Abs. 2 lit b EuGVVO, DZWIR 2008, 1. Zur Reform: M. Benedettelli, ‚Communitarization‘ of International Arbitration, ArbInt 27 (2011), 583; B. Hess, Die Reform der Verordnung Brüssel I und die Schiedsgerichtsbarkeit, FS v. Hoffmann, 2011, S. 648; M. Illmer, Brussels I and Arbitration Revisited, RabelsZ 75 (2011), 645; M. Illmer, Der Kommissionsvorschlag zur Reform der Schnittstelle der EuGVO mit der Schiedsgerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2011, 248; V. Lazic´, The Commission’s proposal to amend the arbitration exception in the EC Jurisdiction Regulation, JIntArb 29 (2012), 19; St. Weber, Von Torpedos, Tankern und deutsch-französischen Gefechten – Gerichte und Schiedsgerichte im Binnenmarkt, FS 60 Jahre Europa-Institut, 2011, S 607.
Nach Art 1 I ist die EuGVO bzw das LugÜ nur auf Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Dieser Begriff ist autonom auszulegen.48 „Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der Zivilsache in Art 1 als autonomer Begriff zu verstehen, für dessen Auslegung zum einen die Ziele und der Aufbau des Übereinkommens und zum anderen die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtssysteme ergebenden allgemeinen Grundsätze heranzuziehen sind.“49
Der Begriff ist danach weit zu fassen; Einschränkungen, die auf nationalen Besonderheiten beruhen, sind für die EuGVO bzw das LugÜ irrelevant. Die deutsche Abgrenzung von Zivil- und Verwaltungsrechtsweg (§ 13 GVG und § 40 VwGO) ist nicht übertragbar. FamFG-Streitsachen und arbeitsgerichtliche Streitigkeiten sind Zivilsachen.50 Ansprüche, die aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eines Staats oder ei- 24 ner Behörde entstanden sind, sind danach ausgeschlossen. Schadenersatzansprüche wegen Kriegsverbrechen sind keine Zivilsachen.51 Auch ein Gebührenanspruch, den eine Behörde einseitig für die Inanspruchnahme von Diensten festlegt, ist danach keine Zivilsache.52 Im Urteil v 16.12.1980 hat der EuGH entschieden: Der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ iS von Art 1 I EuGVÜ umfasst nicht eine Rechtsstreitigkeit, die vom Verwalter der öffentlichen Wasserstraßen angestrengt wird, um von dem kraft Gesetzes Haftpflichtigen den Ersatz der Kosten für die Beseitigung eines Wracks zu erlangen, die
48 EuGHE 2006, I-4557 (Rz 22) (Land Oberösterreich v CˇEZ) = RIW 2006, 624; EuGHE 1976, 1541 (LTU Eurocontrol) = NJW 1977, 489; EuGHE 1993, I-1963 (Sonntag v Waidmann) = NJW 1993, 2091 = IPRax 1994, 37 (dazu Hess S 10) = ZZP 108 (1995), 241 (dazu Haas, S 219); Soltész, Der Begriff der Zivilsache im europäischen Zivilprozessrecht, 1998; Hausmann, unalex Kommentar, Art 1 Brüssel I-VO Rz 3ff.; Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 10ff. 49 EuGHE 1993, I-1963 (Rz 18) (Sonntag v Waidmann) = NJW 1993, 2091; vgl Geimer IPRax 2003, 512. 50 Hausmann, unalex Kommentar, Art 1 Brüssel I-VO Rz 9, 12; Kropholler/v. Hein Art 1 R EuGVO z 12. 51 EuGHE 2007, I-1519 (Lechouritou v Deutschland) = NJW 2007, 2464 = IPRax 2008, 250 (dazu Geimer, S 225); M. Stürner, IPRax 2008, 197; vgl IGH „Immuniés Juridictionelles de l’Ètat, Allemagne v Italie“ v 4.2.2012; dazu Hess, Staatenimmunität und ius cogens im geltenden Völkerrecht, IPRax 2012, 201. 52 EuGHE 1976, 1541 = NJW 1977, 489, 490 (m Anm Geimer).
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der Verwalter in Ausübung hoheitlicher Befugnisse hat vornehmen lassen.53 Der Anspruch eines ausländischen Anwalts auf Zahlung seines Honorars ist dagegen eine Zivilsache, auch wenn er in Strafsachen oder öffentlich-rechtlich tätig war.54 Der Anspruch eines deutschen Notars auf Kostenerstattung ist dagegen öffentlich-rechtlicher Natur.55 25
Ansprüche aus Staatshaftung (zB nach Art 34 GG) sind keine Zivilsache, wohl aber Ansprüche gegen öffentliche Unternehmen, solange sie nicht hoheitlich tätig wurden. Im Urteil v 21.4.199356 hat der EuGH einen Amtshaftungsanspruch gegen einen deutschen beamteten Lehrer als Zivilsache angesehen, da zwischen der Haftung des Lehrers an einer Privatschule und einer öffentlichen Schule kein Unterschied bestehen könne.57 Die Klage aus einer Bürgschaft für eine Zollforderung ist eine von der EuGVO erfasste Zivilsache,58 ebenso eine Klage aus Mietverträgen der öffentlichen Hand.59 Unterhaltsregressforderungen öffentlicher Behörden sind nur dann Zivil- und Handelssachen, wenn der unveränderte Anspruch auf die öffentliche Hand übergegangen ist, nicht dagegen, soweit die öffentliche Stelle besondere Befugnisse hat.60 Verbandsklagen nach §§ 1ff UKlaG gehören zu den Zivilsachen.61 Unter EuGVO/LugÜ fallen auch Entscheidungen der Strafgerichte in Adhäsionsverfahren (vgl Art 5 Nr 4 aF bzw Art 7 Nr 4 nF).
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In Art 1 II sind ausdrücklich die Gebiete aufgezählt, auf die die EuGVO bzw das LugÜ nicht anzuwenden sind. Die in Art 1 II ausgeschlossenen Rechtsgebiete sind autonom zu bestimmen.62 Ausgeschlossen ist der Streitgegenstand nur, wenn er unmittelbar das relevante Rechtsgebiet betrifft; eine Vorfragenkompetenz bleibt bestehen. Im Einzelnen handelt es sich um (1) Statusfragen, die ehelichen Güterstände63 (einschl. Versorgungsausgleich),64 das Erbrecht (s auch [6]).65 Für Ehesachen und Sorgerechtsstreitigkeiten gilt in53 54 55 56 57
58 59 60
61 62 63 64 65
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EuGHE 1980, 3807 (Niederlande v Rüffer) = IPRax 1981, 169 (dazu Schlosser S 154). LG Paderborn EWS 1995, 248; Zöller/Geimer Art 1 EuGVVO Rz 21. Kropholler/v. Hein, Art 1 Rz 7. EuGHE 1993, I-1963 (Sonntag v Waidmann) = IPRax 1994, 37 (dazu Hess S 10). Abschlussentscheidung: BGHZ 123, 268 = NJW 1993, 3269 = JZ 1994, 254 (Eichenhofer) = IPRax 1994, 118 (dazu Geimer S 82); Haas ZZP 108 (1995), 219; Kubis ZEuP 1995, 854; Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 23. EuGHE 2003, I-4867 (Préservatrice Foncière v Staat der Nederlanden) = IPRax 2003, 528 (dazu Geimer S 512). Hausmann, unalex-Kommentar Art 1 Brüssel I-VO Rz 26; vgl Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 25. EuGHE 2002, I-10489 (Gemeente Stenbergen v Baten) = IPRax 2004, 237 (dazu Martiny S 195) = ZZPInt 2002, 317 (Rauscher); EuGHE 2004, I-981 (Freistaat Bayern v Blijdenstein) = NJW 2004, 1439 = IPRax 2004, 240 (dazu Martiny S 195) = FamRZ 2004, 513; Hausmann, unalex Kommentar Art 1 EuGVO Rz 28f. BGH RIW 1990, 63 (früher §§ 13, 22 AGBG); Hausmann, unalex Kommentar Art 1 Brüssel I-VO Rz 38. EuGHE 1979, 733 (Gourdain v Nadler) = RIW 1979, 273; Kropholler Art 1 Rz 16. Vgl Hausmann FamRZ 1980, 418; Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 31. Vgl Burgstaller Rz 2.20; krit. Henrich IPRax 1998, 396f. Zu Regelungen zum Scheidungsrecht sowie zum Erbrecht s u § 4 Rz 4ff, 94.
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zwischen die Verordnung (EG) Nr 2201/2003 v 27.11.200366 (EheGVO; Brüssel II a) über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren über die elterliche Verantwortung (s u § 4 Rz 1ff, 40ff). Unterhaltsklagen fallen nach Art 5 Nr 2 unter das LugÜ, innerhalb der EU seit 2011 freilich unter die EuUnthVO (s u § 4 Rz 93ff). Die Abgrenzung von Güterstand und Unterhalt richtet sich danach, ob sich der Anspruch an der Bedürftigkeit des Berechtigten und an der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten orientiert. Ist dies der Fall, handelt es sich um Unterhalt.67 Aufgrund des Vorrangs der EuGVO sind §§ 105, 232 III Nr 3 FamFG nur anwendbar, wenn das europäische Recht nicht eingreift. EuGVO bzw LugÜ sind ohne Weiteres anwendbar auf alle vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten, die keinen Zusammenhang mit der Ehe aufweisen.68 Für Güterrechtssachen hat die Kommission einen Verordnungsvorschlag vorgelegt (s u § 4 Rz 109ff). (2) Konkurse,69 Vergleiche, Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters gehö- 27 ren zum Konkurs- bzw Insolvenzrecht,70 ebenso Haftungsklagen gegen GmbHGeschäftsführer (wegen wrongful trading, Insolvenzverschleppung usf) im Insolvenzfall,71 nicht aber Eigenkapitalersatzklagen72 und Haftungsklagen gegen Gesellschafter wegen Unterkapitalisierung,73 Regressklagen wegen nach Insolvenzreife geleisteter Zahlungen74 oder Schadenersatzklagen wegen existenzvernichtenden Eingriffs75 sowie Gläubigeranfechtungsklagen (außerhalb der Insolvenz) nach dem AnfG76 und Schadenersatzklagen gegen den Insolvenzverwalter.77 Auch die Klage eines Gläubigers aus einer vom Insolvenzverwalter 66 ABl EG L 338 S 1; durch sie wurde die VO (EG) Nr 1347/2000 v 29.5.2000 mit Wirkung zum 1.3.2005 aufgehoben. 67 EuGHE 1997, I-1147 (van den Boogard) = IPRax 1999, 35 (dazu M. Weller); BGH FamRZ 2009, 1659, 1661 (Henrich); Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 31. 68 Vgl Stolz, Zur Anwendbarkeit des EuGVÜ auf familienrechtliche Ansprüche, 1995. 69 Vgl OLG Zweibrücken (30.6.92, 3 W 13/92) EWS 1993, 264; OLG München RIW 2002, 66, 67; ferner: F. Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzrechtlicher Einzelentscheidungen, 2006. 70 EuGHE 2009, I-767 (Deko Marty) = NZI 2009, 199 = ZIP 2009, 427 (Zuständigkeit analog Art 3 I EuInsVO); BGH RIW 1990, 221 = NJW 1990, 990; Flessner/Schulz IPRax 1991, 162; M. v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland, 1996, 349; Haas NZG 1999, 1148; Zeuner/Elsner DZWIR 2008, 1; OLG München IHR 2007, 80 (dazu Saenger/Klockenbrink, S 60; Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 47ff; aA OLG Frankfurt ZIP 2006, 769 = ZInsO 2006, 715 (ablehn. Ringe S 700); zust. Thole ZIP 2006, 1383; Geimer/Schütze Art 1 Rz 131. 71 EuGHE 1979, 733 (Gourdain v Nadler) = RIW 1979, 273; Geimer/Schütze Art 1 Rz 89; MüKo/Gottwald, Art 1 EuGVO Rz 19; aA Kindler, FS Ulmer, 2003, S 305, 308. 72 OLG Koblenz NZI 2002, 56, 57; G. Schwarz, FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, S 503, 513f; Kropholler/v. Hein Art 1 Rz 35 f; diff. Hausmann, unalex Kommentar Art 1 Brüssel I-VO Rz 94. 73 OLG Köln ZIP 2005, 322, 324. 74 Hausmann, unalex Kommentar Art 1 Brüssel I-VO Rz 85. 75 Vgl Mankowski RIW 2005, 561, 569; Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rz 20. 76 Burgstaller Art 1 EuGVO Rz 15; Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rz 19; Schlosser IPRax 1991, 29. 77 Kropholler/v. Hein Art 1 EuGVO Rz 37 (a.E.).
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abgetretenen Insolvenzanfechtungsforderung ist eine Zivilsache.78 Streitigkeiten über Masseforderungen,79 über Absonderungsrechte80 und über Aussonderungsansprüche81 sind ebenfalls keine Insolvenzforderungen. Auch Klagen gegen einen Gesellschafter und Geschäftsführer, bestimmte Maßnahmen innerhalb einer insolventen Gesellschaft zu unterlassen, gehören nicht zu ähnlichen Verfahren wie ein Konkurs.82 Ob es bei Anspruchskonkurrenz eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs nach EuInsVO oder EuGVO gibt, ist zweifelhaft. Das LG Essen hat die Frage dem EuGH vorgelegt.83 Ein englisches Scheme of Arrangement-Verfahren ist ein vorkonkursliches Verfahren und daher nicht von der Konkursausnahme erfasst. Sofern die Beteiligten die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte vereinbart hatten, hat der englische High Court of Justice daher seine Zuständigkeit zur Genehmigung nach der EuGVO bejaht.84 28
(3) Die die soziale Sicherheit betreffenden Fälle. Der Begriff entspricht der Definition in Art 4 VO (EWG) Nr 1408/71.85 Regressforderungen nach Leistung von Unterhalt sowie Ausbildungsförderung fallen nicht unter die soziale Sicherheit iS von Art 1 II Nr 3, soweit Grundlage des Regresses die allgemeinen Deliktsregeln (Ersatzpflicht nach Unfall) oder Unterhaltspflichten bilden.86 Ansprüche aus privaten Rentenversicherungen und Betriebsrentenansprüche gegen den Arbeitgeber sind ebenfalls gewöhnliche Zivilsachen.87 Der Versorgungsausgleich gehört ebenfalls nicht zur sozialen Sicherheit, ist aber als Teil des ehelichen Güterrechts einzuordnen (s o Rz 26). Zur sozialen Sicherheit gehören Ansprüche gegen Sozialversicherungsträger, auf Leistung von Sozialhilfe, Grundsicherung usw, auch Ansprüche auf Zahlung von Insolvenzgeld.88
29
(4) Die Schiedsgerichtsbarkeit,89 Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Bei der Reform der EuGVO sollten Streitigkeiten 78 EuGH (19.4.2012, C-213/10, F-Tex) ZIP 2012, 1049, 1050 (Tz 30 ff) = NZI 2012, 469; dazu Brinkmann EWiR Art 5 EuInsVO 5/12, 383. 79 Burgstaller Art 1 EuGVO Rz 19; Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rz 20; Kropholler/v. Hein Art 1 EuGVO Rz 37. 80 Vgl Laukemann IPRax 2013, 150, 152. 81 EuGHE 2009, I-8421 (German Graphics) = NZI 2009, 741; dazu P. Mankowski NZI 2010, 508. 82 82 Choudhary v. Bhatter, English CA I.L.Pr. 130, 142 (Rz 30 ff). 83 LG Essen ZIP 2011, 875; dazu Wehler EWiR Art 5 EuGVVO 1/11, 559; Thole ZIP 2012, 605. 84 High Court of Justice (Chancery Division) ZIP 2012, 440; abl W. Lüke/Scherz ZIP 2012, 1101, 1105 f. 85 EuGHE 2002, I-10489 (Gemeente Steenbergen) = FamRZ 2003, 85; BAG RIW 2008, 726, 727; Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 55ff. 86 EuGHE 2002, I-10489 (Gemeente Steenbergen v Baten) = IPRax 2004, 237 (dazu Martiny S 195) = ZZPInt 7 (2002), 317 (Rauscher). 87 Rauscher IPR, Rz 1700. 88 Hausmann, unalex Kommentar Art 1 Brüssel I-VO Rz 102. 89 Vgl Haas IPRax 1992, 292; Thomas, The Arbitration Exclusion, JIntArb 1990, 43; Monaco, FS Lalive 1993, S 587; Weigand EuZW 1992, 529; Hascher ArbInt 12 (1996), 233; Killias EurJLawReform 4 (2002), 119; Besson, Études en l’honneur de Poudret, 1999, 329; Beraudo, The Arbitration Exception of the Brussels and Lugano Conventi-
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von über die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen zunächst in den Anwendungsbereich der EuGVO einbezogen werden, um Torpedoklagen und Parallelverfahren besser als bisher verhindern zu können. Auch die Zulässigkeit einstweiliger Maßnahmen in Bezug auf Schiedsverfahren sollte präzisiert werden.90 Entsprechend der Kompromissfassung des Rates der EU v 1.6.2012 bleibt es dagegen bei der bisherigen Rechtslage. Die Ausnahme für Schiedssachen wird in der Neufassung der EuGVO lediglich in Erwägungsgrund 12 EuGVO nF ausführlich konkretisiert. Entscheidungen mitgliedstaatlicher Gerichte, dass Schiedsvereinbarungen wirksam oder unwirksam sind, fallen danach nicht in den Anwendungsbereich der EuGVO. Ausgenommen sich auch Hilfsentscheidungen des staatlichen Gerichts, die dem Schiedsverfahren dienen sollen, zB die Entscheidung über die Bildung des Schiedsgerichts, die Ernennung von Schiedsrichtern,91 die Durchführung des Schiedsverfahrens und die Hilfe bei der Beweisaufnahme.92 Schließlich erfasst die EuGVO nicht die Anfechtung, Aufhebung bzw Überprüfung von Schiedssprüchen und deren anerkennung und Vollstreckbarerklärung. Unter die EuGVO fällt dagegen der Erlass einstweiliger Maßnahmen, die, wie die Leistung einer Sicherheit lediglich der Sicherung eines Anspruchs dienen, nicht aber der Durchführung des Schiedsverfahrens oder der Vollstreckung des Schiedsurteils.93 (5) Art 1 II lit e EuGVO nF nimmt familienrechtliche Unterhaltspflichten jetzt 30 ausdrücklich vom Anwendungsbereich der EuGVO nF aus, da insoweit seit 2011 die Europäische Unterhaltsverordnung (EuUnthVO) eingreift. (6) Das Gebiet des Erbrechts und Testamentsrechts (einschl des erbrechtlichen Unterhalts) wird von Art 1 II lit f EuGVO nF gesondert ausgenommen. Insoweit gilt ab 2015 die EuErbVO. Allgemeine Zivilsachen sind freilich Streitigkeiten über Nachlassverbindlichkeiten.94
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Vorrang haben die besonderen Regelungen für Spezialgebiete (Art 71 EuGVO bzw Art 67 LugÜ). Hierzu zählen
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– die CMR95 (s u Rz 317ff) und – das Montrealer Übereinkommen (s u Rz 314f)
90 91 92 93 94 95
ons, JIntArb 18 (1) (2001), 13; C. Ambrose ArbInt 19 (2003), 3; Stein/Jonas/Wagner Art 1 EuGVO Rz 58ff. Vgl Vorschlag zur Neufassung von Art 1 Abs. 2 lit d, 29 Abs. 4, 36 EuGVO; vgl M. Benedettelli ArbInt 27 (2011), 583. EuGHE 1991, I-3855 (Marc Rich v Societá Italiana Impianti PA) = NJW 1993, 189 = IPRax 1992, 312 (dazu Haas S 292); Walter, IZPR in der Schweiz, S 179 f. OLG Hamburg RIW 1996, 862; Burgstaller Rz 2.24f. BGH RIW 2009, 238 = MDR 2009, 645 (Rz 10). Hausmann, unalex Kommentar Art 1 Brüssel I-VO Rz 76; MüKoZPO/Gottwald Art 1 EuGVO Rz 17. EuGHE 2004, I-10327 (Nürnberger Allgemeine v Portbridge) = NJW 2005, 44 = IPRax 2006, 256 (dazu Haubold S 224); BGH IPRax 2006, 257; BGH RIW 2003, 722.
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6. Der Wohnsitzgerichtsstand Schrifttum: M. Hahn, Die Verortung der natürlichen Person im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 2011; W. Hau, Die Verortung natürlicher Personen – Ein Beitrag zum Allgemeinen Teil des Europäischen Zivilverfahrensrechts, GS M. Wolf, 2011, S 409; P. de Vareilles-Sommières, The mandatory nature of Article 2 of the Brussels Convention and derogation from the rule it lays down, in: P. de Vareilles-Sommières, Forum shopping, 2007, p 101.
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Die EuGVO bzw das LugÜ folgen der Grundregel: actor sequitur forum rei, weil sie dem Beklagten die Verteidigung erleichtert.96 Für Personen mit Wohnsitz bzw Sitz in einem Mitglied- bzw Vertragsstaat ist daher als allgemeiner internationaler Gerichtsstand die Zuständigkeit dieses Mitglied- bzw Vertragsstaats vorgesehen (Art 2 I EuGVO/LugÜ bzw Art 4 I EuGVO nF). Die örtliche Zuständigkeit ist nicht geregelt, sondern bestimmt sich nach nationalem Recht.97 Auf die Staatsangehörigkeit der Parteien kommt es nicht an. Der Wohnsitz muss nicht bereits bei Prozessbeginn bestehen; es genügt, dass er im Laufe des Verfahrens begründet wird. Die einmal begründete Zuständigkeit bleibt erhalten, auch wenn der Wohnsitz noch während des Verfahrens wieder aufgegeben wird.98 Ist der Wohnsitz des Beklagten unbekannt, kann die Klage am letzten bekannten Wohnsitz erhoben werden.99
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Gleichgültig ist auch, wo der Kläger seinen Wohnsitz/Sitz hat, in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat,100 soweit nicht die Regeln der EuGVO bzw des LugÜ ausnahmsweise selbst voraussetzen, dass der Kläger seinen Wohnsitz/Sitz in einem Mitglied-/Vertragsstaat hat. Universelle Anwendung finden EuGVO/LugÜ (auch EuGVO nF) dennoch nur in den ausdrücklich bestimmten Ausnahmefällen.
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Dem Aufenthaltsort wird grds die Fähigkeit abgesprochen, eine internationale Zuständigkeit zu begründen. Insoweit verdrängen EuGVO bzw LugÜ die grds mit der örtlichen verknüpfte deutsche internationale Zuständigkeitsregelung. Von den allgemeinen Gerichtsständen der §§ 12ff ZPO kann also nur noch der Wohnsitz des Beklagten die allgemeine internationale Zuständigkeit iS des Übereinkommens begründen.
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a) Den Begriff des Wohnsitzes natürlicher Personen bestimmt die lex fori, wenn der Beklagte im Gerichtsstaat wohnt (Art 59 I EuGVO/LugÜ bzw Art 62 96 EuGHE 2000, I-5925 (Rz 34) (Josi Group Reinsurance) = NJW 2000, 3121 = RIW 2000, 787, 788 = IPRax 2000, 520 (dazu Staudinger S 483) = ZZPInt 6 (2001), 187 (Geimer). 97 MüKoZPO/Gottwald Art 2 EuGVO Rz 24ff; Hausmann, unalex Kommentar Art 2 Brüssel I-VO Rz 9. 98 BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 = ZIP 2011, 833 = JR 2012, 192 (Looschelders); dazu Geimer EWiR Art 2 EuGVVO 1/11, 311; Stein/Jonas/Wagner Art 2 EuGVO Rz 12ff. 99 EuGH (17.11.11, C- 327/10, Hypotecní banka v Lindner) NJW 2012, 1199; vgl auch EuGH (15.3.2012, C- 292/10, G. v Cornelius de Visser) EuZW 2012, 381 (I. Bach). 100 EuGHE 2000, I-5925 (Rz 59ff) = NJW 2000, 3121 = RIW 2000, 787, 789 = IPRax 2000, 520 (dazu Staudinger S 483f); Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann Kap 27 Rz 10; MüKoZPO/Gottwald Art 2 EuGVO Rz 30; Hausmann, unalex Kommentar Vor Art 2–4 Brüssel I-VO Rz 6.
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I EuGVO nF). Wohnt der Beklagte in einem anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaat, so wird der Wohnsitz nach dem Recht dieses Staats bestimmt (Art 59 II EuGVO/LugÜ bzw Art 62 II EuGVO nF).101 Da der Wohnsitz nach der jeweiligen lex fori zu bestimmen ist, kann eine Person den Wohnsitz in mehreren Staaten haben, unabhängig davon, ob diese intern einen Doppelwohnsitz anerkennen.102 b) Bei juristischen Personen und Gesellschaften ist auf deren Sitz abzustel- 37 len.103 Nach Art 53 I 1 EuGVÜ war bzw ist hierzu der Sitz nach dem IPR am Sitz des angerufenen Gerichts zu bestimmen. Unterschiede ergaben bzw ergeben sich vor allem zwischen Ländern, in denen der Registrierungsort den Sitz bestimmt, und denen, die auf den Ort des tatsächlichen Sitzes der Hauptverwaltung abstellen.104 Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, sieht Art 60 I EuGVO/LugÜ bzw Art 63 EuGVO nF vor, dass sich der „Wohnsitz“ von juristischen Personen alternativ (1) am satzungsmäßigen Sitz, (2) am Sitz der Hauptverwaltung oder (3) am Sitz der Hauptniederlassung befindet. Fallen diese Anknüpfungen auseinander, hat der Kläger die freie Wahl.105 Im Vereinigten Königreich und in Irland ist unter dem satzungsmäßigen Sitz das „registered office“ zu verstehen. Hilfsweise ist auf den place of incorporation (Ort der Erlangung der Rechtsfähigkeit), nochmals hilfsweise auf den Ort, nach dessen Recht die formation (Gründung) erfolgt ist, abzustellen (Art 60 II EuGVO/ LugÜ bzw Art 63 II EuGVO nF).106 Der Sitz eines trust ist wie bisher nach dem IPR des angerufenen Gerichts zu 38 bestimmen (Art 60 III EuGVO/LugÜ bzw Art 63 III EuGVO nF). Für Parteien kraft Amtes (Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter) ist nicht auf 39 deren persönlichen Wohnsitz, sondern je nachdem, ob der Schuldner eine natürliche Person oder eine juristische Person oder Personengesellschaft ist, auf deren Wohnsitz nach Art 59 oder 60 EuGVO/LugÜ bzw Art 62 oder 63 EuGVO nF abzustellen. Erst die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 19a ZPO.107 Für die Begründung der Zuständigkeit genügt es, wenn der Wohnsitz erst nach Klageerhebung in dem betreffenden Mitgliedstaat (vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) begründet wurde.108 Die einmal begründete Zuständigkeit bleibt nach dem Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 III Nr 2 ZPO) 101 Vgl Kreuzer/Wagner Q 97f; Beraudo JDI 128 (2000), 1033, 1039f; Grolimund Rz 61ff; Stein/Jonas/Wagner Art 2 EuGVO Rz 8f. 102 Rauscher IPR, Rz 1715f. 103 Vgl A. Schnyder, Der Sitz von Gesellschaften im internationalen Zivilverfahrensrecht, FS Schütze, 1999, S 767; O. Olano, Der Sitz der Gesellschaft im internationalen Zivilverfahrens- und Insolvenzrecht der EU und der Schweiz, 2004. 104 Vgl St. Travers, Der Beweis des Anknüpfungskriteriums „tatsächlicher Sitz der Hauptverwaltung“, 1998; BGH RIW 2003, 877 (Luxemburger Briefkastenfirma). 105 Hausmann EuLF 2000, 40, 43; Micklitz/Rott EuZW 201, 325, 327; Markus SZW/ RSDA 1999, 205, 209; krit Wagner, in: Lutter S 223, 244. 106 Vgl D. King v Crown Energy Trading AG [2003] ILPr 28 (p 489). 107 Hess EuZPR § 6 Rz 46; Fasching/Simotta Art 2 Rz 38; MüKo/Gottwald Art 2 EuGVO Rz 19; aA Rauscher/Mankowski Art 2 Brüssel I-VO Rz 5a. 108 BGHZ 188, 373, 376 (Tz 11 ff) = NJW 2011, 2515.
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erhalten, wenn der Wohnsitz im Laufe des Verfahrens in einen anderen Staat verlegt wird.109 40
In Ländern, die wie Frankreich und Luxemburg in ihrem autonomen Recht auf die Staatsangehörigkeit abstellen, gewinnt der Wohnsitz damit an Bedeutung. Um die Ausländer mit den Inländern gleichzustellen, gibt Art 4 II EuGVO/ LugÜ bzw Art 6 II EuGVO nF den Personen, die ihren Wohnsitz in den betreffenden Ländern haben, die Möglichkeit, gegen Beklagte, die keinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet der Mitglieds- bzw Vertragsstaaten haben, diese nach den in den betreffenden Ländern geltenden Zuständigkeitsregeln zu verklagen (Frankreich und Luxemburg Art 14 und 15 cc). Insoweit führen EuGVO bzw LugÜ in diesen Ländern zu einer Erweiterung der internationalen Zuständigkeit.110 Ein deutscher Kläger mit Wohnsitz in Paris könnte also seinen Geschäftspartner mit Wohnsitz in New York vor dem Gericht in Paris verklagen, auch wenn dies von den Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart worden ist.
7. Die Ausschaltung der exorbitanten Gerichtsstände 41
Alle anderen Gerichtsstände (gem Art 5–24 EuGVO/LugÜ bzw Art 7–26 EuGVO nF) sind nur als enumerative Ausnahmen vom Beklagtengerichtsstand zugelassen (Art 3 I EuGVO/LugÜ bzw Art 5 I EuGVO nF). Zum Schutze der schwächeren Partei kennen EuGVO bzw LugÜ ausnahmsweise auch Klägergerichtsstände.111 Jedoch ergibt sich aus der Systematik der Regelungen, dass Klägergerichtsstände die Ausnahme bleiben sollen und dem Kläger nicht generell ein Gericht an seinem Wohnsitz/Sitz zur Verfügung stehen soll. Bereits aus Art 3 I ergibt sich, dass andere (nationale) Zuständigkeiten in der EU bzw in den LugÜ-Vertragsstaaten keine Geltung haben.112
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Lediglich zur Klarstellung („insb“) werden die betroffenen „exorbitanten“ Gerichtsstände, die gegen eine in einem anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaat wohnende Person nicht mehr geltend gemacht werden dürfen, konkret aufgelistet, in Art 3 II EuGVÜ selbst, in Anhang I zur EuGVO aF113 bzw in einer aufgrund der Mitteilungen der Mitgliedstaaten erstellten Liste nach Art 5 II, 76 I lit a, II EuGVO nF. Vom deutschen Recht betroffen ist der Gerichtsstand des Vermögens gem § 23 ZPO. Ein in Frankreich wohnender Beklagter, der Vermögen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland besitzt, kann also nicht gestützt auf § 23 ZPO vor deutschen Gerichten verklagt werden. Mit der Ausmerzung der „exorbitanten“ Gerichtsstände hat bereits das EuGVÜ einen Markstein für die allgemeine Entwicklung der internationalen Zuständigkeit gesetzt.
109 BGHZ 188, 373, 382 (Tz 23 ff) = NJW 2011, 2515. 110 Rauscher IPR, Rz 1723f; krit. dagegen Nadelmann, Jurisdictionally improper fora in treaties, 67 Col.L.Rev. (1967), 995. 111 EuGHE 2000, I-5925 (Rz 38ff) (Group Josi) = NJW 2000, 3121 = RIW 2000, 787, 788. 112 Geimer/Schütze, 606.41. 113 Vgl Hausmann, unalex Kommentar Art 3 Brüssel I-VO Rz 7ff.
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8. Geltung gegenüber Drittstaatsangehörigen Schrifttum: A. Borrás, Application of the Brussels I Regulation to external situations, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 333; L. Gillies, Creation of subsidiary jurisdiction rules in the recast of Brussels I: Back to the drawing board?, JPIL 8 (2012), 489; Grolimund, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000; Th. Kruger, Civil jurisdiction rules of the European Union and their impact on third states, 2008; J. Weber, Universal Jurisdiction and Third States in the Reform of the Brussels I regulation, RabelsZ 75 (2011), 619.
43
Die internationale Zuständigkeitsregelung von EuGVO bzw LugÜ findet grds 44 keine Anwendung, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitglied- bzw Vertragsstaats hat. Ihm gegenüber bleibt also die internationale Zuständigkeitsregelung des jeweiligen autonomem Rechts anwendbar (Art 4 I EuGVO/LugÜ bzw Art 6 I EuGVO nF).114 Art 4 I EuGVO/LugÜ bzw Art 6 I EuGVO nF greift aber nicht, solange der Beklagte seinen Wohnsitz vermutlich in einem Mitgliedstaat hat, lediglich der konkrete Wohnsitz unbekannt ist.115 Die Zuständigkeitsordnung der EuGVO 2001 gilt nach Art 4 I aber im Hinblick auf die ausschließlichen Zuständigkeiten von Art 22 EuGVO und die Gerichtsstandvereinbarungen von Art 23 ausdrücklich auch gegenüber Personen mit Wohnsitz in Drittstaaten. Der Vorschlag für eine Neufassung der EuGVO enthielt zunächst eine umfassende internationale Zuständigkeitsordnung, so dass die bisherigen Zuständigkeiten durch eine Notzuständigkeit ergänzt wurden.116 Die letztlich beschlossene Neufassung der EuGVO von 2012 führt zwar entgegen dem ursprünglichen Plan kein umfassendes Zuständigkeitssystem in Bezug auf Personen aus Drittstaaten ein, sieht aber vor, dass jetzt auch die Zuständigkeitsvorschriften zum Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern unabhängig vom Wohnsitz des Beklagten anwendbar sind (Erwägungsgrund 14 nF; Art 6 I, 18 I, 21 II EuGVO nF). Die Art 2ff EuGVO/LugÜ bzw Art 4 ff EuGVO nF finden schon dann Anwen- 45 dung, wenn zwar beide Parteien ihren Wohnsitz in demselben Mitglied- bzw Vertragsstaat haben, das Forum aber in einem anderen Mitglied- bzw Vertragsstaat liegt.117 Art 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 4 EuGVO nF gilt auch, wenn beide Parteien im Forumstaat wohnen und nur der Fall selbst Verbindungen zu einem Drittstaat hat. Der Bezug zu einem zweiten Mitgliedstaat ist nicht erforderlich.118 Daher scheiden nur reine Inlandssachverhalte aus. Gerichtsstandsvereinbarungen gem Art 23 EuGVO/LugÜ gelten auch gegenüber Personen mit Wohnsitz außerhalb der Hoheitsgebiete der Vertragsstaaten, weil danach 114 Vgl Pataut, Études à Normand, S 365; Grolimund Rz 58; Schlosser, FS Heldrich, S 1007; Stein/Jonas/Wagner Art 4 EuGVO Rz 1. 115 EuGH (15.3.2012, C-292/10, G v de Visser) EuZW 2012, 381 (Bach). 116 Krit L. Gillies JPIL 8 (2012), 489. 117 Aull S 90ff; Grolimund Rz 344ff; Gebauer ZEuP 2001, 949, 952. 118 EuGHE 2005, I-1383 (Owusu v Jackson) = IPRax 2005, 244 (dazu Heinze/Dutta S 224); vgl Mankowski RIW 2005, 561, 564; Burgstaller Art 1 EuGVO Rz 25f, Art 2 EuGVO Rz 10; Geimer/Schütze Art 2 Rz 111ff.
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nur auf den Wohnsitz einer Partei innerhalb dieser Hoheitsgebiete abgestellt wird.119 Nach Art 25 I 1 EuGVO nF wird jede Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines EU-Mitgliedstaats unabhängig vom Wohnsitz beider Parteien von der EuGVO erfasst. 46
Von diesen Bereichen abgesehen bleiben weitergehende „nationale“ Gerichtsstände aber gegenüber Beklagten mit Wohnsitz/Sitz in einem Drittstaat anwendbar (Art 4 EuGVO/LugÜ bzw Art 6 I EuGVO nF).120 Ist ein Beklagter (Unionsbürger) unbekannten Aufenthalts, so bleiben aber die Art 2, 5ff EuGVO/LugÜ (bzw Art 4, 7 ff EuGVO nF) anwendbar, solange es nicht starke Indizien dafür gibt, dass der Beklagte seinen Wohnsitz tatsächlich außerhalb des Gebiets der Europäischen Union bzw eines LugÜ-Vertragsstaats hat.121 Die in einem solchen Gerichtsstand ergangenen Entscheidungen sind zudem in allen Mitglieds- bzw Vertragsstaaten anzuerkennen bzw zu vollstrecken. Wohnt ein Drittstaatsangehöriger dagegen in einem Mitglied- bzw Vertragsstaat, genießt er den Schutz der Art 2, 5ff EuGVO/LugÜ (Art 2 II EuGVO/LugÜ bzw Art 4 II EuGVO nF). Diese Regel wirkt sich feilich nur in Mitgliedstaaten aus, deren Zuständigkeitsregeln zwischen Inländern und Ausländern unterscheiden.122 Die exorbitanten Zuständigkeiten bleiben auch innerhalb des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar (Art 31 EuGVO) (s u § 17 Rz 12).
9. Die besonderen Zuständigkeiten nach Art 5–7 aF bzw Art 7–9 nF 47
Nach Art 2 I EuGVO/LugÜ bzw Art 4 I EuGVO nF ist der Beklagte grds bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht zu verklagen. Diese Regelung deckt sich mit dem allgemeinen Gerichtsstand der §§ 12, 13 ZPO. Dieser allgemeine Gerichtsstand wird zwar durch die besonderen Zuständigkeiten ergänzt. Nach Ansicht des EuGH sind diese aber eng auszulegende Ausnahmen.123
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Umgekehrt hat jede Partei einen festen Anspruch darauf, dass das Gericht über die in einem zulässigen Gerichtsstand erhobene Klage sachlich entscheidet. Soweit eine Zuständigkeit besteht, kann der Kläger auch sog forum shopping betreiben.124 Für eine Abweisung, weil ein anderes Gericht über die Sache
119 EuGHE 2000, I-9337 (Rz 16ff) (Coreck Maritime) = NJW 2001, 501 = ZIP 2001, 213, 215; Samtleben NJW 1974, 1590; v Hoffmann RIW/AWD 1973, 58; Geimer/Schütze/Auer, Art 17 Rz 19ff; Gebauer ZEuP 2001, 949; Grolimund S 71ff, 151f; Piltz NJW 2002, 789, 790. 120 Krit zur entspr. Diskriminierung Rauscher S 26; zur Verteidigung dieser Lösung s Geimer IZPR, Rz 1383f. 121 EuGH (15.3.12, C-292/10, G. v. Cornelius de Visser) EuZW 2012, 381. 122 Vgl Hausmann, unalex Kommentar Art 4 Brüssel I-VO Rz 9; Stein/Jonas/Wagner Art 4 EuGVO Rz 13f. 123 EuGHE 1988, 5565 (Kalfelis v Schröder) = IPRax 1989, 288. 124 Vgl P. Vareilles-Sommières, Forum shopping in the European Judicial Area, 2007.
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günstiger bzw sachnäher entscheiden könne (forum non conveniens), ist in dem Gerichtsstandssystem von EuGVO und LugÜ kein Raum.125 Art 5 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 EuGVO nF setzen in allen Fällen voraus, dass eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitglieds- bzw Vertragsstaat hat, in einem anderen verklagt werden soll.
a) Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art 5 Nr 1 aF bzw Art 7 Nr 1 nF) Schrifttum: E.-M. Bajons, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes, FS Geimer, 2002, S 15; E.-M. Bajons, Autonome Bestimmung des Erfüllungsorts und Incoterms, FS Simotta, 2012, S 57; P. Berlioz, La notion de fourniture de servides an sens de l’article 5-1b, du règlement „Bruxelles I“, JDI 135 (2008), 675; D. Coester-Waltjen, Der Erfüllungsort im internationalen Zivilprozessrecht, FS Kaissis, 2012, S 91; Czernich, Der Erfüllungsort im neuen Europäischen Zuständigkeitsrecht, wbl 2002, 337; M. Dubiel, Der Erfüllungsortsbegriff des Vertragsgerichtstandes im deutschen, europäischen und internationalen Zivilprozessrecht, 2010; K. de la Durantaye, Auseinanderfallen von Gerichtsstand und anwendbarem Recht bei Versendungskaufverträgen, FS Simotta, 2012, S 115; P. Franzina/A. de Franceschi, Jurisdiction over sales contracts under the Brussels I Regulation, IHR 2012, 137; Girsberger, The Internet and Jurisdiction based on Contracts, EuJLRef 2002, 615; Gottwald, Streitiger Vertragsschluss und Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art 5 Nr 1 EuGVÜ), IPRax 1983, 13; Hager/Bentele, Der Lieferort als Gerichtsstand, IPRax 2005, 73; Hau, Der Vertragsgerichtsstand zwischen judizieller Konsolidierung und legislativer Neukonzeption, IPRax 2000, 354, 357; Hau, Die Kaufpreisklage des Verkäufers im reformierten europäischen Vertragsgerichtsstand – ein Heimspiel?, JZ 2008, 974; V. Heuzé, De quelques infirmités congénitales du droit uniforme: l’exemple de l’article 5.1 de la Convention de Bruxelles, Rev.crit. 89 (2000), 595; J. Hill, Jurisdiction in matters relating to a contract under the Brussels Convention, ICLQ 44 (1995), 591; Holl, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem Art 5 Nr 1 EuGVÜ, WiB 1995, 462; A. Junker, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach der Brüssel I-Verordnung, FS Kaissis, 2012, S 439; Kadner, Gerichtsstand des Erfüllungsortes im EuGVÜ, Jura 1997, 240; Kienle, Eine ökonomische Momentaufnahme zu Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO, IPRax 2005, 113; Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 2005; Kropholler/ v Hinden, Die Reform des europäischen Gerichtsstands am Erfüllungsort (Art 5 Nr 1 EuGVÜ), GS Lüderitz, 2000, S 401; St. Leible, Der Erfüllungsort iSv Art 5 Nr 1 lit b Brüssel I-VO – ein Mysterium?, FS Spellenberg, 2010, S 451; Leipold, Internationale Zuständigkeit am Erfüllungsort, GS Lüderitz, 2000, S 431; H. van Lith, International Jurisdiction and Commercial Litigation, Uniform Rules for Contract Disputes, 2009; M. Lupoi, The „new“ forum for contractual disputes in regulation (EU) 44/2001, FS Kerameus, Athen 2009, S 733; Th. Lynker, Der besondere Gerichtsstand am Erfüllungsort in der Brüssel I-Verordnung (Art 5 Nr 1 EuGVVO), 2006; P. Mankowski, Der europäische Erfüllungsortsgerichtsstand bei grenzüberschreitenden Anwaltsverträgen, AnwBl 2006, 806; P. Mankowski, EuGVVU/revLugÜ und CISG im Zusammenspiel – insb beim Erfüllungsortsgerichtsstand, FS Schwenzer, 2011, S 1175; A. Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, 2009; Martiny, Internationale Zuständigkeit für „vertragliche Streitigkeiten“, FS Geimer, 2002, S 641; Piltz, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach EuGVÜ, NJW 1981, 1876; Rauscher, Zuständigkeitsfragen zwischen CISG u Brüssel I, FS Heldrich, 2005, S 933; Rodriguez, Beklagtenwohnsitz und Erfüllungsort im europäischen IZVR, 2005; H. Roth, Der Versendungskauf bei Art 5 Nr 1 lit b EuGVO, FS Simotta, 2012, S 495; G. Schwarz, International-zivilverfahrensrechtliche Probleme grenzüberschreitender Eigenkapitalersatz125 EuGHE 2005, I-1383 (Owusu v Jackson) = IPRax 2005, 244; Huber RIW 1993, 977; s o Rz 21.
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klagen, FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, 2002, S 503; v. d. Seipen, Italienische Aktionäre vor deutschen Gerichten – Treuepflicht des Gesellschafters und Art 5 Nr 1 EuGVVO, FS Jayme, 2004, S 859; Spellenberg, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, ZZP 91 (1978), 38; A. Staudinger, Gemeinschaftsrechtlicher Erfüllungsortsgerichtsstand bei grenzüberschreitender Luftbeförderung, IPRax 2008, 493; Stoll, Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art 5 Nr 1 EuGVÜ bei streitigem Vertragsschluss, IPRax 1983, 52; W. Theiss/F. Bronnen, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im europäischen Zivilprozessrecht unter besonderer Berücksichtigung des Werklieferungsvertrags, EWS 2004, 350; S. Weppner, Internationale Zuständigkeit für die spruchverfahrensrechtliche Durchsetzung von Zuzahlungsund Barabfindungsansprüchen bei grenzüberschreitender Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, RIW 2011, 144; Wernicke/Hoppe, Die neue EuGVVO – Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit bei Internetverträgen, MMR 2002, 643; T. Wilcke, Internationaler Online-Handel und Verbraucherschutz, 2011, S 108; F. Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art 5 Nr 1 EuGVVO, 2008.
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(1) Dieser Gerichtsstand steht zur Verfügung, „wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“. Unstreitig sind die Begriffe „Vertrag“ oder „Ansprüche aus Vertrag“ autonom für EuGVO bzw LugÜ zu definieren.126 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH erfassen diese Begriffe nur Verpflichtungen, die eine Partei gegenüber der anderen freiwillig eingegangen ist.127 Vertraglich einzuordnen sind Klagen eines Vereins, einer juristischen Person oder einer Gesellschaft gegen Mitglieder bzw Gesellschafter auf Zahlung von Beitragsleistungen oder um die Wirksamkeit eines Vertrags,128 alle mit actio pro socio geltend gemachten Ansprüche der Gesellschaft129 oder einer GmbH gegen ihren Geschäftsführer wegen Verletzung von Geschäftsführerpflichten.130 Zuzahlungs- oder Barabfindungsansprüche bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften haben ihre Grundlage im Gesellschaftsstatut und sind daher vertraglich zu qualifizieren.131
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Zu Klagen aus einem Vertrag gehören auch Klagen aus einer Gewinnzusage (§ 661a BGB), wenn es nicht zu einer Warenbestellung gekommen ist.132
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Zu den Vertragsansprüchen gehören auch solche aus Nichterfüllung, Vertragsverletzung, Rückabwicklungsverhältnissen (nach Rücktritt oder aufgrund 126 EuGHE 1998, I-6511ff (Réunion européenne) = IPRax 2000, 210 (dazu Koch S 186); EuGHE 1988, 1539 (Arcado v Haviland) = IPRax 1989, 227 (dazu Mezger S 207); Martiny, FS Geimer, S 641, 667; Fasching/Simotta § 88 JN Rz 76ff; Schack, IZVR, Rz 291; Hausmann, unalex Kommentar Art 5 Brüssel I-VO Rz 14; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 12. 127 EuGHE 1992, I-3967 (Rz 10) (Handtke) = JZ 1995, 90; EuGHE 2002, I-7357 (Rz 19) (Sacconi); EuGHE 2004, I-1543 (Rz 24) (Frahuil) = ZZP Int 9 (2004), 168 (Lehmann). 128 EuGHE 1983, 2503 (Gerling v Amministrazione del tesoro) = IPRax 1984, 259 (dazu Hübner S 237). 129 Vgl Mock RabelsZ 72 (2008), 264, 281ff. 130 OLG München IPRax 2000, 416, 417 (dazu Haubold S 375); Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 31. 131 S. Weppner RIW 2011, 144, 149. 132 EuGHE 2005, I-481 (Rz 29, 60) (Engler v Janus Versand) = NJW 2005, 811 (dazu Leible S 796) = IPRax 2005, 239 (dazu S. Lorenz/Unberath S 219); BGHZ 165, 172, 175 = NJW 2006, 230, 231 = RIW 2006, 144 = JZ 2006, 519 (C. Schäfer) = BGHReport 2006, 250 (Felke).
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Leistungskondiktion)133 oder auf Vertragsauflösung wegen Schlechterfüllung.134 Auch Ansprüche auf Leistung einer Vertragsstrafe135 oder auf Rückzahlung gem §§ 32a, 32b GmbHG136 oder nach § 31 GmbHG137 zählen dazu. Im Gerichtsstand des Art 5 Nr 1 kann auch Feststellung der Wirksamkeit des 53 Vertrags oder die negative Feststellung begehrt werden, dass keine vertraglichen Ansprüche bestehen. Auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Vertrags kommt es für die Zuständigkeit nicht an.138 Der Gerichtsstand gilt für die Vertragsparteien und ihre jeweiligen Rechts- 54 nachfolger, auch bei Legalzession.139 Er gilt auch für und gegen den Insolvenzverwalter.140 Nicht zu den vertraglichen Ansprüchen gehören nach Ansicht des EuGH sol- 55 che aus vorvertraglichen Schuldverhältnissen, soweit es an einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt.141 Nicht zu Art 5 Nr 1 gehören daher Ansprüche aus der Verletzung von Schutzpflichten. Zweifelhaft ist freilich, ob Ansprüche aus der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten weiterhin unter Art 5 Nr 1 fallen. Eine vertragliche Qualifikation ist allenfalls möglich, wenn es zum Vertragsschluss (im Rahmen eines Vorvertrags, letter of intent) gekommen ist.142 Da Art 12 Rom II-VO Ansprüche aus cic unabhängig vom Vertragsschluss als deliktisch einordnet, ist diese Unterscheidung freilich zweifelhaft geworden.143 Zweifelhaft ist auch, ob Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte un- 56 ter Art 5 Nr 1 fallen.144 Im Fall der Schadenersatzklage des Empfängers von Ware gegen den tatsächlichen Verfrachter und nicht gegen den Aussteller des Konnos-
133 Holl IPRax 1998, 120; Geimer/Schütze Art 5 Rz 18; Kropholler/v. Hein Art 5 Rz 14; Schlosser Art 5 EuGVVO Rz 5; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 38; unentschieden Jault-Seseke/Weller unalex Kommentar Art 5 Brüssel I-VO Nr 1 Rz 15, 22; aA für Leistungskondiktion House of Lords [1997] 4 All ER 641; Kreuzer/Wagner Q 158. 134 Agnew v Länsförsäkringsbolagens A.B. [2001] ILPr 345, 354ff (H.L.). 135 Bilbao Court of First Instance, [1996] ILPr 240. 136 OLG Bremen RIW 1998, 63; OLG Koblenz NZG 2001, 759 (Schwarz); Zöller/Geimer Art 5 EuGVVO Rz 13; krit Schwarz, FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, 2002, S 503, 516ff. 137 OLG Koblenz NZI 2002, 56, 57. 138 Schweiz.BG IPRax 2008, 544, 545 (dazu Domej, S 550); EuGHE 1982, 825 (Effer v Kantner) = IPRax 1983, 31; vgl Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 22f. 139 Österr. OGH IPRax 2006, 489 (dazu Hau S 507); K. Thoma, Der internationale Regress, 2007, S. 187 ff. 140 OLG Bremen RIW 1998, 63; Fasching/Simotta § 88 JN Rz 83. 141 EuGHE 2002, I-7357 (Tacconi v HWS) = NJW 2002, 3159 = IPRax 2003, 143 (dazu Mankowski 127); Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap 27 Rz 41. 142 U. Schmidt Rz 84; ähnlich Schlosser Art 5 EuGVVO Rz 5; Rauscher/Leible Art 5 Rz 27; Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 18; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 35; Burgstaller Art 5 EuGVO Rz 26; für vertragliche Qualifikation des Vertragsinteresses Schack, IZVR, Rz 293. 143 Vgl Jault-Seseke/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 1 Brüssel I-VO Rz 19. 144 Ablehn Burgstaller Art 5 EuGVO Rz 25.
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sements hat der EuGH nur eine deliktische Anspruchsgrundlage gesehen.145 Dagegen betont der BGH aber, dass die Verpflichtung gegenüber dem Dritten auf einer Vertragsauslegung, also einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung beruht. Dies würde eher für eine vertragliche Qualifizierung sprechen. 57
Nicht zu den vertraglichen Ansprüchen gehören weiter sonstige Bereicherungsansprüche (Eingriffskondiktion), Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag,146 nicht der Regressanspruch des Bürgen gegen den Gläubiger, wenn dieser der Bürgschaft nicht zugestimmt hat,147 sowie sonstige gesetzliche Ausgleichsansprüche und Ansprüche aus Verlöbnisbruch.148 Ansprüche gegen ein herrschendes Konzernunternehmen aus §§ 302, 303 AktG fallen ebenfalls nicht unter Art 5 Nr 1.149
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(2) Der Erfüllungsort nach Nr 1 lit a und c Wie der vertragliche Erfüllungsort zu bestimmen ist, war für das EuGVÜ anfänglich streitig.150 Schon 1976 entschied allerdings der EuGH, dass es auf den Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung ankommt, die den Gegenstand der Klage bildet; eine einheitliche Anknüpfung an den Ort der vertragscharakteristischen Leistung lehnte er ab.151 Nebenansprüche sind im Gerichtsstand des Hauptanspruchs geltend zu machen.152 Bei einer Feststellungsklage kommt es auf den Erfüllungsort der streitigen Leistungspflicht,153 bei einer Klage auf Rückerstattung oder Schadenersatz auf den Erfüllungsort der ursprünglichen Hauptleistungspflicht154 an. Enthält ein Vertrag mehrere Hauptleistungspflichten mit Erfüllungsorten in verschiedenen Staaten, so besteht keine Gesamtzuständigkeit.155 Der Erfüllungsort für einen Scheck ist nicht identisch mit dem für die zugrunde liegende Kaufpreisschuld.156 145 EuGHE 1998, I-6511 (Réunion européenne v Spliethoff’s Bevrachtingskantoor) (Rz 20ff) = IPRax 2000, 210 (dazu Koch S 186). 146 OLG Düsseldorf IPRax 1998, 210; Fasching/Simotta § 88 JN Rz 82; Stein/Jonas/ Wagner Art 5 EuGVO Rz 37f. 147 EuGHE 2004, I-1543 (Frahuil) = ZZPInt 9 (2004), 168 (Lehmann). 148 So BGHZ 132, 105ff = JZ 1997, 88 (Gottwald). 149 OLG Frankfurt IPRax 2000, 525 (dazu Kulms S 488). 150 Vgl Spellenberg ZZP 91 (1978), 38ff; Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Prozessrecht, 1985. 151 EuGHE 1976, 1497 (De Bloos v Bouyer) = NJW 1977, 490 (m Anm Geimer) = RIW 1977, 42 m Anm Linke; ebenso: BGH NJW 1996, 1819; BGH EuZW 1992, 518, 520; OLG Karlsruhe RIW 1994, 1046/47. 152 Banniza von Bazan S 96ff, 107f; Holl WiB 1995, 462, 464; aA Jault-Seseke/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 1 Brüssel I-VO Rz 44. 153 OLG Stuttgart IPRax 1999, 103 (dazu Ch. Wolf S 82). 154 Burgstaller/Ritzberger Rz 2.57; Kropholler/v. Hein Art 5 Rz 22, 32; Geimer/Schütze Art 5 Rz 62. 155 EuGHE 1999, I-6747 (Leathertex v Bodetex) = NJW 2000, 721 = ZZPInt 5 (2000), 266 (Otte) = IPRax 2000, 402 (dazu Hau, S 354); BGHZ 185, 241 = JR 2011, 342 (Looschelders) = ZIP 2010, 1150 (zu Art 5 Nr 1 LugÜ 1988) (dazu O. Mörsdorf EWiR Art 5 LuGÜ 1/10, 621); Cour de Cass. [2001] ILPr 82 (Erfüllungsort des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters unabhängig von dem der Handelsvertreterpflichten); ähnl. Cour de Cass. [2001] ILPr 28. 156 BGHZ 157, 224 = ZIP 2004, 428, 431.
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Der EuGH hat stets auf das nach dem IPR des angerufenen Gerichts anzuwen- 59 dende materielle Recht (lex causae) abgestellt.157 In der Tessili-Entscheidung158 heißt es hierzu: „Der Ort, an dem die Verpflich- 60 tung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre iS von Art 5 Nr 1 des Übereinkommens …, bestimmt sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist“.159 Nach deutschem IPR bestimmt sich der Erfüllungsort nach Art 3, 4 Rom I-VO; bei Vereinbarung des Erfüllungsortes ist auch Art 10 II Rom I-VO zu beachten.160 Das materielle deutsche Recht regelt den Erfüllungsort in §§ 269, 270 BGB. Bei einem Handelsvertretervertrag kann der Schadenersatzanspruch des Handelsvertreters wegen Vertragsbruchs des Prinzipals an dem Ort erhoben werden, an dem dieser den Handelsvertreter mit Waren zu versorgen gehabt hätte.161 Bei einem Rechtsanwalt ist nach Ansicht des BGH sein Kanzleisitz nicht Erfüllungsort.162 Erfüllungsort für einen Regelanerkennungsvertrag im internationalen Sport ist am Ort der Hauptverwaltung des Verbandes.163 Unentgeltliche Dienstleistungen fallen unter Art 5 Nr 1 lit a EuGVO/LugÜ 61 (Art 7 Nr 1 lit a EuGVO nF), nicht unter lit b.164 Bei Online-Dienstleistungen, die auch online abgerechnet werden, soll der Kunde, der seine Gegenleistung erbracht hat, Schadenersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung an seinem eigenen Wohnsitz einklagen können.165 Im Anwendungsbereich des UN-Übereinkommens über Verträge über den in- 62 ternationalen Warenkauf v 11.4.1980 (CISG)166 war der Erfüllungsort danach zu bestimmen.167 Der Kaufpreis konnte danach am Ort der Niederlassung des Verkäufers eingeklagt werden (Art 57 I [a] CISG).168 Gleiches galt für das zuvor geltende EKG (Art 59).169 157 Zuletzt in EuGHE 1999, I-6307 (GIE Groupe Concorde) = IPRax 2000, 399. Ebenso BGH EWS 1993, 260, 261; KG IPRax 2000, 405; OLG Frankfurt RIW 2004, 864; Geimer/Schütze/Auer Art 5 EuGVÜ Rz 49ff; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 42; Rauscher IPR, Rz 1744 f; krit Schlosser NJW 1977, 459; Spellenberg ZZP 91 (1978), 46, die an einer vertragsautonomen Qualifikation festhalten wollen. 158 EuGHE 1976, 1473 (Tessili v Dunlop) = NJW 1977, 491 (Geimer) = RIW 1977, 40 (Linke); EuGHE 1976, 1497 (De Bloos v Bouyer) = NJW 1977, 490 (Geimer). 159 Vgl auch LG Köln RIW 1988, 644/45. 160 Vgl OLG Karlsruhe RIW 1994, 1046/47. 161 Cour d’appel de Paris, [1996] ILPr 299. 162 BGHZ 157, 20 = FamRZ 2004, 98 (krit Gottwald). 163 Grothe FS v Hoffmann, 2011, S 601, 611. 164 OLG Saarbrücken IPRax 2013, 74, 78 (Tz 68) (dazu v. Hein S 54). 165 Boele-Woelki BerDGVR 39 (2000), 307, 324. 166 BGBl 1989 II 588; abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 77. 167 OLG Düsseldorf RIW 1993, 845. 168 Krit Hau, FS v. Hoffmann, 2011, S 617, 625. Warum diese Lösung im B2B-Bereich ungerecht sein soll, leuchtet allerdings nicht ein. 169 EuGHE 1994, I-2913 (Custom Made v Stawa Metallbau) = RIW 1994, 876 = IPRax 1995, 31 (krit. dazu Jayme S 13) = NJW 1995, 183 = JZ 1995, 244 m Anm Geimer = ZEuP 1995, 244 (krit. Schack); dazu auch P. Huber ZZPInt 1996, 167; Koch RIW 1996, 379; BGH EWS 1994, 177, 178.
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Dies soll nicht mehr für die Klage eines Zessionars gelten, dessen Niederlassung sich in einem anderen Staat befindet.170 In der Stawa-Metallbau-Entscheidung171 hat der EuGH – entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts – ausdrücklich an der kollisionsrechtlichen Bestimmung des Erfüllungsortes festgehalten und eine autonome Interpretation insoweit abgelehnt.172 63
Diese Rechtsprechung ist in der Literatur vielfach kritisiert worden: der Weg für das IPR sei nicht nur umständlich, er führe überdies meist auch zu einem Klägergerichtsstand, was mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis der Art 2 und Art 5 Nr 1 nicht vereinbar sei. Plädiert wurde deshalb für eine autonome, einheitliche prozessuale Bestimmung des Erfüllungsorts. Diese Ansicht hat sich bei der Revision des EuGVÜ in erheblichem Umfang durchgesetzt. Der gefundene Kompromiss ist aber weder konzeptionell noch praktisch wirklich überzeugend.173
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(3) Der Erfüllungsort nach Art 5 Nr 1 lit b EuGVO/LugÜ (bzw Art 7 Nr 1 lit b EuGVO nF) Art 5 Nr 1b) legt den Erfüllungsort für Ansprüche aus einem Vertrag (vorbehaltlich abweichender Vereinbarung des prozessualen Erfüllungsortes) wie folgt fest: – Für den Verkauf beweglicher Sachen an dem Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen; – für die Erbringung von Dienstleistungen an dem Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Um den Verkauf beweglicher Sachen handelt es sich (wie nach Art 3 I CISG) auch, wenn der Verkäufer diese erst, ggf nach Vorgaben des Käufers, herzustellen hat, solange der Verkäufer die zur Herstellung notwendigen Materialien selbst beschafft.174
170 OLG Celle IPRax 1999, 456 (dazu Gebauer S 432). 171 EuGHE 1994, I-2913 = NJW 1995, 183. 172 Aus Gründen der Rechtssicherheit bestätigt in EuGHE 1999, I-6342 (Rz 17ff, 32) (GIE Group Concorde) = NJW 2000, 719 u. in EuGHE 1999, I-6747 (Rz 33) (Leathertex) = NJW 2000, 721, beide abgedruckt in IPRax 2000, 399 (dazu Hau S 354), letztere auch in ZZPInt 5 (2000), 279 (Hau); krit. zu GIE Group Concorde: Kubis ZEuP 2001, 742. 173 Vgl Leipold, GS Lüderitz, S 431, 445; Kropholler/v Hinden, GS Lüderitz, S 401, 403; Schoibl JBl 2003, 149, 158 (verunglückter Kompromiss); Schack, IZVR, Rz 303, 304. 174 EuGHE 2010, I-1255 (CarTrim v KeySafety) = NJW 2010, 1059, 1060 (Rz 34ff); dazu Metzger IPRax 2010, 420; Mankowski EWiR Art 5 EuGVVO 1/10, S 287 u. FS Schwenzer, 2010, S 1175, 1177; ergangen auf Vorlage von BGH EuZW 2008, 704; dazu M. Micha EuLF 2009, II-1.
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Der Erfüllungsort ist danach (mangels Vereinbarung) „autonom“,175 dh wie im 65 französischen Recht, rein faktisch, losgelöst vom anwendbaren materiellen Recht zu ermitteln. Abzustellen ist im Zweifel auf den realen Ablieferungsort.176 Beim Werklieferungsvertrag ist Erfüllungsort der Ort der realen oder hypothetischen Übergabe der Ware an den Käufer.177 Auch beim Kauf ist schon nach dem Wortlaut von Art 5 Nr 1 lit b EuGVO primär auf den vertraglich vereinbarten Erfüllungsort abzustellen. Neben den konkreten Vertragsklauseln sind dabei auch Handelsusancen zu berücksichtigen. Hat der Verkäufer nach den Incoterms „FOB“ zu liefern, so liegt der Liefer- und Erfüllungsort am Ort des Verschiffungshafens.178 Auch die IncotermKlausel „Ex works“ bestimmt zugleich den prozessualen Erfüllungsort.179 Ohne solche Vertragsklauseln ist beim grenzüberschreitenden Versendungs- 66 kauf auf den Ort abzustellen, an dem die Übertragung der Sachen auf den Käufer endgültig abgeschlossen ist und der Käufer die volle Verfügungsgewalt über die Waren erlangt oder hätte erlangen müssen.180 Dies soll auch bei einem Kauf gelten, der dem CISG unterliegt. Art 31 CISG bestimmt also nur den materiellrechtlichen, nicht den prozessualen Erfüllungsort.181 Gibt es mehrere Lieferorte ist nach dem EuGH auf den Ablieferungsort der Hauptlieferung abzustellen.182 Grds ist Erfüllungsort der Bestimmungsort eines Transports oder der Auslieferungsort der Ware. Bei einer Luftbeförderung ist es sowohl der (vereinbarte) Abflugort als auch der der Ort der Ankunft des Flugzeugs.183 Wird Ware an den Wohnsitz des Käufers geliefert, so steht diesem für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag ein Klägergerichtsstand zur Verfügung.184 Wird nicht geleistet, ist der hypothetische Erfüllungsort ebenfalls primär nach den faktischen Absprachen zu bestimmen.185
175 EuGHE 2010, I-1255 (CarTrim v KeySafety) = NJW 2010, 1059, 1061 (Rz 53) (m. Anm Piltz); BGHZ 186, 81 = NJW 2010, 3452 = RIW 2010, 327; OLG Köln RIW 2005, 778. 176 OLG Hamm IPRax 2006, 290; Kropholler/v Hinden, GS Lüderitz, S 401, 405, 406ff; Hau IPRax 2000, 354, 358; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 328; Beraudo JDI 128 (2000), 1033, 1042; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVORz 59, 61; zweifelnd Markus SZW/RSDA 1999, 205, 212f. 177 BGH NJW-RR 2010, 1217; dazu Schroeter, EWiR Art 5 EuGVVO 1/11, 149. 178 BGH NJW 2009, 2606 (Tz 18ff); dazu Rauscher IPR, 4. Aufl 2012, Rz 1752. 179 EuGH (9.6.2011, C-87/10, Electrosteel) NJW 2011, 3018 = RIW 2011, 632. 180 EuGH (9.6.2011, C-87/10, Electrosteel) ZIP 2011, 1282 = NJW 2011, 3018; dazu Mankowski EWiR Art 5 EuGVVO 3/11, 497; BGHZ 186, 81 = NJW 2010, 3452 = ZIP 2010, 1874, 1876; dazu M. Becker, EWiR Art 5 EuGVVO 3/10, 817; krit Mankowski FS Schwenzer, 2010, S 1175, 1187f. 181 Krit P. Mankowski, FS Schwenzer, 2010, S 1175, 1187. 182 EuGHE 2007, I-3699 (Color Drack v. Lexx) = NJW 2007, 1799 (m. Anm.Piltz); dazu Sujecki EWS 2007, 398; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 67. 183 EuGHE 2009, I-6073 (Peter Rehder v Air Baltic Corp.) = NJW 2009, 2801 = IPRax 2010, 160; dazu Staudinger IPRax 2010, 140 u. R. Wagner IPRax 2010, 143; Mankowski EWiR Art 5 EuGVVO 2/09, 607. 184 Krit Kubis ZEuP 2001, 742, 749f. 185 Kropholler/v Hinden, GS Lüderitz, S 401, 409f; aA Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rz 42 (bei Nichterfüllung „rechtlicher“ Erfüllungsort); Stein/Jonas/Wagner
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
Wird Direktlieferung an den Abnehmer des Käufers usf vereinbart, so ist aus dem Vertrag sinngemäß die Vereinbarung zu entnehmen, dass der tatsächliche Ablieferungsort nicht Erfüllungsort sein soll, sondern der Ort der Übergabe der Ware an den ersten Beförderer. Wird der Bestimmungsort erst während des Transports festgelegt oder abgeändert,186 so scheidet eine Anknüpfung an den realen Ablieferungs- oder Aufenthaltsort der Ware wohl ebenfalls aus. 67
Den „autonomen“ Erfüllungsort nach Nr 1 (b) gibt es überdies nur, wenn der reale Ablieferungsort innerhalb eines Mitgliedstaats liegt. Liegt er in einem Drittstaat, so bleibt es bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nach Nr 1 (a),187 was zu wenig überzeugenden Ergebnissen führt.
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Unter Dienstleistungen sind (in autonomer Bestimmung)188 alle Arten gewerblicher oder freiberuflicher Dienste (abhängige Arbeit ausgenommen), Werklieferungen, Werkleistungen und Geschäftsbesorgungen zu verstehen (s Art 50 EGV; jetzt Art 57 AEUV).189 Dazu gehören auch Vertriebsverträge.190 Erforderlich ist stets, dass die Dienstleistung gegen Entgelt erbracht wird.191 Eine Beförderungsleistung ist ebenfalls eine Dienstleistung.192 Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechte-VO kann deshalb auch am Abflugsort eingeklagt werden.193 Kreditverträge sind nicht nur wirtschaftlich Finanzdienstleistungen, sondern auch Dienstleistungen iS des Art 5 Nr 1.194 Lizenzverträge sind keine Dienstleistungsverträge, da der Lizenzgeber nur zur Lizengewährung, nicht aber zu irgendwelchen Serviceleistungen verpflichtet ist.195
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Bei Dienstleistungen ist Erfüllungsort der Ort der tatsächlichen Leistungserbringung.196 Art 5 Nr 1 lit b zweiter Gedankenstrich ist auch dann anwendbar, wenn die Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten zu erbringen sind; zuständig ist dann das Gericht, in dessen Bezirk sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet. Bei einem Handelsvertreter ist auf den
186 187 188 189 190 191 192 193 194 195
196
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Art 5 EuGVO Rz 65 (Abstellen auf gemeineuropäische Prinzipien wie UNIDROIT Principles). Krit Kubis ZEuP 2001, 742, 750. BGH RIW 2009, 568, 569 (Tz 16); Kubis ZEuP 2001, 742, 751; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 47; anders nach dem Vorentwurf, vgl Hau IPRax 2000, 354, 360. BGH NJW 2012, 1817 (Tz 16); BGH NJW 2006, 1806, 1807; OLG Köln RIW 2005, 778, 779. Leipold, GS Lüderitz, S 431, 446; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 328. Jault-Seseke/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 1 Brüssel I-VO Rz 30, 38. OLG Saarbrücken IPRax 2013, 74, 78 (Tz 68) (dazu v. Hein S 54). Vgl BGH NJW 2008, 2121. BGHZ 188, 85 = NJW 2011, 2056. BGH ZIP 2012, 941f (Tz 16ff) = NJW 2012, 1817; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 94 MüKo/Gottwald, Art 5 EuGVO Rz 25; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 328. EuGHE 2009, I-3327 (Falco Privatstiftung) = NJW 2009, 1865 = IPRax 2009, 509 (Brinkmann, S. 487); krit Jault-Seseke/Weller, unalex Kommentar Art 5 Brüssel I-VO Rz 35. Jault-Seseke/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 1 Brüssel I-VO Rz 66; Kropholler/ v. Hein Art 5 EuGVO Rz 45.
Europäisches Zivilprozessrecht
§3
Hauptort abzustellen, an dem der Vertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer zu erbringen hatte. Kann dieser Ort nicht anhand des Handelsvertretervertrags ermittelt werden, ist auf den Ort abzustellen, an dem der Handelsvertreter tatsächlich überwiegend tätig geworden ist.197 Anders als bisher ist dieser Erfüllungsort für alle Ansprüche aus dem Vertrag 70 einheitlich nach der charakteristischen Leistung zu bestimmen; das bisherige Abstellen auf die jeweilige Hauptpflicht entfällt.198 Bei einem Kaufvertrag ist nicht nur die Lieferpflicht, sondern sind sämtliche Klagen aus dem Vertrag erfasst.199 War die Dienstleistung in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten zu erbringen (und ist dort erbracht worden), kommt es darauf an, wo der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistung war, da ein einziger Gerichtsstand für alle Klagen aus dem Dienstleistungsvertrag zu bestimmen ist. Wird ein Anwalt mit der Vertretung der Partei vor einem Schiedsgericht mit Ort der mündlichen Verhandlung in einem anderen Mitgliedstaat beauftragt, so wird der Schwerpunkt der Tätigkeit zumeist in der vorbereitenden Sachbearbeitung am Kanzleisitz liegen.200 Art 5 Nr 1b) EuGVO lässt aber ausdrücklich abweichende Parteivereinbarungen des zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsorts zu201 (s u Rz 74). Bei Flugreisen von einem Mitgliedstaat in einen anderen sollte für den einheitlichen Erfüllungsort auf den Abflugort abgestellt werden.202 (4) Der Erfüllungsort für Verträge anderer Art
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Für Ansprüche aus Verträgen anderer Art, aber auch in Fällen, die zur Zuständigkeit eines Drittstaats führen,203 bleibt es gem Art 5 Nr 1c) ausdrücklich bei der Anwendung von Nr 1a). Dies bedeutet, dass insoweit wie bisher zu Art 5 Nr 1 EuGVÜ der Erfüllungsort kollisionsrechtlich zu bestimmen ist204 (s o Rz 59f). Dies gilt etwa für einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag.205 Art 5 Nr 1a) bleibt also die Grund- und Auffangnorm.206 Eingewandt wird allerdings, man müsse nunmehr zumindest auch für diese Verträge einen einheitlichen Erfüllungsort und nicht mehr einen Erfüllungsort für jede Hauptpflicht vereinbaren.207 197 EuGHE 2010, I-2121 (Wood Floor Solutions v Silva Trade) = NJW 2010, 1189; dazu Mankowski EWiR Art 5 EuGVVO 2/10, 355. 198 BGH NJW 2006, 1806, 1807; LG München II IPRax 2005, 143, 144 (dazu Kienle S 113); Kropholler/v Hinden, GS Lüderitz, S 401, 406; Hau IPRax 2000, 354, 359; Markus SZW/RSDA 1999, 205, 212; Musielak/Stadler, 9. Aufl 2012, Art 5 EuGVO Rz 10; U. Schmidt Rz 90. 199 OLG Hamm IHR 2012, 216. 200 BGH NJW 2006, 1806, 1808 = WuB VII B. Art 5 EuGVVO 4.06 (m. Anm. Rauscher). 201 Krit. Leipold, GS Lüderitz, S 431, 449f. 202 BGH NJW 2008, 2121 (Vorlage an EuGH); dazu A. Staudinger IPRax 2008, 493. 203 Leipold, GS Lüderitz, S 431, 450f; Kropholler/v Hinden, GS Lüderitz, S 401, 411; Stein/Jonas/Wagner Art 5 Rz 47. 204 Musielak/Stadler Art 5 EuGVO Rz 14; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 45, 79; krit. Leipold, GS Lüderitz, S 431, 451 („innerer Bruch“); Kropholler/v Hinden, GS Lüderitz, S 401, 409; Burgstaller Art 5 EuGVO Rz 7. 205 EuGHE 2009, I-3327 (Falco Privatstiftung) = NJW 2009, 1865. 206 Kropholler/v. Hinden, GS Lüderitz, S 401, 408; Burgstaller Art 5 EuGVO Rz 20. 207 Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 329.
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Verletzt der Beklagte eine vertragliche, weltweit geltende Unterlassungspflicht, so kann der Kläger nicht etwa in jedem beliebigen Land seiner Wahl klagen; nach Ansicht des EuGH lässt sich hier kein konkreter Erfüllungsort bestimmen, so dass Art 5 Nr 1 ganz ausscheide und auf Art 2 zurückzugreifen sei.208 Anders ist es dagegen bei einer auf einen bestimmten Staat begrenzten Unterlassungspflicht.209 Gleiches gilt für Leistungspflichten, die in einer Vielzahl von Staaten zu erfüllen sind, ohne dass eine Hauptverpflichtung in einem bestimmten Staat bestünde.210
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(5) Wird Schadenersatz geltend gemacht, so ist zu prüfen, ob der Anspruch auf Vertrag oder Delikt gestützt wird. Im Gerichtsstand des Erfüllungsortes können nach hM nur vertragliche Ansprüche geltend gemacht werden.211 Eine Annexkompetenz für deliktische Ansprüche besteht nach hM nicht.212 Ansprüche eines Nichtkäufers gegen den Warenhersteller aus (gesetzlicher) Produkthaftung fallen nicht unter Art 5 Nr 1.213 Ansprüche wegen Transportschäden, die nicht gegen den Aussteller des Konnossements, sondern gegen den tatsächlichen Verfrachter geltend gemacht werden, sind deliktischer Natur.214 Wie im autonomen deutschen Recht sollte aufgrund der Interessenlage der Parteien bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz auch für Art 5 Nr 1 EuGVO eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs für alle Anspruchsgrundlagen anerkannt werden.215
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(6) Die Vereinbarung des Erfüllungsortes durch die Parteien wird durch Art 5 Nr 1 EuGVO/LugÜ (bzw Art 7 Nr 1 EuGVO nF) nicht ausgeschlossen. Denn der Erfüllungsort ist einmal auf der Grundlage des Vertrags zu bestimmen und zum anderen gilt lit b ausdrücklich nur vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung.216 Bei der Vertragsauslegung sind alle einschlägigen Bestimmungen und Klauseln des Vertrags einschließlich der allgemein anerkannten und im internationalen Handelsverkehr üblichen Bestimmungen, wie der Incoterms 2000, zu berücksichtigen, sofern sie eine eindeutige Bestimmung des Lieferortes ermöglichen.217 Diese Auslegung muss ohne Bezugnahme auf das auf
208 EuGHE 2002, I-1699 (Rz 48ff) (Besix v Kretzschmar) = NJW 2002, 1407 = IPRax 2002, 392 (dazu Heß S 376) = ZZPInt 7 (2002), 207 (Hau); krit Mankowski EWiR Art 5 EuGVÜ 1/02, 519. 209 Jault-Seseke/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 1 Brüssel I-VO Rz 45. 210 Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 80f. 211 Cour de Cassation, Urt v 16.5.1977, Rspr Übers, Folge 3, 1979, Nr 95. 212 Walter, IZPR der Schweiz, S 190; Rauscher IPR, Rz 1740; Linke/Hau IZVR Rz 207; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 17; Zogg JPIL 9 (2013), 39; s u Rz 80. 213 EuGHE 1992, I-3967 (Handtke v TMCS) = EWS 1994, 245 = JZ 1995, 90 m Anm Pfeifer; Kreuzer/Wagner Q 157; krit. Hartley EurLRev. 18 (1993), 506; Cass. [1996] ILPr 133. 214 EuGHE 1998, I-6511 (Réunion européenne) = IPRax 2000, 210 (dazu Koch S 186). 215 Banniza von Bazan S 141ff; Otte, Umfassende Streitentscheidung, 1998, S 520ff.; Geimer/Schütze Art 5 Rz 34; Soergel/Kronke Art 38 Anh IV Rz 63; auch Kropholler/ v. Hein Art 5 Rz 79; aA Holl WiB 1995, 462, 463. 216 Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 72; MüKo/Gottwald Art 5 EuGVO Rz 28. 217 EuGH (9.6.2011, C-87/10, Electrosteel) ZIP 2011, 1282 (Rz 18ff) = NJW 2011, 3018; Jault-Seseke/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 1 Brüssel I-VO Rz 60.
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den Vertrag anwendbare Recht erfolgen.218 Entgegen der bisher hM kommt es also auf das nach den Kollisionsregeln anwendbare materielle Recht nicht mehr an.219 Nach Ansicht des EuGH220 muss die Form des Art 23 EuGVO/LugÜ (künftig 75 Art 25 EuGVO nF) nicht eingehalten werden. Erforderlich ist aber ein Zusammenhang dieses Ortes mit der Vertragswirklichkeit.221 Für eine sog abstrakte Erfüllungsortvereinbarung, durch die kein realer Leistungsort, sondern nur ein Gerichtsstand bestimmt werden soll, gilt dies dagegen nicht. Sie sind nach Art 23 EuGVO/LugÜ (Art 25 EuGVO nF) zu beurteilen.222 Dies gilt auch innerhalb des neu gefassten Art 5 Nr 1 b EuGVO.223 Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art 5 Nr 1 EuGVO/LugÜ steht 76 dem Kläger auch dann zur Verfügung, wenn der Abschluss des Vertrags, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zwischen den Parteien streitig ist.224 Für Beklagte mit Wohnsitz bzw Sitz in Luxemburg galt der Vorbehalt gem 77 Art 63 EuGVO bzw des Protokolls Nr 1 zum LugÜ 1988. Danach konnte der im Gerichtsstand des Erfüllungsortes Beklagte die Unzuständigkeit des Gerichts geltend machen;225 ließ sich der Beklagte nicht auf das Verfahren ein, erklärte sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig. Nach Ansicht des BGH galt die Luxemburg-Klausel aber nicht für Luxemburger Briefkastenfirmen.226 Diese Regelung galt nach Art 63 IV EuGVO noch sechs Jahre nach deren Inkrafttreten. Sie ist also zum 1.3.2008 gegenstandslos geworden.
b) Gerichtsstand für unerlaubte Handlungen (Art 5 Nr 3 aF bzw Art 7 Nr 2 nF) Schrifttum: Adena, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet, RIW 2010, 868; F. Banholzer, Die internationale Gerichtszuständigkeit bei Urhebrerrechtsverletzungen im Internet, 2011; J. Basedow, International Cartels and the Place of acting under Article 5 (3) of the Brussels I Regulation, in Basedow/Franq/Idot, International Antitrust Litigation, 2012, S 31; Berger, Die internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen in Internet-Websites, GRURInt 2005, 465; M. Bogdan, Contract or Tort under Article 5 of the Brussels I Regulation: Tertium non Datur?, Fs v. Hoffmann, 2011, S. 561; P.-A. Brand, Persönlichkeitsrechtsverlet218 EuGH ZIP 2011, 1282 (Rz 16). 219 Anders noch BGH WM 1980, 70; Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 35f; Spellenberg IPRax 1981, 75; Klemm S 85ff; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap 27 Rz 44. 220 EuGHE 1980, 89 (Zelger v Salinitri) = IPRax 1981, 89. 221 BGH RIW 2009, 568, 570 (Tz 23). 222 EuGHE 1997, I-911, 932 (MSG, Mainschifffahrts-Genossenschaft) = JZ 1997, 839 (Koch) = ZZPInt. 2 (1997), 161 (P. Huber) = RIW 1997, 415 (Holl); BGH RIW 1997, 871 = IPRax 1999, 34 (dazu Kubis S 10); Klemm S 97ff, 202ff; Schlosser Art 5 EuGVVO Rz 11. 223 Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 328; zweifelnd Leipold, GS Lüderitz, S 431, 448. 224 EuGHE 1982, 825 (Effer v Kantner) = IPRax 1983, 31 (hierzu Gottwald S 13 und Stoll S 52). 225 Vgl OLG Düsseldorf RIW 2006, 633. 226 BGH RIW 2003, 877 = IPRax 2005, 142 (dazu Lehmann S 109).
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
zungen im Internet, E-Commerce und „Fliegender Gerichtsstand“, NJW 2012, 127; E. Bruhns, Das Verfahrensrecht der internationalen Konzernhaftung, 2006; J. Bukow, Verletzungsklagen aus gewerblichen Schutzrechten, 2003, S 29ff; M. Danov, Jurisdiction and Judgments in Relation to EC Competition Law Claims, 2010 H. Dehnert, Der deliktische Erfolgsort bei reinen Vermögensschäden und Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2011; Ph. Egler, Seeprivatrechtliche Streitigkeiten unter der EuGVVO, 2011; Fricke, Der Unterlassungsanspruch gegen Presseunternehmen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts im IPR, 2003, S 286; Grabinski, Zur Bedeutung des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (Brüsseler Übereinkommen) und des Lugano-Übereinkommens in Rechtsstreitigkeiten über Patentverletzungen, GRURInt 2001, 199; Hausmann, Die Verletzung gewerblicher Schutzrechte im europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrecht, EuLF 2003, 278; v. Hein, Deliktischer Kapitalanlegerschutz im europäischen Zuständigkeitsrecht, IPRax 2005, 17; C. Hootz, Durchsetzung von Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechten bei grenzüberschreitenden Verletzungen in Europa, 2004, S 176ff; R. Hye-Knudsen, Marken-, Patent- und Urheberrechtsverletzungen im europäischen Internationalen Zivilprozessrecht, 2005; A. Junker, Der Gerichtsstand des Deliktsortes nach der Brüssel I-Verordnung bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten im Internet, FS Rüßmann, 2013, S 811; Kieninger, Internationale Zuständigkeit bei der Verletzung ausländischer Immaterialgüterrechte: Common Law auf dem Prüfstand des EuGVÜ, GRURInt 1998, 280; Klöpfer, Persönlichkeitsrechtsverletzung über das Internet: Internationale Zuständigkeit nach EuGVVO und anwendbares Recht, JA 2013, 165; G. Kosmehl, Welchen Wert hat der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im europäischen Zivilprozessrecht?, Liber americorum Rauscher, 2005, S 79; Körner, Internationale Rechtsdurchsetzung von Patenten und Marken nach europäischem Prozessrecht, FS Bartenbach, 2005, S 401; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999; P. Lange, Der internationale Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach dem EuGVÜ bei Verletzungen von nationalen Kennzeichen, WRP 2000, 940; Leipold, Neues zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach europäischem Zivilprozessrecht, FS Nemeth, 2003, S 631; W. Lindacher, Die internationale Dimension lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche: Marktterritorialität versus Universalität, GRURInt 2008, 453; W. Lindacher, Delikt und Vertrag – Zur Zuständigkeit deutscher Wettbewerbsgerichte für Unterlassungs- und Vertragstrafeklagen bei Zuwiderhandlung nach internationaler Unterwerfung, FS Kerameus, Athen 2009, S 709; H. Maier, Marktortanknüpfung im internationalen Kartelldeliktsrecht, 2011; A. Metzger, Jurisdiction and applicable law in matters of intellectual property, in Basedow/ Kischel/Sieber, German National reports to the 18th international congress od comparative law, 2010, S 327, 342; D. Mon´zˇina, Persönlichkeitsverletzungen im Internet – die internationale Zuständigkeit, Slovenian Law Rev. 1 (2004), 77; Pansch, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bei der grenzüberschreitenden Verletzung gewerblicher Schutzrechte, EuLF 2000/01, 353; H. Prütting, Die internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet, GS Koussoulis, 2010, S 459; Reber, Die internationale gerichtliche Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Urheberrechtsverletzungen, ZUM 2005, 194; S. Reichardt, Internationale Zuständigkeit im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bei Verletzung europäischer Patente, 2006; I. Roth, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 2007; Schack, Internationale Urheber-, Marken- und Wettbewerbsverletzungen im Internet (IZPR), MMR 2000, 135; Stadler, Vertraglicher und deliktischer Gerichtsstand im europäischen Zivilprozessrecht, FS Musielak, 2004, S 569; Stauder, Die internationale Zuständigkeit in Patentverletzungsklagen, FS Schricker, 2005, S 917; B. Steinbrück, Der Vertriebsort als Deliktsgerichtsstand für internationale Produkthaftungsklagen, FS Kaissis, 2012, S 965; B. Stillner, Die internationale Zuständigkeit bei Verbraucherverbandsklagen, VuR 2008, 41; K. Thorn, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsverletzungen durch Massenmedien, FS v. Hoffmann, 2011, S 746; L. Uhl, Internationale Zuständigkeit gem Art 5 Nr 3 des Brüsseler und Lugano-Übereinkommens, ausgeführt am Beispiel der Produktehaftung, 2000; R. Wagner/K. Gess, Der Gerichtsstand der uner-
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laubten Handlung nach der EuGVVO bei Kapitalanlagedelikten, NJW 2009, 3481; Wehdeking, Internationale Zuständigkeit der Zivilgerichte bei grenzüberschreitenden Immissionen, DZWIR 2003, 323; M. Weller, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet – Internationale Zuständigkeit am „Ort der Interessenkollision“?, FS Kaissis, 2012, S 1039; M. Winkler, Die internationale Zuständigkeit für Patentverletzungsstreitigkeiten, 2011.
Der Begriff der unerlaubten Handlung ist autonom auszulegen.227 Erfasst sind 79 alle Deliktstatbestände, Ersatzansprüche aus ärztlicher Behandlung ohne wirksame Einwilligung,228 Fälle der Gefährdungshaftung und der Entschädigung wegen Aufopferung,229 der cic, jedenfalls soweit es um reine Schutzpflichtverletzungen geht, auch entsprechende Ansprüche aus „Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte“,230 Ersatzansprüche wegen der Verletzung von Immaterialgüterrechten,231 Schadensersatz wegen Untreue bzw Betrug bei Kapitalanlagen,232 Produkthaftungsansprüche von Nichtvertragspartnern,233 Unterlassungsansprüche wegen Eigentumsbeeinträchtigung234 und sonstige negatorische Ansprüche jeweils einschließlich vorbereitender Auskunftsansprüche.235 Das Gegenstück bildet die Zuständigkeit aus Vertrag gem Art 5 Nr 1 EuGVO/LugÜ (bzw Art 7 Nr 1 EuGVO nF). Deliktisch einzuordnen sind auch Klagen zur Verhinderung des Eintritts von Schäden (durch kollektive Arbeitskampfmaßnahmen)236 sowie die Verwendung mißbräuchlicher Klauseln in AGB.237 Die Haftung aus einer (mündlichen) Gewinnzusage hat der BGH ursprünglich als deliktisch eingeordnet.238 Deliktisch zu qualifizieren sind schließlich Ansprüche gegen GmbH-Gesellschafter wegen materieller Unterkapitalisierung oder wegen existenzvernichtenden Eingriffs.239 Gleiches gilt für die Haftung der Geschäftsführer nach § 64 S 1 GmbHG wegen Zahlungen nach Eintritt der Insolvenz; die Annexzuständigkeit nach Art 3 EuInsVO greift insoweit nicht.240 227 EuGHE 2002, I-8111 (Verein für Konsumenteninformation v Henkel) = NJW 2002, 3617, 3618 (Rz 35); EuGHE 1992, I-3967 (Handtke v TMCS) = JZ 1995, 90 (Peifer); EuGHE 1997, I-3767 (Rz 12) (Benincasa) = JZ 1998, 896 (Mankowski); BGH ZIP 2010, 1998, 1999 (Tz 23). 228 BGH RIW 2008, 711, 712 = IPRax 2009, 150 (dazu Spickhoff, S 128). 229 Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 130. 230 Spahl S 159ff, 163ff; s aber Rz 55. 231 Metzger, German national reports, S 327, 342ff. 232 BGH ZIP 2010, 1998; BGH RIW 2008, 399 = EWiR Art 5 LugÜ 1/08 (Mankowski); OLG Köln IPRax 2006, 479 (dazu von Hein S 460). 233 EuGHE 2009, I-6917 (Zuid Chemie v Philippo’s) = IPRax 2010, 358 (dazu v. Hein S 330). 234 BGH RIW 2006, 310 = IPRax 2006, 502 (Jayme) = WuB VII B. Art 5 EuGVVO 3.06 (m Anm Rauscher). 235 Umfassende Auflistung bei TenWolde/Knot/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 3 Brüssel I-VO Rz 12; Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 74f. 236 EuGHE 2004, I-1417 (DFDS Torline v LO Landesorganisationen) = RIW 2004, 543 = IPRax 2006, 161 (dazu Franzen S 127). 237 BGHZ 185, 359 = NJW 2010, 2719 = ZIP 2010, 1904, 1905. 238 BGH NJW 2003, 426; dazu Häcker ZVglRWiss 103 (2004), 464; zur Haltung des EuGH s o Rz 50 u u Rz 142. 239 Vgl Mankowski RIW 2005, 561, 569. 240 OLG Karlsruhe EuZW 2010, 3597; dazu H. Wais IPRax 2011, 138; U. Haas NZG 2010, 495.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
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Außervertragliche Ansprüche ohne Bezug zu einer Unrechtshandlung, wie Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigter Bereicherung oder der Vindikationsanspruch werden nicht von Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 7 Nr 2 EuGVO nF) erfasst.241 In Fällen der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz ist das Gericht der Deliktsklage nach hM nicht zuständig, im Wege des Sachzusammenhangs auch über konkurrierende Ansprüche (aus Vertrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherung etc) zu entscheiden.242 Diese Trennung wird freilich den Interessen der Parteien nicht gerecht.243
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Während § 32 ZPO auf den Ort abstellt, an dem die unerlaubte Handlung begangen worden ist, knüpft Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 2 EuGVO nF an den Ort an, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Im Ergebnis läuft das aber auf dasselbe hinaus, denn der Beklagte kann nach Wahl des Klägers vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verletzung eingetreten ist (Erfolgsort), oder vor dem Gericht des Ortes des dem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens (Handlungsort) verklagt werden (sog Ubiquitätstheorie).244 Bei der Arzthaftung wegen unzureichender Aufklärung liegt der Erfolgsort in dem Staat, in dem der Patient die Wirkungen der ärztlichen Behandlung erleidet.245 Bei einem Betrug liegt der Tatort dort, wo der Geschädigte getäuscht worden ist.246 Bei Ansprüchen nach §§ 37b 37c WpHG (Zurückhaltung von Insiderinformationen bzw unzutreffenden Ad-hoc-Mitteilungen) liegt der Erfolgsort am Sitz der Börse, bei der die streitigen Papiere zum Handel zugelassen sind.247 Bei Transportschäden ist als Erfolgsort der Ort anzusehen, an dem der tatsächliche Verfrachter die Ware auszuliefern hatte. Keine Zuständigkeit besteht dagegen an dem sonstigen Ort, an dem ein Transportschaden erstmals festgestellt wird.248
241 Ten Wolde/Knot/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 3 Brüssel I-VO Rz 15ff; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 194. 242 EuGHE 1988, 5565 (Kalfelis v Schröder) = NJW 1988, 3088 m Anm Geimer; BGH IPRax 2006, 40, 43 (dazu Looschelders S 14, 15); zust Lohse S 25ff; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 124ff; Schack, IZVR, Rz 396; Zogg JPIL 9 (2013), 39; krit Gottwald IPRax 1989, 272; s o Rz 73. 243 Ebenso Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 504ff, 520ff; Banniza von Bazan S 141ff; Fasching/Simotta § 92a JN Rz 27; Geimer/Schütze Art 5 Rz 163; Soergel/ Kronke Art 38 Anh Rz 66. 244 EuGHE 1976, 1735 (Bier v Mines de Potasse d’Alsace) = RIW 1977, 356 (Linke); EuGHE 2004, I-6009 (Kronhofer) = NJW 2004, 2441 = IPRax 2005, 32 (dazu v. Hein, S. 17); EuGHE 2009, I-6917 (Zuid-Chemie v. Philippo’s Mineralenfabriek) = NJW 2009, 3501 = RIW 2009, 719; BGH ZIP 2010, 1998, 1999; ebenso Geimer/Schütze/ Auer Art 5 Rz 107ff; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 203ff; Ten Wolde/Knot/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 3 R Brüssel I-VO z 5; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 143f. 245 BGHZ 176, 342 = NJW 2008, 2344; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 149. 246 RIW 2008, 399, 401. 247 OLG Frankfurt ZIP 2010, 2217; dazu Mankowski EWiR § 37b WpHG 1/10, 725. 248 EuGHE 1998, I-6511 (Rz 33f) (Réunion européenne) = IPRax 2000, 210, 213 (dazu Koch S 186); Burgstaller/Ritzberger Rz 2.83.
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Bei der Beteiligung an fremder unerlaubter Handlung oder der Haftung für Ver- 82 richtungsgehilfen ist als Handlungsort der Ort der Haupttat bzw der Tat des Verrichtungsgehilfen anzusehen.249 Die Zuständigkeit ist begründet, wenn der Eintritt der Verletzung an dem ent- 83 sprechenden Ort behauptet wird und dies nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Die Zuständigkeit ist dagegen nicht davon abhängig, ob eine Verletzung tatsächlich eingetreten ist.250 Bei einem Streudelikt, etwa einer ehrverletzenden oder kreditschädigenden 84 Presseveröffentlichung ist der Gerichtsstand am Sitz der Druckerei, am Sitz der Niederlassung des Verlages (für den gesamten Schaden) oder an jedem Verbreitungs- bzw Verkaufsort (begrenzt auf den in diesem Land erlittenen Schaden) gegeben (sog Mosaik-Prinzip).251 Bei einer pflichtwidrigen Weitergabe vertraulicher Informationen entsteht der Schaden an jedem Ort, an dem ihr berechtigter Inhaber sie gewerblich nutzen wollte, insb für seinen Inlandsmarkt an seinem Sitz.252 Bei unerlaubter Veröffentlichung von Fotos ist Handlungsort der Ort der Veröffentlichung, nicht der Ort der Fotoaufnahme (§ 22 KunstUrhG).253 Bei sittenwidrigem Telefonverkauf von Börsenpapieren ist Erfolgsort der Wohnsitz des Geschädigten.254 Bei falschen Anschuldigungen ist Erfolgsort der Ort der Anschuldigung, nicht der Ort, an dem der Beschuldigte davon Kenntnis erlangt.255 Bei territorial beschränkten Immaterialgüterrechten muss der Verletzungsort 85 im Schutzstaat liegen.256 Der Ort der Marktbeeinflussung in einem Nichtschutzstaat genügt nicht.257 Die Verletzungshandlung kann dagegen (entgegen einer wohl hM) auch von einem Nichtschutzstaat aus erfolgen.258 Werden Schutzrechte mehrerer Mitgliedstaaten verletzt, so besteht an einem Verlet-
249 BGH ZIP 2010, 1998, 1999 (Tz 29ff); BGH ZIP 2010, 2004 (Tz 27ff); vgl Weller IPRax 2000, 202, 208; BGH RIW 2013, 85 (Vorlage an EuGH). 250 BGH RIW 2005, 465 = JZ 2005, 736 (Ohly). 251 EuGHE 1995, I-415 (Fiona Shevill v Press Alliance) = NJW 1995, 1881; dazu Rauscher ZZPInt 1996, 145; Wagner RabelsZ 62 (1998), 243, 261ff; Kubis S 121ff, 150ff, 226ff (für Anknüpfung an Handlungsort; gegen Unterscheidung von Handlungsund Erfolgsort); Fricke S 296ff; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 207ff; Stein/Jonas/ Wagner Art 5 EuGVO Rz 167ff; krit Kreuzer/Wagner Q 176; Kosmehl, Liber amicorum Rauscher, S 79, 90ff; Burgstaller Art 5 EuGVO Rz 53; Schack, IZVR, Rz 343. 252 English High Court, Ch., 21.1.1994 (Kitechnology v Unicor) [1994] ILPr 560. 253 AG Hamburg RIW 1990, 319f. 254 OLG Düsseldorf RIW 1996, 681. 255 Vgl Alfred Dunhill Ltd v Diffusion Internationale [2002] ILPr 128. 256 Kreuzer/Wagner Q 177; Bukow S 45ff, 73f, 124. 257 Bukow S 83ff. 258 Pansch EuLF 2000/01, 353, 355ff mNachw; Otte IPRax 2001, 315, 316ff; Adolphsen, Patentsachen, 2. Aufl 2009, Rz 490; Adolphsen, ZZPInt 11 (2006), 137, 156; HyeKnudsen S 69ff; aA OLG Düsseldorf IPRax 2001, 336; Grabinski GRUR Int 2001, 199, 204; Schack, IZVR, Rz 343 (kein vom Handlungsort verschiedener Erfolgsort); vgl Stauder, Grenzüberschreitende Verletzungsverbote im gewerblichen Rechtsschutz, IPRax 1998, 317; Lange WRP 2000, 940, 944ff.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
zungsort keine umfassende Kognitionsbefugnis für alle verletzten Rechte.259 Mögliche Verletzungshandlungen von Kennzeichen sind die in § 14 III, IV MarkenG untersagten Verhaltensweisen.260 Für Patentverletzungsklagen gilt Art 22 Nr 4 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 4 EuGVO nF nicht (s u Rz 274ff). Für Klagen wegen Verletzung des neuen Europäischen Einheitspatents ist nach seiner Einführung 2014 aber das neu errichtete einheitliche Europäische Patentgericht zuständig (E Art 32 (1) (a) eines Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht)261 (s o § 1 Rz 83). 86
Bei Wettbewerbs-, Marken- oder Urheberrechtsverletzungen im Internet ist Handlungsort der Ort des Uploading des Täters oder am Belegenheitsort des Servers, weil die verletzenden Informationen dort gespeichert und abrufbar sind.262 Erfolgsorte sind grds alle Orte der Abrufbarkeit, was zu weltweiten Erfolgsorten führen kann (sog „fliegender Gerichtsstand“). Allerdings sollten nur Erfolgsorte relevant sein, die zum objektiv bestimmungsgemäßen Verbreitungsgebiet oder zum umworbenen Markt gehören.263 Insoweit ist auf dieselben Indizien wie beim Ausrichten nach Art 15 I lit c EuGVO/LugÜ bzw Art 17 I lit c EuGVO nF abzustellen (Sprache, Disclaimer, Top-Level-Domain, Werbung, Vertragsschlussmöglichkeit, Zugangssperren, Gelocation, Meta-Tag Coverage).264 Bei einer möglichen Markenrechtsverletzung durch Auftrag zur Bereitstellung eines Addonskann im Schutzstaat der Marke als dem Verletzungsort und im Staat, in dem der Verletzer den Beistellungsauftrag erteilt hat, als dem Handlungsort auf Unterlassung oder Schadenersatz geklagt werden. Der Ort, an dem sich der Server befindet, ist irrelevant.265
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Der durch den Inhalt einer Website in seinen Persönlichkeitsrechten Verletzte kann den gesamten Schaden, den er erlitten hat, bei den Gerichten des Niederlassungsstaats des Urhebers oder in dem Staat, in dem er selbst den eigenen Mittelpunkt seiner Interessen hat, einklagen; war die verletzende Website auch in anderen Staaten zugänglich, so kann auch dort geklagt werden, allerdings beschränkt auf den in diesem Staat erlittenen Schaden.266 Die bloße Ab259 Adolphsen, Patentsachen, 2. Aufl 2009, Rz 495; Adolphsen, ZZPInt 11 (2006), 137, 157; Bukow S 96ff. 260 Lange WRP 2000, 940, 941f. 261 Rat der EU, Dok. 16351/12 (PI 148 COUR 77) v 11.1.2013. 262 Rauscher/Leible Art 5 Rz 88e; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 226; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 173; Ten Wolde/Knot/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 3 Brüssel I-VO Rz 39. 263 Hye-Knudsen S 78ff; Pichler, Jb junger Rechtswiss. 1998, 229, 248f; vgl Koch CR 1999, 121; Mankowski RabelsZ 63 (1999), 203; Bachmann IPRax 1998, 179, 182ff. 264 Vgl Banholzer, S. 62ff, 104ff. 265 EuGH (19.4.12, C-523/10, Wintersteiger v Products 4U) RIW 2012, 391 = JZ 2012, 1014 (Lehmann/Stieper). 266 EuGH (25.10.11, C-509/09) (eDate Advertising) RIW 2011, 869 = NJW 2012, 137 = JZ 2012, 139; dazu P.-A. Brand NJW 2012, 127; Spindler AfP 2012, 114; Bogdan YearbookPIL 13 (2011), 483; M. v. Hinden ZEuP 2012, 940; Endentscheidung BGH NJW 2012, 2197.
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rufbarkeit im Inland ergibt daher keinen relevanten Erfolgsort; der ehrverletzende Inhalt muss vielmehr einen deutlichen Inlandsbezug aufweisen. Dazu muss ein Aufruf im Inland nahe liegen und dabei auch tatsächlich eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts eintreten.267 Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet ergibt sich keine Erfolgsortzuständigkeit im Inland, wenn zwar der Verletzte die Äußerungen im Inland abruft, diese aber aufgrund ausländischer Sprache und Schrift und ihres Inhalt ganz überwiegend an Adressaten im Ausland gerichtet sind.268 Verlangt ein Sportler nach einer ungerechtfertigten Dopingsperre Schaden- 88 ersatz wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts oder Eingriffs in seinen ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb, so tritt der Erstschaden am Ort seines sportlichen Lebensmittelpunktes, dh am Sitz seines Heimatvereins bzw -verbands ein.269 Bei Klagen auf Ersatz von primären Vermögensschäden fallen zuständigkeits- 89 begründender Erfolgsort als Ort der Rechtsgutverletzung und Schadensort zusammen.270 Abzustellen ist danach auf den Ort, an dem der Erstschaden am konkret geschädigten Vermögensgegenstand eintritt.271 Keine Gerichtspflichtigkeit besteht dagegen an einem Ort, an dem ein Vermögensschaden als Folge eines in einem anderen Vertragsstaat erlittenen Erstschadens eingetreten ist272 oder an dem ein mittelbar Geschädigter einen Schaden erlitten hat.273 Erfolgsort ist aber nur ein Ort, mit dem der Handelnde rechnen musste. Bei einem Telefongespräch von einem fingierten Ort aus, ist der wirkliche Gesprächsort nicht Erfolgsort.274 Bei Kartelldelikten wird vorgeschlagen, die Zuständigkeit an den Marktort anzuknüpfen.275 Ob der Gerichtsstand auch für eine vorbeugende Unterlassungsklage, insb bei 90 Wettbewerbsverstößen, eröffnet ist, war für Art 5 Nr 3 EuGVÜ zweifelhaft.276 Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 2 EuGVO nF stellen nunmehr ausdrücklich klar, dass die Klage auch dort erhoben werden kann, wo das „schädigende Ereignis … einzutreten droht“.277 Dies gilt auch bei der Gefahr der 267 268 269 270 271 272
273 274 275
276 277
BGHZ 184, 313 = NJW 2010, 1752 (Staudinger); dazu auch Schlüter AfP 2010, 340. BGH (29.3.11, VI ZR 111/10) MDR 2011, 812 (LS). Grothe FS v. Hoffmann, 2011, S 601, 613. LG Dortmund IPRax 2005, 542 (dazu Mäsch S 509). Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 159ff; Dehnert, S 162 ff, 178. EuGHE 1995, I-2719 (Marinari v Lloyds Bank) = JZ 1995, 1107 m Anm Geimer = EuZW 1995, 765 m Anm Holl; EuGHE 2004, I-6009 (Kronhofer v Maier) = IPRax 2005, 32 (dazu v. Hein S 17) = ZZPInt 9 (2004), 197 (Junker); (krit Mankowski RIW 2005, 561f); Blobel EuLF 2004, 190; Kreuzer/Wagner Q 175; Kiethe NJW 1994, 222; zur italien. Rspr s Davì IPRax 1999, 484. EuGHE 1990, I-49, 74 (Dumez France v Hessische Landesbank) = EuZW 1990, 34. OLG München EuZW 1994, 191 = NJW-RR 1994, 190. Vgl H. I. Maier, Marktortanknüpfung im internationalen Kartelldeliktsrecht, 2011, S 94ff, 123ff, 152ff; für Anknüpfung auch an den Ort der Vereinbarung und an den der konzertierten Aktion J. Basedow, in International Antitrust Litigation, 2012, S 31, 33ff. BGH RIW 1994, 591. Vgl Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 329.
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Erstbegehung.278 Ob es einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gibt, bestimmt freilich die anwendbare lex causae. 91
(Vorbeugende) Unterlassungsklagen privater Verbraucherverbände, zB auf Untersagung der Verwendung missbräuchlicher AGB-Klauseln fallen ebenfalls unter Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 2 EuGVO nF.279 Bejaht man mit der Verordnung („oder einzutreten droht“) die Zulässigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage, so muss auch eine negative Feststellungsklage zulässig sein.280
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Die Gefährdungshaftung wird von Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 2 EuGVO nF (in Parallele zu Erwägungsgrund 11 S. 3 Rom II-VO) mitumfasst.281
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Der Gerichtsstand kann von dem Verletzten, dessen Rechtsnachfolger oder vom Rückgriffsberechtigten, aber auch vom Verletzer geltend gemacht werden.282 Die positive Klage kann sich gegen jeden Schuldner eines deliktischen Anspruchs oder seinen Rechtsnachfolger richten.283 Das nationale Recht des angerufenen Gerichts entscheidet darüber, ob die Versicherung vor dem Gericht verklagt werden kann, vor dem die Klage gegen den Versicherten (Schädiger) anhängig ist.284 Ob ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gegeben ist, ist nach der „lex causae“, also primär mit Hilfe der Rom II-VO und nur außerhalb deren Anwendungsbereichs nach dem jeweiligen nationalen IPR zu ermitteln.
c) Gerichtsstand für Adhäsionsklagen (Art 5 Nr 4 aF bzw Art 7 Nr 3 nF) Schrifttum: P. Mankowski, Zivilverfahren vor Strafgerichten und die EuGVVO, Festgabe für R. Machacek u. F. Matscher, 2008, S 785; Schoibl, Adhäsionsverfahren und Europäisches Zivilverfahrensrecht, FS Sprung, 2001, S 321.
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Schadenersatz- oder Restitutionsklagen, die auf einer strafbaren Handlung aufbauen, können danach auch vor dem zuständigen Strafgericht eingeklagt werden, soweit dies nach seinem autonomen Recht285 über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden kann. Diese Zuständigkeit hat selbständige Bedeutung, 278 BGH NJW 2006, 689 (dazu H. Roth LMK 2006, 176147); Hye-Knudsen S 112f; Stein/ Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 135f. 279 EuGHE 2002, I-8111 (Verein für Konsumenteninformation v Henkel) = IPRax 2003, 341 (dazu Michailidou S 223) = ZZPInt 7 (2002), 277 (Stadler); BGHZ 182, 24, 27 (Rz 12) = NJW 2009, 3371; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 329; Schoibl JBl 2003, 149, 158f. 280 EuGH (25.10, 12, C-133/11, Folien Fischer) EuZW 2012, 493 (auf Vorlage des BGH ZIP 2011, 975 = MDR 2011, 445); Ten Wolde/Knot/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 3 Brüssel I-VO Rz 18; dazu P. Mankowski EWiR Art 5 EuGVVO 2/11, 253. 281 Kropholler/v. Hein Art 5 Rz 74; Kreuzer/Wagner Q 170. 282 Kropholler/v. Hein Art 5 Rz 93; Geimer/Schütze Art 5 Rz 178; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 116; K. Thoma, Der internationale Regress, 2007, S. 248 ff. 283 Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 93; MüKo/Gottwald, Art 5 EuGVO Rz 74; Fasching/Simotta § 92a JN Rz 30. 284 Geimer/Schütze I/1 619. 285 Vgl P. Mankowski, FS Machacek u Matscher, 2008, S 785, 789f.
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wenn sie nicht mit der nach Art 2 oder Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 4 oder Art 7 Nr 2 EuGVO nF zusammenfällt.286 Adhäsionsklagen sind im romanischen Rechtskreis weit verbreitet. In Deutschland kann der Verletzte oder sein Erbe seine Ansprüche im Strafverfahren vor dem Amtsgericht geltend machen (§§ 403ff StPO). Nach § 405 StPO kann das Gericht aber von einer Entscheidung absehen. In diese Regelung greift Art 5 Nr 4 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 3 EuGVO nF nicht ein. Besonders zu beachten ist Art 61 EuGVO/ LugÜ bzw Art 64 EuGVO nF, wonach eine Entscheidung, die über den Anspruch aus einem Rechtsverhältnis des Zivilrechts ergangen ist, in den anderen Mitgliedstaaten weder anerkannt noch vollstreckt zu werden braucht, wenn der Angeklagte der Anordnung, persönlich vor Gericht zu erscheinen, nicht gefolgt ist und sich nicht verteidigen konnte.287
d) Gerichtsstand der Herausgabe eines Kulturguts (Art 7 Nr 4 nF) Neu eingefügt wurde in die Neufassung der EuGVO von 2012 der Gerichts- 95 stand zur Wiedererlangung eines Kulturguts iS von Art 1 Nr 1 der Richtlinie 93/7/EWG v 15.3.1993.288 Ist ein Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht worden, so kann der Eigentümer eine Klage auf Rückgabe vor dem Gericht des Ortes erheben, an dem sich das Kulturgut zur Zeit der Anrufung des Gerichts befindet (s Erwägungsgrund 17 nF). Diese private Klage ist nach S 2 des Erwägungsgrundes 17 nF unabhängig von 96 dem in der Richtlinie 73/7/EWG vorgesehenen Rückgabeverfahren zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten und der in Art 5 der Richtlinie vorgesehenen Klage des um Rückgabe ersuchenden Staats auf Herausgabe gegen den „Eigentümer“ bzw „Besitzer“ des Kulturguts.289
e) Gerichtsstand der Niederlassung (Art 5 Nr 5 aF bzw Art 7 Nr 5 nF) Schrifttum: Ch. Albers, Die Begriffe der Niederlassung und der Hauptniederlassung im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht, 2009; Th. Müller-Froelich, Der Gerichtsstand der Niederlassungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2008.
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Aus dem Sinn von EuGVO bzw LugÜ ergibt sich, dass der Gerichtsstand der 98 Zweigniederlassung usw nur in Frage kommt, wenn Klagen gegen den Inhaber der Zweigniederlassung gerichtet sind. Er gilt also nicht für Aktivprozesse des
286 Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 182; krit Leipold, FS H. Stoll, 2001, S 625, 643; auch Schoibl FS Sprung, S 321, 324, 328. 287 Vgl EuGHE 2000, I-1935 (Krombach v Bamberski) = JZ 2000, 723 (v Bar); P. Mankowski FS Machacek u Matscher, 2008, S 785, 792ff; Kropholler/v. Hein Art 61 Rz 3; Geimer/Schütze, Bd I 1638; s u § 12 Rz 53. 288 ABl EG v 27.3.1993 Nr L 74/74; vgl A. Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S 273ff. 289 Vgl J. Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 1994, 111; A. Weidner (Fn 288), S 275f.
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Inhabers der Zweigniederlassung.290 Ausnahmen bestehen für Streitigkeiten aus Versicherungssachen, Art 9 II EuGVO/LugÜ bzw Art 11 II EuGVO nF. Bei dieser Vorschrift wird vorausgesetzt, dass die Person oder Gesellschaft, die hinter der Niederlassung steht, ihren Wohnsitz in einem Mitglied- bzw Vertragsstaat hat, aber in einem anderen Mitglied- bzw Vertragsstaat verklagt wird. Im Gegensatz zu § 21 ZPO ist der Kreis der Niederlassungen weit gezogen. Der Begriff der sonstigen Niederlassungen ist nicht auf kaufmännische Unternehmungen beschränkt, sondern erfasst auch die freien Berufe.291 99
Die Begriffe „Niederlassung, Zweigniederlassung, Agentur“ sind autonom auszulegen. Verlangt wird ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit, der auf eine gewisse Dauer als Außenstelle des Stammhauses auftritt und mit eigener Geschäftsführung befugt ist, Geschäfte mit Dritten zu betreiben.292 Die Zweigniederlassung einer ausländischen Bank iS des § 53 I 1 KWG erfüllt zweifellos diese Voraussetzungen. Eine „virtuelle“ Niederlassung durch Betreiben eines Servers im Gerichtsstaat genügt nicht.293
100 Die Klage muss sich auf eine Streitigkeit aus dem Betrieb der Niederlassung beziehen.294 Erfasst sind vertragliche und außervertragliche Ansprüche.295 Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Verpflichtung aus diesen Verträgen in dem Mitglied- bzw Vertragsstaat zu erfüllen ist, in dem sich die Zweigniederlassung befindet.296 Jedoch muss es sich um Streitigkeiten mit externen Kunden handeln. Der Streit um Zahlungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft am Ort der Niederlassung ist nicht erfasst.297 101 Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk sich die Niederlassung befindet. Der Gerichtsstand wird nicht nur durch die unselbständige Niederlassung oder Agentur eines ausländischen Unternehmens begründet, sondern nach dem Sinn des Art 5 Nr 5 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 5 EuGVO nF auch über eine 290 So zu Recht Geimer/Schütze I 543; Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 101; MüKo/ Gottwald, Art 5 EuGVO Rz 89; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 271; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 201. 291 Geimer WM 1976, 146; Fasching/Simotta § 87 JN Rz 54; Burgstaller Art 5 EuGVO Rz 67. 292 EuGHE 1978, 2183 (Somafer v Saar-Ferngas) = RIW/AWD 1979, 56; Geimer/Schütze/Auer, Art 5 EuGVÜ Rz 147, 151ff; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 192; Ten Wolde/Knot/Weller, unalex Kommentar Art 5 Nr 5 Brüssel I-VO Rz 6. 293 Pichler, Hdb. Multimediarecht, Kap 31 Rz 168. 294 BGHZ 188, 85 = NJW 2011, 2056 (nicht bei Ansprüchen nach der EU-FluggastrechteVO). 295 MüKo/Gottwald Art 5 EuGVO Rz 88; Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 110; Geimer/Schütze/Auer Art 5 EuGVÜ Rz 160; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 202. 296 EuGHE 1995, I-961 (Lloyd’s Register of Shipping v Campenon) = RIW 1995, 585 = EuZW 1995, 409; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 300; vgl Durbeck GmbH v Den Norske Bank ASA [2003] ILPr 27 (p 473). 297 Societe des Etablissements J. Verdier v da Silva, Cour de Cass. [2001] ILPr 34; Stein/ Jonas/Wagner Art 5 Rz 203.
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gleichnamige selbständige Gesellschaft mit identischer Geschäftsführung, die praktisch wie eine Außenstelle auftritt.298 Dies gilt auch, wenn es zwar an einer identischen Geschäftsführung fehlt, die selbständige Außenstelle aber sämtliche Geschäfte für die im anderen Vertragsstaat ansässige juristische Person abwickelt.299 Von diesen Ausnahmefällen abgesehen ist ein Tochterunternehmen aber nicht als Niederlassung zu behandeln.300 Eine bloße Kontakt- oder Anlaufadresse („c/o“) begründet keine Niederlassung, wenn dort keine Geschäftstätigkeit von gewisser Selbständigkeit stattfindet.301
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Nach EuGH302 liegen die Merkmale einer Zweigniederlassung oder Agentur 103 gem Art 5 Nr 5 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 5 EuGVO nF nicht vor, wenn ein Handelsvertreter selbständig und frei seine Tätigkeit entfaltet, der Unternehmer ihm die gleichzeitige Vertretung von konkurrierenden Unternehmen nicht untersagen kann und seine Tätigkeit auf die bloße Weiterleitung von Aufträgen an das Stammhaus beschränkt ist.303 Ein Agentur-Gerichtsstand wird daher nicht schon dadurch begründet werde, dass ein Handelsvertreter in Deutschland für eine ausländische Firma tätig wird.304 Alleinvertriebshändler, Handelsmakler und Tochtergesellschaften sind grds nicht als Zweigniederlassung anzusehen.305 Die juristische Selbständigkeit schließt freilich nicht aus, eine Firma als Zweigniederlassung anzusehen,306 wenn sie Dritten gegenüber als Niederlassung auftritt, also ein entsprechender Rechtsschein besteht.307 Hat ein Unternehmen lediglich eine Zweigniederlassung, nicht aber seinen 104 Hauptsitz in einem Mitglieds- bzw Vertragsstaat, so ist Art 5 Nr 5 EuGVO/ LugÜ bzw Art 7 Nr 5 EuGVO nF nach dem Eingangssatz von Art 5 EuGVO/ LugÜ bzw Art 7 EuGVO nF nicht anzuwenden.308 In Deutschland gilt dann § 21 ZPO. Allerdings ist dabei Art 60 EuGVO zu beachten. Danach ist Art 5 Nr 5 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 5 EuGVO nF anwendbar, wenn zwar der sat-
298 EuGHE 1987, 4905 (SAR Schotte v Parfums Rothschild) = NJW 1988, 625 = RIW 1988, 136 m Anm Geimer S 220; vgl Otto S 141ff. 299 OLG Düsseldorf RIW 1995, 769 = EWS 1995, 280; vgl E. Bruhns, Das Verfahrensrecht der internationalen Konzernhaftung, 2006. 300 Th. Müller-Froelich S 178ff. 301 LG Wuppertal NJW-RR 1994, 191. 302 EuGHE 1981, 819 (Blanckaert & Willems v Trost) = RIW 1981, 341 = IPRax 1982, 64. 303 Linke IPRax 1982, 46. 304 LG Frankfurt IPRax 1982, 250. 305 Kropholler/v. Hein Art 5 Rz 104ff.; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 199; Walter, IZPR der Schweiz, S 212. 306 OLG Düsseldorf RIW 1995, 769 u. RIW 1996, 681, 682. 307 EuGHE 1987, 4905 (SAR Schotte v Parfums Rothschild) = NJW 1988, 625; Fasching/ Simotta § 87 JN Rz 65; vgl Mankowski RIW 1996, 1001, 1004; Wagner, Scheinauslandsgesellschaften, S 223, 254ff; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 195f. 308 Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 100; Geimer/Schütze I, 541; Fasching/Simotta § 87 JN Rz 56; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 190.
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zungsmäßige Sitz in einem Drittstaat ist, das Unternehmen seine Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung aber in einem EU-Mitgliedstaat hat.309
f) Gerichtsstand für trust-Klagen (Art 5 Nr 6 aF bzw Art 7 Nr 6 nF) 105 Für Binnenstreitigkeiten zwischen Begründer, trustee und Begünstigten eines trusts (nach dem Recht von Großbritannien und Irland) kennt Art 5 Nr 6 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 6 EuGVO nF einen besonderen Gerichtsstand vor den Gerichten des Staats, in dessen Gebiet der trust seinen Sitz hat. Diese Sonderregelung erfolgte, weil der trust selbst nicht rechtsfähig ist und daher nicht nach Art 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 4 EuGVO nF verklagt werden kann und eine Zuständigkeit am Wohnsitz des trustee zu Schwierigkeiten bei dessen Wohnsitzwechsel führt.310 Die Zuständigkeit ist nicht ausschließlich. 106 Im Außenverhältnis tritt der trustee für den trust als gewöhnlicher Rechtsinhaber auf. Für Streitigkeiten des trustee mit Dritten gelten die allgemeinen Regeln, nicht Art 5 Nr 6 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 6 EuGVO nF.311
g) Gerichtsstand für Berge- und Hilfelohn (Art 5 Nr 7 aF bzw Art 7 Nr 7 nF) 107 Nach Art 7 Brüsseler Übereinkommen über den Arrest in Seeschiffe v 10.5.1912 kann wegen Seeforderungen aus Hilfeleistung oder Bergung in dem Staat prozessiert werden, in dem das Schiff mit Arrest belegt worden ist. Diese Regelung hat nach Art 67 EuGVO/LugÜ Vorrang vor dem europäischen Zuständigkeitsrecht. 108 Art 5 Nr 7 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 7 EuGVO nF ergänzen das Brüsseler Übereinkommen von 1952 durch einen Gerichtsstand am Ort, an dem die Ladung des Schiffes oder Frachtforderungen mit Arrest belegt worden sind oder dafür Bürgschaft oder Sicherheitsleistung erbracht worden sind. Inhabern von Seeforderungen soll also ein vorrangiger Zugriff auf diese wirtschaftlichen Werte gesichert werden, wenn der Wert des Schiffes nicht mehr ausreicht oder das Schiff selbst nicht gerettet werden konnte. 109 Art 5 Nr 7 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 7 EuGVO nF gelten nur für Schiffsgläubiger, die ein Haftungsvorrecht an Ladung und Frachtansprüchen haben, nicht für Streitigkeiten aus einem Bergungs- oder Hilfeleistungsvertrag; insoweit gilt Art 5 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 1 EuGVO nF.312
309 Müller-Froelich S 115. 310 Vgl Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 114, 119; Stein/Jonas/Wagner Art 5 EuGVO Rz 205ff; A. Conrad, Qualifikationsfragen des Trust im Europäischen Zivilprozessrecht, 2001. 311 Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 117; Magnus/Mankowski Art 5 Rz 304f; Rauscher/Leible Art 5 Rz 111, 113; für Aktivklagen Dritter gegen trust-Beteiligte Hess, EuZPR § 6 Rz 80. 312 Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 125; Geimer/Schütze Art 5 Rz 274.
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Der Gerichtsstand ist nach seinem Sinn nur für Klagen gegen den Schuldner 110 des Berge- und Hilfelohns eröffnet, nicht für Klagen des Schiffseigners gegen den Berger.313
h) Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (Art 6 Nr 1 aF bzw Art 8 Nr 1 nF) Schrifttum: Albicker, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, 1996; Auer, Die internationale Zuständigkeit des Sachzusammenhangs im erweiterten EuGVÜ-System, 1996; Banniza v. Bazan, Der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, 1995; Brandes, Der gemeinsame Gerichtsstand, 1998; J. Bukow, Verletzungsklagen aus gewerblichen Schutzrechten, 2003, S 135ff; Coester-Waltjen, Konnexität und Rechtsmissbrauch – zu Art 6 Nr 1 EuGVVO, FS Kropholler, 2008, S 747; Geier, Die Streitgenossenschaft im internationalen Verhältnis, 2005; Geimer, Fora connexitatis, WM 1979, 350; Geimer, Forum Codefensoris, FS Kropholler, 2008, S 777; H. Grothe, Die Streitgenossenzuständigkeit gem Art 6 Nr 1 EuGVO und das Schicksal der Wohnsitzklage, FS Kerameus, Athen 2009, S 469; Knöfel, Gerichtsstand der prozessübergreifenden Streitgenossenschaft gem Art 6 Nr 1 EuGVVO?, IPRax 2006, 503; U. Köckert, Die Beteiligung Dritter im internationalen Zivilverfahrensrecht, 2010, S 95; P. Mankowski, Der europäische Gerichtsstand der Streitgenossenschaft aus Art 6 Nr 1 EuGVVO bei Schadenersatzklagen bei Kartelldelikten, WuW 2012, 947; Otte, Umfassende Entscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen, 1998, S 649ff; H. Roth, Das Konnexitätserfordernis im Mehrparteiengerichtsstand des Art 6 Nr 1 EuGVO, FS Kropholler, 2008, S 885; Schurig, Der Konnexitätsgerichtsstand nach Art 6 Nr 1 EuGVVO, FS Musielak, 2004, S 493; W. Winter, Ineinandergreifen von EuGVVO und nationalem Zivilverfahrensrecht am Beispiel des Gerichtsstands des Sachzusammenhangs, Art 6 EuGVVO, 2007.
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Die Regel betrifft den Fall, dass mehrere Beklagte in verschiedenen Mitglied- 112 bzw Vertragsstaaten wohnen. Dann kann der Kläger alle vor einem Gericht verklagen, in dessen Bezirk einer von ihnen bei Prozesseinleitung seinen Wohnsitz (Sitz) hat. Die Zustellung an den die Zuständigkeit auslösenden Beklagten muss nicht vor der an die anderen Beklagten erfolgen.314 Ähnliche Regeln finden sich in vielen Staaten,315 ua in England (CPR r. 6.20 [3]) und in Österreich (§ 93 I JN). Das autonome deutsche Recht kennt dagegen keine allgemeine internationale Zuständigkeit gegenüber (notwendigen) Streitgenossen. Die §§ 59, 60 ZPO regeln nur die Zulässigkeit der subjektiven Klagehäufung, begründen aber keine selbständige Zuständigkeit. Eine gemeinsame Zuständigkeit kann aber im Rahmen des § 36 Nr 3 ZPO durch gerichtliche Bestimmung herbeigeführt werden. Der Text von Art 6 Nr 1 EuGVÜ/LugÜ enthielt unmittelbar keine Mindest- 113 anforderungen an die passive Streitgenossenschaft. Der EuGH hat aber 1988 in der Sache Kalfelis/Schröder zu Recht entschieden, dass zwischen den Klagen „ein Zusammenhang bestehen [muss], der eine gemeinsame Entscheidung geboten erscheinen lässt, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren wider-
313 Geimer/Schütze Art 5 Rz 275; Rauscher/Leible Art 5 Rz 116; Schlosser Art 5 EuGVVO Rz 27; aA Kropholler/v. Hein, Art 5 EuGVO Rz 126. 314 314 Canada Trust Co. v StolzenbergILPr 631 (H.L.). 315 Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 665ff.
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sprechende Entscheidungen ergehen“,316 also das Konnexitätskriterium des Art 22 III EuGVÜ (jetzt Art 28 III EuGVO bzw Art 30 III EuGVO nF) auf Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 1 EuGVO nF übertragen.317 Im Fall einer negativen Feststellungsklage besteht ein solcher Zusammenhang mit einer Klage gegen einen weiteren Beklagten nur, wenn dieser bereits Ansprüche gegen den Kläger geltend macht.318 Für die einfache Streitgenossenschaft ist zusätzlich erforderlich, dass gleichartige Pflichtverletzungen vorliegen.319 Bei einer Schadenersatzklage gegen die Teilnehmer an einer unzulässigen Kartellabsprache ist dies sicherlich der Fall.320 Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 1 EuGVO nF greift auch dann, wenn gegen die im Forumstaat wohnhafte Partei ein Klageverfahren wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht durchgeführt werden kann,321 oder wenn die Klage gegen den sog Ankerbeklagten unbegründet ist oder nachträglich zurückgenommen wird.322 Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ begründet die Zuständigkeit auch dann, wenn die Haftung gegen die Beklagten auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird.323 Werden gegen den Täter Ansprüche wegen einer Untreue geltend gemacht, so können in diesem Gerichtsstand auch Ansprüche gegen den ausländischen Gehilfen eingeklagt werden.324 114 Ein Berufssportler kann nach Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 1 EuGVO nF Schadenersatz wegen einer ungerechtfertigten Sperre sowohl gegen den internationalen Verband, der die Sperre ausgesprochen hat, als gegen den nationalen Verband, der sie umgesetzt hat, im gleichen Gerichtsstand einklagen.325 115 Bei der Verletzung nationaler gewerblicher Schutzrechte durch gleichartige Verletzungshandlungen mehrerer Verletzer in den Mitgliedstaaten ergibt Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 1 EuGVO nF keine Zuständigkeit für eine Bündelung aller Verletzungsklagen am Sitz eines Verletzers.326 Dies gilt bei 316 EuGHE 1988, 5565 (Kalfelis v Schröder) = NJW 1988, 3088 (Geimer) = IPRax 1989, 288 (dazu Gottwald S 272) = RIW 1988, 987 (Schlosser); vgl Cour de Cass (27.6.2000), EuLF 2000/01, 363 (v. Hein) (keine Konnexität zwischen Hauptforderung und Garantie im Rückforderungsprozess). 317 Vgl Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 706ff; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 23ff; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 24. 318 So Lord Woolf, M.R., in Messier-Dowty Ltd v Sabena SAILPr 38, 50ff (Rz 43ff, 50). 319 ILPr 405; aAWalter, IZPR der Schweiz, S 215 f (alle Fälle der einfachen Streitgenossenschaft). 320 Vgl Mankowski WuW 2012, 947; M. Wilderspin, Jurisdiction Issues: Brussels I Regulation Articles 6 (1), 23, 27 and 28, in Antitrust Litigation, Basedow/Franq/Idot, International Antitrust Litigation, 2012, S 41, 46ff. 321 EuGHE 2006, I-6827 (Reisch AG v Kiesel GmbH) = RIW 2006, 683 (Rz 26ff, 31) = NJW-RR 2006, 1568 = ZZPInt 11 (2006), 176 (Würdinger); dazu auch Althammer IPRax 2006, 558; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 38. 322 Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 40; Müko/Gottwald Art 6 EuGVO Rz 6. 323 EuGHE 2007, I-8319 (Freeport v Arnoldsson) = NJW 2007, 3702 (Sujecki) = RIW 2008, 67 (Würdinger) = IPRax 2008, 253 (dazu Althammer, S 228); in Abgrenzung zu EuGHE 1998, I-6511 (Réunion européenne) = IPRax 2000, 210, 214 (Rz 50) (dazu Koch S 186). 324 BGH IPRax 2010, 533 (dazu S. Mock S 510). 325 Grothe FS v. Hoffmann, 2011, S 601, 614. 326 Bukow S 135ff, 167; 202.
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Verletzungen paralleler Schutzrechte im Rahmen eines europäischen Patents selbst dann, wenn die Verletzer zu einem Konzern gehören und die Handlungen auf einer gemeinsamen Geschäftspolitik beruhen, die eine Gesellschaft ausgearbeitet hat.327 Wird ein europäisches Patent jedoch durch die Vornahme vorbehaltener Handlungen in Bezug auf dasselbe Erzeugnis von Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten verletzt, so soll die Regel grds anwendbar sein.328 Bei der inhaltlich identischen Verletzung von Urheberrechten soll Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 1 EuGVO nF dagegen eingreifen, obgleich dabei auf die Verletzung in jedem Mitgliedstaat unterschiedliche nationale Rechtsgrundlagen anzuwenden sind; insoweit soll genügen, dass bei getrennten Verfahren die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen besteht.329 Bei der Verletzung einer Gemeinschaftsmarke durch Beklagte mit Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten ist Art 6 Nr 1 EuGVO (bzw Art 8 EuGVO nF) ohne Weiteres anwendbar.330 Zwar darf Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 1 EuGVO nF nicht zu ei- 116 ner Zuständigkeitserschleichung missbraucht werden. Die Einschränkung der Nr 2, dass die Klage nicht erhoben sein darf, um einen weiteren Beklagten der Gerichtsbarkeit seines Wohnsitzstaats zu entziehen, ist jedoch im Rahmen von Nr 1 nicht zu prüfen. Nach Ansicht des EuGH genügt das Erfordernis des Sachzusammenhangs bereits voll, um einen Mißbrauch zu verhindern.331 Die Neufassung von Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr EuGVO nF nimmt die Formel der EuGH-Entscheidung direkt in ihren Wortlaut auf. Die Bestimmung ist damit ausdrücklich als forum connexitatis ausgestaltet.
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Auch in der Neufassung ist der Gerichtsstand nur eröffnet, wenn ein Beklagter 118 an seinem Wohnsitz verklagt wird. Soll er an einem anderen vereinbarten Gerichtsstand verklagt werden, so können die anderen (durch keine entsprechende Vereinbarung gebundenen) Beklagten nicht in diesen Prozess hineingezogen werden.332 Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 1 EuGVO nF setzen an sich voraus, 119 dass alle Beklagten ihren Wohnsitz in einem Mitglieds- bzw Vertragsstaat ha327 EuGHE 2006, I-6535 (Roche Nederland BV v Primus u. Goldenberg) = RIW 2006, 685 (Rz 27ff, 33ff) = EuZW 2006, 573; Rauscher/Leible Art 6 Rz 8b; Stein/Jonas/ Wagner Art 6 EuGVO Rz 30f, 37 (für Anwendung dieser Rspr auch auf Klagen wegen Wettbewerbsverletzung oder Produkthaftung); krit Adolphsen ZZPInt 11 (2006), 137, 158; vgl Bukow S 167ff, 179; Grabinski GURInt 2001, 199, 206f. 328 EuGH (12.7.12, C-616/10, Solvay v Honeywell) RIW 2012, 627 (Tz 30); dazu H. Schacht GRUR 2012, 1110. 329 EuGH (1.12.11, C-145/10, Painer v Standard Verlags GmbH) RIW 2012, 55 (Tz 80 ff); krit. N. Lund RIW 2012, 377. 330 Rauscher/Leible Art 6 Rz 8d; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 33. 331 EuGHE 2007, I-8319 (Freeport) (Tz 51 ff.) = NJW 2007, 3702, 3705 = RIW 2008, 67 (Würdinger); krit Mäsch IPRax 2006, 509, 514; Kropholler/v. Hein Art 6 EuGVO Rz 15; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 43. 332 So Geimer/Schütze/Auer Art 6 Rz 7, 22f; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 36; Rauscher/Leible Art 6 Rz 6.
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ben. Doch ist die Regel auch gegenüber Beklagten mit Wohnsitz in einem Drittstaat analog anzuwenden.333
i) Gerichtsstand der Gewährleistungs- oder Interventionsklage (Art 6 Nr 2 aF bzw Art 8 Nr 2 nF) Schrifttum: U. Köckert, Die Beteiligung Dritter im internationalen Zivilverfahrensrecht, 2010, S 69; U. v. Paris, Die Streitverkündung im europäischen Interventionsrecht, 2011; K. Thoma, Der internationale Regress, 2007, S 281.
120 Art 6 Nr 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 2 EuGVO nF sieht (nach dem Vorbild der romanischen Prozessordnungen)334 den besonderen Gerichtsstand der Gewährleistungs- oder Interventionsklage vor. Um eine einheitliche Entscheidung zu erreichen, kann danach einem Regresspflichtigen nicht nur wie in Deutschland der Streit verkündet werden (§ 71 ZPO), sondern er kann direkt am Gerichtsstand des Hauptprozesses verklagt werden,335 es sei denn die Hauptklage wäre nur erhoben, um den Regresspflichtigen seinem sonst zuständigen Gericht zu entziehen.336 121 Diese Zuständigkeit gilt weder in Deutschland, Österreich und Ungarn, wohl aber seit dem Inkrafttreten der schweiz. Zivilprozessordnung von 2008 in der Schweiz (Art 16 Schweiz. ZPO).337 Ein entsprechender Vorbehalt findet sich in Art 65 I EuGVO (aF und nF) sowie Art II (1) Protokoll Nr 1 zum LugÜ. Der Vorbehalt gilt jedoch nicht, soweit Personen, die in diesen Staaten wohnen, vor Gerichten anderer Mitglied- bzw Vertragsstaaten verklagt werden.338 Deutsche können also auf der Grundlage von Art 6 Nr 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 2 EuGVO nF vor den Gerichten der anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaaten ohne Weiteres verklagt werden339 (selbst eine Zuständigkeit nach autonomem Recht bei einem Hauptprozess gegen einen Drittstaatsangehörigen soll genügen),340 dürfen aber selbst in Deutschland keine Regressklage auf dieser Grundlage erheben, so dass der Ausschluss sich eher nachteilig auswirkt.341 122 Grundlage für eine Zuständigkeit gegenüber dem deutschen Dritten kann jede Zuständigkeit für den Hauptprozess, insb gem Art 2 oder Art 5 Nr 1 EuGVO/
333 OLG Stuttgart NJW 2013, 83, 84; Kropholler/v. Hein Art 6 Rz 7; Geimer/Schütze Art 6 Rz 23; Rauscher IPR, Rz 1799; MüKo/Gottwald, Art 6 EuGVO Rz 4; Rauscher/Leible Art 6 Rz 7; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 21. 334 In Frankreich: Art 331–338 CPC; in Italien: Art 32, 106, 269 cpc. 335 M. Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, 1994, S 116ff. 336 Vgl EuGHE 2005, I-4509 (GIE Réunion européenne) = IPRax 2005, 535, 536 (Rz 25ff) (dazu Rüfner S 50); U. Köckert S 81ff. 337 Vgl Sutter-Somm/Hedinger, in Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO-Kommentar, 2. Aufl 2013, Art 16 Rz 1ff. 338 Geimer/Schütze I 390. 339 Kropholler/v. Hein Art 6 EuGVO Rz 20. 340 Wieczorek/Schütze/Hausmann Art 6 EuGVO Rz 21. 341 Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 729f; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 66.
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LugÜ bzw Art 4 oder Art 7 Nr 1 EuGVO nF sein.342 Anders als bei einem third party complaint nach US-amerikanischem Recht müssen die allgemeinen Zuständigkeitsregeln gegenüber dem Drittbeteiligten nicht erfüllt sein. Der Antrag darf nicht abgelehnt werden, weil der Dritte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat als dem des Hauptprozesses hat.343 Im Übrigen kann der Antrag auf Zulassung einer Gewährleistungsklage aber nach dem nationalen Prozessrecht abgelehnt werden. Der Hauptbeklagte kann im Gerichtsstand von Art 6 Nr 2 EuGVO/LugÜ bzw 123 Art 8 Nr 2 EuGVO nF nur Regressansprüche, nicht aber eigene Schadenersatzansprüche gegen Dritte geltend machen, selbst wenn sie auf demselben Lebenssachverhalt (zB Unfall) beruhen.344 Der Dritte soll im gleichen Prozess zwar Regress gegen einen Vierten erheben,345 nicht aber Gegenangriffe gegen den Beklagten verfolgen können.346 Aber diese Beschränkung erscheint nicht zutreffend. Da der Dritte eine volle Beklagtenstellung einnimmt, muss er auch Widerklage gegen den (Haupt-)Beklagten gem Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 3 EuGVO nF erheben können. Art 6 Nr 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 2 EuGVO nF begründet keine aus- 124 schließliche Zuständigkeit. Die Gerichtspflichtigkeit aufgrund dieser Norm entfällt daher, wenn zwischen der regressbegehrenden Hauptpartei und dem Dritten eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung besteht. Eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung schließt den Gerichtsstand des Art 6 Nr 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 2 EuGVO nF auch ohne ausdrückliche Erwähnung sinngemäß aus.347
j) Gerichtsstand der Widerklage (Art 6 Nr 3 aF bzw Art 8 Nr 3 nF) Nach Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 3 EuGVO nF ist der Gerichts- 125 stand der Widerklage bei dem Gericht gegeben, bei dem die Klage anhängig ist, sofern die Widerklage auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage gestützt wird.348 Ein bloßer Sachzusammenhang genügt nicht. Erst recht wird die notwendige Konnexität nicht durch eine Prozessaufrechnung mit einer inkonnexen Forderung begründet.349 Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 3
342 EuGHE 1990, I-1845 (Kongress Agentur Hagen v Zeehaghe) = IPRax 1992, 310; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 50; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 53; K. Thoma, Der internationale Regress, 2007, S 285ff; U. Köckert S 77. 343 EuGHE 1990, I-1845 (Kongress-Agentur Hagen v Zeehage) = NJW 1991, 2621 = IPRax 1992, 310 (dazu Coester-Waltjen S 290). 344 Wieczorek/Schütze/Hausmann Art 6 EuGVO Rz 22. 345 Geimer/Schütze, EuZVR, Art 6 Rz 34. 346 Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 730. 347 Vgl Geimer/Schütze Art 6 Rz 45; Wieczorek/Schütze/Hausmann Art 6 Rz 27f; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 53; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 61. 348 Vgl Rosenberg/Schwab/Gottwald § 96 Rz 17f; Kropholler/v. Hein Art 6 EuGVO Rz 38; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 59f. 349 Österr.OGH IPRax 2008, 548 (dazu Oberhammer/Slonina, S 555).
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
EuGVO nF ist analog anzuwenden, wenn der Kläger und Widerbeklagte seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat.350 Inkonnexe Widerklagen sind freilich zulässig, soweit sich eine Zuständigkeit aus anderen Gründen ergibt.351 Für die Widerklage gegen Dritte und die Wider-Widerklage gilt Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 3 EuGVO nF nicht.352 126 Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ bzw Art 8 Nr 3 EuGVO nF bezieht sich nur auf Widerklagen. Er regelt nicht die Voraussetzungen der Prozessaufrechnung; diese bestimmen sich nach nationalen Regeln über Verteidigungsmittel.353 Der BGH ging insoweit in ständiger Rspr. davon aus, dass über eine Aufrechnungsforderung nur entschieden werden darf, wenn das Gericht für diese Forderung international zuständig ist,354 hat sich nunmehr aber für konnexe Forderungen davon distanziert.355 Da aber für die Aufrechnung als Verteidigungsmittel keine Zuständigkeitsvoraussetzungen bestehen, dürfte es eher zutreffen, dass in europäischen Fällen kein Zuständigkeitserfordernis besteht.356
k) Dinglicher Gerichtsstand für Vertragsklagen kraft Sachzusammenhangs (Art 6 Nr 4 aF bzw Art 8 Nr 4 nF) 127 Das ursprüngliche EuGVÜ sah keine Möglichkeit vor, dingliche und vertragliche Ansprüche vor einem Gericht geltend zu machen. Diese Lücke wurde mit der Einfügung von Art 6 Nr 4 EuGVÜ durch das 3. Beitrittsübereinkommen von 1989 geschlossen. EuGVO, LugÜ und EuGVO nF haben den Gerichtsstand unverändert übernommen. Danach können (ähnlich wie gem § 25 ZPO) im dinglichen Gerichtsstand des Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF neben dinglichen Ansprüchen auch konkurrierende vertragliche Ansprüche geltend gemacht werden. Der Gerichtsstand ist nur fakultativ, so dass die vertraglichen Ansprüche auch in den Gerichtsständen nach Art 2 oder 5 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 4 oder Art 7 Nr 1 EuGVO nF eingeklagt werden können.
350 Geimer/Schütze I 211; Kropholler/v. Hein Art 6 EuGVO Rz 37; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 71; aA BGH NJW 1981, 2644 = RIW 1981, 703. 351 Dänischer Højesteret [2002] ILPr 53. 352 MüKo/Gottwald Art 6 EuGVO Rz 24; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 86. 353 EuGHE 1995, I-2053 (Rz 18) (Danvaern Production v Schuhfabriken Otterbeck) = EuZW 1995, 639 m Anm Geimer = IPRax 1997, 114 (dazu Philip S 97); vgl H. Roth RIW 1999, 819, 823; Kannengiesser S 145ff; Badelt, Aufrechnung und internationale Zuständigkeit, 2005; Bork, FS Beys, 2003, S 119. 354 BGH NJW 1993, 2753 = ZZP 107 (1994), 211 (Leipold); OLG Celle IPRax 1999, 456, 457 (dazu Gebauer S 432); LG München I IPRax 1996, 31, 32/33; Wagner IPRax 1999, 65, 72ff; krit. Kropholler/v. Hein Art 6 Rz 42ff; aA LG Berlin IPRax 1998, 97 (dazu Gebauer S 79); s u Rz 203. 355 BGHZ 149, 120, 127 = JZ 2002, 605 (Hess/Müller). 356 Busse MDR 2001, 729, 731; MüKo/Gottwald, Art 23 EuGVO Rz 88 ff; Geimer/ Schütze Art 6 Rz 76ff; Rauscher/Leible Art 6 Brüssel I-VO Rz 32; Coester-Waltjen, FS Lüke, S 35, 46ff; Kropholler/v. Hein Art 6 EuGVO Rz 45; Rauscher IPR, Rz 1818; Stein/Jonas/Wagner Art 6 EuGVO Rz 88ff, 94.
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Die Verbindung der vertraglichen mit den dinglichen Ansprüchen setzt voraus, 128 (1) dass sie sich gegen denselben Beklagten richten und (2) dass die Klagen verbunden werden können. Es muss daher ein enger Sachzusammenhang bestehen, dessen konkrete Ausformung sich nach dem Prozessrecht am Ort des dinglichen Gerichtsstands, in Deutschland nach § 25 ZPO, richtet.357 Der häufigste Fall betrifft die Verbindung von Darlehensklage oder Leibrentenklage mit der Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück aus Hypothek, Grundschuld oder Reallast.
l) Haftungsbeschränkung des Schiffseigentümers (Art 7 aF bzw Art 9 nF) Art 7 EuGVO/LugÜ bzw Art 9 EuGVO nF eröffnet eine Zuständigkeit kraft 129 Sachzusammenhangs für die selbständige Klage, mit der ein Schiffseigentümer seine Haftung gegenüber Anspruchsprätendenten (etwa geschädigten Ladungseigentümern) beschränken will. Ohne diese Regelung könnte der Schiffseigentümer diese Feststellungsklage idR nur in Gerichtsständen nach Art 2 und 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 4 und 8 Nr 1 EuGVO nF erheben. Umgekehrt können die Geschädigten den Schiffseigentümer aber an seinem Wohnsitz am Deliktsort oder in einem vereinbarten Forum verklagen. Art 7 EuGVO/LugÜ bzw Art 9 EuGVO nF gibt dem Schiffseigentümer die Möglichkeit, seine Klage auf Haftungsbegrenzung (gem dem Londoner Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen v 19.11.1976)358 vor jedem Gericht geltend zu machen, vor dem er wegen der Haftpflicht verklagt werden kann. Dieser Gerichtsstand ist nicht ausschließlich, kann also durch Vereinbarung gem Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF derogiert werden.359
10. Die Zuständigkeiten in Versicherungssachen Schrifttum: Fricke, Internationale Zuständigkeit und Anerkennungszuständigkeit in Versicherungssachen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch (§ 3), 2. Aufl 2009, S 120ff sowie in VersR 1997, 399; Geimer, Die Sonderrolle der Versicherungssachen im Brüssel I-System, FS Heldrich, 2005, S 627; Heiss, Gerichtsstandsfragen in Versicherungssachen nach europäischem Recht, ZSR Beiheft 34 (2000), 105; Heiss, Die Direktklage vor dem EuGH, VersR 2007, 327; Heiss, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, in Halm/Engelbrecht/Krahe, Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht, 3. Aufl 2008, Kap 7, S 429; D. Herrmann, Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers bei einer Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer?, VersR 2007, 1470; T. Hub, Internationale Zuständigkeit in Versicherungssachen nach der VO 44/01/EG (EuGVVO), 2005; E. Jayme, Der Klägergerichtsstand für Direktklagen am Wohnsitz des Geschädigten (Art 11 Abs. 2 i.V.m. Art 9 EuGVO): Ein Danaergeschenk des EuGH für die Opfer von Verkehrsunfällen, FS v. Hoffmann, 2011, S 656; Looschelders, Der Klägergerichtsstand am Wohnsitz des Versicherungsnehmers, IPRax 1998, 86; O. Riedmeyer, Internationale Zuständigkeit bei Schadenersatzklagen nach Verkehrsunfällen im Ausland, FS G. Müller, 2009, S 473; H. Roth, Argumente und Prinzipien im Recht der internationalen Zuständigkeit von Direktklagen gegen den Versicherer nach Art 11 Abs. 2 EuGVVO und Art 10 Abs. 2 LugÜ, GS Konuralp, Bd. 1, 2009, S 869; A. Staudin357 Kropholler/v. Hein Art 6 EuGVO Rz 51; Corneloup/Althammer, unalex Kommentar Art 6 Brüssel I-VO Rz 69; Rauscher/Leible Art 6 Brüssel I-VO Rz 36. 358 BGBl 1986 II, 786. 359 Kropholler/v. Hein Art 7 EuGVO Rz 5; MüKo/Gottwald, Art 7 EuGVO Rz 1.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
ger/P. Czaplinski, Verkehrsopferschutz im Lichte der Rom I-, Rom II- sowie Brüssel I-Verordnung, NJW 2009, 2249; M. Wandt/J. Gal, Gerichtsstandsvereinbarungen in Versicherungssachen im Anwendungsbereich des § 215 VVG, GS M. Wolf, 2011, S 579.
131 Die Art 8 bis 14 EuGVO/LugÜ (bzw Art 10 bis 16 EuGVO nF) regeln die Zuständigkeit für Versicherungssachen abschließend. Sinn der Regelung ist der Schutz der schwächeren Vertragspartei, also des privaten Versicherungsnehmers. Nach den Grundsätzen von Art 1 II lit c sind von dieser Regelung ausgenommen die öffentlich-rechtlich ausgestalteten Versicherungsverhältnisse sowie die Sozialversicherung.360 Es sind nur private Versicherungen betroffen. Nicht erfasst sind auch Rückversicherungen361 und der Rückgriff des Versicherers gegen den Schädiger362 oder dessen Versicherer,363 ferner nicht der Anspruch einer Sozialhilfeinstitution gegen den Versicherer aus übergegangenem Recht.364
a) Klagen gegen den Versicherer 132 Nach Art 9 und 10 EuGVO/LugÜ (bzw Art 11 u 12 EuGVO nF) können Versicherer, die ihren Wohnsitz in dem Gebiet eines Mitglieds- bzw Vertragsstaats haben, verklagt werden365 vor: 1. dem für ihren Wohnsitz oder der tätig gewordenen Zweigniederlassung zuständigen Gericht; 2. dem für den Wohnsitz des Versicherungsnehmers, Versicherten oder Begünstigten366 zuständigen Gericht; 3. falls es sich um einen Mitversicherer handelt, vor dem für den federführenden Versicherer geltenden Gerichtsstand;367 4. Hat der Versicherer keinen Wohnsitz in dem Gebiet der Mitglied- bzw Vertragsstaaten, so wird fingiert, als hätte er einen solchen, falls er in dem Gebiet eines Vertragsstaats eine Zweigniederlassung, eine Agentur oder sonstige Niederlassung hat (Art 9 II EuGVO/LugÜ bzw Art 11 II EuGVO nF). In solchen Fällen muss es sich um Streitigkeiten aus dem Betriebe der Zweigniederlassung usw handeln.368
360 Kreuzer/Wagner Q 203; Stein/Jonas/Wagner Art 8 EuGVO Rz 13; Hub S 59ff. 361 EuGHE 2000, I-5925 (Rz 65ff) (Group Josi Reinsurance) = NJW 2000, 3121 = RIW 2000, 787, 789 = ZZPInt 6 (2001), 187 (Geimer); vgl Staudinger IPRax 2000, 483; Koch NVersZ 2001, 66; Hub S 63ff; Geimer/Schütze/Auer Art 7 Rz 16. 362 Vgl Geimer/Schütze/Auer Art 7 Rz 20; Stein/Jonas/Wagner Art 8 EuGVO Rz 15; im Einzelnen Geimer/Schütze I 401. 363 EuGHE 2005, I-4509 (GIE Réunion européenne) = IPRax 2005, 535 (dazu Rüfner S 500); LG Bremen VersR 2001, 782 = JuS 2001, 1026 (Hohloch). 364 EuGHE 2009, I-8661 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse v WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherung) = IPRax 2011, 255 (dazu Staudinger S 229). 365 Vgl Hub S 72ff. 366 Zur Auslegung dieser Begriffe s Rauscher/Staudinger Art 9 Brüssel I-VO Rz 5. 367 Stein/Jonas/Wagner Art 8 EuGVO Rz 9f; vgl Hub S 97ff. 368 Vgl Mayr, unalex Kommentar Art 9 Brüssel I-VO Rz 7; Rauscher IPR, Rz 1942f; Stein/Jonas/Wagner Art 9 EuGVO Rz 14ff; Hub S 36ff.
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5. Handelt es sich um eine Haftpflichtversicherung oder um eine solche für unbewegliche Sachen, so kann der Versicherer auch vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden (Art 10 EuGVO/LugÜ bzw Art 12 EuGVO nF).369 Diese Regelung gilt für Klagen aus Individualverträgen und aus Gruppenverträgen.370 Bei diesen Klagen gegen den Versicherer wird vorausgesetzt, dass es sich um 133 einen auslandsbezogenen Fall handelt. In den Fällen von Art 9 I (a) EuGVO/ LugÜ ist nur die internationale, nicht auch – wie in den übrigen Fällen – die örtliche Zuständigkeit festgelegt. Ist auf diese Weise die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben, so ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus den §§ 12 ZPO, 215 VVG, 109 VAG.371 Für Versicherungsverträge mit Lloyd’s, die nicht über eine inländische Nieder- 134 lassung geschlossen wurden, ist die Prozessführungsbefugnis des bevollmächtigten Unterzeichners des Versicherungsscheins nach § 216 VVG zu beachten, mit der Klagen gegen alle Einzelversicherer vermieden werden.372 Die im Reformvorschlag der Kommission vorgesehene Erweiterung dieser Regeln auf alle Versicherer mit Sitz in Drittstaaten ist bei der Neufassung der EuGVO entsprechend dem Kompromißvorschlag des Rates v 1.6.2012 nicht umgesetzt werden. Soweit das anwendbare Recht eine Direktklage (genauer einen Direktan- 135 spruch) des Geschädigten gegen den Versicherer vorsieht, sind hierfür ebenfalls die Gerichtsstände der Art 9, 10 EuGVO/LugÜ eröffnet (Art 11 II EuGVO/ LugÜ bzw Art 13 II EuGVO nF).373 Dieser Gerichtsstand steht auch juristischen Personen als Geschädigten (Leasinggebern, Vermietern, Sicherungseigentümern) offen.374 Der Geschädigte kann daher den Versicherer (vertreten durch den inländischen Schadenregulierungsbeauftragten, § 7b VAG) an seinem eigenen Wohnsitz verklagen,375 nicht aber den Schädiger per-
369 370 371 372
Vgl Hub S 106ff; Rauscher/Staudinger Art 10 Brüssel I-VO Rz 2. Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 330; Geimer/Schütze Art 9 Rz 7. So Geimer/Schütze/Auer, Art 8 Rz 5; Bericht zu dem EG-Übereinkommen, Art 8. Vgl Stein/Jonas/Wagner Art 9 EuGVO Rz 13; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl 2010, § 216 Rz 1ff. 373 Vgl J. Bauerreiss, Das französische Rechtsinstitut der action directe, 2001; Kropholler/v. Hein Art 11 Rz 4; Rauscher/Staudinger Art 11 Brüssel I-VO Rz 5f; Hub S 194ff. 374 Magnus/Mankowski/Heiss Art 11 Rz 7; Mayr, unalex Kommentar Art 11 Brüssel I-VO Rz 5; MüKoZPO/Gottwald Art 11 EuGVO Rz 2; Rauscher/Staudinger Art 11 Brüssel I-VO Rz 6b. 375 EuGHE 2007, I-11321 (FBTO Schadeverzekeringen v. Odenbreit) = RIW 2008, 72 = NJW 2008, 819 (Leible); dazu Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 2249, 2251; BGHZ 176, 276 = RIW 2008, 635 = NJW 2008, 2343; The Mayor’s and the City of London Court, [2010] I.L.Pr. 4, 69; D. Herrmann VersR 2007, 1470; Art 11 Rz 11; Stein/Jonas/Wagner Art 11 EuGVO Rz 11; aA Heiss VerR 2007, 327; vgl A. Fuchs IPRax 2007, 302; zum anwendbaren Recht s Micha ZVersWiss 2010, 579.
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sönlich,376 so dass dieser im Verfahren gegen die Versicherung als Zeuge zur Verfügung steht. (Ein weiterer Nachteil ist, dass das Gericht am Wohnsitz des Geschädigten in der Sache fremdes Recht anwenden muss und eine grenzüberschreitende Beweisaufnahme aufwendig ist.377) Der Gerichtsstand steht aber nur dem Geschädigten offen; Sozialhilfe- oder Sozialversicherungsträger und Kasko-Versicherer können Klagen aus übergeleitetem oder abgetretenem Recht nicht an ihrem eigenen Sitz erheben.378 136 Klagt ein Geschädigter gegen einen haftpflichtversicherten Schädiger, so kann dieser den Haftpflichtversicherer nach Art 11 I EuGVO/LugÜ bzw Art 13 I EuGVO nF im Wege der Interventionsklage vor das Gericht des Haftpflichtprozesses laden. Nach Art 65 I EuGVO bzw Art II des 1. Protokolls zum LugÜ 2007 kann diese Zuständigkeit nicht in Deutschland, Österreich und Ungarn geltend gemacht werden. Die in diesen Ländern mögliche Streitverkündung wird durch Art 11 III EuGVO/LugÜ (bzw Art 13 III EuGVO nF) ausdrücklich zugelassen.379 Bei einer Direktklage des Geschädigten an seinem Wohnsitz gegen den Versicherer, kann dieser danach dem Versicherungsnehmer den Streit verkünden.380
b) Klagen des Versicherers 137 Art 12 EuGVO/LugÜ bzw Art 14 EuGVO nF regelt die Zuständigkeit bei Klagen des Versicherers. Der Versicherer kann nur vor den Gerichten des Mitglieds- bzw Vertragsstaats klagen, in dem der Beklagte, sei es der Versicherungsnehmer, der Versicherte oder Begünstigte, seinen Wohnsitz hat. Wiederum handelt es sich nur um die Regelung der internationalen Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus § 12 ZPO und § 215 VVG. Über Art 8 u Art 5 Nr 5 EuGVO (bzw Art 10 u Art 7 Nr 5 EuGVO nF) kann der Versicherer auch am Gericht der Zweigniederlassung des Versicherungsnehmers klagen, wenn der Streit zu dieser Bezug hat.381
c) Weitere Sonderregeln 138 Die Bestimmung des Art 12 II EuGVO/LugÜ (bzw Art 14 II EuGVO nF) über die Widerklage modifiziert die Widerklagemöglichkeit nach Art 6 Nr 3 (bzw Art 8 Nr 3 EuGVO nF) für alle Beteiligten.382
376 Rauscher IPR, Rz 1947. 377 Vgl Magnus/Mankowski/Heiss Art 11 Rz 11; Jayme, FS v. Hoffmann, 2011, S 656. 378 MüKoZPO/Gottwald Art 11 EuGVO Rz 3; für Anwendung zugunsten von Erben Rauscher/Staudinger Art 11 Brüssel I-VO Rz 6d; Stein/Jonas/Wagner Art 11 EuGVO Rz 13. 379 Vgl Hub S 118ff. 380 Stein/Jonas/Wagner Art 11 EuGVO Rz 14; krit Kropholler/v. Hein Art 11 EuGVO Rz 4. 381 Hub S 114f; Rauscher/Staudinger Art 12 Brüssel I-VO Rz 4. 382 Rauscher/Staudinger Art 12 Brüssel I-VO Rz 5.
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Zum Schutze des Versicherten lässt Art 13 EuGVO/LugÜ (bzw Art 15 EuGVO 139 nF) eine Gerichtsstandsvereinbarung (abweichend von Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF) nur in beschränktem Maße zu.383 Zulässig sind sie nach Entstehen der Streitigkeit und unter Vereinbarung eines zusätzlichen Gerichtsstandes für den Versicherten oder Begünstigten. Haben Versicherungsnehmer und Versicherung bei Vertragsschluss ihren Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat, so kann außerdem der Gerichtsstand des Schadensortes in einem anderen Staat ausgeschlossen werden. Allerdings muss dies das nationale Recht zulassen. In Deutschland (§ 38 ZPO) kann die Versicherung dies nur mit Kaufleuten vereinbaren. Eine solche Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer, mit der die Gerichte des gemeinsamen Wohnsitzstaats vereinbart werden, bindet nicht die begünstigten Versicherten, wenn das schädigende Ereignis im Ausland eingetreten ist.384 Zulässig sind schließlich Zuständigkeitsvereinbarungen mit Versicherungsnehmern mit Wohnsitz in Drittstaaten, es sei denn, sie beziehen sich auf Pflichtversicherungen oder auf Immobiliarversicherungen von Risiken in EU-Mitgliedstaaten (Art 13 Nr 4 EuGVO bzw Art 15 Nr 4 EuGVO nF).385 Uneingeschränkt zulässig sind Gerichtsstandsvereinbarungen bei Versicherungen von Schiffen, Luftfahrzeugen und anderen Großrisiken gem Art 13 Nr 5 und Art 14 EuGVO/LugÜ (bzw Art 15 Nr 5 u Art 16 EuGVO nF).386
11. Die Zuständigkeiten in Verbrauchersachen Schrifttum: de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen, 1992, 121ff; A. Engert/G. Groh, Internationaler Kapitalanlegerschutz vor dem Bundesgerichtshof, IPRax 2011, 458; Fetsch, Grenzüberschreitende Gewinnzusagen im europäischen Binnenmarkt, RIW 2002, 936; N. Ganssauge, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht bei Verbraucherverträgen im Internet, 2004, S 39ff; Th. Garber, Die Stellung des Verbrauchers im Europäischen Zivilprozessrecht, ÖJZ 2011, 22; B. Heiderhoff, Zum Verbraucherbegriff der EuGVVO und des LugÜ, IPRax 2005, 230; K. Hofmann, Verfahrensrechtliche Aspekte grenzüberschreitender Gewinnzusagen nach § 661 a BGB, 2007; St. Leible/M. Müller, Die Bedeutung von Websites für die internationale Zuständigkeit in Verbrauchersachen, NJW 2011, 495; J. Mörsdorf-Schulte, Revisibler internationaler Verbrauchergerichtsstand für den bloßen Gewinner, ZZPInt 8 (2003), 407; Mronz, Rechtsverfolgung im weltweiten E-Commerce, 2004; R. Nagel, Neue Anforderungen an internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, BKR 2002, 146; J. Øren, International Jurisdiction over Consumer Contracts in e-Europe, ICLQ 52 (2003), 665; Reich/Gambogi Carvalho, Gerichtsstand bei internationalen Verbraucherstreitigkeiten im e-commerce, VuR 2001, 169; Rösler/Siepmann, Der Beitrag des EuGH zur Präzisierung von Art 15 I EuGVO, EuZW 2006, 76; H. Roth, Wer ist im Europäischen Prozessrecht ein Verbraucher?, FS v. Hoffmann, 2011, S 715; H. Roth, Schadenshaftung und erforderliche Vertragsanknüpfung bei Art 15 EuGVO (LugÜ), FS Kaissis, 2012, S 819; M. Roth, Der Schutz des Verbrauchers im internationalen Privat- und Verfahrensrecht bei Internet-Verträgen, FS Rechberger, 2005, S 471; K. Sachse, Der Verbrauchervertrag im Internationalen Privatund Prozessrecht, 2006; Schaltinat, Internationale Verbraucherstreitigkeiten, 1998;
383 Vgl Stein/Jonas/Wagner Art 13 EuGVO Rz 6ff; Hub S 158ff. 384 EuGHE 2005, I-3707 (Société industrielle et financière du Peloux) = IPRax 2005, 531 (dazu Heiss S 497); Rauscher IPR, Rz 1958f; aA Hub S 141. 385 Vgl Stein/Jonas/Wagner Art 13 EuGVO Rz 17ff. 386 Vgl Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 330; Hub S 170ff.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
Scheuermann, Internationales Verfahrensrecht bei Verträgen im Internet, 2004; Schoibl, Die Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach europäischem Zivilverfahrensrecht, JBl 1998, 700 u. 767; Spindler, Internationales Verbraucherschutzrecht im Internet, MMR 2000, 18; Staudinger, Der EuGH hat es (aus)gerichtet – Harmonie zwischen Brüssel Iund Rom I-VO, AnwBl 2011, 327; A. Staudinger/B. Steinrötter, Verfahrens- und kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz bei Online-Gescchäften, EWS 2011, 70; B. Sujecki, Grenzüberschreitender Verbraucherschutz beim elektronischen Rechtsverkehr nach der EuGVVO und der Rom I-VO, EWS 2010, 360; Teuber, Die internationale Zuständigkeit bei Verbraucherstreitigkeiten, 2003; Ch. Thole, Verbrauchergerichtsstand aufgrund schlüssiger Behauptung für eine Kapitalanlegerklage gegen die Hausbank des Anlagefonds?, IPRax 2013, 136; R. Wagner, Internationale und örtliche Zuständigkeit in Verbrauchersachen, WM 2003, 116; T. Wilcke, Internationaler Online-Handel und Verbraucherschutz, 2011.
a) Anwendungsbereich 141 Die Art 13 bis 15 EuGVÜ/LugÜ hat das 1. Beitrittsübereinkommen neu gefasst und auf Verbrauchersachen erweitert. Die Art 15 bis 17 EuGVO (bzw Art 17 bis 19 EuGVO nF) enthalten eine revidierte, den prozessualen Verbraucherschutz verallgemeinernde Fassung. Art 15 I EuGVO/LugÜ (bzw Art 17 I EuGVO nF) erfasst nunmehr Streitigkeiten aus Verträgen jeder Art, die ein Verbraucher mit einem Unternehmer387 abgeschlossen hat (ausgenommen Versicherungsverträge), auch den Streit über Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags und die Rückabwicklung des Vertrags.388 Der Vertragsbegriff ist hier wie in Art 5 Nr 1 (bzw Art 7 Nr 1 nF) autonom auszulegen.389 Nach hM gelten die Regeln nur für vertragliche Ansprüche, nicht für konkurrierende deliktische Anspruchsgrundlagen.390 Allerdings genügt es, wenn der Kläger vertragliche Ansprüche schlüssig behauptet.391 Im Urteil v 11.7.2002392 hat der EuGH die vertragliche Zuständigkeit lediglich auf „andere Klagen“ erweitert, „die zu diesem Vertrag eine so enge Verbindung aufweisen, dass sie von ihm nicht getrennt werden können“. Bislang setzte die Anwendung voraus, dass das Unternehmen seinen Sitz, zumindest eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat (Art 15 I, II EuGVO/ LugÜ). 142 Nach der Reform der EuGVO kommt es hierauf nicht mehr an. Der Verbraucher mit Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat kann auch Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat am Gericht seines Wohnsitzes verklagen (Art 17 I, 18 I
387 Geschäfte unter Privatleuten sind ausgeschlossen, Stein/Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 25f. 388 Rauscher/Staudinger Vorbem Art 15–17 Brüssel I-VO Rz 3; Burgstaller Vor Art 1 EuGVO Rz 20; Stein/Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 32; aA für negative Feststellungsklage Schwartze, unalex Kommentar Art 15 Brüssel I-VO Rz 1. 389 BGH ZIP 2012, 444, 445 (Tz 14); Kropholler/v. Hein Art 15 EuGVO Rz 3. 390 Rauscher/Staudinger Vorbem Art 15–17 Brüssel I-VO Rz 4; aA Geimer/Schütze Art 15 Rz 26. 391 BGH ZIP 2012, 444, 445 (Tz 12, 14) = NJW 2012, 455; dazu Baumert EWiR 2012, 243. 392 EuGHE 2002, I-6367 (Rz 56) (Gabriel) = NJW 2002, 2697 = IPRax 2003, 50 (dazu Leible S 28).
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EuGVO nF). Ein Vertragsschluss im Internet wird dann vollständig erfasst.393 Die Art 15 ff EuGVO/LugÜ (bzw Art 17 ff EuGVO nF) kennen aber keinen allgemeinen Verbrauchergerichtsstand, sondern privilegieren den Verbraucher nur unter bestimmten Voraussetzungen.394 Verbraucher ist (in autonomer Auslegung) jede natürliche Person, die den Ver- 143 trag zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs, dh zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.395 Die Regeln gelten nicht für den (gewerblichen) Rechtsnachfolger eines Verbrauchers,396 auch nicht für Verbandsklagen von Verbraucherschutzvereinigungen.397 Sie sind dagegen anwendbar, wenn der Verbraucher über einen professionellen Vermögensverwalter handelt.398 Nicht geschützt wird der Verbraucher, wenn der Vertragsgegenstand oder die Dienstleistung auch zu (gegenwärtigen oder künftigen399) beruflichen Zwecken verwendet wird, es sei denn die Verbindung zur beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit ist völlig untergeordnet.400 Die Beweislast für die Verbrauchereigenschaft liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft.401 Neben Streitigkeiten
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(a) aus dem Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung, (b) aus einem in Raten zurückzuzahlenden Darlehen oder anderem Kreditgeschäft, das zur Finanzierung des Kaufs beweglicher Sachen bestimmt ist, erfasst Art 15 I (c) EuGVO/LugÜ (bzw Art 17 I (c) EuGVO nF) nunmehr Streitigkeiten (c) aus allen anderen Fällen, bei denen der Vertragspartner (i) im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, oder (ii) seine derartige Tätigkeit von außen auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in diesen Tätigkeitsbereich fällt.
393 Vgl Rauscher IPR, 4. Aufl 2012, Rz 1968. 394 Hau, FS v. Hoffmann, 2011, S 617, 630; Pichler Rz 509ff. 395 EuGHE 2005, I-481 (Engler v Janus Versand) = NJW 2005, 811, 812; EuGHE 1999, I-2277 (Mietz v Intership Yachting Sneek) (dazu Wolf EuZW 2000, 11; BGH ZIP 2012, 941, 943 (Tz 28) = NJW 2012, 1817; BGH NJW 2006, 1672, 1673; OLG Nürnberg IPRax 2005, 248 (dazu Heiderhoff S 230); Heß IPRax 2000, 370) vgl Ganssauge S 43ff. 396 EuGHE 1993, I-139 (Shearson Lehman Hutton) = IPRax 1995, 92; LG NürnbergFürth ZIP 2010, 1368; dazu L. Tiedemann EWiR Art 15 EuGVVO 2/10, 487; Stein/ Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 15. 397 EuGHE 2002, I-8111, 8138 (Verein für Konsumenteninformation v. Henkel) = NJW 2002, 3617 = IPRax 2003, 341; Rauscher/Staudinger Art 15 Brüssel I-VO Rz 2; Stein/ Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 16. 398 OLG Hamburg IPRax 2005, 251 (dazu Heiderhoff S 230). 399 Schwartze, unalex Kommentar Art 15 Brüssel I-VO Rz 5; Stein/Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 21. 400 EuGHE 2005, I-439 (Gruber v BayWa) = NJW 2005, 653 = IPRax 2005, 537 (dazu Mankowski S 503 sowie RIW 2005, 563); BGH ZIP 2012, 941, 943 (Tz 29). 401 BGH ZIP 2012, 941, 943 (Tz 32); Stein/Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 23.
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Der Kauf von Wertpapieren und ein Kreditgeschäft zur Finanzierung eines solchen Geschäfts fallen nicht unter Art 15 I lit a und b EuGVO (bzw Art 17 I lit a und b EuGVO nF).402 145 Buchstabe (c) enthält aber eine Generalklausel, die die Fälle (a) und (b) eigentlich mit umfasst und darüber hinausgeht. Die bisherigen zusätzlichen Anforderungen, die Art 13 I Nr 3 EuGVÜ/LugÜ 1988 an das Zustandekommen des Vertrags stellte, und die Schwierigkeiten, die sich aus dem Abstellen auf Dienstleistungen ergeben,403 sind zu Recht fallen gelassen worden, weil sie den heutigen Möglichkeiten des Vertragsabschlusses, insb durch Telekommunikationsmittel nicht mehr gerecht wurden.404 Der Verordnungsgeber wollte wie bisher die konventionellen grenzüberschreitenden Werbe- und Vertriebsformen erfassen, aber auch den internetbasierten Vertrieb in angemessener Weise mit einbeziehen. Der Verbrauchergerichtsstand ist also nicht auf Fernabsatzgeschäfte beschränkt.405 146 Erforderlich ist in allen Fällen ein Ausrichten der Tätigkeit auf den entsprechenden nationalen Markt. Diese Regel ist entsprechend Erwägungsgrund 24 zur Rom I-VO parallel zu Art 6 I Rom I-VO auszulegen.406 Der Gewerbetreibende muss danach seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben, dass er mit Kunden dieses Mitglied- bzw Vertragsstaats Vertragsbeziehungen aufnehmen will.407 147 Eine ausländische Bank, die in Deutschland ein Nostro-Konto unterhält und damit wirbt, dass sie die darauf überwiesenen Gelder auf ein ausländisches Zielkonto weiterleiten wird, übt eine gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers aus und hat ihre Tätigkeit auf diesen Staat ausgerichtet.408 Insoweit genügt für Art 15 EuGVO die einseitige Verpflichtung des Gewerbetreibenden, der Verbraucher muss insoweit keine eigene Verpflichtung eingegangen sein.409 148 Bei einer Werbung in Rundfunk, Fernsehen oder Landespresse ist dies gegeben. Die bloße Zugänglichkeit der Website (mit Kontaktangaben) im Wohnsitzstaat des Verbrauchers genügt dagegen nicht.410 Als Anhaltspunkte für ein Ausrichten hat der EuGH angesehen: den internationalen Charakter der Tätigkeit; die 402 Österr. OGH ZIP 2010, 1154. 403 Hausmann EuLF 2000, 40, 45; vgl BGH ZIP 2013, 93, 94 (Vermögensverwaltung als Dienstleistung). 404 Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 331; Jametti Greiner AJP/PJA 1999, 1135, 1138; Ganssauge S 53ff. 405 EuGH (6.9.2012, C-190/11 – Mühlleitner) NJW 2012, 3225 (Staudinger/Steinrötter). 406 Vgl v. Hein JZ 2011, 954, 955; Würdinger RabelsZ 75 (2011), 102, 120f. 407 BGH ZIP 2012, 444, 447 (Tz 21) = IPRax 2013, 164, 167 (dazu Thole, S 136); Stein/Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 43. 408 BGH ZIP 2012, 444 = NJW 2012, 455 (Tz 6) = IPRax 2013, 164. 409 BGH ZIP 2012, 444 = NJW 2012, 455 (Tz 14) = IPRax 2013, 164 (dazu Thole S 136, 138ff). 410 BGH RIW 2009, 82, 83 (Kontaktadresse eines deutschsprachigen Athener Anwalts auf Website der deutschen Botschaft); Stein/Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 45f.
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Angabe von Anfahrtbeschreibungen aus anderen Mitgliedstaaten; die Verwendung der Sprache und/oder der Währung des Wohnsitzstaats des Verbrauchers; Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um Verbrauchern aus anderen Staaten den Zugang zu erleichtern; Telefonnummern mit internationaler Vorwahlangabe (?); Verwendung einer besonderen Top-Level-Domain (?).411 Es genügt aber auch sonst jede absatzfördernde Tätigkeit, auch über einen Kooperationspartner; bloßes doing business reicht nicht.412 Ein „Ausrichten“ setzt nicht den Einsatz einer interaktiven Website voraus, auch eine „passive“ Website kann genügen, wenn sie alle Angaben enthält, dass ein Verbraucher den Unternehmer zu einem Vertragsschluss kontaktieren kann. Es genügt etwa die Aufforderung auf der Website per Fax zu bestellen.413 Wer seine Produkte in deutscher Sprache auf einer Internetseite anbietet, 149 „richtet“ seine Tätigkeit auf Deutschland „aus“ und ist hier nach Art 15 I lit c EuGVO gerichtspflichtig.414 Der deutsche Anbieter, der auf seiner Website einen „Extra service voor Nederland“ anpreist, ist in den Niederlanden gerichtspflichtig.415 Einem ausländischen Anbieter ist die Tätigkeit mit ihm kooperierender inländischer Vermittler zuzurechnen.416 Nach der Rechtsprechung des BGH muss die auf den Wohnsitzstaaat des Ver- 150 brauchers ausgerichtete Tätigkeit des Unternehmers den Vertragsschluss des Verbrauchers zumindest motiviert haben, muss also kausal geworden sein.417 Ein ausländischer Anbieter, der von einem deutschen Verbraucher in seinem 151 Heimatland kontaktiert wird, wird aber nicht in Deutschland gerichtspflichtig.418 Dagegen genügt es, wenn der Anbieter seine Website auf den Wohnsitzstaat ausgerichtet hat und der Verbraucher dann den Geschäftssitz des Anbieters aufsucht und dort den Vertrag abschließt. Ein Abschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ist daher nicht erforderlich.419 Nach Ansicht des EuGH ist auch eine einseitige Gewinnzusage (§ 661a BGB), die einem Verbraucher im Rahmen der Vertragsanbahnung gemacht wird, wie ein Vertrag zu behandeln.420 411 EuGHE 2010, I-12527 = NJW 2011, 505 (Pammer u. Hotel Alpenhof) = JZ 2011, 949 (v. Hein); dazu Leible/Müller NJW 2011, 495; Staudinger AnwBl 2011, 327; M. Bogdan, YearbookPIL 12 (2010), 565. 412 Österr. OGH ZIP 2010, 1154. 413 v. Hein JZ 2011, 954, 956; Rauscher/Staudinger Art 15 EuGVO Rz 14; Magnus/Mankowski/Nielsen Art 15 Rz 36ff. 414 OLG Dresden IPRax 2006, 44 (dazu von Hein S 16). 415 LG München I, EWiR Art 15 EuGVVO 1/08, 245 (Mankowski). 416 Österr. OGH, EWiR Art 15 EuGVVO 1/10 (Mankowski). 417 BGH ZIP 2012, 941, 944 (Tz 38); Würdinger RabelsZ 75 (2011), 102, 122; Stein/Jonas/Wagner Art 15 EuGVO Rz 49. 418 BGH MDR 2009, 44 = IPRax 2009, 258, 259 (Tz 10f) (dazu Mankowski, S 238). 419 EuGH (6.9.12, C-190/11 – Mühlleitner) BB 2012, 2317; ergangen auf Vorlage des BGH, BGHZ 190, 28 = NJW 2011, 2809 = IPRax 2013, 168 (dazu St. Arnold, S 141); s auch BGH RIW 2012, 403 u BGH RIW 2012, 325 = NJW-RR 2012, 436; dazu M. Stöber EWiR Art 15 EuGVVO 2/12, 345. 420 EuGHE 2002, I-6367 (Gabriel) = NJW 2002, 2697 = ZZPInt 7 (2002), 264 (Koch); ebenso BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426 (dazu Häcker ZVglRWiss 103 (2004), 464;
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Erforderlich ist aber weiterhin, dass der Vertragspartner unabhängig von dem konkreten Vertrag eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausübt.421 152 Ausgenommen sind nach Art 15 III EuGVO (bzw Art 17 III EuGVO nF) reine Beförderungsverträge; Reiseverträge, die eine Beförderung und Unterbringung zu einem Pauschalpreis vorsehen, sind dagegen erfasst.422 Dies ist auch bei einer Reise auf einem Frachtschiff der Fall.423 Auch Timesharing-Verträge iS der Richtlinie 94/47/EG fallen unter Art 15 I, III EuGVO (bzw Art 17 I, III EuGVO nF).424 153 Art 13 LugÜ 1988 war (wie das EuGVÜ) enger und kasuistischer gefasst.425 Erfasst sind Verträge mit nicht gewerblichen Endverbrauchern, und zwar (1) Teilzahlungskäufe beweglicher Sachen, (2) Ratendarlehen und Kauffinanzierungen, (3) andere Dienstleistungs- und Lieferverträge.426 Ausgenommen sind Beförderungsverträge aller Art (Art 13 III). Der dadurch definierte Begriff des Verbrauchervertrags ist autonom auszulegen.427 154 Wegen des engen Sachzusammenhangs soll auch ein Ersatzanspruch aus § 823 II BGB iVm § 32 KWG (bei einer Vermögensverwaltung) aus einem Vertrag geltend gemacht werden.428 Auch Ansprüche aus cic wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht werden insoweit als Ansprüche aus einem Vertrag angesehen, wenn es tatsächlich zum Vertragsschluss gekommen ist.429 155 Erforderlich ist jeweils ein ausreichender Inlandsbezug zum Wohnsitzstaat des Verbrauchers: Angebot oder Werbung müssen im Inland erfolgt sein, und zusätzlich muss der Verbraucher seine eigene Vertragserklärung im Inland abgegeben haben.430 Es ist aber nicht erforderlich, dass die Initiative zur Unterbreitung des Angebots vom Unternehmer ausgegangen ist.431 Inlandswerbung iS einer invitatio ad offerendum genügt.432
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Leible NJW 2003, 407; Mörsdorf-Schulte ZZPInt 8 (2003), 407; krit Fetsch RIW 2002, 936, 942f); s aber jetzt BGH NJW 2006, 230, 231. BGH NJW 2006, 1672, 1673 = RIW 2006, 464. Entsprechend dem Ziel der Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG; vgl Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 330. EuGHE 2010, I-12527 (Peter Pammer v. Reederei Schlüter) = NJW 2011, 505 = RIW 2011, 241 (D. Berg) = BB 2011, 200 (Breckheimer); dazu Staudinger/Steinrötter EWS 2011, 70; Bogdan Yearbook PIL 12 (2010), 565. Hausmann EuLF 2000, 40, 45; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 330; Markus SZW/ RSDA 1999, 205, 213. Vgl BGH ZIP 2012, 941, 945 (Tz 39); Schaltinat S 47ff; Fasching/Simotta Vor §§ 83a u. 83b JN Rz 101ff. Vgl EuGHE 1999, I-1597 (Trasporti Castelletti v Trumpy) = IPRax 2000, 411 (dazu Heß S 370). Thorn IPRax 1995, 294, 295f. BGHZ 187, 156, 166 (Tz 22) = NJW 2011, 532 = ZIP 2010, 2264, 2267; BGH BGHZ 190, 28 = ZIP 2011, 1382, 1385 (Tz 32); krit v. Hein EuZW 2011, 369, 370. BGHZ 190, 28 = NJW 2011, 2809, 2813 (Tz 43). Vgl de Bra S 130ff; Kreuzer/Wagner Q 222. BGHZ 190, 28 = NJW 2011, 2809, 2811 = ZIP 2011, 1382, 1384 (Tz 28). BGHZ 190, 28 = ZIP 2011, 1382, 1384 (Tz 27).
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Wertpapiere sind nicht als bewegliche Sachen anzusehen; Verträge über den Kauf433 oder zur Finanzierung von Wertpapierkäufen fallen daher nicht unter Art 13 I Nr 2 LugÜ 1988434 (wohl aber jetzt unter Art 15 I lit c EuGVO/LugÜ 2007). Erfasst von Art 13 I Nr 3 LugÜ 1988 war aber ein Vermögensverwaltungsvertrag.435 Warentermingeschäfte waren von Art 13 I LugÜ 1988 erfasst, soweit eine Partei nicht-termingeschäftsfähig ist.436
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Die Verbindung von Kauf- und Finanzierungsvertrag dürfte für den deutschen 157 Juristen keine Schwierigkeiten mit sich bringen. Der EuGH hat eine Vorlagefrage wie folgt beantwortet: „Der Begriff des Kaufs beweglicher Sachen auf Teilzahlung iS von Art 13 erstreckt sich nicht auf den Kauf einer Maschine, den eine Firma mit einer anderen Firma zu einem Preis vereinbart, der durch Wechsel mit abgestuften Verfallszeiten beglichen werden soll.“437 In dieser Entscheidung hat der EuGH ua ausgesprochen, dass der privilegierte Gerichtsstand ausschließlich schutzbedürftigen Käufern vorbehalten sei. Nach Ansicht der Cour d’appel de Colmar ist ein Darlehen zum Zwecke der 158 Eigenheimfinanzierung als Dienstleistung iS des Art 13 LugÜ anzusehen.438 Der Rechtsnachfolger eines Verbrauchers kann sich nicht auf Schutz und Zu- 159 ständigkeiten von Art 15 EuGVO/LugÜ (bzw Art 17 EuGVO nF) berufen.439 Die Verbraucherschutzregeln sind nicht anzuwenden bei Verträgen, die sich auf die gegenwärtige oder künftige440 berufliche oder gewerbliche Tätigkeit beziehen. Kauft ein Arzt einen Laptop, so ist entscheidend, ob er diesen für seine Praxis oder privat benutzt.441 Im Übrigen spielen Fragen des Eigentumsvorbehalts und der Übergabe der Ware keine Rolle. Der Schutz nach Art 15 EuGVO/LugÜ greift derzeit nur gegenüber einem Ver- 160 käufer mit Sitz in einem Mitglied- bzw Vertragsstaat oder einer Zweigniederlassung in einem solchen Staat (Art 15 II EuGVO/LugÜ); sie gilt dagegen nicht, wenn der ausländische Verkäufer seine Geschäfte über ein selbständiges Tochterunternehmen mit Sitz in der EU abwickelt.442 433 Österr. OGH, EWiR Art 15 EuGVVO 1/10, 323 (Mankowski). 434 LG Darmstadt IPRax 1995, 318 (dazu Thorn S 294). 435 BGHZ 187, 156, 166 = IPRax 2011, 488 (dazu Engert/Groh IPRax 2011, 458); BGHZ 190, 28 = ZIP 2011, 1382, 1384 (Tz 23f). 436 EuGHE 1993, I-139 (Shearson v TVB Treuhandgesellschaft) = NJW 1993, 1251; OLG Düsseldorf RIW 1996, 681 (dazu Mankowski S 1001, 1005); Dannhoff, Das Recht der Warentermingeschäfte, 1993, S 209ff; vgl OLG Düsseldorf RIW 1996, 681, 682f. 437 EuGHE 1978, 1431 (Bertrand v Ott) = RIW 1978, 685. 438 Cour d’appel de Colmar ZIP 1999, 1209 (Reich) = IPRax 2001, 251 (dazu Neumann/ Rosch S 257). 439 EuGHE 1993, I-139 (Shearson v TVB Treuhand) = RIW 1993, 420; BGH RIW 1993, 670; vgl Koch IPRax 1995, 71. 440 EuGHE 1997, I-3767 (Benincasa v Dentalkit) = RIW 1997, 775 = JZ 1998, 896 (Mankowski). 441 Geimer/Schütze I 404. 442 EuGHE 1994, I-4275 (Brenner u Noller v Dean Witter Reynolds) = EWS 1994, 353 = RIW 1994, 1045 = IPRax 1995, 315 (dazu Rauscher S 289); BGH RIW 1995, 150 = EuZW 1995, 190; OLG Schleswig RIW 1997, 955 (krit Mankowski S 990).
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161 Die ab 2015 geltende Neufassung der EuGVO schützt den Verbraucher nach ihrem Art 18 I ausdrücklich „ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners“, greift also auch gegenüber Verkäufern mit Sitz in Drittstaaten (s o Rz 142). Für Widerklagen gilt Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 8 Nr 3 EuGVO nF).
b) Klagen gegen den Unternehmer 162 Nach Art 16 I EuGVO/LugÜ (bzw Art 18 I EuGVO nF) kann der „andere Vertragspartner“ mit Wohnsitz in einem der Mitglied- bzw Vertragsstaaten (1) vor den Gerichten des Staats, in dem der Unternehmer seinen Wohnsitz hat, oder (2) vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, verklagt werden. Die erste Alternative regelt nur die internationale Zuständigkeit, die zweite auch die örtliche. Maßgeblich ist der Wohnsitz des Verbrauchers zur Zeit der Klageerhebung. Bei einem Wechsel des Wohnsitzstaats zwischen Vertragsschluss und Klageerhebung wird der Unternehmer daher in einem neuen Staat gerichtspflichtig.443 163 Dem inländischen Wohnsitz/Sitz gleichgestellt ist die EU-Niederlassung eines Nicht-EU-Anbieters (Art 15 II EuGVO/LugÜ bzw Art 17 II EuGVO nF).444 Doch soll die Regel nur anwendbar sein, wenn sich die Niederlassung und der Wohnsitz des Verbrauchers in verschiedenen Mitglied- bzw Vertragsstaaten befinden.445 Ob eine Niederlassung vorliegt, hängt nicht davon ab, ob diese rechtlich selbständig oder unselbständig organisiert ist, sondern allein davon, ob die handelnde Stelle für den Kunden als „Außenstelle“ des Vertragspartners erscheint.446 Teilweise wird freilich zusätzlich verlangt, dass der Prozessgegner diesen Rechtsschein zurechenbar gesetzt habe.447 164 Soweit nur die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte festgelegt war, bestimmte sich die örtliche Zuständigkeit aus §§ 12, 13, 16, 17 ZPO.448 Aufgrund der zweiten Alternative von Art 16 I EuGVO/LugÜ (bzw Art 18 I EuGVO nF) erhält der Verbraucher aber jetzt stets einen Klägergerichtsstand an seinem Wohnsitz.449 443 Galicˇ/Schwartze, unalex Kommentar Art 16 Brüssel I-VO Rz 11; Stein/Jonas/Wagner Art 16 EuGVO Rz 7; für Wahl des Verbrauchers zwischen Klage im alten oder neuen Wohnsitzstaat Magnus/Mankowski/Nielsen Art 16 Rz 6. 444 Vgl Wach/Weberpals AG 1989, 193; Mankowski RIW 2005, 561, 570. 445 OLG München RIW 1994, 59; aA Kreuzer/Wagner Q 126; Geimer/Schütze Art 13 EuGVÜ Rz 12. 446 LG Darmstadt EWiR Art 15 EuGVVO 2/04 (Mankowski); LG Bad Kreuznach EWiR Art 15 EuGVVO 1/05 (Mankowski); aA OLG München RIW 1994, 59. 447 So OLG Koblenz RIW 2006, 311, 312. 448 LG Konstanz IPRax 1994, 448 (dazu Thorn S 426); für analoge Anwendung von Art 14 I EuGVÜ Schack, IZVR, Rz 315. 449 LG Darmstadt ZIP 2004, 1924 = EWiR Art 15 EuGVVO 1/04 (Geimer); KG IPRax 2001, 44 (dazu Mankowski S 33); Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 331.
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c) Klagen gegen den Verbraucher Nach Art 16 II EuGVO/LugÜ (bzw Art 18 II EuGVO nF) kann der „andere Ver- 165 tragspartner“ den Verbraucher nur vor den Gerichten des Staats verklagen, in dem dieser seinen (aktuellen) Wohnsitz hat. Diese Bestimmungen regeln nur die internationale Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich in Deutschland aus §§ 12, 13 ZPO, ggf auch aus § 16 oder § 20 ZPO.450 Ist der aktuelle Wohnsitz des Verbrauchers unbekannt, so kann er an seinem letzten bekannten Wohnsitz verklagt werden.451
d) Gerichtsstandsvereinbarungen Zum Schutze des Verbrauchers sind Gerichtsstandsvereinbarungen wie in 166 Versicherungssachen nur in beschränktem Maße zulässig.452 Gerichtsstandsvereinbarungen sind erst nach Entstehung der Streitigkeit frei (Art 17 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 19 Nr 1 EuGVO nF). Zuvor darf lediglich dem Verbraucher ein zusätzlicher Gerichtsstand eingeräumt werden (Art 17 Nr 2 EuGV/ LugÜ bzw Art 19 Nr 2 EuGVO nF).453 Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern unterliegen anhand der Klausel-Richtlinie454 von Amts wegen einer AGB-Kontrolle auf Missbräuchlichkeit.455 Art 17 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 19 Nr 3 EuGVO nF) betrifft zunächst reine 167 Inlandsfälle. Verbraucher und sein Vertragspartner haben ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Vertragsstaat und vereinbaren die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staats, und zwar für den Fall, dass einer von ihnen seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem prorogierten Staat verlegt. Damit wird eine Auslandsbeziehung geschaffen. Art 17 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 19 Nr 3 EuGVO nF) erkennt die Gerichtsstandsvereinbarung für diesen Fall an, es sei denn, sie sei nach dem Recht des vereinbarten Staats unzulässig.456 Nach § 38 III Nr 2 ZPO kann eine Gerichtsstandsvereinbarung für den Fall getroffen werden, dass die zu verklagende Partei nach Vertragsschluss ihren gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen oder der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Beklagten im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
450 Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 332; Geimer/Schütze Art 16 Rz 12. 451 EuGH (17.11.2011, C-327/10) (Hypotecni banka v Lindner) ZIP 2011, 23777, 2379 (Tz 42ff); dazu Baumert EWiR Art 16 EuGVVO 1/12, 19. 452 Vgl Schaltinat S 102ff; Ganssauge S 65ff. 453 BGHZ 190, 28 = ZIP 2011, 1382, 1383 (Tz 19); Magnus/Mankowski/Nielsen Art 17 Rz 10. 454 Richtlinie 93/13/EWG v 5.4.1993, ABl EG Nr L 95/29 v 21.4.1993. 455 EuGHE 2000, I-4941(Murciano Quintero) = EuZW 2000, 506; EuGHE 2009, I-4713 (Pannon) = RIW 2009, 628; dazu Heinig EuZW 2009, 885; Pfeiffer NJW 2009, 2369. 456 Galicˇ/Schwartze, unalex Kommentar Art 17 Brüssel I-VO Rz 6ff; Rauscher/Staudinger Art 17 EuGVO Rz 3.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
168 Auch in Verbrauchersachen kann die internationale Zuständigkeit auch durch rügelose Einlassung nach Art 24 EuGVO/LugÜ (bzw Art 26 EuGVO nF) begründet werden.457
12. Die Zuständigkeiten für individuelle Arbeitsverträge a) Schrifttum 169 V. Behr, Internationale Zuständigkeit in Individualarbeitsrechtsstreitigkeiten im Europäischen Verfahrensrecht, GS W. Blomeyer, 2004, S 15; Beraudo, Convention de Bruxelles du 27 Septembre 1968, Règles de compétence spéciale, Le contrat de travail, JurisClasseur Procédure civil Fasc. 52–32, 1999; Birk, Die internationale Zuständigkeit in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nach dem EuGVÜ, RdA 1983, 143; R. Bosse, Probleme des europäischen internationalen Arbeitsprozessrechts, 2007; Däubler, Die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte, NZA 2003, 1297; Franzen, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen in Arbeitsverträgen, RIW 2000, 81; Th. Garber, Zum Begriff des gewöhnlichen Arbeitsortes i.S.d. Art 19 Abs. 2 lit a EuGVVO insb bei der Verrrichtung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit an Bord eines Schiffes, FS Kaissis, 2012, S 221; Junker, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Arbeitssachen, ZZPInt 1998, 179; Junker, Gewöhnlicher Arbeitsort und vorübergehende Entsendung im IPR, FS Heldrich, 2005, S 719; Junker, Internationale Zuständigkeit für Arbeitssachen nach der Brüssel I-Verordnung, FS Schlosser, 2005, S 299; Junker, Internationalprivatund -prozessrechtliche Fragen des Arbeitnehmereinsatzes im Ausland, FS Kühne, 2009, S 735; D. Leipold, Einige Bemerkungen zur Internationalen Zuständigkeit in Arbeitssachen nach Europäischem Zivilprozessrecht, GS W. Blomeyer, 2004, S 143; P. Mankowski, Der gewöhnliche Arbeitsort im internationalen Privat- und Prozessrecht, IPRax 1999, 332; P. Mankowski, Internationale Zuständigkeit, in Dieterich/Neef/Schwab, Arbeitsrechts-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit V E (Stand 2007) Rz 82ff; F. Mosconi, La giurisdizione in materia di lavoro nel regolamento (CE) n. 44/2001, FS Sonnenberger, 2004, S 549; C. Müller, Die internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte und das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht, 2004; A. Nuyts, La compétence en matière de contrat de travail, in: Fentiman, L’espace judiciaire européen, 1999, 33; Polivka, Die gerichtliche Zuständigkeit in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nach revidiertem LuganoÜbereinkommen, 2001; Rauscher, Arbeitnehmerschutz – ein Ziel des Brüsseler Übereinkommens, FS Schütze, 1999, S 695; Simons, Gerichtsstand und Vertragsstatut im komplexen Arbeitsverhältnis, EuLF 2003, 183; Trenner, Internationale Gerichtsstände in grenzüberschreitenden Arbeitsstreitigkeiten, 2001; A. Winterling, Die Entscheidungszuständigkeit in Arbeitssachen im europäischen Zivilverfahrensrecht, 2006.
b) EuGVO/LugÜ 170 EuGVO und LugÜ 2007 regeln die internationale Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge in Abschnitt 5 (Art 18–21 EuGVO/LugÜ bzw Art 20–23 EuGVO nF). Die Regelung ist abschließend und verdrängt alle anderen Gerichtsstände mit Ausnahme der ausdrücklich zugelassenen Gerichtsstände
457 EuGHE 2010, I-4545 (CˇPP, Vienna Insurance Group v Bilas) = RIW 2010, 468 (dazu Staudinger IPRax 2011, 548; Sperlich/Wolf VersR 2010, 1101); OLG Koblenz IPRax 2001, 334; Rauscher/Staudinger Art 17 Brüssel I-VO Rz 1; Stein/Jonas/Wagner Art 17 EuGVO Rz 4; Ganssauge S 71ff; aA für Passivprozesse gegen den Verbraucher: Mankowski IPRax 2001, 310, 312ff.
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nach Art 4, 5 Nr 5 und 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 6, 7 Nr 5 u Art 8 Nr 1 u 3 EuGVO nF).458 Unter einem individuellen Arbeitsvertrag ist eine Vereinbarung zu verstehen, die eine abhängige, weisungsgebundene Tätigkeit während einer bestimmten Zeit zum Gegenstand hat, bei der der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise in den Betrieb des Arbeitgebers eingebunden ist.459 Unterschieden wird ähnlich wie in Verbrauchersachen zwischen der Klage des Arbeitnehmers und der des Arbeitgebers.460 Dem Arbeitnehmer wird die Rechtsverfolgung erleichtert. Nach Art 19 EuGVO/ 171 LugÜ (bzw Art 21 EuGVO nF) kann er den Arbeitgeber verklagen (1) vor den Gerichten des Staats, in dem dieser seinen Wohnsitz bzw Sitz (iS der Art 59, 60 EuGVO/LugÜ bzw Art 62, 63 EuGVO nF) hat, (2) in einem anderen Mitglied- bzw Vertragsstaat vor dem Gericht des gewöhnlichen Arbeitsortes des Arbeitnehmers. Hat der Arbeitnehmer gewöhnlich nicht nur in einem Staat gearbeitet, kann er auch vor dem Gericht des Ortes klagen, an dem sich die Niederlassung, die ihn eingestellt hat, befindet oder befand. Diese Regelung entspricht der sich zuvor aus Art 2 und 5 Nr 1 EuGVÜ erge- 172 benden Rechtslage. Der Begriff des „gewöhnlichen Arbeitsortes“ ist autonom auszulegen.461 Abzustellen ist auf den (aktuellen) Ort (in einem Staat), an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit leistet.462 In Entsendefällen bleibt der Arbeitsort beim entsendenden Arbeitgeber erhalten; ggf wird am Entsendeort ein zweiter Arbeitsvertrag geschlossen und daraus ein neuer Arbeitsort begründet.463 Das Bordpersonal von Flugzeugen hat keinen gewöhnlichen Arbeitsort; abzustellen ist nach hM auf den Ort der einstellenden Niederlassung, nicht auf den Registerstaat des Flugzeugs.464 Arbeitet jemand als Seemann im Rahmen des internationalen Seeverkehrs, so ist primär auf die Flagge abzustellen, unter der das Schiff fährt.465 Bei einem Binnenschiffer hat das BAG überzeugender auf den Ort abgestellt, von dem aus immer die Arbeit angetreten wird.466 Arbeitet der Arbeitnehmer in mehreren Staaten (zB als 458 BAG RIW 2010, 232, 234 (Tz 40); Simons, unalex Kommentar vor Artt. 18–21 Brüssel I-VO Rz 7. 459 EuGHE 1992, I-1027 (Raulin v Minister van Onderwijs en Wetenschappen); BAG RIW 2010, 232, 235 (Tz 40); Simons, unalex Kommentar Art 18 Brüssel I-VO Rz 3. 460 Vgl Hausmann EuLF 2000, 40, 46. 461 BAG RIW 2010, 232, 235 (Tz 44); Rauscher/Mankowski Art 19 Brüssel I-VO Rz 4. 462 BAG RIW 2010, 232, 235 (Tz 46); Simons, unalex Kommentar Art 19 Brüssel I-VO Rz 11ff; Stein/Jonas/Wagner Art 19 EuGVO Rz 8ff. 463 Stein/Jonas/Wagner Art 19 EuGVO Rz 17ff. 464 Vgl BAG NZA 2002, 734, 736 = IPRax 2003, 258 (aA Franzen S 239); Simons, unalex Kommentar Art 19 Brüssel I-VO Rz 28; aA Rauscher/Mankowski Art 19 Brüssel I-VO Rz 10. 465 BAG RIW 2010, 232, 235/6 (Tz 47); zu Recht krit Simons, unalex Kommentar Art 19 Brüssel I-VO Rz 26f; Stein/Jonas/Wagner Art 19 EuGVO Rz 21ff. 466 BAG RIW 2011, 883, 885 (Tz 27ff).
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Auslandskorrespondent), ist Arbeitsort der Ort, der den tatsächlichen Mittelpunkt der Berufstätigkeit bildet oder von dem aus er den wesentlichen Teil seiner Arbeitspflichten aus erfüllt.467 173 Da die bisherige Regelung bei Flugpersonal und Seeleuten dem beabsichtigten sozialen Schutzzweck nicht gerecht wird, erweitert Art 21 I lit b (i) EuGVO nF die Gerichtspflichtigkeit des Arbeitgebers auf das Gericht des Ortes, „von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ (Ort des Arbeitsantritts). 174 Befindet sich der Arbeitsort gewöhnlich nicht nur in ein und demselben Staat, fehlt es also an einem gewöhnlichen Arbeitsort, ist nach Art 19 Nr 2 lit b EuGVO/LugÜ (bzw Art 21 I lit b (ii) EuGVO nF) auf den Ort der Niederlassung abzustellen, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.468 Zuständigkeitsbegründend ist nur die einstellende Niederlassung, nicht die Niederlassung, bei der der Arbeitnehmer als Beschäftigter geführt wird.469 175 Befindet sich der gewöhnliche Arbeitsort in einem Drittstaat, verweist Art 19 Nr 2 lit a EuGVO/LugÜ derzeit auf den Drittstaat (dessen Recht über die Zuständigkeit entscheidet). Ein Gerichtsstand ist nach Art 19 Nr 1 EuGVO/LugÜ nur dann in der EU eröffnet, wenn der Arbeitgeber seinen Wohnsitz in einem Mitglied- bzw Vertragsstaat hat.470 Eine Anknüpfung an Art 19 Nr 2 lit b EuGVO/LugÜ (Ort der einstellenden Niederlassung) steht nur offen, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig nicht nur in einem Staat arbeitet.471 176 Wird ein Arbeitnehmer für zwei Arbeitgeber tätig, so kann der erste Arbeitgeber auch an dem Ort verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer für den zweiten Arbeitgeber arbeitet, wenn der erste Arbeitgeber bei Abschluss des zweiten Vertrags ein Interesse an der Erfüllung dieses Vertrags hatte.472 Die Regelung ist halbzwingend: Von ihr kann durch Vereinbarung nur nach Entstehen der Streitigkeit oder zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (Art 21 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 23 Nr 1 EuGVO nF). 177 Zum Schutz von in einen anderen EU-Staat entsandten Arbeitnehmern sieht Art 6 der Entsende-Richtlinie 96/71/EG einen zusätzlichen Gerichtsstand (Art 67 EuGVO) für Klagen des Arbeitnehmers vor. In Deutschland ist Art 6 durch das AEntG umgesetzt worden. 467 EuGHE 1997, I-57 (Rutten v Cross Medical) = IPRax 1999, 365, 367 (Rz 22ff) (dazu Mankowski S 332); OGH IPRax 2010, 71 (dazu F. Temming, S 59); vgl auch EuGHE 2011, I-1595 (Koeltzsch) (zu Art 6 EVÜ). Ein Arbeitsort auf dem Festlandsockel vor einem Mitgliedstaat wird als Ort innerhalb des Hoheitsgebiets behandelt, so EuGHE 2002, I-2013 (Weber v Universal Ogden Services) = IPRax 2003, 45 (dazu Mankowski 21) = ZZPInt 7 (2002), 220 (Junker). 468 BAG RIW 2010, 232, 236 (Tz 51); Simons, unalex Kommentar Art 19 Brüssel I-VO Rz 31. 469 Vgl EuGH (15.12.2011, C-384/10) (Voogsgeerd) ZIP 2012, 143 (zu Art 6 II EVÜ); dazu Mankowski EWiR 2012, 109. 470 Stein/Jonas/Wagner Art 19 EuGVO Rz 27. 471 Simons, unalex Kommentar Art 19 Brüssel I-VO Rz 32. 472 EuGHE 2003, I-3573 (Pugliese v Finmeccanica) = IPRax 2004, 336 (dazu Krebber S 309) = RIW 2004, 133 (Mankowski) = ZZPInt 8 (2003), 486 (Junker).
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§ 15 AEntG in der Neufassung von 2009 lautet wie folgt: „Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes entsandt sind oder waren, können eine auf den Zeitraum der Entsendung bezogene Klage auf Erfüllung der Verpflichtungen nach den §§ 2, 8 oder 14 auch vor einem deutschen Gericht für Arbeitssachen erheben. Diese Klagemöglichkeit besteht auch für eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 5 Nr 3 in Bezug auf die ihr zustehenden Beiträge.“
Nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer können danach im Inland Klage erheben. Dadurch wird erreicht, dass sie die ihnen (ohne Rechtswahl) nach Art 8 II Rom I-VO nach deutschem Recht zustehenden Ansprüche auch vor deutschen Gerichten einklagen können.473 Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer dagegen nur vor den Gerichten seines 178 Wohnsitzstaats verklagen sowie auf Arbeitnehmerklage Widerklage erheben (Art 20 EuGVO/LugÜ bzw Art 22 EuGVO nF). Eine Klage am gewöhnlichen Arbeitsort ist grds unzulässig. Diese Regelung schützt den Arbeitnehmer stärker als bisher, wenn Wohnsitz und Staat des gewöhnlichen Arbeitsorts auseinanderfallen. Auch diese Regel ist halbzwingend. Von ihr kann wiederum durch Vereinbarung nur nach Entstehen der Streitigkeit (s u Rz 238) und nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Verstöße sind derzeit im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren unbe- 179 achtlich (Art 35 I EuGVO/LugÜ).474 Nach dem Wirksamwerden der Neufassung der EuGVO 2015 ist dagegen die Anerkennung und die Vollstreckung einer Entscheidung, die gegen die Arbeitnehmerschutzregeln verstößt, auf Antrag nach Art 45 I lit e (i), 46 EuGVO nF zu versagen. Nach Art 18 I EuGVO/LugÜ gelten die Art 18–21 EuGVO/LugÜ derzeit nur 180 vorbehaltlich der Art 4 und Art 5 Nr 5 EuGVO/LugG. Sie gelten also nicht, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat. Handelt es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, so können Klagen nach Art 5 Nr 5 EuGVO/LugÜ von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor dem Gericht des Ortes der Zweigniederlassung erhoben werden. Hat der Arbeitgeber in einem EU-Mitgliedstaat keinen Sitz, sondern nur eine Zweigniederlassung, so ist diese für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb als Wohnsitz zu behandeln (Art 18 II EuGVO/LugÜ). Nach Art 20 II EuGVO/LugÜ kann die Gegenpartei zudem stets eine Widerklage gem Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ erheben. Die Neufassung der EuGVO erweitert den prozessualen Arbeitnehmerschutz auf Arbeitgeber mit Sitz in einem Drittstaat. Nach Art 21 II EuGVO nF kann ein solcher Arbeitgeber künftig (1) vor dem Gericht des (letzten) gewöhnlichen Arbeitsortes oder (2) bei gewöhnlicher Arbeit in mehr als einem Staat vor dem Gericht verklagen, das für die einstellende Niederlassung zuständig ist.
473 ErfK/Schlachter, 13. Aufl 2013, § 15 AEntG Rz 1. 474 Hausmann EuLF 2000, 40, 47; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 332.
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181 Allerdings bleibt neben den Art 18ff EuGVO sowie nach hM bei deliktischen Ansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer Art 5 Nr 3 EuGVO/ LugÜ bzw Art 7 Nr 2 EuGVO nF anwendbar.475 182 Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ findet dagegen derzeit auf die Klage eines Arbeitnehmers gegen mehrere Arbeitgeber keine Anwendung, da in den Art 18ff EuGVO nicht auf Art 6 Nr 1 EuGVO verwiesen wird.476 Mit Wirksamwerden der Neufassung der EuGVO 2015 ändert sich dies, denn Art 20 I EuGVO nF verweist ausdrücklich auch auf Art 8 Nr 1 EuGVO nF.
c) LugÜ 1988 183 Für Streitigkeiten aus einem individuellen Arbeitsvertrag waren nach der Ergänzung von Art 5 Nr 1 EuGVÜ durch das 3. Beitrittsübereinkommen einheitlich die Gerichte des gewöhnlichen Arbeitsortes zuständig. Liegt dieser Arbeitsort außerhalb eines Vertragsstaats, so richtet sich die Zuständigkeit nach Art 2 nach dem Wohnsitz des Beklagten477 bzw ganz nach autonomem Recht. Arbeitet der Arbeitnehmer regelmäßig in mehreren Mitglied- bzw Vertragsstaaten, so kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auch vor den Gerichten des Ortes verklagen, an dem sich die Niederlassung befindet oder befand, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (Art 5 Nr 1, 2. Hs EuGVÜ). 184 Das Luganer GVÜ 1988 weicht bei der Arbeit in mehreren Vertragsstaaten vom EuGVÜ ab und eröffnet diese Wahl nur für den Ort, an dem sich die Niederlassung noch bei Prozessbeginn befindet.
13. Gerichtsstandsvereinbarungen a) Schrifttum 185 (1) Zur EuGVO: P. Beaumont/B. Yüksel, The Validity of Choice of Court Agreements under the Brussels I Regulation and the Hague Choice of Court Agreements Convention, Liber Amicorum Siehr, 2010, S 563; M. Boccatoschi, Zuständigkeits- und Gerichtsstandsvereinbarungen im deutschen und italienischen Recht, 2005; A. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law (Ch. 7), 2008, S 237; S. Fernández, Choice-ofcourt agreemeents: Breach and damages within the Brussels I regime, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 377; Frauenberger-Feiler, Der „reine Binnensachverhalt“, Art 23 EuGVVO und der öOGH, FS Rechberger, 2005, S 125; M. Gebauer, Das Prorogationsstatur im Europäischen Zivilprozessrecht, FS v. Hoffmann, 2011, S 577; J. Heinig, Die AGB-Kontrolle von Gerichtsstandsklauseln – zum Urteil Pannon des EuGH, EuZW 2010, 885; J. Heinig, Grenzen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht, 2010; Horn, Einwand des Rechtsmißbrauchs gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung iS des Art 23 EuGVO?, IPRax 2006, 2; Leible/Röder, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht, RIW 2007, 481. Lindacher, Internationale Gerichtsstandsklauseln in AGB unter dem Geltungsregime 475 Rauscher/Mankowski Art 18 Brüssel I-VO Rz 2; aA Rauscher, FS Schütze, S 695, 706; nur für Ansprüche ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis Simons, unalex Kommentar Art 20 Brüssel I-VO Rz 4. 476 EuGHE 2008, I-3965 (Glaxosmithkline v Rouard) = RIW 2008, 559. 477 EuGHE 1989, 341 (Six Constructions v Humbert) = RIW 1990, 139 = IPRax 1990, 173 (dazu Rauscher S 152).
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von Brüssel I, FS Schlosser, 2005, S 491; Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und das darauf anwendbare Recht, 2002; L. Merrett, The enforcement of jurisdiction agreements within the Brussels regime, ICLQ 55 (2006), 315; L. Merrett, Article 23 of the Brussels I Regulation: A Comprehensive Code for Jurisdiction Agreements?, ICLQ 58 (2009), 545; Mülbert, Gerichtsstandsklauseln als materielle Satzungsbestandteile, ZZP 118 (2005), 313; C. Parenti, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen: Lex fori oder lex causae Anknüpfung?, ZfRV 2003, 221; Reithmann/Martiny/ Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl 2010, Rz 6352ff; J. Samtleben, Der Art 23 EuGVO als einheitlicher Maßstab für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, FS Ansay, 2008, S 343; S. Sánchez Fernández, Choice-of-Court Agreements: Breach and Damages within the Brussels I Regime, Yearbook PIL 12 (2010), 377; M. Schaper/C.Ph. Eberlein, Die Berhandlung von Drittstaaten-Gerichtsstandsvereinbarungen vor europäischen Gerichten – de lege lata und de lege ferenda, RIW 2012, 43; D.-A. Simotta, Wie ‚international‘ muss eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVVO … sein, FS Yessiou-Faltsi, 2007, S 633; M. Stürner, Gerichtsstandsvereinbarungen und Europäisches Insolvenzrecht, IPRax 2005, 416; M. Stürner, Schweigen als Zustimmung zu Gerichtsstandsklausel?, ZEuP 2012, 351, R. Welter, Bankgeschäfte und Neuigkeiten zum Europäischen Internationalen Verfahrensrecht, FS Hadding, 2004, S 1191. Zur Reform: A. Briggs, What should be done about jurisdiction agreements?, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 311; R. Fentiman, Parallel Proceedings and Jurisdiction Agreements in Europe, in: P. de Vareilles-Sommières, Forum shopping in the European Judicial Area, 2007, p 27; P. Gottwald, Internationale Vereinbarungen des Erfüllungsortes und des Gerichtsstandes nach Brüssel I und Den Haaag, FS Erecin´ski, 2011, S 1067; Ch. Heinze, Choice of Court Agreements, Coordination of Proceedings and Provisional Measures in the Reform of the Brussels I Regulation, RabelsZ 75 (2011), 581; U. Magnus, Gerichtsstandsvereinbarungen im Vorschlag zur Reform der EuGVO, FS v. Hoffmann, 2011, S. 664; A. Nuyts, The enforcement of jurisdiction agreements further to Gasser and the Community principle of abuse of right, in: P. de Vareilles-Sommìères, Forum shopping, 2007, p 55; L. Radicati di Bronzolo, Choice of Court and Arbitration Agreements and the Review of the Brussels I Regulation, IPRax 2010, 121; D.-A. Simotta, Die Gerichtsstandsvereinbarung nach der neuen EuGVVO, IJPL 3 (2013), 49; K. Weitz, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen und positive international Kompetenzkonflikte – ein Beitrag zum Änderungsentwurf der Brüssel I-Verordnung, IJPL 1 (2011), 337. (2) Zu EuGVÜ/LugÜ: Gebauer, Zur Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen bei Vertragsketten, IPRax 2001, 471; Gottwald, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, FS Henckel, 1995, S 293; Haß, Zur internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in einer Patronatserklärung, IPRax 2000, 494; E. Hernández-Breton, Internationale Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1993; Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem LugÜ, 1993; Killias, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen mittels Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben?, Liber discipulorum Siehr, 2001, S 65; Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, 1995; Kröll, Gerichtsstandsvereinbarungen aufgrund Handelsbrauchs im Rahmen des GVÜ, ZZP 113 (2000), 135; Leipold, Zuständigkeitsvereinbarungen in Europa, Symposium für Schwab, 2000, S 51; Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit, 2002; P. Mankowski, Ist eine vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen möglich?, IPRax 2009, 1; R. Nagel, Neue Anforderungen an internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, BKR 2002, 146; Pfeiffer, Gerichtsstandsklauseln und EGKlauselrichtlinie, FS Schütze, 1999, S 671; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999 (§ 22); Rabe, Drittwirkung von Gerichtsstandsklauseln nach Art 17 EuGVÜ, TranspR 2000, 389; Rauscher, Gerichtsstandsbeeinflussende AGB im Geltungsbereich des EuGVÜ, ZZP 104 (1991), 271; Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, 1995; E. Sachpekidou, Substantive requirements and effects of jurisdiction agreements, in: Fentiman, L’espace judiciaire européen, 1999, 69; Saenger, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVÜ und LugÜ, ZZP 110
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(1997), 477; Saenger, Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, FS Sandrock, 2000, S 807; Saenger, Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVÜ in international handelsgebräuchlicher Form, ZEuP 2000, 656; Samtleben, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem EuGVÜ und nach der Gerichtsstandsnovelle, NJW 1974, 1590; Samtleben, Europäische Gerichtsstandsvereinbarungen und Drittstaaten – viel Lärm um nichts?, RabelsZ 59 (1995), 670; Sandrock, Die Prorogation der internationalen Zuständigkeit eines Gerichts durch hilfsweise Sacheinlassung des Beklagten, ZfVRwiss. 1979, 77; M. J. Schmidt, Kann Schweigen auf eine Gerichtsstandsklausel in AGB einen Gerichtsstand nach Art 17 EuGVÜ/LuganoÜ begründen?, RIW 1992, 173; O. Sieg, Internationale Gerichtsstands- und Schiedsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, RIW 1998, 102; Ch. Soulard, Les conditions de forme des clauses atributives de jurisdiction, in: Fentiman, L’espace judiciaire européen, 1999, 57; Spellenberg, Die Vereinbarung des Erfüllungsortes und Art 5 Nr 1 des EuGVÜ, IPRax 1981, 25; M. Staehlin, Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Handelsverkehr Europas, 1994; Stöve, Gerichtsstandsvereinbarungen nach Handelsbrauch, Art 17 EuGVÜ und § 38 ZPO, 1993; Vial, Die Gerichtsstandswahl und der Zugang zum internationalen Zivilprozess im deutsch-italienischen Zivilprozess, 1999.
b) Anwendungsbereich 186 Gerichtsstandsvereinbarungen müssen sich nach der EuGVO bzw dem LugÜ auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis beziehen. Dieses kann bereits entstanden oder noch künftig sein, doch muss es ausreichend individualisiert sein. Im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen kann eine generelle Vereinbarung für Geschäfte einer bestimmten Gattung geschlossen werden.478 Das wirksam vereinbarte Gericht ist auch zuständig, wenn die Parteien über die Wirksamkeit des Vertrags streiten, dessen Bestandteil die Gerichtsstandsvereinbarung ist.479 In Art 25 V EuGVO nF ist dies künftig ausdrücklich vorgesehen. 187 Nach Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF kann ein konkretes, örtlich und international zuständiges Gericht vereinbart werden. Es genügt aber, lediglich die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staats zu fixieren. Die örtliche Zuständigkeit ist dann nach dem nationalen Prozessrecht des prorogierten Staats zu bestimmen.480 Zulässig ist auch, alternativ die Zuständigkeit der Gerichte in mehreren Mitglied- bzw Vertragsstaaten zu vereinbaren.481 Über die Vereinbarung hinaus bedarf es keines besonderen Inlandsbezuges der Streitsache zu dem prorogierten Staat; Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF lassen daher die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes zu.482
478 OLG Oldenburg IPRax 1999, 458 (dazu Kindler/Haneke S 435); MüKo/Gottwald, Art 23 EuGVO Rz 64. 479 EuGHE 1997, I-3767 (Benincasa v Dentalkit) = JZ 1998, 896 (Mankowski); BGH NJW 2006, 1672, 1673; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 114f. 480 LG Mainz EWiR Art 23 EuGVVO 1/05, 825 (Schulte-Hillen/Friedl); MüKo/Gottwald Art 23 EuGVO Rz 56. 481 Killias S 108. 482 EuGHE 1980, 89, 97 (Zelger v Salinitri) = IPRax 1981, 89, 91; F. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, S 275ff; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 12.
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§3
(1) Auf reine Binnensachverhalte ist Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO 188 nF nicht anzuwenden.483 Vereinbaren zwei inländische Parteien die Zuständigkeit eines inländischen Gerichts, so richtet sich die Wirksamkeit dieser Vereinbarung nach § 38 ZPO.484 (Klagt allerdings eine Partei in diesem Fall prorogationswidrig in einem anderen EU-Mitgliedstaat, so ist die Wirksamkeit der Prorogation dort nach Art 23 EuGVO bzw Art 25 EuGVO nF zu beurteilen.485) Vereinbaren die im gleichen Mitgliedstaat wohnenden Parteien die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats, so ist Art 23 EuGVO/ LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF einschlägig; ein Inlandsfall liegt nicht mehr vor.486 Die Parteien können durchaus ein berechtigtes Interesse an einer solchen Vereinbarung haben; diese ist daher nicht per se als Mißbrauchsfall einzustufen.487 Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF soll bereits dann anwendbar sein, wenn nur der Sachverhalt selbst Auslandsbezug hat.488 (2) Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF ist auch dann anzuwenden, 189 wenn die Prorogation eines Gerichts eines Mitgliedstaats zur Derogation der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats führt. Beispiel: Ein Deutscher mietet von einem anderen Deutschen einen PKW. Sie vereinbaren die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts. Der Mieter verursacht mit dem Wagen in Frankreich einen Unfall. Der Deliktgerichtsstand von EuGVO bzw LugÜ wäre derogiert; die EuGVO bzw das LugÜ sind dagegen anwendbar.489 (3) Art 23 EuGVO/LugÜ setzen voraus, dass mindestens eine der Parteien ih- 190 ren Wohnsitz in einem der Mitgliedstaaten hat. Schwierigkeiten bestehen nicht, wenn beide Parteien der Vereinbarung in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnen, zumal dadurch eine hinreichende Auslandsbeziehung besteht. Wohnen aber beide Parteien in demselben Mitgliedstaat und vereinbaren sie die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats, so wird dadurch ebenfalls eine ausreichende Auslandsbeziehung geschaffen (s o Rz 188). Von Art 23 EuGVO/LugÜ wird auch der Fall erfasst, dass die „nationale“ Gerichtsstandsvereinbarung eine Zuständigkeit in einem anderen Mitglieder- bzw Vertragsstaat derogiert.490 (4) Vereinbaren die in den Mitgliedstaaten wohnenden Parteien die Zuständig- 191 keit eines Gerichts, das keinem Mitglied- bzw Vertragsstaat angehört, so fin483 Aull S 103ff; Killias S 52ff; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 38; MüKo/Gottwald, Art 23 EuGVO Rz 4; Mülbert ZZP 118 (2005), 313, 324; aA Geimer/Schütze, EuZVR, Art 23 Rz 36f. 484 Samtleben FS Ansay, S 343, 356f. 485 Samtleben, FS Ansay, S 343, 357. 486 Aull S 125ff; Jayme/Aull IPRax 1989, 80; Frauenberger-Feiler, FS Rechberger, S 125; Samtleben, FS Ansay, S 343, 358; Simotta, FS Yessiou-Faltsi, S 633, 655ff; MüKo/ Gottwald Art 23 EuGVO Rz 2; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 19; aA öOGH JBl 2004, 187 (abl Klicka); OLG Hamm IPRax 1999, 244 (dazu Aull S 226); Killias S 69. 487 So aber Ch. Thole ZZP 122 (2009), 423, 444f. 488 Rauscher IPR, Rz 1871f.(4). 489 Aull S 113ff; Kohler IPRax 1983, 266; Killias S 74ff; Rauscher IPR, Rz 1865; Geimer/ Schütze EuZPR Art 23 Rz 37. 490 Geimer/Schütze/Auer IRV Art 17 Rz 27.
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det Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF nach dem klaren Wortlaut des Abs 1 keine Anwendung. Die zuständigkeitsbegründende Wirkung richtet sich nach der lex fori des prorogierten Staats. Die Derogationswirkung richtet sich dementsprechend nach verbreiteter Ansicht nach der lex fori des derogierten Gerichts, doch sollte Art 23 III EuGVO/LugÜ (bzw Art 25 EuGVO nF) auf die Derogation zugunsten von Drittstaatgerichten analog angewendet werden.491 192 (5) Dagegen umfasst Art 23 EuGVO/LugÜ den Fall, dass eine Partei in einem Mitglied- bzw Vertragsstaat wohnt, die andere in einem Drittstaat, und beide die Zuständigkeit eines Gerichts des Mitglied- bzw Vertragsstaats, in dem die eine Partei wohnt, (unter Derogation der Zuständigkeit im Drittstaat) vereinbaren.492 Danach ist Art 23 EuGVO/LugÜ auch dann anzuwenden, wenn eine in Deutschland ansässige Firma mit ihrem New Yorker Geschäftspartner einen Gerichtsstand in Deutschland vereinbart.493 Diese Ansicht wird durch Erwägungsgrund (8) zur EuGVO bestätigt. Den Vertretern der Gegenmeinung ist entgegenzuhalten, dass es bei EuGVO bzw LugÜ auch um die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen unter den Mitglieds- bzw Vertragsstaaten geht. Im gegebenen Fall müsste das deutsche Urteil in anderen Mitglied- bzw Vertragsstaaten anerkannt werden, Art 33 EuGVO/LugÜ. Dafür spricht insb auch die Tatsache, dass die Formvorschriften für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVO/LugÜ strenger sind als nach § 38 ZPO. Das gegebene Beispiel lässt sich erweitern. Befindet sich der New Yorker Geschäftspartner der Bremer Firma vorübergehend in Bremen und schließen die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung, nach der die Bremer Gerichte zuständig sein sollen, so liegt kein reiner Binnenfall vor. Eine Auslandsbeziehung besteht in der Person des zufällig in Bremen anwesenden Geschäftspartners. Auch auf diesen Fall muss Art 23 EuGVO/LugÜ angewendet werden, weil eine Partei im Hoheitsgebiet eines Mitglieds- bzw Vertragsstaats wohnt. Es kann also nicht stimmen, dass durch die Prorogation eines deutschen Gerichts immer ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats derogiert sein muss.494 Der Rechtsverkehr 491 Kropholler/v. Hein Art 23 EuGVO Rz 14; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 30; Schaper/Eberlein RIW 2012, 43, 45 (S 48 für generell analoge Anwendung von Art 23); auch Samtleben, FS Ansay, S 343, 354f. 492 Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 32ff; Grolimund S 71ff, 151f, 185ff; Samtleben FS Ansay, S. 343, 351; das besagt auch der Jenard-Bericht zu dem EG-Übereinkommen, Art 17: „desgleichen bei Vereinbarungen zwischen einem in einem Vertragsstaat und einer außerhalb der Gemeinschaft wohnenden Person, sofern die Zuständigkeit eines Gerichts eines Vertragsstaates vereinbart worden ist“. 493 EuGHE 2000, I-5925 (Group Josi Reinsurance) = NJW 2000, 3121 = IPRax 2000, 520 (dazu Staudinger S 483, 484); EuGHE 2000, I-9337 (Rz 16ff) (Coreck Maritime v Handelsveem) = NJW 2001, 501 = ZIP 2001, 215; Aull S 164ff; Burgstaller/Ritzberger Rz 2.138; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 5; Gebauer, in: Gebauer/ Wiedmann, Kap 27 Rz 110; Geimer/Schütze/Auer Art 17 Rz 21; Killias S 54ff; MüKo/Gottwald Art 23 EuGVO Rz 6ff; Rauscher IPR, Rz 1867f; Schlosser Art 23 EuGVO Rz 6; aA Samtleben NJW 1974, 1593; Arnold RIW/AWD 1969, 90; Stein/Jonas/Bork § 38 ZPO Rz 24. 494 Ebenso Coester-Waltjen, FS Nakamura, S 89, 112; aA Piltz NJW 1979, 1071. So auch Sandrock/Jung, 810; wie hier: Geimer/Schütze I 257 und 891.
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zwischen den Mitgliedstaaten wird auch durch die Anerkennung und Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidungen geregelt. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Wohnsitzerfordernis ist der Zeitpunkt des 193 Vertragsschlusses;495 es genügt aber, wenn die Voraussetzungen nachträglich bei Klageerhebung (oder noch genauer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung) vorliegen.496 Umgekehrt besteht allerdings kein Vertrauensschutz in die Wirksamkeit einer Prorogation, die der Form des Art 23 EuGVO/LugÜ nicht genügt.497 (6) Haben beide Parteien ihren Wohnsitz in einem Drittstaat ist die Derogationswirkung der Vereinbarung in jedem Vertragsstaat nach Art 23 III EuGVO/ LugÜ zu beachten. Zulässigkeit und Wirksamkeit der Prorogation richten sich jedoch derzeit nach autonomem Recht.498
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Art 25 I EuGVO nF erweitert den Anwendungsbereich des europäischen 195 Rechts auf alle Vereinbarungen der Gerichte eines EU-Mitgliedstaats unabhängig vom Wohnsitz beider Parteien. Erfasst ist künftig also auch die Vereinbarung durch zwei Parteien aus Drittstaaten.499 Die mit der Prorogation eventuell verbundene Derogationswirkung in einem anderen Mitgliedstaat ist in der Neufassung nicht mehr direkt angesprochen, ist aber sinngemäß weiterhin anzuerkennen. (7) Nach einem Inkrafttreten des Haager Übereinkommens über Gerichts- 196 standsvereinbarungen (s u Rz 300ff) würde sich der Vorrang von Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF auf innergemeinschaftliche Sachverhalte beschränken (Art 26 VI HaagerÜbk).500 (8) Art 23 EuGVO/LugÜ schließt es aus, dass in ihrem Geltungsbereich hin- 197 sichtlich der Gerichtsstandsvereinbarungen auf Regelungen in den nationalen Zivilprozessgesetzen zurückgegriffen wird. Die Prorogationsfreiheit darf also nicht erweitert (wie zB nach § 38 I ZPO) noch darf sie beschränkt werden. Nach EuGH501 steht es den Mitgliedstaaten nicht frei, zusätzlich zu den Formvorschriften des Übereinkommens – etwa durch Sprachvorschriften – weitere Formvorschriften festzulegen.502, 503 Da Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF keinen Unterschied zwischen 198 Gerichtsstandsvereinbarungen unter Kaufleuten und solchen unter Nichtkauf495 Geimer IZPR, Rz 1645. 496 Kropholler/v. Hein Art 23 EuGVO Rz 11 (Klageerhebung); Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 123; Mülbert ZZP 118 (2005), 313, 325. 497 Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 45f. 498 Coester-Waltjen, FS Nakamura, S 89, 112; Samtleben, FS Ansay, S 343, 359f; Schaper/Eberlein RIW 2012, 43, 45; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 43. 499 Vgl MüKo/Gottwald, Art 23 EuGVO Rz 12f. 500 Vgl Kreuzer RabelsZ 70 (2006), 1, 52f. 501 EuGHE 1981, 1671 (Elefanten Schuh v Jacqmain) = IPRax 1982, 234. 502 Zustimmend Leipold IPRax 1982, 124. 503 Zu internationalrechtlichen Problemen bei Prorogation und Derogation vgl im Einzelnen Roth ZZP 93 (1980), 156.
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leuten machen, können zwei in Deutschland wohnende Nichtkaufleute die Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Mitglied- bzw Vertragsstaats vereinbaren. Es wird auch nicht darauf abgestellt, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort nach Vertragsschluss ins Ausland verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr bekannt ist. 199 (9) Die Parteien können die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats oder ein konkretes Gericht vereinbaren. Haben sie nur generell die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats vereinbart, so ist die örtliche Zuständigkeit nach autonomem Recht zu bestimmen.504 Sieht dieses keine örtliche Anknüpfung vor, so wollen manche Art 24 EuGVO/LugÜ (bzw Art 26 EuGVO nF) (rügelose Einlassung) analog anwenden.505 Den Parteien sollte aber eine feste örtliche Zuständigkeit vorgegeben werden. Deshalb sollte in diesem Fall eine örtliche Notzuständigkeit, in Deutschland etwa am Gericht der Hauptstadt bestehen.506 200 Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, ist autonom zu bestimmen. Danach sind statutarische Gerichtsstandsklauseln grds zulässig. Die Satzung einer Aktiengesellschaft kann deshalb für Ansprüche der Aktionäre untereinander eine entsprechende „Vereinbarung“ enthalten.507 Zulässig soll es auch sein, in der Satzung einen Gerichtsstand für Streitigkeiten der Aktionäre gegen die Gesellschaft aus dem Erwerb, dem Halten oder der Aufgabe der Beteiligung eines Aktionärs zu regeln.508 201 Ob im Einzelfall eine wirksame Vereinbarung vorliegt, ist hinsichtlich Zulässigkeit, Form und Wirkung nach Art 23 EuGVO/LugÜ (als der lex fori), hinsichtlich des Abschlusstatbestandes (Geschäftsfähigkeit, Vollmacht, Fehlen von Willensmängeln) und der Wirksamkeit der Vereinbarung dagegen grds nach der kollisionsrechtlich zu bestimmenden lex causae zu beurteilen.509 Allerdings wird zT aus der Rspr des EuGH abgeleitet, dass Konsens- und Formfragen weitgehend verschmolzen sind und die Unterscheidung nicht aufrechterhalten werden kann.510 Art 23 EuGVO/LugÜ verdrängen daher die lex
504 505 506 507
Geimer/Schütze EuZVR Art 23 Rz 145. So Simotta, FS Yessiou-Faltsi, 2007, S 633, 652. Geimer/Schütze, EuZVR Art 23 Rz 146. EuGHE 1992, I-1745 (Powell Duffryn v Petereit) = NJW 1992, 1671 = IPRax 1993, 32 (dazu Koch IPRax 1993, 19); BGHZ 123, 347 = WM 1993, 2123; Karré-Abermann ZEuP 1994, 142; Bork ZHR 157 (1993), 48. 508 Mülbert ZZP 118 (2005), 313ff. 509 Gottwald, FS Henckel, 1995, S 293; Killias S 9ff, 13ff; Staehelin S 159ff, 178ff; Kropholler/v. Hein Art 23 Rz 28; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 50, 52f; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 10, 41; Schlosser Art 23 EuGVO Rz 3; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 40f; Adolphsen ZZPInt 4 (1999), 243, 246f; G. Wagner, Prozessverträge, 1998, S 384; vgl Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und darauf anwendbares Recht, 2002. 510 Grolimund, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 24.
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causae auch für das Zustandekommen der Einigung zumindest in den Fällen der Gepflogenheiten zwischen den Parteien und der Handelsbräuche.511 Mit dem Inkrafttreten der neu gefassten EuGVO ändert sich die Rechtslage: 202 Nach Erwägungsgrund 20 und Art 25 I EuGVO nF entscheidet über die materielle Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht mehr die frei vereinbarte lex causae, sondern das Recht (einschließlich des Kollisionsrechts) des gewählten Mitgliedstaats (s u Rz 224). Die Kompetenz zur Entscheidung über die Wirksamkeit einer Vereinbarung 203 steht dem zuerst angerufenen Gericht zu (vgl Art 27 EuGVO/LugÜ). Eine vorrangige Kompetenz-Kompetenz des (angeblich) vereinbarten Gerichts besteht derzeit nicht.512 Auch insoweit ändert sich die Rechtslage mit Inkrafttreten der neu gefassten 204 EuGVO. Nach Erwägungsgrund 22 und Art 31 II, III EuGVO nF hat das in der Vereinbarung als zuständig bezeichnete Gericht eine vorrangige Kompetenz, über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden. Jedes andere angerufene Gericht hat sein Verfahren solange auszusetzen, bis das „vereinbarte Gericht“ entschieden hat, dass es nicht aufgrund der Vereinbarung zuständig ist (Art 31 II EuGVO nF). Bejaht das vereinbarte Gericht seine Kompetenz, erklärt sich das vereinbarungswidrig angerufene Gericht für unzuständig (Art 31 III EuGVO nF). Ein deutsches Gericht weist die Klage dann als unzulässig ab. Nach Erwägungsgrund 22 Abs. 2 EuGVO nF soll diese Ausnahme von der all- 205 gemeinen Rechtshängigkeitsregel, nach der das zuerst angerufene Gericht über seine Zuständigkeit entscheidet, aber nicht gelten, wenn die Parteien widersprüchliche ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen haben. Bei dem zweiten dort genannten Ausnahmefall, dass die Parteien das ausschließlich vereinbarte Gericht zuerst anrufen, ist evident, dass sich eine sinnvolle Lösung bereits aus der Anwendung von Art 29 EuGVO nF ergibt.
c) Formvorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen Die Parteien können eine Gerichtsstandsvereinbarung in schriftlicher (1), in 206 mündlicher, schriftlich bestätigter Form (2), in einer den Gepflogenheiten der Parteien entsprechenden Form (3) oder in einer Handelsbräuchen entsprechenden Weise (4) vereinbaren.513 Ist die Form eingehalten wird vermutet, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich besteht.514 Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nur wirksam, wenn sie einer dieser Formen genügt.
511 So Kröll ZZP 113 (2000), 135, 143ff; Saenger, FS Sandrock, S 807, 809ff, 815ff; Parenti ZfRV 2003, 221, 223; vgl auch Kubis IPRax 1999, 10, 11f. 512 Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 126; vgl E. Peiffer, Schutz gegen Klagen im forum prorogatum, 2013. 513 Vgl LG München I IPRax 1996, 266 (dazu Trunk S 249). 514 EuGHE 2000, I-9937 (Coreck Maritime) = NJW 2001, 501; EuGHE 1992, I-1745 (Powell Duffryn) = NJW 1992, 1671, 1672; BGH NJW 2006, 1672; vgl Hausmann, una-
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(1) Schriftlichkeit 207 Schriftlichkeit liegt vor, wenn in beiden Vertragserklärungen ein Hinweis auf die Gerichtsstandsabrede oder eine direkte Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Gerichtsstandsklausel vorsehen, enthalten ist.515 Unterschrieben müssen die Erklärungen nicht sein;516 die fehlende Unterschrift ist aber ein Indiz für fehlende Zustimmung.517 Dieselbe Sprache müssen die Parteien nicht verwenden, bei sachlichen Divergenzen der verschiedenen Sprachfassungen ist es allerdings Tatfrage, ob sich die Parteien geeinigt haben.518 208 Nicht ausreichend ist die bloße Beifügung der AGB zu einem Vertragsangebot oder die mittelbare Verweisung auf ein Klauselwerk, das seinerseits erst die Gerichtsstandsklausel enthält und das Schweigen darauf.519 Es genügt aber, wenn im Vertragstext deutlich sichtbar auf die „umseitigen“ AGB Bezug genommen wird, die die Gerichtsstandsvereinbarung enthalten.520 Im Urkundentext selbst muss die Gerichtsstandsabrede nicht enthalten sein.521 Es genügt, wenn die Klausel in AGBs enthalten ist, die der Auftragsbestätigung beigefügt sind und diese vom Kunden unterschrieben oder nochmals gegenbestätigt wird.522 Die konkrete Textseite mit der Gerichtsstandsklausel muss nicht unterschrieben sein.523 Im kaufmännischen Verkehr wurde in Deutschland vielfach die Ansicht vertreten, die Beifügung des Textes der AGB, die die Gerichtsstandsklausel enthalten, sei entbehrlich, wenn sich der Gegner diesen Text unschwer beschaffen kann.524 Im internationalen Rechtsverkehr erscheint dies aber als nicht akzeptabel. Daher werden insoweit strengere Anforderungen gestellt: Die bloße Bezugnahme auf AGB, die auf einer Internetseite eingestellt sind, genügt nicht. Erforderlich ist die tatsächliche Übersendung oder Vorkenntnis im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung.525 Nach der Art der Gestaltung und Bezugnahme kann aber die Bezugnahme auf AGBs überraschend und dann auch bei autonomer Auslegung unwirksam sein.526
515 516 517 518 519 520 521 522 523 524 525
526
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lex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 56, 61; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 41, 45. EuGHE 1976, 1831 (Estasis Salotti v Rüwa) = RIW 1977, 104; BayObLG ZIP 2001, 1564. Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 62; aA Magnus/Mankowski/ Magnus Art 23 Rz 95 (nur entbehrlich, soweit technisch nicht möglich). Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 15. Vgl Geimer/Schütze Art 23 Rz 93, 125. LG Düsseldorf RIW 1996, 774ff; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 16; Rauscher IPR, Rz 1891f. BayObLG RIW 2001, 699; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 67ff; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 59f. OLG Köln NJW 1988, 2182. Cour de Cass., 18.10.1994 [1996] ILPr 133; OLG Hamm RIW 1994, 877, 878. Cour de Cass. [2001] ILPr 164. MüKo/Gottwald, Art 23 EuGVO Rz 34; aA Schlosser Art 23 EuGVO Rz 26. OLG Celle RIW 2010, 164, 165 (S. Jungemeyer); Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 74ff; großzügiger Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 16a. OLG Düsseldorf RIW 1990, 577.
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Der bloße Hinweis oder die Bezugnahme nur in der Annahmeerklärung führen dagegen nicht zu einer Vereinbarung und genügen nicht dem Erfordernis der Schriftform.527 Nicht genügt die mehrfache Lieferung von Waren auf Bestellungen des Käufers, auf deren Rückseite AGB mit Gerichtsstandsklausel abgedruckt waren.528 Nicht genügt auch die bloße Erklärung, man habe von den Klauseln der Gegenseite Kenntnis erhalten.529 Die auf einem Formular des Gläubigers abgegebene Bürgschaftserklärung des Bürgen enthält keine Erklärung des Gläubigers, auch wenn sein Stempel auf dem Kopf der Erklärung abgedruckt ist; eine Vereinbarung über einen in der Bürgschaftserklärung vorgesehenen Gerichtsstand liegt daher nicht vor.530 Die Bank muss die Bürgschaftsverklärung daher annehmen. Die Satzung einer Aktiengesellschaft ist dem schriftlichen Vertrag gleich- 209 gestellt. An eine darin enthaltene Gerichtsstandsklausel für Streitigkeiten zwischen AG und Aktionären ist jeder Aktionär gebunden, unabhängig davon, ob er der Klausel zugestimmt hat.531 Trust-Bedingungen stehen nach Art 23 IV EuGVO/LugÜ bzw Art 25 IV EuG- 210 VO nF einer Vereinbarung gleich, so dass die Begünstigten ohne ihre Mitwirkung gebunden sind.
(2) Mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung (halbe Schriftlichkeit) Halbe Schriftlichkeit verlangt, dass der mündlichen Einigung über die Ge- 211 richtsstandsabrede eine schriftliche Bestätigung von einer (beliebigen) Seite nachfolgt.532 Diese Form ist damit nicht gewahrt, wenn eine Annahmeerklärung erstmals einen Bezug auf AGB enthält und anschließend Ware abgesendet und damit konkludent die Annahme angenommen wird.533 Sie ist auch nicht gewahrt, wenn der Kläger das schriftliche Angebot der anderen Seite konkludent annimmt.534 Nichts anderes gilt bei laufenden Geschäftsbeziehungen. Auch hier muss festgestellt werden, dass der Vertrag aufgrund der konkludenten, mit aus der Geschäftsbeziehung folgenden Einigung zu den AGB mit der Gerichtsstandsklausel abgewickelt werden sollte.535 Eine Gerichtsstandsklausel, die erstmals in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben enthalten 527 528 529 530 531
532 533 534 535
BGH RIW 1994, 508, 509; vgl MüKo/Gottwald Art 23 EuGVO Rz 34. Vgl M. Stürner ZEuP 2012, 351; Rauscher IPR, Rz 1894. BGH RIW 2004, 938, 939. BGH RIW 2001, 456, 457 = IPRax 2002, 124 (dazu krit Kröll S 113); Kropholler/ v. Hein Art 23 EuGVO Rz 33; krit Welter, FS Hadding, S 1191, 1196ff. EuGHE 1992, I-1756 (Powell Duffryn v Petereit) = NJW 1992, 1671 = IPRax 1993, 32 (dazu Koch S 19); Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 78; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 49ff. Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 65; Heiss ZfRV 2000, 202, 207ff. EuGHE 1976, 1851 (Segoura v Bonakdarian) = NJW 1977, 495; BGH BB 2004, 853 = NJW-RR 2004, 1292; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 23. Haß IPRax 2000, 494, 495 gegen LG Berlin IPRax 2000, 526. BGH RIW 1994, 508, 510; vgl Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 82.
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ist, genügt dieser Form nicht, führt aber ggf zu einer Einigung nach Handelsbrauch (s u Rz 215). 212 Wird ein Vertrag mit schriftlicher Gerichtsstandsklausel nach Zeitablauf formlos festgesetzt, so ist die Gerichtsstandsklausel weiterhin wirksam, wenn der Vertrag nach dem anwendbaren Recht formlos verlängert werden kann oder wenn der mündlichen (konkludenten) Vereinbarung die schriftliche Bestätigung einer Seite nachgefolgt ist und der Gegner nicht widersprochen hat.536
(3) Den Gepflogenheiten der Parteien entsprechende Form 213 Nach der durch das 3. Beitrittsübereinkommen 1989 gefundenen Fassung, die in die EuGVO übernommen wurde, ist eine Gerichtsstandsvereinbarung auch dann wirksam, wenn sie den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind. Diese Formulierung lehnt sich bewusst an Art 9 I CISG (das UN-Kaufrecht) an. Gepflogenheiten entstehen innerhalb einer andauernden Geschäftsverbindung. Praktisch erfasst wird damit wohl regelmäßig nur die stillschweigende, mündliche Verlängerung einer abgelaufenen Vereinbarung (unter Einbeziehung der bisherigen AGB) sowie die Vereinbarung aufgrund Schweigens auf ein Bestätigungsschreiben.537 In Betracht kommt auch die konkludente Billigung des einseitig vom Gegner unterschriebenen Textes.538 Ob zwischen den Parteien Gepflogenheiten entstanden sind, ist unter Beachtung aller Umstände zu entscheiden. Auf eine solche Übung kann bei einer länger dauernden Geschäftsbeziehung vor allem dann geschlossen werden, wenn diese bisher auf der Grundlage von Musterbedingungen eines Verbandes etc abgewickelt wurden, die branchenüblicherweise verwendet werden.539 Die „Gepflogenheiten“ ersetzen in jedem Fall nur die Schriftform, nicht die Einigung der Parteien.540 Da der Nachweis entsprechender Gepflogenheiten im Einzelfall problematisch sein kann, empfiehlt es sich dringend, den Gerichtsstand eindeutig schriftlich zu vereinbaren. Der bloße wiederholte Abdruck einer Gerichtsstandsklausel auf Rechnungen allein genügt nicht, um eine Vereinbarung anzunehmen.541
(4) Vereinbarung nach Handelsbrauch 214 Die ursprünglich allein vorgesehene Schriftform hatte zu praktischen Schwierigkeiten geführt. Deshalb wurde Art 17 EuGVÜ aF durch das 1. Beitrittsübereinkommen ergänzt und im 3. Beitrittsübereinkommen neu gefasst. Danach kann die Vereinbarung eines Gerichtsstands im internationalen Handel auch 536 EuGHE 1986, 3337 (Iveco Fiat v Van Hool) = NJW 1987, 2155; Kropholler/v. Hein Art 23 EuGVO Rz 44, 50; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 46ff. 537 Killias S 176ff; Magnus/Mankowski/Magnus Art 23 Rz 113. 538 LG Karlsruhe RIW 2001, 702, 704; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 26. 539 Rauscher ZZP 104 (1991), 271, 286. 540 BGH RIW 2004, 938 = IPRax 2005, 338 (dazu Hau S 301); Rauscher IPR, Rz 1894; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 93. 541 Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 74.
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in einer Form erfolgen, die einem in der betreffenden Branche für Verträge dieser Art üblichen Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten. Diese Regel ist in Art 23 I (c) EuGVO/LugÜ bzw Art 25 I (c) EuGVO nF übernommen worden. Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kann deshalb 215 zu einer Vereinbarung führen, wenn der Handelsbrauch dem Schweigenden bekannt sein musste.542 Eine vertragsmodifizierende Wirkung hat das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben nach hM insb im Anwendungsbereich von Art 9 II CISG.543 Nach Ansicht des EuGH kann das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das eine Gerichtsstandsklausel enthält, zu einer Vereinbarung nach Handelsbrauch führen, wenn eine entsprechende Bindung (1) einem Handelsbrauch im Bereich des internationalen Handelsverkehrs entspricht, (2) die Parteien in diesem Bereich tätig sind und (3) ihnen dieser Handelsbrauch bekannt ist oder als ihnen bekannt angesehen werden muss. Dies sei insb der Fall, wenn der Brauch in diesem Geschäftszweig allgemein befolgt wird. Die Kenntnis wird auch unterstellt, wenn die Parteien früher untereinander oder in dem Geschäftszweig mit anderen Partnern solche Geschäfte geschlossen haben, bei denen diese Übung befolgt wurde, das Verhalten also in dem Geschäftszweig als konsolidierte Praxis angesehen werden kann.544 Das entsprechende Parteiverhalten braucht nicht für bestimmte Länder oder gar alle EUStaaten nachgewiesen werden. Relevant ist nur die internationale Übung; nationale oder regionale Besonderheiten sind nur dann beachtlich, wenn sie allgemein bekannt sind.545 Ob ein Handelsbrauch besteht ist Tatfrage, keine § 293 ZPO unterstellte Rechtsfrage.546 Bestätigt ein Kunde Bestellungen ausdrücklich unter Hinweis auf seine AGB, die unabänderlich seien und in klarer Weise eine Gerichtsstandsregelung enthalten, so kommt eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Handelsbrauch zustande, wenn der Lieferant nicht widerspricht; eine schriftliche Bestätigung seinerseits ist nicht erforderlich.547
542 Stöve S 121ff; Rauscher IPR, Rz 1901; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 103; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 77; krit Killias S 184ff. 543 Stöve S 125ff; vgl Schlosser, FS Medicus, 1999, S 543. 544 EuGHE 1997, I-911 (Mainschiffahrts-Genossenschaft v Le Gravières Rhénanes Sarl) = NJW 1997, 1431 = JZ 1997, 839 (m Anm H. Koch) = ZZPInt 2 (1997), 161 (P. Huber) = IPRax 1999, 31 (dazu Kubis S 10); EuGHE 1999, I-1597 (Trasporti Castelletti v Hugo Trumpy) = ZZPInt 4 (1999), 233 (Adolphsen); dazu auch Saenger ZEuP 2000, 656; Girsberger IPRax 2000, 87. 545 Kropholler/v. Hein Art 23 EuGVO Rz 55; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 32. 546 Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 32; aA Thomas/Putzo/Hüßtege Art 23 EuGVO Rz 14 (Tatfrage bei Geltung von § 293 ZPO!). 547 Hanomag v Payant, Grenoble Court of Appeal, [1996] ILPr 71, 76.
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216 Kraft Handelsbrauchs ist der Befrachter an eine Gerichtsstandsklausel in dem einseitig vom Verfrachter ausgestellten Konnossement gebunden.548 217 Dem Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist ein Schweigen auf eine modifizierte Annahmeerklärung („Auftragsbestätigung“) dagegen nicht gleichzusetzen.549 218 Schließlich kann ein Gerichtsstand gegebenenfalls nach Handelsbrauch auch durch Abdruck einer entsprechenden Klausel auf einer Faktura (Warenrechnung) vereinbart werden, wenn diese widerspruchslos entgegengenommen und honoriert wird. Anders als im deutsch-österreichischen Anerkennungsvertrag (s u § 15 Rz 175) ist der österreichische Fakturengerichtsstand (§ 88 II JN) in Anh I zu Art 3 EuGVO nicht als exorbitant ausgeschlossen worden. Sofern in der betreffenden Branche daher ein entsprechender Handelsbrauch besteht, kommt deshalb auch der Fakturengerichtsstand in Betracht.550 Auch ein Fall von Art 23 I 3 lit b EuGVO (s o Rz 213) kommt in Betracht.551
(5) Elektronischer Vertragsschluss 219 Art 23 II EuGVO/LugÜ bzw Art 25 II EuGVO nF stellt Vertragserklärungen, die elektronisch, etwa per E-Mail, übermittelt werden, ausdrücklich der Schriftform gleich, sofern die Art der Übermittlung eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglicht.552
(6) Form nach CMR 220 Auch wenn die Gerichtsstandsvereinbarung den Anforderungen des Art 23 I EUGVO/LugÜ nicht genügt, kann das angerufene Gericht doch aufgrund von Art 31 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) zuständig sein, weil die CMR gem Art 71 EuGVO (aF und nF) bzw Art 67 I LugÜ als lex specialis fortgilt.553 Danach bedarf es für eine Zuständigkeitsvereinbarung keiner besonderen Form. Eine deutsche Reederei machte die Unzuständigkeit der belgischen Gerichte geltend und berief sich auf eine in dem Konnossement enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung, wonach die deutschen Gerichte zuständig sein sollten. Das belgische Gericht führte aus, nach Art 31 CMR könne der Kläger die Klage nicht nur vor den durch Parteivereinbarung bestimmten Gerichten, sondern auch vor den Gerichten des Staats erheben, in dem die Güter übernommen oder abgeliefert 548 MüKo/Gottwald, Art 23 EuGVO Rz 54; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 36; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 110; Rauscher IPR, Rz 1900; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 78. 549 BGH RIW 1994, 508/10 = JR 1995, 456 m Anm Dörner; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 104. 550 Stöve S 171ff. 551 Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 21. 552 Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 79; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 38; Magnus/Mankowski/Magnus Art 23 Rz 129f; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVORz 86ff. 553 RIW/AWD 1976, 588; vgl auch OLG Düsseldorf RIW 1990, 752.
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werden sollten. Von dieser Bestimmung könne gem Art 41 CMR nicht durch Parteivereinbarung abgewichen werden, die CMR gehe als „lex specialis“ vor.
d) Wirkungen der Vereinbarung Eine internationale Zuständigkeitsvereinbarung nach Art 23 I 2 EuGVO/LugÜ 221 bzw Art 25 I 2 EuGVO nF führt grds zu einer ausschließlichen Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbaren. Was gilt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Gleiches galt im Rahmen von Art 17 I 1 LugÜ 1988.554 Hierfür sprach auch Art 17 IV LugÜ 1988. War eine Gerichtsstandsvereinbarung nämlich nur zugunsten einer der Parteien getroffen worden, so behielt diese das Recht, jedes andere Gericht anzurufen, das aufgrund des LugÜ zuständig ist.555 Die Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung steht unter dem Vorbehalt der rügelosen Einlassung nach Art 24 EuGVO/LugÜ bzw Art 26 EuGVO nF.556
222
Art 23 I EuGVO/LugÜ regelt nicht, ob die Gerichtsstandsvereinbarung auch 223 bei Unwirksamkeit des materiellen Hauptvertrags Bestand hat. In gleicher Weise wie bei einer Schiedsklausel ist auch von der rechtlichen Selbständigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung auszugehen.557 Art 25 V EuGVO nF stellt dies künftig ausdrücklich klar (s o Rz 195). Die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung richtet sich derzeit mate- 224 riell nach der lex causae, Zulässigkeit und Wirkungen nach der jeweiligen lex fori (s o Rz 201).558 Im Anschluss an Art 5 I Haager Gerichtsstands-Übereinkommen von 2005 ist die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art 25 I 1 EuGVO nF dagegen künftig nach dem Recht des vereinbarten Mitgliedstaats zu beurteilen. Sachlich erfasst die Gerichtsstandsvereinbarung nicht nur alle sich aus dem 225 Hauptvertrag ergebenden Ansprüche einschließlich der Rückabwicklungsansprüche (auch bei Nichtigkeit des Hauptvertrags), sondern auch Deliktsansprüche und andere gesetzliche Ansprüche (etwa aus cic), die in sachlichem Zusammenhang mit dem Hauptvertrag stehen.559 Die Gerichtsstandsvereinbarung verändert auch die Zuständigkeit zum Erlass 226 von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, soweit diese Zuständigkeit auf der Hauptsachezuständigkeit aufbaut; lediglich davon unabhängige
554 Vgl EuGHE 1978, 2133 (Meeth v Glacetal) = RIW 1978, 814; Gottwald IPRax 1987, 82. 555 Vgl BGH IPRax 1999, 246 (dazu G. Schulze S 229); LG Trier IPRspr. 1975 Nr 145; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 125. 556 EuGHE 1981, 1671 (Elefanten Schuh v Jacqmain) = IPRax 1982, 234 (dazu Leipold S 222). 557 Geimer/Schütze Art 23 Rz 94; Geimer, IZPR, Rz 1674a. 558 Schack IZVR, Rz 495; Geimer, IZPR, Rz 1677. 559 Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 142ff; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 62ff; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 127.
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Eilzuständigkeiten bleiben unberührt.560 Nach Art 31 EuGVO/LugÜ bzw Art 35 EuGVO nF kann die Zuständigkeit für Eilmaßnahmen aber auch auf das nationale Recht gestützt werden. Insoweit sind in Deutschland alle Zuständigkeiten nach § 802 ZPO prorogationsfest.561 227 Eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung schließt sinngemäß eine Widerklage vor einem anderen Gericht (vorbehaltlich der rügelosen Einlassung) aus.562 228 Nach wohl noch hM ist auch die Prozessaufrechnung mit einer aktiv in einem anderen Staat oder vor einem Schiedsgericht zu verfolgenden (streitigen) Forderung nur zulässig, wenn sich der Kläger auf die Aufrechnungsforderung rügelos einlässt. Die Aufrechnung mit einer streitigen, inkonnexen Gegenforderung ist danach nur zulässig, wenn das Prozessgericht dafür international zuständig ist.563 ME kann aus einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht ohne Weiteres auf ein Aufrechnungsverbot geschlossen werden.564 229 Eine Gerichtsstandsvereinbarung schließt eine Streitverkündung vor einem anderen Gericht nicht aus, zumal diese nach deutschem Recht nicht voraussetzt, dass das Gericht für eine Entscheidung gegenüber dem Streitverkündungsempfänger zuständig ist.565 230 Die Gerichtsstandsvereinbarung begründet eine gerichtliche Zuständigkeit oder derogiert sie. Sie enthält aber kein schuldrechtliches Versprechen der Parteien, vor keinem anderen Gericht zu klagen. Eine (auch aus der Sicht des angerufenen Gerichts) prorogationswidrige Klage führt auf Rüge oder im Fall der Säumnis (Art 26 EuGVO/LugÜ bzw Art 28 I, 31 II, III EuGVO nF) lediglich zur Klageabweisung. Die Kosten einer prorogationswidrigen Klage können daher grds nicht als Schadenersatz geltend gemacht werden.566 Zulässig ist aber
560 Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 136ff; teilweise aA (Frage des nationalen Rechts) Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 66f; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 161f. 561 MüKoZPO/Gottwald Art 23 EuGVO Rz 83. 562 MüKo/GottwaldArt 23 EuGVO Rz 92; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 129f; Rauscher IPR, Rz 1910; offener Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 153f (Frage der Auslegung). 563 BGHZ 149, 120, 127ff = JZ 2002, 605 (Hess/Müller); BGH IPRax 1994, 115 (dazu Geimer S 82); aA (zu Recht) LG Berlin IPRax 1998, 97 (dazu Gebauer S 79); Schlosser Vor Art 2 EuGVVO Rz 15; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 132ff, 135; Fasching/Simotta § 104 JN Rz 325; krit. Coester-Waltjen, FS G. Lüke, 1997, S 35, 46ff; Kannengiesser S 145ff, 181; Gottwald IPRax 1986, 10; s o Rz 120. 564 So auch Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 69; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 155ff. 565 Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 74; aA Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 141. 566 Ebenso Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 147ff, 151. Krit aus englischer Sicht L. Merrett ICLQ 55 (2006), 315; vgl auch Pfeiffer, Die Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch Vereinbarung eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs, FS Lindacher, 2007, S 72; Schlosser, Materiellrechtliche Wirkungen von (nationalen und internationalen) Gerichtsstandsvereinbarungen?, FS Lindacher,
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eine zusätzliche Vereinbarung eines Kostenerstattungs- oder Schadenersatzanspruchs.567 Unzulässig ist es innerhalb der EU, gegen den Kläger einer prorogationswid- 231 rigen Klage eine sog anti-suit injunction zu erwirken (s u § 6 Rz 301ff). Es ist allein Sache des angerufenen Gerichts, über seine Zuständigkeit zu befinden. Nach der Neufassung der EuGVO soll das prorogierte Gericht aber eine vorrangige Kompetenz-Kompetenz erhalten; wird ein anderes Gericht angerufen, muss es sein Verfahren zunächst aussetzen (s u § 6 Rz 212).
e) Subjektive Reichweite Die Vereinbarung bindet die Vertragsparteien und ihre Rechtsnachfolger.568 Eine 232 vom Schuldner wirksam geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung bindet auch den Insolvenzverwalter; keine Bindung besteht jedoch für neu entstandene Anfechtungsansprüche und für Masseverbindlichkeiten.569 Ein Subunternehmer ist an eine Gerichtsstandsvereinbarung des Hauptunternehmers nicht gebunden; ein entsprechender Handelsbrauch besteht nicht.570 Bei Vertragsketten muss also in jedem Verhältnis eine besondere Vereinbarung geschlossen werden. Die Gerichtsstandsklausel in einem Konnossement ist allenfalls zwischen 233 Frachtführer und Befrachter vereinbart, wenn beide sich über die Konnossementbedingungen (mit der Gerichtsstandsklausel) schriftlich geeinigt haben oder die Klausel Gegenstand einer früheren Vereinbarung war und das Konnossement des Verfrachters als schriftliche Bestätigung dieser Vereinbarung anzusehen ist oder wenn die Konnossementbedingungen im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen vereinbart waren.571 Doch kann die Gerichtsstandsklausel in einem Konnossement der Form internationaler Handelsbräuche genügen.572 Besonders wichtig ist, dass nach Handelsbrauch auch der Empfänger der Ware im Verhältnis zum Verfrachter an die Gerichtsstandsklausel im Konnossement gebunden ist. Nach Ansicht des EuGH ist der Drittinhaber des Konnossements an die zwischen Verfrachter und Befrachter vereinbarte Gerichtsstandsklausel aber nur gebunden, wenn er nach dem anwendbaren nationalen Recht Rechtsnachfolger des Befrachters ist oder wenn er der Klausel selbst zugestimmt hat.573
567 568 569 570 571 572
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2007, S 111. Für Ersatzpflicht nach dem nach Rom I-VO bzw Rom II-VO anwendbaren Recht Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 167f. Mankowski IPRax 2009, 1; Pfeiffer FS Lindacher, 2007, S 77. BayObLG ZIP 2001, 1564; Gebauer IPRax 2001, 471; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 71; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 92. Vgl M. Stürner IPRax 2005, 416. Pulkowski IPRax 2001, 306, 307; Kropholler/v. Hein Art 23 EuGVO Rz 63; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 129. EuGHE 1984, 2417, 2433/34 (Tilly Russ v Nova) = RIW 1984, 909 m Anm Schlosser. EuGHE 1999, I-1597 (Trasporti Castelletti v Trumpy) = IPRax 2000, 119 (dazu Girsberger); BGH RIW 2007, 312; Kropholler/Pfeifer, FS Nagel, S 157, 164; Stöve S 162ff. EuGHE 2000, I-9337 (Coreck Maritime v Handelsveem) = NJW 2001, 501 = ZIP 2001, 215; Kropholler/v. Hein Art 23 Rz 66f; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüs-
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234 Der Drittbegünstigte aus einem Vertrag zugunsten Dritter ist grds ebenfalls ohne eigene Mitwirkung an die darin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden.574 Für Versicherungsverträge ist dies in Art 13 Nr 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 15 Nr 2 EuGVO nF ausdrücklich vorgesehen.575 235 Gebunden ist schließlich der Dritte bei der action directe.576 236 Nicht gebunden ist der gesetzliche oder der rechtsgeschäftliche Vertreter einer Partei in eigener Person. Dagegen wird teilweise die Ansicht vertreten, der falsus procurator sei selbst an den vollmachtlos vereinbarten Gerichtsstand gebunden; eine Berufung darauf, er habe nicht für sich gehandelt, sei arglistig.577 Bestehen oder Nichtbestehen einer Vertretungsmacht ändern jedoch nichts daran, dass der Vertreter keine eigene Verpflichtungserklärung abgibt. Die Haftung nach § 179 BGB ist auch keine vertragliche, sondern eine gesetzliche Haftung. Eine persönliche Bindung an eine selbst initiierte Gerichtsstandsklausel besteht daher nicht.
f) Beschränkungen der Prorogationsfreiheit 237 Nach Art 23 V EuGVO/LugÜ (bzw Art 25 IV EuGVO nF) haben Vereinbarungen bzw entsprechende Trust-Bedingungen keine Wirkung, wenn sie gegen Art 13, 17 und 21 EuGVO/LugÜ (bzw Art 15, 19 und 23 EuGVO nF) verstoßen oder in ausschließliche Zuständigkeiten nach Art 22 EuGVO/LugÜ (bzw Art 24 EuGVO nF) eingreifen. 238 Gerichtsstandsvereinbarungen in Arbeitssachen sind nur noch eingeschränkt zulässig. In individuellen Arbeitsverträgen sind sie nur zulässig, wenn sie nach Entstehung der Streitigkeit getroffen werden oder wenn dadurch dem Arbeitnehmer ein zusätzliches Forum neben dem Wohnsitz des Beklagten oder dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts (Art 5 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 7 Nr 1 EuGVO nF) eingeräumt wird. Dies ergibt sich für EuGVO und LugÜ aus Art 21, 23 V, für die EuGVO nF aus Art 23 Nr 2, 25 IV. Dieser Schutz gilt auch, wenn die Zuständigkeit der Gerichte eines Drittstaats vereinbart wird.578 239 Streitig ist, ob und inwieweit der Anspruch der EU auf Beachtung zwingender materieller Normen des Gemeinschaftsrechts (z B nach der RiLi 86/653 v
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575 576 577 578
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sel I-VO Rz 52ff; vgl Rabe TranspR 2000, 389; weitergehend für generelle Bindung des Dritten: Stöve S 170f. Mankowski IPRax 1996, 427, 430ff; MüKo/Gottwald, § 328 BGB Rz 85; Rauscher/ Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 70; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 90, 94. Vgl Kropholler/v. Hein Art 23 EuGVO Rz 65; Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 136; s aber EuGHE 2005, I-3707 (SFIP) (Rz 42) = NJW 2005, 2135. Cour de Cass. Rev.crit. 2000, 224; dazu Gebauer IPRax 2001, 471. So Rauscher IPRax 1992, 146; Geimer IZPR, Rz 1731a; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 43e (Bindung gem Vertretungsstatut). Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 120; Magnus/Mankowski/ Magnus Art 23 Rz 133; MüKoZPO/Gottwald Art 23 EuGVO Rz 62; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 48a.
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18.12.1986, ABl L 382/17 über selbständige Handelsvertreter) dazu führt, dass Vereinbarungen der Zuständigkeit eines Nicht-EU-Staats unwirksam sind.579 Sonstige nationale Prorogationsbeschränkungen finden innerhalb von Art 23 240 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF keine Anwendung.580 Eine Missbrauchskontrolle von europäischen Gerichtsstandsvereinbarungen anhand der §§ 305ff BGB findet nicht statt.581 Auch aus der EG-Klauselrichtlinie582 ergeben sich keine Schranken. Soweit sie Verbraucher betrifft, ist sie durch Art 23 EuGVO umgesetzt. Darüber hinaus ist die Regelung von Art 23 EuGVO/LugÜ bzw Art 25 EuGVO nF nicht missbräuchlich.583 Jedoch sollte eine allgemeine Missbrauchskontrolle gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen anhand eines gemein-europäischen Standards entwickelt und zugelassen werden.584
14. Die rügelose Einlassung Schrifttum: R. Geimer, Unterwerfung des Beklagten als Basis internationaler Zuständigkeit, FS Rechberger, 2005, 155; P. Mankowski, Besteht der europäische Gerichtsstand der rügelosen Einlassung auch gegen von Schutzregimes besonders geschützte Personen? RIW 2010, 667; Th. Richter, Die rügelose Einlassung des Verbrauchers im Europäischen Zivilprozessrecht, RIW 2006, 578; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung im europäischen Zivilprozessrecht, 1994.
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Die internationale Zuständigkeit wird schließlich durch rügelose Einlassung 242 begründet (Art 24 EuGVO/LugÜ bzw Art 26 EuGVO nF), wenn der Beklagte nicht den Mangel der Zuständigkeit geltend macht. Ein Verhandeln zur Hauptsache ist abweichend von § 39 ZPO nicht erforderlich. Durch die rügelose Einlassung wird das Gericht international zuständig; anders als nach der Doktrin vom „forum non conveniens“ oder nach Art 6 schweiz. IPRG darf es seine Zuständigkeit nicht ablehnen.585 Aus dem Wortlaut von Art 24 EuGVO/LugÜ ergibt sich nicht, dass die Partei- 243 en in einem oder mehreren Mitglied-/Vertragsstaaten wohnen müssen. Wegen des Sachzusammenhangs ist der Anwendungsbereich von Art 24 EuGVO/ LugÜ (bzw Art 26 EuGVO nF) aber in gleicher Weise wie der über die Gerichtsstandsvereinbarung auszulegen.586 Art 24 EuGVO/LugÜ ist danach anwendbar, wenn nur eine Partei ihren Wohnsitz/Sitz in einem Mitglied- bzw 579 Dafür Furrer, IZPR im Wandel – Quo vadis?, SJZ 98 (2002), 141, 143. 580 So zum BörsG: LG Darmstadt IPRax 1995, 318 (dazu Thorn S 294, 298); Gottwald, FS Firsching, S 103; Rauscher ZZP 104 (1991), 271, 295ff; Schlosser Art 23 EuGVO Rz 32; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 34ff. 581 Kropholler/v. Hein Art 23 EuGVO Rz 19; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rz 12; Geimer/Schütze Art 23 Rz 72; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVORz 118ff; vgl G. Wagner, Prozessverträge, 1998, S 380ff. 582 Richtlinie 93/13/EWG des Rates v 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl EG Nr l 95/29. 583 Rauscher IPR, Rz 1863; Stein/Jonas/Wagner Art 23 EuGVO Rz 39; aA Hausmann, unalex Kommentar Art 23 Brüssel I-VO Rz 22, 121; s o Rz 166. 584 Leible/Röder RIW 2007, 481; a A Horn IPRax 2006, 2. 585 EuGHE 2010, I-4545 (CˇPP v Bilas) = RIW 2010, 468 = IPRax 2011, 580 (dazu Staudinger, S 548). 586 Stein/Jonas/Bork § 39 ZPO Rz 15.
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Vertragsstaat hat.587 Wenn ein Kläger aus New York aufgrund von § 23 ZPO einen Beklagten aus Teheran vor einem Bremer Gericht verklagt, fehlt es dagegen derzeit an einer ausreichenden Beziehung zum europäischen Prozessrecht. Wohnt aber der Kläger in Bremen und lässt sich ein Beklagter mit Wohnsitz in Teheran vor einem Bremer Gericht rügelos zur Hauptsache ein, so ist nach dem oben Gesagten (Rz 190, 192) Art 24 EuGVO/LugÜ anzuwenden.588 244 Da Art 25 I EuGVO nF dagegen auch die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen zwei Parteien aus Drittstaaten zugunsten eines Mitgliedstaats erfasst (s o Rz 195), ist auch Art 26 I EuGVO nF entsprechend auszulegen. Jede rügelose Einlassung vor einem Gericht eines EU-Staats in internationalen Fällen wird daher künftig von Art 26 EuGVO nF erfasst. 245 Die rügelose Einlassung ist nach deutschem Verständnis von einer stillschweigenden Prorogation zu unterscheiden, weil eine Gerichtsstandsvereinbarung den ausdrücklichen Willen der Parteien voraussetzt.589 Art 24 EuGVO/LugÜ behandelt die rügelose Einlassung dagegen als stillschweigende nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung, obwohl sie keinen Geschäftswillen des Beklagten voraussetzt.590 Die Einlassung zur Hauptsache betrifft immer nur die internationale, nicht auch die sachliche Zuständigkeit. In einem auslandsbezogenen Fall muss aber im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der Beklagte mit dem Bestreiten der örtlichen Zuständigkeit auch die internationale Zuständigkeit meint591 und umgekehrt sich rügelos einlässt, wenn er die Rüge der örtlichen Zuständigkeit fallen lässt.592 Erhebt der Beklagte eine Schiedseinrede in einem international bezogenen Fall, bestreitet er im Zweifel auch die internationale Zuständigkeit des Gerichts.593 246 Eine rügelose Einlassung liegt vor, wenn der Beklagte sich gegenüber dem Gericht in irgendeiner Weise mündlich oder schriftlich verteidigt oder verhandelt, sofern er nicht zuvor (oder gleichzeitig) die internationale Zuständigkeit rügt.594 Eine Einlassung zur Hauptsache ist nicht erforderlich.595 Liegt eine rügelose Einlassung vor, so erstreckt sie sich auch auf eine nachträgliche 587 Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 16ff, 20; aA BGH IPRax 1999, 367, 369 (krit dazu Dörner/Staudinger S 338, 340); Magnus/Mankowski/Calvo Caravaca/Carascosa González Art 24 Rz 30. 588 BAG NJW 2013, 252, 253; Geimer/Schütze/Auer Art 18 EuGVÜ Rz 11ff; aA SchulteBeckhausen S 117ff, 130. 589 So zu Recht Geimer WM 1977, 66; aA der Jenard-Bericht zu Art 18 EuGVÜ. 590 Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 2; Stein/Jonas/ Wagner Art 24 EuGVO Rz 2f. 591 BGH IPRax 2006, 594 (dazu Leible/Sommer S 586); MüKo/Gottwald Art 24 EuGVO Rz 7; aA Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 30f; Stein/Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 28. 592 BAG NJW 2013, 252, 253. 593 So auch Geimer/Schütze/Auer Art 18 EuGVÜ Rz 27; Wieczorek/Hausmann § 39 ZPO Rz 22. 594 OLG Frankfurt IPRax 2000, 525 (dazu Kulms S 488, 493); OLG Düsseldorf (3.5.2011, I-24 U 183/10). 595 BGHZ 190, 28 (Tz 35) = ZIP 2011, 1382, 1385; Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 5; Stein/Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 28.
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Klageerweiterung. Bloße Ankündigungen, wie die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gem § 276 I 1 ZPO, oder die Mitteilung von der Bestellung als Prozessbevollmächtigter für den Beklagten, sind noch keine Einlassung.596 Keine Einlassung liegt auch in discovery-Begehren des Beklagten.597 Keine Einlassung liegt schließlich in einem nach Klageerhebung vom Beklagten selbst gestellten Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 485 ZPO), denn dieses ist bewusst als eigenständiges Verfahren konzipiert.598 Keine Einlassung liegt schließlich in einem PKH-Antrag des Beklagten.599 Eine Einlassung liegt dagegen vor, wenn der Beklagte an einem Gütetermin 247 (§ 278 II ZPO) teilnimmt, ohne die internationale Zuständigkeit zu rügen.600 Soweit der Güteverhandlung eine schriftliche Verteidigung ohne Rüge vorausging, erscheint dies unausweichlich. Eine Einlassung liegt auch vor, wenn der Beklagte den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Kläger und später den Antrag auf Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils stellt.601 An einer Einlassung fehlt es dagegen, wenn der Beklagte (ohne schriftliche sachliche Verteidigung) säumig bleibt.602 Nach Art 24 EuGVO/LugÜ bzw Art 26 EuGVO nF muss die Zuständigkeits- 248 rüge vor der sonstigen Stellungnahme abgegeben werden, die nach nationalem Recht als Verteidigungsvorbringen anzusehen ist.603 Nach hM wird damit im Detail durch die lex fori bestimmt, bis zu welchem Zeitpunkt die Rüge erfolgen kann oder ob sie ggf präkludiert ist.604 Im deutschen Recht muss sie spätestens in der (ersten) Klageerwiderung erfolgen.605 Die Rüge ist danach bereits im schriftlichen Vorverfahren zu stellen. Es ist aber zweifelhaft, ob sie nach §§ 282 III, 296 III ZPO vor einer Einlassung präkludiert sein kann.606 Vor dem Amtsgericht tritt die Wirkung von Art 24 EuGVO/LugÜ auch ein, 249 wenn das Gericht nicht gem § 504 ZPO auf seine Unzuständigkeit hingewiesen hat.607 Die Neufassung der EuGVO verbessert dagegen den Schutz schwächerer Parteien vor einer rügelosen Einlassung. Nach Art 26 II EuGVO nF tritt eine rügelose Einlassung in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsvertragssachen nur noch ein, wenn die „schwächere“ Partei zuvor über die Unzuständigkeit des Gerichts und die Folgen einer unterlassenen Rüge belehrt wurde. 596 Schulte-Beckhausen S 151ff, 166ff; Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Rz 4; Stein/Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 24. 597 Schulte-Beckhausen S 171. 598 AA Schulte-Beckhausen S 171. 599 Schulte-Beckhausen S 171f. 600 Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Rz 6ff; aA Stein/Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 29. 601 OLG Koblenz IPRspr. 2009 Nr 221, 546. 602 Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 39. 603 EuGHE 1981, 1671/1686 (Elefanten Schuh v Jacqmain) = IPRax 1982, 234 (dazu Leipold S 222). 604 MüKo/Gottwald Art 24 EuGVO Rz 5; aA Schulte-Beckhausen S 186 (EuGVÜ legt Zeitpunkt autonom fest). 605 OLG Hamm RIW 1999, 540. 606 Vgl Schulte-Beckhausen S 191ff. 607 Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Rz 14ff.
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250 Nach Ansicht des BGH muss ein Beklagter die internationale Zuständigkeit in zweiter Instanz erneut rügen, wenn er eine rügelose Einlassung (nach Art 18 LugÜ 1988) vermeiden will.608 251 Hilfsweise Stellungnahmen zur Hauptsache begründen keine rügelose Einlassung.609 Bereits zu dem missverständlichen Wortlaut des Art 18 S 2 LugÜ („nur“) hat der EuGH klargestellt, dass ein vorsorgliches Bestreiten zur Hauptsache neben der vorrangigen Zuständigkeitsrüge nicht schadet.610 Eine vorbehaltlose Einlassung liegt auch nicht vor, wenn die Zuständigkeitsrüge zuvor endgültig zurückgewiesen wurde.611 In dem neu gefassten Art 24 S 2 EuGVO/ LugÜ (ebenso Art 26 I EuGVO nF) fehlt das Wort „nur“, so dass das hilfsweise Einlassen zur Hauptsache keinesfalls schaden kann. 252 Eine rügelose Einlassung des Beklagten begründet die internationale Zuständigkeit auch, wenn die Parteien eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung612 oder eine Schiedsvereinbarung geschlossen hatten oder wenn ein Gericht nach den Art 8ff, 15ff oder 18ff EuGVO zuständig wäre.613 Die EuGVO verlangt derzeit nicht, dass ein „schwächerer“ Beklagter zuvor vom Gericht auf die Folgen seiner Einlassung hingewiesen wird (anders die EuGVO nF s o Rz 249). Die rügelose Einlassung hat jedoch keine Wirkung, wenn ein anderes Gericht aufgrund von Art 22 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 EuGVO nF ausschließlich zuständig ist.614
15. Die ausschließlichen Zuständigkeiten 253 Schrifttum: L. Barnich, Les droits réels immobiliers et les locations de vacances, in: Fentiman, L’espace judiciaire européen, 1999, 85; Bauer, Die internationale Zuständigkeit bei gesellschaftsrechtlichen Klagen, 2000; D. P. Fernández Arroyo, Compétence exclusive et compétence exorbitante dans les relations privles internationales, Rec. d. Cours 323 (2006), 9; H. Grothe, Internationale Gerichtsstände für Klagen gegen internationale Sportverbände aufgrund von Dopingsperren, FS v. Hoffmann, 2011, S 601; U. Haas, Keine internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte für Klagen gegen die „Sperre“ eines Trainers durch einen ausländischen Verband?, zak 16/2007, 309; G. Hager/F. Hartmann, Internationale Zuständigkeit für vorbeugende Immissionsabwehrklagen, IPRax 2005, 266; Hölder, Grenzüberschreitende Durchsetzung Europäischer Patente, 2004; 608 BGHZ 173, 40 = RIW 2008, 156, 157; Rauscher/Staudinger Art 24 Rz 26; Queirolo/ Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 27; zu Recht ablehn Stein/ Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 32. 609 BGH RIW 2005, 776, 777; BGH NJW 1999, 2442; Schulte-Beckhausen S 206ff; Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 35ff. 610 Ebenso EuGHE 1981, 2431 (Rohr v Ossberger) = IPRax 1982, 238 (zustimmend Leipold S 223). 611 Tribunale di Pinerolo RIW/ADW 1976, 107. 612 Rauscher/Staudinger Art 24 Rz 12; Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 49f; Stein/Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 37. 613 Stein/Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 38f; Queirolo/Hausmann, unalex Kommentar Art 24 Brüssel I-VO Rz 51ff. Zur rügelosen Einlassung in Versicherungssachen EuGHE 2010, I-4545 (Vienna Insurance v Bílas) = RIW 2010, 468 (ablehn Mankowski RIW 2010, 667); in Verbrauchersachen s Richter RIW 2006, 578; in Arbeitssachen BAG RIW 2008, 726. 614 Kropholler/v. Hein Art 24 Rz 16; Stein/Jonas/Wagner Art 24 EuGVO Rz 36.
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Hüßtege, Ferienwohnungen im Ausland als Spielball der Gerichte, IPRax 2001, 31; R. Hye-Knudsen, Marken-, Patent- und Urheberrechtsverletzungen im europäischen Internatonalen Zivilprozessrecht, 2005, S 21ff; P. Mankowski, Timesharing und internationale Zuständigkeit am Belegenheitsort, EWS 1996, 177; P. Mankowski, Internationale Zuständigkeit in Timesharing-Fällen – ein Dauerbrenner, NZM 2007, 671; P. Mankowski, Klagen um Organisatuionsgeschäfte von Gesellschaften (Art 22 Nr 2 EuGVVO), FS Simotta, 2012, S 351; Schack, Abwehr grenzüberschreitender Immissionen im dinglichen Gerichtsstand?, IPRax 2005, 262; I. C. Schüttfort, Ausschließliche Zuständigkeiten im internationalen Zivilprozessrecht, 2011; D. Solomon, Der Immobiliargerichtsstand im Europäischen Zuständigkeitsrecht, FS v. Hoffmann, 2011, S 727; A. Staudinger, Ferienhausmiete im Ausland: Sind der inländische Verbraucherschutzgerichtstand und das Pauschalreiserecht „out“?, NZM 2011, 257; B. Ubertazzi, Exclusive Jurisdiction in Intellectual Property, 2012; Vivant, Das EuGVÜ und die gewerblichen Schutzrechte, RIW 1991, 26; Wadlow, Enforcement of intellectual property in European and international law, 1998, S 104ff; Wenner, Grundstückseigentum im Ausland – Gerichtsstand im Inland?, FS Jagenburg, 2002, S 1013.
Die in Art 22 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 EuGVO nF vorgesehenen ausschließ- 254 lichen Zuständigkeiten sind zwischen den Mitglieds- bzw Vertragsstaaten abschließend. Soweit nach dem nationalen Recht des jeweiligen Vertragsstaats weitere ausschließliche Zuständigkeiten bestehen, sind diese im europäischen Rechtsraum nicht mehr anzuwenden. Die Ausschließlichkeit der Zuständigkeiten nach Art 22 EuGVO/LugÜ (bzw Art 24 EuGVO nF) schließt Klagen im Wohnsitzgerichtsstand (Art 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 4 EuGVO nF), sinngemäß aber auch Klagen im Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art 5 Nr 1 EuGVO/ LugÜ bzw Art 7 Nr 1 EuGVO nF), Zuständigkeitsvereinbarungen und die rügelose Einlassung in diesem Bereich aus.615 Art 22 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 EuGVO nF ist stets anwendbar, gleichgültig ob der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitglied- bzw Vertragsstaat hat oder nicht. Denn im Eingangssatz von Art 22 EuGVO/LugÜ (Art 24 EuGVO nF) heißt es ausdrücklich: „Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig …“616 In Art 24 EuGVO nF heißt es noch deutlicher: „Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien …“. Art 22 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 EuGVO nF regelt nur die internationale Zu- 255 ständigkeit; die örtliche Zuständigkeit wird durch das autonome nationale Recht bestimmt.617
a) Der dingliche Gerichtsstand, Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF Erfasst sind zunächst Klagen wegen dinglicher Rechte an einer unbeweglichen 256 Sache. Ob dies der Fall ist, ist nicht nach der jeweiligen lex rei sitae, sondern au615 EuGHE 1977, 2383 (Sanders v van der Putte) = RIW 1978, 336; Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 3; MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 1; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Vor Art 22 Brüssel I-VO Rz 5; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 3. 616 Vgl Coester-Waltjen, FS Nakamura, S 89, 102ff; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 2a; Schlosser Art 16 Rz 15; Fasching/Simotta Vor §§ 83a, 83b JN Rz 156; aA Choudhary v. Bhatter, English CA [2010] I.L.Pr. 130, 144 (Rz 38ff). 617 Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 1; Geimer/Schütze Art 16 Rz 20ff; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 2; Walter, IZPR der Schweiz, S 231.
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tonom rechtsvergleichend zu bestimmen.618 Da die Regel eine ausschließliche Zuständigkeit begründet und zur Folge haben kann, dass in einem Staat zu klagen ist, in dem keine Partei ihren Wohnsitz hat, ist die Anknüpfung eng auszulegen.619 Sie erfasst nicht alle Klagen, die national dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die darauf gerichtet sind, Umfang oder Bestand der unbeweglichen Sache, das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte hieran zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern.620 Die Klage muss auf das dingliche Recht an der Sache, nicht auf einen persönlichen Anspruch gegen den Schuldner gestützt sein. Erfasst ist die Herausgabeklage aus Eigentum, nicht dagegen die Herausgabeklage zur Erfüllung eines Grundstückskaufvertrags,621 auch nicht eine auf Eigentumsverletzung gestützte Beseitigungs- oder Schadensersatzklage,622 insb nicht eine Immissionsabwehrklage.623 Eine Klage auf Auflösung eines Grundstückskaufvertrags ist nicht betroffen,624 ebenso nicht eine Klage auf Veräußerung eines Treuhandeigentums und Herausgabe des Erlöses,625 auch nicht eine Klage auf Löschung eines Nießbrauchs an einem Grundstück wegen Verletzung des Bestellungsvertrags.626 Unterlassungsansprüche wegen unzulässiger Immissionen dürften eher deliktisch einzuordnen sein.627 257 Liegt das Grundstück in einem Drittstaat, so geht von Art 22 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 EuGVO nF eine Reflexwirkung zugunsten des Drittstaats aus. Beansprucht der Drittstaat in diesen Fällen selbst eine ausschließliche Zuständigkeit und ist den Parteien ein Verfahren vor den Gerichten des Drittstaats zumutbar, so hat sich das Gericht eines Mitglieds- bzw Vertragsstaats in Analogie zu diesen Regeln für unzuständig zu erklären, auch wenn gegen den Beklagten eine Zuständigkeit nach Art 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 4 EuGVO nF bestünde.628 618 EuGHE 2006, I-4557 (Land Oberösterreich v Cˇ EZ) = RIW 2006, 624; EuGHE 1990-I, 27, 41 (Rz 8) (Reichert v Dresdner Bank) = IPRax 1991, 45 (dazu Schlosser S 29); EuGHE 2001, I-2771 (Gaillard v Chekili) = EWS 2001, 451; Rauscher IPR, 4. Aufl 2012, Rz 228. 619 EuGHE 2000, I-393 (Rz 21) (Dansommer v Götz) = NJW 2000, 2009 = EWS 2000, 173 = IPRax 2001, 41 (dazu Hüßtege S 31) = ZZPInt 5 (2000), 240 (Rauscher). 620 EuGHE 2006, I-4557 (Land Oberösterreich v CˇEZ) (Rz 28ff) = RIW 2006, 624 (Knöfel); EuGHE 2000, I-393 (Rz 11); Kreuzer/Wagner Q 106. 621 Walter, IZPR der Schweiz, S 233 f. 622 BGH NJW 2008, 3502 = RIW 2008, 716; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 15, 27; aA Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 9. 623 EuGHE 2006, I-4557 (Rz 31ff) (Land Oberösterreich v CˇEZ) = RIW 2006, 624 (Knöfel); Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 12b, c; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 14; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 28. 624 EuGHE 2001, I-2771 (Gaillard v Chekili) = EuLF 2000/01, 362; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 7; vgl Jayme/Kohler IPRax 2001, 501 u. 506. 625 Pollard v Ashurst, English High Court [2001] ILPr 74. 626 BGH RIW 2004, 783 = MDR 2005, 138 = ZZPInt 9 (2004), 206 (Mankowski). 627 Vgl Schack IPRax 2005, 262ff; Hager/Hartmann IPRax 2005, 266. 628 So Kreuzer/Wagner Q 103; Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 7; MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 6; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Vor Art 22 Brüssel I-VO
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Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach 258 § 906 BGB betreffen nicht dingliche Rechte.629 Eine Klage wegen Gläubigeranfechtung fällt ebenfalls nicht unter Nr 1.630 Nicht unter Nr 1 fallen weiter Klagen auf Zahlung von Nutzungsentschädigung nach nichtiger Eigentumsübertragung631 und auf Feststellung, dass jemand eine unbewegliche Sache als „trustee“ hält.632 Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF erfasst weiter alle Kla- 259 gen aus Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen. Liegt ein Miet- oder Pachtobjekt ausnahmsweise im Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten, so ist jeder Staat nur für den auf seinem Territorium liegenden Teil des Miet- oder Pachtobjekts zuständig.633 Sachlich gehören hierher Klagen auf Zahlung von Miet- oder Pachtzins, auf Ersatz verursachter Schäden,634 auf Besitzverschaffung oder auf Räumung (Herausgabe) der Miet- oder Pachtsache.635 Unter Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF fallen auch Strei- 260 tigkeiten an dinglich oder schuldrechtlich (ohne wesentliche Dienstleistungsanteile) ausgestalteten Timesharing-Verträgen; nicht erfasst sind dagegen vereins- oder gesellschaftsrechtliche Gestaltungen oder durch Dienstleistungen wesentlich geprägte Modelle.636 Kein Mietgerichtsstand besteht daher bei Vereinbarung „tauschfähiger Urlaubswochen“ an einer Club-Immobilie.637 Allerdings hat insoweit der erweiterte Verbraucherschutz nach Art 15 EuGVO/ LugÜ bzw Art 17 EuGVO nF Vorrang.638 Ansprüche, die nur mittelbar an die
629 630 631 632 633 634 635 636
637 638
Rz 9ff; Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 80; aA Grolimund Rz 507; Wenner, FS Jagenburg, S 1013, 1022ff; Geimer/Schütze Art 22 Rz 13f; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 2b; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 9f; vgl Fasching/Simotta § 81 JN Rz 26; Vor §§ 83a, 83b JN Rz 158. Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 27; Schack, in: Umweltschutz im Völkerrecht, 1992, 315, 329. EuGHE 1990, I-27 (Rz 10ff) (Reichert v Dresdner Bank) = IPRax 1991, 45 (dazu Schlosser S 29). EuGHE 1994, I-2535 (Lieber v Göbel) = EWS 1994, 246; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 18. EuGHE 1994, I-1717 (Webb v Webb) = RIW 1994, 590 = IPRax 1995, 314 (dazu Kaye S 286). EuGHE 1988, 3791 (Scherrens v Maenhout) = IPRax 1991, 44 (dazu Kreuzer S 25); aA Kreuzer/Wagner Q 110 (Zuständigkeit des Staats, in dem Hofstelle liegt). EuGHE 2000, I-393 (Rz 23ff) (Dansommer v Götz) = NJW 2000, 2009 = EWS 2000, 173 = IPRax 2001, 41 (dazu Hüßtege S 31). Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 21; MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 14; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 45. Vgl EuGHE 2005, I-8667 (Klein v Rhodos Management) = IPRax 2006, 159 (dazu Hüßtege S 124) = ZZPInt 10 (2005), 305 (Mankowski) (Immobilie nur nach Typ und Ort festgelegt; Tausch des Nutzungsrechts möglich); BGH JZ 2010, 895 (Mäsch) = NZM 2010, 251; LG Darmstadt EWS 1996, 191 = RIW 1996, 422 (dazu Mankowski EWS 1996, 177); OLG Koblenz NJW-RR 2001, 490; Schlosser Art 22 EuGVVO Rz 10; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 42f; krit Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 17ff; offen gelassen in BGHZ 135, 124 = NJW 1997, 1697, 1698. BGH RIW 2008, 633, 634 (Tz 15ff); Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 32; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 17c. Hausmann EuLF 2000, 40, 45; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 330.
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Sachnutzung anknüpfen, werden nicht von Nr 1 erfasst.639 Nicht unter Nr 1 fallen danach Ansprüche wegen Nutzungsentschädigung bei Unwirksamkeit des Mietvertrags,640 für eine unwirksam übertragene Eigentumswohnung641 und ein Vertrag über die Verpachtung eines Ladengeschäfts.642 261 Ansprüche aus der Vermietung eines Schiffes werden nur erfasst, wenn es nach dem anwendbaren Recht wie ein Grundstück behandelt wird.643 262 Erfasst von Nr 1 sind auch Klagen wegen kurzfristig gemieteter Ferienhäuser bzw -wohnungen.644 Wohnen beide Vertragspartner in dem gleichen, anderen Mitgliedstaat, ist diese ausschließliche Zuständigkeit unpraktisch. Der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion hatte sich der EuGH leider verschlossen. 263 Im Luganer Übereinkommen und im 3. Beitrittsübereinkommen mit Spanien und Portugal waren Streitigkeiten über Ferienwohnungen bzw -häuser in unterschiedlichem Umfang aus dem Anwendungsbereich von Art 16 Nr 1 EuGVÜ/LugÜ herausgenommen worden. 264 Nach Art 16 Nr 1 EuGVÜ waren die Gerichte im Wohnsitzstaat des Beklagten konkurrierend zuständig, wenn die Miete oder Pacht zu vorübergehendem privaten Gebrauch für längstens sechs Monate erfolgte und zusätzlich der Eigentümer und der Vermieter bzw Verpächter natürliche Personen sind und ihren Wohnsitz in demselben Vertragsstaat haben. 265 Nach dem Luganer Übereinkommen 1988 mussten die Vertragsparteien nicht im gleichen Vertragsstaat wohnen; es genügte, dass beide ihren Wohnsitz nicht im Staat der belegenen Sache hatten (Art 16 Nr 1 b LugÜ 1988). 266 Art 22 Nr 1, 2. Abs EuGVO/LugÜ 2007 weicht hiervon insoweit ab, als es genügt, dass der Mieter oder Pächter eine natürliche Person ist; Vermieter kann also auch ein Unternehmer sein. Diese Lösung ist in Art 24 Nr 1, 2. Abs EuGVO nF beibehalten worden. Soweit die Ausnahme greift, hat der Kläger also die Wahl zwischen dem Gericht am Belegenheitsort und dem Gericht am Wohnsitz des Beklagten.645 267 Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ (bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF) erfasst aber nur Mietoder Pachtverträge, nicht dagegen Beherbergungsverträge (über Hotelzimmer) oder Verträge über die Vermietung von Konferenzräumen unter Bereitstellung
639 EuGHE 1985, 99 (Rösler v Rottwinkel) = IPRax 1986, 97 (dazu Kreuzer S 75); Hüßtege NJW 1990, 622. 640 OGH IPRax 1999, 471 (dazu Hüßtege S 477). 641 EuGHE 1994, I-2535 (Lieber v Göbel) = NJW 1995, 37 = IPRax 1995, 99 (dazu Ulmer S 72). 642 EuGHE 1977, 2383 (Sanders v van der Putte) = NJW 1978, 1107. 643 OLG Düsseldorf MDR 2005, 165, 166; Geimer/Schütze Art 22 Rz 47; ganz ablehn Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 7a. 644 EuGHE 1985, 99 (Rösler v Rottwinkel) = IPRax 1986, 97 (dazu Kreuzer S 75); OLG Frankfurt MDR 2008, 336; Rauscher NJW 1985, 892; Hüßtege NJW 1990, 622. 645 Rauscher IPR, Rz 1846; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 27b.
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von Verpflegung,646 sowie Reiseverträge bzw Reisevermittlungsverträge, wenn diese sich auch auf eine Wohnung oder ein Ferienhaus beziehen.647 Nach Ansicht des BGH ist Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 1 EuGVO nF) eng auszulegen und nur anwendbar, wenn der Vermieter Eigentümer des Objekts ist. Vermietet dagegen ein Reiseveranstalter, greife nicht Art 22 Nr 1 EuGVO/ LugÜ (Art 24 Nr 1 EuGVO nF), sondern seien ggf die Art 15 I lit c, 16 I EuGVO/ LugÜ (Art 17, 18 EuGVO nF) anwendbar.648 Der Reiseveranstalter ist dagegen an den Gerichtsstand gebunden, wenn er aus abgetretenem Recht des Vermieters klagt.649 Nicht unter Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 1 EuGVO nF) fallen auch Verbandsklagen nach §§ 1ff UKlaG, die sich gegen AGBs bei der Vermietung von Ferienhäusern oder Ferienwohnungen in einem anderen EU-Staat richten.650
b) Klagen über den Bestand von Gesellschaften und über die Wirksamkeit von Gesellschaftsbeschlüssen (Art 22 Nr 2 EuGVO aF, Art 24 Nr 2 EuGVO nF) Schrifttum: Bauer, Die internationale Zuständigkeit bei gesellschaftsrechtlichen Klagen, 2000; W. Meilicke/D. Lochner, Zuständigkeit der Spruchgerichte nach EuGVVO, AG 2011, 23; F. Wedemann, Die internationale Zuständigkeit für Beschlussmängelstreitigkeiten, AG 2011, 282.
Solche Klagen sind zwingend am Sitz der Gesellschaft zu erheben, Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 2 EuGVO nF. Die Regel betrifft kontradiktorische Verfahren, welche die Gültigkeit, Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, nicht dagegen einseitige Löschungsverfahren nach FamFG.651 Zu den Gesellschaften iS dieser Vorschrift gehören nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch die OHG und KG nach deutschem Recht.652 Ob Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 2 EuGVO nF) auch für Gesellschaften des öffentlichen Rechts gilt, soweit deren Beschlüsse von Zivilgerichten überprüft werden, ist zweifelhaft.653 Die Anwendung der Norm auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts war dagegen streitig. Nachdem der BGH aber die Rechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft anerkannt hat654 und diese damit selbst Unternehmensträger sein kann, erscheint es konsequent, Strei646 OLG Karlsruhe IPRax 2000, 30. 647 EuGHE 1992, I-1111, 1127 (Hacker v Euro-Relais) = NJW 1992, 1029 = IPRax 1993, 31 (dazu Jayme S 18); Fasching/Simotta § 83 JN Rz 14. 648 BGH NJW 2013, 308 (M. Müller). 649 EuGHE 2000, I-393 (Rz 36f) (Dansommer v Götz) = NJW 2000, 2009 = ZZPInt 5 (2000), 241 (Rauscher) = IPRax 2001, 41 (dazu Hüßtege S 31). 650 BGHZ 109, 29, 32 = RIW 1990, 63; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Rz 35; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 48. 651 Rauscher IPR, 4. Aufl 2012, Rz 1765; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 41; Schillig IPRax 2005, 208, 213, 215. 652 Geimer/Schütze Art 22 Rz 180ff, 183. 653 Vgl Vorlagebeschluss des KG ZIP 2010, 2070, 2071 = NZG 2010, 913. 654 BGHZ 146, 341ff = JZ 2001, 655 (m Anm Wiedemann).
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tigkeiten über die Auflösung der BGB-Gesellschaft Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 2 EuGVO nF) zuzuordnen.655 Auf reine Innengesellschaften, zB eine stille Gesellschaft (§ 230 HGB) ist Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 2 EuGVO nF) nicht anwendbar.656 269 Ob eine Gesellschaft den Sitz in dem betreffenden Staat hat, ist nach Art 22 Nr 2 S. 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 2 S. 2 EuGVO nF) nach dem IPR des angerufenen Gerichts, nicht nach Art 60 EuGVO/LugÜ (Art 63 EuGVO nF) zu beurteilen.657 Dadurch soll erreicht werden, dass nur ein Mitglied- bzw Vertragsstaat für entsprechende Streitigkeiten zuständig ist. Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten gilt in Deutschland inzwischen die Gründungstheorie. Eine in England gegründete und eingetragene Private Limited Company hat danach ihren Sitz in England, auch wenn sie ihre ausschließliche Geschäftstätigkeit in Deutschland betreibt.658 270 Nicht restlos geklärt ist, wann es sich um Organbeschlüsse handelt, die unter Nr 2 fallen. Erfasst sind sicher Klagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse einer AG. Manche wollen aber sogar die Verhängung von Vereinsstrafen, zB eine Dopingsperre659 oder eine Trainersperre durch einen Sportverband unter Nr 2 subsumieren.660 Soweit der Beschluss selbst die Sperre auslöst, der Bekanntgabe gegenüber dem Sportler also keine konstitutive Wirkung zukommt, ist dem für den Antrag auf Aufhebung des Beschlusses zuzustimmen. Bei einer Klage auf Unterlassung der Behinderung der weiteren Teilnahme an Wettkämpfen ist der Beschluss (über die Dopingsperre) dagegen nur Vorfrage, so dass Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 2 EuGVO nF) nicht greift.661 271 Nicht unter Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 2 EuGVO nF) fallen Klagen der Gesellschafter gegen die Gesellschaft auf Auszahlung des Gewinns, Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter, zB auf Zahlung von Einlagen,662 auf Erstattung unzulässiger Rückzahlungen gem § 30 GmbHG,663 Klagen der Gesellschaft gegen ihre Organe, Klagen auf Ausschließung eines Gesellschafters oder der Entziehung der Vertretungsrechte664 oder die mittels actio pro socio geltend gemachten Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Mit-
655 Vgl Geimer/Schütze Art 22 Rz 184; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 40. 656 Geimer/Schütze Art 22 Rz 147; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 40; aA Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 28. 657 Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 58ff; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 29; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 73ff. 658 BGHZ 190, 242 = ZIP 2011, 1837, 1838 (Tz 11ff) = NJW 2011, 3372 (M. Müller); Mankowski EWiR Art 22 EuGVVO 2/11, 707 u. ZIP 2010, 802. 659 Walter, IZPR der Schweiz, S 243. 660 OGH Zak 2007/563, 319; abl Haas Zak 2007, 309. 661 Grothe, FS v. Hoffmann, S. 601, 607. 662 Fasching/Simotta § 83b JN Rz 13; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 35; vgl Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 68. 663 OLG Koblenz NZI 2002, 56, 57. 664 Geimer/Schütze I 696ff; krit. Geimer, FS Schippel, 1996, S 869; aA (für analoge Anwendung) Walter, IZPR der Schweiz, S 243; Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 37.
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glieder.665 Nach seinem Sinn erfasst Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 2 EuGVO nF) auch nicht Streitigkeiten über vertragliche Ansprüche gegen die Gesellschaft, wenn diese ihre Verpflichtung im Hinblick auf einen unwirksamen Gesellschafterbeschluss bestreitet.666 Das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren nach §§ 1ff SpruchG fällt dagegen unter Art 22 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 25 Nr 2 EuGVO nF).667 Erfasst sind nur kontradiktorische Verfahren, nicht einseitige Amtsverfahren, zB auf Löschung nach den §§ 393ff FamFG.668
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c) Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register (Art 22 Nr 3 EuGVO aF, Art 25 Nr 3 EuGVO nF) Diese Zuständigkeit betrifft Verfahren über die Gültigkeit von Eintragungen 273 in öffentliche Register, primär Grundbücher und Handelsregister. International sind ausschließlich die Gerichte des Mitglied- bzw Vertragsstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Register geführt werden.669 Die ausschließliche Zuständigkeit betrifft nicht den Streit über die Voraussetzungen der Eintragung oder über die Reichweite materiellrechtlicher Wirkungen, die von Eintragungen ausgehen.670
d) Gültigkeit von gewerblichen Schutzrechten (Art 22 Nr 4 EuGVO aF, Art 25 Nr 4 EuGVO nF) Schrifttum: J. Adolphsen, Intellectual Property im Heidelberg Report zur EuGVO, GS Konuralp, 2009, S 1; J. Bukow, Die Entscheidung GAT/LUK und ihre Konsequenzen, FS Schilling, 2007, S 59; M. Winkler, Die internationale Zuständigkeit für Patentverletzungsstreitigkeiten, 2011.
Diese Regel betrifft die Eintragung oder Gültigkeit von nationalen Patenten, Marken (Warenzeichen), Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, wie das Sortenschutzrecht.671 Nicht erfasst ist der Firmenschutz.672 Es sind international ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen 665 Mock RabelsZ 72 (2008), 264, 280. 666 EuGH (12.5.11, C-144/10) (BVG/JP Morgan) ZIP 2011, 1071 (dazu Mankowski EWiR Art 22 EuGVVO 1/11, 343; Lehmann YearbookPIL 13(2011), 507); EuGHE 2008, I-7403 (Hassett v South Eastern Health Board) = RIW 2008, 864 = ZZPInt 13 (2008), 143 (Würdinger) = EuZW 2008, 665 (Sujecki). 667 Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 37b; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 71f; zweifelnd Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 57. 668 Kropholler/v. Hein Art 22 EuGVO Rz 34; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 34; Rauscher IPR, 4. Aufl 2012, Rz 1849; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 63. 669 Vgl In re Hayward, decd [1996] 3 WLR 674 (ChD). 670 Geimer/Schütze EuZPR Art 22 Rz 218; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 63; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 39; Stein/ Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 82. 671 Vgl Wadlow Rz 2-101ff, 3-78ff; Hye-Knudsen S 21ff. 672 Kreuzer/Wagner Q 121; Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 52.
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Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt. Dabei müssen berücksichtigt werden: das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Fabrik- und Handelsmarken v 14.4.1891, das Haager Abkommen über die Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle v 6.11.1925, das Münchener Patentübereinkommen v 5.10.1973 und das Luxemburger Patentübereinkommen v 15.12.1975.673 Die beiden letzteren Übereinkommen enthalten für Teilbereiche besondere Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln, die nach Art 71 I vor der EuGVO Vorrang haben.674 Art 22 Nr 4 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 4 EuGVO nF) ist also nur anwendbar, soweit diese Vertragswerke nicht eingreifen. 275 Für europäische Patente (also inhaltlich gebündelte nationale Patente, Art 2 II EPÜ)675 sieht Art 22 Nr 4 Unterabs 2 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 4 Unterabs 2 EuGVO nF) vor, dass Klagen wegen der Erteilung oder Gültigkeit des Patents ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien nicht nur vor dem Europäischen Patentamt, sondern vor den Gerichten eines jeden Mitgliedstaats erhoben werden können, für den ein Patentschutz erteilt ist und für den er bekämpft werden soll.676 276 Gemeinschaftsmarken, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Gemeinschaftssortenschutzrechte fallen nicht unter Art 22 Nr 4 EuGVO (Art 24 Nr 4 EuGVO nF), da die jeweiligen Verordnungen hierfür besondere Regeln enthalten677 (s u Rz 289ff). 277 Über Klagen auf Nichtigerklärung des Europäischen Einheitspatents678 sowie über Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamtes im Hinblick auf ein solches Patent, aber auch über Klagen wegen Verletzung eines solchen Patents soll nach seiner Einführung 2014 das neue einheitliche Europäische Patentgericht zuständig sein (E Art 32 I lit a, d EPGÜ).679 278 Klagen auf Unterlassung oder Schadenersatz wegen Verletzung eines der genannten Schutzrechte fallen nicht unter Nr 4, weil die von der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit erfassten Klagen abschließend aufgeführt 673 Vgl im Einzelnen Geimer/Schütze/Safferling IRV Art 16 Rz 24. 674 Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 56. 675 Vgl Gruber/v. Zumbusch/Haberl/Oldekop, Europäisches und internationales Patentrecht, 7. Aufl 2012. 676 Vgl Körner, FS Bartenbach, 2005, S 401, 404; Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 56; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 80; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 103. 677 Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 101; Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 84; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 51f. 678 Vgl Verordnung (EU) Nr 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl EU Nr L 361/1). Zum Entwurf v 13.4.2011 s KOM [2011] 215 endg. An der VO beteiligen sich 25 der 27 Mitgliedstaaten. Über den vorhergehenden Vorschlag von 2000 konnte in der Sprachenfrage keine Einstimmigkeit erzielt werden. 679 Rat der EU, Dok. 16351/12 (PI 148 COUR 77) v 11.1.2013.
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sind.680 Auch Vertragsstreitigkeiten aus Lizenzverträgen oder Rechtsübertragungen sind nicht erfasst.681 In Deutschland sind die Zuständigkeiten für Verletzungs- und Nichtigkeits- 279 klage getrennt geregelt. Ganz überwiegend wurde angenommen, dass die Zuständigkeit für den Verletzungsstreit nicht entfällt, wenn der Beklagte darin den Nichtigkeitseinwand einredeweise erhebt;682 der Verletzungsprozess sei aber nach § 148 ZPO auszusetzen, bis über die Gültigkeit des Klagepatents entschieden ist. Soweit nach nationalen Rechten über den Nichtigkeitseinwand im Rahmen des Verletzungsprozesses entschieden werden kann, dürfe das Verletzungsgericht über die Gültigkeit eines ausländischen Schutzrechts vorfrageweise entscheiden, ohne gegen Art 22 Nr 4 EuGVO/LugÜ zu verstoßen.683 Wird der Nichtigkeitseinwand erhoben, dürfe sich das Verletzungsgericht in diesem Fall auch nicht nach Art 25 EuGVO/LugÜ für unzuständig erklären.684 Der EuGH hat aber in der Rechtssache GAT v LuK mit Urteil v 13.7.2006685 280 entschieden, dass Art 22 Nr 4 EuGVO/LugÜ alle Arten von Rechtsstreitigkeiten über die Eintragung oder die Gültigkeit eines Patents betrifft, unabhängig davon, ob die Frage klageweise oder einredeweise aufgeworfen wird. Das Verletzungsgericht darf also über den Nichtigkeitseinwand nicht inzident entscheiden und muss sein Verfahren aussetzen. Diese Lösung hat Art 22 Nr 4 Unterabs 2 LugÜ 2007 bereits übernommen („… unabhhängig davon, ob die Frage klageweise oder einredeweise aufgeworfen wird …“). In Art 24 Nr 4 Unterabs 1 EuGVO nF ist sie ebenfalls sachlich unverändert eingegangen. Es ginge aber zu weit, die Verletzungsklage selbst nach Art 25 EuGVO/LugÜ (Art 27 EuGVO nF) abzuweisen, obwohl das Gericht für diese international zuständig ist. Ist das Gericht nicht für die Entscheidung über die Nichtigkeit zuständig, so ist das Verletzungsverfahren daher auszusetzen und kann ggf nach der Entscheidung über die Gültigkeit des schutzrechts fortgesetzt werden.686 Art 22 Nr 4 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 4 EuGVO nF) schließt nicht aus, dass ein 281 nach Art 31 EuGVO/LugÜ (Art 35 EuGVO nF) angerufenes Gericht trotz Erhebung des Nichtigkeitseinwands einstweilige Maßnahmen beschließt, wenn dabei über die Nichtigkeit selbst nicht entschieden wird.687
680 EuGHE 2006, I-6509 (GAT v LuK) = RIW 2006, 688 (Rz 16) = EuZW 2006, 575; EuGHE 1983, 3663 (Duijnstee v Goderbauer) = IPRax 1985, 92 (dazu Stauder); Geimer/Schütze Art 22 Rz 246; vgl Kieninger GRUR Int. 1998, 280; P. Veron JDI 128 (2001), 805; Wadlow EuLRev 10 (1985), 305; Wadlow Rz 3-42ff. 681 Geimer/Schütze Art 22 Rz 227, 229; Fasching/Simotta § 83c JN Rz 33. 682 Vgl Grabinski GRUR Int 2001, 199, 208f. 683 Bukow S 207ff, 233; Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2. Aufl 2009, Rz 426–456. 684 Bukow S 234ff, 243. 685 EuGHE 2006, I-6509 (Rz 25 ff, 31) = RIW 2006, 688 = EuZW 2006, 575; zu Recht krit Adolphsen ZZPInt 11 (2006), 137, 160f. 686 Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 76. 687 EuGH (12.7.2012, C-616/10, Solvay v Honeywell) RIW 2012, 627 (Tz 31ff, 50); Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 77.
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e) Verfahren über die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen (Art 22 Nr 5 EuGVO aF, Art 24 Nr 5 EuGVO nF) 282 Nach Art 22 Nr 5 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 5 EuGVO nF sind für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist, international ausschließlich zuständig. 283 Davon werden ua betroffen die Drittwiderspruchsklage,688 die Vollstreckungsabwehrklage,689 die Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung.690 Die Zuständigkeit nach Art 22 Nr 5 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 5 EuGVO nF) kann nicht dazu genutzt werden, um eine Gegenforderung einzuwenden, die selbst nach Art 2ff EuGVO/LugÜ (Art 4 ff EuGVO nF) in einem anderen Gerichtsstand geltend gemacht werden müsste.691 Dazu gehören auch Anträge zur Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung (§§ 719, 765a ZPO).692 284 Nicht erfasst von Art 22 Nr 5 EuGVO/LugÜ (Art 24 Nr 4 EuGVO nF) sind Abänderungsklagen (bzw -anträge), Gläubigeranfechtungsklagen,693 Klagen auf Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung,694 Klagen des Dritteigentümers auf Auskehrung des durch Zwangsvollstreckung unberechtigt Erlangten,695 der Streit um sichernde Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes,696 die Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach Art 38ff EuGVO/ LugÜ697 bzw der Versagung der Vollstreckung nach Art 46 ff EuGVO nF, Verfahren zur Festsetzung von Zwangsgeld nach Art 49 EuGVO/LugÜ (bzw Art 55 EuGVO nF) sowie die Zuständigkeiten für die eigentlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen698 und für die Vermögensauskunft.699 688 OLG Hamm IPRax 2001, 339 (dazu H. Roth S 323); Fasching/Simotta Vor §§ 83a, 83b Rz 165. 689 OLG Hamburg IPRax 1999, 168 (dazu Geimer S 152, 154); Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 112ff. Eine lediglich negative Feststellungsklage zur Abwehr der drohenden Zwangsvollstreckung hat der österr. OGH von Art 16 Nr 5 EuGVÜ ausgenommen, OGH IPRax 1999, 47 (ablehn. H. Roth S 50). 690 Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 55; Stein/Jonas/Wagner Art 22 EuGVO Rz 109. 691 EuGHE 1985, 2267, 2273 (AS-Autoteile v Malhé) = NJW 1985, 2892 = IPRax 1986, 232 (dazu Geimer S 208); vgl eingehend Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, 2000, S 367ff. 692 Geimer/Schütze Art 22 Rz 271; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 55f; MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 45. 693 EuGHE 1992, I-2149 (Reichert v Dresdner Bank) = EuZW 1992, 447; dazu Schlosser IPRax 1993, 17. 694 MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 48; Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 59; Fasching/Simotta Vor §§ 83a, 83b JN Rz 166. 695 OLG Hamm IPRax 2001, 339 (dazu H. Roth S 323, 324). 696 Borrás/Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 95. 697 EuGHE 1994, I-117 (Owens Bank v Bracco) = IPRax 1995, 240 (dazu Kaye S 214). 698 Treibmann, Die Vollstreckung von Handlungen und Unterlassungen, 1994, S 114ff. 699 Geimer/Schütze Art 22 Rz 273; MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 49; Borrás/ Hausmann, unalex Kommentar Art 22 Brüssel I-VO Rz 89; aA Rauscher/Mankowski Art 22 Brüssel I-VO Rz 57.
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Nicht erfasst sind auch Klagen auf Zustimmung bzw Einwilligung in die He- 285 rausgabe einer zugunsten mehrerer Personen bei Gericht hinterlegten Sache oder Geldsumme.700
16. Amtsprüfung der Zuständigkeit Jedes Gericht eines Mitgliedstaats hat von Amts wegen zu prüfen, ob Gerichte 286 eines anderen Mitgliedstaats nach Art 22 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 EuGVO nF ausschließlich zuständig sind. Ist dies der Fall, hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, Art 25 EuGVO/LugÜ bzw Art 27 EuGVO nF.701 Besteht die ausschließliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte, so hat sich das zuletzt angerufene zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären (Art 31 I EuGVO nF). Nach der Neufassung der EuGVO findet eine Amtsprüfung auch zugunsten ei- 287 ner ausschließlichen Gerichtsstandvereinbarung statt: Nach Art 31 II EuGVO nF setzt das Gericht eines anderen Mitgliedstaats sein Verfahren so lange von Amts wegen aus, bis das „vereinbarte“ Gericht seine Zuständigkeit verneint hat (s o Rz 231). Im Übrigen prüft das Gericht seine Zuständigkeit nach EuGVO bzw LugÜ von 288 Amts wegen nur, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren nicht einlässt (Art 26 I EuGVO/LugÜ bzw Art 28 I EuGVO nF). Dadurch soll ein fairer Prozess für den Beklagten gesichert werden.702 Dieser soll nicht gezwungen sein, vor einem unzuständigen Gericht zu erscheinen, nur um die Unzuständigkeit geltend zu machen und ein Versäumnisurteil gegen sich zu verhindern.703 Beruht die Zuständigkeit auf einem Spezialübereinkommen iS von Art 67 EuGVO/LugÜ, findet die Amtsprüfung in gleicher Weise statt.704
17. Zuständigkeit für Streitigkeiten über Gemeinschaftsmarken Schrifttum: M. Ebner, Markenschutz im internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, 2003, S 249; Eisenführ/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung, 2. Aufl 2007; R. Hye-Knudsen, Marken-, Patent- und Urheberrechtsverletzungen im europäischen Internationalen Zivilprozessrecht, 2005 (Kap 4), S 134ff; R. Knaak, Die Rechtsdurchsetzung der Gemeinschaftsmarke, GRURInt 1997, 865; R. Knaak, Internationale Zuständigkeit und Möglichkeiten des forum shopping in Gemeinschaftsmarkensachen, GRURInt 2007, 386; A. Pohlmann, Verfahrensrecht der Gemeinschaftsmarke, 2012; E. Schaper, Durchsetzung der Gemeinschaftsmarke, 2006; J. Strauss, Gerichtliche Zuständigkeit bei Anspruchskonkurrenz aus Markengesetz und Gemeinschaftsmarkenverordnung, GRUR 2011, 401.
700 Vgl Jayme, FS Mußgnug, 2005, S 517, 521f. 701 Mayr, unalex Kommentar Art 25 Brüssel I-VO Rz 6; vgl Schoibl, Die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nach Europäischem Verfahrensrecht, ZZPInt 10 (2005), 123ff. 702 Mayr, unalex Kommentar Art 26 Brüssel I-VO Rz 1. 703 Stein/Jonas/WagnerArt 26 EuGVO Rz 1. 704 EuGHE 2004, I-10329 (Nürnberger Allgemeine Versicherung v Portbridge) = NJW 2005, 44.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
290 Die Verordnung (EG) Nr 40/94 des Rates v 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke705 ist zum 13.4.2009 durch die neue Verordnung (EG) Nr 207/2009 v 26.2.2009706 ersetzt worden. Nach Art 94 I MarkenVO (VO (EG) 207/2009) gilt auch für Streitigkeiten über Gemeinschaftsmarken grds die EuGVO.707 Für Streitigkeiten über die Verletzung und Rechtsgültigkeit der Gemeinschaftsmarken sieht Art 96 MarkenVO die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaftsmarkengerichte vor. Die internationale Zuständigkeit regelt Art 97 MarkenVO wie folgt: „(1) Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sowie der nach Artikel 94 anzuwendenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr 44/2001 sind für die Verfahren, welche durch eine in Artikel 96 genannte Klage oder Widerklage anhängig gemacht werden, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder – in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat – eine Niederlassung hat. (2) Hat der Beklagte weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung in einem der Mitgliedstaaten, so sind für diese Verfahren die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Kläger seinen Wohnsitz oder – in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat – eine Niederlassung hat. (3) Hat weder der Beklagte noch der Kläger seinen Wohnsitz oder eine Niederlassung in einem der Mitgliedstaaten, so sind für diese Verfahren die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Amt seinen Sitz hat. (4) Ungeachtet der Absätze 1, 2 und 3 ist a) Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 anzuwenden, wenn die Parteien vereinbaren, dass ein anderes Gemeinschaftsmarkengericht zuständig sein soll, b) Artikel 24 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 anzuwenden, wenn der Beklagte sich auf das Verfahren vor einem anderen Gemeinschaftsmarkengericht einlässt. (5) Die Verfahren, welche durch die in Artikel 96 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden – ausgenommen Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung einer Gemeinschaftsmarke –, können auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht oder in dem eine Handlung im Sinne des Artikels 9 Absatz 3 Satz 2 begangen worden ist.“708
Die Reichweite dieser Regelung wird in Art 98 wie folgt präzisiert: „(1) Ein Gemeinschaftsmarkengericht, dessen Zuständigkeit auf Artikel 97 Absätze 1 bis 4 beruht, ist zuständig für: a) die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen; b) die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen Handlungen im Sinne des Artikel 9 Absatz 3 Satz 2. (2) Ein nach Artikel 97 Absatz 5 zuständiges Gemeinschaftsmarkengericht ist nur für Handlungen zuständig, die in dem Mitgliedstaat begangen worden sind oder drohen, in dem das Gericht seinen Sitz hat.“ 705 ABl EG v 14.1.1994, Nr L 11/21 ff. 706 ABl EG Nr L 78/1. 707 Vgl Kohler, Kollisionsrechtliche Anmerkungen zur Verordnung über die Gemeinschaftsmarke, FS Everling, Bd 1, 1995, S 651, 653ff; Kropholler/v. Hein Art 22 Rz 58; Kreuzer/Wagner Q 233ff; Schulte-Beckhausen WRP 1999, 300. 708 Zur entsprechenden Regelung von Art 93 VO (EG) Nr 40/94 vgl Kohler, FS Everling, S 651, 657ff; Schulte-Beckhausen WRP 1999, 300; Hye-Knudsen S 142ff.
170
Europäisches Zivilprozessrecht
§3
Die Frage, ob Art 93 V der VO Nr 40/1994 (der Art 97 V der VO Nr 207/2009 entspricht) so auszulegen ist, dass eine Verletzunghandlung auch dann im Staat A erfolgt, wenn sie in einer Teilnahmehandlung im Staat B besteht, die Haupttat Aber im Staat A erfolgt, hat der BGH im Juni 2012 dem EuGH zur Auslegung vorgelegt.709 Eine Verletzungsklage iS des Art 96 MarkenVO ist nach Art 104 MarkenVO 291 auszusetzen, wenn vor einem anderen Gemeinschaftsmarkengericht die Rechtsgültigkeit der Gemeinschaftsmarke angefochten worden ist oder wenn beim zuständigen Amt ein Nichtigkeitsantrag gestellt worden ist.710
18. Zuständigkeit für Streitigkeiten über Gemeinschaftsgeschmacksmuster Schrifttum: A. Bulling/A. Langöhrig/T. Hellwig, Geschmacksmuster, 2. Aufl 2006; O. Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2010; S. Zwanzger, Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, 2011.
292
Die internationale Zuständigkeit für derartige Streitigkeiten ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr 6/2002 des Rates v 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV).711 Nach Art 79 GGV sind grds die Regeln der EuGVO (Brüssel I-VO) anzuwenden. Nach Art 80 GGV haben die Mitgliedstaaten Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte erster und zweiter Instanz zu benennen. Diese sind ausschließlich zuständig für Verletzungsklagen, Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung, auf Erklärung der Nichtigkeit sowie für Widerklagen auf Nichtigkeit gegenüber Verletzungsklagen (Art 81 GGV).712 International zuständig sind primär die Gerichte am Wohnsitz, hilfsweise an 293 der Niederlassung des Beklagten (Art 82 I GGV). Hat der Beklagte weder Wohnsitz noch Niederlassung in einem Mitgliedstaat, sind die Gerichte im Staat des Klägerwohnsitzes, hilfsweise seiner Niederlassung zuständig (Art 82 II GGV). Haben beide Parteien weder Wohnsitz noch Niederlassung in einem Mitgliedstaat, so sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Harmonisierungsamt seinen Sitz hat (Art 82 III GGV), nämlich in Spanien. Insoweit ist der Juzgado de lo Mercantil de Alicante zuständig.713 Abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen sowie eine rügelose Einlassung sind zulässig (Art 82 IV GGV). Schließlich können Klagen und Widerklagen wegen der (drohenden) Verlet- 294 zung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters bei den Gerichten des Verletzungsstaats erhoben werden (Art 82 V GGV). Während sich die Zuständigkeiten nach Art 82 I-IV GGV auf die in jedem Mitgliedstaat begangenen oder
709 BGH (Parfümflakon II) GRUR 2012, 1065; dazu v. Hein LMK 2012, 338414. 710 Zur Vorgängerverordnung s Hye-Knudsen S 191ff. 711 ABlEG v 5.1.2002, L 3/1; geändert durch VO (EG) Nr 1891/2006 v 18.12.2006 (ABlEG L 386/14). 712 Zu den insoweit anwendbaren Regeln der EuGVO s O. Ruhl Art 79 Rz 16ff. 713 S. O. Ruhl Art 82 Rz 12.
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
drohenden Verletzungen bezieht, ist die Zuständigkeit nach Art 82 V GGV territorial auf Verletzungen oder drohende Verletzungen im Gerichtsstaat beschränkt (Art 83 GGV).714
19. Zuständigkeit für Streitigkeiten über den Sortenschutz 295 Die internationale Zuständigkeit für Sortenschutzstreitigkeiten ist in Art 94ff der Verordnung (EG) Nr 2100/94 des Rates v 22.7.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz geregelt.715 Art 101 II dieser Verordnung stellt zur Durchsetzung der in Art 94ff normierten Verletzungsansprüche folgende Gerichte bereit: (a) das Gericht des Staats, in dem der Beklagte Wohnsitz oder Sitz, hilfsweise eine Niederlassung hat; (b) hilfsweise des Staats, in dem der Kläger Wohnsitz oder Sitz, hilfsweise eine Niederlassung hat, (c) weiter hilfsweise die Gerichte des Staats, in dem das Gemeinschaftliche Sortenschutzamt seinen Sitz hat. Diese Gerichte dürfen über alle in einem Mitgliedstaat begangenen Verletzungshandlungen entscheiden (Art 101 II 2). 296 Der Verletzte kann wegen Ansprüchen aus Verletzungshandlungen auch die Gerichte am Ort des schädigenden Ereignisses anrufen, doch sind diese nur für die in diesem Mitgliedstaat begangenen Handlungen zuständig (Art 101 III). Im Übrigen verweist die VO auf das LugÜ (Art 101 I). Dadurch soll erreicht werden, dass der Klägergerichtsstand nach Art 101 II (b) nicht über Art 4 II EuGVO zu Lasten von Angehörigen der Lugano-Vertragsstaaten anwendbar ist.716
20. Zuständigkeiten für Streitigkeiten über Gemeinschaftspatente 297 Schrifttum: J. Feldges, Die Durchsetzung von Patenten in europäischen Streitigkeiten, FS Schilling, 2007, S. 111; R. Lutz/St. Luginbuehl, A patent court for Europe – status and prospects, FS Kaissis, 2012, S 577; A. Schoberth, Die Gerichtsbarkeit bei Gemeinschaftsimmaterialgütern, 2008. Europäische Union – Überarbeiteter Entwurf eines Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht, GRURInt 2011, 989.
Sowohl das Übereinkommen über das europäische Patent v 15.12.1975 (GPÜ) als auch die Vereinbarung v 21.12.1989 über das Gemeinschaftspatent sind nicht in Kraft getreten. Im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit führen jetzt aber 25 EU-Staaten zum 1.1.2014 ein Gemeinschaftspatent als EU-einheitliches Recht ein.717 Italien und Spanien beteiligen sich derzeit nicht an dem einheitlichen Patentschutz. 714 715 716 717
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Vgl O. Ruhl Art 82 Rz 26ff.; Bulling/Langöhrig/Hellwig, Rz 503ff. ABl EG v 1.9.1994, L 227/1; vgl Kreuzer/Wagner Q 237ff. Kreuzer/Wagner Q 237. VO (EU) Nr 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl EU Nr L 361/1); zum Vorschlag der Kommis-
Zuständigkeit nach Staatsverträgen
§3
Zu dem Regelungskomplex gehört die Einführung eines Gemeinschafts- 298 gerichts für geistiges Eigentum, das für Verletzungsklagen und Streitigkeiten über die Gültigkeit eines Gemeinschaftspatents ausschließlich zuständig sein soll. Dieses Einheitliche Patentgericht (EPG) soll seinen Sitz in Paris mit zwei Außenstellen in London und München erhalten. Das Gericht und seine Satzung sollen durch ein neues besonderes Übereinkommen beschlossen werden (s o § 1 Rz 82f).718 Nach Plan soll das Übereinkommen zum 1.1.2014 in Kraft treten. Frei
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II. Zuständigkeit nach Staatsverträgen 1. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 Schrifttum: a) Zum Übereinkommen von 2005: P. Beaumont, Hague Choice of Court Agreements Convention 2005, JPIL 5 (2009), 125; P. Beaumont/B. Yüksel, The Validity of Choice of Court Agreements under the Brussels I Regulation and the Hague Choice of Court Agreements Convention, Liber Amicorum Siehr, 2010, S 563; M. Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtstandsvereinbarungen, 2010; R. Brand, Forum selection and forum rejection in US courts: one rationale for a global choice of court convention, Essays in honour of Peter North, 2003, S 51; R. Brand, The Hague Convention on Choice of Court Agreements, ILM 2005, 1291; R. Brand, U.S. implementation vel non of the 2005 Hague Convention on choice of court agreements, Yearbook of Private Intern. Law, 12 (2012), 107; R. Brand/P. Herrup, The 2005 Hague Convention on Choice of Court Agreements, 2008; R. Brand/S. Jablonski, Forum non conveniens – History, Global Practice, and Future under the Hague Convention on Choice of Court Agreements, 2007; A. Briggs, Agreements on Jurisdiction and Choice of Law, 2008; Dogauchi/Hartley, Draft Report on the Preliminary Draft Convention on Exclusive Choice of Court Agreements, 2004; F. Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr, 2007; F. Eichel, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen v 30.6.2005, RIW 2009, 289; M. Fricke, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen, VersR 2006, 476; R. Garnett, The Hague Choice of Court Convention, JPIL 5 (2009), 161; T. Hartley, The Hague Choice-of-Court Convention, EL Rev 31 (2006), 414; B. Hess, The Draft Hague Convention on Choice of Court Agreements, in: Nuyts/Watté, International Civil Litigation, 2005, S 263; C. Kessedijan, L’élection de for – Vers une nouvelle convention de La Haye, FS Schlosser, 2005, S 367; C. Kessedijan, La Convention de la Haye du 30 juin 2005 sur l’élection de for, JDI 133 (2006), 813; T. Kruger, The 20th Session of the Hague Conference: A new choice of court convention and the issue of EC membership, ICLQ 55 (2006), 447; S. Luginbühl/H. Wollgast, Das neue Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen, GRURInt 2006, 208; G. Rühl, Das Haager Übereinkommen über die Vereinbarung gerichtlicher Zuständigkeiten: Rückschritt oder Fortschritt?, IPRax 2005, 410; D. Sancho Villa, Jurisdiction over jurisdiction and choice of court agreements: View on the Hague Convention of 2005 and implications for the European regime, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 399; A. Schulz, The Hague Convention of 30 June 2005 on Choice of Court Agreements, YearbookPIL VII (2005), 1; L. Teitz, The Hague Choice of Court Convention, AmJCompL 53 (2005), 543; G. Tu, The Hague Choice of Court Convention – A Chinese Perspective, AmJCompL 55 (2007), 347; S. Vrellis, The Validity of a Choice of Court sion s KOM (2011) 215 endg. Der frühere Vorschlag v 1.8.2000 (KOM (2000), 412 endg.) war an der Sprachenfrage gescheitert. 718 Rat der EU, Dok. 16351/12 v 11.1.2013 (PI 148 COUR 77).
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
Agreement under the Hague Convention of 2005, Liber amicorum Siehr, 2010, S 763; R. Wagner, The Hague Convention of 30 June 2005 on Choice of Court Agreements, RabelsZ 73 (2009), 100. Text in: Jayme/Hausmann, Internationales Privat- u. Verfahrensrecht, 16. Aufl 2012, Nr 151 u. RabelsZ 73 (2009), 150. Materialien: Hague Conference on Private International Law, Proceedings of the twentieth session, Tome III – Choice of Court, 2010.
301 b) Zum Entwurf des Haager Zuständigkeitsübereinkommens 1999/2001: S. Baumgartner, The proposed Hague Convention on jurisdiction and foreign judgments, 2003; P. Beaumont, A United Kingdom Perspective on the Proposed Hague Judgments Convention, Brooklyn J.Int.L. 1998, 75; R. Brand, Jurisdictional common ground in search of a global convention, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 11; St. Burbank, Jurisdictional equilibration, the purposed Hague Convention and progress in national law, AmJCompL 49 (2001), 203; Einstein/Phipps, Trends in International Commercial Litigation, Part II, IPRax 2005, 365, 368ff; H. Gaudemet-Tallon, De quelques raisons de la difficulté d’un entente au niveau mondial sur les règles de compétence judiciaire internationale directe, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 45; Gottwald, Internationale Zuständigkeit kraft „business activities“ im geplanten Haager Übereinkommen, FS Geimer, 2002, S 231; Grabau/Hennecka RIW 2001, 569; Kessedjian, Vers une convention a vocation mondiale, Rev.dr.unif. 1997, 675; A. T. v Mehren, La rédaction d’une convention universallement, Rev.crit. 90 (2001), 85 = AmJCompL 49 (2001), 191 (in Englisch); P. Nygh, Arthur’s baby: the Hague negotiations for a world-wide judgments convention, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 151; F. Pocar, The drafting of a world-wide convention on jurisdiction and the enforcement of judgments, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, 191; H. Schack, Entscheidungszuständigkeiten in einem weltweiten Gerichtsstandsund Vollstreckungsübereinkommen, ZEuP 1998, 931; Schlosser, A New Hague Convention and the United States, U.Kansas L.Rev. 45 (1996), 39; L. Silberman/A. Lowenfeld, The Hague Judgments Convention – and perhaps beyond, Essays in honor of A. v. Mehren 2002, S 121; R. Wagner, Die Bemühungen der Haager Konferenz für IPR um ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und ausländische Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 533; Zekoll, The role and status of American Law in the Hague Judgments Convention Project, Albany L.Rev. 61 (1998), 1283.
302 Am 30.6.2005 wurde ein neues Haager Übereinkommen über die Vereinbarung gerichtlicher Zuständigkeiten vereinbart.719 Die EU hat das Übereinkommen am 26.2.2009 gezeichnet.720 Das neue Übereinkommen erfasst nur ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen Zivil- und Handelssachen (Art 1 I). (1) Verlangt wird eine tatsächliche Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Parteien. Ob eine solche vorliegt, entscheidet sich nach dem Recht des vereinbarten Gerichts. Die Vereinbarung muss sich auf eine bereits entstandene oder auf künftige Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis beziehen. Wird ein Gericht oder werden Gerichte eines Vertragsstaats vereinbart, so wird vermutet, dass die Vereinbarung ausschließlich ist, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist (Art 3 lit b). 303 (2) Die Vereinbarung muss schriftlich oder auf andere, eine spätere Bezugnahme ermöglichende Weise geschlossen worden sein. Ein Abschluss per E-Mail 719 Vgl C. Kessedijan, FS Schlosser, S 367. 720 ABl EU 2009 Nr L 133/1.
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Zuständigkeit nach Staatsverträgen
§3
oder Fax genügt. Die Vereinbarung muss nicht besonders hervorgehoben oder besonders unterschrieben worden sein. Auch die Vereinbarung in einer fremden Sprache oder in AGB ist wirksam. (3) Eine Zivil- und Handelssache ist international, es sei denn, beide Parteien 304 haben ihren Wohnsitz in demselben Staat und die streitige Beziehung hat nur Bezug zu diesem Staat (Art 1 II). Vereinbaren Parteien für eine nationale Angelegenheit dennoch die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Vertragsstaats, so fällt diese Vereinbarung nicht unter das Übereinkommen. (4) Nicht erfasst sind
305
(i) Verbrauchergeschäfte, (ii) Verträge des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Nicht erfasst sind auch Verträge über (i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi) (vii) (viii) (ix) (x) (xi) (xii) (xiii) (xiv) (xv)
den Personenstand, Unterhaltspflichten und familienrechtliche Angelegenheiten, Fragen des Erb- und Testamentsrechts, Fragen des Insolvenzrechts, den Transport von Passagieren oder Gütern, Fragen des Kartellrechts, die Haftung für nukleare Schäden, Rechte an unbeweglichen Sachen, das Bestehen oder die Auflösung juristischer Personen und die Gültigkeit der Entscheidungen ihrer Organe, die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register, Ansprüche natürlicher Personen wegen Verletzung der körperlichen Unversehrtheit, deliktische Ansprüche wegen der Beschädigung beweglicher Sachen, Ansprüche wegen Meeresverschmutzung, Fragen im Zusammenhang mit der Haftungsbeschränkung wegen Kollisionen, Schleppen und Bergen von Schiffen in Notfällen, Fragen der Gültigkeit und Verletzung von Immaterialgüterrechten.
Das vereinbarte Gericht darf über Fragen des zweiten Kataloges aber als Vorfrage entscheiden. Wegen dieser weitreichenden Ausschlüsse wird das Übereinkommen kaum größere Bedeutung erlangen.721 (5) Das vereinbarte Gericht muss den unterbreiteten Rechtsstreit sachlich ent- 306 scheiden, darf die Klage also nicht als forum non conveniens abweisen (Art 5 II).722
721 Krit Schack, IZVR, Rz 135 (marginaler Mehrwert). 722 Rühl IPRax 2005, 410, 412; vgl Brand/Jablonski, Forum non Conveniens, 2007.
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
Jeder Vertragsstaat kann sich nach Art 19 zusätzlich vorbehalten, Klagen abzuweisen, die außer der Gerichtsstandsvereinbarung selbst keine Verbindung zu ihm haben. Das vereinbarte Gericht darf die Sachprüfung darüber hinaus nur ablehnen, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung nach einem eigenen Recht unwirksam ist oder wenn es innerstaatlich funktional oder sachlich unzuständig ist. 307 (6) Gerichte anderer Vertragsstaaten müssen die Gerichtsstandsvereinbarung respektieren und einen bei ihnen anhängig gemachten Prozess aussetzen oder die Klage als unzulässig abweisen, selbst wenn sie nach ihrem autonomen Recht zuständig wären, es sei denn (i)
die Vereinbarung sei nach dem Recht des vereinbarten Staats unwirksam, (ii) einer Partei fehlte nach dem Recht des angerufenen Gerichts die Fähigkeit zum Abschluss einer Gerichtsstandvereinbarung723, 724 308 Ausnahmen bestehen nur, wenn die Vereinbarung unwirksam ist oder ihre Berücksichtigung zu offensichtlichen Ungerechtigkeiten oder zu einem Verstoß gegen den ordre public des angerufenen Gerichts führen würde, wenn die Vereinbarung wegen außergewöhnlicher, den Parteieinfluss entzogener Umstände nicht durchgesetzt werden kann oder wenn es das vereinbarte Gericht abgelehnt hat, den Fall zu entscheiden. 309 c) Der weiterreichende Entwurf eines Haager Übereinkommens über Zuständigkeit und Anerkennung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen725 ist leider gescheitert. Der letzte Entwurf vom Juni 2001 legte in den Art 3–16 eine Reihe internationaler Entscheidungszuständigkeiten fest, die in allen Vertragsstaaten gelten sollen. Dazu gehören der Beklagtengerichtsstand (Art 3), der Gerichtsstand kraft Zuständigkeitsvereinbarung (Art 4), kraft rügeloser Einlassung (Art 5), des Erfüllungsortes bei Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen (Art 6), ein Verbrauchergerichtsstand (Art 7), der Gerichtsstand für Einzelarbeitsverträge (Art 8), der Gerichtsstand der Niederlassung (Art 9), der Deliktsgerichtsstand (Art 10) sowie ein ausschließlicher Gerichtsstand in Art 12, der weitgehend Art 22 EuGVO/LugÜ entspricht. 310 Diese Gerichtsstände waren aber nicht abschließend; ein Rückgriff auf Gerichtsstände des autonomen Rechts war zulässig (Art 17), sofern diese nicht auf der Verbotsliste des Art 18 stehen. Danach sind untersagt die Gerichtsstände des Vermögens, der Staatsangehörigkeit des Klägers oder des Beklagten, des Wohnsitzes oder des Aufenthalts des Klägers im Gerichtsstaat, der allgemeine 723 Krit S. Vrellis, Liber amicorum Siehr, 2010, S 765, 774. 724 Rühl IPRax 2005, 410, 413. 725 Preliminary Draft of 30 October 1999; Summary of the outcome of the Discussion in Commission II of the Conference of 6–20 June 2001, Interim Text; dazu R. Wagner IPRax 2001, 533; vgl auch Kessedjian, Vers une convention a vocation mondiale, Rev.dr.unif. 1997, 675; Zekoll, The role and status of American Law in the Hague Judgments Convention Project, Albany L.Rev. 61 (1998), 1283; Schlosser, A New Hague Convention and the United States, U.Kansas L.Rev. 45 (1996), 39.
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Zuständigkeit nach Staatsverträgen
§3
Gerichtsstand der Geschäftstätigkeit des Beklagten im Gerichtsstaat, der Zustellung im Gerichtsstaat, der einseitigen Forumbestimmung durch den Kläger, der vorübergehenden Anwesenheit des Beklagten im Gerichtsstaat und der Gerichtsstand am Ort des Vertragsschlusses. Einzelheiten waren aber äußerst umstritten.726 Der interim text vom Juni 2001 führte etwa auch die Zuständigkeit wegen „transacting business“727 und den Vermögensgerichtsstand unter den „weißen“ Gerichtsständen auf (s auch § 15 Rz 101f).
2. Luftverkehrs-Übereinkommen a) Warschauer Abkommen In letzter Zeit hat die Auslegung von Art 28 I des Warschauer Abkommens zur 311 Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr v 12.10.1929,728 welcher dem § 21 ZPO gleicht, die Gerichte beschäftigt. Die Bestimmung lautet: „Die Klage auf Schadenersatz muss in dem Gebiet eines der Hohen Vertragschließenden Teile erhoben werden, und zwar nach Wahl des Klägers entweder bei dem Gericht des Ortes, wo der Luftfrachtführer seinen Wohnsitz hat oder wo sich seine Hauptbetriebsleitung oder diejenige seiner Geschäftsstellen befindet, durch die der Vertrag abgeschlossen worden ist, oder bei dem Gericht des Bestimmungsortes.“
Die Regel betrifft ausschließlich die internationale Zuständigkeit.729 Vor deutschen Gerichten ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus § 440 HGB.730 Der BGH hat entschieden, dass als „Geschäftsstelle“ einer ausländischen Luft- 312 fahrtgesellschaft auch eine selbständige inländische Agentur anzusehen ist, derer sich die ausländische Fluggesellschaft regelmäßig beim Abschluss von Luftfrachtverträgen bedient.731 Damit gelangt man meist zu einer Zuständigkeit am Ort des Vertragsschlusses, wenn nicht am Wohnsitz des Flugpassagiers.732 Die deutsche internationale Zuständigkeit ist damit ausgedehnt worden, nachdem der BGH eine eigene Rechtspersönlichkeit einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Versicherungsgesellschaft bereits anerkannt hatte.733
726 Vgl P. Beaumont Brooklyn J.Int.L. 1998, 75; St. Burbank AmJCompL 49 (2001), 203; R. Wagner IPRax 2001, 533; A. T. v Mehren Rev.crit. 90 (2001), 85 = AmJCompL 49 (2001), 191; Grabau/Hennecka RIW 2001, 569; Gottwald, FS Geimer, 2002, S 231; Schack ZEuP 1998, 931. 727 Vgl R. Wagner IPRax 2001, 533, 539. 728 RGBl 1933 II, 1039. 729 Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, Art 28 WA 1955 Rz 1; MüKo/Gottwald, 2. Aufl 2007/8, WA, ZAG Rz 2; vgl Wenzler, Art 28 Abs 1 WA in der Rspr US-amerikanischer Gerichte, TransportR 1990, 414. 730 Koller, 7. Aufl 2010, Art 28 WA 1955 Rz 5. 731 IPRax 1984, 27 (dazu Nagel S 13). 732 Otto S 145f. 733 NJW 1979, 1785.
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Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
Art 28 WA soll für Luftverkehrsunfälle durch eine Zuständigkeit am Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort des Fluggastes ergänzt werden.734 313 Ergänzt wird Art 28 WA durch Art VIII des Zusatzabkommens zum Warschauer Abkommen von Guadalajara v 18.9.1961 (ZAG)735. Dieser lautet: „Eine Klage auf Schadenersatz im Sinne des Artikels VII muss nach Wahl des Klägers entweder bei einem der Gerichte erhoben werden, bei denen eine Klage gegen den vertraglichen Luftfrachtführer nach Artikel 28 des Warschauer Abkommens erhoben werden kann, oder bei dem Gericht des Ortes, wo der ausführende Luftfrachtführer seinen Wohnsitz hat oder wo sich seine Hauptbetriebsleitung befindet.“
Auch diese Regel betrifft nur die internationale Zuständigkeit. Sie erweitert die Gerichtsstände um die des Wohnsitzes oder der Hauptbetriebsleitung des ausführenden Luftfrachtführers. Nach Art VII ZAG kann an jedem dieser Gerichtsstände sowohl gegen den vertraglichen als auch gegen den ausführenden Frachtführer geklagt werden.736
b) Montrealer Übereinkommen 314 Schrifttum: F. Reuschle, Montrealer Übereinkommen, 2. Aufl 2011; Ruhwedel, Montrealer Übereinkommen, in Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl 2009, S 1474.
Das neue Montrealer Übereinkommen (MÜ) von 1999737 soll das gesamte bisherige „Warschauer System“ ablösen. Es integriert dazu die bisherigen Gerichtsstände von Art 28 WA und Art VIII ZAG und eröffnet in Art 33 II MÜ bei Tod oder Verletzung eines Passagiers zusätzlich einen Gerichtsstand vor den Gerichten des Staats, in dem der Passagier zur Zeit des Unfalls seinen primären ständigen Aufenthalt hat, sofern das Luftfahrtunternehmen in diesem Staat Flüge veranstaltet und durch eigene oder die Niederlassung eines verbundenen Luftfahrtunternehmens in diesem Staat Geschäfte betreibt.738 Da das Montrealer Übereinkommen aber noch nicht allgemein ratifiziert ist, gilt das Warschauer System im Verhältnis zu den bisherigen Vertragsstaaten weiter.739 Die Zuständigkeit nach Art 28 WA besteht auch dann, wenn der Luftfrachtvertrag dem von Deutschland nicht ratifizierten Montrealer Zusatzprotokoll Nr 4 unterliegt.740 Art 33 lautet: Gerichtsstand
734 Jayme/Kohler IPRax 1996, 377, 383. 735 BGBl 1963 II, 1159. 736 Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, Art VII ZAG Rz 1; MüKo/Gottwald, 2. Aufl 2007/8, WA, ZAG Rz 4. 737 Convention for the Unification of Certain Rules for International Carriage by Air, signed at Montreal on 28 May 1999; BGBl 2004 II, 458, 473. 738 Vgl Saenger, Harmonisierung des internationalen Luftprivatrechts, NJW 2000, 169, 174; Schmid/Müller-Rostin NJW 2003, 3516, 3520; Müller-Rostin TransportR 1998, 229. 739 MüKoHGB/Ruhwedel, 2. Aufl 2009, Einl MÜ Rz 21f. 740 BGH RIW 2010, 74.
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Zuständigkeit nach Staatsverträgen
§3
(1) Die Klage auf Schadensersatz muss im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten erhoben werden, und zwar nach Wahl des Klägers entweder bei dem Gericht des Ortes, an dem sich der Wohnsitz des Luftfrachtführers, seine Hauptniederlassung oder seine Geschäftsstelle befindet, durch die der Vertrag geschlossen worden ist, oder bei dem Gericht des Bestimmungsorts. (2) Die Klage auf Ersatz des Schadens, der durch Tod oder Körperverletzung eines Reisenden entstanden ist, kann bei einem der in Absatz 1 genannten Gerichte oder im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats erhoben werden, in dem der Reisende im Zeitpunkt des Unfalls seinen ständigen Wohnsitz hatte und in das oder aus dem der Luftfrachtführer Reisende im Luftverkehr gewerbsmäßig befördert, und zwar entweder mit seinen eigenen Luftfahrzeugen oder aufgrund einer geschäftlichen Vereinbarung mit Luftfahrzeugen eines anderen Luftfrachtführers, und in dem der Luftfrachtführer sein Gewerbe von Geschäftsräumen aus betreibt, deren Mieter oder Eigentümer er selbst oder ein anderer Luftfrachtführer ist, mit dem er eine geschäftliche Vereinbarung geschlossen hat. (3) Im Sinne des Absatzes 2 bedeutet a) „geschäftliche Vereinbarung“ einen Vertrag zwischen Luftfrachtführern über die Erbringung gemeinsamer Beförderungsdienstleistungen für Reisende im Luftverkehr mit Ausnahme eines Handelsvertretervertrags, b) „ständiger Wohnsitz“ den Hauptwohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt des Reisenden im Zeitpunkt des Unfalls. Die Staatsangehörigkeit des Reisenden ist in dieser Hinsicht nicht entscheidend. (4) Das Verfahren richtet sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts.
Ergänzend ist § 56 LuftVG zu beachten. Haftpflichtklagen, die auf das LuftVG 315 gestützt werden, können nach § 56 I auch beim Gericht des Unfallortes erhoben werden. Auf den Luftbeförderungsvertrag gestützte Klagen können zusätzlich am Gericht des Bestimmungsorts erhoben werden (§ 56 II 1). Bei einer Beförderung durch einen Dritten kann die Klage gegen den Dritten auch im Gerichtsstand des Luftfrachtführers und gegen den Luftfrachtführer im Gerichtsstand des Dritten erhoben werden (§ 56 II 2). Bei einer internationalen Luftbeförderung, die den internationalen Abkommen unterliegt, bestimmt sich der Gerichtsstand nur nach diesen Abkommen (§ 56 III LuftVG). Soweit sich die internationale Zuständigkeit aus Art 33 II MÜ ergibt, ist für 316 Klagen auf Schadensersatz bei Tod oder Körperverletzung eines Reisenden das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Reisende zur Zeit des Unfalls seinen Wohnsitz hatte (§ 56 III 2 LuftVG).
3. CMR Schrifttum: Jesser-Huß, CMR, in Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 7, 2. Aufl 2009, S. 785; Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, S. 1237; Thume, CMR, 2. Aufl 2008.
Für Streitigkeiten aus grenzüberschreitenden Speditions- und Landfrachtverträgen ist ua zwingend eine Klage am Gericht der Hauptniederlassung oder am Gericht der Zweigniederlassung oder Geschäftsstelle zulässig, durch deren Vermittlung der Beförderungsvertrag geschlossen wurde (Art 31 I CMR). Wie bei Art 33 MÜ ist auch eine selbständige Agentur als Geschäftsstelle anzu-
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
sehen, wenn sich der Frachtführer ihrer regelmäßig zum Vertragsschluss bedient.741 318 Nach Art 31 I CMR kann der Frachtführer oder Spediteur nicht nur am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts, seiner Hauptniederlassung oder tätig gewordenen Zweigniederlassung, sondern auch am Ort der tatsächlichen Übernahme des Frachtgutes oder am vertraglich vereinbarten Ablieferungsort verklagt werden. Diese Zuständigkeit kann nicht abbedungen werden (Art 31 I 2 CMR). Art 31 I CMR regelt die internationale Zuständigkeit742 und hat nach Art 71 EuGVO Vorrang vor dem europäischen Recht,743 findet aber nicht nur bei vertraglichen, sondern auch bei der Geltendmachung außervertraglicher Ansprüche Anwendung, wenn die unerlaubte Handlung in sachlichem Zusammenhang mit der Güterbeförderung steht.744 Der Vorrang darf aber nicht die Grundsätze einer geordneten Rechtspflege beeinträchtigen und nicht dazu führen, dass Parallelverfahren zulässig werden.745 319 Art 31 CMR gilt auch für (deliktische) Ansprüche gegen einen Unterfrachtführer, wenn ein hinreichend enger Zusammenhang mit dem Hauptbeförderungsvertrag besteht. Für den Abwednungsbereich ist nicht isoliert auf den Unterfrachtvertrag, sondern auf den Gesamtbeförderungsvertrag abzustellen.746 320 Die örtliche und sachliche Zuständigkeit muss nach autonomem Recht begründet sein. In Deutschland ergibt sie sich aus Art 1 a CMR-G, der nicht Teil der CMR ist. Die örtliche Zuständigkeit kann sich daneben ggf auch aus den §§ 12, 13, 17, 21, 38, 39 ZPO ergeben.747 Durch eine Veränderung des Aufbewahrungsorts nach Schadenseintritt wird keine neue Zuständigkeit nach Art 1a CMR-G begründet.748 321 Gerichtsstandsvereinbarungen sind auch nach Art 31 I CMR zulässig. Diese Regel ist unabdingbar (Art 41 I CMR) und geht der EuGVO (Art 67) bzw EuGVÜ/LugÜ (Art 57) vor. Art 31 I CMR bezieht sich aber nur auf die internationale Zuständigkeit. Diese kann danach formfrei vereinbart werden, so dass auf § 38 ZPO abzustellen ist.749 322 Werden in einem Speditionsvertrag die ADSp als AGB vereinbart, so gilt die Gerichtsstandsabrede nach ADSp Ziff 30. Nach Art 31 I CMR steht der verein741 Thume/Demuth, CMR, 2. Aufl 2008, Art 31 Rz 21; nur bei Rechtsschein MüKoHGB/Jesser-Huß Art 31 CMR Rz 21. 742 Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, Art 31 CMR Rz 1, 2; Herber/Piper, CMR, 1996, Art 31 Rz 9ff; MüKoHGB/Jesser-Huß Art 31 CMR Rz 16ff; Staub/Helm, HGB, Bd VII/2, 4. Aufl 2002, Art 31 CMR Rz 17. 743 EuGHE 2010, I-4107 (Rz 45) (TNT Express Nederland v AXA Versicherung) = NJW 2010, 1736; EuGHE 2004, I-10327 (Nürnberger Allgemeine VersicherungsAG v Portbridge) = NJW 2005, 44 = EWiR Art 57 EuGVÜ 1/04, 1219 (Vogl) = IPRax 2006, 256 (dazu Haubold S 224); BGH RIW 2003, 722. 744 BGH RIW 2009, 167, 168 (Tz 19); BGH RIW 2001, 941, 942. 745 EuGHE 2010, I-4107 (TNT Express Nederland) = NJW 2010, 1736, 1738 (Rz 53). 746 BGH RIW 2009, 167, 169 (Tz 22ff). 747 Koller Art 31 CMR Rz 6; Staub/Helm Art 31 CMR Rz 17. 748 OLG Karlsruhe RIW 1996, 428. 749 Thume/Demuth, CMR, 2. Aufl 2008, Art 31 Rz 28ff.
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barte Gerichtsstand nämlich stets alternativ und nicht als ausschließlicher Gerichtsstand zur Verfügung.750 Ergänzend besteht für Regressansprüche eine internationale Zuständigkeit nach Art 39 II CMR.751 Diese Bestimmung lautet:
323
„1Ein Frachtführer, der sein Rückgriffsrecht gerichtlich geltend machen will, kann seinen Anspruch vor dem zuständigen Gericht des Staates erheben, in dem einer der beteiligten Frachtführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Hauptniederlassung oder die Zweigniederlassung oder Geschäftsstelle hat, durch deren Vermittlung der Beförderungsvertrag abgeschlossen worden ist. 2Ein und dieselbe Rückgriffsklage kann gegen alle beteiligten Frachtführer gerichtet werden.“
Diese Norm bezieht sich nur auf Regressansprüche im Innenverhältnis zwi- 324 schen aufeinander folgenden Frachtführern iS von Art 34 CMR.752
4. Gütertransport auf See Eine ähnliche, aber zwingende Regelung des Gerichtsstands sieht Art 21 UN- 325 Convention on the Carriage of Goods by Sea v 31.3.1978753 vor. In Verfahren, die Seefrachtverträge betreffen, die unter das Übereinkommen fallen, kann der Kläger klagen (a) am Sitz der Hauptniederlassung oder hilfsweise dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Beklagten, (b) am Ort des Vertragsschlusses, wenn der Beklagte dort eine Niederlassung, Zweigniederlassung oder Agentur hat, von der aus der Vertrag geschlossen wurde, (c) am Ort des Ladehafens oder des Entladehafens oder (d) an einem anderen Ort, der dazu im Seefrachtvertrag vorgesehen ist. Außerdem kann an jedem Hafenort eines Vertragsstaats geklagt werden, an dem das Transportschiff oder ein anderes Schiff desselben Eigentümers mittels Arrests beschlagnahmt wurde.754
5. Eisenbahnverkehr Schrifttum: Freise, Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr, in Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl 2009, S 1251.
Für Ansprüche aus Eisenbahn-Personen/Gepäck-Verträgen und Eisenbahn- 326 Frachtverträgen ist die internationale Zuständigkeit in Art 52 §§ 1, 2 CIV sowie Art 46 CIM geregelt.755
750 751 752 753 754 755
Vgl Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, Art 31 CMR Rz 5, 6. Staub/Helm Art 39 CMR Rz 5, 6. BGH RIW 2008, 90. ILM 17 (1978), 608, 622. Vgl Mankowski TransportR 1992, 301, 304ff. Vgl MüKo/Gottwald, IZPR, Nr C 1d (S 2030); MüKoHGB/Freise, Art 46 CIM Rz 1ff; Kreuzer/Wagner Q 251ff.
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6. Übereinkommen über besondere Unfälle 327 a) Wegen Ansprüchen aus Schiffszusammenstößen kann der Kläger gem Art 1 des Übereinkommens v 10.5.1952 zur Vereinheitlichung der Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen756 nach seiner Wahl klagen: (1) vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Niederlassung hat, (2) vor dem Gericht, in dessen Bezirk ein Arrest in das Schiff des Beklagten vollzogen oder durch Sicherheitsleistung gehemmt worden ist, (3) vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Zusammenstoß stattfand, wenn er sich in einem Hafen oder Binnengewässern ereignet hat. Zulässig sind Gerichtsstandsvereinbarungen (Art 2). Außerdem können kraft Sachzusammenhangs mehrere Beteiligte vor dem gleichen Gericht verklagt werden (Art 3). 328 b) Für die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie sind nach Art 13 (a), (b) des Pariser Übereinkommens v 29.7.1960757 die Gerichte des Staats zuständig, in dem das nukleare Ereignis eingetreten ist, hilfsweise des Staats, in dem die Kernanlage gelegen ist. 329 c) Für Ansprüche gegen den Inhaber von Reaktorschiffen wegen nuklearer Schäden sind nach Art X (1) des Übereinkommens v 25.5.1962758 nach Wahl des Klägers die Gerichte des Genehmigungsstaats oder des Staats zuständig, in dem der Schaden eingetreten ist. 330 d) Nach Art IX (1) des Internationalen Übereinkommens von 1992759 sind für Klagen wegen Ölverschmutzungsschäden oder Schutzmaßnahmen die Gerichte des oder der betreffenden Staaten zuständig; für Streitigkeiten auf Schadenersatz oder Aufwendungsersatz bei Ölverschmutzungsschäden ist nach Art XI Nr 1 des Gesetzes zum Internationalen Übereinkommen v 29.11.1969760 auch das Gericht zuständig, „in dessen Bezirk sich das schädigende Ereignis zugetragen hat oder der Verschmutzungsschäden eingetreten ist oder Schutzmaßnahmen … ergriffen oder angeordnet worden sind“.761 331–399 Frei
III. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum 400 a) Allgemein: Aden, Intenationale Notzuständigkeit, ZVglRWiss 106 (2007), 490; S. Adena, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, RIW 2010, 868; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998; Bittighofer, Der internationale Gerichtsstand des Vermögens, 1994; B. Buchner, Kläger- und 756 757 758 759 760 761
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BGBl 1972 II 663; vgl Kreuzer/Wagner Q 258f. BGBl 1985 II, 967; vgl Kreuzer/Wagner Q 260. BGBl 1975 II, 983. BGBl 1996 II, 671, 680; vgl Kreuzer/Wagner Q 261. BGBl 1996 II, 671, 680. Vgl K. Ramming, Zur Zuständigkeit deutscher Gerichte für Ansprüche wegen Ölverschmutzungsschäden, TranspR 2007, 13.
Autonomes deutsches Recht
§3
Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998; Busse, Aufrechnung bei internationalen Prozessen vor deutschen Gerichten, MDR 2001, 729; Coester-Waltjen, Die Aufrechnung im internationalen Zivilprozessrecht, FS G. Lüke, 1997, S 35; Coester-Waltjen, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, FS Schütze, 1999, S 175; Coester-Waltjen, Parteiautonomie in der internationalen Zuständigkeit, FS Heldrich, 2005, S 549; K. Cornils, Der Begehungsort von Äußerungsdelikten im Internet, JZ 1999, 394; Dorsel, Forum non conveniens, 1996; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985; P. Fölsch, Die Berufungszuständigkeit der Oberlandesgerichte bei Fällen mit Auslandsberührung, MDR 2008, 301; Fricke, Der Gerichtsstand des Vermögens, IPRax 1991, 159; Fricke, Neues vom Vermögensgerichtsstand, NJW 1992, 3066; Gebauer, Die Aufrechnung nach italienischem Recht vor deutschen Gerichten, JbItalR 12 (1999), 31; Geimer, „Doing business in Germany“ als Basis deutscher internationaler Zuständigkeit, RIW 1988, 221; Geimer, Verfassungsrechtliche Vorgaben bei der Normierung der internationalen Zuständigkeit, FS Schwind, 1993, S 17; Geimer, Reflexionen über ausschließliche internationale Zuständigkeiten, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 187; Geimer, Die internationale Zuständigkeitsordnung des autonomen deutschen Rechts, NJW 2005, Sonderheft BayObLG, S 31; O. Hartwieg, Forum shopping zwischen Forum non Conveniens und „hinreichendem Inlandsbezug“, JZ 1996, 109; Haunhorst, Die wesenseigene (Un-)Zuständigkeit deutscher Gerichte, 1994; J. v. Hein, Der ausschließliche Gerichtsstand für Kapitalanleger-Musterverfahren, RIW 2004, 602; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969; Jayme, Die internationale Zuständigkeit bei Haustürgeschäften, FS Nagel, 1987, S 123; Junker, Internationales Vertragsrecht im Internet, RIW 1999, 809; Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Prozessrecht, 1988; Kleinstück, Due-Process-Beschränkungen des Vermögensgerichtsstandes durch hinreichenden Inlandsbezug und Minimum Contacts, 1994; R. Koch, Zur Vereinbarung des Erfordernisses „hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits“ gem § 23 ZPO mit dem Gemeinschaftsrecht, IPRax 1997, 229; Kropholler, Internationale Zuständigkeit, Hdb IZPR, Bd I, 1982; S. Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999; Ch. Kuner, Internationale Zuständigkeitskonflikte im Internet, CR 1996, 453; Leipold, Probleme des internationalen Zivilverfahrensrechts, in: The International Symposium on Civil Justice in the Era of Globalization, Tokyo 1993, S 3; Lindacher, Internationale Zuständigkeit in Wettbewerbssachen, FS Nakamura, 1996, S 321; Lüderitz, Fremdbestimmte internationale Zuständigkeit? Versuch einer Neubestimmung von § 29 ZPO, FS Zweigert, 1981, S 233; Lurger, Inlandsbezug von Vermögensgerichtsständen, ZfRV 1995, 61; Mankowski, Die Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen auf dem Prüfstand der internationalen Zuständigkeit, IPRax 2006, 454; Mansel, Vermögensgerichtsstand und Inlandsbezug bei der Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit, FS Jayme, 2004, S 561; Mark/Ziegenhain, Der Gerichtsstand des Vermögens im Spannungsfeld zwischen Völkerrecht und deutschem internationalen Prozessrecht, NJW 1992, 3062; Möllers, Internationale Zuständigkeit bei der Durchgriffshaftung, 1987; Th. Müller-Froelich, Der Gerichtsstand der Niederlassung im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2008; P. Oberhammer, Vermögensbelegenheit und Funktion des Vermögensgerichtsstands, FS Schlosser, 2005, S 651; Otto, Der prozessuale Durchgriff, 1993, S 125ff; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995; Pfeiffer, Der Umweltgerichtsstand als zuständigkeitsrechtlicher Störfall, ZZP 106 (1993), 159; Pfeiffer, Materialisierung und Internationalisierung im Recht der Internationalen Zuständigkeit, Festgabe BGH, Bd 3, 2000, S 617; Pichler, Internationale Gerichtszuständigkeit im Online-Bereich, Jb junger Rechtswiss. 1998, S 229; Pichler, in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht (Teil 31), 1999; Pichler, Internationale Zuständigkeit im Zeitalter globaler Vernetzung, 2008; Piekenbrock, Internationale (Prozess-)Aufrechnung – Beklagter kann stets den Vermögensgerichtsstand geltend machen, RIW 2000, 751; Prütting, Internationale Zuständigkeit und Revisionsinstanz, GS Blomeyer, 2004, S 803; Redmann, Ordre publicKontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen, 2005; Reus, Die „forum non conveniens-
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
doctrine“ … in Zukunft auch im deutschen Prozess?, RIW 1991, 542; F. Reuschle, Der Gerichtsstand nach § 32b ZPO – Anwendungsfälle aus der Praxis, FS Simotta, 2012, S 471; H. Roth, Inländische Gerichtsbarkeit, ZVerglRWiss 90 (1991), 298; H. Roth, Aufrechnung und internationale Zuständigkeit nach deutschem und europäischem Prozessrecht, RIW 1999, 819; H. Roth, Probleme um die internationale Zuständigkeit nach § 29 ZPO, FS Schlosser, 2005, S 773; Rüssmann, Die internationale Zuständigkeit für Widerklage und Prozessaufrechnung, FS Ishikawa, 2001, S 455; Schack, Die grenzüberschreitende Verletzung allgemeiner und Urheberpersönlichkeitsrechte, Ufita 108 (1988), 51; Schack, Das internationale Prozessrecht in umweltrechtlichen Streitigkeiten, in: Umweltschutz im Völkerrecht und Kollisionsrecht (Ber. dt. Ges. f. Völkerrecht Heft 32), 1992, 315; Schack, Die Versagung der deutschen internationalen Zuständigkeit wegen forum non conveniens und lis alibi pendens, RabelsZ 58 (1994), 40; Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, 1985; Schack, Vermögensbelegenheit als Zuständigkeitsgrund, ZZP 97 (1984), 46ff; Schack, Internationale Zuständigkeit und Inlandsbeziehung, FS Nakamura, 1996, S 491; Schack, Der prozessuale Durchgriff im internationalen Konzern, GS Sonnenschein, 2002, S 705; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971; I. C. Schüttfort, Ausschließliche Zuständigkeiten im internationalen Zivilprozessrecht, 2011; Schütze, Zur internationalen Zuständigkeit aufgrund rügeloser Einlassung, ZZP 90 (1977), 67; Schütze, Das Vermögen als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit, FS Ishikawa, 2001, S 493; Schütze, Die Notzuständigkeit im deutschen Recht, FS Rechberger, 2005, S 567; Schumann, Aktuelle Fragen und Probleme des Gerichtsstands des Vermögens, ZZP 93 (1980), 408; Schumann, Internationale Zuständigkeit: Besonderheiten, Wahlfeststellung, doppelrelevante Tatsachen, FS Nagel, 1987, S 402; Schwarz, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1990; Serick, Nach welchem Recht ist der Wohnsitz … bei Auslandsbeziehungen zu beurteilen?, ZZP 68 (1955), 278; A. Staudinger, Europäisierung des § 29 Abs. 1 ZPO, JR 2012, 47; Staudinger/Artz, Nacherfüllung im Kaufrecht und Gerichtsstand des Erfüllungsorts, NJW 2011, 3121; Süßmeier, Öffentliche Klagezustellung an den Antragsgegner und deutsche internationale Zuständigkeit, Diss. Heidelberg, 1992; E. Teuber, Die internationale Zuständigkeit bei Verbraucherstreitigkeiten, 2003; Vischer, Bemerkungen zum Verhältnis von internationaler Zuständigkeit und Kollisionsrecht, FS v Overbeck, 1990, S 349; M. u. G. Vollkommer, Auswirkungen und Impulse des Transportrechtsreformgesetzes von 1998 auf das Prozessrecht, GS Helm, 2001, S 365; Walchshöfer, Die deutsche internationale Zuständigkeit in der streitigen Gerichtsbarkeit, ZZP 80 (1967), 165; Wenner, Grundstückseigentum im Ausland – Gerichtsstand im Inland?, FS Jagenburg, 2002, S 1013; Winkler v Mohrenfels, Internationale Scheidungszuständigkeit und Gleichberechtigung, ZZP 94 (1981), 71; Ch. Wolf, Gerichtspflichtigkeit durch Vermögen, 2002; Würthwein, Zur Problematik der örtlichen und internationalen Zuständigkeit aufgrund unerlaubter Handlung, ZZP 106 (1993), 51; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1992, S 219ff; Zigann, Entscheidungen inländischer Gerichte über ausländische gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte, 2002. b) Gerichtsstandsvereinbarungen: v Baum, Die prozessuale Modifizierung von Wertpapieren durch Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, 1998; Ehricke, Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB im vollkaufmännischen Verkehr, ZZP 111 (1998), 145; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr, 2007; v. Falkenhausen, Ausschluss von Aufrechnung und Widerklage durch internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, RIW 1982, 386; Gottwald, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, FS Henckel, 1995, S 295; Hausmann, Einheitliche Anknüpfung internationaler Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen?, FS W. Lorenz, 1991, S 359; H. Heiss, Die Form internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, ZfRV 2000, 202; E. Hernández-Breton, Internationale Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1993; Kegel, Gerichtsstand und Geschäftsgrundlage, FS Henrich, 2000, S 327; Y.-J. Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, 1995; P. Mankowski, Rechts-
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wahl und Gerichtsstandsvereinbarung im Lichte der Spieltheorie, in Eger/Bigus/Ott/ v. Wangenheim, Internationalisierung des Rechts und seine ökonomische Anslyse, 2008, S 369; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1967; Pfeiffer, Halbseitig fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen in stillschweigend vereinbarten AGB?, IPRax 1998, 1; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte (§ 22: Gerichtsstandsvereinbarungen), 1999; Prinzing, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 38 ZPO, IPRax 1990, 83; Rasmussen-Bonne, Alternative Rechts- und Forumswahlklauseln, 1999; Rauscher, Gerichtsstandsbeeinflussende AGB im Geltungsbereich des EuGVÜ, ZZP 104 (1991), 271; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl 2009; G. Roth, Internationale Probleme bei Prorogation und Derogation, ZZP 93 (1980), 156; A. Ruzik, Der Erfüllungsgerichtsstand nach § 29 ZPO bei internationalen Flugreisen, NJW 2011, 2019; Saenger, Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, FS Sandrock, 2000, S 807; F. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997; O. Sandrock, Gerichtsstandsoder Schiedsklauseln in Verträgen zwischen US-amerikanischen und deutschen Unternehmen: Was ist zu empfehlen?, FS Stiefel, 1987, S 625; Schoibl, Zum Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-österreichischen Rechtsverkehr, in: (Linzer) Beiträge zum Zivilprozessrecht IV, 1991, S 121; R. Schütze, Rechtswahl- und Gerichtsstandlauseln bei equal bargaining power der Parteien, GS M. Wolf, 2011, S 551; F. Sparka, Jurisdiction and Arbitration Clauses in Maintime Transport Documents, 2010; G. Wagner, Prozessverträge, 1998, S 346ff, 556ff; Walchshöfer, Die Wirksamkeit internationaler Zuständigkeitsvereinbarungen, NJW 1972, 2164; Walter, Der Kampf ums Forum – oder: Der Justizkonflikt USA – Europa aus Schweizer Sicht, FS Nemeth, 2003, S 959; M. Wandt/J. Gal, Gerichtsstandsvereinbarungen in Versicherungssachen im Anwendungsbereich des § 215 VVG, GS M. Wolf, 2011, S 579; M. Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen Zuständigkeitsrecht, 2005; Weyland, Zur Frage der Ausschließlichkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, GS Arens, 1993, S 417.
2. Einführung Während die Probleme der Gerichtsbarkeit nur einen kleinen Teil der Vertrags- 401 gestaltung und der Prozessvorgänge betreffen, hat die Bedeutung der internationalen Zuständigkeit in den letzten Jahren sehr stark zugenommen, weil die Fälle mit Auslandsberührung durch den Wirtschaftsverkehr, den ins Riesige gewachsenen Tourismus und durch familiäre Beziehungen stetig ansteigen. Schon vor einer Vertragsgestaltung muss überlegt werden, vor welchem Gericht geklagt werden muss, falls Streitigkeiten entstehen sollten. Schon dabei muss erwogen werden, ob aus einem Urteil eines deutschen Gerichts auch im Ausland vollstreckt werden kann oder ob man sich sogleich entscheiden sollte, im Ausland zu klagen. Dabei sind wiederum spezifische Schwierigkeiten zu erwägen. Vorrangig stellt sich die Frage nach der deutschen internationalen Zuständigkeit. Selbst die eindeutig begründete Klage ist als unzulässig abzuweisen, wenn es an einem internationalen Gerichtsstand in Deutschland fehlt.
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3. Begriff der internationalen Zuständigkeit 402 In Deutschland unterscheidet man zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit.762 Bei der Gerichtsbarkeit geht es darum, ob ein Staat seine Gebiets- bzw Personalhoheit gegenüber anderen Staaten und ihren Repräsentanten sowie internationalen Organisationen ausüben darf (s o § 2). Mit der Begrenzung der internationalen Zuständigkeit entscheidet der Staat autonom, ob und in welchem Umfang er seine grds bestehende Jurisdiktionshoheit in grenzüberschreitenden („internationalen“) Fällen ausüben will.763 403 Den Begriff der internationalen Zuständigkeit hat Neuner 1929 eingeführt. Die deutsche Rechtsprechung und Lehre haben ihn allgemein übernommen. Die internationale Zuständigkeit unterscheidet sich erheblich sowohl von der Gerichtsbarkeit als auch von der örtlichen, sachlichen und funktionalen Zuständigkeit.764 Diese Unterscheidung liegt auch dem Europäischen Recht (EuGVO/LugÜ) zugrunde. 404 Das anglo-amerikanische Recht unterscheidet nicht in dieser Weise, sondern fragt stets, ob ein Staat personal jurisdiction bzw in völkerrechtlicher Terminologie „jurisdiction to adjudicate“765 ausüben darf. Völkerrechtlich geht es danach um einen Souveränitätsausgleich zwischen den beteiligten Staaten, wobei gegenwärtig nur gesagt werden kann, dass der Rechtsstreit eine „vernünftige Beziehung“ bzw „minimum contacts“ zum Gerichtsstaat haben muss. Allerdings kann es nicht (nur) um sinnvolle Machtausübung des Staats gehen, sondern es geht primär darum, in grenzüberschreitenden Fällen sinnvoll zuständige Gerichte bereitzustellen.766 Zweifelsfreie konkrete völkerrechtliche Grenzen sind hierzu bisher nicht entwickelt worden.767 405 Aus dem deutschen Grundgesetz folgt lediglich ein allgemeiner Justiz(gewährungs)anspruch. International lassen sich daraus ein Verbot des deni de justice (s u Rz 419ff) und die Pflicht des Staats ableiten, seine Gerichte zu öffnen, soweit der Streitgegenstand Inlandsbezug hat. Konkretere Grenzen lassen sich aus dem Grundgesetz dagegen nicht ableiten.768 406 Die internationale Zuständigkeit muss unterschieden werden von der örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit. Dabei ist die Unterscheidung von der örtlichen Zuständigkeit deswegen besonders wichtig, weil die internationale an die örtliche Zuständigkeit in mancher Hinsicht angeknüpft wird. Das Zivilprozessreformgesetz v 27.7.2001 ordnet zwar in den §§ 513 II, 545 II ZPO an, dass Berufungs- bzw Revisionsgericht nicht prüfen, ob das Gericht erster Instanz „seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat“. Die 762 Vgl Heß, Staatenimmunität, 1992, S 387ff; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §§ 19, 31. Anders in Polen; s K. Weitz, Jurysdykcja Krajowa, 2005, S 463. 763 Gottwald, FS Habscheid, S 119; Heß, Staatenimmunität, 1992, S 380; Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 2. 764 Vgl H. Roth ZVerglRWiss 90 (1991), 298. 765 Vgl Restatement Foreign Relations Law [Third], § 421. 766 Geimer ZfRV 5 (1992), 321, 334f. 767 Schack, FS Nakamura, S 491, 506. 768 Geimer, FS Schwind, 1993, S 17, 30ff; vgl Pfeiffer S 335ff, 433ff.
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Kontrolle der internationalen Entscheidungszuständigkeit hat aber einen anderen Zweck und einen anderen Stellenwert und ist daher auch weiterhin nicht ausgeschlossen.769 In allen Instanzen muss das Gericht daher von Amts wegen prüfen, ob die Ge- 407 richtsbarkeit besteht und ob es für die Entscheidung international zuständig ist770. Sowohl beim Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit als auch beim Fehlen einer internationalen Zuständigkeit muss die Klage als unzulässig abgewiesen werden. Soweit die internationale Zuständigkeit von Tatsachenbehauptungen abhängt, 408 deren Vorliegen zur Begründetheit der Klage führt (sog doppelrelevante Tatsachen), ist deren Richtigkeit für die Zulässigkeit der Klage zu unterstellen.771 Übersieht das Gericht, dass ihm die Gerichtsbarkeit gar nicht gegeben war, so liegt ebenso ein Fehlurteil vor, wie wenn es seine internationale Zuständigkeit verkennt. Der wesentliche Unterschied kommt darin zum Ausdruck, dass beim Fehlen der Gerichtsbarkeit dem Gericht die „facultas jurisdictionis“ gar nicht gegeben ist, während durch das Fehlen der internationalen Zuständigkeit die Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht beeinflusst wird. Durch eine Verweisung an das örtlich zuständige Gericht gem § 281 ZPO wird 409 keine internationale Zuständigkeit begründet; die Verweisung bindet also nicht hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit.772 Zu unterscheiden ist weiter zwischen ausschließlicher internationaler und 410 konkurrierender internationaler Zuständigkeit, je nachdem, ob ein Staat für gewisse Fälle die ausschließliche internationale Zuständigkeit seiner Gerichte beansprucht oder ob für denselben Streitfall die Gerichte mehrerer Staaten zuständig sein können. Aus der Ausschließlichkeit der örtlichen Zuständigkeit folgt nicht ohne Weiteres die der internationalen, vielmehr ist zu prüfen, ob besondere öffentliche Interessen auch international eine Ausschließlichkeit erfordern.773 Zu der Begriffsbestimmung der internationalen Zuständigkeit gehört eine ir- 411 gendwie geartete internationale Bezogenheit des zu entscheidenden Falles. Fehlt diese, so erübrigt sich die Prüfung der internationalen Zuständigkeit von vornherein. Den Parteien steht es aber grds frei, die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines beliebigen „neutralen“ Staats zu vereinbaren, mit dem der Fall sonst keine Beziehung hat. Wird die Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart, so hat sich das deutsche Gericht sachlich mit der Klage zu befassen 769 BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426 = JZ 2003, 850 (Staudinger); Prütting, GS Blomeyer, S 803. 770 BGHZ 188, 373 (Tz 9) = NJW 2011, 2515; BGHZ 184, 365 (Tz 17) = IPRax 2011, 497 (dazu Engert/Groh, S 458). 771 BGHZ 183, 49, 55 (Tz 14) = NJW 2010, 873; dazu R.-M. McGuire ZZP 123 (2010), 229; BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413, dazu Gottwald IPRax 1995, 75; Schack, IZVR, Rz 446; Schumann FS Nagel, 1987, 420; Stein/Jonas/Roth § 1 ZPO Rz 24ff; enger Geimer, IZPR, Rz 1825ff; ablehn. Mankowski IPRax 2006, 454. 772 Schütze RIW 1995, 630. 773 Geimer, Liber amicorum Böckstiegel, S 187, 193.
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und darf die Parteien nicht an die Gerichte eines ausländischen Staats verweisen, mit dem der Streit nähere Berührungspunkte hat.774 412 Die gegenteilige Lehre vom „forum non conveniens“ ist auf das deutsche Recht nicht übertragbar.775 Sie ist eine Reaktion darauf, dass Gerichtsstände zu weit gefasst sind, etwa der Kläger durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten während dessen zufälliger Anwesenheit am Ort der Zustellung einen Gerichtsstand begründen kann.776 Einzelne Entscheidungen,777 die die Parteien aus Zweckmäßigkeitsgründen an ausländische Gerichte verwiesen haben, haben sich zu Recht nicht durchgesetzt. Nach deutschem Recht hat der Kläger einen Justizanspruch, sofern eine internationale Zuständigkeit besteht; mit diesem unbedingten Anspruch ist die forum non conveniens-Doktrin nicht vereinbar.778 Die Prorogation deutscher Gerichte erfordert keine besondere Inlandsbeziehung. Ansätze zu forum non conveniens-Überlegungen bestehen nur für FG-Verfahren, etwa bei Entscheidungen über die elterliche Sorge bzw die Vormundschaft (vgl Art 15 EheGVO; § 99 II, III FamFG). 413 Sind nach Sachlage die Gerichte mehrerer Staaten international zuständig, so steht es dem Kläger nach deutschem Recht frei, in dem Land zu klagen, in dem die Prozessführung für ihn am einfachsten ist oder in dem er sich aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensgestaltung oder der zu erwartenden materiellrechtlichen Rechtsanwendung die meisten Vorteile erwartet.779 Aus deutscher Sicht ist sog forum shopping legitim.780 In einer freien marktwirtschaftlichen Ordnung dürfen nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Geschäftsvorteile genützt werden. Common law-Staaten versuchen dagegen, Vorteile aus forum shopping zu begrenzen und auf ihre „Legitimität“ durch Versagung einer Sachentscheidung aus forum non conveniens-Gesichtspunkten zu kontrollieren (s u Rz 552ff).781 Solche Überlegungen sind gewiss legitim, soweit sie die Prozessführung betreffen (insb Lage der Beweismittel). Die Versagung des Rechtsschutzes wegen materiellen forum shoppings erscheint aber problematisch, weil sie leicht in nationale Diskriminierung einmünden kann (zur Einschränkung des Vermögensgerichtsstands, s u Rz 435). Die Suche
774 AA LG Hamburg, RIW/AWD 1976, 228. 775 Geimer, IZPR, Rz 1957; Kropholler, IZVR, Bd I Kap. III Rz 204; v Hoffmann, IPRax 1982, 222; Pfeiffer, Festgabe BGH, S 617, 628ff; Schack Rz 559ff; Pfeiffer RabelsZ 58 (1994), 40; Schütze Rz 125; für „behutsame Anwendung“ dagegen Soergel/Kronke Art 28 Anh Rz 26. 776 Schlosser, Bericht z. 1. Beitrittsübereinkommen zum EuGVÜ, ABl-EG, 5.3.1973, Nr C 59, 97f Nr 78; Schlosser IPRax 1983, 285 u. OLG Frankfurt IPRax 1983, 294. 777 ZB AmtsG Eggenfelden IPRax 1982, 78 u. LG Hamburg RIW 1976, 228. 778 Pfeiffer S 381ff, 421. 779 Vgl Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozessrecht, 1996. 780 Vgl Schwartze, Internationales forum shopping, FS v. Hoffmann, 2011, S 415; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland, 1990, S 91ff; Vischer, FS v. Overbeck, 1990, S 349, 350ff; Pfeiffer S 487ff; Schütze Rz 115ff; Schack Rz 250ff. 781 Vgl F. Juenger 63 Tul.L.Rev. 553 (1989); C. J. van Lynden, Forum shopping, 1998.
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nach einem „idealen“ Gericht ist in grenzüberschreitenden Fällen ein vergebliches Bemühen.782 Grenze der Wahl zwischen Gerichtsständen ist die Zuständigkeitserschlei- 414 chung. Bei den meisten Gerichtsständen ist aber schwer vorstellbar, wie der Kläger deren Tatbestand arglistig herbeiführen kann.783 Andererseits kann es trotz hinreichender Inlandsbeziehung in einem im Übri- 415 gen auslandsbezogenen Fall an der internationalen Zuständigkeit fehlen. Das ist der Fall, wenn zwei Deutsche vor einem inländischen Gericht über dingliche Rechte an einem im Ausland gelegenen Grundstück streiten wollten, oder wenn es bei dem Streit um ausländische Patente oder Marken geht.784 Einige haben versucht, einen Völkergewohnheitsrechtssatz dahingehend nachzuweisen, dass Grundstücksangelegenheiten grds durch das Gericht der „lex rei sitae“ zu entscheiden seien.785 Richtigerweise handelt es sich nur um eine einfachgesetzliche Zurückhaltung. Art 5 italien. IPRG 1995 sagt ausdrücklich, dass die internationale Zuständigkeit italienischer Gerichte für Streitigkeiten über dingliche Rechte an ausländischen unbeweglichen Sachen nicht gegeben ist. Der Rechtsanwalt, den eine Partei wegen eines internationalen Streitfalls um 416 Rat fragt, hat seine Partei auch über Fragen der internationalen Zuständigkeit zu beraten.786 Schließlich ist die inländische Gerichtstätigkeit nicht gegeben, wenn das vom 417 IPR berufene ausländische Sachrecht vom Richter eine Tätigkeit verlangt, die ihm nach deutschem Verständnis „wesensfremd“ ist (sog „wesenseigene Zuständigkeit“). Es geht also um die Grenze, jenseits derer eine Anpassung an das Auslandsrecht nicht möglich ist und eine Tätigkeit verweigert werden darf.787 Im Allgemeinen ist man heute zu einer weitgehenden Anpassung des inländischen Verfahrens bereit, um ausländische Rechte zu verwirklichen. In jüngster Zeit ist die Grenze „wesenseigener Zuständigkeit“ mehrfach im Zusammenhang mit Privatscheidungen nach religiösen Rechten diskutiert und teilweise bejaht worden (s u § 6 Rz 108ff). Abgesehen von § 98 I Nr 4 FamFG (s u § 4 Rz 33f) hängt die internationale Zu- 418 ständigkeit nicht davon ab, ob der Staat, dessen Recht in der Sache angewendet wird, die internationale Zuständigkeit des Entscheidungsstaats anerkennt.788
782 Vgl F. Juenger, FS Voskuil, 1992, S 137; Hill/Chong, International Commercial Disputes, 4th ed., 2010, Ch. 9.2. (p 293). 783 Vgl Vischer, FS v Overbeck, 1990, S 349, 355. 784 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 31 Rz 29ff; Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 994ff, 1002 spricht in solchen Fällen von einem Ausschluss der deutschen internationalen Zuständigkeit ratione materiae. 785 Schröder S 372; Wengler, Völkerrecht II, 945; aA Geimer, IZPR, Rz 394, 869. 786 OLG Koblenz RIW 1990, 218. 787 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S 255ff; Kropholler, IPR, § 57 II; Haunhorst, Die „wesenseigene (Un-)Zuständigkeit“ deutscher Gerichte, 1994. 788 Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S 199ff.
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4. Die Regelung der internationalen Zuständigkeit gem §§ 12ff ZPO 419 In der ZPO finden sich keine Vorschriften, die die internationale Zuständigkeit direkt regeln. Nach der hM regeln aber die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit in auslandsbezogenen Fällen zugleich die der deutschen internationalen Zuständigkeit.789 Die Regeln über die örtliche Zuständigkeit sind grds doppelfunktional anzuwenden.790 Fehlt danach eine Zuständigkeit, kann aber auch ein ausländisches Gericht nicht angerufen werden, so ist ggf eine Notzuständigkeit (s u Rz 421) zu eröffnen. In der Praxis wird es nur selten zu einer Notzuständigkeit kommen. In vielen Fällen, in denen die Literatur auf eine Notzuständigkeit ausweicht, besteht schon eine gesetzliche Zuständigkeit, etwa nach § 23 ZPO, nach § 16 ZPO oder nach § 32 ZPO. 420 Ein in der Theorie vielfach vertretener Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht ist für das deutsche Recht nicht anzuerkennen.791 Weder wird die internationale Zuständigkeit durch die Anwendbarkeit deutschen Rechts in der Sache begründet noch entfällt die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen der Anwendbarkeit ausländischen Rechts. 421 Die Verbindung der örtlichen mit der internationalen Zuständigkeit erweist sich also in der Praxis als eine durchaus befriedigende Lösung. In den Fällen, in denen die §§ 12ff ZPO keinen Gerichtsstand zur Verfügung stellen, ist die Beziehung zu einem anderen Staate grds so stark, dass eine ausländische internationale Zuständigkeit gegeben ist. Jedoch ist eine Notzuständigkeit der deutschen Gerichte zu eröffnen, wenn andernfalls eine Justizverweigerung gegeben wäre.792 Der vom BAG entschiedene Fall führte infolge von Kriegsereignissen im Libanon zum Wiederaufleben der deutschen internationalen Zuständigkeit.793
a) Wohnsitz des Beklagten 422 Die deutsche internationale Zuständigkeit knüpft in erster Linie an den Wohnsitz des Beklagten an, §§ 12, 13 ZPO iVm §§ 7ff BGB. In Unterhaltssachen kann nach § 23a ZPO am Wohnsitz des Klägers geklagt werden, wenn der Beklagte keinen inländischen Gerichtsstand hat. Ob ein Ausländer Wohnsitz in Deutschland hat, richtet sich nur nach §§ 7ff BGB.794 Nach deutschem 789 BGHZ 189, 320 (Rz 7) = NJW 2011, 2518; BGH ZIP 2010, 786, 787; BGHZ 94, 156, 157f = NJW 1985, 2090; BGHZ 115, 90ff = RIW 1991, 856; BGHZ 119, 392, 393; 120, 334, 337 = NJW 1993, 1073; BGH NJW 1997, 2245; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 567; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 31 Rz 26; Stein/Jonas/Roth Vor § 12 ZPO Rz 32. 790 Vgl Pfeiffer, Festgabe BGH, S 617, 623f; Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem § 1 Rz 6; Rauscher S 82; Soergel/Kronke Art 38 Anh IV Rz 20. 791 Vgl Heldrich, passim; Pfeiffer S 91ff; Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 1041ff; Kropholler, IPR, § 58 II 3 (S 612); Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 25. 792 Geimer, IZPR, Rz 960, 1024ff. 793 BAG JZ 1979, 647. 794 BGH FamRZ 1992, 794, 795; Baumbach/Lauterbach/Hartmann § 13 Rz 2; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori, 1995, S 87ff.
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Recht kann eine Partei auch mehrere Wohnsitze (auch im In- und Ausland) haben (anders Art 20 II 1 schweiz. IPRG).
b) Gewöhnlicher Aufenthalt Im streitigen Zivilprozess knüpft das deutsche Recht die internationale Zu- 423 ständigkeit nur ausnahmsweise an den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland an.795 Bei Haustürgeschäften kann mangels Inlandswohnsitz des Kunden am Gericht seines gewöhnlichen Aufenthalts geklagt werden (§ 29c I ZPO). In Sorgerechtssachen stellt Art 1 MSA dagegen primär auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ab. Eine Aufenthaltszuständigkeit oder eine Zuständigkeit am letzten Inlands- 424 wohnsitz ist nach § 16 ZPO nur eröffnet, wenn der Beklagte überhaupt keinen Wohnsitz (im In- oder Ausland) hat.796 Ob ein Wohnsitz im Ausland besteht, ist nach dem ausländischen Recht zu beurteilen.797 Ob ein Deutscher einen Auslandswohnsitz hat, will Hartmann dagegen nach deutschem Recht beurteilen.798 § 16 ZPO enthält aber eine Auffangzuständigkeit, wenn kein regulärer allgemeiner Gerichtsstand besteht. Danach kann nur das jeweilige Auslandsrecht entscheiden, ob dies der Fall ist.799 Für ausländische Saisonarbeiter, Studenten, Praktikanten etc besteht ebenfalls eine internationale Zuständigkeit am Aufenthaltsort (§ 20 ZPO).
c) Gerichtsstände einer juristischen Person (1) Der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person oder eines sons- 425 tigen parteifähigen Gebildes wird durch den Sitz bestimmt. Dieser Sitz wird primär durch die Satzung festgelegt. Deutsche Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften müssen ihren Sitz zum Handelsregister anmelden. Nur wenn der Sitz danach nicht eindeutig bestimmbar ist, gilt als Sitz im Zweifel der Ort der Hauptverwaltung (§ 17 I 2 ZPO).800 (2) Der Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung eines ausländischen Un- 426 ternehmers im Inland betrifft nur Klagen gegen den Inhaber der inländischen Zweigniederlassung, § 21 ZPO. Die Zweigstelle teilt nämlich das rechtliche Schicksal der ausländischen Gesellschaft. Die Zweigstelle besitzt keine eigene Rechtsfähigkeit, ist also auch nicht parteifähig.801 Die Klage muss freilich Bezug auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung haben. Der Inhaber des ausländischen Unternehmens kann nur aus den von und mit einer Zweigniederlassung geschlossenen oder über diese Niederlassung abgewickelten Verträgen unter der Firma der inländischen Zweigniederlassung klagen und verklagt wer795 796 797 798 799 800 801
Vgl D. Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, 1994. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 16 ZPO Rz 1. Zöller/Vollkommer § 16 ZPO Rz 4. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 16 ZPO Rz 1. Jaeckel, Die Reichweite der lex fori, 1995, S 90ff. Zöller/Vollkommer § 17 ZPO Rz 9f. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 43 Rz 7.
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den.802 Ausländische Versicherungen müssen einen inländischen Hauptbevollmächtigten bestellen, der das Versicherungsunternehmen auch vor Gericht vertreten kann (§§ 106 III 3, 110d II 2 VAG). Ausländische Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen müssen zwei Geschäftsleiter mit derartigen Befugnissen bestellen (§ 53 Nr 1 KWG). Ausländische Investmentgesellschaften müssen einen Repräsentanten im Inland bestellen, der die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§§ 136 I Nr 2, 138 I 1 InvG). 427 Eine Niederlassung besteht nur, wenn diese selbständig alle üblichen Geschäfte abschließen kann; eine bloße Agentur, Annahmestelle, Repräsentanz etc zur Kontaktpflege und Vermittlung von Vertragsofferten begründen keinen Gerichtsstand. Eine „virtuelle“ Niederlassung in Form eines inländischen Servers genügt nicht.803 Jedoch ist auf den Rechtsschein gegenüber Dritten abzustellen. Erweckt ein Unternehmen den Anschein, ein inländisches „Büro“ sei eine Zweigniederlassung, so muss es sich auch an dessen Ort verklagen lassen.804 Ansonsten findet aber kein Zuständigkeitsdurchgriff in einem Konzern über die Tochter- auf die ausländische Muttergesellschaft kraft „doing business in Germany“ statt.805 428 Zum Schutz inländischer Kunden ist der Niederlassungsgerichtsstand teilweise zwingend. Für die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Bank kann der Gerichtsstand des § 21 ZPO nicht vertraglich ausgeschlossen werden (§ 53 III KWG) (soweit sich nicht aus EuGVO bzw LugÜ etwas anderes ergibt). Eine ausländische Investmentgesellschaft kann zwingend vor dem Gericht verklagt werden, in dessen Bezirk ihr inländischer Repräsentant seinen Wohnsitz oder Sitz hat (§ 138 II InvG). 429 (3) Eine weitergehende Regelung zugunsten eines Versicherungsnehmers enthält § 215 VVG. Danach ist für Klagen aus dem Versicherungsverhältnis gegen den Versicherer zwingend ein Gerichtsstand auch an dem Ort eröffnet, an dem der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat, hilfsweise an dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 215 I 1 VVG). Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieser Gerichtsstand ausschließlich (§ 215 I 2 VVG).
d) Gerichtsstand des Vermögens 430 Innerhalb der Zuständigkeitsregelung nimmt § 23 ZPO eine Sonderstellung ein. Dabei handelt es sich um den besonderen Gerichtsstand des Vermögens und des Streitgegenstandes. § 23 ZPO lautet: 802 BGHZ 188, 85 = NJW 2011, 2056 = ZIP 2011, 978, 979 (dazu Staudinger JR 2012, 47); BGH NJW 1995, 1225, 1226; OLG Frankfurt BB 2012, 215, 216. 803 Pichler, Hdb, Teil 31 Rz 85; Berger, in Bauknecht, Informatik 2001, S 1002, 1005. 804 BGH WM 1987, 1089 = RIW 1987, 790 m Anm Geimer RIW 1988, 221; vgl auch H. Müller, Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992, S 138ff, 163; Otto S 135ff. 805 Geimer RIW 1988, 221, 223; Th. Müller-Froelich, S 178ff; vgl aber Ch. Möllers, Durchgriffshaftung, S 58ff.
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„Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.“
Auf die Staatsangehörigkeit der Parteien kommt es bei § 23 ZPO ebenso wenig 431 an wie bei den Gerichtsständen gem §§ 12ff ZPO. Klagt zB ein Inländer gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, so stehen ihm wahlweise die Gerichtsstände der §§ 16 und 23 ZPO zur Verfügung, sofern die weitere Voraussetzung gegeben ist, dass der Beklagte Vermögen im Inland hat. Wählt der Kläger den Gerichtsstand des Vermögens, so liegt ebenso wenig eine Auslandsbeziehung vor, wie wenn er den Gerichtsstand des § 16 ZPO gewählt hätte. Die Auslandsbezogenheit tritt bei § 23 ZPO erst auf, wenn der Beklagte sich im Ausland aufhält. Auf einen Wohnsitz im Ausland kommt es nicht an.806 Der Gerichtsstand geht auf das forum arresti zurück und hat damit Parallelen 432 zur quasi in rem jurisdiction nach common law (s u Rz 530ff). Die Kommission für das Zivilprozessrecht hatte vorgeschlagen, den Gerichtsstand einzuschränken. Er sollte nur gegeben sein, wenn der Beklagte ein Grundstück im Gerichtsbezirk besitzt oder in bewegliches Vermögen ein Arrest vollzogen ist.807 Dieser Vorschlag ist aber nicht aufgegriffen worden. § 23 ZPO verlangt keine vorherige Beschlagnahme des Vermögensgegenstandes und beschränkt die Zuständigkeit auch nicht auf die Höhe des Inlandsvermögens.808 § 23 ZPO richtet sich nicht direkt gegen Ausländer, denn er trifft jeden Beklag- 433 ten ohne allgemeinen inländischen Gerichtsstand, gleichgültig, ob deutscher oder ausländischer Staatsangehörigkeit. Dennoch ist er im Rahmen der internationalen Zuständigkeit als „unerwünschter“ oder „exorbitanter“ Gerichtsstand bezeichnet worden.809 Man hat vorgeschlagen, § 23 ZPO auf inländische Kläger, Fälle der Notzuständigkeit oder der sonstigen Sachnähe deutscher Gerichte zu beschränken. Andere wollen die Zuständigkeit durch den Wert des belegenen Vermögens begrenzen.810 Im Rahmen von EuGVO und LugÜ ist § 23 ZPO gem Art 3 II iVm Anh I aus- 434 geschlossen. Dies mag dadurch zu erklären sein, dass er gegen Beklagte, die sich im Ausland aufhalten, einen zu einfach zu erreichenden Gerichtsstand für die Kläger bereitstellt. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Kläger und Beklagter wohnen in New York. Der Beklagte hat Vermögen im Gerichtsbezirk Bremen. Die Bremer Gerichte sind damit international zuständig, obwohl alle Beweismittel möglicherweise in New York sind. Der obsiegende Kläger hat allerdings den Vorteil, dass er aus dem deutschen Urteil in das Vermögen des Beklagten vollstrecken kann, sofern es diesem nicht gelingt, dieses noch recht806 Im Einzelnen Schröder, Internationale Zuständigkeit, S 377. 807 Bericht der Kommission für das Zivilprozessrecht, 1977, S 68. 808 Fricke IPRax 1991, 159; Schumann ZZP 93 (1980), 408; dafür Kleinstück, Due process-Beschränkungen, 1994, S 199ff. 809 Vgl Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S 523ff. 810 Vgl Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S 532ff; krit Schütze Rz 160.
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zeitig fortzuschaffen. Da § 23 ZPO nur im Verhältnis zu den EU- und EFTAStaaten ausgeschlossen ist, bleibt seine Bedeutung bestehen,811 wenngleich der Kläger sich vor Augen halten sollte, dass ein auf § 23 ZPO begründetes Urteil in vielen Staaten nicht anerkannt und die Vollstreckung im Ausland ausgeschlossen wird. 435 Die anhaltende Kritik an § 23 ZPO hat den BGH veranlasst, den Vermögensgerichtsstand auf Fälle mit hinreichendem Inlandsbezug zu beschränken812 und ihn damit amerikanischen Konzeptionen von due process und einer Zuständigkeit bei reasonable connections, vor allem als Folge von doing business, anzunähern.813 Wann danach ein ausreichender Inlandsbezug besteht, hat der BGH offen gelassen. Problemlos ist dies der Fall, wenn sich der Rechtsstreit aus formbezogenen Vorgängen oder dem Vermögensgegenstand selbst ergibt. Als genereller Gerichtsstand kommt § 23 ZPO in dieser Auslegung primär in Betracht bei dauerhafter, forumbezogener Geschäftstätigkeit.814 Freilich muss der Vermögensgerichtsstand auch eröffnet bleiben, wenn Urteile alternativ möglicher Gerichtsstaaten in Deutschland nicht anerkannt werden (vgl § 328 I Nr 5 ZPO). Andernfalls wäre das Recht des Klägers auf eine effektive Zwangsvollstreckung verletzt.815 Zweifelhaft ist auch, ob die Einschränkung des § 23 ZPO mit dem Diskriminierungsverbot des Art 6 EGV (jetzt Art 18 AEUV) vereinbar ist.816 Nicht anerkannt hat das OLG Düsseldorf eine Zuständigkeit, die auf einer unbegründeten Forderungsabtretung beruht.817 436 Hinsichtlich des „Vermögens“ ist eine reichhaltige Rechtsprechung entstanden. Das RG war zunächst sehr weit gegangen und hatte den Gerichtsstand des § 23 ZPO auch dann als gegeben angenommen, wenn der Kläger sich zum Schuldner seines ausländischen Beklagten gemacht hatte, indem er gegen den Ausländer eine Klage erhob, mit dieser wegen fehlenden Gerichtsstandes abgewiesen und dadurch zum Kostenschuldner des Ausländers wurde.818 Solche Gerichtsstandserschleichungen werden nicht mehr geduldet.819 437 Nach hM genügt jeder Vermögensgegenstand. Es ist nicht Voraussetzung, dass er sich zur Befriedigung für den Kläger eignet oder dazu ausreicht; auch geringwertige oder unpfändbare Vermögenswerte sollen daher den Gerichtsstand er-
811 Geimer, IZPR, Rz 1346ff, 1356ff; krit. Schlosser, FS Kralik, 1986, 293. 812 BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 = JZ 1992, 51 (Schack) = IPRax 1992, 160 (Schlosser) = ZZP 105 (1992), 314 (W. Lüke); vgl Mansel, FS Jayme, S 561. 813 Zustim. OLG Brandenburg RIW 1997, 424, 425; ablehn. Billighofer S 168ff, 239ff, 257; krit. auch Hartwieg JZ 1996, 109; Koch IPRax 1997, 229; Pfeiffer S 545ff, 620ff; Pfeiffer, Festgabe BGH, S 617, 626ff; Schack Rz 367 ff; Schack, FS Nakamura, S 491; Schütze DZWir 1991, 243 u. IZPR Rz 163. 814 Vgl T. Kleinstück, Due process-Beschränkungen, 1994, S 188ff, 217. 815 Geimer NJW 1991, 3072; Schütze DWiR 1991, 239 u. FS Ishikawa, S 493, 495; vgl auch Lurger ZfRV 1995, 61. 816 Koch IPRax 1997, 145. 817 OLG Düsseldorf RIW 1996, 598, 610f. 818 RGZ 16, 393. 819 Zöller/Vollkommer § 23 ZPO Rz 8.
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öffnen.820 Manche möchten lediglich übliches Reisegepäck ausnehmen.821 Unstreitig begründen den Gerichtsstand auch im Inland belegene Forderungen (vgl § 23 S. 2 ZPO). Das OLG Frankfurt hat konsequenterweise den Vermögensgerichtsstand gegenüber einer internationalen Ratingagentur bejaht, weil diese aufgrund von Abonnementsverträgen über Forderungen im Inland verfüge.822 Das amerikanische Schrifttum spricht deshalb kritisch von der sog umbrellarule. An dieser Rechtsprechung sollte nicht mehr festgehalten werden. Vermögen ist vielmehr nur ein der Zwangsvollstreckung unterliegendes Vermögen, aus dem nach Abzug der Vollstreckungskosten eine gewisse Befriedigung möglich ist.823 Vermögen eines fremden Staats darf nicht sachlich immun sein, darf also nicht hoheitlichen Zwecken dienen (s u § 19 Rz 24f).824 Sonderregelungen des Vermögensgerichtsstandes finden sich im Geschmacksmustergesetz und im Markengesetz. Die entsprechenden Vorschriften lauten:
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§ 58 (3) GeschmMG: „Der Ort, an dem ein nach Absatz 1 bestellter Vertreter seinen Geschäftsraum hat, gilt im Sinne des § 23 der Zivilprozessordnung als der Ort, an dem sich der Vermögensgegenstand befindet; fehlt ein solcher Geschäftsraum, so ist der Ort maßgebend, an dem der Vertreter im Inland seinen Wohnsitz, und in Ermangelung eines solchen der Ort, an dem das Deutsche Patent- und Markenamt seinen Sitz hat.“ § 96 (3) MarkenG: „Der Ort, an dem ein nach Absatz 1 bestellter Vertreter seinen Geschäftsraum hat, gilt im Sinne des § 23 der Zivilprozessordnung als der Ort, an dem sich der Vermögensgegenstand befindet. Fehlt ein solcher Geschäftsraum, so ist der Ort maßgebend, an dem der Vertreter im Inland seinen Wohnsitz, und in Ermangelung eines solchen der Ort, an dem das Patentamt seinen Sitz hat.“
e) Gerichtsstand des Erfüllungsortes Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO:
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„(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. (2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlichrechtliche Sondervermögen sind.“
Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nach dieser Vorschrift ist vor allem die Frage der Qualifizierung und der Vereinbarung über den Erfüllungsort von Bedeutung.
820 BGHZ 115, 90, 93 = NJW 1991, 3093; OLG Celle RIW 1990, 320, 321; v Hoffmann/ Thorn, IPR, § 3 Rz 45. 821 Bittighofer, Der Gerichtsstand des Vermögens, S 156f, 256; Schütze, FS Ishikawa, S 493, 503. 822 OLG Frankfurt BB 2012, 215, 217 = ZIP 2012, 293, 294; dazu Theewen EWiR 2012, 227. 823 OLG Celle IPRax 2001, 338 (ablehn. Wollenschläger S 320); Zöller/Vollkommer § 23 ZPO Rz 7, 7a; Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 1371ff; Schack IZVR Rz 371; gegen Beschränkung auf Wert der Klageforderung: Schütze, FS Ishikawa, S 493, 503. 824 OLG Frankfurt RIW 1999, 461 = IPRax 1999, 247, 249 (dazu Hau S 232).
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440 Der Gerichtsstand steht nur für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis zur Verfügung. Darunter sind alle schuldrechtlichen Vereinbarungen zu subsumieren, auch Versorgungsansprüche aus Arbeitsverhältnissen.825 Dingliche Verträge, gesetzliche Schuldverhältnisse, zB aus GoA oder Bereicherung, aber auch aus einem Verlöbnis fallen nicht darunter.826 Der Anspruch auf Ausgleich wegen Flugverspätung nach der VO (EG) Nr 261/2004 ist ein vertraglicher Anspruch.827 441 Der Erfüllungsort wird für die konkret streitige Verpflichtung nach dem nach deutschem IPR anwendbaren materiellen Recht bestimmt.828 Ein vom materiellen Leistungsort gelöster, rein prozessualer Erfüllungsort829 ist trotz praktischer Schwierigkeiten nicht anzuerkennen. Denn im Regelfall erscheint es angemessen, dass an dem Ort, an dem die vertragliche Leistung gefordert wird, auch deren prozessuale Durchsetzung betrieben werden kann. Bei Anwendung deutschen Rechts entscheiden generell die §§ 269, 270 BGB über den Erfüllungsort.830 Dies gilt auch für die Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung. Fehle es an einer Vereinbarung, sei auf Verkehrssitte, Handelsbräuche und örtliche Gepflogenheiten Rücksicht zu nehmen.831 Nach dem deutschen IPR ist zu ermitteln, welches materielle Recht anzuwenden ist. Der Erfüllungsort wird also nicht nach der lex fori, sondern nach der lex causae bestimmt.832 Im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts (CISG v 11.4.1980) ist der Erfüllungsort danach zu bestimmen.833 Den Erfüllungsort für Ansprüche aus der Fluggastrechte-VO (EG) Nr 261/2004 hat der BGH dagegen in Anlehnung an Art 5 Nr 1 b EuGVO bestimmt.834 442 Es muss dabei in Kauf genommen werden, dass der Erfüllungsort für die Vertragsparteien nach zwei verschiedenen Rechten bestimmt wird, sofern nicht Umstände dafür sprechen, dass ein einheitlicher Erfüllungsort gegeben ist. Als Beispiele können Abladegeschäfte mit der CIF-Klausel genannt werden. Der ausländische Verkäufer hat zwei Hauptpflichten zu erfüllen, die Abladung der Ware im Abladehafen und die Andienung der Dokumente am Wohnsitz bzw an der geschäftlichen Niederlassung des Käufers.835 Daraus werden gewohnheitsrechtlich zwei verschiedene Erfüllungsorte für den Verkäufer hergeleitet.836 Bei der weiteren Klausel Kasse gegen Dokumente liegt der Erfüllungsort 825 BAG AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr 21 (Mankowski). 826 BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = JZ 1997, 88 (Gottwald). 827 BGHZ 188, 95 = NJW 2011, 2056 = ZIP 2011, 978, 979; dazu Staudinger JR 2012, 47. 828 BGHZ 188, 95 = NJW 2011, 2056 = ZIP 2011, 978, 980 (Tz 29); BAG IPRax 2006, 254f (dazu Franzen S 221). 829 Hierfür Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, 1985; Schack, FS Kegel, 1987, S 505. 830 So Zöller/Vollkommer § 29 ZPO Rz 24; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 36 Rz 13. 831 BGH NJW 2011, 2278; krit. Staudinger/Artz NJW 2011, 3121, 3122. 832 Geimer, IZPR, Rz 1482. 833 OLG Düsseldorf RIW 1993, 845. 834 BGHZ 188, 95 (Tz 32ff) = NJW 2011, 2056 = ZIP 2011, 978, 980; krit. Ruzik NJW 2011, 2019. 835 Vgl Staub/Koller, HGB-Großkomm., 4. Aufl 1985, Vor § 373 Rz 13ff. 836 Haage, Das Abladegeschäft, 1958, 44.
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für beide Parteien am Wohnsitz bzw an der geschäftlichen Niederlassung des Käufers, denn der Verkäufer hat dort die Dokumente anzudienen, der Käufer dort zu zahlen. Soll durch die vertragliche Vereinbarung über den Erfüllungsort die Zuständig- 443 keit des besonderen Gerichtsstandes unabhängig vom tatsächlichen Erfüllungsort begründet werden, so liegt in Wirklichkeit eine Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien vor (zu Art 5 Nr 1 EuGVO bzw LugÜ s o Rz 75). Die Parteien weichen also von der gesetzlichen Regelung ab. Im Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung hat der Gesetzgeber die Parteiautonomie bewusst eingeschränkt. Nach § 29 II ZPO können nur noch Kaufleute, juristische Personen des öffent- 444 lichen Rechts und öffentlich-rechtliche Sondervermögen durch eine Vereinbarung über den Erfüllungsort eine besondere Zuständigkeit begründen. Wer Kaufmann ist, bestimmt sich nach den §§ 1ff HGB. Da hierauf besonders Bezug genommen wird, müsste die Kaufmannseigenschaft eines Ausländers oder einer ausländischen Firma ebenfalls nach diesen Grundsätzen beurteilt werden. Das verträgt sich jedoch nicht mit den Belangen des internationalen Handels. Die Kaufmannseigenschaft muss in solchen Fällen deshalb nach dem entsprechenden ausländischen materiellen Recht qualifiziert werden. Dies ist umso mehr gerechtfertigt, als das deutsche Prozessrecht auch auf materielles Recht verweist. Ausländische Nichtkaufleute können über § 29 II ZPO allerdings keine Gerichtsstandsvereinbarung begründen, denn „die Zulässigkeit und Wirkung einer vor dem Prozess getroffenen internationalen Gerichtsstandsvereinbarung beurteilen sich nach deutschem Prozessrecht …“837 Anders ist es mit dem Zustandekommen dieser Vereinbarung. Diese richtet sich gem derselben BGH-Entscheidung nach deutschem oder ausländischem bürgerlichen Recht. Ist auf das Zustandekommen einer Vereinbarung über den Erfüllungsort ausländisches Recht anzuwenden, so muss berücksichtigt werden, dass die deutsche Rechtsprechung hinsichtlich des Schweigens auf ein Bestätigungsschreiben oder eine Auftragsbestätigung nicht ausschlaggebend sein wird. Außerhalb des Anwendungsbereichs der CMR (s o Rz 317ff) ist nach dem Ge- 445 setz zur Reform des Seehandelsrechts vom 20.4.2013838 § 30 ZPO zu beachten. Die Bestimmung lautet: „Gerichtsstand bei Beförderungen (1) Für Rechtsstreitigkeiten aus einer Güterbeförderung ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung des Gutes vorgesehene Ort liegt. Eine Klage gegen den ausführenden Frachtführer oder ausführenden Verfrachter kann auch in dem Gerichtsstand des Frachtführers oder Verfrachters erhoben werden. Eine Klage gegen den Frachtführer oder Verfrachter kann auch in dem Gerichtsstand des ausführenden Frachtführers oder ausführenden Verfrachters erhoben werden. (2) Für Rechtsstreitigkeiten wegen einer Beförderung von Fahrgästen und ihrem Gepäck auf Schiffen ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich der im Beförderungs-
837 So BGHZ 59, 23 = NJW 1972, 1622 m Anm Geimer. 838 BGBl 2013 I, 831; vgl. BT-Drucks. 17/10309, S 56, 142.
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vertrag bestimmte Abgangs- oder Bestimmungsort befindet. Eine von Satz 1 abweichende Vereinbarung ist unwirksam, wenn sie vor Eintritt des Ereignisses getroffen wird, das den Tod oder die Körperverletzung des Fahrgasts oder den Verlust, die Beschädigung oder die verspätete Aushändigung des Gepäcks verursacht hat.“
446 Werden die ADSp (2003)839 vereinbart, so ist deren Ziff 30 zu beachten: „30.1. Der Erfüllungsort ist für alle Beteiligten der Ort derjenigen Niederlassung des Spediteurs, an die der Auftrag gerichtet ist. 30.2. Der Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Auftragsverhältnis oder im Zusammenhang damit entstehen, ist für alle Beteiligten, soweit sie Kaufleute sind, der Ort derjenigen Niederlassung des Spediteurs, an die der Auftrag gerichtet ist; für Ansprüche gegen den Spediteur ist dieser Gerichtsstand ausschließlich. 30.3. Für die Rechtsbeziehungen des Spediteurs zum Auftraggeber oder zu seinen Rechtsnachfolgern gilt deutsches Recht.“
Hieraus ergibt sich, dass das Gericht des Ortes der Niederlassung, an die der Speditionsauftrag gerichtet ist, international und örtlich zuständig ist. Andere Gerichte sind für Klagen gegen den Spediteur nicht zuständig, kommen aber für Klagen des Spediteurs selbst in Betracht.840 Im Geltungsbereich von Art 31 CMR ergibt sich die internationale Zuständigkeit nur aus dieser Norm. Der in Ziff 30.2 ADSp statuierte, ausschließliche örtliche Gerichtsstand ist daher nur wirksam, wenn sämtliche durch Art 31 CMR garantierten Gerichtsstände in demselben Staat liegen. Ansonsten gibt Nr 30.2 ADSp einen zusätzlichen, keinen ausschließlichen Gerichtsstand.841 Aus Art 23 EuGVO/LugÜ folgt die internationale Zuständigkeit nur, soweit die beteiligten Mitgliedstaaten nicht Vertragsstaaten des CMR sind, da dieses nach Art 67 EuGVO/LugÜ Vorrang besitzt.842 Soweit die CMR bei Selbsteintritt des Spediteurs, Spedition zu festen Kosten sowie Sammelladung über die §§ 458–460 HGB mittelbar gilt, soll Art 31 CMR nach hM keinen Vorrang vor Art 23 EuGVO/LugÜ haben.843 447 Eine zwingende Sonderregelung des Gerichtsstands des Erfüllungsortes enthält schließlich § 138 II InvG v 15.12.2003.844 Diese Bestimmung lautet: „Für Klagen gegen eine ausländische Investmentgesellschaft, eine Verwaltungsgesellschaft oder eine Vetriebsgesellschaft, die auf den öffentlichen Vertrieb von Investmentanteilen im Geltungsbereich dieses Gesetzes Bezug haben, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Repräsentant seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Dieser Gerichtsstand kann durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden.“
839 840 841 842 843
Vgl Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, S 794ff, 898ff. Koller, Transportrecht, ADSp Ziff 30 Rz 3. Koller ADSp Ziff 30 Rz 5a; vgl OLG Karlsruhe TranspR 2005, 362. Vgl OLG Dresden IPRax 2000, 121 (dazu Haubold S 91). Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, ADSp Ziff. 30 Rz 5a; aA MüKoHGB/Bahnsen, Vorbem ADSp Rz 286. 844 BGBl I, 2676.
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f) Gerichtsstand für Haustürgeschäfte Für Klagen gegen einen Verbraucher aus einem Haustürgeschäft nach § 312 448 BGB ist das Gericht am Wohnsitz, hilfsweise am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers ausschließlich zuständig (§ 29c I ZPO). Eine abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Verbraucher seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort ins Ausland verlegt oder dass beides bei Klageerhebung nicht bekannt ist (§ 29c II ZPO). Diese Norm regelt auch die internationale Zuständigkeit.845 Für Klagen des Verbrauchers gegen den Vertragspartner bietet § 29c ZPO nur einen zusätzlichen Gerichtsstand.
g) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (1) Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist eröffnet, sobald eine uner- 449 laubte Handlung in Betracht kommt.846 Für die Zulässigkeit der Klage genügt es, dass der Kläger deliktische Ansprüche nach dem anwendbaren Recht behauptet; doppelrelevante Tatsachen sind insoweit zu unterstellen.847 § 32 ZPO lautet: „Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“
Die Regel ist international vor allem bei Verkehrsunfällen, aber auch bei Distanzdelikten von Bedeutung. Eine Handlung kann begangen sein sowohl an dem Ort, an dem der Täter gehandelt hat, als auch an dem Ort, an dem der schädigende Erfolg eingetreten ist.848 Beide Orte begründen (nach Wahl des Klägers) eine deutsche internationale Zuständigkeit.849 Als Prozessvorschrift entscheidet also nach § 32 ZPO die lex fori, was unter einer unerlaubten Handlung und unter deren Begehung zu verstehen ist. Das gilt auch hinsichtlich der Gefährdungshaftung.850 Hängt die örtliche und damit die internationale Zuständigkeit davon ab, ob die Voraussetzungen des § 32 ZPO gegeben sind, so muss nach der hM zumindest ein Teilakt der Verletzungshandlung im Bezirk des angerufenen Gerichts begangen sein.851 Dieses Gericht kann auch nur feststellen, was als Verletzungshandlung zu qualifizieren ist. Eine Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet aufrufbare Veröffent- 450 lichung ist dann im Inland begangen, wenn der als rechtsverletzend beanstandete Inhalt einen deutlichen Inlandsbezug hat, so dass Inlandsaufrufe tatächlich naheliegen und das Persönlichkeitsrecht tatsächlich im Inland verletzt
845 846 847 848 849 850 851
Ganssauge S 85; Stein/Jonas/Roth § 29c ZPO Rz 15. BGH EuZW 1995, 190, 192. BGH RIW 2011, 70. So BGHZ 40, 391 = NJW 1964, 969. Kropholler, IPR, § 58 III 3 a. BGHZ 80, 1, 3 = NJW 1981, 1516 = IPRax 1982, 158. Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 30. Aufl 2012, § 14 Rz 14.
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sein kann.852 Der bloße Inlandsaufruf einer in fremder Sprache und Schrift verfassten Äußerung, die sich primär an ausländische Adressaten richtet, begründet keine Zuständigkeit im Inland.853 451 Die Zuständigkeit besteht auch gegenüber Mittätern oder Gehilfen (§ 830 BGB).854 Auch die von anderen Beteiligten erbrachten Tatbeiträge werden zur Begründung der internationalen Zuständigkeit zugerechnet.855 Danach sind deutsche Gerichte auch für Klagen gegen ausländische Broker zuständig, die Beihilfe zu einer im Inland begangenen unerlaubten Handlung gegenüber einem inländischen Kapitalanleger leisten.856 452 Der Gerichtsstand des § 32 ZPO ist auch international für die vorbeugende Unterlassungsklage eröffnet. Tatort ist dann der Ort, an dem die unerlaubte Handlung ernstlich droht.857 453 (2) Für Wettbewerbsverstöße gilt der Gerichtsstand des § 14 UWG. Dieser lautet: „(1) Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Hat der Beklagte auch keinen Wohnsitz, so ist sein inländischer Aufenthaltsort maßgeblich. (2) Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Satz 1 gilt für Klagen, die von den nach § 8 Abs 3 Nr 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten erhoben werden, nur dann, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat.“
Insoweit gilt das zu § 32 ZPO Ausgeführte.858 Sittenwidrige Wettbewerbsverstöße sind unerlaubte Handlungen, für deren Beurteilung im Allgemeinen das am Begehungsort herrschende Recht maßgebend ist.859 Dieser Grundsatz wird aber aus der Natur der Wettbewerbsverstöße modifiziert. Im Urteil v 30.6.1961 hat der BGH daher ausgeführt: „Der Grundsatz, dass der Begehungsort einer unerlaubten Handlung jeder Ort ist, an dem zumindest ein Tatbestandsmerkmal dieser Handlung verwirklicht ist, bietet bei Wettbewerbsverstößen deshalb in der Regel keinen sicheren Anhaltspunkt für das anzuwendende Recht, weil im Gegensatz zu der Mehrzahl anderer unerlaubter Handlungen die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsverstöße in den Rechtsordnungen der verschiedenen Länder unterschiedlich geregelt sind“.860 Unlauterer Wettbewerb 852 BGHZ 184, 314, 320 (Tz 18ff) = NJW 2010, 1752 = RIW 2010, 326 („New York Times“); dazu S. Adena RIW 2010, 868. 853 BGH NJW 2011, 2059 („Sieben Tage in Moskau“). 854 BGHZ 184, 365 (Tz 18f) = WM 2010, 749 = IPRax 2011, 497 (dazu Engert/Groh, S 458); BGH RIW 2010, 885, 886. 855 BGH EuZW 1995, 190, 192 = NJW 1995, 1225, 1226. 856 BGHZ 184, 365, 370f (Tz 19) = ZIP 2010, 786; BGH ZIP 2010, 2505 = SchiedsVZ 2011, 46. 857 Schack, IZVR, Rz 333; Zöller/Vollkommer § 32 ZPO Rz 16. 858 Köhler/Bornkamm, 30. Aufl 2012, § 14 Rz 13. 859 BGHZ 40, 391, 393f = NJW 1964, 969. 860 BGHZ 35, 329, 333 = NJW 1962, 37.
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wird in der Regel nur dort begangen, wo wettbewerbliche Interessen der Mitbewerber aufeinanderstoßen.861 Erfolgsortzuständigkeit bedeutet insoweit Marktortzuständigkeit.862 Nach dem Recht des Ortes dieses Staats ist zu entscheiden, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliegt und damit die internationale Zuständigkeit des § 14 II UWG gegeben ist. Deswegen hat der BGH auch entschieden, es bestehe keine allgemeine Pflicht inländischer Gewerbetreibender, sich bei ihrem Wettbewerb auf dem Auslandsmarkt schlechthin an die Regeln des deutschen Wettbewerbsrechts zu halten.863 Ist eine wettbewerbswidrige Internet-Werbung in Deutschland bestimmungs- 454 gemäß abrufbar, so ist die wettbewerbswidrige Handlung iS des § 14 II UWG am Abrufort begangen.864 Es sollte noch berücksichtigt werden, dass ausländische Schutzrechte wegen des Territorialitätsprinzips grds nur im Ausland verletzt werden können.865 (3) Für Schäden durch Umwelteinwirkungen, die von Anlagen ausgehen, die 455 vom Umwelthaftungsgesetz erfasst sind, sieht § 32a S 1 ZPO (v 10.12.1990) einen ausschließlichen Gerichtsstand am Ort der Anlage vor. Dieser Gerichtsstand regelt auch die internationale Zuständigkeit.866 Er hat insoweit freilich nur noch ausnahmsweise Bedeutung, da inzwischen für alle näheren Nachbarstaaten die EuGVO bzw das LugÜ gelten. (4) Für Schadenersatzklagen wegen falscher, irreführender oder unterlassener 456 Kapitalmarktinformation sieht § 32b I ZPO für inländische Emittenten oder Anbieter eine ausschließliche Zuständigkeit an deren Sitz vor.867
h) Ausschließliche internationale Zuständigkeit Eine ausschließliche internationale Zuständigkeit besteht, wenn Streitigkei- 457 ten den deutschen Gerichten vorbehalten bleiben sollen und weder das ausländische Verfahren noch ein ergangenes ausländisches Urteil beachtet werden darf.868 Dies ist in vermögensrechtlichen Angelegenheiten anzunehmen, soweit eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit besteht. Unstreitig ist dies in den Fällen der §§ 24 und 29a ZPO der Fall sowie in allen Zwangsvollstreckungsstreitigkeiten, für die § 802 ZPO ausschließliche Zuständigkeiten festlegt. Dies gilt aber nicht für die Klage auf Leistung des Interesses gem § 893 II
861 BGH RIW 1971, 39. 862 Lindacher, FS Nakamura, S 321, 329ff. 863 BGHZ 40, 391 = NJW 1964, 969; im Einzelnen auch Deutsch, Wettbewerbstatbestände mit Auslandsbeziehung, 1962, 49. 864 Kuner CR 1996, 453, 455; Pichler, Hdb. Multimediarecht, Teil 31, Rz 132ff. 865 Vgl Hye-Knudsen S 67ff. 866 Pfeiffer ZZP 106 (1993), 159; krit. v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 54. 867 Vgl Haß/Zerr RIW 2005, 721, 726f; Reuschle FS Simotta, 2012, S 471, F. Mormann, Zuständigkeitsrechtlicher Schutz vor Kapitalanlegerklagen in den USA, 2010; krit v. Hein RIW 2004, 602. 868 Vgl Walter, IZPR der Schweiz, S 93.
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ZPO.869 In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten folgt dagegen aus der ausschließlich örtlichen keine ausschließliche internationale Zuständigkeit.870 Aus § 24 ZPO leitet die Rspr aber nicht die Unzuständigkeit deutscher Gerichte zur Entscheidung über Rechte an ausländischen Grundstücken ab, jedenfalls wenn sich der Beklagte iS des § 39 ZPO rügelos eingelassen hat871 (zu Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ s o Rz 254f, 257).
5. Gerichtsstandsvereinbarungen 458 § 38 ZPO lautet: „(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind. (2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist. (3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich 1. nach dem Entstehen der Streitigkeit oder 2. für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klagerhebung nicht bekannt ist.“
Die Regeln über die Zuständigkeit der Gerichte, §§ 38ff ZPO, sind auf die internationale Zuständigkeit anzuwenden.872 § 38 ZPO ist aber nur einschlägig, soweit nicht Art 23 EuGVO/LugÜ eingreifen (s o Rz 188ff). Mit dem Inkrafttreten der Neufassung der EuGVO erfasst Art 25 EuGVO nF sämtliche Vereinbarungen zugunsten deutscher Gerichte (s o Rz 195). Für § 38 ZPO verbleibt dann kein direkter Anwendungsbereich mehr. Die Regel wird nur noch im Rahmen der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit relevant. 459 Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte kann in drei Fallgruppen prorogiert oder derogiert werden. Nach § 38 I ZPO wird dem Parteiwillen ein weiter Rahmen eingeräumt. Dieser wird nur durch § 40 ZPO eingeengt. Danach hat eine Vereinbarung keine rechtliche Wirkung, wenn sie nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus ihm entspringenden Rechts869 KG IPRax 1997, 340; G. Vollkommer IPRax 1997, 323; aA BGH NJW 1997, 2245; s u § 17 Rz 47. 870 Vgl § 106 FamFG. 871 BGH IPRax 1999, 45, 46 (krit. dazu H. Stoll S 29); ebenso Wenner, FS Jagenburg, S 1013, 1022ff; aA v Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl 2007, § 3 Rz 58. 872 BGH NJW 1979, 1104 (krit. Geimer, S 1784).
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streitigkeiten sich bezieht. Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist auch unzulässig, wenn der Rechtsstreit nichtvermögensrechtliche Ansprüche betrifft, die den Amtsgerichten ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sind, oder wenn für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts und öffentlich-recht- 460 liche Sondervermögen können Gerichtstandsvereinbarungen ohne Einschränkung abschließen. Dies entspricht der Regelung des § 29 II ZPO hinsichtlich der Vereinbarung über den Erfüllungsort (s o Rz 444). Vor allem im internationalen Rahmen haben die Parteien damit eine weitreichende Möglichkeit, die internationale Zutändigkeit für entstandene und in Zukunft entstehende Streitigkeiten zu bestimmen. Kaufleute haben die volle Freiheit, nationale oder internationale Zuständig- 461 keitsvereinbarungen abzuschließen. Ein Kaufmann muss wissen, welche Risiken er bei einer Prorogation der Gerichte eines fremden Staats eingeht.873 Er sollte sich freilich im Klaren sein, welche Schwierigkeiten als Folge davon auf ihn zukommen können. Ein ausländisches Gericht wird grds nach seiner lex fori verfahren. Schon daraus ergeben sich schwer vorherzusehende Hindernisse.874 Dabei reicht es aus, dass die Kaufmannseigenschaft der Parteien bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorhanden war, ihr späterer Wegfall ist ohne Bedeutung. Bei dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis braucht es sich nicht um ein Handelsgeschäft iS des § 343 HGB zu handeln.875 Die deutsche internationale Zuständigkeit kann auch dann durch Parteiver- 462 einbarung begründet werden, wenn die Parteien keine Beziehung zu Deutschland haben. Deutsche Kaufleute können die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts begründen, zu dessen Staat sie keinerlei Beziehungen haben.876 In einer vereinzelten Entscheidung hat das LG Hamburg877 eine solche Parteivereinbarung nicht gelten lassen. Jedoch lässt der Gesetzgeber die Begründung der deutschen internationalen Zuständigkeit allein durch den Parteiwillen zu. Dieser schafft selbst eine hinreichende Inlandsbeziehung. Ein zusätzlicher objektiver Inlandsbezug ist entgegen manchen Stimmen in der Literatur878 nicht erforderlich. Öffentliche Interessen stehen dem nicht entgegen. Der Zulässigkeit, ein neutrales Forum zu bestimmen entspricht dem Recht der freien Rechtswahl im internationalen Schuldrecht, dh der Möglichkeit, auch ein neutrales Recht zu wählen, zu dem der Sachverhalt an sich keine Verbindung hat.879 873 Vgl Stein/Jonas/Bork § 38 ZPO Rz 4. 874 Im Einzelnen Nagel, Durchsetzung von Vertragsansprüchen im Auslandsgeschäft, 1978, S 177ff. 875 Stein/Jonas/Bork § 38 ZPO Rz 16. 876 In diesem Sinne Geimer, IZPR, Rz 1084, 1745ff; F. Sandrock S 91ff, 285ff, 298ff; ebenso Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1967, S 37; Kralik ZZP 74 (1961), 42. 877 LG Hamburg RIW 1976, 228. 878 G. Wagner, Prozessverträge, 1998, S 558ff. 879 OLG München IPRax 1986, 178; Kegel/Schurig, IPR, 9. Aufl 2004, § 18 I 1c (S 653); F. Sandrock S 287ff.
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463 Ist die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts prorogiert worden, so hängen die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung nicht davon ab, ob das deutsche Urteil in dem Staat, dessen Gerichte derogiert sind, anerkannt wird und ob aus ihm vollstreckt werden kann.880 Das deutsche Gericht prüft vielmehr nur, ob nach seinem Verfahrensrecht eine zulässige internationale Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt. Der inländische Richter kann und muss die Parteien nicht darauf hinweisen, dass Anerkennung und Vollstreckung aus dem von ihm gefällten Urteil im Ausland ggf nicht möglich sind.881 464 Die internationale Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines ausländischen Gerichts darf allerdings nicht so weit gehen, dass sie auf einen Verzicht auf Rechtsschutz hinausläuft.882 Die Derogation deutscher Gerichte durch Gerichtsstandvereinbarung ist dann unwirksam, wenn sie eine Rechtsverweigerung zur Folge hätte,883 weil das vereinbarte Gericht tatsächlich nicht tätig werden kann oder will884 oder ein rechtsstaatliches Verfahren vor ihm nicht gewährleistet wäre.885 Dass das Verfahren im Ausland teuer ist und die Partei die Kosten nicht aufbringen kann, sollte kein Grund sein, einer zunächst gültigen Gerichtsstandsvereinbarung die Wirksamkeit abzuerkennen.886 Auch die Unmöglichkeit der Vollstreckung aus dem Urteil hat keinen (nachträglichen) Einfluss auf die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung.887 465 Die Gerichtsstandsvereinbarung ist ein Prozessvertrag,888 weil ihre Hauptwirkung (Prorogation bzw Derogation) prozessualer Art ist. Der BGH spricht dagegen von einem bürgerlich-rechtlichen Vertrag über prozessuale Beziehungen.889 Beide Formulierungen widersprechen einander nicht.890 Denn unstreitig beurteilen sich die Zulässigkeit und Wirkung einer Zuständigkeitsvereinbarung ausschließlich nach dem Prozessrecht.891 Dagegen richten sich das
880 So zu Recht Stein/Jonas/Bork § 38 ZPO Rz 22; Geimer, IZPR, Rz 1750. 881 So Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 37. 882 So BGHZ 49, 124, 128 = NJW 1968, 356; vgl G. Wagner, Prozessverträge, 1998, S 360ff (Frage des ordre public). 883 BAG, JZ 1979, 647 m Anm Geimer. 884 Vgl OLG Koblenz IPRax 2006, 469 (dazu Weller, S 444). 885 BGH ZZP 88 (1975), 318; BAG NJW 1979, 1119, 1120; OLG Frankfurt IPRax 1999, 247, 250 (dazu Hau S 232, 235); Stein/Jonas/Bork, § 38 ZPO Rz 22; vgl Schütze, IZPR, Rz 173f; Weller, Ordre public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen Zuständigkeitsrecht, 2005. 886 Vgl die Befürchtungen von Schütze RIW 2006, Heft 6, Erste Seite. 887 Schütze, IZPR, Rz 175; aA v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 87; Schröder, Intern. Zuständigkeit, 1971, S 460. 888 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 37 Rz 2; Stein/Jonas/Bork § 38 ZPO Rz 47. 889 BGHZ 49, 384 = NJW 1968, 1233; BGHZ 59, 23 = NJW 1972, 1622; Baumbach/Lauterbach/Hartmann § 38 Rz 2. 890 Gottwald, FS Henckel, 1995, S 295, 299. 891 OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 567, 568; v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 80ff; G. Wagner, Prozessverträge, 1998, S 358.
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Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung nach materiellem Recht einschließlich des Kollisionsrechts.892 Die Gerichtsstandsvereinbarung ist (wie eine Schiedsvereinbarung) unabhän- 466 gig vom Hauptvertrag, und daher auch dann gültig, wenn dessen Unwirksamkeit geltend gemacht wird.893 Auch die Auslegung der internationalen Gerichtsstandsvereinbarung richtet 467 sich nach dem Vertragsstatut.894 Aus einer Rechtswahlklausel für den Hauptvertrag lässt sich im Zweifel keine Prorogation der Gerichte des Staats der gewählten Rechtsordnung ableiten.895 Wie im internationalen Schuldrecht können die Parteien ihre Vereinbarung ei- 468 ner bestimmten Rechtsordnung unterstellen. Das scheinbar berufene Recht entscheidet wie sonst auch über die Wirksamkeit der Rechtswahl und der Vereinbarung insgesamt.896 Weil das deutsche Prozessrecht keine Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen enthalte, werde stillschweigend auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts verwiesen. Anders verhält es sich mit der Form der Prorogation, denn diese ist im deutschen Prozessrecht ausdrücklich geregelt. Nur wenn man die internationale Gerichtsstandsvereinbarung derart in das Vertragsrecht einbindet, lässt sich ihre Wirksamkeit vor Prozessbeginn einigermaßen zuverlässig beurteilen. Unter Kaufleuten lässt § 38 I ZPO auch eine internationale Prorogation form- 469 los zu;897 die Parteien können eine solche Vereinbarung also auch mündlich schließen. Hiervor ist jedoch dringend zu warnen, denn im Rechtsstreit wird der Kläger eine derart geschlossene internationale Prorogation kaum beweisen können. Es kommt der Schutz des Beklagten vor einer zu weit reichenden internationalen Zuständigkeitsvereinbarung hinzu. Ist die Gerichtsstandsklausel in AGB enthalten, müssen diese wirksam in den 470 Vertrag einbezogen worden sein (§ 305 II BGB). Hieran fehlt es, wenn AGB nur auf der Rückseite von Warenrechnungen abgedruckt sind, ohne dass im Text darauf verwiesen wurde; der Abdruck nur auf der Rechnung genügt nicht, um den Vertrag entsprechend abzuändern (s o Rz 208).898 Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen worden ist, richtet sich 471 nach dem anzuwendbaren materiellen Recht. Die Wirksamkeit einer (konkludenten) Annahme ist daher nach Art 10 II Rom I-VO im Wege der Sonderan-
892 BGHZ 59, 23 = NJW 1972, 1622 m Anm Geimer; OLG Köln RIW 1997, 233; OLG Rostock RIW 1997, 1042, 1043; Hausmann, FS W. Lorenz, 1991, S 359, 364ff; v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 73ff; Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 31f; G. Wagner, Prozessverträge, S 350, 367; vgl Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und darauf anwendbares Recht, 2002. 893 OLG Bremen RIW 1985, 894, 895. 894 BGH RIW 1997, 149, 151. 895 Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 34; Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 1674. 896 Vgl Art 10 I Rom I-VO; Gottwald, FS Henckel, 1995, S 295, 300f. 897 v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 83; Schütze, IZPR, Rz 169. 898 OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 567, 568.
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knüpfung nach dem Heimatrecht des Annehmenden zu beurteilen.899 Ist dies deutsches Recht, so kann eine Gerichtsstandsvereinbarung auch dadurch zustande kommen, dass sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, die eine Partei der anderen mit einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben übersendet, worauf letztere schweigt.900 Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben der deutschen Partei führt nur dann zur Bindung des ausländischen Vertragspartners, wenn auch dessen Heimatrecht dem Schweigen rechtsbegründende Bedeutung beimisst.901 Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben muss grds in der Sprache gehalten sein, in der mündlich verhandelt worden ist.902 Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben bedeutet dann keine Zustimmung, wenn es von der mündlichen Vereinbarung so erheblich abweicht, dass dessen Absender vernünftigerweise nicht mit einer Billigung rechnen kann.903 472 Wird trotz Auslandsbezugs (nur) nach § 18 Nr 1 VOB/B die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts vereinbart, so bezieht sich diese Vereinbarung aber nur auf die örtliche, nicht auf die internationale Zuständigkeit.904 473 Weitere Sonderregelungen enthalten § 26 II FernUSG, § 29c ZPO, § 13 Abs 3 KWG und § 109 I VAG. 474 Die Gerichtsstandsvereinbarung ist nach § 138 BGB unwirksam, wenn eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit ausgenutzt hat, um die andere zum Abschluss der Vereinbarung zu nötigen.905 475 Ist die Zuständigkeitsvereinbarung als Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei enthalten, so fragt es sich, wieweit die richterliche Inhaltskontrolle nach den §§ 305ff BGB stattfindet. Da ein Kaufmann, aber auch ein Privatmann mit einer Gerichtsstandsklausel rechnen muss, wird es sich in der Regel nicht um eine überraschende Klausel (§ 305c BGB) handeln. Jedoch ist eine Inhaltskontrolle – auch gegenüber Kaufleuten – nach § 307 BGB möglich.906 Eine unangemessene Benachteiligung kann aber nur aus dem konkreten Klauselinhalt, nicht aus der Gerichtsstandsvereinbarung selbst folgen. 476 § 38 II ZPO lässt internationale Gerichtsstandsvereinbarungen auch unter Nichtkaufleuten zu, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Damit kommt der Gesetzgeber den Bedürfnissen des internationalen Handels und Verkehrs entgegen. Ein Nicht-
899 OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 567, 568; MüKo/Martiny, Art 10 Rom I-VO Rz 203ff, 232ff. 900 Palandt/Ellenberger, § 147 BGB Rz 8. 901 OLG Koblenz, IPRax 1982, 20. 902 OLG Frankfurt, IPRax 1982, 242. 903 BGH BB 1952, 843. 904 BGHZ 94, 158 = IPRax 1987, 305 (dazu zust. Nicklisch S 286). 905 BGH ZZP 88 (1975), 318; Geimer, IZPR, Rz 1602; vgl Hausmann, FS W. Lorenz, 1991, S 359, 372. 906 Stein/Jonas/Bork § 38 ZPO Rz 29; MüKo/Patzina, § 38 ZPO Rz 22.
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kaufmann mit Doppelwohnsitz im In- und Ausland darf nach hM keine Vereinbarung abschließen.907 Die Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Nichtkaufmann muss nach § 38 II 2 477 ZPO schriftlich geschlossen oder, falls sie mündlich geschlossen wird, schriftlich bestätigt werden.908 § 38 III ZPO lässt in drei Fällen eine ausdrückliche und schriftliche Gerichts- 478 standsvereinbarung zu, wobei die erste Möglichkeit der Vereinbarung nach Entstehen der Streitigkeit kaum praktische Bedeutung hat. Der zweite Fall sieht eine Prorogation vor unter der Voraussetzung, dass die beklagte Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort nach Vertragsschluss ins Ausland verlegt. Auch dadurch entsteht nach Vertragsschluss eine Auslandsbeziehung. Diese Möglichkeit, die ebenfalls für Kaufleute und Nichtkaufleute gilt, können die Parteien bereits bei oder vor Vertragsschluss als zukünftige Gerichtsstandsbegründung vorsehen. Da die Schriftform ausdrücklich gefordert wird und eine schriftliche Gegenbestätigung nicht ausreicht, entfällt bei dieser Variante die Aufnahme einer entsprechenden Vereinbarung in Allgemeine Geschäftsbedingungen, es sei denn, dass diese bei Vertragsschluss von beiden Parteien unterzeichnet werden. Die dritte Variante sieht den Fall vor, dass der Wohnsitz oder gewöhnliche 479 Aufenthaltsort der beklagten Partei bei Klageerhebung nicht bekannt ist. Hierbei braucht es sich allerdings nicht unbedingt um einen auslandsbezogenen Fall zu handeln, obwohl auch diese Möglichkeit im Vordergrund steht. Da nach § 331 I 2 ZPO bei Säumnis des Beklagten das mündliche Vorbringen 480 des Klägers zur Zuständigkeit des Gerichts gem §§ 29 II und 38 ZPO nicht als zugestanden anzunehmen ist, muss der Kläger eine internationale Prorogation beweisen. Schon aus Beweisgründen sollten auch Vollkaufleute grds die Schrift- oder halbe Schriftform wählen. Wirkungen. Nach autonomem deutschem Recht besteht keine Vermutung für 481 die Ausschließlichkeit der Vereinbarung; vielmehr entscheidet die Auslegung der konkreten Vereinbarung.909 Für eine Ausschließlichkeit des vereinbarten Forums spricht, wenn die Gerichte materiell ihr eigenes Recht anwenden sollen.910 In Angleichung an Art 23 I 2 EuGVO/LugÜ sollte zudem im Zweifel künftig von der Ausschließlichkeit ausgegangen werden. Eine Prorogation bezüglich aller Ansprüche aus einem Vertrag erfasst idR auch die konkurrierenden Ansprüche, insb aus unerlaubter Handlung.911
907 BGH NJW 1986, 1438 (krit. Geimer) = IPRax 1987, 168 (dazu Roth S 141). 908 Vgl OLG Düsseldorf IPRax 1999, 38 (dazu Hau S 24) (Bestätigung in der Annahmefrist des § 147 II BGB erforderlich). 909 Vgl OLG Frankfurt IPRax 1998, 35 (dazu Pfeiffer S 17); für Österreich vgl Oberhammer JBl 1997, 434. 910 OLG Düsseldorf RIW 1990, 220. 911 v Falkenhausen RIW 1983, 420; aA OLG Hamburg RIW 1982, 669.
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482 Der BGH912 hat entschieden, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung, wonach ein bestimmtes Gericht eines ausländischen Staats oder andere Gerichte dieses Staats für alle Streitfälle zuständig sind, in der Regel dahin auszulegen ist, dass jedenfalls für Ansprüche gegen die Vertragspartei, deren Heimatgerichte zuständig sein sollen, die ausschließliche Zuständigkeit dieser Gerichte vereinbart ist. Die ausländische (ausschließliche) Zuständigkeit kann auch nicht durch eine inländische Aufrechnung mit der prorogierten Forderung umgangen werden. Da über die Aufrechnungsforderung rechtskräftig entschieden wird (§ 322 II ZPO), muss das Prozessgericht nach hM für eine inkonnexe Aufrechnungsforderung international zuständig sein.913 483 Die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung hindert eine Widerklage mit einer konnexen Forderung, wenn die Klage an einem für die Widerklage international unzuständigen Gericht erhoben wird.914 484 Die Gerichtsstandsvereinbarung hat lediglich prozessuale Verfügungswirkung (Prorogation bzw Derogation), enthält aber keine (zusätzlich) schuldrechtliche Verpflichtung, (nur) am prorogierten Ort zu klagen bzw eine anderweitige Klage zu unterlassen. Die Kosten der Verteidigung gegen eine prorogationswidrige Klage im Ausland werden deshalb allenfalls prozessual erstattet, können aber (ohne zusätzlich Vereinbarung) in Deutschland nicht im Wege materiellen Schadenersatzes wegen vertraglicher Pflichtverletzung (§ 280 BGB) eingeklagt werden. Allenfalls in Extremfällen kommt eine Haftung nach § 826 BGB in Betracht.915
6. Rügelose Einlassung 485 Nach § 39 ZPO wird die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt.916 Bei dieser rügelosen Einlassung des Beklagten handelt es sich nicht um eine stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung, denn sonst wäre die Neufassung des § 39 ZPO unverständlich.917 486 In internationalen Fällen wird durch die rügelose Einlassung des Beklagten („general appearance“) zugleich die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts begründet. Hierbei handelt es sich um eine reine Prozesshandlung, die ausschließlich nach deutschem Prozessrecht zu beurteilen ist. Im 912 NJW 1973, 422. 913 BGHZ 149, 120, 127 = JZ 2002, 605 (Hess/Müller); BGH NJW 1993, 2753 = IPRax 1994, 115 (dazu Geimer S 82); Wagner IPRax 1999, 65, 72ff; aA Geimer, IZPR, Rz 1777ff; v Falkenhausen RIW 1982, 386, 388; Gebauer JbItalR 12 (1999), 31, 50ff; s o Rz 120, 203. 914 v Falkenhausen RIW 1982, 386, 388. 915 Vgl Sandrock RIW 2004, 809 (der der internationalen Gerichtsstandsvereinbarung materielle Wirkung beimessen will). 916 Vgl BGH RIW 2009, 245; BGHZ 134, 127, 132ff = 1997, 397. 917 So zu Recht Stein/Jonas/Bork § 39 ZPO Rz 1 (Präklusion); Geimer WM 1977, 66; aA Schütze ZZP 90 (1977), 75.
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Gegensatz zur Gerichtsstandsvereinbarung taucht hierbei die Frage nach dem Zustandekommen einer Vereinbarung gar nicht auf. Der Beklagte unterwirft sich vielmehr kraft seiner Dispositionsfreiheit für den zu entscheidenden Fall der internationalen Zuständigkeit des betreffenden deutschen Gerichts. Dass eine solche Unterwerfung nicht immer zugelassen wird, ergibt sich aus 487 § 504 ZPO. Im Verfahren vor dem Amtsgericht muss der Richter den Beklagten auf die Folgen einer rügelosen Einlassung hinweisen. Unterlässt er dies, so wird durch eine rügelose Einlassung des Beklagten weder die sachliche noch die örtliche noch die internationale Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen deutschen Gerichts begründet.918 Im Übrigen setzt die rügelose Einlassung des Beklagten – abgesehen von der Vertragsnatur – dieselben Erfordernisse voraus wie die Prorogation.919 Unter mündlicher Verhandlung zur Hauptsache ist das Verhandeln des Beklagten über den sachlich zur Entscheidung anstehenden Anspruch, nicht über die Prozessvoraussetzungen, zu verstehen.920 Die Nichtrüge innerhalb der Klageerwiderungsfrist (§§ 282 III, 296 III ZPO) führt noch nicht zur rügelosen Einlassung.921 Ist der Beklagte aber im schriftlichen Vorverfahren gem § 296 I ZPO mit Verteidigungsmitteln ausgeschlossen, so kann er auch die internationale Zuständigkeit nicht mehr rügen.922 Die internationale Zuständigkeit ist in jeder Lage des Prozesses von Amts wegen zu prüfen.923 Rügt der Beklagte die internationale Zuständigkeit, so fehlt es an einer „rüge- 488 losen Einlassung“. Es schadet dem Beklagten aber nicht, wenn er neben dieser Rüge „hilfsweise“ sich auch sachlich gegen die Klage verteidigt. In einer solchen „begrenzten Einlassung“ liegt ebenso wie nach heutigem englischem Recht (CPR r. 10.2, 11 [5], 12.3 [1]) keine rügelose Einlassung. Das kalifornische Prozessrecht (Cal. C.C.P. § 418.10 [a]) verlangt dagegen eine auf die Zuständigkeitsrüge begrenzte „special appearance“; auch die hilfsweise Einlassung begründet volle Zuständigkeit.924 Die in erster Instanz erhobene Zuständigkeitsrüge muss in der Rechtsmittelinstanz nicht wiederholt werden.925
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7. Internationale Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs Eine ausdrückliche Regelung in der ZPO fehlt. Bei der doppelfunktionellen 490 Anwendung der §§ 12ff ZPO ergeben sich Schwierigkeiten.
918 919 920 921 922 923 924 925
OLG Frankfurt RIW/AWD 1979, 640. Schütze RIW/AWD 1979, 591. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 37 Rz 26; MüKo.ZPO/Patzina, § 39 ZPO Rz 6. BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = IPRax 1999, 367, 369 (dazu Dörner/Staudinger S 338, 340). Vgl BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397. Kropholler, HdbIZPR, Bd I, 1982, Kap III Rz 216. California Dental Ass. v American Dental Ass., 23 Cal. 3d 346, 590 P. 2d 401 (1979). OLG Frankfurt RIW 1997, 600; s aber o Rz 222.
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a) Streitgenossen 491 Das autonome deutsche Recht kennt eine Streitgenossenzuständigkeit nur für den Unterhaltsantrag des Kindes gegen beide Eltern, § 232 III Nr 2 FamFG. Ansonsten kann nach § 36 I Nr 3 ZPO für eine Klage gegen Streitgenossen ein örtlich zuständiges Gericht bestellt werden, wenn jene verschiedene allgemeine Gerichtsstände im Inland haben, aber kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand besteht. Hat einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland, ist die Regel nicht anwendbar. Eine Ausnahme wird jedoch gemacht, wenn für diesen Beklagten ein besonderer Gerichtsstand im Inland besteht.926 Nach dem lex fori-Prinzip gilt das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung auch in Fällen mit Auslandsberührung.927 Gegenüber EU- bzw EFTA-Staaten gilt Art 6 Nr 1 EuGVO bzw LugÜ; s o Rz 112ff.
b) Widerklage 492 Das für eine Klage zuständige Gericht ist nach § 33 I ZPO auch zuständig, über eine konnexe Widerklage zu entscheiden. Diese Regel gilt auch für die internationale Zuständigkeit (ebenso ausdrücklich Art 8 schweiz. IPRG 1987). Streitig ist, ob dieser Gerichtsstand durch eine abweichende (ausschließliche) Gerichtsstandsvereinbarung oder eine Schiedsvereinbarung für die Gegenforderung ausgeschlossen ist. Der BGH bejaht in beiden Fällen einen Vorrang der Vereinbarung (s o Rz 227, 483), es sei denn der Kläger würde sich auf die Widerklage rügelos einlassen (§§ 39, 1032 I ZPO).928
c) Aufrechnung 493 Entsprechendes gilt für die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, für die internationale Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts oder eines Schiedsgerichts ausschließlich vereinbart ist. Selbst wenn zwischen den Forderungen ein Sachzusammenhang besteht, darf das deutsche Gericht nicht über die streitige Gegenforderung entscheiden, sofern sich der Kläger nicht rügelos auf die Aufrechnung einlässt (s o Rz 228, 482). Freilich wird darauf hingewiesen, dass die Aufrechnung nur greift, wenn die Klageforderung besteht. Mit ihr besitze der Kläger aber Inlandsvermögen, so dass für die gegen ihn gerichtete Aufrechnung im autonomen Recht stets eine internationale Zuständigkeit bestehe.929 Jedoch gilt dies nicht bei einer abweichenden ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung oder einer entsprechenden Schiedsvereinbarung. In beiden Fällen meint der BGH, der Wille der Parteien sei zu respektieren; eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung oder eine Schiedsvereinbarung schließe regelmäßig (trotz des unpraktischen Ergebnisses) eine anderweitige
926 BGH NJW 1971, 196; BGH NJW 1988, 646. 927 BGH FamRZ 1990, 1224, 1225; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 36 ZPO Rz 19 Auslandsberührung; Zöller/Vollkommer § 36 ZPO Rz 2a. 928 Vgl BGH NJW 1981, 2644; Pfaff ZZP 96 (1983), 334. 929 So Piekenbrock RIW 2000, 751, 752ff.
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streitige Aufrechnung mit der betroffenen Forderung gegen den Willen des Betroffenen aus.930 Durch eine prozessuale Zurückweisung der Aufrechnung verliert der Beklagte 494 aber eine nach materiellem Recht bestehende insolvenzfeste, verjährungsunabhängige und abtretungssichere Position. Es ist daher wenigstens nach § 148 ZPO vorzugehen und die Entscheidung über die Klageforderung auszusetzen, bis die Entscheidung des ausländischen Gerichts über die Gegenforderung vorliegt.931 Allerdings ist dann dem Beklagten eine Frist zur Klageerhebung im Ausland zu setzen.
d) Anspruchskonkurrenz In Fällen der Anspruchskonkurrenz besitzt nach hM nur das Gericht des allge- 495 meinen Gerichtsstandes eine umfassende Prüfungskompetenz; für alle besonderen Gerichtsstände hat der BGH dagegen eine Annexkompetenz zur Prüfung anderer konkurrierender Anspruchsgrundlagen kraft Sachzusammenhangs im Anschluss an ein Urteil des EuGH verneint.932
8. Notzuständigkeit Besteht nach den §§ 12ff ZPO keine inländische Zuständigkeit, besteht aber 496 ein negativer internationaler Kompetenzkonflikt933 oder kann aber ein an sich zuständiges ausländisches Gericht nicht oder nur in unzumutbarer Weise angerufen werden, so ist im Inland eine internationale Notzuständigkeit zu eröffnen.934 Eine inländische Entscheidungszuständigkeit ist insb anzunehmen, wenn eine ausländische Entscheidung wegen eines ordre public-Verstoßes935 oder fehlender Gegenseitigkeit936 nicht anerkannt wird. Entgegen der Prorogation ausländischer Gerichte ist eine inländische Notzuständigkeit aber nur zu eröffnen, wenn im Ausland kein rechtsstaatlicher Rechtsschutz erhältlich ist (s o Rz 464). Das deutsche Recht enthält zwar, anders als Art 3 schweiz. IPRG 1987 oder sec. 3136 Civil Code von Quebec, keine gesetzliche Regelung. Die Notzuständigkeit folgt aber aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Rechtsschutz. Die Notzuständigkeit ist zu eröffnen, wenn der Fall einen ausreichenden Inlandsbezug hat.937 Die Sicherung der Anwendung des maßgeb-
930 BGH NJW 1979, 2477; Eickhoff S 185; aA zu Recht Coester-Waltjen, FS Lüke, S 35, 39ff; Soergel/Kronke Art 38 Anh IV Rz 21; krit. auch Geimer, IZPR, Rz 1777ff (Auslegung im Einzelfall erforderlich). 931 Vgl Rüssmann, FS Ishikawa, S 455, 468ff. 932 BGH NJW 1996, 1411, 1413 = FamRZ 1996, 601, 603 mN zum Streitstand; vgl auch Spellenberg ZZP 95 (1982), 17. 933 Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975; Schütze Rz 126ff. 934 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 31 Rz 43ff; Pfeiffer S 451, 463ff; Schütze, IZPR, Rz 128ff u. FS Rechberger, 2005, S 567. 935 Pfeiffer S 753ff. 936 Geimer, IZPR, Rz 1029, 1030; Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 27. 937 Schack, IZVR, Rz 457; Linke/Hau IZVR Rz 246; Schütze FS Rechberger, 2006, S 567; Kropholler IPR, § 58 II 1 d.
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lichen deutschen Rechts muss dabei nicht im Vordergrund stehen.938 Aden möchte das Ersatzforum nur in einen rechtlich, kulturell oder geographisch nahestehenden Staat eröffnen.939 Ob dieser Vorschlag praktikabel ist, erscheint freilich zweifelhaft. 497 Die örtliche Zuständigkeit sollte dann ähnlich wie in Art 3 schweiz. IPRG an dem Ort eröffnet werden, mit dem der Inlandsbezug besteht. Kann etwa ein vereinbartes ausländisches Gericht wegen Bürgerkriegs nicht angerufen werden, so sollten die abgewählten Gerichtsstände wieder aufleben. Nur wenn sonst keine Anknüpfung besteht, ist die Klage am Gerichtsstand der Bundesregierung (§ 15 I 2 ZPO) zu erheben. 498–499 Frei
IV. Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten 1. Schrifttum 500 E. Adachi, Die Regelung der japanischen internationalen Zuständigkeit zwischen Deutschland und den USA, Dike Int. 2001, 1166; T. Alio, Grenzenlose US-Jurisdiction, DAJV 2007, 128; Y. Aoyama, Problems in international litigation, in: The International Symposium on Civil Justice in the Era of Globalization, Tokyo 1993, S 44; M. Atali, Die internationale Zuständigkeit im deutsch-türkischen Rechtsverkehr, 2001; B. Audit, Le droit internationale privé en quête d’universalité (Troisième partie: Le conflit de juridiction), RdC 305 (2003), 9, 359ff; Bamodu, Jurisdiction and Applicable Law in Transnational Dispute Resolution before the Nigerian Courts, Int.Lawyer 29 (1995), 555; J. Basedow/T. Kono/A. Metzger, Intellectual Property in the Global Arena, 2010 (m. Beiträgen von F. Dessemontet, Ch. Heinze u. S. Chaen/T.Kono/D. Yokomizo); Behrens, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen vor amerikanischen Gerichten, RabelsZ 38 (1974) 596; Bernstein, Verfassungsschranken der Personal Jurisdiction in den USA, GS Martens, 1987, 751; T. Bettinger, Der lange Arm amerikanischer Gerichte: Personal jurisdiction im Cyberspace, GRURInt. 1998, 660; Binchy, Irish Conflicts of Law, (Part II Jurisdiction) 1988; Böckstiegel, Vertragspraxis und Streiterledigung im Wirtschaftsverkehr mit arabischen Staaten, 1981; U. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, 2005, S 97; M. Boguslawskij, Internationales Zivilprozessrecht in den GUS-Staaten, in: Boguslawskij/ Trunk, Reform des Zivil- und Wirtschaftsprozessrechts in den Mitgliedstaaten der GUS, 2004, S 19; P. Borchers, Comparing personal jurisdiction in the United States and the European Community, AmJCompL 40 (1992), 121; P. Borchers, Jurisdiction to adjudicate revisited, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 3; P. Borchers, Personal Jurisdiction over Foreign Companies: New Developments in US Law, IJPL 3 (2013), 6; G. Born/P. Rutledge, International Civil Litigation in United States Courts, 5th ed 2011; G. Born/P. Rutledge, International Arbitration and Forum Selection Agreements, 1999; Born/Jestaedt, Zustellung an durchreisende Angehörige fremder Staaten in den USA, RIW 1990, 675; A. Briggs, The impact of recent judgments of the European Court on English Procedural Law and Practice, ZSR 124 (2005) II, 231; A. Briggs, Agreements on jurisdiction and choice of law, 2008; Brilmayer, Related contacts and personal jurisdiction, Harv.L.Rev. 101 (1988), 1444; B. Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998; P. Carrington, International Litigation in the Courts of the United States, in: The International Symposium on Civil Justice on the Era of Globalization, Tokyo 1993, S 27; R. Casad, Jurisdiction and Forum Selection, 2nd ed. 1999ff; R. Casad, In938 AA wohl Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S 172. 939 Aden ZVglRWiss 106 (2007), 490, 496f.
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2. Einführung 501 Aufgrund seiner Personal- und Territorialhoheit kann jeder Staat auf seinem Gebiet Jurisdiktion ausüben. Sofern eine gewisse Sachnähe besteht, können seine Gerichte auch mit extraterritorialer Wirkung entscheiden. Das Restatement Foreign Relations Law (Third) von 1987 sagt dazu in § 421 (1): „A state may exercise jurisdiction through its courts to adjudicate with respect to a person or thing if the relationship of the state to the person or thing is such as to make the exercise of jurisdiction reasonable.“
Wann die Ausübung der internationalen Zuständigkeit „vernünftig“ ist, ist freilich zweifelhaft. Im praktischen Ergebnis bestimmt deshalb jeder Staat selbst, in welchen Fällen seine Gerichte in internationalen Fällen entscheiden. Viele Staaten legen generell vernünftige Anknüpfungen gesetzlich fest und schaffen damit Rechtssicherheit. Andere, wie etwa die USA räumen den Gerichten die Befugnis ein, im Einzelfall über die Sachgerechtigkeit der Ausübung von jurisdiction zu entscheiden (s u Rz 555). Der größeren Einzelfallgerechtigkeit steht dann freilich ein erhebliches Maß an Unberechenbarkeit und Rechtsunsicherheit gegenüber.940 Ähnliche Vorbehalte gelten gegenüber der russischen Lösung, wonach eine internationale Zuständigkeit der Arbitragegerichte (Wirtschaftsgerichte) gegeben ist, wenn das streitige Rechtsverhältnis eine enge Verbindung mit dem russischen Territorium aufweist.941 Die verschiedenen Grundmodelle einer gerechten internationalen Zuständigkeitsordnung942 divergieren im Einzelnen, ohne dass die Grenzen prozessualer Gerechtigkeit eindeutig abzugrenzen wären. Da der Staat auch Ausländern einen angemessenen Rechtsschutz gewährleisten muss (s u § 5 Rz 7ff), darf er ihnen den Zugang zum Gericht nicht verschließen. 502 Grundsätzlich steht es jedem Staat frei, die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte zu bestimmen, obgleich die Staaten im Interesse der Recht940 Krit. Juenger, A shoe unfit for globetrotting, U.C.Davis Law Rev. 28 (1995), 1027. 941 Vgl Boguslawskij S 19, 24. 942 Vgl Pfeiffer S 199ff.
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suchenden aufeinander Rücksicht nehmen sollten. Einstweilen herrscht noch der Souveränitätsgedanke. Eine rühmliche Ausnahme macht das europäische Zivilprozessrecht, dessen System Italien 1995 mit der IPR-Reform auch für das autonome Recht übernommen hat.943 Im Übrigen sind durch die verschiedenen staatlichen Regelungen Überschneidungen von Zuständigkeiten der Gerichte einzelner Staaten unvermeidbar. Da jeder Richter grds sein eigenes Prozessrecht anwendet, prüft er seine internationale Zuständigkeit ausschließlich anhand seiner nationalen Zivilprozessordnung. Ihn interessiert grds nicht die Frage, ob sein Urteil in einem fremden Staat anerkannt und die Zwangsvollstreckung aus ihm bewilligt werden kann. Von seiner internationalen Zuständigkeit muss also die Anerkennungszuständigkeit scharf getrennt werden. In international gelagerten Fällen sollten die Rechtsanwälte und Parteien von 503 einer anderen Betrachtungsweise ausgehen. Hat eine Partei im Inland keinen Gerichtsstand, so muss sie sich entscheiden, ob sie im Ausland klagen will. Dabei muss sie natürlich berücksichtigen, ob sie in dem betreffenden Land einen Gerichtsstand hat. Der Schuldner müsste berücksichtigen, ob er sich vor einem ausländischen Gericht überhaupt einlassen soll. Das sollte er jedenfalls dann, wenn das ausländische Gericht aus deutscher Sicht international zuständig war und ein ergehendes Urteil im Inland anerkannt und vollstreckt werden kann. Hat der Kläger im Inland einen Gerichtsstand, so sollte er bereits bei Einrei- 504 chung der Klage darüber nachdenken, ob ein deutsches Urteil im Ausland anerkannt und die Vollstreckung aus ihm gewährt werden wird. Dabei muss er berücksichtigen, dass der ausländische Zweitrichter wiederum anhand seines Gerichtsstandskataloges prüft, ob der deutsche Erstrichter international zuständig gewesen ist. Die verschiedenen sich ergebenden Möglichkeiten sollten bereits bei einer Vertragsgestaltung mit ausländischen Partnern überlegt werden, wobei Gerichtsstandsvereinbarungen eine zentrale Bedeutung erhalten.
3. Abweichende Gerichtsstandskonzeptionen a) Anwesenheit im Gerichtsstaat (Presence of Person) Englische und US-amerikanische Gerichte haben personal jurisdiction lange 505 Zeit nur auf personal presence gestützt (sog power-Theorie).944 Denn nach der Grundidee konnte Hoheitsgewalt nur gegenüber einer Person geübt werden, die im Gerichtsstaat anwesend ist. Diese Konzeption erwies sich freilich als zu eng. Bei juristischen Personen ist „presence“ stets nur im übertragenen Sinn mög- 506 lich. Man verlangte, dass die juristische Person einen Bevollmächtigten im Gerichtsstaat bestellt, später behandelte man sie als durch ihre Angestellten, ihr Büro, ihre Bankkonten als „gegenwärtig“ und schließlich wurde die Geschäftstätigkeit im Gerichtsstaat selbst als Form der Anwesenheit angesehen.945 943 Pesce RIW 1995, 977, 978f. 944 Vgl Pfeiffer S 311ff. 945 James/Hazard/Leubsdorf, Civil Procedure, 5th ed, 2002, § 2.5 (S 70).
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507 Auch bei natürlichen Personen gerät das Konzept schnell in Schwierigkeiten, wenn die Partei den Gerichtsstaat nach Klageerhebung verlässt, dort zwar ihren Wohnsitz hat, tatsächlich aber abwesend ist oder den Gerichtsstaat nach Verkehrsunfällen wieder verlassen hat. Regelmäßig wurde die „Anwesenheit“ mit Hilfe eines Zustellungsbevollmächtigten fingiert. Auf dieser Grundlage entwickelte sich das Konzept, dass es weniger auf Anwesenheit als auf ausreichende Kontakte zum Gerichtsstaat ankommt. Welcher Kontakt ausreichend ist, wurde von den Einzelstaaten in sog longarm statutes näher festgelegt.946
b) Vorübergehende Anwesenheit (transient jurisdiction) 508 Trotz dieser Abstrahierung und Wandlung der ursprünglichen Konzeption haben die common law-Staaten daran festgehalten, dass auch die bloß vorübergehende Anwesenheit im Gerichtsstaat ausreicht, um gegen diese Person jurisdiction auszuüben. 509 Englische Gerichte haben bekräftigt, dass eine persönliche Zustellung im Inland stets jurisdiction gegenüber dem Beklagten begründet (CPR 2000 r 6.4 [1] [3]).947 Bei einer company genügt Zustellung an eine Person „holding a senior position“ (r 6.4 [4]), bei einer partnership die persönliche Zustellung an einen „partner“ oder eine Person, die „the control or management of this partnerships business at its principal place of business“ ausübt (r 6.4 [5]).948 Gleiches gilt in Irland.949 Im Rahmen von EuGVO (Art 3 II iVm Anh I) und LugÜ ist diese Doktrin jedoch nicht anwendbar. 510 Auch in den USA wird daran festgehalten, dass die vorübergehend anwesende Person im Gerichtsstaat allgemein gerichtspflichtig ist und mit der Zustellung personal jurisdiction begründet wird.950 Die Kritik an der „transient jurisdiction“,951 die auch vom Restatement 3rd Foreign Relations Law (§ 421 II [a] 1987) aufgegriffen wurde, hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt. In Burnham v Sup. Court of California wurde dem in New Jersey wohnenden Ehemann die Scheidungsklage in Kalifornien, dem neuen Wohnsitzstaat der Frau, zugestellt, als er sich dort für wenige Tage geschäftlich und zum Besuch seiner Kinder aufhielt. Dieses Vorgehen ist nach Ansicht des US Supreme Court mit der due process-Garantie des 14. Amendments vereinbar.952 Nach Maßgabe des Rechts des Einzelstaats kann zumeist auch an eine ausländische Gesellschaft oder ju946 Vgl Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 693ff; Pfeiffer S 320ff. 947 Maharanee of Baroda v Wildenstein [1972] 2 QB 283 (C.A.); Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, 14th ed, Rule 24 (S 343ff); Hill/Chong, International Commercial disputes, 2005, § 6.1.1.1. 948 Vgl Cheshire, North & Fawcett, Private International Law, 14th ed 2008, p 358ff. 949 Binchy, Irish conflicts of law, 1988, S 124f. 950 Vgl Grace v McArthur, 170 F.Supp. 442 (E.D.Ark. 1959) (Zustellung beim Überfliegen des Gerichtsstaats); Burnham v Superior Court of California, 495 US 604, 109 LEd 2d 631; Casad, Jurisdiction, § 2.02 (2–12ff); Born/Jestaedt RIW 1990, 675; Schmidt-Brand S 26f. 951 Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 6.2 (S 392ff). 952 495 U.S 604, 109 L.Ed. 2d 631, 110 SCt. 2105 (1990); vgl Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 700f; Born/Vollmer, 150 F.R.D. 221, 227 (1994); Schütze RIW 2005, 579, 582f.
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ristische Person durch Übergabe an einen im Forumstaat persönlich anwesenden Manager oder Direktor zugestellt werden.953 Üblicherweise erkennen die meisten US-Staaten eine Zustellungsimmunität an, wenn sich eine Person lediglich als Anwalt oder Zeuge im Gerichtsstaat aufhält.954
c) Place of Incorporation Dem Wohnsitz bei natürlichen Personen entspricht der Sitz bei juristischen. 511 Im Unterschied zum deutschen Recht behält nach angloamerikanischem Recht die juristische Person aber einen allgemeinen Gerichtsstand im Gründungsstaat, selbst wenn sie dort kein Büro (mehr) unterhält und dort keine Geschäfte tätigt.955 Jurisdiction wird stets angenommen, wenn die juristische Person nach dem Recht dieses Staats organisiert ist.956
d) Laufende Geschäftstätigkeit (doing business) Ist eine Person nicht im Gerichtsstand anwesend, so kann sie nach der „due 512 process“-Garantie des Fifth Amendment der US-Verfassung dort nur verklagt werden, wenn „minimum contacts“ zum Gerichtsstaat gegeben sind bzw eine „sufficient relationship“ zwischen Beklagtem und forum besteht.957 Die Zustellung allein begründet keine jurisdiction. Diese Beziehungen sind von den meisten Bundesstaaten in sog „long arm-statutes“ näher und weit festgeschrieben worden. Die Regelung der Einzelstaaten ist teilweise sehr detailliert, teilweise besteht sie in einer reinen Generalklausel, wie in Kalifornien (Cal. CCP § 410.10). Laufende Geschäftstätigkeit im Urteilsstaat („continuous and systematic contacts“) begründet danach überall einen allgemeinen Gerichtsstand im Gerichtsbezirk der Geschäftstätigkeit, und zwar gleichermaßen für Einzelkaufleute, Handelsgesellschaften (und ihre Gesellschafter) sowie juristische Personen. Dies ist problemlos, soweit der Handeltreibende dort seine Hauptniederlassung hat oder eine Zweigniederlassung unterhält958 (für die von dort aus getätigten Geschäfte) oder er sich der Zuständigkeit freiwillig unterwirft und einen Zustellungsbevollmächtigten im Gerichtsbezirk bestellt.
953 Vgl Born/Rutledge, International Civil Litigation in United States Courts, 5th ed 2011, 871ff, 879. 954 Vgl Restatement of the Law Second, Conflict of Laws, 1971, § 83 Comment b; Hay/ Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 11.15 (p 565f). 955 Schmidt-Brand S 41. 956 Restatement 3rd Foreign Relations Law, 1987, § 421 (2) (e); Dicey & Morris, Conflict of Laws, Rule 23 (2) (S 339ff) (No 11–082ff). 957 Metropolitan Life Insurance Company v Robertson-Ceco Corp., 84 F. 3rd 560 (2nd Cir. 1996); Omni Capital International, Ltd. v Rudolf Wolff & Co., 484 US 97, 104 (1987); vgl Casad, Jurisdiction, § 4.02 (4–22ff); G. Haugen Boston Int’lL.J. 11 (1993), 109; Degnan/Kay Kane Hastings L.J. 39 (1987–88), 799, 801ff; R. Weintraub U.C. Davis L. Rev. 28 (1994), 531. 958 Vgl Th. Müller-Froelich S 330ff.
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513 Zweifelhaft ist dagegen, wann eine Geschäftstätigkeit als solche („doing business“ oder „transacting business“) bezogen auf den Gerichtsort ausreichend intensiv ist, um eine allgemeine Gerichtspflichtigkeit zu rechtfertigen.959 Das US-amerikanische Recht behandelt jemand, der sich in einem Staat „continuous and systematic“ geschäftlich betätigt, so, als habe er sich den Gerichten des Geschäftsortes generell unterstellt960 bzw als sei er in dem Staate anwesend. 514 Das Restatement of Foreign Relation Law (§ 421 II [h] [i] von 1987) formuliert: „In general, a state’s exercise of jurisdiction to adjudicate … is reasonable, if, at the time jurisdiction is asserted, the person … (h) regularly carries on business in the state; (i) … had carried on activity in the state, but only with respect to such activity“,
unterscheidet also zwischen allgemeiner Gerichtspflicht bei einer „continuous and systematic“ betriebenen Geschäftstätigkeit und spezieller Gerichtspflicht bei gerichtsstaatsbezogener Geschäftstätigkeit.961 New York CPLR § 302 (a) (1) unterwirft jeden der jurisdiction „who in person or through an agent … transacts any business within the state or contracts anywhere to supply goods or services in the state“. 515 Die Gerichtspflichtigkeit wird weit gezogen. Sie erfasst vertragliche und deliktische Ansprüche. In Bryant v Finnish National Airline wurde die Zuständigkeit New Yorker Gerichte für Ansprüche aus einem Unfall bejaht, der sich auf einem französischen Flughafen ereignete, weil die finnische Fluggesellschaft ein (kleines) (Vermittlungs-)Büro (ohne eigene Geschäftstätigkeit) unterhielt.962 Internationale Zuständigkeit wird in Produkthaftungsfällen auch bejaht, wenn der Hersteller die Ware zwar nicht selbst in den Gerichtsstaat liefert, wohl aber weiß, dass sein Abnehmer damit einen bestimmten Markt versorgt („stream-of-commerce-jurisdiction“).963 Die Entscheidungen ergehen unter Abwägung aller Gesichtspunkte des Einzelfalles, sind also vielfach nicht eindeutig vorhersehbar.964 In Japan kann eine Person, die dort weder Geschäftstelle noch Büro unterhält, in Bezug auf die von ihr in Japan ausgeübte Tätigkeit verklagt werden (Art 3-3 Nr 5 jap. ZPO).965 959 Vgl Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 696ff; H. Müller S 19ff; M. Otto S 40ff; SchmidtBrand S 119ff. 960 Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of laws, 5th ed 2010, §§ 5.10 and 5.13, § 6.9; Gottwald, FS Geimer, S 231. 961 Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed, §§ 5.10–5.13. 962 260 N.Y.S 2d 625 (1965), vgl Hay/Borchers/Symeonides, 5th ed, § 5.13 (notes 19 to 22), § 6.9 (notes 20 to 22). 963 Vgl auch zu Grenzen Asahi Metal Industry v Superior Court, 480 U.S 102 (1987); Dethloff NJW 1988, 2160; Th. Müller-Froelich S 364ff. 964 Krit etwa Cameron/Johnson, Death of a Salesman? Forum Shopping and Outcome Determination under International Shoe, U.C. Davis L.Rev. 28 (1994), 769, 772. Zur Rechtslage in Alberta/Kanada s Hull v Wilson, Court of Appeal of Alberta, [1996] ILPr 307. 965 Englischer Text bei Y. Okuda YearbookPIL 13 (2011), 367, 370; vgl M. Yoshida RIW 2012, 118, 121.
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e) Service out of the jurisdiction Hat der Fall eine sachliche Beziehung zu England, so dass England als geeig- 516 netstes Forum erscheint, kann das Gericht den Beklagten seiner jurisdiction unterwerfen, auch wenn er nicht im Gerichtsstaat anwesend ist. Nach CPR 2000 r 6.19 kann die Klage dem Beklagten ohne gerichtliche Genehmigung im Ausland zugestellt werden, wenn das Gericht aufgrund der europäischen Regeln (EuGVO, LugÜ) zuständig ist. Ansonsten bedarf es gem CPR 2000 r 6.20 der Genehmigung des Gerichts für eine Auslandszustellung. Die Genehmigung kann erteilt werden, wenn einer der Gründe der Absätze 1 bis 18 dieser Regel erfüllt ist, England also in deutscher Terminologie die internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt. Soweit diese Besonderheiten enthalten, wird hierauf bei den sachlichen Zuständigkeitsgründen hingewiesen. Dem Antrag auf Genehmigung der Auslandszustellung sind schriftliche Beweismittel beizufügen, aus denen sich (1) der Zuständigkeitsgrund, (2) die Überzeugung des Klägers von einer hinreichenden Erfolgsaussicht und (3) die Anschrift des Beklagten ergeben (CPR r 6.21 [1]).
f) Gerichtsstand der Niederlassung oder Geschäftsstelle Nach deutschem (§ 21 I ZPO) und europäischem (Art 5 Nr 5 EuGVO bzw 517 LugÜ) Recht können in diesem Gerichtsstand nur Klagen mit Bezug auf die Niederlassung oder Geschäftsstelle erhoben werden. Andere Länder gehen hier möglicherweise weiter. In Japan besteht eine internationale Zuständigkeit aus Streitigkeiten aus Ge- 518 schäften einer Niederlassung am Sitz dieser Niederlassung (Art 3-3 [iv] japZPO nF). Darüber hinaus kann eine ausländische Gesellschaft bzw Stiftung am Ort ihrer japanischen Geschäftsstelle, ihres Büros bzw am Wohnsitz der Person verklagt werden, die mit den Geschäften der Gesellschaft, Körperschaft etc im Wesentlichen betraut ist. Wird eine internationale Zuständigkeit aber schon dann bejaht, wenn ein derart lockerer Bezug zum Inland besteht, so führt das zu exorbitant jurisdiction. Deshalb kann diese Zuständigkeit aufgrund „besonderer Umstände“ verneint werden (Art 3-9 japZPO nF). Unter „besondere Umstände“ fällt der Verstoß gegen Fairness des Verfahrens gegenüber den Parteien oder der Verstoß gegen Geeignetheit und Schnelligkeit des Verfahrens. Liegen besondere Umstände vor, so wird die internationale Zuständigkeit des japanischen Gerichts verneint, auch wenn sie einer Vorschrift der japanischen ZPO entspräche.966
g) Gerichtsstand des Vertragsschlusses (forum actoris) Manche Länder oder Staatsverträge sehen anstelle oder neben dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes den eher archaischen Gerichtsstand des Vertrags-
966 Vgl Urteil des japanischen Obersten Gerichtshofes v 11.11.1997, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen, Bd 51, H 10, S 4055; Ishikawa ZZPInt 1 (1996), 287, 288ff; M. Yoshida RIW 2012, 118, 121f.
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schlusses vor, so zB England,967 Brasilien968 und Schweden.969 Bei Distanzverträgen ist der Vertrag in England geschlossen, wenn bei einem Briefwechsel die Annahme dort erklärt wurde („posted“). Bei Abschluss per Telefon oder Fax ist der Vertrag dort geschlossen, wo die Annahme empfangen wird.970 Entsprechendes gilt, wenn der Vertrag durch einen Vertreter („agent“) abgeschlossen wird. In Brasilien genügt es, wenn das Angebot zum Vertragsschluss dort abgegeben wurde (Art 1087 brasil. ZGB). Ähnlich ist es im autonomem niederländischem Recht (Art 126 [3] R.V.).971
h) Klägergerichtsstand nach Erbringung der Gegenleistung 520 Nach Art 7 (c) des MERCOSUR-Protokolls von Buenos Aires über internationale Zuständigkeit für Schuldverträge v 5.8.1994972 kann der Kläger an seinem Sitz oder Wohnsitz klagen, wenn er nachweist, dass er seine eigene Leistung aus dem gegenseitigen Vertrag erbracht hat.973
i) Gerichtsstand der Streitgenossen 521 Der in Art 6 Nr 1 EuGVO/LugÜ geregelte Gerichtsstand der Streitgenossen ist teilweise auch im autonomen Recht der EU-Staaten,974 aber auch im Recht weiterer Staaten, etwa in Japan in Art 3-6 japZPO nF975 vorgesehen.
j) Zuständigkeit gegenüber Konzernmuttergesellschaften (Durchgriffszuständigkeit) 522 An die doing business-Zuständigkeit knüpft die internationale Zuständigkeit gegenüber einer Konzern-Muttergesellschaft am Sitz der Tochtergesellschaft an. Grds trennt das US-amerikanische Recht zwar zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften.976 Ein Zuständigkeitsdurchgriff findet aber statt, wenn die Tochter nach außen als „alter ego“, als „mere department“ oder „instrumentality“ der Muttergesellschaft erscheint. Damit sind die Fälle erfasst, die
967 CPR 2000 r 6.20 (5) (a); Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, Rule 27 (6) (i) (S 375) (No 11–186). 968 Art 88 III brasil. CPC; vgl Samtleben, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Länderbericht Brasilien, S 1023.6 u. OLG Düsseldorf RIW 1995, 947, 948. 969 RB Kap. 10 § 4. Das neue spanische LEC 2000 kennt den Gerichtsstand des Vertragsschlusses nicht mehr. 970 Hill, International Commercial Disputes, 1994, p 173. 971 Vgl De Boer/Kotting, in: Chorus/Gerver, Introduction to Dutch Law, 3rd ed 1999, S 269f. 972 Abgedruckt in IPRax 1999, 127, 128; vgl Samtleben IPRax 2005, 376, 379. 973 Vgl Samtleben IPRax 1995, 129, 131; Samtleben RabelsZ 63 (1999), 1, 43; Pabst, Mercosul – IZVR in Südamerika, in: Jayme, Das Recht der lusophonen Länder, 2000, S 43, 45. 974 Für England s CPR 6.20 (3); 6.21 (2A); vgl Note, Joinder of parties located overseas, CJQ 20 (2001), 290. 975 Vgl Okuda YearbookPIL 13 (2011), 367, 375. 976 Cannon v Cudahy, 267 U.S 337, 69 L.Ed. 642.
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materiellrechtlich einen Haftungsdurchgriff rechtfertigen.977 Soweit die Mutter aber ihre Produkte über die amerikanische Tochtergesellschaft in den USA veräußert oder ihre Dienstleistungen über sie anbietet, wird das Tochterunternehmen als eine Art Stellvertreter (agent) angesehen. Die Muttergesellschaft bringe ihre Produkte bewusst in den Handel in den USA, und zwar mit Hilfe der Kontrolle über die am Forum ansässige Tochter; sie ziehe daraus Vorteile und sei daher dort gerichtspflichtig.978 Ob diese Argumentation mit der due process-Garantie vereinbar ist, ist zweifelhaft.979 Eine Anerkennung der Durchgriffszuständigkeit nur im Missbrauchsfall ist jedoch kaum praktikabel. Da die Muttergesellschaft als Inhaberin der Geschäftsanteile der Tochtergesellschaft idR (erhebliches) Vermögen im Gerichtsstaat besitzt, ist gegen die Zuständigkeit letztlich wenig einzuwenden.980 Die Praxis wendet den Durchgriff meist bei ausländischen Autoherstellern an.981
k) „Non-economic activity within the forum“ Das common law kannte ursprünglich keinen Deliktsgerichtsstand. Mit zu- 523 nehmender Mobilität ließ sich dieser Standpunkt nicht aufrechterhalten. In den USA behalf man sich anfangs mit der Fiktion, dass in der Benutzung der Highways eine Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Lageortes liegt. Inzwischen begründet jede „activity in the state“ personal iudication für damit zusammenhängende Klagen.982 Auf die generelle Gefahrträchtigkeit der Tätigkeit kommt es nicht (mehr) an.983
l) „Foreseeable effect within the state“ Das US-amerikanische Recht formuliert keinen allgemeinen Deliktsgerichts- 524 stand, sondern knüpft personal jurisdiction allgemein an Aktivitäten im Gerichtsstaat an (s o [c] Rz 512). Da aber auch Handlungen von außerhalb im Gerichtsstaat Rechtsfolgen auslösen können, muss dieses Konzept für diese Fälle ergänzt werden. Nach dem Restatement 3rd Foreign Relations Law 1987, § 421 (2) (i) begründet jede Aktivität außerhalb des Gerichtsstaats personal jurisdiction im Gerichtsstaat, soweit sie dort einen „substantial, direct, and foreseeable effect“ hatte.984 Bei vorsätzlichem Handeln ist dies stets der Fall. Zweifelhaft ist jurisdiction aber, wenn der Handelnde mit Auswirkungen im Gerichtsstaat nicht rechnen musste.985
977 Otto S 60ff. 978 Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 701ff; Otto S 79ff; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 10.16 und 10.17. 979 Vgl Toepke, FS Stiefel, 1987, S 785; H. Müller S 33ff. 980 Vgl Grothe, in: Heldrich/Kono, S 209, 217ff. 981 Vermeulen v Renault, 985 F. 2d 1534 (11th Cir. 1993). 982 Restatement 3rd, Foreign Relations Law, § 421 (2) (h). 983 World-Wide Volkswagen v Woodson, 444 U.S 286 (1980); Hay/Brochers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed, § 7.2. 984 Ähnlich New York CPLR § 302 (a) (3). 985 Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed, § 7.2.
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m) Sachzusammenhang mit economic activities 525 In Fällen von market share liability hat ein New Yorker District Court wegen des Sachzusammenhangs seine Zuständigkeit auch gegenüber Herstellern von DES bejaht, die weder in New York ansässig waren noch dort irgendwelche Geschäfte getätigt hatten.986
n) Deliktstreitigkeiten 526 Für Deliktstreitigkeiten kann neben dem Gericht am Tatort, Erfolgsort oder dem Wohnsitz/Sitz des Schadensverursachers im spanischen Recht auch das Gericht am Wohnsitz des Geschädigten angerufen werden (Art 52 No 12 LEC 2000). 527 In den USA werden auf der Grundlage des Alien Tort Claims Act von 1789 Klagen von Ausländern gegen Ausländer wegen (angeblicher) Verletzung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten sowie Umweltdelikten auf Schadenersatz zugelassen, obwohl die Taten keinen Bezug zu den USA aufweisen, wenn es sich um Völkerrechtsverletzungen handelt.987 Japan hat jüngst die internationale Deliktszuständigkeit neu geregelt. Japanische Gerichte sind zuständig, wenn der Handlungsort in Japan liegt. Dagegen besteht keine Zuständigkeit, wenn sich die Folgen einer im Ausland vorgenommenen Handlung erst in Japan zeigen, aber nicht vorhersehbar war, dass die Handlung Auswirkungen in Japan haben werde (Art 3-3 [viii] japZPO nF).988
o) Forum legis 528 Teilweise wird die Zuständigkeit auf einen Gleichlauf von forum und lex causae gestützt, da die Gerichte das Recht ihres eigenen Landes am besten anwenden können. Ein forum legis kennt England für vertragliche Ansprüche (CPR 2000 r 6.20 [5] [c]).989 In den USA hat der Supreme Court dagegen einen Gleichlauf von forum und ius verneint.990 Teilweise wird im IPR auch ein umgekehrter Gleichlauf vertreten: immer wenn ein Gericht international zuständig ist, wendet es sein eigenes Recht an.
p) Admirality jurisdiction in rem 529 Nach s 20 Supreme Court Act ist der High Court in England zuständig, über Seerechtsstreitigkeiten „in rem“ zu entscheiden, wenn der writ in England ei986 987 988 989 990
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In re DES cases, 789 F.Supp. 552, 569–589 (EDNY 1992). Vgl A. Feldberg, Der Alien Tort Claims Act, 2008. Vgl M. Yoshida RIW 2012, 118, 121. Vgl Vischer, FS v Overbeck, 1990, S 349, 365. Shaffer v Heitner, 433 U.S 186, 215 (1977); vgl P. Hay ICLQ 28 (1979), 161, 163.
Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten
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ner Sache (zumeist einem Schiff oder einer Schiffsladung) zugestellt wird. Ein Urteil kann nur gegen diese Sache vollstreckt werden, bindet aber jede Person, die ein Recht an der Sache hat. Verteidigt der Eigentümer die Sache gegen die Klage, so unterwirft er sich nach englischem Recht persönlich der englischen Zuständigkeit, so dass das Gericht gegen ihn auch ein Urteil in personam erlassen kann.991 Regelmäßig wird die Sache (Schiff) auch mit Arrest belegt, um die Vollstreckung des Urteils zu sichern. Der Arrest wird auf Antrag aufgehoben, wenn der Eigentümer der Sache ausreichend Sicherheit leistet und sich der jurisdiction in personam unterwirft. Die reine action in rem hat danach nur Bedeutung, wenn der Eigentümer seine Sache nicht verteidigt. Das amerikanische Recht kennt für Schiffe, Flugzeuge oder andere registrierte Fahrzeuge den Gerichtsstand des Registrierungsortes.992
q) Quasi in rem jurisdiction – Arrestgerichtsstand Die Grundfrage, in welchem Umfang Vermögen im Gerichtsstaat eine Zu- 530 ständigkeit begründet, wird unterschiedlich beantwortet. Traditionellerweise kennt das US-amerikanische Recht eine quasi in rem-Zuständigkeit. Personal jurisdiction wurde ursprünglich ohne sonstige Beziehungen des Staats zum Streitgegenstand durch Beschlagnahme von Schuldnervermögen im Gerichtsstaat begründet, allerdings beschränkt auf den Wert des beschlagnahmten Vermögens.993 Seit Shaffer v Heitner994 wird jedoch verlangt, dass zusätzlich minimum contacts bestehen, die die due process-Anforderungen erfüllen oder dass kein anderes forum zur Verfügung steht. Die Doktrin hat daher neben personal jurisdiction nur noch selbständige Bedeutung im Bereich des Seerechts (s o Rz 529), und in Fällen, in denen der Einzelstaat keine erschöpfenden long arm-Statutes erlassen hat.995 In den Niederlanden kann der Gläubiger eine Klage nach Art 767 R.V. bei dem 531 Gericht erheben, in dessen Bezirk Vermögen des Schuldners gem Art 700ff, 765 R.V. per Arrest beschlagnahmt wurde. Art 767 R.V. enthält eine selbständige internationale Zuständigkeit (soweit diese nicht bereits aus anderen Gründen besteht).996 Die Schweiz kennt (außerhalb des LugÜ) den internationalen Gerichtsstand der Arrestprosequierung (Art 4 IPRG 1987). Sofern keine andere Inlandszuständigkeit besteht, kann der Kläger im „forum arresti“ wegen beliebiger Forderun-
991 Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, 14th ed, Vol 1, 2006, No 13–003; Hill/ Chong, International Commercial Disputes, 2010, Ch. 8.1 (p 257). 992 Restatement 3rd, Foreign Relations Law, 1987, § 421 (2) (f). 993 Vgl Casad/Richman, Jurisdiction in civil actions, 3rd ed 1998, Vol 1, S 2ff. 994 433 U.S 186 (1977). 995 Vgl Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 704f; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 10.6. 996 De Boer/Kotting, in: Chorus/Gerver, Introduction to Dutch Law, 3rd ed 1999, S 291f.
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gen prozessieren. Dieser Gerichtsstand fällt unter die exorbitanten Gerichtsstände des Art 3 LugÜ. Nicht erforderlich ist, dass das verarrestierte Vermögen die Forderung deckt; der Titel kann auch in evtl. weiteres Inlandsvermögen vollstreckt werden.997
r) Heimatgerichtsstand (Art 14, 15 franz. Code Civil) 533 In vertraglichen Streitigkeiten kann ein Franzose nach Art 14 CC jeden Ausländer vor einem französischen Gericht verklagen und kann jeder Franzose vor einem französischen Gericht verklagt werden.998 Die Gerichte haben beide Regeln auf jede Art von Streitigkeiten erweitert.999 Beide Regeln sind auch auf juristische Personen anwendbar. Abgestellt wird auf die Nationalität bei Klageerhebung. Flüchtlinge und Staatenlose werden Franzosen gleichgestellt. Bei einer Forderungsabtretung wird auf die Staatsangehörigkeit des Zessionars abgestellt. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach allgemeinen Regeln. Hat der Beklagte keinen Wohnsitz oder Aufenthalt in Frankreich, ist der Wohnsitz des Klägers, hilfsweise das von ihm gewählte Gericht anzurufen. Die Art 14, 15 CC sind nur anwendbar, wenn keine andere Zuständigkeit in Frankreich besteht.1000 Im Rahmen von EuGVO (Art 3 II iVm Anh I) bzw LugÜ (Art 3 II) ist der Gerichtsstand ausgeschlossen.1001
s) Gerichtsstand des früheren Wohnsitzes 534 In Schweden kann ein Schwede auch dann verklagt werden, wenn er dort zwar nicht mehr wohnt, aber früher seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hatte (RB Kap 10 § 3). Dadurch sollen negative Kompetenzkonflikte vermieden werden, wenn ein Schwede in keinem Land einen Wohnsitz hat.1002 Diese Regel ist im Rahmen der EuGVO ausgeschlossen (Art 3 II mit Anh I). 535 Die Türkei stellt ihre Gerichte für Scheidungsverfahren nach Art 9 II türk. ZPO auch an dem Ort des (früheren) Wohnsitzes zur Verfügung, den die Eheleute zuletzt mindestens sechs Monate lang gemeinschaftlich innegehabt haben.1003
t) Klägergerichtsstand (Art 638 belg. B.W.) 536 Ebenfalls bedenklich ist die Regelung, dass ein Beklagter ohne Inlandswohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt am Wohnsitz des Klägers verklagt werden kann.1004 Als allgemeine Regel ist der Klägergerichtsstand durch Art 3 EuGVO bzw LugÜ ausgeschlossen. 997 998 999 1000 1001 1002 1003
Volken, IPRG-Kommentar, 1993, Art 4 Rz 11. Vgl eingehend A. Huet Juris-Cl. Droit Intern. Fasc. 581–30, 581–31, 581–32 (2002). B. Kunkler, S 162ff. Cass., Clunet 1986, 719. Vgl G. Delaume, Transnational Contracts, 1988, S 131ff. So Bogdan, in: Tiberg/Sterzel/Cronhult, Swedish Law, 1994, S 572. Vgl Rumpf IPRax 2001, 158, 159; Atali, Internationale Zuständigkeit im deutschtürkischen Rechtsverkehr, 2001, S 165f. 1004 Delaume, Transnational Contracts, 1988, S 136.
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Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten
§3
u) Gerichtspflichtigkeit nach Due Process Nachdem der U.S Supreme Court die jurisdiction-Regeln der Einzelstaaten an der Due Process Clause des 14. Amendment zur US-Verfassung überprüft hat,1005 haben einige US-Staaten long-arm statutes erlassen, die den Beklagten ohne Wohnsitz im Gerichtsstaat einfach innerhalb der Grenzen von due process gerichtspflichtig machen, zB in New Jersey, N.J.Sup.Ct.R. 4:4–4 (c) (1).1006
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4. Gerichtsstandsvereinbarungen In internationalen Handelsverträgen sind (ausschließliche) Gerichtsstands- 538 (oder Schieds-)vereinbarungen allgemein üblich. In den meisten Staaten werden sie heute anerkannt, wenn sie wirksam vereinbart und in dem vereinbarten Gericht grds effektiver Rechtsschutz möglich ist. Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen v 25.11.1965 hat sich nicht durchgesetzt. Gleiches gilt von dem amerikanischen Model Choice of Forum Act von 1968.1007 Dem neuen Haager Übereinkommen v 30.6.2005 (s o Rz 302ff) ist hoffentlich ein besserer Erfolg beschieden. Eine Reihe von Staaten lassen eine Derogation ihrer Gerichte nicht oder nur 539 in beschränktem Umfang zu. Im Folgenden werden nur einige markante Fälle erwähnt. Die islamischen Staaten verbieten Gerichtsstandsvereinbarungen teilweise ausdrücklich, soweit dadurch die Zuständigkeit ihrer Gerichte derogiert wird.1008 Dasselbe gilt für Algerien, denn für Streitigkeiten aus einem Vertrag sind immer die algerischen Gerichte zuständig. Krüger hält eine anderweitige Regelung nur bei Verträgen mit erheblichem Gegenstandswert für möglich.1009 Nach dem irakischen Zivilgesetzbuch1010 kann ein Iraker in jedem Fall vor einem irakischen Gericht klagen und verklagt werden. Art 14, 15 ZGB1011 lautet: Art 14: „Die irakischen Gerichte sind für Ansprüche, die sich aus einer Verpflichtung eines Irakers ergeben, zuständig, selbst für solche, die im Ausland entstanden sind.“ Art 15: „Die irakischen Gerichte sind für einen Ausländer in folgenden Fällen zuständig: a) wenn er sich im Irak aufhält; b) wenn der Rechtsstreit einen Anspruch betrifft, der mit einer im Irak belegenen Immobilie oder mit einer zur Zeit der Klageerhebung im Irak befindlichen Sache zusammenhängt; c) wenn der Gegenstand des Rechtsstreits ein Vertrag ist, der im Irak geschlossen wurde oder im Irak ausgeführt werden sollte, oder der Rechtsstreit einen Vorfall betrifft, der sich im Irak ereignet hat.“
1005 1006 1007 1008 1009 1010 1011
International Shoe Co. v Washington, 326 U.S 310, 66 SCt. 154, 90 L.Ed. 95 (1945). Vgl Weber v Jolly Hotels [1999] ILPr 169, 172 (DCNJ). Vgl Reese AmJCompL 17 (1969), 292. Krüger, in: Böckstiegel, Vertragspraxis, S 61ff. Böckstiegel/Krüger, Vertragspraxis, S 41. Krüger/Küppers IPRax 1988, 180. Gesetz Nr 40/1951 IPRax 1988, 183.
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
Er kann sich aber auch freiwillig der Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts unterwerfen. 541 Im Verhältnis zu Großbritannien sind Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art 23 EuGVO zu beurteilen (s o Rz 186ff). Das autonome englische Recht wird in Deutschland derzeit nur noch relevant, soweit Drittstaatsvereinbarungen zu beurteilen sind (s o Rz 191, 194). Danach kann sich jedermann ausdrücklich durch Vertrag der Gerichtsbarkeit eines sonst unzuständigen Gerichts unterwerfen.1012 Implizite, stillschweigende Vereinbarungen werden im Allgemeinen nicht anerkannt.1013 Aus der Wahl eines englischen Vertragsstatuts allein folgt keine Unterwerfung unter die englische Gerichtsbarkeit.1014 542 Nach der „Regla de Buenos Aires“ sollen Ladungsstreitigkeiten vor dem Gericht des Bestimmungshafens ausgetragen werden. Entgegenstehende Gerichtsstandsklauseln in Konnossementen werden als nichtig betrachtet.1015 543 Italien lässt im autonomen Recht eine Prorogation italienischer Gerichte durch schriftliche Vereinbarung oder durch rügelose Einlassung zu (Art 4 I IPRG v 31.5.1995). Eine Derogation italienischer Gerichte zugunsten eines ausländischen staatlichen Gerichts oder eines ausländischen Schiedsgerichts ist in schriftlicher Vereinbarung zulässig, wenn der Fall disponible Rechte zum Gegenstand hat (Art 4 II IPRG). Die Vereinbarung ist unwirksam, wenn das durch Prorogation bestimmte Gericht oder Schiedsgericht seine Gerichtsbarkeit verneint oder, aus welchem Grund auch immer, nicht über den Fall entscheiden kann.1016 544 In der Schweiz werden internationale Gerichtsstandsvereinbarungen (außerhalb des LugÜ) gem Art 5 I IPRG für Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche anerkannt.1017 Jedoch darf eine Partei nicht missbräuchlich einem Gerichtsstand des schweizerischen Rechts entzogen werden (Art 5 II IPRG). Außerdem kann das Gericht seine Zuständigkeit ablehnen, wenn der Rechtsstreit keine Beziehung zur Schweiz hat, weder im Hinblick auf eine der Parteien noch den Streitgegenstand (Art 5 III IPRG). 545 Andere Staaten machen die Derogation ihrer Gerichte davon abhängig, dass Urteile des prorogierten Gerichts in dem derogierten Staat anerkannt werden.1018
1012 Für den High Court: CPR 2000 r 6.20 (5) (d); Dicey, Morris & Collins, Rule 32 (1), No 12-087 et seq. 1013 Adams v Cape Industries [1990] Ch. 433. 1014 Acrow (Automation) v Rex Chainbelt [1971] 1 WLR 1676, 1683 (C.A.); vgl Hill, International Commercial Disputes, 1994, § 6.5. 1015 Hoffmeyer, Gerichtsstandsklausel im Konnossement, 10 und 77. 1016 Vgl Pocar IPRax 1997, 145. 1017 Vgl BSK IPRG-Grolimund, 2. Aufl 2007, Art 5 Rz 43ff; Volken, in Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl 2004, Art 5 Rz 31ff, 75ff. 1018 Schröder, Internationale Zuständigkeit, S 460.
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Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten
§3
In den USA werden internationale Gerichtsstandsvereinbarungen seit der Ent- 546 scheidung des US Supreme Court in The Bremen v Zapata Off-Shore Co.1019 grds anerkannt. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn das ausländische Gericht seine Zuständigkeit nicht wahrnimmt oder der amerikanischen Partei im prorogierten Ausland kein „fair and complete hearing“ zuteil wird.1020 Allerdings unterliegt jede Gerichtsstandsvereinbarung richterlicher Kontrolle auf „fundamental fairness“. Die Vereinbarung kann unwirksam sein, wenn sie das Ergebnis einer Täuschung, Drohung, Übervorteilung oder Ausnutzung einer übermächtigen Verhandlungsposition ist.1021 Doch ist der US-Supreme Court offensichtlich sehr großzügig. Für Streitigkeiten aus einer Kreuzfahrt von Los Angeles Richtung Mexiko hat er es als vernünftig angesehen, dass die Reederei in ihren Geschäftsbedingungen die Gerichte an ihrem Sitz in Miami/Florida als ausschließlich zuständig bezeichnet hatte, weil der Verbraucher mit einer entsprechenden Klausel rechnen müsse.1022 Im Recht der Einzelstaaten bestehen aber Unterschiede.1023 In Kalifornien sieht Cal. CCP § 410.40 vor, dass ein nicht anwesender Auslän- 547 der oder eine ausländische juristische Person in Kalifornien wegen vertraglicher Ansprüche aufgrund der Rechtswahl kalifornischen Rechts und einer Gerichtsstandsvereinbarung verklagt werden kann, wenn der Geschäftswert des Vertrags insgesamt nicht weniger als 1 Mill. Dollar beträgt. Diese Regelung soll das richterliche Ermessen im Hinblick auf Vernünftigkeit und forum non conveniens-Überlegungen einschränken.1024 Vereinbarungen eines Gerichtstands außerhalb Kaliforniens wegen Werkleistungen in Kalifornien („for the construction of a public or private work of improvement in this state“) werden nicht anerkannt (Cal. CCP § 410.42). Im Zweifel hat eine Gerichtsstandsvereinbarung auch nach US-Recht keine ausschließliche Wirkung.1025 Argentinien lässt internationale Gerichtsstandsklauseln seit 1981 für interna- 548 tionale Sachverhalte vermögensrechtlicher Natur zu, soweit dadurch nicht ei1019 407 U.S 1, 29 SCt 1907 (1972); vgl Born/Rutledge, Intern. Civil Litigation, 5th ed 2011, pp 461 et seq. 1020 Sandrock, FS Stiefel, 1987, S 625, 636; Delaume, Transnational contracts, 1988, 182ff; Ochsenfeld RIW 1995, 633. 1021 Vorpeil IPRax 1995, 405; Born/Rutledge, Intern. Civil Litigation, 5th ed 2011, pp 495 et seq. 1022 Carnival Cruise Lines, Inc. v Eulala Shute, 111 SCt. 1522 (1991) = 59 U.SL.W. 4323 (1991); krit C. Peterson IPRax 1993, 421; vgl auch Richards v Lloyd’s of London, 135 F.3d 1289 (1998); ferner M. Solimine, Forum-Selection Clauses, Cornell Int’lL.J. 25 (1992), 51; H. Maier, The US Supreme Court and the „User Friendly“ Forum Selection Clause, in Guldsmith, International Dispute Resolution, 1997, S 53. 1023 Zu sec. 5–1402 NY’s General Obligations Law s Newman/Burrows, Practice of International Litigation, 2nd ed 1998, VI-27ff. 1024 Ähnlich New York General Obligations Law § 5-1402; vgl Born/Rutledge, Intern. Civil Litigation, 5th ed, 2011, p 471. 1025 John Boutari v Attiki Importers, U.S Court of Appeals, 2nd Cir. [1995] ILPr 488; vgl Vorpeil IPRax 1995, 405, 406.
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
ne ausschließliche Zuständigkeit der argentinischen Gerichte derogiert wird (Art 1 Codigo de proc. civil y comercial).1026 549 Brasilien akzeptiert internationale Prorogationen; eine Derogation wird nur anerkannt, soweit keine ausschließliche Zuständigkeit brasil. Gerichte bzw nicht der brasil. ordre public entgegensteht.1027 550 Die Prorogation der Gerichte oder eines Gerichts eines ausländischen Staats wird vielfach dadurch begrenzt, dass sie an unterschiedliche Formvorschriften geknüpft wird. Dabei ist davon auszugehen, dass Gerichtsstandsvereinbarungen der Schriftform bedürfen. Solche Vereinbarungen sollten sich auf einen bestimmten Vertrag beziehen. Durch Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben, welches eine Gerichtsstandsklausel enthält, kommt keine Gerichtsstandsvereinbarung zustande.1028 551 Japan lässt internationale Gerichtsstandsvereinbarungen in Schriftform oder in elektronischer Form für Klagen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis zu, sofern kein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (Art 3-7 jap. ZPO nF). Verbraucher werden gegen nachteilige Gerichtsstandsvereinbarungen besonders geschützt.1029 Mit einem Verbraucher können nur die Gerichte des Wohnsitzstaats des Verbrauchers zur Zeit des Vertragsschlusses als zusätzlicher Gerichtsstand vereinbart werden. Werden Gerichte eines anderen Staats vereinbart, so ist die Vereinbarung nur gültig, wenn sich der Verbraucher selbst aktiv oder passiv auf die Vereinbarung beruft (Art 3-7 [5] jap.ZPO nF).1030
5. Forum non conveniens 552 a) Schrifttum: Berger, Zuständigkeit und forum non conveniens im amerikanischen Zivilprozess, RabelsZ 41 (1977), 39; F. Blobel/P. Späth, Zum Entwicklungsstand der Lehre vom „forum non conveniens“ in England, RIW 2001, 598; R. Brand, Forum Selection and Forum Rejection in US Courts, Essays in honour of Peter North, 2002, S 51; Dorsel, Forum non conveniens – Richterliche Beschränkung der Wahl des Gerichtsstandes im deutschen und amerikanischen Recht, 1996; J. Fawcett, Declining jurisdiction in private international law, 1995; Huber, Die englische Forum-non-conveniens-Doktrin, 1994; F. Juenger, Judicial control of improper forum selection, in: International Dispute Resolution (14th Sokol Colloquium), 1997, 311; F. Juenger, Forum non conveniens – Who needs it?, FS Schütze, 1999, S 317; Karayanni, Forum Nonconveniens in the Modern Age, 2204; Schütze, Forum non conveniens und Rechtschauvinismus, FS Jayme, 2005, S 849; Walter, Lis alibi pendens und forum non conveniens, FS Schumann, 2001, S 559; R. Weintraub, International Litigation and Forum non conveniens, Texas Intern.L.J. 29 (1994), 321; Weintraub ua, Judicial Regulation of Improper Forum Selections, in Goldsmith, International Dispute Resolution, 1997, S 213.
553 b) Nach dieser in den common law-Staaten vertretenen Lehre steht die Wahrnehmung jeder gesetzlichen Zuständigkeit (personal jurisdiction) unter dem Vorbehalt, dass der Fall ausreichende Inlandsbeziehung hat. Teilweise dient die1026 1027 1028 1029 1030
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Hernández-Breton, Internationale Gerichtsstandsklauseln, S 190ff. Hernández-Breton S 207ff. Vgl Sandrock/Jung S 834ff. Vgl M. Yoshida RIW 2012, 118, 121. Vgl Y. Okuda YearbookPIL 13 (2011), 367, 377.
Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten
§3
se Ermessensprüfung auch dazu, zu weit gefasste Zuständigkeiten zu korrigieren und unerwünschte Fälle eines „forum shopping“1031 zu verhindern.1032 c) Ist England ein „inappropriate forum“, so kann das Gericht jedes anhängige 554 Verfahren einstellen oder abweisen, vorausgesetzt, es gibt ein Gericht in einem anderen Staat, das eindeutig besser als das englische Gericht geeignet ist, den Fall in einer Weise zu verhandeln und zu entscheiden, der den Interessen der Parteien und den Anforderungen sachgerechten Rechtsschutzes gerecht wird.1033 Die Möglichkeit, rasch einen Haupttermin zu erhalten, ist dabei ein wichtiger Faktor.1034 Allerdings muss der Beklagte innerhalb der Frist für das Vorbringen von Verteidigungsmitteln beantragen, dass das Gericht seine Zuständigkeit nicht ausübt. Unterlässt er einen solchen Antrag, gilt dies als rügelose Einlassung (CPR 2000 r 11 [1] [b], [4] [5] [b]). d) Ähnliches gilt in den USA. Nach fast allgemeiner Ansicht versuchen viele 555 Parteien einen Prozess vor ein US-Gericht zu bringen, weil dies für den Kläger mit Kostenvorteilen verbunden ist und die Chance eines höheren Prozessgewinns besteht. Es sei aber nicht immer fair und gerecht, dem Kläger diese Chancen zu eröffnen; insb müssten amerikanische Beklagte gegen Klagen von Ausländern wegen Unfällen im Ausland geschützt werden. Überwiegend gilt auch hier ein zweistufiger Prüfungsmaßstab. Erstens ist zu prüfen, ob ein anderes Gericht ein „suitable place“ für das Verfahren ist. Wenn nein, muss das Gericht seine Zuständigkeit ausüben. Zweitens: Gibt es ein anderes forum, so sind Bequemlichkeiten für die Parteien und öffentliche Interessen an der Prozessführung gegeneinander abzuwägen.1035 Eine einheitliche Regelung oder Rechtsprechung existiert jedoch nicht und teilweise wird kritisiert, dass letztlich nach „uncontrolled discretion“ entschieden wird.1036 Ein bestimmender Faktor ist ua, dass die Gerichte des in der Sache anwendbaren Rechts den Fall besser entscheiden können.1037 § 1.05 Uniform Interstate and International Procedure Act 1962, den Arkansas, 556 District of Columbia, Massachusetts, Michigan, Pennsylvania und Virgin Islands übernommen haben, lautet:
1031 Zu den Interessen des Klägers am forum shopping s Thalhofer/Meier/Thalhofer, Handbuch IT-Litigation, 2012, B II Rz 1ff. 1032 Vgl Hill/Chong, International Commercial Disputes, 2010, Ch. 6.4.1; Fawcett, Declining Jurisdiction, 1995. 1033 Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, sec. 47; Lubbe v Cape plc (U.K.) [2000] 1 W.L.R. 1545 (H.L.) = [2001] ILPr 140; Muchlinski, Corporation in International Litigation, ICLQ 50 (2001), 1; Blobel/Späth RIW 2001, 598; P. Beaumont, in: Fawcett, Declining jurisdiction, S 207ff; Dicey, Morris & Collins, The Conflict of Laws, 14th ed 2006, Vol 1, Rule 31 (1) S 465 ff (No 12-007ff); P. Huber, Die englische Forum-non-conveniens-Doktrin, 1994, S 81ff; Schlosser RdC 284 (2000), 70ff. 1034 XN Corp. Ltd. v Point of Sale Ltd. [2001] ILPr 525 (High Court, Ch.). 1035 Stangvik v Shiley Inc., 819 P. 2d 14, 17 (Cal. 1991); vgl Born/Rutledge, Intern. Civil Litiation, 5th ed 2011, pp 372 et seq; Schlosser RdC 284 (2000), 56ff. 1036 D. Robertson Texas Intern.L.J. 29 (1994), 353; vgl Blanco v Banco Industrial de Venezuela, U.S Court of Appeals (2nd Cir.) [1996] ILPr 110. 1037 Bybee v Oper der Stadt Bonn, U.S District Court SD.N.Y, [1997] ILPr 42, 50.
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§3
Internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
„When the court finds that in the interest of substantial justice the action should be heard in another forum, the court may stay or dismiss the action in whole or in part on any conditions that may be just.“
Ebenso Cal. CCP § 410.30. Danach werden (1) die persönlichen Interessen der Parteien, (2) der Zugang zu den Beweismitteln, (3) die Möglichkeit Zeugenaussagen zu erzwingen, (4) die Kosten der Beweisaufnahme und andere Fragen einer effizienten Verfahrensabwicklung sowie (5) die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Einzelfall gegeneinander abgewogen.1038 Der Supreme Court of Texas hat zwar entschieden, dass die Doktrin in Schadenersatzklagen kein Bestandteil des Rechts von Texas ist.1039 Doch diese Entscheidung ist kritisiert und vom Gesetzgeber korrigiert worden.1040 557 Das Gericht kann das Verfahren einstellen („stay“) oder die Klage ganz oder teilweise unter Bedingungen abweisen, die ihm gerecht erscheinen (so New York CPLR § 327 [a]). Die Abweisung wegen „forum non conveniens“ kann das Gericht von der Unterwerfung des Beklagten unter ein „convenient forum“, dem Verzicht auf die Verjährungseinrede und ähnliche „billige“ Umstände abhängig machen.1041 Die bisherigen Fälle zeigen, dass im Ergebnis USKläger geschützt und Klagen gegen US-Beklagte eher ans Ausland verwiesen werden, wobei die Maßstäbe nicht ganz einheitlich sind! In Louisiana und Florida ist die forum-non-conveniens-Doktrin bei ansässigen Beklagten dagegen weitgehend ausgeschlossen.1042 In New York darf eine Klage beim Streit über 1 Mill. Dollar nicht abgewiesen werden, wenn die Parteien New Yorker Recht gewählt haben.1043 558 e) In Kanada gilt ebenfalls die Doktrin vom forum non conveniens. Nach sec. 3135 Civil Code of Quebec1044 kann das an sich zuständige Gericht ausnahmsweise auf Antrag einer Partei seine Zuständigkeit verneinen, wenn es glaubt, dass die zuständigen Behörden eines anderen Landes besser geeignet sind, den Fall zu entscheiden. Ontario stellt darauf ab, ob die Klage ein „real and substantial connection“ mit dem Forum hat.1045 Anders als sonst gestattet Art 13 1038 Gulf Oil Corp. v Gilbert, US Supreme Court, 330 U.S 501 (1947); Piper Aircraft Co. v Reyno, 454 U.S 235 (1981); W. Freedman, Foreign plaintiffs in product liability actions, the defense of forum non conveniens, 1988; Casad/Richman, Jurisdiction in civil actions, 3rd ed 1998, § 1.04; Fammler RIW 1990, 808. 1039 Dow Chemical Comp. v Domingo Castro Alfaro, 786 SW. 2d, 674 (1990), cert. den. 498 U.S 1024 (1991). 1040 Texas Civ. Prac. & Rem. Code § 71.051 (1993); vgl Silberman Texas Int’lL.J. 28 (1993), 501, 519; Weintraub Texas Intern.L.J. 29 (1994), 321, 346ff. 1041 Vgl In re Union Carbide Corp., 809 F. 2d 195 (2nd Cir. 1987); W. Kolvenbach, Internationale Umwelthaftung, DWiR 1992, 322. 1042 La. Code Civ. Proc. Art 123 (B)-(C) (1993); Houston v Caldwell, 359 So. 2d 85, 861 (Fla. 1978). 1043 CPLR § 327 (b); Schack, Einführung in das US-amerikan. Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 87. 1044 RabelsZ 60 (1996), 339, 348. 1045 Frymer v Brettschneider [1996] ILPr 138; Topp v Row [1997] ILPr 60; Smith & Nephew v Marriott’s Castle Harbour [2001] ILPr 91.
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Die internationale Zuständigkeit anderer Staaten
§3
Court Jurisdiction and Proceedings Transfer Act sogar eine „Verweisung“ ins Ausland.1046 f) In Australien wird die Doktrin nur zurückhaltend angewandt. Eine Klage 559 wird nicht abgewiesen, auch wenn es einen geeigneten Gerichtsstand gibt, sofern Australien selbst als Gerichtsort geeignet („appropriate“) ist. Wenn kein anderes Forum zugänglich ist, wird auch auf dieses Erfordernis verzichtet. Sind zwei parallele Verfahren anhängig, stellt Australien nicht auf die Priorität ab, sondern überprüft, in welchem Forum die Verfahren besser erledigt, verbundene Verfahren besser gemeinsam verhandelt werden können.1047 g) Japan hat die internationale Zuständigkeit der Gerichte durch das Reformge- 560 setz Nr 36 v 2.5.2011 in den Art 3-2 bis 3-12 der jap. ZPO neu und unabhängig von der örtlichen Zuständigkeit geregelt.1048 Wie bisher kann die internationale Zuständigkeit verneint werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles prozessuale Fairness, Durchführbarkeit der Beweisaufnahme, sonstige Leichtigkeit des Verfahrens und ähnliche forum non conveniens-Überlegungen dagegen sprechen.1049 h) In den kontinentalen europäischen Staaten ist die internationale Zuständig- 561 keit durch forum-non-conveniens-Kriterien nur in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beschränkt, so in den Niederlanden gem Art 429 (c) R.V.1050
1046 1047 1048 1049
Vgl Schlosser RdC 284 (2000), 73ff. Vgl Nygh, Liber amicorum Siehr, 2000, 511–526. Vgl M. Yoshida RIW 2012, 118. M. Yoshida RIW 2012, 118, 121f; aus der Zeit vor der Reform: Dogauchi, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen, 1994, S 163, 167ff; T. Kojima, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 59, 67. 1050 De Boer/Kotting, in: Chorus/Gerver, Introduction to Dutch Law, 3rd ed 1999, S 272.
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§ 4 Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen Inhaltsübersicht I. Zuständigkeit in Ehesachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . a) Regelzuständigkeiten . . . . . . b) Annexverfahren . . . . . . . . . . . c) Restzuständigkeit . . . . . . . . . d) Örtliche Zuständigkeit . . . . . e) Verbundzuständigkeit . . . . . . 2. Autonomes deutsches Recht a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . c) Entscheidungszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Heimatzuständigkeit . . . . (2) Aufenthaltszuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einseitige Aufenthaltszuständigkeit . . . . . . . . . . d) Verbundzuständigkeit . . . . . . II. Zuständigkeit in Sorgerechts-/ Kindschaftssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . a) Aufenthaltszuständigkeit . . . b) Zuständigkeit zur Änderung einer Umgangsentscheidung c) „Verweisung“ in einen EUMitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . d) Zuständigkeits„vereinbarung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Autonome Restzuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . . g) Zuständigkeit bei Kindesentführung . . . . . . . . . . . . . . . 2. KSÜ und MSA . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haager KindesentführungsÜbereinkommen. . . . . . . . . . . . . 4. Autonomes deutsches Recht . . .
1 5 13 15 17 18 20 21 22 23 30 33 36
40 41 45 46 48 50 51 54 59 71 74
III. Zuständigkeit in Abstammungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Zuständigkeit in Adoptionssachen 1. Internationale Adoptionen . . . . 80
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2. Anträge nach dem Adoptionswirkungsgesetz. . . . . . . . . . . . . . 85 V. Zuständigkeit in Ehewohnungsund Haushaltssachen . . . . . . . . . . . 86 VI. Zuständigkeit in Versorgungsausgleichssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 VII. Zuständigkeit in Unterhaltssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit nach der EuUnthVO . . . . . . . . . . . . . . . b) Art 5 Nr 2 LugÜ. . . . . . . . . . . 2. Autonomes deutsches Recht . .
92 93 104 107
VIII. Zuständigkeit in Güterrechtssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . 109 2. Autonomes deutsches Recht . . 112 IX. Zuständigkeit in sonstigen Familiensachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 X. Zuständigkeit in Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 XI. Zuständigkeit in Betreuungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Zuständigkeit nach ErwSÜ . . . . 124 2. Autonomes deutsches Recht . . 127 XII. Zuständigkeit in Erbrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitsachen a) Europäisches Recht . . . . . . . . b) Das deutsch-türkische Nachlassabkommen . . . . . . . c) Autonomes deutsches Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbscheinsverfahren a) Europäisches Recht . . . . . . . . b) Das deutsch-türkische Nachlassabkommen . . . . . . . c) Autonomes deutsches Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129 130 136 138 140 148 149
Zuständigkeit in Ehesachen
§4
I. Zuständigkeit in Ehesachen 1. Europäisches Recht Schrifttum: a) zu „Brüssel IIa“: K. Boele-Woelki/C. González Beilfuss, Brussels II bis: Its Impact and Application in the Member States, 2007; A. Borrás ua, Brussels II bis Regulation, 2007; A. Borrás ua, Competencias „exclusivas“ y competencias „residuales“: de „Bruselas II“ a „Roma III“, FS Kerameus, Athen 2009, S 165; Dilger, Die Regelung zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der VO (EG) Nr 2201/2003, 2004; Dörner, Verordnung (EG) Nr 2201/2003, in: Saenger, Hk-ZPO, 4. Aufl 2011, S 2962; Dörner, Internationale Scheidungszuständigkeit und Anerkennung von Scheidungsurteilen nach der EG-Verordnung Nr 2201/2003, in: Großfeld/Yamauchi (Hrsg), Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts, 2006, S 17; Frank, EuEheVO – Brüssel IIa, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 29, 2. Aufl 2010, S 1591; A. Ganz, Internationales Scheidungsrecht, Teil 1, FuR 2011, 69; Garbe/Ullrich/Andrae, Verfahren in Familiensachen (§ 13 Familiensachen mit Auslandsberührung), 3. Aufl 2012, S 994; Th. Garber, Zum Begriff der Ehe iSd Art 1 Abs 1 lit a EuEheKindVO, FS Simotta, 2012, S 145; Gewaltig, Von der nationalen zur europäischen Zuständigkeitsregelung im Familienrecht, 2008; Gottwald, Probleme der Vereinheitlichung des Internationalen Familienverfahrensrechts ohne gleichzeitige Kollisionsrechtsvereinheitlichung, in: Freitag u a, Internationales Familienrecht für das 21. Jahrhundert, Symposium Spellenberg, 2005, S 55; Gottwald, Scheidungen im neuen „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, FS Simotta, 2012, S 187; Gruber, Die neue EheVO und die deutschen Ausführungsgesetze, IPRax 2005, 293; Gruber, Andrae u Benicke, Europäische Ehe- und Sorgerechtsverordnung, in: NK-BGB, Bd 1, Anhang I zum III. Abschnitt EGBGB, 2. Aufl 2012, S 2212; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, 3. Aufl 2012; Krenzler/Borth/ Niethammer-Jürgens, Anwalts-Handbuch Familienrecht, Kap. 16 Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2012, S 1762; Magnus/Mankowski, Brussels II bis Regulation, 2012; P. McEleavy, Brussels II bis: Matrimonial Matters, Parental Responsibility, Child Abduction an Mutual Recognition, ICLQ 53 (2004), 503; K. Meyer-Götz/K. Noltemeier, Internationales Verfahrensrecht für Familiensachen in der Europäischen Union, FamRZ 2004, 29; F. Mohs, Brüssel IIa – Die neue EG-Verordnung zum internationalen Familienverfahrensrecht, FamPra.ch 2005, 39; Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 3. Aufl 2012; Rauscher/Rauscher, EuZPZ/EuIPR, Teil B I 1, Bearb. 2010; Th. Rauscher, Scheidungs-IPR von der Brüsseler Baustelle, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1193; S. Schlauß, Das neue Gesetz zum internationalen Familienrecht, 2005; A. Schulz, Die Verordnung (EG) Nr 2201/2003 (Brüssel IIa) – eine Einführung, NJW 2004, Beil zu Heft 18, S 2; D.-A. Simotta, Wann kommt in Ehesachen die EuEheKindVO, wann autonomes Recht zur Anwendung?, FS Kaissis, 2012, S 897; U. Spellenberg, Internationale Zuständigkeit kraft Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1307; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, 14. Bearb 2005, S 1; I. Toscano, Ehescheidungen mit grenzüberschreitendem Bezug, 2011. – European Commission, Practice guide for the application of the new Brussel II Regulation (Council Regulation (EC) No 2201/2003 of 27 November 2003) (up-dated version 1 June 2005). Zur Reform: P. Finger, Grünbuch der Europäischen Kommission über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen, FF 2007, 35; Ch. Kohler, Zur Gestaltung des europäischen Kollisionsrechts für Ehesachen, FamRZ 2008, 1673. b) zu „Brüssel II“: Ancel/Muir Watt, La desunion européenne: le Réglement dit „Bruxelles II“, Rev.crit. 2001, 403; Beaumont/Moir, Brussels Convention II, EuLRev. 20 (1995), 268; A. Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen … über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, ABl EG Nr C 221/27 (v 16.7.1998); D. Coester-Waltjen, „Brüssel II“ und das „Haager Kindesentführungsübereinkommen“, FS W. Lorenz, 2001, S 305; D. Coester-Waltjen, Die internatio-
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§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
nale Zuständigkeit und Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen in der Europäischen Union, in: Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002; J. Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr 1347/2000, Diss Köln 2003/04; H. Gaudemet-Tallon, Le Règlement no 1347/2000 du Conseil du 29 mai 2000, JDI 128 (2001), 381; A. Gördes, Internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, 2004; Ch. Hajnczyk, Die Zuständigkeit für Entscheidungen in Ehesachen und in anderen Familiensachen aus Anlass von Ehesachen, 2003; Hau, Das System der internationalen Entscheidungszuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2000, 1333; Hau, Europäische und autonome Zuständigkeitsgründe in Ehesachen mit Auslandsbezug, ERA-Forum 1/2003, S 9; Hausmann, Neues internationales Eheverfahrensrecht in der Europäischen Union, EuLF 2000/01, 275; Hohloch, Internationales Verfahrensrecht in Ehe- und Familiensachen, FF 2001, 45; Jäntera-Jareborg, Marriage Dissolution in an Integrated Europe, Yearbook of Private Intern. Law 1 (1999), 35; Kohler, Status als Ware: Bemerkungen zur EG-Verordnung über das internationale Verfahren in Ehesachen, in Mansel, Vergemeinschaftung des Europäischen Kollisionsrechts, 2001; Lupoi, Brussels II: New rules for transnational matrimonial disputes, in Carpi/Lupoi, Essays on transnational and comparative civil procedure, 2001, S 105; P. McEleavy, The Brussels II Regulation: How the European Community has moved into Family Law, ICLQ 51 (2002, 883; Mosconi, Giuridizione e riconoscimento delle decisioni in materia matrimoniale, Riv.dir.proc. 61 (2001), 376; R. Moura Ramos, The new EC rules on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 199; B. Mulch, Deutsch-italienische Scheidungssachen im Hinblick auf die Rechtsakte der Europäischen Union …, Diss. Heidelberg 2000/01; F. Paulino Pereira, La reconnaissance mutuelle des décisions de divorce et de responsabilité parentale dans l’union Européenne, Rev. d. Marche commun 1999, 484; B. Ploeckl, Umgangsrechtsstreitigkeiten im deutsch-französischen Rechtsverkehr, 2003; K. Polyzogopoulos, Internationale Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen in der Europäischen Union, in: Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002, S 133; Puszkajler, Das internationale Scheidungs- und Sorgerecht nach Inkrafttreten der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2001, 81; Rausch, Neue internationale Zuständigkeiten in Familiensachen, FuR 2001, 151; P. Rogerson, Forum shopping and Brussels IIbis, IPRax 2010, 553; Schack, Das neue internationale Eheverfahrensrecht in Europa, RabelsZ 65 (2001), 615; G. Shannon/T. Kennedy, Jurisdictional and recognition and enforcement issues in proceedings concerning parental responsibility under Brussels II Convention, IFL 2000, 111; Simotta, Die internationale Zuständigkeit für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, FS Jelinek, 2002, S 291; Spellenberg, Die Zuständigkeit für Eheklagen nach der EheGVO, FS Geimer, 2002, S 1257; Spellenberg, Die Annexzuständigkeit nach Art 3 EheGVO, FS Sonnenberger, 2004, S 677; B. Sturlèse, Compétence, reconnaissance et exécution des décisions en matière matrimoniale et en matière de responsabilité parentale des enfants communs, Juris-Cl. Procedure Civile Fasc. 910–10, 2001.
2
Durch die Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates v 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten1 wurde die Entscheidungszuständigkeit in Ehesachen und in Verfahren über die elterliche Verantwortung vereinheitlicht.2 Diese Verordnung ist mit genereller Wirkung zum 1.3.2005 durch die
1 ABl EG v 30.6.2000, Nr L 160/19ff. 2 Zur Gesetzesgeschichte s McEleavy ICLQ 51 (2002), 883, 891ff.
236
Zuständigkeit in Ehesachen
§4
Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates v 27.11.2003 („Brüssel IIa“) ersetzt worden. Die internationale Zuständigkeit für Scheidungsverfahren ergibt sich aus dieser Verordnung unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Parteien für alle Verfahren, die nach dem 1.3.2005 eingeleitet wurden (Art 64 I, 72 EheGVO).3 Das anwendbare Scheidungsrecht richtet sich zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten seit 21.6.2012 nach der VO (EU) Nr 1259/2010 v 20.12.20104 (Rom III-VO).5
3
Nach einem Vorschlag des Rates v 17.7.2006 sollten die Zuständigkeiten für 4 Ehescheidungen geändert werden.6 Dieser Vorschlag ist aber, zumindest bis auf weiteres, gescheitert.
a) Regelzuständigkeiten Die EheGVO gilt für die in Art 1 I lit a aufgelisteten Eheverfahren, nicht für die Auflösung von registrierten Lebenspartnerschaften.7 Außer den Sorgerechtsverfahren (s u Rz 41ff) erfasst sie auch keine Scheidungsfolgesachen.8 Nach dem Wortlaut der Art 1 I lit a, 3 I EheGVO sind Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe ebenfalls nicht erfasst.9
5
Art 3 EheGVO stellt alternativ sieben internationale Entscheidungszuständigkeiten für Ehetrennungsverfahren zur Verfügung:10
6
(1) den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute, (2) den letzten gemeinsamen Aufenthalt, wenn sich noch einer von ihnen dort aufhält, (3) den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners, (4) bei gemeinsamem Antrag den gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehegatten, (5) den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers seit mindestens einem Jahr vor Antragstellung, (6) bei eigenen Staatsangehörigen des EU-Mitgliedstaats den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers seit mindestens sechs Monaten,11 und (7) die Gerichte des gemeinsamen Heimatstaats beider Ehegatten.
3 OLG Hamm FamRZ 2012, 1498, 1499. 4 ABl EU 2010 Nr L 343/10. 5 Vgl P. Pietsch, Rechtswahl für Ehesachen nach „Rom III“, NJW 2012, 1768; Helms FamRZ 2011, 1765; W. Hau Zur Durchführung der Rom III-Verordnung in Deutschland, FamRZ 2013, 249. 6 KOM (2006) 399 endgültig. 7 Gruber IPRax 2005, 293; Dilger Rz 104ff; Dörner S 17, 19f. 8 Staudinger/Spellenberg (2005) Art 1 EheGVO Rz 9. 9 Dilger Rz 131–155; Staudinger/Spellenberg Art 1 EheGVO Rz 8; aA Rauscher/Rauscher Art 1 Brüssel II-VO Rz 2. 10 Dilger Rz 181–257. 11 Vgl AG Leverkusen FamRZ 2006, 1384, 1385 (Nationalität u. Aufenthalt des Antraggegners irrelevant); AG Leverkusen FamRZ 2006, 950.
237
§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
7
Ein gewöhnlicher Aufenthalt setzt voraus, dass die Person dort ihren Lebensmittelpunkt hat und zwischen Person und Ort eine dauerhafte Beziehung besteht. Eine Mindestdauer (sechs Monate) ist nur ein Indiz für einen gewöhnlichen Aufenthalt, aber nicht zwingend vorausgesetzt.12
8
Eine Rangfolge zwischen diesen Zuständigkeiten besteht nicht; der Antragsteller kann unter ihnen frei wählen und ggf forum shopping betreiben.13
9
Diese Zuständigkeiten sind ausschließlich, soweit der beklagte Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat (ohne Dänemark) hat oder Staatsangehöriger eines dieser Mitgliedstaaten ist (Art 6 EheGVO). Die Zuständigkeiten gelten auch für Angehörige von Drittstaaten.14 Diese Sperrwirkung ist problematisch, wenn der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt in einem Drittstaat ist und die Ehegatten dadurch zwingend an die Gerichte des Drittstaats verwiesen werden.15 Haben die Ehegatten keinen gewöhnlichen Aufenthalt oder stellt der EU-Heimatstaat kein Gericht bereit, ist uU überhaupt kein Staat international zuständig.
10
Der Katalog in Art 3 EheGVO weicht teilweise von § 98 FamFG ab. Eine einseitige Heimat- bzw Staatsangehörigkeitszuständigkeit und eine sog Antrittszuständigkeit (für einen früheren eigenen Staatsangehörigen) sind darin nicht vorgesehen,16 doch gibt es stattdessen in der Regel Aufenthaltszuständigkeiten. Fall (1) (gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltsort) ist neben Fall (3) (gewöhnlicher Aufenthaltsort des Antragsgegners) überflüssig. Am letzten gemeinsamen Aufenthaltsort kann der Antragsteller sofort17 Scheidung begehren (Fall 2), nach Rückkehr in seinen Heimatstaat kann er nach sechs Monaten klagen (Fall 6), bei Wechsel in einen anderen EU-Staat erst nach zwölf Monaten (Fall 5). Bei gemeinsamem Scheidungsantrag18 kann ebenfalls sofort an jedem gewöhnlichen Aufenthaltsort geklagt werden (Fall 4). Die damit verbundene Privilegierung der Zuständigkeit des Heimatstaats bei einem Aufenthaltswechsel nach der Trennung der Eheleute ist problematisch und könnte gegen das Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV verstoßen.19 Auch die Privilegierung von Ehen gleicher Staatsangehörigkeit gegenüber gemischt nationalen Ehen durch Fall (7) im Verhältnis zu den Fällen (5) und (6) könnte gegen Art 18 AEUV verstoßen.20 12 Dilger Rz 185–204. 13 Hau FamRZ 2000, 1333, 1334; Gottwald, Symposium Spellenberg, S 55, 59ff; Polyzogopoulos S 140f; P. Rogerson IPRax 2010, 553; MüKo/Gottwald, FamFG, Art 2 EheGVO Rz 2; Lupoi, S 116f. 14 AG Leverkusen FamRZ 2008, 1758. 15 Dilger Rz 208; krit Gottwald, Symposium Spellenberg, S 55, 65f; Schack, IZVR, Rz 370. 16 Vgl BGH FamRZ 2013, 687 (Hau); krit Gottwald, Symposium Spellenberg, S 55, 64, 67; Staudinger/Spellenberg (2005) Art 3 EheGVO Rz 14. 17 Vgl Rauscher/Rauscher (2010) Art 3 Brüssel IIa-VO Rz 28. 18 Es genügt sachliches Einvernehmen über die Scheidung, Dilger Rz 235ff. 19 So Schack RabelsZ 65 (2001), 615, 623; Hausmann EuLF 2000/01, 345, 352; I. Toscano, S 133ff; aA Basedow IPRax 2011, 109, 114; vgl Dilger Rz 408, 422ff. 20 Hausmann EuLF 2000/01, 345, 352; aA I. Toscano, S 139f; vgl Dilger Rz 409, 440ff; Dörner S 17, 23.
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Zuständigkeit in Ehesachen
§4
Gerichtsstandsvereinbarung und rügelose Einlassung sind bisher nicht zuge- 11 lassen.21 Nach dem Änderungsvorschlag der Kommission v 17.7.200622 sollten schriftliche Gerichtsstandvereinbarungen (in E Art 3a) zugelassen werden, wenn ein enger Bezug zu dem vereinbarten Mitgliedstaat besteht. Dieser Vorschlag ist aber gescheitert. Eine in den Fällen (5) und (6) vorzeitig erhobene Klage soll nicht als unzulässig abgewiesen, sondern bis zum Fristablauf ausgesetzt werden. Eine vor Fristablauf in einem bereits offenen Gerichtsstand erhobene Klage muss aber Vorrang haben.23 Fälle der mehrfachen Staatsangehörigkeit sind nicht besonders geregelt; daher 12 kann es nur darauf ankommen, ob der Antragsteller (auch) die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaats besitzt, ob diese „effektiv“ ist oder nicht, ist irrelevant.24
b) Annexverfahren Ein nach Art 3 EheGVO zuständiges Gericht ist auch für Gegenanträge zustän- 13 dig, Art 4 EheGVO.25 Hat ein Gericht ein Ehetrennungsurteil erlassen, ist es stets zuständig, dieses in ein Scheidungsurteil umzuwandeln, Art 5 EheGVO.26
14
c) Restzuständigkeit Auf die internationale Zuständigkeit nach autonomem nationalem Recht (in 15 Deutschland nach § 98 FamFG) darf nur zurückgegriffen werden, soweit sich aus den Art 3–6 EheGVO überhaupt keine Zuständigkeit in irgendeinem Mitgliedstaat ergibt.27 Diese sog Restzuständigkeit nach Art 7 EheGVO greift gegenüber Angehörigen von Drittstaaten.28 Nach Art 7 II EheGVO gilt sie auch zugunsten von Angehörigen eines Mitgliedstaats, die sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten.29 In diesen Fällen kommt eine Heimatzuständigkeit (§ 98 I Nr 1 FamFG) oder eine Zuständigkeit kraft Aufenthalts eines Ehegatten (§ 98 I Nr 4 FamFG) in Betracht. Gegenüber Angehörigen eines Mitgliedstaats
21 22 23 24 25 26 27
Dilger Rz 210; krit Gottwald, Symposium Spellenberg, S 55, 68ff. KOM (2006) 399 endg. = BR-Drucks. 531/06 v. 2.8.2006. So Gruber IPRax 2005, 293, 295. Rauscher/Rauscher (2010) Art 3 Brüssel IIa-VO Rz 49, 58; Dilger Rz 466ff, 492. Dilger Rz 264ff. Dilger Rz 258–263. EuGHE 2007, I-10403 (Lopez v Lopez Lizano) = IPRax 2008, 257 (dazu Borràs IPRax 2008, 233); OGH IPRax 2010, 74 (dazu Andrae/Schreiber, IPRax 2010, 79); Spellenberg ZZPInt 12 (2007), 233; OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 1043; Dörner S 17, 25ff; aA Rauscher/Rauscher Art 6 Rz 10. 28 Vgl Polyzogopoulos S 143 (griech.-türk. Ehepaar lebt in Türkei; nach Trennung zieht Grieche nach Deutschland und beantragt dort die Scheidung). 29 Vgl Basedow IPRax 2011, 109, 114; krit. Hau FS v. Hoffmann, 2012, S 617, 621 („europ. Wagenburg-Mentalität“).
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§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat greift die Regelung nicht, da gegen sie nach Art 6 (b) EheGVVO ein Verfahren in einem Mitgliedstaat nur auf eine Zuständigkeit nach Art 3 bis 5 gestützt werden darf.30 16
Die Sperrwirkung des Art 6 soll künftig ganz entfallen. Auch die Restzuständigkeit (Art 7) soll neu gefasst werden und künftig (ohne Rückgriff auf das autonome Recht) in dem Mitgliedstaat bestehen, (1) in dem die Ehegatten für mindestens drei Jahre ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, oder (2) dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten besitzt.31 Die vermögensrechtlichen Folgen der Ehe werden von der EheGVO nicht erfasst. Unterhaltsstreitigkeiten fallen unter Art 3 ff EuUnthVO. Für Streitigkeiten über güterrechtliche Folgen gilt bisher nur autonomes Recht; eine sog Rom IVa-Verordnung ist aber in Vorbereitung (s u Rz 19).
d) Örtliche Zuständigkeit 17
Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach autonomem Recht, in Deutschland also nach § 122 FamFG.
e) Verbundzuständigkeit 18
Eine Verbundzuständigkeit kennt die EheGVO nicht, lässt sie aber zu, wenn das autonome Recht diese vorsieht (s u Rz 36f). Für Unterhaltssachen ist die Verbundzuständigkeit in Art 3 lit c EuUnthVO bzw Art 5 (2) lit b LugÜ 2007 vorgesehen. In beiden Fällen darf aber die Scheidungszuständigkeit nicht auf der Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten beruhen.
19
Für Güterrechtssachen ergibt sich eine Verbundzuständigkeit in Deutschland nur aus §§ 98 II, 137 FamFG, deren Anwendung durch die EuGVO nicht ausgeschlossen ist. Nach Art 4 des Vorschlags für eine EU-Verordnung in Güterrechtssachen32 (Rom IVa-VO) würde eine internationale Verbundzuständigkeit des Gerichts der Ehesache bestehen, wenn die Parteien dies schriftlich vereinbaren.
2. Autonomes deutsches Recht a) Schrifttum 20
Ch. Althammer, Verfahren mit Auslandsbezug nach dem neuen FamFG, IPRax 2009, 381; M. Andrae, Internationales Familienrecht, 1999, Rz 120ff; Atali, Die internationale Zuständigkeit im deutsch-türkischen Rechtsverkehr, 2001, S 125ff; Becker-Eberhard, § 606a ZPO – ein Tatbestand mit zu minimalen Inlandsbezügen?, FS Schütze, 1999, S 85; 30 Gruber IPRax 2005, 293, 295; Dilger Rz 268–288. 31 KOM (2006) 399 endg. 32 KOM (2011) 126/2 v 16.3.2011.
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Zuständigkeit in Ehesachen
§4
O. Beller, Die Vorschriften des FamFG zur internationalen Zuständigkeit, ZFE 2010, 52; Gamillscheg, Die „wesenseigene Zuständigkeit“ bei der Scheidung von Ausländern, FS Dölle II, 1963, S 288; Graf, Die internationale Verbundszuständigkeit, 1984; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, 2. Aufl 2005; Jayme, Fragen der internationalen Verbundszuständigkeit, IPRax 1984, 121; Kilian, Aktuelle Probleme der internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, IPRax 1995, 9; St. Motzer, Die Restzuständigkeiten deutscher Familiengerichte nach inländischem Verfahrensrecht, FamRBint 2007, 20; H. Rausch, Familiensachen mit Auslandsbezug vor und nach dem FamFG, FPR 2006, 441; Schwab/ Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl 2004 (I 1114ff); Staudinger/Spellenberg, EGBGB, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, 14. Bearb. 2005; Südmeier, § 606a I S 1 ZPO. Öffentliche Klagezustellung und deutsche internationale Zuständigkeit, 1995.
b) Rechtsgrundlagen Im autonomen deutschen Recht ist die internationale Zuständigkeit in den 21 §§ 98 bis 106 FamFG geregelt. Vorrangig zu beachten ist im Verhältnis zu den EG-Staaten jedoch die neu gefasste EheGVO (Brüssel IIa) v 27.11.2003 (s o Rz 2ff). Während bei der Regelung der örtlichen und damit auch der internationalen Zuständigkeit nach §§ 12ff ZPO die Staatsangehörigkeit der Parteien keine Rolle spielt, ist dies wesentlich anders bei Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe, auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen Parteien oder auf Herstellung des ehelichen Lebens. Bei Ehe- und Statussachen wird nicht nur an dem Territorialitätsprinzip zur Begründung der internationalen Zuständigkeit festgehalten, sondern es tritt die Personalbezogenheit in der Form der Staatsangehörigkeit der Parteien entscheidend in den Vordergrund.
c) Entscheidungszuständigkeiten Die deutsche internationale Zuständigkeit in Ehesachen ist nunmehr streng 22 getrennt von der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit nach § 122 FamFG. In Ehesachen gibt es keine ausschließliche deutsche internationale Zuständigkeit mehr. Die konkurrierende deutsche internationale Zuständigkeit nimmt damit Rücksicht auf die Zuständigkeitsregelungen anderer Staaten. Die Regelung greift freilich nur noch, soweit die Art 3ff EheGVO nicht vorrangig eingreifen (s o Rz 5ff).
(1) Heimatzuständigkeit Andererseits wird an dem Grundsatz festgehalten, dass die deutschen Gerichte 23 immer zuständig sind, wenn einer der Ehegatten Deutscher ist oder bei Eheschließung war (§ 98 I Nr 1 FamFG). Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nach deutschem Recht beurteilt. Es kommt also auf die lex fori an. Es kommt nicht darauf an, ob die betreffende Person außer der deutschen noch 24 eine andere Staatsangehörigkeit hat oder welches die effektivere ist (Art 5 I 2 EGBGB).
241
§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
25
Den deutschen Staatsangehörigen werden die nicht eingebürgerten Deutschen iS des Art 116 GG gleichgestellt.33 Gleichgestellt werden auch heimatlose Ausländer und Flüchtlinge. Insoweit sind das Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet v 25.4.195134 und das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v 28.7.1951 (Art 16 II35) zu berücksichtigen.36 Gem dem UN-Übereinkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen v 28.9.195437 bestimmt sich das Personalstatut eines Staatenlosen nach den Gesetzen des Landes seines Wohnsitzes oder, wenn er keinen Wohnsitz hat, nach den Gesetzen seines Aufenthaltes.
26
Nach Art 16 werden die Staatenlosen auch hinsichtlich der deutschen internationalen Zuständigkeit den Deutschen gleichgestellt. Für Staatenlose ist die internationale Zuständigkeit in § 98 I Nr 3 FamFG besonders festgelegt. Eine sog Antrittszuständigkeit (Staatenlosigkeit bei Eheschließung) ist danach ausgeschlossen. Soweit es sich um die Scheidung von Kontingentflüchtlingen handelt, wird die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht eingeschränkt.
27
Anerkannte Asylberechtigte werden den Flüchtlingen gleichgestellt (§ 2 I AsylVerfG 1992). Für sämtliche Flüchtlinge und Gleichgestellte besteht keine Antrittszuständigkeit.38
28
Auf die frühere deutsche Staatsangehörigkeit der Ehefrau kommt es nicht mehr an. Entscheidend ist allein, ob ein Ehegatte Deutscher ist oder bei der Eheschließung war. Insoweit wird die deutsche Staatsangehörigkeit noch in die Zeit zurückversetzt, als die Eheschließung erfolgt ist (sog Antrittszuständigkeit).
29
Mit Hilfe des Anknüpfungspunktes der deutschen Staatsangehörigkeit an nur einen der beiden Ehegatten und der Gleichstellung vieler anderer Personen mit den deutschen Staatsangehörigen wird die deutsche internationale Zuständigkeit in Ehe- und Statussachen sehr weit ausgedehnt. Zweifelhaft ist etwa, ob eine Antrittszuständigkeit erforderlich ist, soweit jemand die deutsche Staatsangehörigkeit freiwillig aufgegeben hat.39
(2) Aufenthaltszuständigkeit 30
International zuständig sind deutsche Gerichte nach § 98 I Nr 2 FamFG weiter, wenn beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Die Zuständigkeit ist maßgebend für alle Ausländer und die in Rz 25 bis 27
33 34 35 36 37 38 39
Rosenberg/Schwab/Gottwald § 166 Rz 8. BGBl 1951 I, 269. BGBl 1953 II, 559. Vgl Lass, Der Flüchtling im deutschen IPR, 1995, S 177ff. BGBl 1976 II, 474. Kilian IPRax 1995, 9, 10. Kropholler, IPR, § 58 V 2 a.
242
Zuständigkeit in Ehesachen
§4
aufgeführten Personen. Auf die Anerkennung der Scheidung im Heimatstaat oder die lex causae kommt es in diesem Fall nicht an.40 Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist nach deutschem Recht und nicht nach 31 Heimatrecht zu bestimmen41 und muss vom Wohnsitz unterschieden werden. Bei letzterem kommt es auf die subjektive Seite, den Willen einer Person an. Bei dem gewöhnlichen Aufenthalt ist nur auf die objektive Seite und den Zeitfaktor zu achten. Er wird durch das zeitliche Maß von einer gewissen Dauer (in der Regel sechs Monate) begründet. Streitig ist, ob für den gewöhnlichen Aufenthaltsort die Freiwilligkeit eine Rolle spielt. So wird angenommen, dass ein längerer Aufenthalt einer Person im Gefängnis den gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann.42 Die bloße Eintragung in eine Einwohnerliste genügt nicht; andererseits steht die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht entgegen.43 Zweifelhaft ist, inwieweit Asylbewerber einen gewöhnlichen Aufenthalt im 32 Inland haben. Da zunehmend Personen Asyl verweigert, ihr Aufenthalt im Inland aber doch geduldet wird, kann diesen Personen ein inländischer Rechtsschutz in Ehe- und Familiensachen nicht generell verweigert werden. Nach einem etwa sechsmonatigen Inhaltsaufenthalt, dessen Abbruch nicht konkret bevorsteht, sollte daher für Asylbewerber ein gewöhnlicher Inlandsaufenthalt nach § 98 I Nr 2 FamFG anerkannt werden.44
(3) Einseitige Aufenthaltszuständigkeit Hat nur ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so wird die 33 deutsche internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach § 98 I Nr 4 FamFG begründet, es sei denn, die zu fällende Entscheidung wird nach dem Recht oder den Rechten der Staaten, dem oder denen die Ehegatten angehören, offensichtlich nicht anerkannt (sog negative Anerkennungsprognose).45 Dieser Fall tritt nicht selten ein, wenn die Heimatstaaten eine ausschließliche Scheidungszuständigkeit in Anspruch nehmen.46 Es genügt, wenn ein Land die deutsche Entscheidung vermutlich anerkennen wird. Bei Mehrstaatern ist auf die Anerkennung im Land der effektiven Staatsangehörigkeit abzustellen.47 Im Einzelfall können sich freilich gegen die Verweisung auf die Heimatstaatgerichte des anderen Ehegatten Bedenken aus dem Justizanspruch ergeben.48
40 41 42 43 44
45 46 47 48
OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 261; Rauscher S 85. KG NJW 1988, 650. Spellenberg IPRax 1988, 1ff. Geimer, IZPR, Rz 299a. Vgl Kilian IPRax 1995, 9, 10f; Zöller/Geimer, 29. Aufl 2012, § 98 FamFG Rz 91 f; ähnlich Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2011, (§ 4.30) (personal jurisdiction independent of visa status or being illegally and deportable). OLG Celle FamRZ 1993, 439, 440; krit. Geimer ZfRV 5 (1992), 321, 329. Rauscher S 86. Kilian IPRax 1995, 9, 11f. Pfeiffer S 499ff.
243
§4 34
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
Das Kriterium der Offensichtlichkeit ist nicht beweisrechtlich, sondern materiellrechtlich zu verstehen.49 Es kommt also nicht primär darauf an, ob die Frage nach Durchsicht gängiger Werke entscheidbar ist, sondern ob die Anerkennung ausnahmslos ausscheidet50 oder ob die Rechtslage objektiv unklar oder unübersichtlich ist. (Sachgerechter erscheint § 76 II Nr 3 österr. JN nF, der auf dieses vage Anerkennungserfordernis ganz verzichtet.) Muss die Klage an den Gegner öffentlich zugestellt werden, so scheidet eine Urteilsanerkennung nach US-amerikanischem Recht nur aus, wenn zuvor nicht versucht wurde, die Adresse zu ermitteln bzw an die letzte bekannte Adresse oder einen bekannten Arbeitsplatz zuzustellen.51 Mit dieser Regelung geht das deutsche Recht weiter als viele andere Rechtsordnungen. New York (CPLR § 302 [b]) nimmt in Ehe- und Unterhaltssachen jurisdiction über einen nicht mehr anwesenden Beklagten nur in Anspruch, wenn der Familienwohnsitz vor der Trennung in New York war, der Beklagte den Kläger in New York verlassen hat oder die Klage nach New Yorker Recht zu beurteilen ist.
35
Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen sind in Ehe- und Statussachen nicht zulässig.52
d) Verbundzuständigkeit 36
Ist ein deutsches Gericht für die Ehesache (nach Art 3 EheGVO oder § 98 FamFG) international zuständig, so ist es nach § 98 II FamFG auch für andere Familiensachen im Rahmen eines möglichen Verbundverfahrens international zuständig.53 Nach der ausdrücklichen Einschränkung in § 106 FamFG ist diese Zuständigkeit aber international nicht ausschließlich. Vorrang haben zudem europäische Regeln oder internationale Übereinkommen, etwa für Unterhaltssachen die Art 3ff EuUnthVO bzw Art 5 Nr 2 LugÜ54 und für Sorgerechtssachen die EheGVO (Art 12 I) und, soweit diese nicht eingreift, das KSÜ bzw das Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA). Soweit danach keine Zuständigkeit besteht, ist der Verbund aufgehoben.55
37
Auch in Familiensachen mit Auslandsberührung findet nach § 98 II FamFG ein Verbundverfahren iS einer Zuständigkeitskonzentration statt.56 Dagegen richtet sich der Umfang des konkreten Entscheidungsverbundes nach dem
49 50 51 52 53
Kilian IPRax 1995, 9, 12. So Südmeier, Öffentliche Klagezustellung, S 34ff, 198ff. Südmeier, Öffentliche Klagezustellung, S 229ff. Rauscher/Rauscher (2010), Art 3 Brüssel IIa-VO Rz 2. MüKo/Rauscher FamFG § 98 Rz 101; P. Gambke, Das neue Scheidungsverbundverfahren nach dem FamFG, 2011, S 96ff. 54 Vgl Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 167 Rz 7; MüKo/Rauscher, § 98 FamFG Rz 102ff. 55 Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2000, S 205; Rauscher S 88; vgl O. Ratzel, Die Präklusion isolierter Unterhaltsverfahren durch den ausländischen Scheidungsverbund, 2007. 56 OLG Frankfurt FamRZ 1983, 728; Schwab/Streicher I 1164; MüKo/Rauscher § 98 FamFG Rz 97.
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Zuständigkeit in Sorgerechts-/Kindschaftssachen
§4
Scheidungsstatut.57 Die lex fori, nicht das Scheidungsstatut entscheidet aber darüber, ob der Verbund von Amts wegen oder nur auf Antrag eintritt.58 Besteht eine internationale Zuständigkeit für die Ehesache, so besteht auch eine (aber nicht ausschließliche) Verbundzuständigkeit für die Folgesachen.59 e) Verfahren zur Trennung von Tisch und Bett, die ein ausländisches Ehe- 38 lösungsstatut als Vorstufe oder als Ersatz für die Scheidung vorsieht, sind im Inland nach den Regeln über Scheidungsverfahren abzuwickeln.60 Soweit eine endgültige Ehetrennung nicht Voraussetzung ist, findet auch ein Verbundverfahren analog § 137 FamFG statt.61 Die früher vertretene Ansicht von der „Wesensverschiedenheit“ der Ehetrennung, die deutsche Gerichte nicht aussprechen könnten, ist mit dem Justizanspruch des Ausländers nicht vereinbar. Im Verhältnis zu EU-Staaten widerspricht sie Art 1 I lit a EheGVO. Auch bei den anderen Familiensachen sind funktional vergleichbare Streitig- 39 keiten ebenfalls als Familiensachen einzuordnen. Der Anspruch auf Leistung einer Morgengabe ist danach als Familiensache zu behandeln.62
II. Zuständigkeit in Sorgerechts-/Kindschaftssachen 1. Europäisches Recht Schrifttum: Andrae, Brüssel IIa-VO, EG-UnterhaltsVO, 2009; Andrae, Zur Abgrenzung von räumlichem Anwendungsbereich von EheGVO, MSA, KSÜ und autonomem IZPR/ IPR, IPRax 2006, 82; K. Boele-Woelki/M. Jäntera-Jareborg, Protecting children against detrimental family environment under the 1996 Hague Convention and the Brussels II bis Regulation, Liber amicorum Siehr, 2010, S 125; M. Coester, Kooperation statt Konfrontation: Die Rückgabe entführter Kinder nach der Brüssel IIa-Verordnung, FS Schlosser, 2005, S 135; Coester-Waltjen, Die Berücksichtigung der Kindesinteressen in der neuen EU-Verordnung „Brüssel IIa“, FamRZ 2005, 241; A. Dutta, Staatliches Wächteramt und europäisches Kindschaftsverfahren, FamRZ 2008, 835; A. Dutta, Europäische Zuständigkeiten und Kindeswohlvorbehalt, FS Kropholler, 2008, S 281; M. Ekström, Child protection within the European Union – Council Regulation (EC) No 2201/2003 on parental responsibility, The Judges’ newsletter X (2005), 42; P. Finger, Internationale gerichtliche Zuständigkeit in kindschaftsrechtlichen Streitverfahren nach Brüssel IIa, FamRBint 2005, 13 u 36; P. Finger, Haager Abkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, FamFR 2012, 316; M. Fleige, Die Zuständigkeit für Sorgerechtsentscheidungen und die Rückführung von Kindern nach Entführungen im Europäischen IZVR, 2006; U. P. Gruber, Die Brüssel IIa-VO und öffentlich-rechtliche Schutzmaßnahmen, IPRax 2008, 490; U. P. Gruber, Das HKÜ, die Brüssel IIa-Verordnung und das Internationale Familienrechtrsverfahrensgesetz, FPR 2008, 214; Ch. Holzmann, Brüssel IIa VO: Elterliche Verantwortung und internationale Kindesentführungen, 2008; Klinkham-
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Grundmann, Qualifikation gegen die Sachnorm, 1985, S 159. Schwab/Streicher I 1182. Schwab/Streicher I 1164. BGHZ 47, 324 = NJW 1967, 2109 = JZ 1967, 671 (Heldrich); BGH IPRax 1985, 40 (Jayme S 23). 61 Schwab/Streicher I 1184; Prütting/Helms/Hau § 98 FamFG Rz 41; Prütting/Helms § 137 FamFG Rz 9. 62 MüKo/Dötsch § 231 FamFG Rz 32 (Unterhalt oder Güterrecht).
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mer, Internationale Verweisung von Kindschaftsverfahren nach der Brüssel IIa-VO, FamRBint 2006, 88; M. König, Die Anwendbarkeit des forum non conveniens im deutschen und europäischen Zivilverfahrensrecht, 2012; V. Kress, Internationale Zuständigkeit für elterliche Verantwortung in der Europäischen Union, 2006; D. Looschelders, Die Europäisierung des internationalen Verfahrensrechts für Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, JR 2006, 45; P. McEleavy, Brussels II bis: Matrimonial Matters, Parental Responsibility, Child Abduction an Mutual Recognition, ICLQ 53 (2004), 503; F. Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982; Pabst, Gerichtsstandsvereinbarungen im Sorgerechtsstreit?, Liber amicorum Rauscher, 2005, S 115; J. Pirrung, Haager Kinderschutzübereinkommen und Verordnungsentwurf „Brüssel IIa“, FS Jayme, 2004, S 701; J. Pirrung, Internationale Zuständigkeit in Sorgerechtssachen nach der Verordnung (EG) 2201/2003, FS Schlosser, 2005, S 695; J. Pirrung, Zur perpetuatio fori in europäischen grenzüberschreitenden Sorgerechtssachen, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1037; J. Pirrung, Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in internationalen Sorgerechtssachen, FS Kühne, 2009, S 843; J. Pirrung, Erste Erfahrungen mit dem Eilverfahren des EuGH in Sorgerechtssachen, FS Spellenberg, 2010, S 467; J. Pirrung, Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes bei internationalem Wanderleben, IPRax 2011, 50; Rausch, Elterliche Verantwortung – Verfahren mit Auslandsbezug vor und nach „Brüssel IIa“, 1. Teil, FuR 2005, 53; J. Rieck, Kindesentführung und die Konkurrenz zwischen dem HKÜ und er EheEuGVVO 2003 (Brüssel IIa), NJW 2008, 182; Schlosser, Neue Perspektiven der Zusammenarbeit von Gerichten verschiedener EGStaaten im Kindschaftsrecht, FS D. Schwab, 2005, S 1255; A. Schulz, Internationale Regelungen zum Sorge- und Umgangsrecht, FPR 2004, 299; A. Schulz, Das Haager Kindesentführungsübereinkommen und die Brüssel IIa-Verordnung, FS Kropholler, 2008, S 435; A. Schulz, Das internationale Familienverfahrensrechtsgesetz, FamRZ 2011, 1273; Solomon, „Brüssel IIa“ – Die neuen Regeln zum internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409; Staudinger/Pirrung, Das internationale Kindschaftsrecht der Übereinkommen und EG-Verordnungen – Teil 2 C. ESGVO, Teil 2 D. HKÜ, Vorbem C, D zu Art 19 EGBGB, 2009; Ch. Tödter, Europäisches Kindschaftsrecht, 2010; K. Trimmings, Child Abduction within the European Union, 2013.
a) Aufenthaltszuständigkeit 41
Für Verfahren über die elterliche Verantwortung ist die internationale Zuständigkeit in Art 8 EheGVO geregelt. Während die Verordnung Nr 1347/2000 in Art 3 nur die Zuständigkeit für Sorgerechtsverfahren für ein gemeinsames Kind im Zusammenhang mit der Ehescheidung regelte, erfasst die neue VO Nr 2201/2003 nach Art 1 I b, II und Art 2 Nr 7 alle Verfahren über „die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung“. Unter diese Definition fallen Verfahren über das Sorgerecht, das Umgangsrecht, die Unterbringung des Kindes in einem Heim oder in einer Pflegefamilie sowie Maßnahmen zum Schutz des Kindesvermögens,63 und zwar auch, soweit es sich um staatliche Schutzmaßnahmen handelt.64 Eine Unterbringung eines Kindes zu therapeutischen oder erzieherischen Zwecken (Art 1 II lit d EheGVO) ist auch dann von der Verordnung erfasst, wenn sie mit Frei-
63 Gruber IPRax 2005, 293, 296. 64 EuGHE 2007, I-10141 (Rechtssache C) = FamRZ 2008, 125; dazu Dutta FamRZ 2008, 835; U. P. Gruber IPRax 2008, 490.
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heitsentziehung verbunden ist. Ausgeschlossen ist nur eine Freiheitsentziehung als Folge einer Straftat (Art 1 III lit g EheGVO).65 Als Grundregel sind im Kindesinteresse die Gerichte des Mitgliedstaats zu- 42 ständig, in dem das Kind zZ der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 8 I EheGVO).66 Dieser Aufenthalt ist nach den bisher im Rahmen des Art 1 MSA67 entwickelten Kriterien (unabhängig vom Wohnsitz und Aufenthalt der Eltern) zu bestimmen.68 Abzustellen ist danach auf den Ort, an dem eine gewisse soziale und familiäre Integration des Kindes besteht. Zu berücksichtigen sind Dauer, Regelmäßigkeit und Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat, die Gründe für einen Umzug, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes zu dem betreffenden Mitgliedstaat.69 Bei einem Säugling sind auch die familiäre Herkunft der Mutter sowie ihre familiären und sozialen Bindungen zu dem Aufenthaltsstaat zu berücksichtigen.70 Die EheGVO hat nach Art 60 lit a Vorrang vor dem MSA im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat, so verdrängt die EheGVO auch das Haager KSÜ von 1996 (Art 61 lit a EheGVO).71 Das KSÜ selbst hat nach Art 51 Vorrang vor dem MSA. Ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht feststellbar, sind hilfsweise die Gerichte des einfachen Aufenthalts zuständig, sofern eine Zuständigkeit nicht über eine Vereinbarung im Zusammenhang mit einem Ehescheidungsverfahren nach Art 12 EheGVO besteht (Art 13 I EheGVO).72
43
Ergänzend gilt der Grundsatz der perpetuatio fori. Ein Wegzug des Kindes lässt daher die Zuständigkeit nicht sogleich entfallen.73
44
b) Zuständigkeit zur Änderung einer Umgangsentscheidung Trotz eines rechtmäßigen Wegzugs in einen anderen Mitgliedstaat unter Be- 45 gründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts bleibt die internationale Zuständigkeit des bisherigen Aufenthaltsstaats nach Art 9 I EheGVO noch drei 65 EuGH (C-92/12 PPU, 26.4.2012, HSE v S.C. u. C.) (Tz 63ff). 66 Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 242; Fleige S 209ff; Rausch FuR 205, 53, 56; Kress S 106ff; Finger FamRBint 2005, 13, 14. 67 Gleiches gilt für Art 5 I Haager Kinderschutzübereinkommen v 19.10.1996 (abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 53), das für Deutschland seit 1.1.2011 anstelle des MSA gilt. 68 Looschelders JR 2006, 45, 46; Pirrung FS Kühne, 2009, S 843, 854. 69 EuGHE 2009, I-2805 (Rechtssache A) = FamRZ 2009, 843; OLG Stuttgart FamRZ 2013, 51. 70 EuGHE 2010, I-14309 (Mercredi v Chaffe) = FamRZ 2011, 617 (Henrich) = IPRax 2012, 34 (dazu Siehr, S 316). 71 Vgl Rauscher/Rauscher (2010), Art 60, 61 Brüssel IIa-VO Rz 9. 72 Vgl Kress S 129ff. 73 BGH FamRZ 2010, 720 (Tz 9); Gruber IPRax 2005, 293, 297; Looschelders JR 2006, 45, 46; aA bei Wegzug in einen Drittstaat (Türkei) OLG Stuttgart FamRZ 2013, 49, 50.
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Monate lang für eine Änderung der bisherigen Umgangsentscheidung erhalten, wenn sich der umgangsberechtigte Elternteil weiterhin im bisherigen Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes aufhält.74 Diese Zuständigkeit entfällt aber, wenn der umgangsberechtigte Elternteil die Zuständigkeit der Gerichte des neuen Aufenthaltsstaats anerkennt, indem er sich an einem dortigen Verfahren beteiligt, ohne die Unzuständigkeit zu rügen (Art 9 II EheGVO).
c) „Verweisung“ in einen EU-Mitgliedstaat 46
Allerdings kann das zuständige Gericht das Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag an das Gericht eines anderen Mitgliedstaats „verweisen“, das den Fall besser beurteilen kann (Art 15 EheGVO).75 Die Regel ist der „forum non conveniens“-Doktrin des common law nachgebildet.76 Die „Verweisung“ kann auf zweierlei Weise erfolgen: (1) Das Gericht setzt sein Verfahren ganz (oder teilweise) aus und lädt die Parteien ein, das besser geeignete Gericht des anderen Mitgliedstaats innerhalb einer bestimmten Frist anzurufen (Art 15 I 1 lit a, IV EheGVO). (2) Das Gericht ersucht das besser geeignete Gericht des anderen Mitgliedstaats selbst sich für zuständig zu erklären und den Fall zu übernehmen.77
47
Erklärt sich das Gericht des anderen Mitgliedstaats innerhalb von sechs Wochen nach seiner Anrufung für zuständig, so erklärt sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig (Art 15 V 1 EheGVO). Erklärt sich das angerufene Gericht für unzuständig, bleibt untätig oder wird von den Parteien nicht angerufen, so bleibt das zuerst angerufene Gericht zuständig (Art 15 IV 2, V 3 EheGVO). Damit die „Verweisung“ effektiv gehandhabt wird, sollen die beteiligten Gerichte direkt (per Telefon oder E-Mail) oder über die Zentralbehörden (soweit Dolmetscher nötig sind) zusammenarbeiten (Art 15 VI EheGVO).
d) Zuständigkeits„vereinbarung“ 48
In engen Grenzen sieht Art 12 EheGVO auch eine Gerichtsstandsbegründung durch Einverständnis der Beteiligten vor, wenn (1) in einem Mitgliedstaat bereits eine Ehesache anhängig ist (Art 12 I EheGVO) oder (2) wenn mit einem anderen Mitgliedstaat eine wesentlich engere Verbindung des Kindes besteht (Art 12 III EheGVO).78 (1) Das Gericht der Ehesache ist für das Verfahren über die elterliche Verantwortung als Annexverfahren zuständig, wenn wenigstens einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat, die Ehegatten bzw die Träger
74 Gruber IPRax 2005, 293, 297; Feige S 223ff; Finger FamRBint 2005, 13, 16f; Kress S 114ff; krit Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 244; vgl AG Leverkusen IPRax 2008, 274. 75 Vgl KG FamRZ 2006, 1618; Klinkhammer FamRBint 2006, 88. 76 Gruber IPRax 2005, 293, 297; Kress S 135ff. 77 Fleige S 272ff. 78 Fleige S 237ff; Gruber IPRax 2005, 293, 298; Kress S 127ff; Finger FamRBint 2005, 13, 15; Papst, Liber amicorum Rauscher, S 115, 120ff.
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der elterlichen Verantwortung mit der Zuständigkeit einverstanden sind und dies dem Wohl des Kindes entspricht (Art 12 I EheGVO).79 Diese Zuständigkeit wird praktisch, wenn sich das Kind in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat aufhält und das Verfahren dort schwieriger durchführbar ist.80 Die Zuständigkeit endet mit rechtskräftigem Abschluss der Ehesache, ist zu diesem Zeitpunkt das Sorgerechtsverfahren bereits anhängig, aber erst mit seinem rechtskräftigen Abschluss. Die Zuständigkeit endet auch mit der sonstigen Beendigung von Ehe- bzw Sorgerechtsverfahren (Art 12 II EheGVO). (2) Eine Zuständigkeit kraft engerer Verbindung des Kindes besteht insb, wenn 49 der Träger der elterlichen Verantwortung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat hat oder wenn das Kind dessen Staatsangehöriger ist. Die Zuständigkeit wird dann begründet, wenn alle Parteien die Zuständigkeit bei Anrufung des Gerichts „anerkennen“ und dies in Einklang mit dem Kindeswohl steht (Art 12 III EheGVO). Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat, der nicht Vertragsstaat des Haager Kindesschutzübereinkommens v 19.10.1996 ist, und ist im Drittstaat ein Sorgerechtsverfahren unmöglich, so wird vermutet, dass ein auf Art 12 EheGVO gestütztes Verfahren dem Kindeswohl entspricht (Art 12 IV EheGVO).
e) Autonome Restzuständigkeit Auch für Sorgerechtsverfahren besteht nach Art 14 EheGVO hilfsweise eine 50 Restzuständigkeit nach autonomem nationalem Recht. Voraussetzung dafür ist, dass sich aus Art 8 bis 13 EheGVO keine Zuständigkeit ergibt.81 In Betracht kommt im Wesentlichen eine Zuständigkeit kraft Staatsangehörigkeit (§ 99 I Nr 1 FamFG). Eine Kindeswohlprüfung ist nicht erforderlich.82
f) Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen Für einstweilige Maßnahmen besteht für dringende Fälle ergänzend stets eine 51 Zuständigkeit nach autonomem Recht, soweit dies zum Schutz einer Person oder von Vermögensgegenständen, die sich in dem Staat befinden, erforderlich ist (Art 20 I EheGVO). Solche Maßnahmen treten aber außer Kraft, wenn das nach der EheGVO für das Hauptsacheverfahren zuständige Gericht Maßnahmen erfasst, die es für angemessen hält (Art 20 II EheGVO). Als Beispiel wird die einstweilige Unterbringung eines Kindes genannt, wenn die Eltern bei einem Verkehrsunfall in einem Durchreiseland handlungsunfähig verletzt worden sind.83
79 Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 242; Kress S 119ff. 80 Looschelders JR 2006, 45, 47. 81 Kress S 131ff; Finger FamRBint 2005, 13, 16. Zu den Schwierigkeiten der Feststellung s Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 243f. 82 Gruber IPRax 2005, 293, 299; krit Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 244. 83 Vgl Gruber IPRax 2005, 293, 299.
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Art 20 EheGVO ist jedenfalls keine Vorschrift, die eine Zuständigkeit für eine Entscheidung in der Hauptsache begründet.84
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Ist in der Hauptsache das Gericht eines Drittstaats zuständig, ist nicht Art 20 EheGVO anwendbar, sondern greifen die Art 11ff KSÜ.85
g) Zuständigkeit bei Kindesentführung 54
Wird ein Kind widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht oder dort zurückgehalten, so bleiben die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem das Kind zuvor seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, für Verfahren über die elterliche Verantwortung so lange zuständig, bis das Kind in einem anderen Mitgliedstaat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erlangt hat (Art 10 EheGVO). Eine Zuständigkeit des Zufluchtsstaats besteht nicht, solange die Gerichte des „Entführungsstaats“ zuständig sind.86
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Die Gerichte des neuen Aufenthaltsstaats werden nur zuständig, wenn (1) jede sorgeberechtigte Person oder Stelle dem Vorbringen oder Zurückhalten zugestimmt hat, also kein Entführungsfall (mehr) vorliegt, oder (2) sich das Kind bereits mindestens ein Jahr in dem neuen Staat aufhält, der Sorgeberechtigte seinen Aufenthalt kennt und sich das Kind in der neuen Umgebung eingelebt hat, sofern zusätzlich kein Antrag auf Rückgabe des Kindes innerhalb eines Jahres ab Kenntnis vom Aufenthaltsort des Kindes gestellt,87 ein gestellter Antrag zurückgenommen und nicht neu gestellt, ein Rückgabeverfahren nach Art 11 VII ergebnislos abgeschlossen oder von den Gerichten des bisherigen Aufenthaltsstaats eine (neue) Sorgerechtsentscheidung ohne Rückgabeanordnung erlassen wurde. Eine nur vorläufige Regelung ist keine Sorgerechtsentscheidung, die zum Übergang der Zuständigkeit auf den „Zufluchtsstaat“ führen kann.88
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Hat der Herkunftsstaat besondere Vorkehrungen zum Schutz des Kindes getroffen, besteht grds eine Rückführungspflicht. Diese kann nach Art 13 I lit b HKÜ nur verweigert werden, wenn eine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind besteht oder durch die Rückführung eine unzumutbare Lage entstünde.89
84 EuGHE 2010, I-7353 (Purrucker v Vallés Pérez I) = NJW 2010, 2861 (Tz 61) = IPRax 2011, 378 (dazu Pirrung, S 351); EuGHE 2010, I-11163 (Purrucker II) = NJW 2011, 363, 364 (Tz 70) = FamRZ 2011, 534. 85 Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 245. 86 Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 245; Fleige S 290ff; Rausch FuR 2005, 53, 57; Kress S 149ff. 87 Zu Art 3 I Brüssel II-VO s insoweit BGHZ 163, 248, 259ff = FamRZ 2005, 1540, 1543f = NJW 2005, 3424. 88 EuGHE 2010, I-6673 (Doris Povse v Mauro Alpago) = NJW 2010, 2863 = FamRZ 2010, 1229 (dazu Schulz, S 1307). 89 Vgl Mohs FamPra.ch 2005, 39, 47ff; Kress S 158ff; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz D 68ff.
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Einzelheiten des Verfahrens zur Rückgabe des Kindes ergeben sich aus Art 11 57 EheGVO, den Artikeln 12 und 13 des Haager Kindesentführungsübereinkommens von 1980 sowie aus den §§ 37ff IntFamRVG.90 Das HKÜ regelt dabei nur die Art und Weise der Rückgabe des Kindes über die Zentrale Behörde,91 nicht aber gerichtliche Zuständigkeiten. Selbst wenn das Gericht des Aufenthaltsstaates die Rückgabe nach Art 13 58 HKÜ verweigert hat, kann das Gericht des Herkunftsstaats nach umfassender Würdigung des Kindeswohls die Rückgabe des Kindes gem Art 11 VIII EheGVO anordnen und diese Entscheidung gem Art 40 lit b, 42 EheGVO mit einer Bescheinigung als Europäischer Vollstreckungstitel versehen. Hiergegen gibt es im Vollstreckungsstaat keinen Rechtsbehelf mehr.92
2. KSÜ und MSA Schrifttum: Kratz, Das Haager Kinderschutzübereinkommen, 2004; Kropholler, Das Haager Kinderschutzübereinkommen von 1996, Liber amicorum Siehr, 2000, S 379; St. Schmahl, Kinderrechtskonvention, 2012; Siehr, Das neue Haager Übereinkommen von 1996 über den Schutz von Kindern, RabelsZ 62 (1998), 464; Staudinger/Pirrung (Bearb. 2009), Vorbem. G (KSÜ) zu Art 19 EGBGB.
Die Brüssel IIa-Verordnung hat im Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedstaa- 59 ten Vorrang vor KSÜ (Art 61 EheGVO) und MSA (Art 60 lit a EheGVO). Beide sind also nur im Verhältnis zu Nicht-EU-Vertragsstaaten anwendbar. a) Das KSÜ hat auch insoweit seit 1.1.2011 Vorrang vor dem MSA (Art 51 KSÜ).
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Das KSÜ findet danach (Stand 1.1.2012) Anwendung im Verhältnis zu Albanien, Armenien, Australien, Dominikan. Republik, Ecuador, Kroatien, Marokko, Monaco, der Schweiz, der Ukraine und Uruguay. Nach Art 3 KSÜ ist das Übereinkommen anwendbar auf Maßnahmen über (a) 61 die Zuweisung, Entziehung und Übertragung der elterlichen Verantwortung, (b) das Sorgerecht und das Umgangsrecht, (c) die Vormundschaft und Pflegschaft, (d) die Bestimmung des Sorgeberechtigten, (e) die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim, (f) die behördliche Aufsicht über die Betreuungsperson des Kindes und (g) die Verwaltung des Kindesvermögens.93 International zuständig sind Gerichte bzw Behörden des Vertragsstaats, in dem 62 das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 5 I KSÜ). Bei einem Aufenthaltswechsel werden die Gerichte des Staats des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig (Art 5 II KSÜ). Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt nicht.94 90 Vgl A. Dutta/J. Scherpe, Die Durchsetzung von Rückführungsansprüchen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen durch deutsche Gerichte, FamRZ 2006, 901; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz D 64ff. 91 Vgl Finger FamRZ 2012, 316. 92 EuGHE 2010, I-6673 (Povse) (Tz 70ff) = NJW 2010, 2863 = FamRZ 2010, 1229. 93 Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz G 25ff. 94 Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz G 48.
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Für Flüchtlingskinder sind die Gerichte des aktuellen Aufenthaltsstaats zuständig (Art 6 I KSÜ). Gleiches gilt für Kinder, deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden kann (Art 6 II KSÜ).
64
In Fällen von Kindesentführung bleiben die Gerichte des Staats des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts nach Art 7 KSÜ zuständig.
65
Ähnlich wie nach Art 15 EheGVO kann das Gericht/die Behörde eines Vertragsstaats das Verfahren nach Art 8 KSÜ an die Behörde eines anderen Vertragsstaats abgeben, wenn diese besser geeignet ist, das Kindeswohl im konkreten Einzelfall zu beurteilen.95
66
Das Übernahmeersuchen kann auch von dem anderen Vertragsstaat ausgehen (Art 9 KSÜ). Anders als nach der EheGVO ist die Abgabe in beiden Fällen auch ohne das Einverständnis der Beteiligten möglich.96 Schließlich besteht eine Annexzuständigkeit des Gerichts der Ehesache aus Anlass der Scheidung etc Maßnahmen zur elterlichen Verantwortung zu treffen (Art 10 KSÜ), sofern (1) wenigstens ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind hat und sich gewöhnlich in dem Staat des Eheverfahrens aufhält und (2) die Eltern und jeder andere Sorgeberechtigte mit dieser Zuständigkeit einverstanden sind und diese Zuständigkeit dem Kindeswohl entspricht.97
67
b) MSA Aufgrund des Vorrangs der EheGVO (Art 8ff) und des KSÜ ist das MSA nur noch im Verhältnis zur Türkei98 und China-Macau anwendbar. International zuständig sind nach Art 1 MSA die Behörden des Staats, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Behörden des Heimatstaats können aber zum Schutz von Person oder Vermögen Maßnahmen treffen, wenn dies das Wohl des Minderjährigen erfordert; doch müssen sie zuvor die Behörden des Aufenthaltsstaats von dieser Absicht verständigen (Art 4 I MSA).
68
Verlegt ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Vertragsstaat, so bleiben die Anordnungen des bisherigen Aufenthaltsstaats in Kraft, bis der neue Aufenthaltsstaat anderweitig entscheidet (Art 5 I MSA).
69
Bei ernstlicher Gefährdung von Person oder Vermögen des Minderjährigen dürfen die Behörden des Aufenthaltsstaats stets die erforderlichen Maßnahmen treffen (Art 8 I MSA).
70
Schließlich besteht in dringenden Fällen eine Eilzuständigkeit für jeden Vertragsstaat, notwendige Schutzmaßnahmen für Person oder Vermögen des Minderjährigen zu treffen.
95 Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz G 57ff. 96 Motzer/Kugler/Grabow, Kinder aus Migrationsfamilien in der Rechtspraxis, 2. Aufl 2012, Rz 194; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz G 70. 97 Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz G 72ff. 98 OLG Stuttgart FamRZ 2013, 49, 50.
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Zuständigkeit in Sorgerechts-/Kindschaftssachen
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3. Haager Kindesentführungs-Übereinkommen Schrifttum: Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, 1999; Beaumont/McEleavy, The Hague Convention on International Child Abduction, 1999; Dutta/Scherpe, Die Durchsetzung von Rückführungsansprüchen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen durch deutsche Gerichte, FamRZ 2006, 901; T. Helms, Zivilrechtliche Aspekte internationaler Kindesentführungen, Jb Junger Zivilrechtswiss 2000/01, S 267; J. Paton, The correct approach to the examination of the best interests of the child in abduction convention proceedings …, JPIL 8 (2012), 547; Staudinger/Pirrung, Vorbem D zu Art 19 EGBGB (HKÜ), Bearb 2009, S 197.
71
Das HKÜ ist ohne die Modifikation nach Art 11 EheGVO (Brüssel IIa-VO) zwischen den Vertragsstaaten anzuwenden, die nicht EU-Mitgliedstaaten sind.99 Wird ein Kind unter Verletzung des Sorgerechts in einen anderen Vertragsstaat 72 verbracht oder dort zurückgehalten (Art 3 HKÜ), so kann nach Art 8ff HKÜ Rückgabe des Kindes begehrt werden. Ist noch kein Jahr seit der Entführung vergangen, so ordnet das zuständige Gericht des Vertragsstaats, in dem sich das Kind befindet, grds die sofortige Rückgabe an (Art 12 HKÜ). Die Rückgabe darf nur abgelehnt werden, wenn (1) der Sorgeberechtigte sein Sorgerecht tatsächlich nicht ausgeübt oder der Entführung nachträglich zugestimmt hat, oder (2) wenn die Rückgabe zu einer schwerwiegenden Gefahr für Körper oder Seele des Kindes führen oder das Kind in eine unzumutbare Lage kommen würde (Art 13 I HKÜ) (s o Rz 56ff).100 Anwendbar ist das HKÜ nach Art 4, wenn sich das Kind in einem Vertragsstaat aufhält.101 Wer die Rückgabe eines Kindes begehrt, kann sich nach Art 8 I HKÜ entweder 73 an die Zentrale Behörde des Aufenthaltsstaats des Kindes oder zu seiner Unterstützung an die Zentrale Behörde seines Aufenthaltsstaats wenden (vorausgesetzt, beide Staaten sind Vertragsstaaten). Zentrale Behörde nach Art 6 HKÜ ist in Deutschland das Bundesamt für Justiz (§ 3 I Nr 3 IntFamRVG). Dieses leitet den Antrag an das zuständige Gericht weiter. Örtlich zuständig ist das Familiengericht, in dessen Zuständigkeitsbereich sich das Kind beim Eingang des Antrags bei der Zentralen Behörde aufgehalten hat, und zwar das Familiengericht, in dessen Bezirk das OLG seinen Sitz hat (§§ 11, 12 IntFamRVG).
4. Autonomes deutsches Recht Schrifttum: O. Beller, Die Vorschriften des FamFG zur internationalen Zuständigkeit, ZFE 2010, 52, 54.
99 Das HKÜ ist von 86 Staaten ratifiziert worden; s Jayme/Hausmann Nr 222 Fn 1. 100 Vgl OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1577; K. Meyer/L. Mazenauer, Internationale Kindesentführung, Fampra.ch 2013, 57. 101 Verneint für Flüchtlingslager in Ostjerusalem AG Koblenz FamRZ 2013, 52.
253
§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
74
Im autonomen deutschen Recht heißen die Sorgerechtssachen „Kindschaftssachen“. Die internationale Zuständigkeit ist insoweit in § 99 FamFG geregelt. Sie besteht, wenn (1) das Kind Deutscher ist oder (2) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Sie besteht außerdem (3) soweit das Kind der Fürsorge durch ein deutsches Gericht bedarf.102
75
Soweit eine Vormundschaft anzuordnen ist, kann die Anordnung im Inland unterbleiben, soweit ein entsprechendes Verfahren im Ausland anhängig ist und dies im Interesse des Mündels liegt (§ 99 II FamFG).103
76
Eine inländische Vormundschaft kann außerdem an ein (konkurrierend) zuständiges ausländisches Gericht abgegeben werden, wenn (1) dies im Interesse des Mündels liegt, (2) der Vormund dem zustimmt und (3) der ausländische Staat zur Übernahme bereit ist (§ 99 III 1 FamFG). Die Zustimmung des Vormunds kann durch Gerichtsbeschluss ersetzt werden (§ 99 III 2 FamFG).
III. Zuständigkeit in Abstammungssachen Schrifttum: O. Beller, Die Vorschriften der FamFG zur internationalen Zuständigkeit, ZFE 2010, 52, 55; Helms, Aktuelle Fragen des internationalen Abstammungsrechts, StAZ 2009, 293.
77
Eine europäische Regelung besteht insoweit nicht.104
78
Seit der FG-Reform ist die internationale Zuständigkeit für Abstammungssachen in § 100 FamFG geregelt. Deutsche Gerichte sind danach international zuständig, wenn (1) einer der Beteiligten (Kind, Mutter, rechtlicher Vater oder Mann, der der Mutter beigewohnt hat) Deutscher ist, oder (2) einer der Beteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Der Mann, der der Mutter beigewohnt hat, ist nur dann für die internationale Zuständigkeit relevant, wenn er der Antragsteller des Verfahrens ist.105 Die (ausschließliche) örtliche Zuständigkeit ergibt sich dann aus § 170 FamFG.
79
Die internationale Zuständigkeit ist nicht ausschließlich (§ 106 FamFG), so dass die Beteiligten das Verfahren ggf auch im Ausland führen können. Umgekehrt hängt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht von der Anerkennung der Entscheidung in Heimatstaaten der Beteiligten ab.106
102 103 104 105
Vgl Prütting/Helms/Hau, § 99 FamFG Rz 35ff. Prütting/Helms/Hau § 99 FamFG Rz 40ff. Vgl MüKo/Rauscher § 100 FamFG Rz 6; Prütting/Helms/Hau, § 100 FamFG Rz 3. Prütting/Helms/Hau, § 100 FamFG Rz 4; Krenzler/Borth/Siede, Anwaltshandbuch Familienrecht, 2. Aufl 2012, Kap 3 B Rz 215. 106 MüKo/Rauscher § 100 FamFG Rz 17.
254
Zuständigkeit in Adoptionssachen
§4
IV. Zuständigkeit in Adoptionssachen Schrifttum: N. Emmerling de Oliveira, Adoptionen mit Auslandsberührung, MittBayNot 2010, 429; N. Emmerling de Oliveira, in Müller/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira, Adoptionsrecht in der Praxis, 2. Aufl 2011, Rz 253ff; Reinhardt/Kemper/Weitzel, Adoptionsrecht, 2012.
1. Internationale Adoptionen Die internationale Zuständigkeit für Adoptionssachen ist in § 101 FamFG ge- 80 regelt. Deutsche Gerichte sind danach zuständig, wenn der Annehmende, einer der annehmenden Ehegatten oder das Kind (1) Deutscher ist oder (2) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Es genügt, wenn die Anknüpfung nur für eine der genannten Personen erfüllt ist. Bei einer Stiefkindadoption genügt es nicht, wenn der bereits vorhandene Elternteil Deutscher ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Denn das Gesetz stellt auf die Verhältnisse des Annehmenden oder des Kindes ab.107 Diese internationale Zuständigkeit ist nicht ausschließlich (§ 106 FamFG). Der Annehmende kann die Adoption daher auch im Ausland durchführen lassen. Die (konkurrierende) Zuständigkeit der deutschen Gerichte besteht auch dann, wenn der Heimatstaat des Annehmenden oder des Kindes für sich eine ausschließliche Zuständigkeit in Anspruch nimmt, die deutsche Adoption nicht anerkennt108 oder wenn das Heimatrecht des Kindes keine Adoption kennt.109 Örtlich zuständig ist das Amtsgericht (Familiengericht) am Sitz des Oberlan- 81 desgerichts, in dessen Bereich der oder die Annehmenden ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 187 IV FamFG mit § 5 AdWirkG), weil zumindest über Art 23 EGBGB auch ausländische Sachvorschriften anzuwenden sein werden. Das inländische Gericht darf über die Adoption eines ausländischen Kindes aus einem Vertragsstaat aber erst entscheiden, nachdem das Verfahren nach dem Haager Adoptionsübereinkommen v 29.5.1993 (Art 4, 5) mit dem Bundesamt für Justiz als deutscher Zentraler Behörde durchgeführt wurde.110
82
Stammt das Kind aus einem Nichtvertragsstaat, müssen die Annahme-Eltern 83 den Adoptionsvertrag bei der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle einreichen (§ 2a AdVermiG).
107 108 109 110
MüKo/Rauscher § 101 FamFG Rz 14. Prütting/Helms/Hau § 101 FamFG Rz 12. Müller/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira Rz 254. Vgl Krenzler/Borth/Siede, Anwaltshandbuch-Familienrecht 2. Aufl 2012, Kap 4 B Rz 182–189.
255
§4 84
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
Materiellrechtlich bedürfen der Adoptionsantrag (§ 1752 BGB), aber auch die erforderlichen Zustimmungserklärungen der notariellen Beurkundung.
2. Anträge nach dem Adoptionswirkungsgesetz 85
Auch für Anträge auf Anerkennung oder Feststellung der Wirksamkeit einer ausländischen Adoption (§ 2 AdWirkG) oder auf Umwandlung einer „schwachen“ Auslandsadoption in eine „starke“ Inlandsadoption (§ 3 AdWirkG) besteht gem § 5 I 2 AdWirkG eine internationale Zuständigkeit nach § 101 FamFG und eine örtliche nach § 187 I, II, IV FamFG.111
V. Zuständigkeit in Ehewohnungs- und Haushaltssachen 86
Schrifttum: N. Koritz, Internationale Zuständigkeit und Anknüpfungsregeln nach Internationalem Privatrecht für Haushalts- und Ehewohnungssachen, FPR 2010, 572. Vor der Reform: Schumacher/Janzen, Gewaltschutz in der Familie, 2003, Rz 90ff.
Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus § 105 FamFG bei Bestehen einer örtlichen Zuständigkeit gem § 201 FamFG. Soweit Ehewohnungs- und Haushaltssachen im Verbund mit der Ehescheidung geltend gemacht werden, folgt die internationale Zuständigkeit aus § 98 II FamFG. Zuständig ist also das Gericht der Ehesache (§ 201 Nr 1 FamFG). 87
Ansonsten sind die Gerichte des Staats zuständig, in dem (1) sich die gemeinsame Wohnung der Ehegatten befindet, (2) der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder (3) der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Zuständigkeiten zu (2) und (3) sind unabhängig davon, ob sich die Ehewohnung im Inland oder Ausland befindet.112
88
Ob es eine Wohnungszuweisung nach Scheidung gibt (§§ 98 II, 105, 200 I FamFG), richtet sich für die im Inland belegenen Wohnungen nach deutschem Sachrecht (Art 17a EGBGB; § 1568a BGB). Doch sollte die Wohnungszuweisung stets im Verbundverfahren (im Zusammenhang mit der Unterhaltsregelung oder der güterrechtlichen Auseinandersetzung) gem § 137 II Nr 3 FamFG möglich sein, unabhängig davon, wie der Anspruch nach dem Scheidungsstatut eingeordnet wird.113
VI. Zuständigkeit in Versorgungsausgleichssachen Schrifttum: L. Bergner, Aktuelle Fragen zum Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung, FamFR 2011, 3; V. Gärtner, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei isoliertem Versorgungsausgleichsverfahren, IPRax 2010, 520.
111 Müller/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira, Adoptionsrecht in der Praxis, Rz 316. 112 MüKoFamFG/Erbarth, § 200 Rz 85. 113 OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1280; Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2000, S 192; Gottwald, FS Nakamura, S 188, 197f; vgl aber OLG Karlsruhe IPRax 2001, 51 (mit Anm D. H.).
256
Zuständigkeit in Unterhaltssachen
§4
Wird der Versorgungsausgleich als Folgesache im Scheidungsverfahren gere- 89 gelt, ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus § 98 II FamFG. Nach § 102 FamFG besteht nun ausdrücklich auch eine internationale Zustän- 90 digkeit deutscher Gerichte für isolierte Verfahren über den Versorgungsausgleich, wenn (1) einer der (Ex)-Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, (2) über inländische Anrechte zu entscheiden ist, oder (3) ein deutsches Gericht die Ehe zwischen Antragsteller und Antragsgegner geschieden hat. Für Altfälle folgt die internationale Zuständigkeit aus einer doppelfunktiona- 91 len Anwendung von § 45 FGG oder aus einer ungeschriebenen Notzuständigkeit.114
VII. Zuständigkeit in Unterhaltssachen 1. Europäisches Recht Schrifttum: M. Andrae, Das neue Auslandsunterhaltsgesetz, NJW 2011, 2545; M. Andrae, Der Unterhaltsregress öffentlicher Einrichtungen nach der EuUntVO, dem HUÜ 2007 und dem HP, FPR 2013, 38; M. Andrae/M. Schimrick, EG-UntVO, in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bearb 2010, B.I.2, S 429; P. Beaumont, International Family Law in Europe – the Maintenance Project, the Hague Conference and the EC, RabelsZ 73 (2009), 509; D.-Ch. Bittmann, Europäische Unterhaltsverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 36, 2. Aufl 2010, S 2109; N. Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in Europa, 2011; P. Finger, Verordnung EG Nr 4/2009 des Rates (EuUnterhaltsVO), FuR 2011, 254; P. Finger, Neue kollisionsrechtliche Regeln für Unterhaltsforderungen, JR 2012, 51; U. P. Gruber, Die neue EGUnterhaltsverordnung, IPRax 2010, 128; W. Hau, Die Zuständigkeitsgründe der Europäischen Unterhaltsverordnung, FamRZ 2010, 516; M. Heger, Gerichtliche Zuständigkeiten nach der EuUntVO für die Geltendmachung von Kindes-, Trennungs- und Nacheheunterhalt, FPR 2013, 1; M. Heger/U. Selg, Die europäische Unterhaltsverordnung und das neue Auslandsunterhaltsgesetz, FamRZ 2011, 1101; A. Junker, Das Internationale Zivilverfahrensrecht der Europäischen Unterhaltsverordnung, FS Simotta, 2012, S 263; Ch. Kohler, Elliptiques variations sur un théme connu: compétence judiciaire, conflits de lois et reconnaissance de décisions en matière alimentaire d’apres le règlement (CE) no 4/2009 du Conseil, Liber amicorum Siehr, 2010, S 276; N. Prinz, Das neue internationale Unterhaltsrecht unter europäischem Einfluss, 2013; Th. Rauscher, Gerichtsstandsvereinbarungen in Unterhaltssachen mit Auslandsberührung, FamFR 2013, 25; K. Riegner, Die verfahrensrechtliche Behandlung von Unterhaltsstreitverfahren mit auslandsbezug nach dem FamFG, FPR 2013, 4; Ph. Reuß, Unterhaltsregreß revisited – Die internationale gerichtliche Zuständigkeit für Unterhaltsregressklagen nach der EuUntVO, FS Simotta, 2012, S 483; C. Schmidt, Internationale Unterhaltsrealisierung, 2011; D.-A. Simotta, Zur Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen nach Art 4 EU Unterhalts-VO, GS Koussoulis, 2010, S 527; M. Weber, Der europäische Unterhaltsstreit, EF-Z 2012, 88.
114 V. Gärtner IPRax 2010, 520; P. Gottwald FamRZ 2010, 148; aA OLG Karlsruhe IPRax 2010, 536.
257
92
§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
a) Zuständigkeit nach der EuUnthVO 93
Art 5 Nr 2 EuGVO wurde zum 18.6.2011 durch Art 3 EuUnthVO abgelöst,115 die für Unterhaltspflichten an die Stelle der EuGVO tritt (Art 48 I). Nach Art 3 EuUnthVO ist in Unterhaltssachen alternativ das Gericht (1) am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners, (2) am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten, (3) der Personenstandssache, mit der der Unterhaltsanspruch verbunden ist (es sei denn, dessen Zuständigkeit beruhe nur auf der Staatsangehörigkeit der Parteien) oder (4) der Sorgerechtsklage, wenn damit die Unterhaltsklage verbunden ist, zuständig. In den Fällen zu (3) ist das Amtsgericht, bei dem die Statussache anhängig ist, auch örtlich zuständig (§ 26 AUG). Hat ein Beteiligter in den Fällen zu (1) und (2) seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland, ist örtlich ausschließlich das Amtsgericht am Sitz des OLG zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner oder der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.116 Hilfsweise sind die Gerichte des Staats zuständig, dem Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter angehören (Art 6 lit a), und für Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder ehemaligen Ehegatten die Gerichte des Mitgliedstaats des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, sofern dieser erst im letzten Jahr vor Antragstellung aufgegeben wurde (Art 6 lit b).
94
Zugelassen sind auch Gerichtsstandvereinbarungen (Art 4) und die rügelose Einlassung (Art 5). Vereinbart werden dürfen a) die Gerichte des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts einer der Parteien, b) die Gerichte des Heimatstaats einer der Parteien, sowie c) für die eheliche oder nacheheliche Unterhaltspflicht (i) das für die Ehesache zuständige Gericht, oder (ii) die Gerichte des Staats des letzten gemeinsamen Aufenthalts der Ehegatten, wenn dieser mindestens ein Jahr lang andauerte.117
95
Für eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind unter 18 Jahren ist eine Gerichtsstandsvereinbarung unzulässig (Art 6 III EuUnthVO).
96
In Unterhaltssachen hält die Verordnung ein geschlossenes Zuständigkeitssystem bereit, neben dem es keinen Anwendungsbereich für nationale Regeln gibt (vgl Erwägungsgrund 15). Soweit keine Regelzuständigkeit besteht, sieht Art 6 EuUnthVO deshalb eine sog Auffangzuständigkeit vor. Danach sind die Gerichte des gemeinsamen Heimatstaats zuständig, wenn sonst keine Zuständigkeit (nach Art 3 bis 5) besteht. Bei Mehrstaatern genügt jede gemeinsame 115 VO (EG) Nr 4/2009 v 18.12.2008 (ABl EU 2009 L 7/1); vgl Hess, EuZPR, § 7 Rz 102ff; zum Kollisionsrecht vgl R. Wagner FamRZ 2006, 979; Looschelders/Boos FamRZ 2006, 374. 116 Vgl OLG Stuttgart FamRZ 2013, 559; Heger FPR 2013, 1, 3f. 117 Vgl Rauscher FamFR 2013, 25.
258
Zuständigkeit in Unterhaltssachen
§4
Staatsangehörigkeit.118 Da Art 6 aber nur Anwendung findet, wenn die Beteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Drittstaaten haben (die ihrerseits zuständig sein dürften), wird die Regelung als exorbitant kritisiert.119 Örtlich zuständig ist in diesem Fall in Deutschland das Amtsgericht PankowWeißensee (§ 27 AUG). Greift auch Art 6 EuUnthVO nicht, so hält Art 7 EuUnthVO eine Notzustän- 97 digkeit bereit, wenn es nicht möglich oder unzumutbar ist, ein Unterhaltsverfahren in einem Drittstaat einzuleiten oder zu führen. Nach Art 7 S 2 EuUnthVO muss der Rechtsstreit einen ausreichenden Bezug (früherer Aufenthalt, Belegenheit von Vermögen, familiäre Beziehungen) zum Gerichtsstand haben.120 Besteht auch diese Zuständigkeit nicht, haben sich Gerichte der Mitgliedstaaten für unzuständig zu erklären (Art 10 EuUnthVO).121 Der Begriff der Unterhaltssache ist autonom auszulegen.122 Unterhalt erfolgt 98 meist in wiederkehrenden Leistungen, doch gilt die EuUnthVO auch, wenn der Unterhalt durch Zahlung eines Pauschbetrages oder durch Übertragung von Eigentum an bestimmten Gegenständen abgegolten werden soll.123 Die EuUnthVO ist auch für vertragliche und deliktische Unterhaltsansprüche anwendbar,124 wenn sie auf einem familienrechtlichen Status beruhen. Sie gilt auch, wenn der Kläger erstmals Unterhaltsklage erhebt und der Klagegrund streitig ist.125 Zu den Unterhaltssachen gehört auch eine Klage gegen den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten auf Erstattung des durch das begrenzte Realsplitting entstandenen Schadens.126 Die EuUnthVO gilt weiterhin für einstweilige Anordnungen in einem Ehescheidungsverfahren, durch die einer der Parteien des Scheidungsstreits ein monatlicher Unterhaltsbetrag zuerkannt wird.127 Der Anspruch auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses gehört zum Unterhalt, auch wenn es sich bei dem Verfahren um eine nicht von EuGVO bzw EuUnthVO erfasste Familiensache handelt.128 Unterhalt kraft Erbrechts fällt nach Art 1 II lit a EuGVO/LugÜ derzeit aus 99 dem Anwendungsbereich des europäischen Rechts heraus. Ab 17.8.2015 gelten insoweit die Art 4ff EuErbVO. Streitig war, inwieweit der Klägergerichtsstand des Art 3 lit b EuUnthVO nicht 100 nur dem ursprünglichen Unterhaltsberechtigten, sondern auch für Regresskla118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128
Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Anh 3 Rz 56. Hau, FS v. Hoffmann, 2011, S 617, 626. Heger FPR 2013, 1, 3. Vgl Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Anh 3 Rz 61ff, 71. BGH FamRZ 2008, 40 = NJW-RR 2008, 156; Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Anh 3 Rz 2. EuGHE 1997, I-1147 (van den Boogard v Laumen) = IPRax 1999, 35 (dazu Weller S 14); Fasching/Simotta § 76a JN Rz 22. Geimer in: Geimer/Schütze EuZVR Art 5 Rz 165ff. EuGHE 1997, I-1683 (Farrell v Long) = IPRax 1998, 354 (dazu Fuchs S 327). BGH FamRZ 2008, 40 = NJW-RR 2008, 156 = MDR 2008, 85. EuGHE 1980, 731 (de Clavel v de Clavel) = IPRax 1981, 19 (dazu Hausmann S 5). MüKo/Gottwald, Art 5 EuGVO Rz 49; Geimer/Schütze Art 5 EuGVO Rz 130; aA Schlosser Art 5 EuGVVO Rz 12.
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§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
gen gegen den Unterhaltsschuldner zur Verfügung steht. Regressansprüche der öffentlichen Hand, zB nach § 94 SGB XII, § 37 BAföG oder § 7 UnterhVG, auf die der nach BGB bestehende Unterhaltsanspruch übergegangen ist, sind zwar weiterhin Zivilsachen iS des Art 1 I EuGVO/LugÜ,129 die öffentliche Hand kann ihren Regressanspruch aber nur im Wohnsitzstaat des Schuldners (Art 2), nicht aber am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten verfolgen.130 Zur Begründung verwies der EuGH (für Art 5 Nr 2 EuGVO) darauf, dass die öffentliche Hand nicht schutzbedürftig sei, im Gegenteil das Gericht am Wohnsitz des Unterhaltsschuldners dessen Leistungsfähigkeit besser beurteilen könne. Diese Rechtsprechung ist, wie Erwägungsgrund 14 und Art 64 I EuUnthVO zeigen, auf die EuUnthVO übertragbar.131 Beruht der Regressanspruch auf einer „eigenen, besonderen Befugnis“ der öffentlichen Hand, handelt es sich nicht mehr um eine „Zivilsache“.132 101 Nicht entschieden hat der EuGH, ob private nachrangige Unterhaltspflichtige, die Unterhalt geleistet haben, ihren Regressanspruch gegen den vorrangig Verpflichteten im Gerichtsstand des Art 3 lit b EuUnthVO verfolgen können. Privaten Zessionaren wird der Gerichtsstand zT auch nach den Entscheidungen des EuGH zugebilligt.133 Sieht man den Zweck des Art 3 lit b EuUnthVO freilich nur im Schutz des Unterhaltsberechtigten, so ist es konsequent auch den privaten Regressgläubiger auf den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten zu verweisen.134 102 Art 3 lit b EuUnthVO ist auch bei Klagen gegen den Unterhaltsberechtigten anzuwenden. Der Unterhaltsberechtigte kann also verklagt werden im Staate seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts, aber auch vor dem Gericht, das nach der nationalen Zuständigkeitsordnung für den Statusprozess zuständig ist, sofern der Unterhaltsanspruch im Verbund mit dem Statusprozess entschieden wird, es sei denn, die Zuständigkeit für die Statussache beruht nur auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien.135 103 Für eine Abänderungsklage bzw einen -antrag gelten keine besonderen Zuständigkeitsregeln.136 Die Zuständigkeit ist also nach Art 3ff EuUnthVO neu zu
129 EuGHE 2002, I-10489 (Gemeente Stenbergen v Baten) = IPRax 2004, 237 (dazu Martiny S 195) = ZZPInt 7 (2002), 317 (Rauscher). 130 EuGHE 2004, I-981 (Freistaat Bayern v Blijdenstein) = IPRax 2004, 240 (dazu Martiny S 195) = JZ 2004, 407 (Schlosser) = NJW 2004, 1439 = ZZPInt 9 (2004), 155 (Rauscher). 131 Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Anh 3 Rz 40; aA M. Andrae FPR 2013, 38, 41. 132 EuGHE 2004, I-981 = IPRax 2004, 240, 242 (Rz 20). 133 So Geimer, in: Geimer/Schütze, Art 5 EuGVO Rz 162f. 134 So auch Rauscher/Leible Art 5 EuGVO Rz 67. 135 Geimer/Schütze Art 5 EuGVO Rz 136; MüKo/Gottwald, Art 5 EuGVO Rz 52; Burgstaller Art 5 EuGVO Rz 39; Schlosser Art 5 EuGVVO Rz 13; Walter, IZPR der Schweiz, S 199f; Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Anh 3 Rz 26; aA Kropholler/ v. Hein Art 5 Rz 64; Fasching/Simotta § 76a JN Rz 36; Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rz 65. 136 OLG Frankfurt IPRax 1981, 136 (dazu Schlosser S 120); Schlosser Art 5 EuGVVO Rz 13.
260
Zuständigkeit in Unterhaltssachen
§4
bestimmen;137 eine Annexzuständigkeit des früher zuständigen Gerichts besteht nicht.138 Zum Beispiel kann eine in Italien wohnende unterhaltsberechtigte Frau die Erhöhung des Unterhalts nach ihrer Wahl vor italienischen Gerichten (Art 3 lit b EuUnthVO) oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Mannes in Deutschland (Art 3 lit a EuUnthVO) geltend machen.
b) Art 5 Nr 2 LugÜ Zur Erleichterung der Rechtsverfolgung stellt auch Art 5 Nr 2 lit a LugÜ für 104 den Unterhaltsberechtigten als die generell „schwächere“ Partei einen Klägergerichtsstand zur Verfügung. (Die Regelung ist bereits an die EuUnthVO angepasst.) Statt im Staate seines Wohnsitzes (Art 2) kann der Unterhaltsschuldner nach Art 5 Nr 2 auch an dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten verklagt werden. Der Wohnsitz des Berechtigten ist gem Art 59 I LugÜ nach der lex fori des angerufenen Gerichts zu bestimmen, in Deutschland also nach den §§ 7ff BGB. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist wie bei Art 4 Haager Unterhaltsübereinkommen v 2.10.1973 zu bestimmen.139 Art 5 Nr 2 LugÜ bestimmt zugleich die örtliche Zuständigkeit, Abweichungen gegenüber dem deutschen FamFG ergeben sich daraus nicht.140 Art 5 Nr 2 lit b enthält auch eine Annexzuständigkeit, wenn der Unterhalt im 105 Verbund mit einer Statussache (Scheidung, Vaterschaftsfeststellung) geltend gemacht wird und die Statuszuständigkeit nicht auf der Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten oder einer der Parteien in Abstammungsverfahren beruht. Bedauerlicherweise ist keine derartige Annexkompetenz für den Fall des gemischt-nationalen Ehepaares eröffnet.141 Hieran haben die EuGVO, die EuUnthVO und das LugÜ 2007 nichts geändert. Die Verbundzuständigkeit besteht in Deutschland gem §§ 98 II, 137 II Nr 3 FamFG sowie nach §§ 105, 237 FamFG; für den Trennungsunterhalt des Ehegatten besteht sie nicht.142 Darüber hinaus sieht Art 5 Nr 2 lit c auch eine Verbundzuständigkeit vor, 106 wenn der Unterhalt zusammen mit einem Verfahren zur elterlichen Verantwortung geltend gemacht wird, es sei denn, die Sorgerechtszuständigkeit beruht nur auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien. Nach deutschem Recht ist über Unterhalt jedoch nicht zusammen mit einer Kindschaftssache zu entscheiden, so dass die Regel hier direkt ohne Belang ist.143
137 138 139 140 141
OLG Köln NJW-RR 2005, 876; Geimer/Schütze Art 5 Rz 195. OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 55, 56. MüKo/Gottwald, Art 5 EuGVO Rz 50; Fasching/Simotta § 76a JN Rz 29. MüKo/Gottwald, Art 5 LugÜ Rz 1. Zu Recht krit. Jayme JuS 1989, 387, 390; Walter, IZPR der Schweiz, S 200; Fasching/ Simotta § 76 JN Rz 34. 142 KG FamRZ 1998, 564 = IPRax 1999, 37 (abl Schulze S 21); aA Geimer in: Geimer/ Schütze EuZVR Art 5 Rz 186. 143 Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Anh 4 Rz 24; Andrae NJW 2011, 2545, 2546.
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Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
2. Autonomes deutsches Recht 107 Für Unterhaltsverfahren besteht zwar eine internationale Zuständigkeit, soweit eine örtliche Zuständigkeit besteht (§ 105 iVm § 232 FamFG). Da die EuUnthVO aber eine umfassende Zuständigkeitsregelung enthält, hat diese Regelung unmittelbar keinen Anwendungsbereich mehr144 und ist nur noch im Rahmen der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit bei Entscheidungen aus Drittstaaten von Belang. 108 Der Unterhaltsanspruch des Kindes kann in Fällen mit Auslandsberührung vom Ehegatten nur dann in gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 1629 III BGB eingeklagt werden, wenn deutsches Recht Unterhaltsstatut ist (Art 3ff UnthProt; Art 10 Nr 2 HUÜ 1973). Generell entscheidend ist danach, wer das Kind nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts vertreten kann.145
VIII. Zuständigkeit in Güterrechtssachen 1. Europäisches Recht 109 Schrifttum: A. Dutta/F. Wedemann, Die Europäisierung des internationalen Zuständigkeitsrechts in Gütersachen, FS Kaissis, 2012, S 133; W. Hau, Zur internationalen Entscheidungszuständigkeit im künftigen Europäischen Güterrecht, FS Simotta, 2012, S 215; V. Lipp, Inhalte und Probleme einer „Brüssel III-Verordnung“ im Familienvermögensrecht, in Gottwald, Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit, 2004, S. 21; D. Martiny, Die Kommissionsvorschläge für das internationale Ehegüterrecht sowie für das internationale Güterrrecht eingetragener Partnerschaften, IPRax 2011, 437, 446; B. Nascimbene, Jurisdiction and applicable law in matrimonial matters: Rome III Regulation?, EuLF 2009, I-1. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts v 16.3.2011, KOM (2011) 126/2 (= Rom IVa-VO).
110 Der Kreis der erfassten Güterrechtssachen wird weit gezogen. Nach E Art 2 lit a Rom IVa-VO sind unter „ehelicher Güterstand“ sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen zwischen den Ehegatten sowie zwischen ihnen und Dritten zu verstehen.146 111 Der Vorschlag der Rom IVa-VO sieht folgende internationale Zuständigkeiten vor:147 (1) Ist ein Ehegatte verstorben, ist das Gericht, das nach der EuErbVO mit dem Nachlass des Ehegatten befasst ist, auch für die güterrechtliche Auseinandersetzung zuständig (Art 3 E-Rom IVa-VO).
144 Vgl Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Anh 1 Rz 3 (nur wenn Unterhalt nach FamFG, aber nicht nach EuUnthVO), Anh 3 Rz 25; Riegner FPR 2013, 4, 6. 145 Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl, S 199. 146 Zu Fernwirkungen auf das EGBGB s Coester-Waltjen FamRZ 2013, 170. 147 Zur Europäisierung des Güterrechts s K. Boele-Woelki, Cross-Border Family Relations in Europe: Towards a Common European Matrimonial Property Law, in A. Keirse and M. Loos, Alternative Ways to Ius Commune, 2012, S 33.
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Zuständigkeit in sonstigen Familiensachen
§4
(2) Sofern die Parteien dies vereinbaren (!), besteht eine internationale Verbundzuständigkeit des mit der Ehescheidung befassten Gerichts, Art 4 E-Rom IVaVO. (3) Ohne Vereinbarung sind für güterrechtliche Verfahren primär die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, Art 5 I lit a E-Rom IVa-VO. (4) Hilfsweise sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem die Eheleute ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen ihn noch in diesem Staat hat, Art 5 I lit b E-Rom IVa-VO. (5) Nochmals hilfsweise sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Art 5 I lit c E-Rom IVa-VO. (6) Schließlich sind die Gerichte des gemeinsamen Heimatstaats, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irland des Staats des gemeinsamen „domicile“ zuständig, Art 5 I lit d E-Rom IVa-VO. (7) Alternativ können die Parteien ein forum legis vereinbaren, wonach die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Sachrecht sie für ihren Güterstand gewählt haben, für Güterstandstreitigkeiten zuständig sein soll, Art 5 II E-Rom IVa-VO. (8) Ist kein Mitgliedstaat nach (1) bis (7) zuständig, so besteht eine subsidiäre, auf das im jeweiligen Mitgliedstaat belegene Vermögen (eines oder beider Ehegatten) beschränkte Zuständigkeit, Art 6 E-Rom IVa-VO. (9) Um Rechtsschutzlücken zu vermeiden, wird schließlich eine Notzuständigkeit des Mitgliedstaats eröffnet, zu dem die Sache sonst einen ausreichenden Bezug hat, sofern es unmöglich oder unzumutbar ist, den Rechtsstreit vor den Gerichten eines Drittstaats zu führen, Art 7 E-Rom IVa-VO.
2. Autonomes deutsches Recht Derzeit sind deutsche Gerichte in Güterrechtssachen international zuständig, 112 wenn ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist (§§ 105, 262 FamFG; §§ 12 ff ZPO). Ist eine Ehesache anhängig, ist das Gericht ausschließlich zuständig, bei dem die Ehesache im ersten Rechtszug anhängig ist oder war (§§ 98 II, 105, 262 I FamFG).
IX. Zuständigkeit in sonstigen Familiensachen Nach bisherigem Recht war zweifelhaft, inwieweit vermögensrechtliche An- 113 sprüche zwischen Ehegatten oder ehemaligen Ehegatten Familiensachen sind. § 266 I Nr 3 FamFG sieht nunmehr eine klare Lösung vor: Alle Ansprüche zwischen verheirateten oder früher verheirateten Personen oder zwischen diesen und einem Elternteil im Zusammenhang mit der Trennung oder Scheidung sind jetzt sog sonstige Familiensachen (§ 266 FamFG).
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§4
Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
114 Ansprüche zwischen Verlobten bei Beendigung des Verlöbnisses (§ 266 I Nr 1 FamFG) sind deliktsrechtlich zu qualifizieren. Sie unterfallen Art 2, 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ.148 115 Ansprüche aus der Ehe sind nach § 1 II lit a EuGVO vom Anwendungsbereich von EuGVO/LugÜ ausgeschlossen. 116 Ansprüche aus dem Umgangsrecht sind von der EheGVO (Brüssel IIa-VO) erfasst. 117 Vermögensrechtliche Ansprüche zwischen den Ehegatten bzw Ehegatten und Eltern (§ 266 I Nr 3 FamFG) sind gewöhnliche zivilrechtliche Ansprüche, die internationale Zuständigkeit folgt primär aus Art 2ff EuGVO. 118 Soweit diese Regeln nicht greifen, besteht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, soweit eine örtliche Zuständigkeit gegeben ist (§§ 105, 267 FamFG). Zuständig ist danach das Gericht der Scheidungssache, wenn der Anspruch im Verbund geltend gemacht wird, sonst das für gewöhnliche Zivilverfahren örtlich zuständige Gericht (§ 267 II FamFG; §§ 12ff ZPO).
X. Zuständigkeit in Lebenspartnerschaftssachen 119 In der EU wird parallel zur Rom IVa-VO für güterrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Lebenspartnern eine Rom IVb-VO vorbereitet.149 120 Für Lebenspartnerschaftssachen sind derzeit die deutschen Gerichte gem § 103 Abs. 1 FamFG international zuständig. Diese Zuständigkeit besteht, (a) wenn einer der Lebenspartner Deutscher ist oder bei Begründung der Lebenspartnerschaft war, (b) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, oder (c) wenn die Lebenspartnerschaft vor einem deutschen Standesbeamten begründet worden ist. 121 Die Zuständigkeit für ein Aufhebungsverfahren erstreckt sich auch auf Folgesachen (§ 103 II FamFG).150 122 Die Zuständigkeiten für Kindschafts-, Adoptions- und Versorgungsausgleichssachen gelten entsprechend (§ 103 III FamFG). In sonstigen vermögensrechtlichen Verfahren zwischen Lebenspartnern besteht eine internationale Zuständigkeit, soweit eine örtliche Zuständigkeit gegeben ist (§§ 103 III, 105, 270 FamFG).
XI. Zuständigkeit in Betreuungssachen 123 Schrifttum: O. Beller, Die Vorschriften des FamFG zur internationalen Zuständigkeit, ZFE 2010, 52, 56; T. Guttenberger, Das Haager Übereinkommen über den internationa148 Prütting/Helms/Hau § 105 FamFG Rz 19. 149 Vorschlag v 16.3.2011 KOM (2011) 127/2. 150 Prütting/Helms/Hau § 103 FamFG Rz 11ff; vgl C. González Beilfuss, YearbookPIL 13 (2011), 183, 191ff.
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Zuständigkeit in Betreuungssachen
§4
len Schutz Erwachsener, 2004; T. Guttenberger, Das Haager Übereinkommen …, BtPrax 2006, 83; Helms, Reform des internationalen Betreuungsrechts durch das Haager Erwachsenenschutzübereinkommen, FamRZ 2008, 1995; Röthel/Woitge, Das ESÜ-Ausführungsgesetz, IPRax 2010, 409; Siehr, Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen, RabelsZ 64 (2000), 715; Siehr, Der internationale Schutz Erwachsener nach dem Haager Übereinkommen von 1999, FS Henrich, 2000, S 567; Staudinger/v. Hein, Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen, in EGBGB/IPR, Vorbem zu Art 24 EGBGB, Bearb. 2008, Rz 68ff; Wagner/ Beyer, Das Haager Übereinkommen v 13.1.2000 zum internationalen Schutz Erwachsener, BtPrax 2007, 231.
1. Zuständigkeit nach ErwSÜ Nach Art 5 I ErwSÜ sind die Gerichte des Vertragsstaats, in dem der betreu- 124 ungsbedürftige Erwachsene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, Maßnahmen zum Schutz seiner Person oder seines Vermögens zu treffen.151 Bei Flüchtlingen oder durch nationale Unruhen Vertriebenen sind die Gerichte des Aufenthaltsstaats zuständig (Art 6 I ErwSÜ). Wechselt der zu Betreuende seinen gewöhnlichen Aufenthalt, werden die Gerichte des neuen Aufenthaltsstaats zuständig (Art 5 II ErwSÜ); der Grundsatz der perpetuatio fori gilt nicht.152 Jedoch sind die Gerichte des Heimatstaats zuständig, wenn sie der Ansicht 125 sind, das Wohl des Erwachsenen besser beurteilen zu können (Art 7 I ErwSÜ), wenn sie zuvor die Gerichte des Aufenthaltsstaats benachrichtigt haben (außer bei Flüchtlingen und Vertriebenen). Dies gilt freilich nicht, wenn die Behörden des Aufenthaltsstaats mitteilen, dass die gebotenen Maßnahmen schon getroffen wurden, nichts veranlasst ist oder ein Verfahren im Aufenthaltsstaat bereits anhängig ist (Art 7 II ErwSÜ).153 Die Behörden des Aufenthaltsstaats können die Rechtsache allerdings nach 126 Art 8 ErwSÜ an einen anderen Staat abgeben, wenn dies dem Wohl des Erwachsenen dient.
2. Autonomes deutsches Recht Nach deutschem Recht besteht eine internationale Zuständigkeit in Betreu- 127 ungs- und Unterbringungssachen nach § 104 I FamFG, wenn der Betroffene (1) Deutscher ist (unabhängig davon, in welchem Land er sich aufhält), (2) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ferner (3) soweit der Betroffene sonst der Fürsorge durch ein deutsches Gericht bedarf.
151 Helms FamRZ 2008, 1995, 1996; Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 73ff. 152 Prütting/Helms/Hau, § 104 FamFG Rz 24; Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 76. 153 Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 93f.
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Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
128 Entfällt der zuständigkeitsgründende Umstand nach Einleitung des Verfahrens, so gilt nicht der Grundsatz der perpetuatio fori, entscheidend ist vielmehr, ob die Fortsetzung des Verfahrens im Inland angemessen ist.154 Ist im Ausland bereits ein Verfahren mit gleichem Gegenstand anhängig, kann das deutsche Gericht von einer Sachentscheidung absehen oder das Verfahren an das Ausland abgeben (§§ 104 II, 99 II, III FamFG).155
XII. Zuständigkeit in Erbrechtssachen 129 Schrifttum: A. Bonomi, Successions internationales, conflit de lois et de juridictions, RecdCours 350 (2010), 71; H. Dörner/P. Lagarde, Étude de droit comparé sur les règles des conflits de juridictions et de conflits de lois relatives aux testaments et successions dans les Etats membres de l’Union Européenne, Rapport Final, (DNotI) 2002; A. Dutta, Das neue internationale Erbrecht der Europäischen Union, FamRZ 2013, 4; T. Frantzen, Europäisches internationales Erbrecht, FS Jayme, 2004, S. 187; U. Haas, Der europäische Justizraum in „Erbsachen“, in Gottwald, Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit, 2004, S 43; St. Herzog, Die EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO), ErbR 2013, 2; P. Kindler, From Nationality to Habitual Residence: Some brief remarks on the future EU Regulation on International Successions and Wills, Liber amicorum Siehr, 2010, S 251; D. Leipold, Die internationale Zuständigkeit in erbrechtlichen Verfahren, FS Erecin´ski, 2011, S 1155; St. Lorenz, Erbrecht in Europa – Auf dem Weg zu kollisionsrechtlicher Rechtseinheit, ErbR 2012, 39; Ch. Majer, Die Geltung der EU-Erbrechtsverordnung für reine Drittstaatensachverhalte, ZEV 2011, 445; Rauscher/Rauscher, Vorschlag vom 14.10.2009 für eine Verordnung … in Erbsachen, in EuZPR/EuIPR, Bearb. 2010, Teil B I 5, S 813; S. Weber, Das Internationale Zivilprozessrecht erbrechtlicher Streitigkeiten, 2012; F. Wilke, Das internationale Erbrecht nach der neuen EU-Erbrechtsverordnung, RIW 2012, 601. Verordnung (EU) Nr 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl EU 2012 L 201/107). Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM (2009) 154 v 14.10.2009. M. Buschbaum, Europäische Union. Erbrechtsverordnung, ZEV 2012, 198; H. Dörner, EuErbVO: Die Verordnung zum Internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht ist in Kraft!, ZEV 2012, 505; R. Geimer, Die geplante Europäische Erbrechtsverordnung, in G. Reichelt/W. Rechberger, Europäisches Erb- und Erbverfahrensrecht, 2011, S 1; Ch. Kohler/W. Pintens, Entwicklungen im europäischen Familien- und Erbrecht, FamRZ 2012, 1425; MPI, Comments on the European Commission’s Proposal …, RabelsZ 74 (2010), 522; Th. Rauscher, EG-ErbVO-E, in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, EuZPR/EuIPR, Bearb. 2010, B IV 1, S 869; J. Remde, Die Europäische Erbrechtsverordnung nach dem Vorschlag der Kommission vom 14. Oktober 2009, RNotZ 2012, 65; U. Simon/M. Buschbaum, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, NJW 2012, 2393; R. Wagner, Der Kommissionsvorschlag vom 14.10.2009 zum internationalen Erbrecht. Stand und Perspektiven, DNotZ 2010, 506.
154 Prütting/Helms/Hau, § 104 FamFG Rz 24. 155 Prütting/Helms/Hau, § 104 FamFG Rz 25.
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Zuständigkeit in Erbrechtssachen
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1. Streitsachen a) Europäisches Recht Eine europäische Zuständigkeitsordnung gibt es nach der VO (EU) Nr 650/2012 130 v 4.7.2012156 ab dem 17.8.2015. Ab dann sind in grenzüberschreitenden Fällen für Erbrechtsstreitigkeiten generell die Gerichte des EU-Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art 4 EuErbVO). Hatte der Erblasser für seine Nachfolge aber das Recht eines anderen Mitgliedstaats gewählt, so können die Betroffenen die Zuständigkeit der Gerichte oder eines Gerichts dieses Mitgliedstaats als ausschließlich zuständig vereinbaren (Art 5 I EuErbVO). Hat der Erblasser für seine Erbfolge nach Art 22 EuErbVO das Recht eines an- 131 deren EU-Mitgliedstaats gewählt, so kann sich das nach Art 4 angerufene Gericht für unzuständig erklären, wenn die Gerichte des gewählten Mitgliedstaats die Erbsache besser entscheiden können (Art 6 lit a EuErbVO).157 Gleiches gilt, wenn die Beteiligten die Zuständigkeit des Mitgliedstaats des gewählten Rechts nach Art 5 vereinbart haben (Art 6 lit b EuErbVO). Die Gerichte des Staats, dessen Recht der Erblasser für seine Nachfolge (nach 132 Art 22 EuErbVO) gewählt hat, sind zuständig, (1) wenn sich die zuvor angerufenen Gerichte nach Art 6 lit a. für unzuständig erklärt haben, (2) wenn die Beteiligten die Zuständigkeit des Gerichts dieses EU-Mitgliedstaats vereinbart haben, oder (3) hilfsweise wenn die Beteiligten die Zuständigkeit ausdrücklich anerkannt haben (Art 7 EuErbVO). Haben nicht alle Beteiligten die Zuständigkeit vereinbart, so bleibt die Zuständigkeit doch weiterbestehen, wenn sich die nicht an der Vereinbarung Beteiligten rügelos auf das Verfahren einlassen (Art 9 I EuErbVO). Hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Dritt- 133 staat, so sind die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem sich Nachlass befindet, für einen Streit um den gesamten Nachlass zuständig, wenn (1) der Erblasser Angehöriger dieses Mitgliedstaats war, (2) der Erblasser seinen früheren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, wenn der frühere Aufenthalt nicht länger als fünf Jahre zurückliegt (Art 10 I EuErbVO). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, sind die Gerichte eines Mitgliedstaats aber für den Streit um das in diesem Mitgliedstaat belegene Nachlassvermögen zuständig (Art 10 Abs. 2 EuErbVO).
156 ABl EU Nr L 201/107 v. 27.7.2012. 157 Wilke RIW 2012, 601, 603 (Novum im Zuständigkeitsrecht); St. Herzog ErbR 2013, 2, 10.
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Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
135 Schließlich sieht Art 11 EuErbVO noch eine Notzuständigkeit vor: Ist kein Gericht eines Mitgliedstaats sonst nach der ErbVO zuständig, so können die Gerichte eines Mitgliedstaats dennoch über eine Erbsache entscheiden, wenn es im Einzelfall unzumutbar oder unmöglich ist, einen Rechtsstreit in einem Drittstaat durchzuführen, zu dem die Sache einen engen Bezug hat. Ein ausreichender Bezug zu dem angerufenen Mitgliedstaat muss aber bestehen.158
b) Das deutsch-türkische Nachlassabkommen Schrifttum: Dörner, Das deutsch-türkische Nachlassabkommen, ZEV 1996, 90; Ch. Majer, Das deutsch-türkische Nachlassabkommen – ein Anachronismus, ZEV 2012, 182.
136 Nach § 15 dieses Abkommens159 sind Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsansprüche zum Gegenstand haben, soweit es sich um beweglichen Nachlass handelt, ausschließlich vor den Gerichten des jeweiligen Heimatrechts, bezüglich des unbeweglichen Nachlasses im Belegenheitsstaat zu erheben.160 137 Nach Art 30 türk. IPRG können in der Türkei Prozesse, die sich auf eine Erbschaft beziehen, vor den Gerichten des letzten Wohnsitzes des Erblassers und, wenn er diesen nicht in der Türkei gehabt hat, vor dem Gericht des Ortes geführt werden, an dem sich Nachlassgegenstände befinden.161 Hat der Erblasser kein Vermögen in der Türkei hinterlassen, so fehlt ein zuständiges Gericht. Im Wege der Notzuständigkeit (s o § 3 Rz 496) ist deshalb auf § 27 ZPO zurückzugreifen. Auch im Übrigen widerspricht es dem Anspruch auf Rechtsschutz, Beteiligte, die häufig sämtlich und langjährig im Inland leben, für Erbstreitigkeiten an entfernte Heimatstaatgerichte zu verweisen.162
c) Autonomes deutsches Recht 138 Derzeit gilt das autonome deutsche Recht noch vollständig. Danach sind für erbrechtliche Zivilprozesse die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der §§ 12 ff. ZPO anwendbar. Zusätzlich gibt es den besonderen Gerichtsstand der Erbschaft am letzten allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers für alle Klagen, die die Erbschaft betreffen (§ 27 ZPO). 139 Der besondere Gerichtsstand der Erbschaft (§ 27 ZPO) besteht vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten allgemeinen Gerichtsstand, also meist seinen letzten Wohnsitz hatte (§§ 12, 13 ZPO; 7 BGB). Hatte ein deutscher Erblasser keinen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, kann an
158 Vgl Kohler/Pintens FamRZ 2012, 1425, 1427. 159 Anlage zu Art 20 deutsch-türkischer Konsularvertrag v 28.5.1929, RGBl 1930 II, 758; abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 62. 160 Vgl OLG Köln IPRspr 1986, Nr 109; LG München I FamRZ 2007, 1250 (krit Bauer); krit. Ch. Majer ZEV 2012, 182, 185. 161 IPRax 1982, 257. 162 Krit auch Dörner ZEV 1996, 90, 96; Atali, Internationale Zuständigkeit im deutschtürkischen Rechtsverkehr, 2001, S 122; Ch. Majer ZEV 2012, 182, 184f.
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Zuständigkeit in Erbrechtssachen
§4
seinem letzten allgemeinen inländischen Gerichtsstand, hilfsweise am Sitz der Bundesregierung geklagt werden (§ 27 II ZPO).
2. Erbscheinsverfahren a) Europäisches Recht Schrifttum: M. Buschbaum/M. Kohler, Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts in Europa, GPR 2010, 106 u. 162; M. Buschmann/U. Simon, EuErbVO: Das Europäische Nachlasszeugnis, ZEV 2012, 525; K. W. Lange, Das geplante Europäische Nachlasszeugnis, DNotZ 2012, 168; W. Rechberger, Das Europäische Nachlasszeugnis und seine Wirkungen, ÖJZ 2012, 14; P. Schroer, Europäischer Erbschein, 2010.
140
Fast noch wichtiger als die Zuständigkeit für streitige Zivilprozesse ist in 141 Erbsachen die Erteilung eines Nachlasszeugnisses, in Deutschland des Erbscheins. Die Nachlassabwicklung erfolgt bislang in allen Mitgliedstaaten in höchst unterschiedlicher Weise, teils erteilen Gerichte Erbscheine, teils wird der Nachlass durch Notare, teils durch Anwälte abgewickelt. Bisher erteilte Erbscheine werden in anderen Ländern meist nicht anerkannt. Hinterlässt ein Erblasser daher Vermögen in mehreren Staaten, so muss jeweils beschränkt auf den jeweiligen Staat ein Erbfolgezeugnis nach dessen Recht beantragt werden usw. Dies ist zumindest aufwendig und nicht praktisch. Das Haager Übereinkommen über die internationale Nachlassverwaltung v 142 2.10.1973 sieht ein internationales Zertifikat vor, bei dessen Vorlage über den beweglichen Nachlass auch in einem anderen Staat verfügt werden darf.163 Das Übereinkommen gilt aber nur für Portugal, die Slowakei und die Tschechische Republik. Deutschland hat das Übereinkommen nicht gezeichnet. Die EuErbVO (Nr 650/2012) führt daher ab dem 17.8.2015 ein Europäisches 143 Nachlasszeugnis ein (Art 62). Dieses Europäische Nachlasszeugnis soll die nationalen Zeugnisse nicht ersetzen, sondern ist nur als fakultative Alternative vorgesehen (Erwägungsgrund 69, Art 62 II EuErbVO). Zuständig für die Erteilung ist das Gericht, das in Nachlasssachen nach den 144 Art 4, 7, 10 oder 11 zuständig ist (Erwägungsgrund 70, Art 64).164 Für die Erteilung zuständig sind die Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers (Art 4 EuErbVO). Bei einer Rechtswahl des Erblassers sind unter den Voraussetzungen von Art 7 EuErbVO die Gerichte des Staats zuständig, dessen Recht der Erblasser gewählt hat. Hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Dritt- 145 staat, sind die Gerichte des Mitgliedstaats für den ganzen Nachlass zuständig, dessen Angehöriger der Erblasser war. Subsidiär ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Erblasser vorher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn dieser bei Anrufung des Gerichts nicht mehr als fünf Jahre zurückliegt (Art 10 I EuErbVO).
163 Vgl Staudinger/Dörner Vor Art 25 EGBGB Rz 128ff. 164 Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162, 167.
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Internationale Zuständigkeit in Familien- und Erbrechtssachen
146 Besteht danach keine allgemeine Zuständigkeit, ist jeder Mitgliedstaat für den in seinem Gebiet belegenen Nachlass zuständig (Art 10 II EuErbVO). 147 Wirkung. Das Europäische Nachlasszeugnis wird in allen Mitgliedstaaten als Nachweis der Stellung des Erben und Vermächtnisnehmer sowie der Befugnisse der Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter anerkannt (Art 63 II EuErbVO). Seine inhaltliche Richtigkeit wird vermutet (Art 69 II EuErbVO). An eine durch das Europäische Nachlasszeugnis legitimierte Person kann befreiend geleistet werden (Art 69 II EuErbVO). Wer von dem durch das Nachlasszeugnis als Berechtigter Bezeichneten erwirbt, wird so behandelt, als habe er vom Berechtigten erworben, sofern er nicht die Unrichtigkeit des Zeugnisses kannte oder sie ihm als Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (Art 69 III EuErbVO).
b) Das deutsch-türkische Nachlassabkommen 148 Nach § 17 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens v 28.5.1929165 sind türkische Zeugnisse über Rechte der Erben oder von Testamentsvollstreckern, für die Erbfolge hinsichtlich des beweglichen Nachlasses auch in Deutschland anzuerkennen, wenn der Erblasser türkischer Staatsangehöriger war. Die Echtheit des Zeugnisses wird durch eine Beglaubigung durch einen türkischen Konsul oder diplomatischen Vertreter nachgewiesen.
c) Autonomes deutsches Recht Schrifttum: L. Kroiß, Das neue Nachlassverfahrensrecht, 2009; L. Kroiß, Die internationale Zuständigkeit im Nachlassverfahren nach dem FamFG, ZEV 2009, 493.
149 Mit dem Inkrafttreten des FamFG ist auch nach autonomem deutschem Recht eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn nunmehr gilt für die Zuständigkeit für die Erteilung eines Erbscheins nicht mehr der Gleichlaufgrundsatz.166 Nach § 105 FamFG iVm § 343 FamFG besteht die internationale Zuständigkeit für die Erteilung eines Erbscheins immer, wenn der Erblasser einen inländischen Wohnsitz oder zumindest einen inländischen Aufenthalt zur Zeit des Erbfalls hatte (§ 343 I FamFG). Ein ausländischer Wohnsitz schließt die inländische Aufenthaltszuständigkeit nicht aus.167 Zuständig sind deutsche Gerichte außerdem, wenn der Erblasser (ohne inländischen Wohnsitz oder Aufenthalt) Deutscher war (§ 343 II FamFG).168 Zuständig ist dann grds das Amtsgericht Schöneberg in Berlin. War der Erblasser Ausländer, so ist das Gericht, in dessen Bezirk sich (bewegliche oder unbewegliche) Nachlassgegenstände befinden, für den gesamten (auch den im Ausland belegenen)169 Nachlass zuständig (§ 343 III FamFG). An165 166 167 168 169
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RGBl 1930 II 748. Keidel/Zimmermann, § 343 FamFG Rz 51. Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig, § 343 FamFG Rz 8. Einzelheiten bei Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz 59ff. Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz 93f.
Zuständigkeit in Erbrechtssachen
§4
ders als bisher besteht für ausländische Erblasser stets eine unbeschränkte Zuständigkeit, auch wenn sich die Erbfolge nach ausländischem Recht richtet. Nach dem neugefassten § 2369 BGB kann der Antrag auf Erteilung eines Erb- 150 scheins (aus Kostengründen) aber auf das inländische Vermögen beschränkt werden, wenn zur Erbschaft auch Auslandsvermögen gehört. Diese Möglichkeit ist nicht auf Fälle beschränkt, bei denen ausländisches Recht Erbstatut ist.170 Die Möglichkeit dieser Beschränkung auf das inländische Vermögen ist auch in Fällen der Nachlassspaltung sinnvoll, wenn das Inlandsvermögen nach deutschem Recht, das Auslandsvermögen aber nach ausländischem Erbstatut vererbt wird.
170 MüKo/J. Mayer, 5. Aufl 2007, § 2369 BGB Rz 6f, 17ff.; Bamberger/Roth/Siegmann/ Höger, BGB, 3. Aufl, § 2369 Rz 1a.
271
§ 5 Ausländer als Verfahrensbeteiligte Inhaltsübersicht I. Der prozessuale Status von Ausländern 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zugang zu Gericht . . . . . . . . . . . 4. Die Parteifähigkeit von Ausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Parteifähigkeit von Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Parteifähigkeit ausländischer Staaten und internationaler Organisationen . . . . . . . . . 7. Die Prozessfähigkeit von Ausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Postulationsfähigkeit; Zustellungsbevollmächtigter; Prozessvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Prozessführungsbefugnis im IZPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 7 13 20
36 43
53 61
II. Sicherheitsleistung 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Die Sicherheitsleistung für Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . 71 III. Prozesskostenhilfe und Prozesskostenvorschuss 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
2. Prozesskostenhilfe in internationalen Fällen a) Prozesskostenhilfe für Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haltung des Auslandes . . . . . c) Grenzüberschreitende PKH-Anträge zwischen EU-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aus dem Ausland eingehende Anträge . . . . . . . . . (2) Ausgehende Gesuche . . . d) Anträge nach den HZÜ 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prozesskostenvorschuss in internationalen Fällen . . . . . . . . IV. Ausländer und die deutsche Sprache 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schriftsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mündliche Verhandlung . . . . . . 4. Fremdsprachige Dokumente. . . 5. Sprache im Rechtshilfeverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Dolmetscher . . . . . . . . . . . . . . . .
120 134
136 137 144 151 160
164 165 169 173 174 175
I. Der prozessuale Status von Ausländern 1. Schrifttum 1
Th. Baumgarten, Der richtige Kläger im deutschen, französischen und englischen Zivilprozess, 2001; Beys, Neue Wege zur Bestimmung der Rechts- und Parteifähigkeit, FS Schütze, 1999, S 117; A. Beranek, Die Parteifähigkeit, 2008; Berndt, Die Rechtsfähigkeit US-amerikanischer Kapitalgesellschaften im Inland, JZ 1996, 187; Binz/Mayer, Die Rechtsstellung von Kapitalgesellschaften aus Nicht-EU/EWR/USA-Staaten mit Verwaltungssitz in Deutschland, BB 2005, 2361, Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften auf Gleichbehandlung im deutschen und US-amerikanischen Recht, 1994; T. Cebeciog˘lu, Stellung des Ausländers im Zivilprozessrecht, 2000; Dammann, Amerikanische Gesellschaften mit Sitz in Deutschland, RabelsZ 68 (2004), 607; Ebke, Gesellschaften aus Delaware auf dem Vormarsch: Der BGH macht es möglich, RIW 2004, 740; Fragistas, Die Prozessstandschaft im IZPR, FS Lewald, 1953, S 471; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995; R. Garnett, Substance and Procedure in Private International Law, 2012; Geimer, Menschenrechte im internationalen Verfahrensrecht, in: Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, 1994, S 213; R. Garnett, Verfassung, Völkerrecht und internationales Zivilverfahrensrecht, ZRvgl 1992, 321; Gottwald/Klamaris, Die Stellung des Ausländers im Prozess, in: Habscheid/Beys,
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Der prozessuale Status von Ausländern
§5
Grundfragen des Zivilprozessrechts, 1989, S 1; L. Haertlein, Ausländische Parteien im Bankprozess, FS der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, S 453; B. Heß, Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen, FS Schütze, 1999, S 269; R.-A. Hirth, Das „Registered Office“ in Singapur und Malaysia, FS Schütze, 1999, S 287; L. Hübner, Kollisionsrechtliche Behandlung von Gesellschaften aus „nichtprivilegierten“ Drittstaaten, 2011; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozessrecht, 1995; Kralik, Die Prozessfähigkeit des Ausländers, ZfRV 11 (1970), 161; Lindacher, Wettbewerbsprozess und Staatenimmunität, WRP 1999, 54; Luther, Zum Rechtsschutz des Ausländers in der deutschen Rechtspflege, FS Bosch, 1976, S 559; Matscher, Die Verfahrensgarantien der EMRK in Zivilrechtssachen, österr ZöRV 31 (1980), 1; T. Oda, Überlegungen zur Prozessfähigkeit von Ausländern, FS Konzen, 2006, S 603; Pagenstecher, Werden die Partei- und die Prozessfähigkeit eines Ausländers nach seinem Personalstatut oder nach den Sachnormen der lex fori beurteilt?, ZZP 64 (1951) 249; Ratka, Sitzverlegung von Gesellschaften in der EU, 2002; Rinne, Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisions- und Sachrecht, 1998; A. Schnyder, Der Sitz von Gesellschaften im Internationalen Zivilverfahrensrecht, FS Schütze, 1999, S 765; Smid, Prozessführungsbefugnis des gemeinschuldnerischen Unternehmensträgers in den konkursgerichtlichen Reorganisationsverfahren in Italien, DZWIR 2003, 57; Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis, 2005; Stalev, Die Fremde im Zivilprozess, in: Zeitgenössische Fragen des IZVR, 1972, 31; N. Tomschin, Die Anerkennung US-amerikanischer Gesellschaften in Deutschland, 2011; G. Wagner, Scheinauslandsgesellschaften im Europäischen Zivilprozessrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, 223; Wenckstern, Inländische Briefkastenfirmen im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht, FS Drobnig, 1998, S 465; M. Wolf, Abbau prozessualer Schranken im europäischen Binnenmarkt, Symposium Baur, 1992, S 35.
2. Einführung Da sich in Deutschland (Mai 2011) ständig etwa 6,2 Millionen Ausländer1 (7,7 % der Gesamtbevölkerung) aufhalten, überdies der internationale Waren-, Kapital- und Personenverkehr unentwegt zunimmt, bedarf es einer besonderen Prüfung, in welchem Maß und Umfang Ausländer in einem Zivilprozess in gleicher Weise oder anders behandelt werden wie Inländer.
2
Ausländer ist jeder, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt. Ist eine Person 3 mit anderen Staatsangehörigkeiten auch Deutscher, so ist sie im Inland nur als Deutsche zu behandeln (Art 5 I 2 EGBGB). Wie Inländer zu behandeln sind Flüchtlinge, Staatenlose und Asylberechtigte. 4 Nach Art 12 des Genfer UN-Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v 18.7.1991,2 Art 12 des New Yorker UN-Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen v 28.9.19543 bzw § 2 I AsylVfG 1992 bestimmt sich ihr Personalstatut nach den Gesetzen des Landes, in dem sie ihren Wohnsitz, hilfsweise ihren Aufenthalt haben. Nach Art 16 I des FlüchtlingsAbkommens, Art 16 I des Staatenlosen-Übereinkommens bzw § 2 I AsylVfG 1992 haben diese Personen freien und ungehinderten Zugang zu Gericht; nach Art 16 II Flüchtlings-Abkommen, Art 16 II Staatenlosen-Übereinkommen bzw 1 Stat. Bundesamt, Pressemitteilung v 31.5.2013, www.destatis.de. 2 BGBl 1953 II, 560. 3 BGBl 1976 II, 474.
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Ausländer als Verfahrensbeteiligte
§ 2 I AsylVfG genießen sie Inländerbehandlung hinsichtlich des Zugangs zu Gericht, des Armenrechts (Prozesskostenhilfe) und der Befreiung von der Sicherheitsleistung für Prozesskosten.4 5
Grds sind Inländer und Ausländer im Zivilprozess gleich zu behandeln. Dies folgt bereits aus Art 3 I GG. Der Gleichheitssatz schließt aber sachlich gebotene Sonderregeln nicht aus. Das Wort „Ausländer“ bzw „Angehörige fremder Staaten“ kommt in der ZPO nur an wenigen Stellen vor, zB in den §§ 55, 110 ZPO. In anderen Vorschriften wie zB bei § 328 ZPO wird nicht mehr auf die deutsche Staatsangehörigkeit abgestellt. Der deutsche Gesetzgeber hat mithin der Forderung Jherings entsprochen, dass „der Prozess für die Parteien die Anerkennung ihrer prinzipiellen rechtlichen Gleichheit enthält und seine ganze Einrichtung darauf berechnet ist, Licht und Sonne gleichmäßig zu verteilen“.5
6
Wenn dennoch gewisse Unterschiede von Einheimischen und Fremden im Zivilprozess gemacht werden, so hat Isay eine solche unterschiedliche Behandlung mit dem Grundsatz des Äquivalentes zu erklären versucht: wenn schon ein Staat auch Fremden gerichtlichen Schutz gewähre, so könne er von den Fremden ein gewisses Verhalten verlangen und für sie insoweit besondere Prozessvorschriften erlassen.6 De lege ferenda könnten viele dieser besonderen Vorschriften abgebaut werden, wenn sich alle Staaten entschließen würden, auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit im Zivilprozess zugunsten aller Rechtsuchenden zu verzichten. Davon sind wir leider immer noch weit entfernt (s o § 1 Rz 33ff).
3. Zugang zu Gericht 7
a) Schon nach allgemeinem Völkerrecht haben Ausländer ein Recht auf Zugang zu Gericht. Ihnen steht der innerstaatliche Rechtsweg offen.7 In einigen multilateralen Übereinkommen und bilateralen Staatsverträgen ist das Recht auf Zugang zu Gericht besonders festgehalten, so in Art 16 UN-FlüchtlingsAbkommen 1951, Art 16 UN-Übereinkommen über Staatenlose 1954, Art 7 Europäisches Niederlassungsabkommen 1955, Art VI (1) des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrags und Art 8 II deutsch-persisches Niederlassungsabkommen 1929.
8
b) Ein Anspruch auf Rechtsschutz ist Inländern und Ausländern auch verfassungsrechtlich garantiert. Art 24 der italienischen Verfassung sieht dies explizit vor. Aber auch nach dem Grundgesetz hat jedermann (aus dem Rechtstaatsprinzip) einen Anspruch auf Justiz (oder Justizgewährung), insb stehen die Rechte aus Art 101 I 2 GG und Art 103 I GG auch jeder ausländischen Person zu.8 4 5 6 7
Vgl auch Lass, Der Flüchtling im deutschen IPR, 1995, S 174ff. Der Zweck im Recht, 1877, Bd I, 387. Das deutsche Fremdenrecht, Ausländer und Polizei, 1923, 56. BVerfGE 60, 253, 303f = NJW 1982, 2425, 2430; Verdross/Simma § 1213; Schütze, IZPR, Rz 183. 8 BVerfGE 64, 1, 11 = NJW 1983, 2766; Geimer ZfRV 5 (1992), 321, 326.
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§5
Zugang zu Gericht bedeutet für den Kläger das Recht, Klage erheben und für 9 den Beklagten, sich effektiv verteidigen zu können. Dieses Verfassungsrecht auf Justiz darf nicht von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden.9 c) Recht auf persönliches Erscheinen vor Gericht. Soweit vor Gericht münd- 10 lich verhandelt wird, hat die ausländische Partei aufgrund ihres Rechts auf Justiz und Zugang zu Gericht (Art 103 I GG) auch die Befugnis, persönlich an der Verhandlung teilzunehmen, dh in den Verfahrensstaat (Deutschland) einzureisen, an der Gerichtssitzung teilzunehmen und ungehindert wieder auszureisen.10 Ein solches Recht entspricht nicht dem allgemeinen Völkerrecht. Danach genügt es, dass der Zugang zu Gericht durch einen frei gewählten Prozessbevollmächtigten ausgeübt werden kann. Dieser darf nicht zurückgewiesen werden, weil die Partei nicht persönlich erscheint. d) Freies Geleit. Ein Recht auf freie Ein- und Ausreise garantieren die Rechts- 11 hilfeverträge nur für Zeugen und Sachverständige (so zB Art 20 Haager Übereinkommen zur Erleichterung des internationalen Zugangs zu Gericht von 1980). Der BGH hat die Möglichkeit, freies Geleit auch für Parteien zu gewähren, auf eine analoge Anwendung von § 295 StPO gestützt.11 Sicheres Geleit kann danach jedem Verfahrensbeteiligten in allen Verfahren unter Abwägung des Beweisinteresses und des Strafverfolgungsinteresses des Staats gewährt werden. In eindeutigen Fällen kann ein solches Recht darüber hinaus als Teil des Justizanspruchs angesehen werden; auch Art 6 I EMRK bildet eine Rechtsgrundlage.12 Droht bei einer Einreise zur Teilnahme am Gerichtsverfahren jedoch eine Verhaftung, so hat die betroffene Partei soweit möglich das Recht auf Antrag per Video-Live-Schaltung an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.13
12
4. Die Parteifähigkeit von Ausländern Nach § 50 I ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Unter der Parteifähigkeit 13 versteht man die Fähigkeit, als Kläger oder Beklagter, als Nebenintervenient, Antragsteller oder -gegner in einem Prozess aufzutreten. Nach § 253 II Nr 1 ZPO muss die Klageschrift die Bezeichnung der Parteien enthalten. Die ZPO geht also davon aus, dass der Kläger die Parteien benennt. Das Gericht prüft von Amts wegen, ob die Parteifähigkeit der Parteien, die in der Klageschrift bezeichnet sind, gegeben ist (§ 56 I ZPO). Stellt sich heraus, dass es eine Partei
9 Geimer ZfRV 1992, 321, 328 Fn 57. 10 Nagel ZZP 75 (1962), 408, 426; krit. Haertlein, FS 600 Jahre Universität Leipzig, 2009, S 453, 456. 11 BGH NJW 1991, 2500; Geimer, IZPR, Rz 2390; G. Bauer, Das sichere Geleit unter besonderer Berücksichtigung des Zivilprozessrechts, 2006, S 193ff; aA Haertlein, FS 600 Jahre Universität Leipzig, S 453, 457. 12 Geimer, in: Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, 1993, S 213, 223. 13 House of Lords (Polanski v Condé Nast Publ. Ltd.) RIW 2006, 301 (Knöfel).
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Ausländer als Verfahrensbeteiligte
nicht gibt oder dass sie nicht parteifähig ist, so muss die Klage durch ein Prozessurteil abgewiesen werden.14 14
a) Bei natürlichen Personen bestehen keine Schwierigkeiten. Insoweit können die Parteifähigkeit und die Rechtsfähigkeit als Synonyme betrachtet werden. Der prozessuale Begriff der Parteifähigkeit wird dem materiellen Recht des BGB entnommen.
15
Nach heute hM ist die Parteifähigkeit einer ausländischen natürlichen Person nach ihrem Heimatrecht zu bestimmen. Das deutsche IZPR verweist mithin nicht auf die Regeln des materiellen Rechts über die Rechtsfähigkeit, sondern die des Prozessrechts des Heimatstaats über die Parteifähigkeit,15 auch wenn beides bei natürlichen Personen meist zusammenfällt.16 In der Schweiz ist parteifähig, wer nach schweizer Recht, also der lex fori rechtsfähig ist.17
16
Eheleute können unabhängig voneinander klagen und verklagt werden. Cal. CCP §§ 370, 371 stellt ausdrücklich klar, dass Eheleute unabhängig voneinander verklagt werden können und dass ihre Parteirechte bei gemeinsamer Klage unabhängig voneinander sind.
17
b) Nichtrechtsfähige Vereine. Die Parteifähigkeit deckt sich aber nicht immer mit dem materiellen Begriff der Rechtsfähigkeit. Parteifähig ist bereits, wer nach Heimatrecht nur parteifähig ist.18 Zur Erleichterung des inländischen Rechtsverkehrs ist § 50 ZPO aber auch direkt gegenüber Ausländern anzuwenden: Parteifähig ist danach auch, wer nach Heimatrecht nur rechtsfähig ist.19 Nach der Neufassung des § 50 II ZPO besitzt der nicht rechtsfähige Verein volle Parteifähigkeit; er kann klagen und verklagt werden. Nachdem der BGH der BGB-Außengesellschaft Rechts- und Parteifähigkeit zuerkannte,20 war die frühere Regel einer nur passiven Parteifähigkeit obsolet geworden.
18
Die deutsche Neuregelung gilt aber nicht für ausländische Vereinigungen. Deren Parteifähigkeit richtet sich weiterhin nach dem Heimatrecht. § 55 ZPO gilt insoweit nicht. Französische Fonds-Gesellschaften (Fonds commun de placement à risques; Fonds communs de placement dans l’innovation) sind nicht parteifähig.21
14 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 41 Rz 21, § 43 Rz 5, 43. 15 Für Abstellen auf die jeweilige lex fori Schütze, IZPR, Rz 186. 16 Geimer, IZPR, Rz 2202; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 43 Rz 3; Kropholler, IPR, § 56 IV 5; Stein/Jonas/Bork, § 50 ZPO Rz 50; vgl Furtak, Parteifähigkeit in Zivilverfahren, 1995, S 54ff, 120ff; M. Wolf, Symposium Baur, S 35, 45. 17 Vgl Walter, IZPR der Schweiz, S 282. 18 Schack IZVR Rz 598; Haertlein FS 600 Jahre Universität Leipzig, S 453, 459. 19 Wieczorek/Hausmann § 50 Rz 73. 20 BGHZ 146, 341, 347 = NJW 2001, 1056; BGH NJW 2002, 1207. 21 IPG 2007/08 Nr 51 (S. 665).
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Nach skandinavischer Tradition besitzen auch nichteingetragene Vereine die 19 Rechts- und Parteifähigkeit. Einem solchen Verein ist für die Klage in Deutschland die aktive Parteifähigkeit zuzuerkennen.22
5. Die Parteifähigkeit von Gesellschaften a) Für deutsche Handelsgesellschaften ist die Parteifähigkeit im HGB unmit- 20 telbar geregelt. Nach § 124 I HGB kann eine OHG unter ihrer Firma klagen und verklagt werden. Sie ist aktiv und passiv parteifähig, obwohl sie keine juristische Person ist.23 Ihr wird auch die materiellrechtliche Fähigkeit verliehen, unter ihrer Firma Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Dasselbe gilt nach § 161 II HGB für die Kommanditgesellschaft, nach § 493 III HGB für die Reederei,24 nach § 7 II PartGG für die Partnerschaftsgesellschaft sowie nach Art 1 II EWIVVO für die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung. b) Die Parteifähigkeit ausländischer juristischer Personen und Personengesell- 21 schaften und sonstiger Vereinigungen wird gem § 50 ZPO implizit nach ihrem Heimatrecht beurteilt.25 Zweifelhaft ist freilich, auf welches Recht abzustellen ist, wenn eine Gesellschaft Beziehungen zu mehreren Staaten hat. Während zur Bestimmung des Sitzes für die internationale Zuständigkeit nach Art 60 I EuGVO alternativ (a) auf den satzungsmäßigen Sitz, (b) den Ort der Hauptverwaltung oder (c) den Ort der Hauptniederlassung abzustellen ist, war die Anknüpfung der Rechts- und Parteifähigkeit Gegenstand erheblichen Streits. Das deutsche IPR und Prozessrecht knüpfte beide nach der sog Sitztheorie an 22 das Recht des Staats an, in dem der Sitz der Hauptverwaltung, der tatsächliche Verwaltungssitz liegt.26 Der effektive Verwaltungssitz liegt dort, wo die grundlegenden Unternehmensentscheidungen getroffen werden; die Abwicklung lediglich sekundärer Verwaltungstätigkeiten oder die bloße Registrierung beim Handelsregister genügen grds nicht.27 Hat eine im Ausland gegründete Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwal- 23 tungssitz jedoch von Anfang an in Deutschland (sog Scheinauslandsgesellschaft) oder verlegt sie ihn später hierher, so sollte sie danach ihre Rechts- und 22 Ekelöf, Rättegång, 4. Aufl 1974, Bd. II, 43; Munch/Petersen, in: Leske/Loewenfeld I. Bd 1933, 459 für Dänemark; Alten in: Leske/Loewenfeld, 486 für Norwegen. 23 Baumbach/Hopt, § 124 HGB Rz 42. 24 Schaps/Abraham, Seerecht, 4. Aufl 1977, § 489 HGB, Rz 14. 25 Vgl aber T. Schemmann, Parteifähigkeit im Zivilprozess, 2002, S 126ff. 26 So BGHZ 97, 269, 271 = NJW 1986, 2194; KG RIW 1997, 597 = IPRax 1998, 360; OLG Hamm RIW 1997, 236, 237 = IPRax 1998, 358; zu beiden Bungert IPRax 1998, 339; Stein/Jonas/Bork § 50 Rz 36; Zöller/Vollkommer § 50 Rz 21; Geimer, IZPR, Rz 2208ff; MüKo/Kindler, IntGesR, Rz 420, 427ff, 455ff; Staudinger/Großfeld, IntGesR, 14. Bearb 1998, Rz 26, 85. 27 LG Essen NJW 1995, 1500 – Time Sharing Anbieter, registriert auf der Isle of Man; ebenso OLG München NJW-RR 1995, 703, luxemburgische Societé Anonyme; vgl R. Werner, Der Nachweis des Verwaltungssitzes ausländischer juristischer Personen, 1998.
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(aktive) Parteifähigkeit verlieren, wenn sie nicht nach deutschem Gesellschaftsrecht neu gegründet wurde.28 Auf diese Weise sollte erreicht werden, dass der inländische Standard an Gläubigerschutz für alle im Inland tätigen Gesellschaften gilt. Mit dem prozessualen Grundprinzip eines freien Zugangs zum Recht war und ist die reine Sitztheorie dagegen nicht vereinbar. 24
(1) Für Gesellschaften, die in der Europäischen Union gegründet sind, hat der EuGH mehrfach entschieden, dass die Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit nach Art 43, 48 EGV (aF) nicht vereinbar sei. Danach gilt eine sog europarechtliche Gründungstheorie:29 Jede in einem EU-Staat wirksam gegründete Gesellschaft behält danach die im Gründungsstaat erworbene Rechts- und Parteifähigkeit bei ihrer Sitzverlegung in einen anderen EU-Staat,30 und zwar gleichgültig, ob sie eine Geschäftstätigkeit auch im Gründungsstaat oder von Anfang an nur eine Geschäftstätigkeit im „Niederlassungs“-Staat unterhält. Konsequenterweise entfallen dann Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit mit der Löschung der Gesellschaft im Gründungsstaat.31 Hat eine solche Gesellschaft aber Vermögen im Inland, so besteht die Rechtsfähigkeit dieser Restgesellschaft so lange fort, als die Liquidation des inländischen Vermögens nicht abgeschlossen ist.32 Diese Theorie beruht vor allem auf drei Entscheidungen: (i) Im Centros-Urteil v 9.3.199933 entschied der EuGH, dass eine im England von Dänen gegründete plc (eine reine Briefkastenfirma) eine „Zweigniederlassung“ in Dänemark errichten kann, um ausschließlich von dort aus ihre Geschäfte zu führen. (ii) Im Fall „Überseering“ entschied der EuGH am 5.11.2002,34 dass eine niederländische GmbH („B.V.“), die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, aufgrund der Niederlassungsfreiheit der Art 43, 48 EG (jetzt Art 49, 54 AEUV) auch im Zuzugsstaat ihre Rechts- und Parteifähigkeit als niederländische Gesellschaft behalten muss. 28 So BGH (30.3.2000) ZIP 2000, 967 = EuZW 2000, 412 (Vorlage an den EuGH); OLG Zweibrücken RIW 2001, 373. 29 Vgl MüKo/Kindler, IntGesR Rz 361ff. 30 Zur Sitzverlegung im Verhältnis Deutschland – Polen s Ch. Teichmann/P. Ptak RIW 2010, 817. 31 Vgl OLG Düsseldorf ZIP 2010, 1852, 1853; AG Duisburg IPRax 2005, 151 (dazu Borges S 134); LG Duisburg ZIP 2007, 925. 32 OLG Düsseldorf ZIP 2010, 1852, 1853 (dazu Mock, EWiR § 50 ZPO 1/11, 67); Haertlein, FS 600 Jahre Universität Leipzig, S 453, 460. 33 EuGHE 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027; dazu Kindler NJW 1999, 1993; Sonnenberger/ Großerichter RIW 1999, 721; Behrens IPRax 1999, 32; EuGHE 1999, I-1459 = ZIP 1999, 438 = NJW 1999, 2027; dazu G. Roth ZIP 1999, 861 u. Werlauff ZIP 1999, 867; Höfling DB 1999, 1206 u. EuZW 2000, 145; Leible NZG 1999, 298; Kindler NJW 1999, 1993; Geyrhalter EWS 1999, 201; Ebke u. Ulmer JZ 1999, 656 u. 662; Meilicke DB 1999, 627; Behrens IPRax 2000, 384; Timme/Hülk JuS 1999, 1055; Steindorff JZ 1999, 1140; Sonnenberger/Großerichter RIW 1999, 721; Brödermann ZZPInt 4 (1999), 259, 269; Puszkajler IPRax 2000, 79. 34 EuGHE 2002, I-9919 = NJW 2002, 3614 = RIW 2002, 945 (dazu Leible/Hoffmann S 925) = ZZPInt 7 (2002), 293 (Pfeiffer) = IPRax 2003, 65 (dazu W. H. Roth S 117).
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(iii) Im Urteil „Inspire Art“ v 30.9.200335 hielt es der EuGH ua für unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit, dass eine englische Gesellschaft (mit ausschließlicher Tätigkeit in den Niederlanden) eine Zweigniederlassung nur unter der ausdrücklichen Angabe, es handele sich um eine ausländische Gesellschaft, errichten dürfe. Ob diese Entscheidungen der deutschen Sitztheorie innerhalb der EU vollständig den Boden entzogen haben,36 ist hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls ergibt sich aus diesen Urteilen, dass die in einem EU-Staat erworbene (und fortbestehende) Rechts- und Parteifähigkeit in jedem anderen EU-Staat ohne Einschränkungen anzuerkennen ist.37 (2) Gleiches gilt gem Art 31 EWR-Abk. für Gesellschaften, die in einem EWR- 25 Staat gegründet worden sind. Dies hat der BGH mit Urteil v 19.9.2005 für eine liechtensteinische Aktiengesellschaft anerkannt,38 die ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat. Für Schweizer Gesellschaften mit Sitz in Deutschland gilt dies nicht, da die Schweiz dem EWR nicht beigetreten ist.39 (3) Die Rechts- und Parteifähigkeit nach dem Gründungsrecht besteht auch für 26 in den USA nach dortigem Recht gegründete Gesellschaften nach Art XXV (5) des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrags v 7.5.1956.40 Satz 2 dieser Bestimmung lautet: „Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften eines Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, gelten als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Status wird in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt.“
In den USA inkorporierte Gesellschaften sind danach in Deutschland anzuerkennen, unabhängig davon, wo sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz befindet (Gründungsrechtstheorie).41 Davon will die Rspr eine Ausnahme für reine Briefkasten- und Scheingesellschaften machen.42 Das Erfordernis eines „genui-
35 EuGHE 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331; dazu Altmeppen NJW 2004, 97; Behrens IPRax 2004, 20. 36 Dagegen MüKo/Kindler, IntGesR Rz 132, 139. 37 BGHZ 154, 185 = NJW 2003, 1461 (Überseering); BGH ZIP 2005, 805 = DB 2005, 1047. 38 BGHZ 164, 148 = DB 2005, 2345 = RIW 2005, 945 (Leible/Hoffmann) = MDR 2006, 105 (Haack). 39 BGH RIW 2009, 79, 81 (Tz 20). 40 BGBl 1956 II, 487, 500; vgl D. Kaulen, Die Anerkennung von Gesellschaften unter Artikel XXV Abs 5 S 2 des deutsch-US-amerikanischen Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsverträgen von 1954, 2008; N. Tomschin, Die Anerkennung US-amerikanischer Gesellschaften in Deutschland, 2011; MüKo/Kindler, Int.GesR Rz 333ff. 41 Vgl BGHZ 153, 353 = NJW 2003, 1607 = RabelsZ 68 (2004), 770 (dazu Dammann S 607) = RIW 2004, 787 (dazu Ebke RIW 2004, 740); BGH ZIP 2004, 2230 = RIW 2005, 147. 42 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1124 = JuS 1995, 1037 (Hohloch); krit. J. Berndt JZ 1996, 187; vgl auch Ebenroth/Kemner/Willburger ZIP 1995, 972; Ebenroth/Bippus NJW 1988, 2137, 2138ff.
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ne link“ zu den USA legt der BGH aber eng aus; nur Missbrauchsfällen soll dadurch entgegengewirkt werden.43 27
(4) Im Verhältnis zu anderen Drittstaaten bleibt dagegen die bisherige Sitztheorie anwendbar.44 In Deutschland wird die Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaats danach teilweise nur anerkannt, wenn sich dort auch der Verwaltungssitz befindet.45 Schwierigkeiten können sich aber selbst dann aus den Anforderungen für einen Nachweis der (aktuellen) Existenz der Gesellschaft ergeben.
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(5) Hat die im Drittstaat gegründete Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aber im Inland oder verlegt sie ihn später hierher, ohne dass eine Neugründung nach deutschem Recht erfolgt, so folgt daraus entgegen der früheren Ansicht des BGH46 nicht das Fehlen von Rechts- und Parteifähigkeit. Denn eine Gesellschaft ohne Gesellschafter gibt es nicht. Führt die Sitzverlegung aber zu einem Statutenwechsel, so ist die Gesellschaft eben als deutsche Gesellschaft anzusehen.
29
Betreibt die Gesellschaft ein Handelsgewerbe, so ist sie mangels abweichender Vereinbarungen als offene Handelsgesellschaft zu behandeln und daher rechtsund parteifähig (§ 124 HGB).47 Betreibt sie kein Handelsgewerbe, so handelt es sich nach deutschem Recht um eine BGB-Gesellschaft.48 Soweit diese eine Außengesellschaft ist, ist sie nach der neuesten Rechtsprechung des BGH ebenfalls rechts- und parteifähig.49 Im Ergebnis sollte die Sitztheorie daher auch gegenüber einer Partei aus einem Drittstaat jedenfalls für Fragen der Parteifähigkeit aufgegeben werden.50
30
(6) Sonderstellung inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen. Die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens teilt grds das rechtliche Schicksal der ausländischen Firma, weil die Zweigniederlassung keine eigene Rechtsfähigkeit besitzt.51 Der ausländische Unternehmer kann aus den von und mit einer Zweigniederlassung geschlosse43 BGH IPRax 2005, 339 (dazu M. Stürner S 305) = JZ 2005, 303 (Rehm); BGH ZIP 2004, 2230 = RIW 2005, 147 = NZG 2005, 44 = IPRax 2005, 340 (dazu M. Stürner S 305) = JZ 2005, 298 (Ebke). 44 MüKo/Kindler, Int.GesR Rz 455ff, 420ff. 45 Vgl KG DB 2005, 1158, 1159; Wagner, Scheinauslandsgesellschaften, S 223, 229f. Vgl dagegen de lege ferenda: Sonnenberger/Bauer RIW 2006, Beil 1, S 3 (Anknüpfung an Registerrecht). 46 BGH ZIP 2000, 967 = EuZW 2000, 412 (Vorlage an EuGH). 47 BGH RIW 2009, 79, 81 (Schweizer AG); BGH ZIP 2009, 2385 (in Singapur gegründete Ltd.) (krit Lieder/Kliebisch, EWiR § 11 GmbHG 1/10, 117). 48 BGHZ 151, 204 = MDR 2002, 1382 (Haack) = NJW 2002, 3539; vgl W.-H. Roth ZIP 2000, 1597, 1600; Binz/Mayer BB 2005, 2361. 49 BGHZ 146, 341ff = NJW 2001, 1056; dazu K. Schmidt NJW 2001, 993; Ulmer ZIP 2001, 585, 590; Timme/Hülk JuS 2001, 536; Hadding ZGR 2001, 712, 729ff; BGH ZIP 2002, 614. 50 Ebenso Stein/Jonas/Bork § 50 Rz 51; Rehm JZ 2005, 304; weitergehend Paal RIW 2005, 738. 51 So BGH MDR 1952, 99; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 43 Rz 7; Stein/Jonas/Bork § 50 Rz 54.
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Der prozessuale Status von Ausländern
§5
nen Rechtsgeschäften unter der Firma der inländischen Zweigniederlassung klagen und verklagt werden, wenn diese von der Firma des Hauptunternehmens abweicht.52 Die inländische Zweigstelle einer Bank mit Sitz in einem anderen Staat gilt 31 nach § 53 I 1 KWG als Kreditinstitut; nach § 53 III KWG darf für Klagen mit Bezug auf diesen Geschäftsbetrieb der Gerichtsstand der Niederlassung nicht ausgeschlossen werden (s o § 3 Rz 428). Diese Regel gilt allerdings nicht gegenüber Banken aus EU-bzw EWR-Staaten (§ 53b I 2 KWG), da die Rechtsverfolgung in einem dieser Staaten gegenüber der Klage im Inland als gleichwertig gilt. Nach § 53c Nr 2 KWG kann das Bundesministerium der Finanzen eine Freistellung von § 53 KWG auch für Unternehmen mit Sitz in bestimmten Drittstaaten durch Rechtsverordnung anordnen. In seinem Urteil v 2.4.197053 hat der BGH wegen eines besonders gelagerten 32 Falles anders entschieden: „Ist für eine Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts ein Abwickler bestellt worden, so ist das Kreditinstitut ohne Rücksicht auf sein rechtliches Schicksal im Ausland für den Geschäftsbereich des Abwicklers parteifähig und wird in diesem Umfang vom Abwickler gesetzlich vertreten.“ Dabei wurde ausdrücklich der Grundsatz wiederholt, dass sich die Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit einer juristischen Person nach dem Recht ihres Sitzes richteten. Etwas anders müsse aber für den Sonderfall gelten, wenn es sich um eine Zweigstelle eines Kreditinstituts handele, weil der Gesetzgeber eine solche im Inland befindliche Zweigstelle als selbständiges Kreditinstitut fingiere, das der Aufsicht des Bundesaufsichtsamts unterworfen sei. c) Für juristische Personen und andere parteifähige Gebilde wird die Partei- 33 fähigkeit primär aus der Rechtsfähigkeit nach Heimatrecht abgeleitet.54 Für problematische Fälle ist aber direkt auf das Personalstatut abzustellen.55 Soweit solche Einrichtungen nach Heimatrecht nur parteifähig, nicht aber rechtsfähig sind, wie die englische partnership, ist auch dies im Wege der Lückenfüllung anzuerkennen.56 Parteifähig ist also, wer nach Heimatrecht rechtsfähig oder/und parteifähig ist. Schließlich ist die Parteifähigkeit solcher Gebilde anzuerkennen, die im Inland den Rechtsschein der Rechtsfähigkeit gesetzt haben.57 Für Personen, Anstalten und Behörden des öffentlichen Rechts gilt nach § 89 BGB Entsprechendes.
52 BGHZ 4, 62; Staub/Hüffer, HGB-Großkommentar, 4. Aufl 1983, Vor § 13 Rz 20; Baumbach/Hopt, HGB, § 13 HGB Rz 7. 53 BGH NJW 1970, 1187. 54 BGHZ 159, 94, 100 = NJW 2004, 2523; BGHZ 154, 185, 190 = NJW 2003, 1461: MüKo/Kindler, IntGesR, Rz 470ff, 587. 55 MüKo/Kindler, IntGesR, Rz 587; Staudinger/Großfeld, IntGesR, 14. Bearb, Rz 289ff; v Bar/Mankowski IPR I Rz 367; vgl Furtak, Parteifähigkeit, S 159ff. 56 BGH IPRax 2000, 21, 22 (dazu H. Roth S 11); Staudinger/Großfeld, IntGesR, 14. Bearb., Rz 292; MüKo/Kindler, IntGesR, Rz 470ff, 487. 57 BGH NJW 1960, 1204/05.
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34
§5 35
Ausländer als Verfahrensbeteiligte
In einer Reihe von bilateralen Freundschafts- und Niederlassungsabkommen ist die Parteifähigkeit ausländischer Gesellschaften nach Heimatrecht ausdrücklich festgelegt (zB in Art 1 dt.-niederl. Vertrag über gegenseitige Anerkennung der Aktiengesellschaften).58
6. Die Parteifähigkeit ausländischer Staaten und internationaler Organisationen 36
a) Ausländische Staaten sind als juristische Personen parteifähig. Ein nicht anerkannter Staat ist für den Gerichtsstaat an sich nicht existent und wäre damit nicht parteifähig.59 Dieses Ergebnis wäre aber für den Rechtsschutz der Gegenpartei häufig fatal. Der englische Court of Appeal hat deshalb für die Republik Ciskei (ein von England nicht anerkanntes Homeland) angenommen, tatsächlich handele es sich um ein Organ der anerkannten Republik Südafrika, das unter seinem Namen letztlich für Südafrika handeln könne.60 Das japanische Recht geht ebenfalls von der völkerrechtlichen Anerkennung aus, billigt einem „effektiven Staat“ (zB Taiwan) aber (bezogen auf sein tatsächliches Herrschaftsgebiet) ebenfalls Parteifähigkeit zu.61 Dieser pragmatischen, an den Bedürfnissen des Zivilrechtsverkehrs orientierten Lösung ist für das deutsche Recht zu folgen.
37
b) Die Parteifähigkeit internationaler Organisationen (mit öffentlich-rechtlichen Funktionen) ist zum Teil ausdrücklich festgelegt. (1) Die Vereinten Nationen sind nach Art I Abschn 1 des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der UN v 13.2.194662 parteifähig, Sonderorganisationen der UN sind parteifähig nach dem Abkommen über ihre Vorrechte und Befreiungen v 21.11.1947 (Art II § 3 [c]).63
38
(2) Die Europäische Union ist parteifähig gem Art 282 EGV (jetzt Art 335 AEUV); sie wird von der Kommission vertreten.
39
(3) Andere internationale Organisationen, die am Welthandel teilnehmen, haben idR einen Sitz und Rechts- und Parteifähigkeit im Staat ihres Sitzes. Dies gilt sowohl für den International Tin Council (London) wie für den Arab Monetary Fund (Abu Dhabi).64 Sollte eine internationale Organisation ohne nationale Anbindung am Wirtschaftsleben teilnehmen, so wäre ihr – zur Gewährleistung umfassenden Rechtsschutzes – ebenfalls Parteifähigkeit zuzuerkennen.65
58 59 60 61 62 63 64
Eine vollständige Übersicht findet sich bei MüKo/Kindler, IntGesR Rz 328ff. Vgl Jacob, Private international litigation, 1988, S 309f. GUR Corporation v Trust Bank of Africa, [1987] Q.B. 559. Tsutsui ICLQ 37 (1988), 325, 328f. BGBl 1980 II, 943. BGBl 1954 II, 641. Vgl Arab Monetary Fund v Hashim (no 3) [1991] 2 A.C. 114 (H.L.); Hill, International Commercial Disputes, 1994, 18ff. 65 Vgl aber Staudinger/Großfeld, IntGesR, 14. Bearb, Rz 730.
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Der prozessuale Status von Ausländern
§5
(4) Die Parteifähigkeit internationaler „non governmental organizations“
40
Für internationale nichtstaatliche Organisationen66 (außerhalb des Wirtschaftsbereichs) gelten generell die allgemeinen Regeln über die Rechts- und Parteifähigkeit juristischer Personen, in Deutschland also die Sitztheorie (mit Anknüpfung an den effektiven Verwaltungssitz). Diese Anknüpfung wird den Bedürfnissen von Organisationen mit international operierender Geschäftsführung oder rotierendem executive office nicht gerecht. Bei ihnen passt aber auch die Gründungsrechtstheorie nur bedingt, da der faktive Gründungsort vielfach zufällig ist. Soweit solche Organisationen freilich nach außen tätig werden und Vermögen besitzen, sollte ihre allgemeine Parteifähigkeit entsprechend der der BGB-Außengesellschaft allgemein, unabhängig von einer mehr oder weniger gewollten Sitzanknüpfung anerkannt werden.67 Das Europarats-Übereinkommen über die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit internationaler nichtstaatlicher Organisationen v 24.4.198668 folgt der Gründungstheorie; Deutschland hat es bisher nicht ratifiziert.
41
Im deutschen Zivilprozess ist die Parteifähigkeit von Amts wegen zu prüfende 42 Prozessvoraussetzung. Es findet aber keine Amtsaufklärung statt. Trägt die Partei daher keine ausreichenden Tatsachen vor, damit ihre Parteifähigkeit (positiv) beurteilt werden kann, so wird ihre Klage als unzulässig abgewiesen.69
7. Die Prozessfähigkeit von Ausländern Der prozessuale Begriff der Prozessfähigkeit wird wiederum in Beziehung ge- 43 setzt zu dem materiellrechtlichen Begriff der Geschäftsfähigkeit, § 51 ZPO. Darüber hinaus bestimmt Art 7 I 1 EGBGB, dass die Geschäftsfähigkeit einer Person nach den Gesetzen des Staats beurteilt wird, dem sie angehört. In diesem Falle meint Pagenstecher,70 § 55 ZPO setze voraus, dass es eine (geschriebene oder ungeschriebene) deutsche Kollisionsnorm gebe, wonach sich die Prozessfähigkeit eines Ausländers nach seinem Personalstatut richte.71 Wie bei der Parteifähigkeit wird auch hier wiederum mit einer prozessualen Kollisionsnorm gearbeitet. Geschäftsfähigkeit und Prozessfähigkeit können auch auseinanderfallen, wie 44 die Beispiele der §§ 9 I Nr 3, 4, 125 I FamFG zeigen. Schon deswegen empfiehlt es sich, von einer prozessualen Kollisionsnorm auszugehen. Pagenstechers An-
66 Vgl F. Blum, Anerkennung von NOGs (nichtstaatlichen Organisationen) im IPR, Diss. Regensburg 2001. 67 F. Blum (Fn 65), S 160; Staudinger/Großfeld, IntGesR, 14. Bearb, Rz 722ff, 726. 68 Annuaire Européen 34 (1988), 35. 69 LG Essen TransportR 1997, 37, 38 („IATA“ mit angeblichem Sitz in Kanada). 70 ZZP 64 (1951), 278. 71 MüKo/Kindler, IntGesR, Rz 588; Staudinger/Großfeld, IntGesR, 14. Bearb, Rz 295.
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§5
Ausländer als Verfahrensbeteiligte
sicht hat sich daher zu Recht weitgehend durchgesetzt;72 da die Prozessfähigkeit auf die Geschäftsfähigkeit abstelle, sei auch diese maßgebend dafür, ob ein Ausländer prozessfähig sei.73 45
Die Prozessfähigkeit natürlicher Personen bestimmt sich traditionell nach ihrem Personalstatut.74 Steht ein Ausländer im Inland unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) und wird diese Anordnung im Heimatstaat nicht anerkannt, so ist er im Inland gleichwohl als prozessunfähig zu behandeln.75 Das neue tschechische IPR knüpft die Prozessfähigkeit dagegen an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts an (§ 9 II tschech. IPRG v. 25.1.2012).76
46
Gesetzlicher Vertreter. Wer die prozessunfähige Partei vertritt, bestimmt nicht das Heimatrecht des Betroffenen, sondern (soweit keine staatsvertragliche Sonderregelung besteht)77 das Statut, das für die elterliche Sorge bzw für Betreuung und Vormundschaft maßgeblich ist.78 Soweit es danach einen generellen gesetzlichen Vertreter mit umfassender Vertretungsbefugnis gibt, etwa die Eltern für Kinder, wie nach § 1629 BGB, sind diese Regeln heranzuziehen.
47
Es gibt jedoch Länder, in denen das Gericht im Einzelfall einen besonderen Prozessvertreter zu bestellen hat. Nach CPR r 21.2 müssen Kinder und „patients“ in England im Gerichtsverfahren aktiv und passiv durch einen „litigation friend“ vertreten werden. Dieser wird durch das Gericht bestellt (CPR r 21.6ff); ohne eine solche Bestellung kann der Betreuer eines „patient“ oder jede kompetente Person ohne gegenläufige Interessen als „litigation friend“ nach Maßgabe von CPR r 21.4 und 21.5 auftreten.
48
Die Prozessfähigkeit juristischer Personen, nicht rechtsfähiger Handelsgesellschaften, nicht rechtsfähiger Vereinen und nicht rechtsfähiger Vermögensmassen richtet sich nach dem Recht des Sitzes der Hauptverwaltung des jeweiligen Gebildes.
49
Dieses „Heimatrecht“ entscheidet auch darüber, welches Organ bzw welche gesetzlichen Vertreter das entsprechende Gebilde vor Gericht vertreten.79 Die OHG wird im Prozess durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter vertreten.80 Durch einen entsprechenden ausländischen Registerauszug wird die
72 So Rosenberg/Schwab/Gottwald § 44 Rz 4; Geimer IZPR, Rz 2029; Stein/Jonas/Bork § 55 ZPO Rz 1; auch Soergel/Kegel Art 7 Rz 9; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori, 1995, S 92ff; aA BGHZ 19, 240 = JZ 1956, 535; Oda, FS Konzen, S 603, 613ff. 73 Ebenso Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 55 ZPO Anm 1; M. Wolf, Symposium Baur, 1992, S 35, 45. 74 Schack, IZVR, Rz 603. 75 Oda, FS Konzen, S 603, 616. 76 Vgl P. Dobiáš, Die Neuregelung des IPR in der Tschechischen Republik, RIW 2012, 671, 673. 77 Vgl Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 55 Rz 8. 78 Geimer, IZPR, Rz 2220; Schack, IZVR Rz 606. 79 MüKo/Kindler, IntGesR, Rz 582; Staudinger/Großfeld, IntGesR, 14. Bearb, Rz 279. 80 Staub/Habersack, § 124 HGB Rz 27.
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Der prozessuale Status von Ausländern
§5
Vertretungsberechtigung nachgewiesen, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für dessen Unrichtigkeit bestehen.81 Ob ein ausländischer Staat durch die „richtige“ Regierung bzw das richtige Or- 50 gan vertreten ist, entscheidet grds ebenfalls das Recht dieses Staats. Wird eine „Regierung“ aber vom Gerichtsstaat diplomatisch nicht anerkannt, so kann sie den ausländischen Staat nicht vertreten.82 Ist ein Ausländer im Ausland entmündigt worden, so ist er nach seinem Hei- 51 matrecht grds prozessunfähig. Die ausländische Entmündigung wird nach § 108 FamFG regelmäßig unter Angleichung an das Inlandsrecht als Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt anerkannt. Eine prozessuale Schutzvorschrift, vergleichbar der materiellrechtlichen Kolli- 52 sionsnorm des Art 12 EGBGB, enthält § 55 ZPO. Danach gilt „ein Ausländer, dem nach dem Recht seines Landes die Prozessfähigkeit mangelt, als prozessfähig, wenn ihm nach dem Recht des Prozessgerichts die Prozessfähigkeit zusteht“. Diese Prozessfähigkeit kraft lex fori kennt auch § 33 jap. ZPO nF oder § 3 österr ZPO. Die Lösung führt aber nicht unbedingt zu einer Vereinfachung des Rechtsstreits. Wird nämlich der Inlandsprozess ohne den nach Heimatrecht erforderlichen gesetzlichen Vertreter durchgeführt, so wird das Urteil im Heimatstaat möglicherweise nicht anerkannt und vollstreckt.83 Sinnvoll ist die Lösung daher nur, solange es keiner Vollstreckung im Heimatstaat bedarf.
8. Postulationsfähigkeit; Zustellungsbevollmächtigter; Prozessvollmacht Von der Postulationsfähigkeit spricht man, wenn es um die Frage geht, ob eine 53 Partei sich selbst vor Gericht vertreten kann oder aber sich eines bei Gericht zugelassenen Rechtsanwalts bedienen muss. Hierüber entscheidet ausschließlich die lex fori des angerufenen Gerichts. In deutschen Anwaltsprozessen (§ 78 ZPO, § 114 FamFG) muss sich auch ein Ausländer eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts bedienen. Er kann sein prozessuales Handeln nur mit und durch ihn bewirken. Die ausländische Partei kann sich auch innerhalb der EU84 nicht darauf berufen, dass vor dem vergleichbaren Gericht ihres ausländischen (Wohn-)Sitzes kein Anwaltszwang herrscht. Davon abgesehen steht es der ausländischen Partei frei, einen ausländischen Anwalt zu den Gerichtsverhandlungen mitzubringen. Das Gericht lässt auch Fragen oder Ausführungen eines ausländischen Anwalts zu, wenn der postulationsfähige deutsche Rechtsanwalt das beantragt. Wenn ein Ausländer sich in einem Anwaltsprozess nur durch einen bei dem 54 deutschen Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen kann, so folgt bereits hieraus, dass die Prozessvollmacht nach deutschem Recht zu
81 OLG München ZIP 2010, 1182. 82 Vgl Republic of Somalia v Woodhouse Drake & Carey (Suisse) S.A. [1993] Q.B. 54. 83 Vgl Gottwald, Der Ausländer im Prozess, in: Habscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozessrechts, 1987/91, S 3, 74. 84 AA M. Wolf, Symposium Baur, S 35, 48f.
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Ausländer als Verfahrensbeteiligte
beurteilen ist.85 Der BGH86 hat entschieden, nach deutschem IZPR sei für die Rechtsbeständigkeit und die Rechtswirkungen einer Prozessvollmacht das deutsche Recht maßgebend, wenn die Prozessvollmacht für einen im Inland zu führenden Zivilprozess erteilt worden ist. Dabei behandelt der BGH die Prozessvollmacht als Prozesshandlung und wendet schon deswegen die lex fori an.87 Der Umfang der Prozessvollmacht richtet sich stets nach der lex fori des Prozessgerichts, nicht nach dem Sitz der beauftragten Anwaltskanzlei.88 Ob ein Vertreter einer ausländischen Gesellschaft Vertretungsmacht hatte, dem deutschen Anwalt Prozessvollmacht zu erteilen, ist dagegen nach dem Recht des Sitzes der Gesellschaft bzw der Niederlassung, von der aus gehandelt wird, zu beurteilen. 55
Die Prozessvollmacht muss im Inlandsprozess in deutscher Sprache nachgewiesen werden (§ 184 GVG). Ist die Originalvollmacht in einer Fremdsprache erteilt, muss rechtzeitig eine zertifizierte Übersetzung vorgelegt werden, sonst wird die Klage als unzulässig abgewiesen.89
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Eine nicht im Inland wohnende Partei hat nach § 184 I ZPO auf Anordnung des Gerichts einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, sofern sie nicht bereits durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist. Die Bestellung hat bei der nächsten mündlichen Verhandlung, oder (vorher) in dem ersten eigenen Schriftsatz zu erfolgen. Unterbleibt die Benennung, so können alle Zustellungen an die Partei durch Aufgabe zur Post ausgeführt werden, ohne dass es auf den tatsächlichen Empfang ankäme.
57
Da es sich um eine fiktive Inlandszustellung handelt, stehen EuZustVO und HZustÜ (s u § 8 Rz 57, 87) nicht entgegen. Nach der Neufassung von § 184 II ZPO muss das Gericht die Auslandspartei in der Anordnung auf die Rechtsfolgen der fehlenden Bestellung des Zustellungsbevollmächtigten hinweisen. Nach Ansicht des BGH braucht das nach §§ 183, 184 ZPO zugestellte Urteil aber nicht in die Sprache des Empfängers übersetzt zu werden.90
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Nach § 31 EuRAG hat der dienstleistende europäische Rechtsanwalt einen deutschen Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen; hilfsweise gilt der Einvernehmensanwalt als Zustellungsbevollmächtigter.
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Andere Länder kennen ähnliche Regeln. Nach New York CPLR § 303 liegt im Auftreten eines Anwalts für eine nicht der jurisdiction unterliegende Partei seine Bestellung als Zustellungsbevollmächtigter. Erscheint für die Partei kein Anwalt, gilt der clerk des Gerichts als Bevollmächtigter. Nach CPLR § 318
85 Vgl BGH IPRax 1991, 247; OLG Hamm IPRax 1996, 33, 35; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori, 1995, S 103ff. 86 ZZP 71 (1958), 471. 87 Ebenso Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 55 Rz 9. 88 Walter, IZPR der Schweiz S 286 (der dies missverständlich als „Wirkung“ bezeichnet und den Umfang der Vollmacht an das Recht am Kanzleisitz anknüpfen will). 89 OLG Koblenz IPRspr. 2009 Nr 221, S 546. 90 So zu §§ 174, 175 ZPO aF: BGH FamRZ 1996, 347 m abl. Anm Bachmann FamRZ 1996, 1276.
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kann jede Partei in New York schriftlich gegenüber dem clerk des Gerichts für drei Jahre einen Zustellungsbevollmächtigten bestellen. In vielen Ländern gibt es für natürliche Personen keinen Anwaltszwang. In New York müssen sich nur corporation und „voluntary association“ durch Anwalt vertreten lassen (NY CPLR § 321 [a]). Inlandsvertreter. Nach § 96 I MarkenG darf ein Inhaber einer Marke, der im In- 60 land weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat, Markenrechte vor dem Patentamt oder Patentgericht nur geltend machen, wenn er einen inländischen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt. Gleiches gilt nach § 16 GeschmMG für den ausländischen Inhaber eines geschützten Musters oder Modells sowie entsprechend nach § 25 PatG und § 20 GebrMG. Dadurch soll der Verkehr mit Beteiligten im Ausland erleichtert werden. Die Regelungen stellen nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern nur auf Wohnsitz/Sitz im Ausland ab.
9. Die Prozessführungsbefugnis im IZPR Schrifttum: Bernstein, Gesetzlicher Forderungsübergang und Prozessführungsbefugnis im IPR, FS Sieg, 1976, S 49; Birk, Die Einklagung fremder Rechte im internationalen Privat- und Prozessrecht, ZZP 82 (1969), 70; Fragistas, Die Prozessstandschaft im internationalen Prozessrecht, FS Lewald, 1953, S 471; Hausmann, Zur Anerkennung der Befugnisse eines englischen administrator in Verfahren vor deutschen Gerichten, FS Heldrich, 2005, S 649; S. Mock, Die actio pro socio im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 72 (2008), 264; Th. Pfeiffer, Shareholder Derivative Suit vor deutschen Gerichten, RIW 2007, 580; Schack, Subrogation und Prozessstandschaft, IPRax 1995, 158; Ch. Schmitt, Die Rechtsstellung englischer Insolvenzverwalter in Prozessen vor deutschen Gerichten, ZIP 2009, 1989; P. Wunderlich, Zur Prozeßstandschaft im internationalen Recht, 1970.
61
Parteifähigkeit und Prozessführungsbefugnis decken sich in den meisten Fäl- 62 len. Wer behauptet, ihm stehe ein Anspruch zu, ist als Kläger und damit als Partei in der Regel zugleich zur Führung des Prozesses befugt. Die Prozessführungsbefugnis kann aber auch den Rechtsträgern entzogen und auf dritte Personen übergegangen sein. Dabei scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass die Prozessführungsbefugnis eine Prozessvoraussetzung ist. Bei ihrem Fehlen muss die Klage als unzulässig abgewiesen werden.91 Daraus folgt, dass sich die Prozessführungsbefugnis auch in Fällen mit Auslandsberührung grds nach der lex fori beurteilt.92 Nun wird die Prozessführungsbefugnis vielfach Parteien kraft Amtes gewährt, 63 wie dem Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Zwangsverwalter usw. Das ausländische Insolvenzstatut etc bestimmt über die Befugnisse des Verwalters oder der sonstigen Amtsperson.93 Das ausländische Insolvenzstatut bestimmt also, ob der Insolvenzverwalter im eigenen 91 So Rosenberg/Schwab/Gottwald § 46 Rz 46 ff; Geimer, IZPR Rz 2234. 92 BGHZ 125, 196 = NJW 1994, 2549. Vgl Th. Baumgarten, Der richtige Kläger im deutschen, französischen und englischen Zivilprozess, 2001. 93 BGHZ 125, 196, 200 = NJW 1994, 2549.
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§5
Ausländer als Verfahrensbeteiligte
Namen (als Partei kraft Amtes), als Vertreter des Insolvenzschuldners94 oder als Organ der Insolvenzmasse auftreten kann. Diese Befugnisse sind im Inland anzuerkennen, sofern das Auslandsinsolvenzverfahren, die Nachlassverwaltung etc im Inland anzuerkennen ist.95 Für die EuInsVO wird allerdings aus Art 15 abgeleitet, dass sich die Befugnisse des ausländischen Verwalters im deutschen Verfahren nach deutschem Recht richten, der Verwalter also als Partei kraft Amtes im eigenen Namen prozessiert.96 Ebenso bestimmt das ausländische Insolvenzrecht, ob und inwieweit der ausländische Insolvenzverwalter seinerseits Dritten eine Ermächtigung zur Prozessführung erteilen kann.97 64
Soweit die Prozessführungsbefugnis auf materiellem Recht beruht, muss ebenfalls nach dem aufgrund des deutschen IPR ermittelten Recht (lex causae) entschieden werden, ob eine solche Befugnis für die im Prozess auftretende Person vorliegt.98 Dies ist zB der Fall, wenn ein Ehegatte aufgrund einer Gütergemeinschaft Rechte des anderen Ehegatten geltend macht, wenn ein Miteigentümer Rechte aus dem gesamten Eigentum geltend macht, wenn ein Mitgläubiger eine unteilbare Forderung einklagt usw. Ob eine § 1629 III 1 BGB entsprechende Prozessführungsbefugnis eines Elternteils zur Geltendmachung von Kindesunterhalt im eigenen Namen besteht, beurteilt sich gem Art 11 lit d HUnthProt nach dem Unterhaltsstatut.99 Ein für das Inland bestellter Nachlasspfleger ist aber im Inland nach §§ 1958, 1960 III BGB unabhängig von einem ausländischen Erbstatut prozessführungsbefugt.100
65
Beruht die Prozessführungsbefugnis aber lediglich auf einer Prozessvorschrift, so ist diese nach der jeweiligen lex fori zu beurteilen.101 Ein solches Beispiel findet sich in § 265 II ZPO. Während des Rechtsstreits hat die Veräußerung der im Streit befangenen Sache bzw die Abtretung der geltend gemachten Forderung keinen Einfluss auf die Parteistellung des Klägers. Die Veräußerung bzw Abtretung selbst ist nach dem nach IPR anwendbaren Recht zu beurteilen. Welches Recht insoweit anzuwenden ist, ist aber für die Prozessführungsbefugnis nach § 265 II ZPO unerheblich.102
66
Im Ausland bestehen teilweise andere Unterscheidungen. In Kalifornien verlangt Cal. CCP § 367, dass die „real party in action“ klagt. Danach ist der Zessionar, nicht der Zedent der richtige Kläger. Ein executor, administrator oder trustee kann ohne Mitwirkung des Begünstigten klagen (Cal. CCP § 369).
67
In England wird die Ansicht vertreten, dass Fragen der Prozessführungsbefugnis des Klägers bei der Abtretung oder Eigentumsübertragung nicht prozessual, 94 So für England Ch. Schmitt ZIP 2009, 1989. 95 BGHZ 125, 196, 200; 95, 256, 269f; M. Wolf, Symposium Baur, 1992, S 35, 46f. 96 OLG München NZI 2010, 826, 828; dazu Westpfahl/Luhn EWiR § 110 ZPO 3/10, 727. 97 BGHZ 125, 196 = NJW 1994, 2549, 2550 = IPRax 1995, 168 (dazu Gottwald S 157). 98 Mock RabelsZ 72 (2008), 264, 293. 99 Vgl AG Berlin-Schöneberg FamRZ 2010, 1566 (verneint für das russische Recht). 100 OLG Köln FamRZ 1997, 1176, 1177. 101 BGHZ 125, 196, 199 = IPRax 1995, 168; Mock RabelsZ 72 (2008), 264, 293; vgl Walter, IZPR der Schweiz, S 288. 102 Geimer, IZPR Rz 2242.
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Sicherheitsleistung
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sondern materiellrechtlich zu qualifizieren seien. Nicht die lex fori, sondern die lex causae entscheide, ob der Rechtsnachfolger selbst klagen könne.103 Englische Gerichte erkennen die Prozessführungsbefugnis ausländischer Konkursverwalter, receiver und Vormünder nach comity an, nicht aber den ausländischen administrator für das Eigentum eines Verstorbenen oder einer abwesenden Person.104 Bei der Prozessführungsbefugnis des Beklagten wird in partnership-Fällen unterschieden, ob der Beklagte nach der lex causae haftet oder nicht. Haftet er nicht, so kann er in Deutschland (anders als nach englischem Recht) nicht (mit Wirkung für die Gesellschaft) verklagt werden.105 Gewisse Schwierigkeiten gibt es hinsichtlich der gewillkürten Prozessfüh- 68 rungsbefugnis. Nach Fragistas106 beruht die gewillkürte Prozessstandschaft auf einem reinen Prozessgeschäft, es sei daher nach der lex fori zu beurteilen. Es wird jedoch darauf ankommen, ob die vom ursprünglichen Rechtsträger gegebene Ermächtigung sich nur auf die Befugnis erstreckt, die fremde Forderung im Prozess einzuklagen, oder ob der Zedent seine Gläubigerstellung aufgibt, wie bei der verdeckten Inkassozession. Je nachdem, ob die prozessuale oder die materiellrechtliche Stellung überwiegt, ist zu entscheiden, ob die lex fori oder aber das zugrunde liegende ausländische Recht hinsichtlich der gewillkürten Prozessführungsbefugnis heranzuziehen ist.107 Soweit nach deutschem Recht hinsichtlich der Einziehungsermächtigung ein eigenes Interesse des Ermächtigten an der Prozessführungsbefugnis gefordert wird, entscheidet die lex fori über deren Zulässigkeit.108 Österreich lässt eine Klage im Wege gewillkürter Prozessstandschaft nicht 69 zu.109
II. Sicherheitsleistung 1. Schrifttum Bajons, Aktorische Kaution und gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot, öJZ 2002, 581; Böhmer, Prozesskosten-, Beratungs- und Sozialhilfe bei Gerichts- und Verwaltungsverfahren im Ausland, IPRax 1993, 223; Foerste, Neues Recht für Prozessbürgschaften von Auslandsbanken, ZBB 2001, 483; W. Hau, GS Konuralp, Ankara 2009, S. 411; Primozic/Broich, Festsetzung hoher Prozesskostensicherheiten für ausländische Kläger, MDR 2007, 188; Rohlfs, Die Anwendbarkeit des § 110 ZPO bei Klagen natürlicher und juristischer Personen des EU-Auslands, NJW 1995, 2211; Rützel, Ausländersicherheit und Nebenintervention, NJW 1998, 2086; Schack, Prozesskostensicherheit im Verhältnis Deutschland – USA, FS Schütze, 1999, S 745; Schütze, Zur Befreiung ausländischer Kläger von der Prozesskostensicherheitspflicht nach § 110 Abs 2 Nr 2 ZPO, RIW 2002, 299; Schütze, Zur Neuregelung der cautio iudicatum solvi in Deutschland, RIW 1999, 10; Schütze, Die Ausländersicherheit im internationalen Zivilprozessrecht, in: Toward 103 104 105 106 107 108 109
Cheshire/North & Fawcett, Private International Law, 14th ed 2008, p 89f. Kamouh v Associated Electrical Industries [1980] Q.B. 199. Vgl Cheshire/North & Fawcett, Private International Law, 14th ed 2008, p 91f. FS Lewald, 483. Henckel, FS Larenz, S 643. Vgl OLG Hamburg RIW 1996, 862, 863. OGH IPRax 1999, 383 (dazu Kieninger S 390).
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Comparative Law in the 21st Century, 1998, S 737; Schütze, Zur Prozesskostensicherheit (§ 110 ZPO) von Angehörigen ehemaliger Ostblockstaaten, NJW 1995, 496; Siehr, Security for Costs: A Valuable Defence or a Burdensome Relic?, Essays in honour of Voskuil, 1992, 291; Ch. Strasser, Prozessbürgschaften EU-ausländischer Kreditinstitute – kein Grund zur Ungleichbehandlung in Zeiten unsicherer Banken, RIW 2009, 521; Stürner, Zur Einrede der Prozesskostensicherheit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, IPRax 2004, 513; Wilske/Kordts, Sicherheitsleistung durch deutschen Kläger mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der EU oder des EWR, IPRax 2005, 116.
2. Die Sicherheitsleistung für Prozesskosten 71
§ 110 ZPO lautet: „(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit. (2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein: 1. wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann; 2. wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten aufgrund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde; 3. wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt; 4. bei Widerklagen; 5. bei Klagen die aufgrund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.“
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Prozesskostensicherheit wird nur auf Verlangen des Beklagten angeordnet. Ein ausländischer Kläger hat also keine Veranlassung, von sich aus eine Prozesskostensicherheit zu leisten. In der Praxis wird diese Schutzbestimmung für den Beklagten teilweise übersehen. Es handelt sich dabei um eine Rüge, die die Zulässigkeit der Klage betrifft (§ 282 III ZPO). Sie muss in erster Instanz vor der Verhandlung zur Hauptsache bzw in der Klageerwiderungsfrist erhoben werden.110 In der zweiten Instanz kann sie nach § 531 II Nr 3 ZPO nur noch erhoben werden, wenn sie in erster Instanz ohne Nachlässigkeit nicht geltend gemacht wurde. Eine solche Rüge führt nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen zu der Anordnung der Sicherheitsleistung durch das Gericht. Kommt der Kläger dieser Anordnung innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nach, so wird auf Antrag des Beklagten die Klage für zurückgenommen erklärt bzw ein Rechtsmittel des Klägers verworfen (§ 113 ZPO). Wird die Frist durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) gesetzt, kann sie nicht verlängert werden.111 Der Beklagte soll wegen der von ihm aufgewendeten Kosten sichergestellt werden, falls die Klage abgewiesen wird. Er soll also nicht damit belastet werden, seine Kostenforderung gegen den ausländischen Kläger im Ausland vollstrecken zu müssen. Kostensicherheit können der Beklagte und, sofern dieser nicht widerspricht, auch ein einfacher Nebenintervenient verlangen.112 110 OLG Hamm RIW 1999, 541; MüKo/Schulz, § 110 ZPO Rz 36. 111 LG Hamburg IPRax 1998, 276 (dazu Rabe/Dißars S 249). 112 Rützel NJW 1998, 2086; MüKo/Schulz § 110 ZPO Rz 36.
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Wird die Einrede durch Zwischenurteil zurückgewiesen, so kann der Beklagte 73 dagegen nach §§ 280 II 1, 511ff ZPO Berufung einlegen. Gibt das Gericht der Einrede jedoch statt, so ist das Zwischenurteil für den Kläger nicht selbständig anfechtbar.113 Nach § 108 I 1 ZPO ist die Sicherheit nach Art und Höhe nach Ermessen des 74 Gerichts zu leisten. Ohne gerichtliche Bestimmung und abweichende Parteivereinbarung ist die Sicherheitsleistung nach der Neufassung von § 108 I 2 ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz 2001 durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines „im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts“ oder durch Hinterlegung von Geld oder mündelsicheren Wertpapieren zu leisten. Die Bankbürgschaft ist also nunmehr als Regelsicherheit ohne Gestattung im Einzelfall zulässig. Die Beschränkung auf „Großbanken“, die die Rechtsprechung bislang vorgenommen hatte, ist aufgegeben.114
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Tauglicher Bürge ist jede Bank, die im Inland Geschäfte betreiben darf. Das ist 76 jede Bank mit Sitz im Inland einschließlich selbständiger Tochterunternehmen ausländischer Banken, auch eine Zweigniederlassung einer ausländischen Bank, die eine Erlaubnis nach § 53 II Nr 5 S 1 KWG besitzt oder EWR-Unternehmen nicht bedarf (§ 53b KWG).115 Banken mit Sitz in einem Drittstaat (ohne Inlandsniederlassung) sind nicht befugt, im Inland Bankgeschäfte zu tätigen, scheiden also im Regelfall als Bürgen aus;116 nach § 108 I 1 ZPO kann das Gericht aber im Einzelfall eine solche Bürgschaft zulassen.117 Nach dem Wortlaut des § 110 ZPO kommt es nur auf den gewöhnlichen Auf- 77 enthalt des Klägers außerhalb des EWR-Raums an. Ob bei Gesellschaften auf deren tatsächlichen Verwaltungssitz118 oder den Gründungssitz (Registersitz)119 abzustellen ist, ist zweifelhaft. Eine in Deutschland zwar registrierte, aber vom Ausland aus gesteuerte (Schein-)Inlandsgesellschaft bleibt daher sicherheitspflichtig.120 Die Staatsangehörigkeit des Beklagten ist irrelevant. Es ist auch gleichgültig, ob der Beklagte im Inland oder im Ausland wohnt oder sich dort aufhält. Die Schutzvorschrift begünstigt daher jeden Beklagten. Die Prozesskostensicherheit beschwert Angehörige fremder Staaten, die als 78 Kläger auftreten. Damit wird der Ausländer betroffen, ganz gleich, wo er sich aufhält. In den heutigen Zeiten des internationalen Handels und Verkehrs handelt es sich um ein überholtes Relikt falsch verstandenen Schutzes (primär) eigener Staatsangehöriger, das mit dem Diskriminierungsverbot (nach Art 3 I 113 114 115 116 117 118
BGHZ 102, 232 = NJW 1988, 1733; OLG Saarbrücken RIW 1999, 406. Foerste ZBB 2001, 483, 484. Foerste ZBB 2001, 483, 484f. Foerste ZBB 2001, 483, 485. Foerste ZBB 2001, 483, 487. OLG München EWiR § 110 ZPO 4/10, 763 (O. Knöfel); OLG Düsseldorf IPRax 2001, 228 (dazu Schütze S 193). 119 So LG München I ZIP 2009, 1979 (Zustelladresse in England); dazu M. Linnerz, EWiR § 110 ZPO 2/10, S 99. 120 LG Berlin ZIP 2010, 903.
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GG) kaum voll vereinbar ist.121 Befreit ist der ausländische Kläger nur, wenn die voraussichtlichen Prozesskosten durch inländisches Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen gedeckt sind (§ 110 II Nr 3 ZPO). Besitzt der ausländische Kläger sonstiges Vermögen im Inland und wohnt dort seit langem, so muss er dennoch auf Verlangen des Beklagten, der möglicherweise Ausländer ist und im Ausland wohnt, die Prozesskostensicherheit leisten. Schon danach lässt sich die Begründung, der Beklagte solle im Falle seines Obsiegens vor Schwierigkeiten hinsichtlich der Vollstreckung seiner Kostenforderung gegen den Kläger bewahrt werden, nicht halten.122 Danach müsste jeder Gastarbeiter, der als Kläger auftritt, grds die Prozesskostensicherheit leisten, wenn nicht die vielen Ausnahmebestimmungen den Grundsatz durchlöchert hätten. Ein Deutscher ist gem Art 5 I 2 EGBGB nicht zur Prozesskostensicherheit verpflichtet, selbst wenn er neben der deutschen noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt. 79
Nach § 110 II Nr 4 ZPO ist der Kläger von der Pflicht zur Sicherheitsleistung bei Widerklagen befreit. Dies gilt insoweit auch nach rechtskräftiger Abweisung der Klage.123
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Die Pflicht zur Sicherheitsleistung entfällt aber auch in allen Fällen des einstweiligen Rechtsschutzes. Denn § 110 I ZPO verlangt, dass jemand „als Kläger“ auftritt. Wird der Prozess durch den Nebenintervenienten geführt, hat dieser Sicherheit zu leisten.124 Außerhalb des ordentlichen Klageverfahrens besteht also keine Pflicht zur Sicherheitsleistung. Dies gilt für das Mahnverfahren, das selbständige Beweisverfahren, die Beschlussverfahren zur Vollstreckbarerklärung von Urteilen und Schiedssprüchen sowie für alle Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Arrest, einstweilige Verfügung, einstweilige Anordnung).125 Beim Mahnverfahren entsteht die Pflicht mit Übergang ins ordentliche streitige Verfahren (§§ 696, 697 ZPO).
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Die Pflicht entsteht nicht bei Anordnung mündlicher Verhandlung über den Antrag im selbständigen Beweisverfahren, zur Vollstreckbarerklärung oder über einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verbietet es hier, die gerichtliche Entscheidung von der Sicherheitsleistung abhängig zu machen und das Rechtsschutzgesuch auf Antrag der Gegenseite mangels Sicherheitsleistung gem § 113 ZPO zu verwerfen.126 Nach der Gegenmeinung ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Sicher-
121 Vgl Gottwald, Der Ausländer im Prozess, in: Habscheid/Beys, Grundfragen des ZPRs, 1987/91, S 3, 43ff; Siehr, Essays for Voskuil, 291, 299. 122 Diese Begründung wird von Stein/Jonas/Bork § 110 ZPO Rz 1, ausdrücklich angeführt. 123 OLG München NZI 2010, 826, 827 = IPRax 2011, 505 (dazu Stadler, S 480). 124 HkZPO/Wöstmann § 110 Rz 2. 125 Vgl Stürner IPRax 2004, 513; aA Schütze, IZPR Rz 423. 126 Stein/Jonas/Bork, § 110 ZPO Rz 14; Zöller/Herget, § 110 ZPO Rz 3; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, § 86 Rz 6.
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heit auf Antrag zu leisten, wenn es zur mündlichen Verhandlung kommt127 oder der Gegner eine Schutzschrift einreicht. Aber diese Verfahren gehen nicht mit der mündlichen Verhandlung in ein Klagverfahren zur Hauptsache über. Es besteht daher kein Grund, § 110 I 1 extensiv auszulegen. Zusätzlich kann das Gericht Arrest und einstweilige Verfügung selbst von der Anordnung einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§§ 936, 921 S 2 ZPO);128 nach § 248 IV FamFG kann angeordnet werden, dass der Mann dem Kind Sicherheit für den Unterhalt zu leisten hat. Der Schutz des Antragsgegners/Beklagten erfordert deshalb nicht, bereits die Sachentscheidung mit der Sicherheitsleistung zu verknüpfen. Staatenlose müssen die Prozesskostensicherheit nur erbringen, wenn sie ihren 82 Wohnsitz nicht in einem EU-Staat oder einem Staat der EWR haben (§ 110 I ZPO). Nach Art 16 II UN-Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen129 sind diese von der Verpflichtung zur Leistung der Prozesskostensicherheit bereits befreit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Von der Verpflichtung zur Leistung der Prozesskostensicherheit gibt es eine 83 große Anzahl von Ausnahmen. Personen mit Wohnsitz in einem EU-Staat sind nach § 110 I ZPO (idF v 1.10.1998) von der Pflicht zur Sicherheitsleistung befreit. Der deutsche Gesetzgeber hat damit auf Entscheidungen des EuGH reagiert, wonach eine unterschiedliche Behandlung von EU-Bürgern gegen Art 12 I EGV (jetzt Art 18 AEUV) verstieß.130 Gleiches gilt für Kapitalgesellschaften mit Sitz in der EU.131 Insoweit ist auf den tatsächlichen Verwaltungssitz und nicht auf den satzungsmäßigen Sitz abzustellen.132 Eine Gesellschaft mit Sitz in überseeischen Gebieten iS von Art 299 III EG ist nicht befreit.133 Die Befreiung gilt dagegen nicht für Deutsche oder für Staatsangehörige von 84 EU-Staaten mit Wohnsitz außerhalb der EU.134
127 OLG Köln IPRax 1986, 368 (dazu Schütze S 350); Ahrens, FS Nagel, 1987, S 1; Leible NJW 1995, 2817; Geimer, IZPR, Rz 2006f; MüKo/Schulz, § 110 ZPO Rz 4; Haertlein FS 600 Jahre Universität Leipzig, S. 453, 465f; für Sicherheitsleistung bei streitigem Verfahren Linke/Hau Rz 284. 128 OLG Hamm WRP 1989, 116; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl 2012, § 12 Rz 3.33. 129 BGBl 1976 II, 474. 130 EuGHE 1993, I-3777 (Hubbard v Hamburger) = NJW 1993, 2431 (dazu Ch. Wolf RIW 1993, 797; Schlosser EuZW 1993, 659; Streinz/Leible IPRax 1998, 162; vgl auch Uff, Civil Justice Q. 15 (1996), 193); EuGHE 1996, I-4661 = NJW 1996, 3407 = ZZPInt 2 (1997), 149 (Ahrens) = MDR 1997, 772 (Brödermann); EuGHE 1997, I-1711 (Hayes v Kronenberger) = RIW 1997, 419 = EuZW 1997, 280 = ZZPInt 2 (1997), 151 (H. J. Ahrens); EuGHE 1997, I-5325 (Saldanha v MTS Securities) = NJW 1997, 3299; Schack Rz 565; vgl OLG Saarbrücken EWS 1996, 76; s aber Jäger EWS 1997, 37. 131 LG Münster RIW 1996, 965; Bungert EWS 1993, 315; Rohlfs NJW 1995, 2211. 132 OLG München ZIP 2010, 2069. 133 OLG Oldenburg RIW 2005, 149. 134 LG Karlsruhe IPRax 2005, 145 (dazu Wilske/Kordts S 116); LG Darmstadt EWS 1996, 404.
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Während nach der bis 1998 geltenden Fassung stets faktische Gegenseitigkeit zur Befreiung eines ausländischen Klägers von der Pflicht zur Sicherheitsleistung genügte, entfällt die Verpflichtung nach § 110 II Nr 1 ZPO jetzt nur noch, wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheitsleistung verlangt werden kann oder wenn deutsche Kostentitel im Heimatland des Klägers auf vertraglicher Grundlage vollstreckt werden. Die Tatsache, dass deutsche Kläger in dem entsprechenden Land von der Pflicht zur Sicherheitsleistung befreit sind, genügt also nicht mehr.135 Die Pflichten von Klägern mit Aufenthalt in Drittstaaten (außerhalb) der EU sind auf diese Weise vielfach verschärft worden.
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Nach der Neufassung des § 110 II Nr 1 ZPO sind etwa Bewohner des Iran oder von Panama als Kläger in Deutschland zur Sicherheitsleistung verpflichtet.136
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Soweit Gastarbeiter betroffen sind, liegen überwiegend Staatsverträge vor, so dass die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Vgl Art 17 Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v 1.3.1954;137 Art 2 des deutsch-türkischen Abkommens v 28.5.1929;138 Art 3 des deutsch-tunesischen Vertrags v 19.7.1966.139
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Im Übrigen kann die Prozesskostensicherheit auch dann vom Beklagten im Wege der Einrede geltend gemacht werden, wenn beide Parteien Ausländer sind und dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen.
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Die Gegenseitigkeit ist im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu einer Anzahl von Staaten ganz oder teilweise aufgrund multilateraler bzw bilateraler Verträge verbürgt. Dazu gehören das Haager Abkommen v 17.7.1905 und das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v 1.3.1954.140 Nach Art 17 dieses Übereinkommens darf „den Angehörigen eines der Vertragsstaaten, die in einem dieser Staaten ihren Wohnsitz haben, und vor den Gerichten eines anderen dieser Staaten als Kläger oder Intervenienten auftreten, wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden“.
90
Nach Art 14 des deutsch-britischen Abkommens über den Rechtsverkehr v 20.3.1928141 sind Angehörige der anderen Vertragspartei von der Pflicht zur Sicherheitsleistung befreit, wenn sie ihren Wohnsitz im Inland haben.142 Diese Regelung hat neben § 110 I ZPO also keine Bedeutung mehr.
91
Das Haager Übereinkommen über den Internationalen Zugang zur Justiz v 25.10.1980 (Art 14) ist von Deutschland nicht ratifiziert worden.
135 136 137 138 139 140
BGH NJW 2001, 1219. BGH NJW 2001, 1219 = RIW 2001, 369; OLG Düsseldorf RIW 1999, 970. BGBl 1958 II, 577. RGBl 1930 II, 6. BGBl 1969 II, 889. BGBl 1958 II, 577; vgl Fasching/Bajons, Zivilprozessgesetze, Bd 1, 2. Aufl 2000, Anh A §§ 38–40 JN Rz 27ff. 141 RGBl II, 623. 142 Vgl OLG Düsseldorf IPRax 2001, 228, 229.
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Befreit sind Beteiligte auch hinsichtlich der Geltendmachung von Unterhalts- 92 ansprüchen im Ausland gem dem Übereinkommen v 20.6.1956143 (Art 9 II), dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen v 2.10.1973144 (Art 16), dem Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche … v 23.11.2007 (Art 14 V)145 sowie dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern v 15.4.1958146 (Art 9 II für die durch die Übereinkommen erfassten Verfahren). Nach dem Europäischen Niederlassungsabkommen v 13.12.1955147 (Art 9 I) brauchen natürliche Personen ebenfalls keine Prozesskostensicherheit zu leisten. Nach Art 31 (5) CMR brauchen Angehörige der Vertragsstaaten, die ihren 93 Wohnsitz oder eine Niederlassung in einem Vertragsstaat haben, dort keine Sicherheit für Prozesskosten in Verfahren leisten, die wegen einer der CMR unterliegenden Beförderung eingeleitet werden.148 Zu folgenden Staaten ist die Gegenseitigkeit hinsichtlich der Prozesskostensicherheit verbürgt, teilweise verbürgt bzw nicht verbürgt:
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Ägypten ja, Art 17ff HZÜ 1954 Äthiopien nein Afghanistan nein Albanien nein Algerien für Unterhaltsansprüche ja, Art 9 UNUÜ 1956 Andorra nein Angola nein Anguilla nein149 Antigua und Barbuda nein Argentinien ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956 Armenien ja, Art 17ff HZÜ 1954 Aserbeidschan nein Australien in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Bahamas nein150 Bangladesch nein Barbados in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Belgien ja, § 110 I ZPO
143 144 145 146 147 148 149 150
95
BGBl 1959 II, 150. BGBl 1986 II, 826. ABl EU 2011 Nr L 192, S 51. BGBl 1961 II, 1006. BGBl 1959 II, 997. Herber/Piper, CMR, 1996, Art 31 Rz 35. Vgl BGH ZIP 2004, 2013. Vgl OLG Düsseldorf IPRax 2001, 228 (dazu Schütze S 193).
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Ausländer als Verfahrensbeteiligte
Benin nein Bhutan nein Bolivien nein Bosnien-Herzegowina ja, Art 17ff HZÜ 1954, Art 9 UNUÜ 1956 Botswana nein Brasilien in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Bulgarien ja, § 110 I ZPO Burkina Faso in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Burma nein Burundi nein 96
Chile in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 China (Volksrepublik) nein China (Taiwan) in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Costa Rica nein Cuba nein
97
Dänemark ja, § 110 I ZPO Dominikanische Republik nein Dubai nein
98
Ecuador in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Elfenbeinküste nein El Salvador nein Estland ja, § 110 I ZPO; HZPA 1905; Art 9 UNUÜ 1956
99
Fidschi nein Finnland ja, § 110 I ZPO Frankreich ja, § 110 I ZPO
100 Gabun nein Gambia nein Georgien ja, Art 17ff HZÜ 1954 Ghana nein Griechenland ja, § 110 I ZPO Großbritannien ja, § 110 I ZPO Guatemala in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Guayana nein Guinea nein 101 Haiti in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Honduras nein Hongkong (Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China) nein
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Sicherheitsleistung
§5
Indien nein Indonesien nein Irak nein Iran nein Irland ja, § 110 I ZPO Island ja, § 110 I ZPO Israel ja, Art 17ff HZÜ 1954 Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach Art 1, 23 deutsch-israelischer Vertrag; Art 9 UNUÜ 1956 Italien ja, § 110 I ZPO
102
Jamaika nein Japan ja, Art 17ff HZÜ 1954 Jemen nein Jordanien nein Jugoslawien (ehem.) ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956
103
Kambodia nein Kamerun nein Kanada nein Kap Verde in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Kasachstan ja, Art 17ff HZÜ 1954 Kenia nein Kirgisistan ja, Art 17ff HZÜ 1954 Kolumbien nein Kongo, Volksrepublik nein Korea (Süd) nein Kroatien ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956 Kuwait nein
104
Lesotho nein Lettland ja, § 110 I ZPO; Art 17ff HZÜ 1954 Libanon ja, Art 17ff HZÜ 1954 Liberia nein Libyen nein Liechtenstein ja, § 110 I ZPO Litauen ja, § 110 I ZPO Luxemburg ja, § 110 I ZPO
105
Madagaskar nein Malawi nein Malaysia nein Mali nein Malta ja, § 110 I ZPO
106
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Marokko ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 14 deutsch-marokkanischer Rechtshilfevertrag v 29.10.1985; Art 9 UNUÜ 1956 Mauretanien nein Mauritius nein Mazedonien ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956 Mexiko in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Moldau ja, Art 17ff HZÜ 1954 Monaco in Unterhaltssachen Art 9 UNUÜ 1956 107 Nepal nein Neuseeland in Unterhaltssachen, Art 9 UNUÜ 1956 Nicaragua nein Niederlande ja, § 110 I ZPO Niger in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Nigeria nein Norwegen ja, § 110 I ZPO 108 Österreich ja, § 110 I ZPO 109 Pakistan in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Panama nein Paraguay nein Peru nein Philippinen in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Polen ja, § 110 I ZPO; Art 17ff HZÜ 1954; Art 16 HUVÜ 73, Art 9 UNUÜ 1956 Portugal ja, § 110 I ZPO 110 Quatar nein 111 Ruanda nein Rumänien ja, § 110 I ZPO, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956 Russische Föderation ja, Art 17ff HZÜ 1954 112 Sambia nein San Domingo nein San Marino nein Saudi-Arabien nein Schweden ja, § 110 I ZPO Schweiz ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 16 HUVÜ 73; Art 9 II HUVÜ 58; Art 9 UNUÜ 1956 Senegal nein Serbien ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956 Sierra Leone nein Singapur nein
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Slowakei ja, § 110 I ZPO; Art 17ff HZÜ 1954; Art 16 HUVÜ 73; Art 9 II HUVÜ 58; Art 9 UNUÜ 1956 Slowenien ja, § 110 I ZPO Somalia nein Spanien ja, § 110 I ZPO Sri Lanka in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Südafrikanische Republik nein Sudan nein Surinam ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 II HUVÜ 58; Art 9 UNUÜ 1956 Swasiland nein Syrien nein Tansania nein 113 Thailand nein Togo nein Trinidad und Tobago nein Tschad nein Tschechische Republik ja, § 110 I ZPO; Art 17ff HZÜ 1954; Art 16 HUVÜ 73; Art 9 II HUVÜ 58; Art 9 UNUÜ 1956 Türkei ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 16 HUVÜ 73; Art 9 II HUVÜ 58; Art 9 UNUÜ 1956; Art 2 deutsch-türkischer Rechtshilfevertrag; Art 9 Europäisches Niederlassungsübereinkommen Tunesien ja, Art 3 deutsch-tunesischer Anerkennungsvertrag; Art 9 UNUÜ 1956 Uganda nein Ukraine ja, Art 17ff HZÜ 1954 Ungarn ja, § 110 I ZPO; Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 II HUVÜ 58; Art 9 UNUÜ 1956 Uruguay in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Usbekistan ja, Art 17 HZÜ 1954
114
Vatikan Art 17 HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956 115 Venezuela nein Vereinigte Arabische Emirate nein Vereinigte Staaten von Amerika nein.151 Art VI iVm Nr 6 des Protokolls des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags v 29.10.1954 befreit US-Amerikaner in ihrer Eigenschaft als Kläger oder Nebenintervenienten nur dann von der Pflicht zur Sicherheitsleistung, soweit sie ihren ständigen Aufenthalt bzw ihre Niederlassung in Deutschland haben oder in Deutschland ausreichendes Immobiliarvermögen zur Deckung der Prozesskosten vorhanden ist.152 151 Vgl Schack, FS Schütze, 1999, S 745, 747f. 152 Vgl BGH WM 2003, 47 (Mankowski EWiR § 110 ZPO 1/03, 191); Reimann IPRax 1998, 250, 251.
299
§5
Ausländer als Verfahrensbeteiligte
116 Weißrussland ja, Art 17ff HZÜ 1954; Art 9 UNUÜ 1956 117 Zaire nein Zentralafrikanische Republik in Unterhaltssachen ja, Art 9 UNUÜ 1956 Zypern ja, § 110 I ZPO; Art 9 UNUÜ 1956 118 Es wird die Ansicht vertreten, die Prozesskostensicherheit könne auch von einem ausländischen Schiedskläger im Schiedsgerichtsverfahren gefordert werden, weil es sich bei einer solchen Forderung um eine Schutzvorschrift für den deutschen Beklagten handele.153 Diese Ansicht verkennt den privaten Charakter des Schiedsgerichtsverfahrens (s u § 18 Rz 82). Den Parteien steht es frei, in ihrem Schiedsgerichtsvertrag zu bestimmen, nach welchen Verfahrensregeln vorgegangen werden soll. Bestimmen sie, dass nach deutschem Verfahrensrecht zu entscheiden ist, so wollen sie nur, dass die Regeln der ZPO im Allgemeinen eingehalten werden. Haben sie wegen des Verfahrens keine besondere Bestimmung getroffen, so findet § 1042 IV 1 ZPO Anwendung. Die Anordnung einer Prozesskostensicherheit für den Schiedskläger liegt dann im Ermessen des Schiedsgerichts.
III. Prozesskostenhilfe und Prozesskostenvorschuss 1. Schrifttum 119 Brenn, Europäischer Zivilprozess, 2005, Rz 219ff; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/ Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe (§ 16 Grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe), 6. Aufl 2012, S 322; Gottwald, Prozesskostenhilfe für grenzüberschreitende Verfahren in Europa, FS Rechberger, 2005, S 173; Gottwald, Freier „Zugang zum Recht“ für Ausländer, IPRax 1989, 249; W. Hau, Prozesskostenhilfe für Ausländer und Auslandsansässige im deutschen Zivilprozess, GS Konuralp, Bd 1, 2009, S 411; W. Hau, Europäische Prozesskostenhilferichtlinie, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 33, 2. Aufl 2010, S 1971; Jastrow, Grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe in Zivilsachen, MDR 2004, 75; O. Knöfel, Prozesskostenhilfe im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Grundlagen und aktuelle Probleme, FS Kaissis, 2012, S 501; Mankowski, Fiscus non conveniens – oder: Einzug der Lehre vom forum non conveniens in das deutsche Recht der Prozesskostenhilfe?, IPRax 1999, 155; Rellermeyer, Rechtspflegergeschäfte nach dem EG-Prozesskostenhilfegesetz, Rpfleger 2005, 61; U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, 2004, Rz 376ff; Schoibl, Gemeinsame Mindestvorschriften für die Europäische Prozesskostenhilfe in Zivilsachen, JBl 2006, 142 u. 233; E. Skorskrubb, Civil Procedure and EU-Law, 2008, p 169; Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996 (S 203ff: Die Kostenhilfe).
2. Prozesskostenhilfe in internationalen Fällen a) Prozesskostenhilfe für Ausländer 120 Mit dem Gesetz, durch welches das Armenrecht durch die Prozesskostenhilfe ersetzt worden ist, ist das Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit entfallen.154 Ausländern (natürlichen Personen) wird seitdem in gleichem Maße 153 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl 2005, Kap 16 Rz 23. 154 Gesetz v 13.6.1980, BGBl 1980 I, 677.
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Prozesskostenhilfe und Prozesskostenvorschuss
§5
Prozesskostenhilfe gewährt wie Inländern, und zwar unabhängig vom Aufenthalt im Inland oder Ausland.155 Sind deutsche Gerichte international zuständig, darf Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, der Kläger könne zulässigerweise auch in seinem Wohnsitzstaat (mit ggf geringeren Kosten) klagen.156 Denn die internationale Zuständigkeit gibt dem Kläger nach deutschem Recht auch einen Justizgewährungsanspruch. Gleiches gilt für die Gewährung von Beratungshilfe.157
121
Staatsverträge, die den Angehörigen des jeweils anderen Staats Inländerbehandlung bezüglich der Prozesskostenhilfe (des Armenrechts) zusichern, wie zB Nr 7 des Protokolls zum Deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag v 7.5.1956,158 sind für Inlandsverfahren seither irrelevant.
122
Auch ein Ausländer, der aus dem Ausland Prozesskostenhilfe beantragt, muss das Formular nach § 117 IV ZPO benutzen und vollständig ausfüllen.159
123
Bei Ausländern mit Auslandswohnsitz ergeben sich aber gewisse Schwierig- 124 keiten, soweit § 115 ZPO auf Ecksätze des SGB VIII verweist, die von Inlandsverhältnissen ausgehen. Die Lösung kann nur darin bestehen, die Tabelle an die tatsächlichen Verhältnisse im Aufenthaltsstaat sachgerecht anzupassen.160 Entsprechend sieht § 1078 III ZPO vor, dass ein Ausländer auch dann Prozesskostenhilfe erhält, wenn die Lebenshaltungskosten in seinem Aufenthaltsort so hoch sind, dass er die Prozesskosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Das Recht des Gerichts, amtliche Auskünfte einzuholen (§ 118 II 2 ZPO), besteht auch gegenüber ausländischen Behörden. Verweigern diese die Mitwirkung und kann der Antragsteller seine Anspruchsvoraussetzungen nicht anderweitig nachweisen, so geht dies zu seinen Lasten. Nach § 116 S 1 Nr 2 ZPO erhalten juristische Personen und andere parteifähi- 125 ge Vereinigungen Prozesskostenhilfe, wenn sie im Inland, einem EU-Staat oder einem EWR-Staat gegründet wurden und dort ansässig sind, sofern die Kosten weder von ihnen selbst noch einem am Rechtsstreit wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Rechtsverfolgung bzw -verteidigung im allgemeinen Interesse liegt. Der EuGH hat hierzu entschieden, dass der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art 47 der Charta der Grundrechte der EU auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe für juristische Personen einschließen kann und dass deshalb die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens für die juristische Person zu berücksichtigen sei.161
155 OLG Düsseldorf RIW 1994, 879. 156 OLG Zweibrücken IPRax 1999, 475; Mankowski IPRax 1999, 155; aA OLG Celle IPRax 1999, 191. 157 BVerfG NJW 1993, 383. 158 BGBl II, 502. 159 BGH FGPrax 2011, 41 = FamRZ 2011, 104 (LS). 160 Schuster/Streinz, Probleme der Prozesskostenhilfe für im Ausland wohnende Ausländer, SGb 1988, 534. 161 EuGHE 2010, I-13849 („DEB“) = ZIP 2011, 143.
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126 Die Staatsverträge sind daher wegen ausländischer juristischer Personen und parteifähigen Vereinigungen zu beachten. Das gilt vor allem hinsichtlich des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess v 1.3.1954.162 Nach Art 20 werden „in Zivil- und Handelssachen die Angehörigen eines jeden Vertragsstaats in allen anderen Vertragsstaaten ebenso wie die eigenen Staatsangehörigen zum Armenrecht nach den Rechtsvorschriften des Staats zugelassen, in dem das Armenrecht nachgesucht wird“. Zu den Angehörigen gehören auch die ausländischen juristischen Personen und parteifähigen Vereinigungen.163 127 Die in § 114 ZPO verlangte Erfolgsaussicht ist großzügig im Hinblick auf das anzuwendende ausländische Sachrecht zu beurteilen. Sie ist etwa gegeben, wenn der Antragsteller an einem klagabweisenden Scheidungsurteil interessiert ist, weil dieses nach dem Scheidungsstatut die Grundlage dafür bildet, dass er nach Ablauf einer Frist eine verschuldensunabhängige Scheidung verlangen kann.164 128 Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung besteht nicht, wenn der Antragsteller die Auflösung einer Scheinehe mit einem Ausländer begehrt. Hat er für die Eingehung der Scheinehe eine finanzielle Gegenleistung erhalten, so fehlt aber die Bedürftigkeit, wenn er daraus keine Rücklage für die Prozesskosten gebildet hat.165 129 Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels (nach Art 38ff EuGVO/LugÜ) gibt es für jede Partei, der im Ursprungsstaat Kostenhilfe gewährt wurde, und damit auch für ausländische juristische Personen gem Art 50 EuGVO/LugÜ.166 130 Unterhaltsberechtigte erhalten Prozess-/(Verfahrens)kostenhilfe für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach Art 15 HUVÜ 1973, Art 9 HUVÜ 1958, Art 14 II, 15ff HUnthGÜ 2007, nach Art 4 II des Übereinkommens v 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland167 sowie nach § 23 AUG 2011. 131 In den Art 44ff EuUnthVO ist der Anspruch auf Prozesskostenhilfe als Bestandteil des Anspruchs auf „Zugang zum Recht“ umfassend geregelt. Nach Art 45 EuUnthVO erhält ein Antragsteller (als Unterhaltsberechtigter oder als Unterhaltspflichtiger) Prozesskostenhilfe (Verfahrenskostenhilfe) für die komplette grenzüberschreitende Rechtsverfolgung. Die Kostenhilfe umfasst die vorprozessuale Rechtsberatung, die Kosten eines Rechtsbeistands, die Befreiung von Gerichtskosten, von Sachverständigen-, Dolmetscher- und Über-
162 163 164 165
BGBl 1958 II, 577. Bülow, in: Geimer/Schütze, Intern. Rechtsverkehr, Art 17 HZPÜ Fn 72 (S 101.16). OLG Celle FamRZ 1998, 758; OLG Hamm FamRZ 1999, 1352. OLG Stuttgart FamRZ 1997, 1410; FamRZ 2002, 890; OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1882. 166 Stein/Jonas/Bork, 22. Aufl 2002, § 116 ZPO Rz 29f. 167 BGBl 1959 II, 150.
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setzungskosten und schließlich von notwendigen Reisekosten zum Gericht, wenn das Gericht eine persönliche Teilnahme als erforderlich ansieht. Die Kostenhilfe erstreckt sich auch auf das Vollstreckungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren (Art 44 I EuUnthVO). Soweit die Zentrale Behörde Unterhaltsansprüche für den Berechtigten unentgeltlich verfolgt, wird keine PKH gewährt (Art 44 III EuUnthVO). Soweit die Zentrale Behörde Kindesunterhalt (bis 21 Jahre) verfolgt, werden die Vermögensverhältnisse des Kindes nicht geprüft, sondern nur kontrolliert, ob der Antrag oder Rechtsbehelf offensichtlich unbegründet ist (Art 46 EuUnthVO). Bei anderen Anträgen (Kindesunterhalt über 21, Ehegattenunterhalt und Direktanträgen) gelten die Gewährung von PKH die nationalen Maßstäbe über Bedürftigkeit und Mutwilligkeit (Art 47 EuUnthVO). Im deutsch-tunesischen Vertrag v 19.7.1966 ist die Gewährung des Armen- 132 rechts in den Artikeln 3 bis 7 geregelt. Prozesskostenhilfe gibt es nur für gerichtliche Verfahren. Ein ausländischer 133 Unterhaltsberechtigter, dessen Antrag nach dem AUG in Deutschland eingeht, erhält hier für den Unterhaltsantrag vor Gericht Verfahrenskostenhilfe nach §§ 20ff AUG 2011; für das Justizverwaltungsverfahren nach dem AUG168 oder dem UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland169 (s u § 15 Rz 298ff) kann einem inländischen Antragsteller dagegen keine Prozesskostenhilfe gewährt werden.
b) Haltung des Auslandes Das Schweizer Bundesgericht hat mit Urteil v 31.5.1994170 entschieden, dass 134 ein Ausländer selbst mit Wohnsitz im Ausland aus Art 4 BV einen verfassungsmäßigen Anspruch auf Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege hat. Der Grundsatz der „Waffengleichheit“ verbiete eine unterschiedliche Behandlung je nach Staatsangehörigkeit und Wohnsitz. Teilweise wird ein solcher Anspruch auch aus Art 6 Nr 1 EMRK abgeleitet. In den nachfolgenden (Nicht-EU-)Staaten wird Ausländern Prozesskostenhilfe 135 in demselben Maß zugebilligt wie den Inländern, ohne dass die Gegenseitigkeit verbürgt sein muss. Das ist der Fall bei Ägypten, einigen Staaten von Australien, Sri Lanka, Chile, Costa Rica, Ecuador, Indien, Iran, Irland, Israel, Japan, Kanada, Libyen, Pakistan, Syrien und einigen Staaten der USA.
168 KG FamRZ 2006, 1210; KG FamRZ 1992, 1318 = IPRax 1993, 241 (dazu Böhmer S 223); Zimmermann, PKH/VKH, 4. Aufl 2012, Rz 14a, 14b. 169 LG Memmingen DAVorm 1994, 430. 170 BGE 120 I a 217.
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c) Grenzüberschreitende PKH-Anträge zwischen EU-Staaten 136 Durch die EG-Richtlinie 2002/8/EG v 27.1.2003171 und ihre Umsetzung im EG-PKH-Gesetz v 15.12.2004172 in den §§ 1076ff ZPO sind für Deutschland eingehende und ausgehende grenzüberschreitende PKH-Anträge erheblich erleichtert worden.
(1) Aus dem Ausland eingehende Anträge 137 Die ausländische Partei kann in ihrem EU-Wohnsitzstaat einen Antrag für grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe für die geplante Inlandsklage ausfüllen und bei der Übermittlungsbehörde ihres Staats oder direkt bei der deutschen Empfangsbehörde einreichen (Art 13 RL). Zulässig ist aber auch, dass der Antrag wie in Inlandsfällen direkt beim zuständigen Gericht gestellt wird.173 Den Antrag kann jede natürliche Person stellen, die in einem Mitgliedstaat wohnhaft ist oder sich dort gewöhnlich aufhält; ihre Staatsangehörigkeit ist irrelevant.174 Je nachdem ob der Antrag für eine Prozessführung oder eine Zwangsvollstreckung gestellt wird, ist das Prozessgericht oder das Vollstreckungsgericht zuständig (§ 1078 I 1 ZPO). 138 Das Antragsformular ist in deutscher Sprache als der Sprache des Empfangsstaats auszufüllen; beigefügte Unterlagen sind in die deutsche Sprache zu übersetzen (Art 13 RL; § 1078 I 2 ZPO).175 Die Übermittlungsbehörde des Wohnsitzstaats soll den Antragsteller bei der Beschaffung der Übersetzungen unterstützen (Art 13 IV 2 RL; § 1077 III 2, IV ZPO); eine Legalisation darf nicht verlangt werden (§§ 1077 V 1, 1078 I 3 ZPO). 139 Die Bewilligungsvoraussetzungen richten sich nach der deutschen lex fori,176 wobei Art 5RL Mindestanforderungen an den Bewilligungsumfang stellt, denen das deutsche Recht (§§ 1078 II, 114 ff ZPO) gerecht wird. 140 Unterschiedliche Lebenshaltungskosten in den einzelnen Mitgliedstaaten verbieten eine direkte Anwendung der Regeln über den Einsatz von Einkommen und Vermögen nach § 115 ZPO. Nach § 1078 III ZPO ist dem Antragsteller, der nach inländischen Sätzen nicht PKH-berechtigt wäre, dennoch PKH zu gewähren, wenn er nachweist, dass er wegen der unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten in seinem Wohnsitzstaat die Prozesskosten nicht oder nur in Raten aufbringen kann. Die höheren Lebenshaltungskosten im Wohnsitzstaat sind insoweit als besondere Belastungen zu berücksichtigen.177 Umgekehrt sind nach Ansicht des BGH die Freibeträge gegenüber Klägern aus Mitglied-
171 172 173 174 175 176 177
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ABl EG L 26/41 v 31.1.2003. BGBl I 3392. Gottwald, FS Rechberger, S 173, 178. Gebauer/Wiedmann/Hau, Kap 33 Rz 13. Krit. Knöfel FS Kaissis, 2012, S 501, 520. Vgl Schoibl JBl 2006, 233, 239. Motzer FamRBint 2008, 16, 21.
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staaten der EU nicht herabzusetzen, wenn die Lebenshaltungskosten in dem Mitgliedstaat niedriger als in Deutschland sind.178 Wird dem ausländischen Antragsteller PKH gewährt, so ist ihm wegen der 141 Schwierigkeit der grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung idR ein Anwalt beizuordnen (§ 121 I, II ZPO); zusätzlich kann der „örtliche Rechtsanwalt“, also ein ausländischer Rechtsanwalt am Wohnsitz des Antragstellers als Verkehrsanwalt beigeordnet werden (§ 121 IV ZPO).179 Ist grenzüberschreitende PKH gewährt worden, so gilt ein entsprechender 142 PKH-Antrag für jeden weiteren Rechtszug, sinngemäß auch für die Zwangsvollstreckung,180 als gestellt (§ 1078 IV ZPO). Verliert die „arme“ Auslandspartei den Prozess, so hat sie dem inländischen 143 Gegner nach § 123 ZPO die vollen Kosten zu erstatten. Aus Art 3 II 2 RL ergibt sich nichts anderes, da Erwägungsgrund (12) klarstellt, dass sich die Auswirkungen auf die Gegenpartei nach dem Recht des Prozessstaats bestimmen.
(2) Ausgehende Gesuche Im Vorfeld der Auslandsklage kann die inländische Partei vorprozessuale 144 Rechtsberatung zur außergerichtlichen Streitbeilegung (§ 10 I Nr 1 BerHG) oder Beratungshilfe für die Unterstützung für einen ins Ausland gerichteten PKH-Antrag (§ 10 I Nr 2 BerHG) beantragen. Unklar ist, ob Deutschland die Kosten für die Vorbereitung der Auslandsklage nach Art 8 lit a RL stets zu tragen hat, wenn der Antragsteller im ausländischen Gerichtsstaat PKH erhält oder nur, wenn die finanziellen Voraussetzungen des § 1 II BerHG (PKH ohne Kostenbeitrag) erfüllt sind.181 Da es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt, kommt nur Beratungshilfe in Betracht.182 Kommt es zu keiner Einigung, ist der Antrag für grenzüberschreitende PKH 145 für die geplante Auslandsklage entweder bei der deutschen Übermittlungsbehörde, der Empfangsbehörde des Gerichtsstaats oder direkt bei der sonst zuständigen Stelle einzureichen.183 Da das Amtsgericht den Antragsteller als Übermittlungsbehörde zu unterstützen und insb erforderliche Übersetzungen auf Staatskosten zu beschaffen hat (§ 1077 I, IV ZPO), wird der Antragsteller seinen Antrag idR dort einreichen. Ob freilich die Einreichung des Antrags bei der inländischen Übermittlungs- 146 behörde die Verjährung des Anspruchs hemmt, ist zweifelhaft. Da die RL nach dem Vorbild des Europäischen Übereinkommens v 27.1.1977 geschaffen wurde, die in Art 1 Derartiges vorsieht, spricht manches dafür. Eine explizite Rege-
178 179 180 181 182 183
BGH RIW 2008, 568, 569 (Tz 11). OLG Nürnberg MDR 2004, 1017. Vgl Gottwald, FS Rechberger, S 173, 183. Vgl Gottwald, FS Rechberger, S 173, 177f. Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 6. Aufl 2012, Rz 910b. Vgl Schoibl JBl 2006, 233, 236; Gebauer/Wiedmann/Hau, Kap 33 Rz 26.
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lung fehlt aber und auch die deutsche Anleitung zum Ausfüllen des Standardantrags spricht eher dagegen.184 147 Das Standardformular ist nach Art 16 I RL in der Sprache des Empfangsstaats auszufüllen. Das dazu nach § 1077 II ZPO eingeführte, zwingend auszufüllende Formular ist allerdings nur in deutscher Sprache abgefasst und enthält keinen Hinweis auf das Erfordernis des Ausfüllens in fremder Sprache. Immerhin ist die deutsche Übermittlungsstelle nach § 1077 IV ZPO verpflichtet, die Eintragungen im Standardformular und die beigefügten Unterlagen in die Amtssprache des Gerichtsstaats zu übersetzen und Originale und Übersetzungen der Empfangsstelle des Gerichtsstaats zu übermitteln (§ 1077 V ZPO).185 Wird der Antrag zurückgenommen, vom Gericht abgelehnt, wird seine Übermittlung ins Ausland abgelehnt oder der Antrag von der ausländischen Empfangsstelle abgelehnt, trägt der Antragsteller die angefallenen Übersetzungskosten (§ 28 III GKG). Irreführend ist der Hinweis in der Ausfüllanleitung, der Antragsteller könne seinen Antrag direkt an die zuständige Stelle des anderen Mitgliedstaats senden, weil damit nicht gewährleistet ist, dass der Antrag in der vorgeschriebenen Gerichtssprache gestellt ist. 148 Wird der PKH-Antrag im Ausland wegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers (nach den dortigen Maßstäben) abgelehnt oder die Ablehnung angedroht, so stellt die deutsche Übermittlungsstelle (durch den Rechtspfleger) auf Antrag eine Bedürftigkeitsbescheinigung aus, dass der Antragsteller nach deutschen Maßstäben bedürftig ist und übersendet sie (mit Übersetzung) zur Ergänzung des ursprünglichen Antrags an die Empfangsstelle des Gerichtsstaats (§ 1077 VI ZPO).186 149 Soweit ein Gefälle hinsichtlich der Lebenshaltungskosten bzw der Grenzwerte für die Gewährung von PKH von vornherein ersichtlich ist, sollte die Übermittlungsbehörde eine solche Bescheinigung freilich zur Beschleunigung auf Antrag bereits dem ursprünglichen Antrag beifügen. 150 Nach § 1077 III 1 ZPO (Art 13 III lit a RL) darf die Übermittlungsbehörde die Übermittlung offensichtlich unbegründeter Anträge (durch den Rechtspfleger) ablehnen.187 Offensichtlich unbegründet ist ein Antrag, wenn das Antragsformular unvollständig ausgefüllt ist oder dem Antrag die notwendigen Belege nicht beigefügt sind.188 Vor einer Ablehnung des Antrags hat die Übermittlungsstelle aber darauf hinzuwirken, dass zunächst bestehende Mängel behoben werden (§ 1077 IV 2 ZPO).
184 185 186 187
Krit Gottwald, FS Rechberger, S 173, 179. Vgl Knöfel, FS Kaissis, 2012, S 501, 519f. Vgl Rellermeyer Rpfleger 2005, 61, 63. Vgl Rellermeyer Rpfleger 2005, 61, 62; Schoibl JBl 2006, 233, 237; Gebauer/Wiedmann/Hau Kap 32 Rz 28. 188 OLG Hamm FamRZ 2010, 1587.
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Die Übermittlung des Antrags ins Ausland hat aber keine Bindungswirkung gegenüber der zuständigen Stelle im Ausland, diese ist in ihrer Entscheidung frei.189
d) Anträge nach den HZÜ 1954 Im Anwendungsbereich der Haager Zivilprozessübereinkommen von 1954 151 kann eine im Ausland lebende Partei kann ihren PKH-Antrag mit Unterlagen bei den Behörden ihres Landes einreichen, die ihn auf konsularischem Weg der zuständigen Stelle des Gerichtsstaats „übermitteln“ Art 23 I HZÜ 1954. Die Anträge werden in Deutschland vom Landgerichts- oder Amtsgerichtspräsidenten entgegengenommen, in dessen Bezirk Prozesskostenhilfe gewährt werden soll (§ 9 AusfG zum HZÜ 1954). In den bilateralen Zusatzvereinbarungen zum HZÜ 1954 bzw zum HZÜ 1905 152 ist der Geschäftsverkehr vereinfacht: Im Verhältnis zu Belgien darf der Konsul des Heimatstaats den Antrag beim zuständigen Gericht einreichen (Art 11 ZV). Mit Dänemark (Art 1 ZV), Frankreich (Art 12 ZV), Luxemburg (Art 1 ZV), den Niederlanden (Art 11 ZV), Norwegen (Art 12 ZV), Österreich (Art 9 ZV), Polen (Art 12 ZV), der Schweiz (Art 1 ZV) und der Tschechischen Republik (Art 8 ZV) ist unmittelbarer Geschäftsverkehr zwischen den zuständigen Gerichten vereinbart. Die ausländische Partei muss den Antrag samt Unterlagen in der Gerichtsspra- 153 che einreichen. Mit Belgien (Art 12 ZV), Frankreich (Art 13 ZV) und den Niederlanden (Art 12 ZV) ist vereinbart, dass die Unterlagen in der Sprache des Ausgangsstaats beigefügt werden dürfen. Wirksam gestellt ist der Antrag in allen Fällen erst mit dem Eingang bei der zuständigen Stelle des Empfangsstaats. Ergänzende Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des 154 Antragstellers gem Art 22 II HZÜ 1954 dürfen im Verhältnis zu Belgien (Art 13 ZV), Frankreich (Art 14 ZV), den Niederlanden (Art 12 ZV), Norwegen (Art 13 ZV), Polen (Art 13 ZV) und der Tschechischen Republik (Art 9 ZV) unmittelbar bei den zuständigen Behörden des anderen Staats eingeholt werden. War die Partei in anderen Fällen nicht in der Lage, den Antrag direkt (unter 155 Einschaltung bezahlter oder kostenlos tätiger Anwälte) zu stellen, so ist ihr – soweit möglich – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.190 Verjährungsfristen etc werden aber durch den Antrag im Ausland nicht gewahrt. Günstiger gestellt ist eine ausländische Partei im Geltungsbereich des Straß- 156 burger Europäischen Übereinkommens über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe v 27.1.1977,191 das nicht in Deutschland, wohl aber für Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland,
189 Gebauer/Wiedmann/Hau Kap 32 Rz 30. 190 Gottwald IPRax 1989, 249, 250. 191 Text in österr BGBl 1982, 945; vgl Schlosser RdC 284 (2000), 221.
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Ausländer als Verfahrensbeteiligte
Irland, Italien, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Türkei und das Vereinigte Königreich gilt. Nach Art 1 des Übereinkommens kann der PKH-Antrag im Heimatstaat und in der eigenen Sprache wirksam gestellt werden. Der Heimatstaat hilft dem Antragsteller notwendige Übersetzungen zu erlangen (Art 3 I 2). In Österreich beschafft die Übermittlungsstelle diese Übersetzungen von Amts wegen und auf Staatskosten (§ 3 III österr. DurchführG). 157 Eine ähnliche Verbesserung der Rechtsstellung der ausländischen Partei bringt das Haager Übereinkommen über den internationalen Zugang zur Rechtspflege v 25.10.1980,192 dessen Ratifikation vom Bundesrat 1987 abgelehnt wurde,193 offiziell weil kein Bedürfnis bestehe, tatsächlich aber aus kaum verständlichen finanziellen Gründen. Das Haager Übereinkommen gilt inzwischen für Albanien, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Montenegro, Niederlande, Polen, Rumänien, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Weißrussland und Zypern. 158 Mitwirkung deutscher Gerichte zur Erlangung der Prozesskostenhilfe im Ausland. Umgekehrt sind von der deutschen Partei Armenrechtsanträge gem Art 23 I HZÜ 1954 beim Amtsgericht des gewöhnlichen Aufenthalts einzureichen; der Antrag kann dort auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 10 AusfG zum HZÜ 1954). 159 Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass für die zur Vollstreckung eines deutschen Unterhaltstitels in Kalifornien notwendige Klage in Kalifornien der deutschen Klägerin durch ein deutsches Gericht keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.194 Sachgerechter wäre es, den Rechtsgedanken des Art 44 EuGVÜ dahin zu erweitern, dass ein deutsches Gericht, welches einer Partei Prozesskostenhilfe gewährt hat, diese Hilfe weiter ausdehnt auf die Übersetzung von Urkunden, die erforderlich sind, um die Vollstreckung des Urteils im Ausland zu erreichen.
3. Prozesskostenvorschuss in internationalen Fällen 160 Eine Partei ist nicht bedürftig iS des § 114 ZPO, wenn sie vom Gegner einen Vorschuss auf die Prozesskosten als Unterhaltsleistung verlangen kann. Ein solcher Anspruch kann auch zwischen Parteien mit ausländischer Staatsangehörigkeit bestehen. 161 Für Unterhaltsverfahren sieht § 246 Abs. 1 FamFG vor, dass das Gericht die Vorschusspflicht unter den Beteiligten durch einstweilige Anordnung regeln kann. Diese Regelung korrespondiert im materiellen deutschen Recht mit der entsprechenden materiellen Verpflichtung in § 1360 IV BGB für Ehegatten und in § 1610 II BGB für Verwandte (der entsprechend ausgelegt wird).
192 Text in RabelsZ 46 (1982), 768. 193 BT-Drucks. 182/87. 194 OLG Braunschweig IPRax 1987, 236 (dazu Nagel S 218).
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Ausländer und die deutsche Sprache
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Nach heute hM enthält § 246 Abs. 1 FamFG selbst keine Anspruchsgrundlage, 162 sondern regelt nur die prozessuale Durchsetzbarkeit.195 Der Prozesskostenvorschuss wird also nicht prozessrechtlich, sondern unterhaltsrechtlich qualifiziert.196 Ob ein Anspruch besteht, bestimmt daher das nach Art 3ff HUnthProt anwendbare Unterhaltsstatut.197 Ist für die materielle Unterhaltspflicht ein ausländisches Unterhaltsstatut 163 maßgebend, kann die Zahlung daher nur angeordnet werden, wenn das Unterhaltsstatut den Unterhaltspflichtigen jedenfalls in der Sache zur Zahlung der Prozesskosten als Teil des Unterhalts verpflichtet.198 Kann der Berechtigte nach dem anwendbaren Recht aber keinen Unterhalt erhalten, ist nach Art 4 Abs. 2 HUnthProt das Recht am Ort des angerufenen Gerichts anzuwenden. Folgt man dem, so gelangt man hilfsweise doch zu einem Prozesskostenvorschussanspruch nach deutschem Recht.199
IV. Ausländer und die deutsche Sprache 1. Schrifttum Ch. Armbrüster, Fremdsprachen in Gerichtsverfahren, NJW 2011, 812; R. Ingerl, Sprachrisiko im Verfahren, 1988; Jeßnitzer, Dolmetscher, 1982; Kowalska-Jaschek u. Vultejus, Kommunikation mit Ausländern vor Gericht, in: Die Rechtssprache, Loccumer Protokoll, 1998, S 52; Ch. Kranjcˇicˇ, „… dass er getreu und gewissenhaft übertragen werde.“ Zum Dolmetschen im Strafverfahren, 2010; D. Leipold, Zum Schutz der Fremdsprachigen im Zivilprozess, FS Matscher, 1993, S 287; P. Mankowski, Zur Regelung von Sprachfragen im europäischen Internationalen Zivilverfahrensrecht, FS Kaissis, 2012, S 607; Schütze, Probleme der Übersetzung im Zivilprozessrecht, FS Sandrock, 2000, S 871. Zur Reform: Ch. Armbrüster, Englischsprachige Zivilprozesse vor deutschen Gerichten?, ZRP 2011, 102; W. Hau, Fremdsprachengebrauch durch deutsche Zivilgerichte – vom Schutz legitimer Parteiinteressen zum Wettbewerb der Justizstandorte, FS Schurig, 2012, S 49; H. Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen, 2011; M. Illmer, Ziel verfehlt – Warum Englisch als Verfahrenssprache in § 1062 ZPO zuzulassen ist, ZRP 2011, 170; P. Mankowski, Kammern für Internationale Handelssachen, RIW 2009, Heft 12 Erste Seite; R. Müller-Piepenkötter, Englisch als Gerichtssprache, Der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen, DRiZ 2010, 2; A. Remmert, Englisch als Gerichtssprache, ZIP 2010, 1579; H.-Ch. Salger, Handelssprache Englisch auch als Gerichtssprache, AnwBl 2012, 40. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen, BT-Drucks. 17/2163 v 16.6.2010. 195 Vgl Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz 20, 24, 26; Keidel/Giers, § 246 FamFG Rz 3. 196 v. Bar, Prozesskostenvorschuss und Haager Unterhaltsstatutsabkommen, IPRax 1988, 220; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, 2. Aufl 2005, Rz 164ff. 197 Kropholler, IPR, § 15 II 4a (S 119f) sieht hier einen Fall der „Mehrfachqualifikation“ und will je nach Sachlage das Ehewirkungs-, Ehegüter- oder Unterhaltsstatut anwenden. 198 Vgl für die Türkei Rumpf, Zur Fortbildung „türkischen Unterhaltsrechts durch deutsche Gerichte“, IPRax 1983, 114; zu Italien KG FamRZ 1988, 167 = IPRax 1988, 234. 199 So Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2000, S 189; Jayme IPRax 1986, 265, 268.
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2. Schriftsätze 165 Nach § 184 GVG verhandeln die Parteien mündlich und schriftlich mit dem Gericht in deutscher Sprache. Schriftsätze in fremder Sprache wahren nach hM keine Frist.200 Bei einer Klage oder Klageerwiderung muss auch die Prozessvollmacht in deutscher Sprache bzw mit amtlicher Übersetzung vorgelegt werden; sonst wird die Klage als unzulässig abgewiesen bzw ist die Verteidigung als nicht existent zu behandeln.201 Nach § 112 I PatG ist die Berufung in Patentnichtigkeitssachen zu verwerfen, wenn die Berufungsschrift nicht in deutscher Sprache abgefasst ist. Nach § 126 S 2 PatG werden Eingaben vor dem Patentgericht in anderer Sprache nicht berücksichtigt; sie werden nicht zurückgegeben, haben aber keine rechtswahrende Wirkung. 166 Im Allgemeinen sind fremdsprachige Eingaben nicht völlig unbeachtlich. Das Gericht hat den Betroffenen vielmehr auf die Notwendigkeit hinzuweisen, eine deutsche Übersetzung beizubringen. Gegebenenfalls ist bereits zu diesem Zweck Prozesskostenhilfe zu gewähren. Auch kommt die Anforderung einer Übersetzung von Amts wegen nach § 144 I ZPO in Betracht.202 Wer infolge unzureichender Sprachkenntnisse eine Frist versäumt, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten.203 Dies gilt nicht, wenn der Ausländer die Frist kennt oder weiß, dass er einen Schriftsatz in deutscher Sprache einreichen muss, und ihn dennoch dem Gericht in seiner Muttersprache zuleitet.204 167 Mit dieser Regelung bleibt das Prozessrecht freilich hinter dem Verwaltungsverfahren zurück, das in § 23 II–IV VwVfG bzw § 19 II SGB X vorsieht, dass fremdsprachige Schriftsätze beachtlich sind und Fristen wahren, vom Gericht freilich erst bearbeitet werden, wenn die Partei innerhalb einer angemessenen Frist eine Übersetzung beibringt. § 19 II 1 SGB X sieht zudem vor, dass die Vorlage einer Übersetzung nur verlangt wird, wenn die Behörde nicht in der Lage ist, die Anträge oder Schriftsätze zu verstehen. Nach § 19 II 4 SGB X kann die Behörde notfalls selbst eine Übersetzung beschaffen und hierfür Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen. Das Diskriminierungsverbot des Art 3 III GG legt es nahe, diese Regelung analog im Zivilprozess anzuwenden.205 Die hM will dagegen aus Art 103 I GG bislang keine Erleichterungen für Ausländer ableiten.206 168 Sachgerecht erscheint es immerhin, dem der deutschen Sprache Unkundigen zwar eine Mitwirkungslast (Veranlassung von Übersetzungen, Beauftragung eines sprachkundigen Vertreters) aufzuerlegen, ihn darüber hinaus aber von dem
200 BGH NJW 1982, 532; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl 2012, § 184 Rz 5; MüKo/Zimmermann § 184 GVG Rz 1; aA für EG-Angelegenheiten FG Saarland NJW 1989, 3112. 201 OLG Koblenz (12.11.2009, 5 U 599/09). 202 OLG Hamm NJW 1989, 2203; Dreier/Schulze-Fielitz, GG, 2. Aufl 2008, Art 103 I Rz 55. 203 BVerfGE 40, 95, 100 = NJW 1975, 1597; Kissel/Mayer § 184 Rz 23. 204 BVerwG NJW 1990, 3103. 205 Leipold, FS Matscher, 1994, S 287, 292ff. 206 Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, (Lfg. 27) 1988, Art 103 I Rz 121; v. Mangoldt/ Klein/Starck/Nolte, GG, 6. Aufl 2010, Art 103 I Rz 75.
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aus eigener Kraft nicht zu bewältigenden Sprachrisiko zu befreien.207 Sofern die Erklärung nicht unter Mitwirkung eines Dolmetschers zu Protokoll in deutscher Sprache wiederholt werden kann, hat das Gericht selbst für die Übersetzung fremdsprachlicher Anträge, Rechtsbehelfsschriften usw zu sorgen und der sprachunkundigen Partei bei zwischenzeitlicher Fristversäumung nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen.208
3. Mündliche Verhandlung Fremdsprachigen muss nach hM die Möglichkeit gegeben werden, sich in der 169 mündlichen Verhandlung vor Gericht ihrer eigenen Sprache zu bedienen. § 185 GVG verpflichtet deshalb die Gerichte (als Ausformung der Garantie des Art 103 I GG)209, Dolmetscher zur Verhandlung hinzuzuziehen. Die sich daraus ergebenden Nachteile müssen von den Beteiligten hingenommen werden. Der Dolmetscher nimmt in solchen Verfahren eine besondere Stellung ein. Er wird zum Richtergehilfen, ist aber nicht Sachverständiger. Das folgt aus § 191 GVG, wonach auf den Dolmetscher die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen entsprechend anzuwenden sind. Es bedarf keiner Hervorhebung, dass der Fremde mit Hilfe eines Dolmetschers selbstverständlich Erklärungen abgeben, Schriftstücke bei Gericht einreichen lassen, Fragen stellen und Aussagen machen kann. Die Zuziehung eines Dolmetschers darf nicht schon unterbleiben, wenn das Gericht eine Zeugenaussage für unerheblich hält. Denn ohne Einschaltung eines Dolmetschers kann idR nicht beurteilt werden, ob der Zeuge Fragen richtig verstanden hat und bei besserem Verständnis Wesentliches hätte bekunden können.210 Nach hM handelt das Gericht stets in deutscher Sprache. Seine Entscheidun- 170 gen werden in Deutsch verfasst, ebenso Ladungen und Rechtsmittelbelehrungen, soweit sich aus EU-Verordnungen oder internationalen Abkommen nichts anderes ergibt. Art 6 III (a) EMRK, der verlangt, dass eine Anklageschrift verständlich übersetzt wird, ist im Zivilprozess nicht einschlägig. Auch Art 103 I GG verlange nicht, dass der ausländischen Partei Schriftstücke im Zivilprozess in einer ihr verständlichen Sprache (bzw mit Übersetzung) übermittelt werden.211 Diese Haltung widerspricht freilich dem Schutz, der für Deutsche gegenüber ausländischen Klagen bzw Entscheidungen beansprucht wird, deren Zwangszustellung ohne Übersetzung nicht wirksam ist.212 Besonders in internationalen Handelssachen ist eine (ausschließliche) Ver- 171 handlung in der deutschen Sprache nicht immer zweckmäßig. Informell sollte bereits jetzt die Verständigung in einer Fremdsprache zulässig sein, wenn sie alle Beteiligten beherrschen und die formellen Prozesshandlungen dann in 207 Ingerl, Sprachrisiko im Verfahren, 1988, S 83ff, 101ff, 309. 208 Ingerl, Sprachrisiko, S 282ff; vgl auch Gottwald, Der Ausländer im Prozess, in: Habscheid/Beys, S 5, 31ff; strenger Kissel/Mayer § 184 Rz 23. 209 BVerfG NJW 1983, 2762; Kissel/Mayer, § 184 GVG Rz 16. 210 OLG Düsseldorf MDR 2006, 532. 211 BGH FamRZ 1996, 347 mit abl Anm Bachmann S 1276; Kissel/Mayer, GVG § 184 Rz 12. 212 Gottwald, in: Habscheid/Beys, S 5, 39f; s u § 8 Rz 109.
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Deutsch erklärt werden (vgl § 185 GVG). De lege ferenda wird diskutiert, besondere Kammern bzw Senate für internationale Handelssachen einzuführen, vor denen auch Englisch Gerichtssprache wäre. Erfasst werden sollten dann nicht nur ordentliche Streitverfahren in erster und zweiter Instanz, sondern auch Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen und ausländischer Schiedssprüche.213 172 Zumindest ist der ausländischen Partei Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn sie infolge fehlender Sprachkenntnisse zunächst keine sachgerechten Schritte unternimmt.214 Jedoch ist auch von der sprachunkundigen Partei zu verlangen, dass sie sich in angemessener Frist über den Inhalt einer ihr zugestellten Klage, Ladung, Entscheidung oder sonstigen Verfügung erkundigt.215
4. Fremdsprachige Dokumente 173 Günstiger ist die Lage der Parteien, soweit es um die Berücksichtigung anderer fremdsprachiger Dokumente, insb von Urkunden geht. Fremdsprachige Urkunden sind auch ohne deutsche Übersetzung vom Gericht zu beachten (arg Art 103 I GG). Nach seinem Ermessen kann das Gericht aber von den Parteien die Vorlage einer Übersetzung verlangen (§ 142 III ZPO). Unbeachtlich wird die Urkunde erst, wenn die Partei der Aufforderung nicht nachkommt. Damit das Gericht sachgerecht über die Übersetzungsanordnung entscheiden kann, müssen die Parteien schlüssig darlegen, inwieweit das fremdsprachige Dokument entscheidungserheblich ist.216
5. Sprache im Rechtshilfeverkehr 174 Die Sprache im Rechtshilfeverkehr richtet sich nach den EU-Verordnungen und den Übereinkommen. Außerhalb von Vereinbarungen ist es üblich, die Sprache des ersuchenden Staats zuzüglich einer Übersetzung in eine Amtssprache des ersuchten Staats zu verwenden.217
6. Dolmetscher 175 Verfahren, bei denen Dolmetscher hinzuziehen sind, sind zeitraubend und umständlich. Gerichte, die viel mit Auslandsfällen zu tun haben, sollten daher nach Möglichkeit so besetzt sein, dass sie besondere Sprachkenntnisse besitzen. Dadurch könnte vermieden werden, dass nicht alle eingereichten Unterlagen ins Deutsche übersetzt werden müssen. Den Richtern sollte auch erlaubt sein, gem § 185 II GVG direkt mit den Parteien in ihrer Sprache zu verhandeln, auch wenn die Rechtsanwälte, Protokollführer oder Zuhörer diese Sprache nicht beherrschen. Wesentlich ist allerdings, dass das Ergebnis einer solchen Verhandlung – gewöhnlich ein gerichtlicher Vergleich – in deutscher und frem213 214 215 216 217
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Vgl M. Illmer ZRP 2011, 170. Vgl Ingerl, Sprachrisiko, S 276ff. Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann Art 103 I GG Rz 120. BVerwG NJW 1996, 1553. Kissel/Mayer, GVG, § 184 Rz 24f.
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der Sprache im Protokoll erscheint. Auch hat der Richter über den Inhalt der fremdsprachigen Verhandlung den anderen Anwesenden zu berichten. Auf die Problematik hat im Einzelnen hingewiesen Jeßnitzer, Dolmetscher, 1982. Die Dolmetscherkosten trägt nach hM die kostenpflichtige Partei als Teil der 176 Gerichtskosten (§ 91 ZPO). Kostenfreiheit für den Dolmetscher besteht für den Betroffenen nur im Strafprozess, sofern ihm das Gericht die Kosten nicht ausdrücklich auferlegt (GKG KV Nr 9005 Anmerkung [4]) (aA arg. Art 3 III, 103 I GG218). Nach hM verlangt auch Art 19 IV GG keine Befreiung des deutschunkundigen Beteiligten von den Kosten der Sprachmittlung, vom Fall der Mittellosigkeit abgesehen.219 Dolmetscher- und Übersetzungskosten, die bei der Vorbereitung einer Klage 177 anfallen, gehören zu dem nach §§ 249ff BGB ersatzfähigen Nichterfüllungsbzw Verzugsschaden, nicht dagegen entsprechende Kosten für die parteiinterne Willensbildung bis zum Abfassen des Mahnschreibens.220
218 Leipold, FS Matscher, 1994, S 287, 296. 219 Ingerl, Sprachrisiko im Verfahren, 1988, S 136ff, 310. 220 LG Dortmund RIW 2002, 69; dazu Blase/Dornhegge RIW 2002, 55.
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§ 6 Inlandsverfahren mit Auslandsbezug Inhaltsübersicht I. Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Allgemeine Rechtsschutzformen a) Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . 2 b) Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . 3 c) Drittbeteiligung . . . . . . . . . . . 5 d) Prozessprinzipien . . . . . . . . . . 6 e) Prozesshandlungen . . . . . . . . 7 f) Inhalt des Urteils . . . . . . . . . . 14 g) Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 h) Divergierende Rechtsschutzformen . . . . . . . . . . . . . 17 i) Formen der Prozessbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 j) Grenzüberschreitende Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Europäisches Bagatellverfahren 30 4. Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten. . . . . . 38 5. Verbandsklagen, Klagen im öffentlichen Interesse, kollektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . 40 6. Grenzüberschreitende Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Europäisches Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Deutsches Mahnverfahren mit Auslandsbezug . . . . . . . . 57 c) Mahnverfahren in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . 63 7. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 8. Drittbeteiligung . . . . . . . . . . . . . 72 9. Unklagbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Klagefristen. . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Forderungen aus internationalen Devisenverträgen. . . . . 84 10. Fremdwährungsklagen . . . . . . . . 87 11. Internationale Familiensachen . 97 a) Eheverfahren. . . . . . . . . . . . . . 98 b) Scheidungsfolgen . . . . . . . . . . 111 c) Unterhaltssachen . . . . . . . . . . 118 d) Abstammungssachen . . . . . . 119 II. Ausländische Rechtshängigkeit 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Rechtshängigkeit nach europäischem Zivilprozessrecht a) Zivil- und Handelssachen . . . 201
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b) Unterhaltssachen . . . . . . . . . c) Güterrechtsachen . . . . . . . . . d) Ehe- und Sorgerechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erbrechtssachen . . . . . . . . . . f) Gemeinschaftsmarken . . . . . Ausländische Rechtshängigkeit nach autonomem deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . Perpetuatio fori. . . . . . . . . . . . . . Materiellrechtliche Wirkungen der ausländischen Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Rechtshängigkeit nach Einzelverträgen . . . . . Parallelverfahren im Ausland . . Abgabe oder Verweisung ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit eines ausländischen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessunterbrechung durch ausländisches Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Maßnahmen gegen ausländische Verfahren 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anti-suit injunctions . . . . . . . . . 3. Unterlassungs- und Schadenersatzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Negative Feststellungsklage . . . 5. Blocking statutes a) Europäische Gemeinschaft . b) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . d) Andere Staaten . . . . . . . . . . . e) Deutschland. . . . . . . . . . . . . . IV. Internationales Anwaltsrecht 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwaltsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 3. Inlandstätigkeit ausländischer Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . 4. Auslandstätigkeit deutscher Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . 5. Anwaltskosten und Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221 223 226 230 232
233 248 255
256 259 264 270
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300 301 307 308 311 313 317 318 319 400 401 408 420 430
Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
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I. Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug 1. Schrifttum R. Bertrams, Set-off in private international law, Essays in honour of Kokkini-Iatridou, 1994, S 153; R. Birk, Die Einklagung fremder Rechte im internationalen Privat- und Prozessrecht, ZZP 82 (1969), 70; P. Böhm, Die Rechtsschutzformen im Spannungsfeld von lex fori und lex causae, FS Fasching, 1988, S 107; O. Elias, Judicial Remedies in the Conflict of Laws, 2001; R. Graef, Die Vorbereitung und Durchführung des Haupttermins im deutschen und englischen Zivilprozess, ZVglRwiss 95 (1996), 92; W. Habscheid, Zur Aufrechnung (Verrechnung) gegen eine Forderung mit englischem Schuldstatut im Zivilprozess, FS Neumayer, 1985, S 263; Ch. Hodges, Multi-party actions, 2001; G. Hohloch, Auskunftsansprüche im Spannungsfeld zwischen anwendbarem Recht und Verfahrensrecht, Essays in honour of D. Kokkini-Iatridou, 1994, S 213; G. Hohloch, Die Abänderung ausländischer Unterhaltstitel im Inland, DEuFamR 2000, 193; A. Jack, European Small Claim Procedure, (2005) NLJ 1135; E. Jayme, Auskunftsanspruch und Stufenklage bei ausländischem Ehegüterrechtsstatut, IPRax 1982, 11; M. Kallenborn, Die Prozesskostenvorschusspflicht unter Ehegatten, 1968; M. Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1998; St. Kilgus, Zur Intervention der Bundesrepublik Deutschland in Zivilverfahren aus völkerrechtlichen Gründen, RIW 1997, 14; A.-K. Koberg, Zivilprozessuale Besonderheiten bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, 1992; H. Koch, Streitverkündung und Drittklage im amerikanisch-deutschen Prozess, ZVglRWiss 87 (1986), 11; H. Koch, Internationaler Unterlassungsrechtsschutz zwischen materiellem Recht und Prozessrecht, Liber amicorum Siehr, 2000, S 341; H. Koch, Non-Class Group Litigation under EU and German Law, Duke J.Comp. & Int.L. 11 (2001), 355; B. Kraft, Grenzüberschreitende Streitverkündung und Third Party Notice, 1997; C. Kulaksiz, Die Teilklage im deutschen und türkischen Zivilprozessrecht, 2004; Leipold, Vom nationalen zum europäischen Zivilprozessrecht – Rechtshängigkeit, Rechtskraft und Urteilskollision, in: Kroeschell/Cordes, Vom nationalen zum transnationalen Recht, 1995, S 67; Loritz, Ausländisches Verfahrensrecht im deutschen Zivilprozess, FS 150jähr. Jubiläum Areios Pagos, Bd 1, 2007, S 121; Mansel, Streitverkündung und Interventionsklage im Europäischen internationalen Zivilprozessrecht (EuGVÜ/Lugano-Übereinkommen), in: Hommelhoff/Jayme/Mangold, Europäischer Binnenmarkt, Internationales Privatrecht und Rechtsangleichung, 1995, S 161; H.-P. Mayer/J. Lindemann, Der Vorschlag für ein europäisches Bagatellverfahren, AnwBl 2006, 121; R. McGuire, Forum shopping und Verweisung, ZfRV 2005, 83; M. Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, 1994; E. Milleker, Inlandswirkungen der Streitverkündung im ausländischen Verfahren, ZZP 80 (1967), 288; E. Milleker, Formen der Intervention im französischen Zivilprozess und ihre Anerkennung in Deutschland, ZZP 84 (1971), 91; Otte, Amicus curiae: Drittbeteiligung ohne Interventionswirkung auch in Deutschland?, DAJV-NL 3/90, S 37; E. Milleker, „Verfolgung ohne Ende“, IPRax 1993, 209; B. Prell, Der Anspruch auf Prozesszinsen nach deutschem Recht bei Vorliegen eines ausländischen Vertragsstatuts, JR 2012, 179; Ritter, Zur unfreiwilligen Beteiligung an fremdem Rechtsstreit nach deutschem und italienischem Zivilprozessrecht, in: Juristische Beiträge (der deutsch-italienischen Vereinigung) 1971, 61; H. Rixen, Die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts im deutschen Zivilprozess, Diss. Regensburg 1999; Rott/von der Ropp, Stand der grenzüberschreitenden Unterlassungsklage in Europa, ZZPInt 9 (2004), 3; Schlosser, Extraterritoriale Rechtsdurchsetzung im Zivilprozess, FS W. Lorenz, 1991, S 497; Schober, Drittbeteiligung im Zivilprozess, 1990; M. Schoch, Klagbarkeit, Prozessanspruch und Beweis im Licht des internationalen Rechts, 1934; K. Siehr, Ausländische Unterhaltsentscheide und ihre Abänderung im Inland wegen veränderter Verhältnisse, FS Bosch, 1976, S 927; Simons, Die Prozessaufrechnung im europäischen Zivilprozessrecht, Forum des internationalen Rechts 1996, 24; U. Spellenberg, Abänderung ausländischer Unterhaltsurteile und Statut der Rechtskraft, IPRax 1984, 304; U. Spellenberg, Drittbeteiligung im Zivilprozess, ZZP 106 (1993), 283; R. Stürner, Special Case Manage-
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Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
ment by Judges for Foreign Parties, in Stürner/Kawano, International Contract Litigation, Arbitration and Judicial Responsibility in Transnational Disputes, 2011, S 253; Wegen, Vergleich und Klagerücknahme im internationalen Prozess, 1987; Ph. Wood, English and International Set-Off, 1989.
2. Allgemeine Rechtsschutzformen a) Klagearten 2
Die zulässigen Klagearten, insb die Formen einstweiligen Rechtsschutzes, richten sich grds nach der lex fori. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage (§ 256 ZPO),1 einer Leistungsklage vor Fälligkeit (§§ 257ff ZPO),2 einer Stufenklage (§ 254 ZPO), einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage,3 einer Teilklage bzw der Bindung an den Antrag (§ 308 ZPO), der Zulässigkeit von Widerklage und Prozessaufrechnung4 oder der Abänderungsklage (§ 323 ZPO) richten sich im Inland damit ausschließlich nach der ZPO bzw in Familiensachen nach dem FamFG. Gleiches gilt für die Frage, ob es für Bagatellforderungen,5 für Verbraucherstreitigkeiten, Handelsstreitigkeiten, Familiensachen oder Urkundsprozesse jeweils besondere Prozessarten gibt.6 In Deutschland stehen alle Klagearten unabhängig von Nationalität und Wohnsitz/Sitz der Parteien zur Verfügung. Auch ein Mahnverfahren findet in grenzüberschreitenden Fällen statt (s Rz 46ff).
b) Mediation 3
Am 21.5.2008 ist die Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen verabschiedet worden.7 Umgesetzt hat der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie mit dem Mediationsgesetz v 21.7.2012.8 Die Mediation ist nach § 2 MediationsG ein freiwilliges, eigenverantwortliches Verfahren der Parteien mit einem selbst gewählten Mediator. Ist bereits ein Gerichtsverfahren anhängig, kann das Gericht den Parteien eine Mediation vorschlagen (§ 278a I ZPO). Stimmen die Parteien zu, wird das Ruhen des Verfahrens angeordnet (§ 278a II ZPO). Eine Einigung der Parteien kann mit ihrer Zustimmung in einer Abschlussvereinbarung dokumentiert werden (§ 2 VI 3 MediationsG).
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Alternativ kann das Gericht die Parteien an einen nicht entscheidungsbefugten Güterichter verweisen (§ 278 V 1 ZPO). Dieser kann alle Methoden der 1 Schoch S 77ff. 2 Schoch S 68ff, 107f. 3 Vgl Koch, Liber amicorum Siehr, S 341, 347 (für „funktionale“ Qualifikation); Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 2635ff; Rott/von der Ropp ZZPInt 9 (2004), 3. 4 Vgl Wood S 233ff. 5 Schoch S 125ff. 6 Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 124; Geimer, IZPR, Rz 2633. 7 ABl EU L 136 S 3; zum Kommissionsvorschlag: P. Mayr/M. Weber, Europäische Initiativen zur Förderung der alternativen Streitbeilegung, ZfRV 2007, 163. 8 BGBl I 1577; vgl Greger/Unberath, Mediationsgesetz, 2012; Fritz/Pielsticker, Mediationsgesetz, 2013.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
§6
Streitbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen. Vor ihm kann also auch ein vollstreckbarer Prozessvergleich geschlossen werden.9
c) Drittbeteiligung Die lex fori bestimmt, ob und in welcher Weise sich Dritte aus eigenem An- 5 trieb am fremden Verfahren beteiligen können (zB durch Nebenintervention) und inwieweit sie ohne oder gegen ihren Willen zwangsweise in ein Verfahren einbezogen werden können (zB durch Streitverkündung, third party complaint oder Beiladung) (s u Rz 72ff).
d) Prozessprinzipien Die lex fori bestimmt über die anwendbaren Prozessprinzipien, insb darüber, 6 ob die Parteien den Sachverhalt vortragen müssen oder ob das Gericht den Sachverhalt selbst aufklären kann und muss.10 Dies gilt in der EU auch dann, wenn der Beibringungsgrundsatz dazu führt, dass mangels Parteivortrags zwingendes Gemeinschaftsrecht nicht angewandt wird.11
e) Prozesshandlungen Die lex fori processualis bestimmt, welche Anforderungen an Klageschrift und 7 Klageerwiderung gestellt werden,12 in welcher Form eine Prozesshandlung vorzunehmen ist und wann sie mit fristwahrender Wirkung vorgenommen worden ist. Die lex fori bestimmt somit auch, ob und inwieweit die mündliche Verhand- 8 lung in Form einer transnationalen Videokonferenz stattfinden kann oder zumindest einzelne Beteiligte durch Videokonferenz zugeschaltet werden können.13 Innerhalb der EU ist insoweit auch Art 17 IV 3 EuBewVO zu beachten. Auch die wirksame Erteilung einer Prozessvollmacht untersteht damit der jeweiligen lex fori (s u Rz 403).14
9 Vgl R. Greger/H. Weber, Das neue Güterichterverfahren, MDR 2012, Sonderheft S 21, 23. 10 Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 124. 11 EuGHE 1995, I-4705 (van Schijndel, van Veen) = EuZW 1996, 542; EuGHE 1995, I-4599 (Peterbroeck) = EuZW 1996, 636; krit Cahn ZEuP 1998, 974, 978. 12 Ob etwa wie nach §§ 253 II Nr 2, IV, 130 Nr 3, 4, 5 ZPO bereits konkrete Sachverhaltsbehauptungen mit Beweisangeboten erforderlich sind oder wie nach FRCP 8a eine Kurzangabe zum Streitgegenstand mit Klageantrag genügt. Vgl J. W. Reinhard, Klageerhebung und Beklagtenschutz nach US-amerikanischem und deutschem Zivilprozessrecht, 2006. 13 Für das deutsche Recht s § 128a ZPO. Für England s Polanski v Condi Nast Publications Ltd (2005) UK HL 10; dazu Hess, Europäisches Beweisrecht, in Marauhn, Bausteine eines europäisches Beweisrechts, 2007, S 17; s auch Davies, Use of Video and Audio Technologie, AmJCompL 55 (2007), 205. 14 OLG Hamm IPRax 1996, 33, 35; v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 106.
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10
Das deutsche Recht stellt bei Prozesshandlungen gegenüber dem Gericht, auch in internationalen Verfahren, vielfach auf den Eingang bei Gericht ab. Eine Regel wie Art 12 schweiz. IPRG, dass für die Fristwahrung durch eine Person im Ausland der Eingang bei einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung innerhalb der Frist genügt, kennt das deutsche Recht nicht.
11
Auch bei Beteiligung von Parteien mit ausländischem Wohnsitz/Sitz gelten grds die allgemeinen Fristen für die Vornahme von Prozesshandlungen. Wählt das Gericht ein schriftliches Vorverfahren, so hat es die Frist zu bestimmen, innerhalb der der Beklagte mit Wohnsitz/Sitz im Ausland seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen hat (§ 276 I 1, 3 [1. Hs.] ZPO). Ist ein Versäumnisurteil im Ausland zuzustellen, bestimmt das Gericht eine angemessene Einspruchsfrist (§ 339 II ZPO). Bei der Bestimmung von Erwiderungsfristen (§§ 275 III, IV, 276 I 2, 277 III ZPO) ist ebenfalls auf den ausländischen Wohnsitz Rücksicht zu nehmen.
12
Die ausländische Partei unterliegt den allgemeinen Sorgfaltspflichten im Prozess. Wird ihr eine (nicht ordnungsgemäß zugestellte) Entscheidung faktisch bekannt, so muss sie sich unverzüglich um die Einlegung eines Rechtsmittels bemühen, damit ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) gewährt werden kann.15
13
Zur Unterbrechung des Verfahrens durch Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens s u Rz 256f u § 20 Rz 82ff.
f) Inhalt des Urteils 14
Der Inhalt des Urteils kann auf Leistung oder Unterlassung im Inland oder Ausland lauten.16 Die Verurteilung zur Vornahme einer vertretbaren Handlung im Ausland kann mit der Ermächtigung zur Ersatzvornahme auf Kosten des Schuldners (§ 887 ZPO) verbunden werden17 (s u § 19 Rz 60f). Durch das Urteil wird nur der Beklagte persönlich verpflichtet; ein Übergriff in ausländische Hoheitsrechte liegt mithin nicht vor.18 Lediglich zur realen Vollstreckung im Ausland bedarf es der Hilfe der ausländischen Gerichte. Unterbleiben sollte aber eine Verurteilung zu einer Handlung im Ausland, die dort verboten ist. § 441 (1) (a) Restatement Foreign Relations Law (Third) verlangt nur eine angemessene Berücksichtigung des ausländischen Rechts unter Abwägung aller Interessen. Jedoch kann wohl generell von einer Person nicht verlangt werden, dass sie in ihrem Wohnsitzstaat gegen dessen Gesetze verstößt.19
g) Zinsen 15
Ob und in welcher Höhe Zinsen verlangt werden können, ist nach deutschem Recht eine Frage des Schuldstatuts. Dies gilt auch für die Prozesszinsen (§ 291 15 16 17 18 19
BGH FamRZ 1995, 1136. BGH RIW 1979, 419; Geimer, IZPR, Rz 396; Schlosser, FS W. Lorenz, S 497, 499. OLG Stuttgart ZZP 97 (1984), 487; Gottwald, FS Habscheid, S 119, 121. Vgl Gottwald, FS Habscheid, 1989, S 119. Gottwald, FS Habscheid, S 119, 122; Mann, FS Mosler, 1983, S 529, 542.
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BGB; § 262 S 1 ZPO).20 Die festgesetzten Kosten sind stets nach § 104 I 2 ZPO (ohne Rücksicht auf das Schuldstatut) zu verzinsen. In anderen Ländern wird die Verzinsung teilweise prozessual qualifiziert. In 16 den USA richten sich Grund und Höhe der Zinsen vor Urteilserlass nach dem Schuldstatut; die Urteilssumme ist dagegen mit dem Zinssatz des Urteilsstaats zu verzinsen (so Uniform Foreign Money Claims Act 1989, § 9).
h) Divergierende Rechtsschutzformen Zweifelhaft ist aber, wie vorzugehen ist, wenn eine Rechtsfolge nach der lex 17 causae durch Rechtsgeschäft, nach der lex fori dagegen durch Urteil herbeizuführen ist (oder umgekehrt). Entscheidend muss im Ausgangspunkt sein, welche Gestaltungsformen das materielle Recht vorsieht. Der Gesetzgeber kann aber die Einhaltung von Inlandsformen zwingend vorschreiben, etwa die Scheidung durch Gerichtsentscheidung (Art 17 II EGBGB) trotz möglicher Privatscheidung. Verlangt auch die lex causae zwingend die Einhaltung ihrer Form, so sind beide Formen einzuhalten und (sofern möglich) zu kombinieren, wenn eine hinkende Rechtsfolge vermieden werden soll (s u Rz 98ff). Die lex fori entscheidet weiter, ob und inwieweit ausländische öffentlich- 18 rechtliche Ansprüche im Inland eingeklagt werden können. Primäransprüche sind in Deutschland freilich vor den Verwaltungsgerichten einzuklagen; vor den Zivilgerichten können Regressansprüche öffentlicher Kassen wegen geleisteten Unterhalts, uU auch ein Regressanspruch einer Privatperson eingeklagt werden.21 Ein US-Bundesgericht hat entsprechend entschieden, dass US-Gerichte nicht für Klagen gegen Deutschland auf Zahlung von Entschädigung für NS-Unrecht zuständig sind.22 Schwierigkeiten ergeben sich häufig bei internationalen Unterhaltsverfahren. 19 Ob ein Stufenantrag (eine -klage) zulässig ist, entscheidet die lex fori, ob ein klagbarer Auskunftsanspruch besteht, richtet sich dagegen nach der lex causae,23 dem Unterhaltsstatut.24 Kennt die lex causae keinen Auskunftsanspruch, wohl aber eine entsprechende Amtsermittlung im Inlandsprozess, so ist im Wege der Anpassung ein Auskunftsanspruch zuzuerkennen.25
20 AA B. Prell JR 2012, 179, 181. 21 Vgl St. Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Inland, 1994; H. Baade, Operation of Foreign Public Law, IntEncCompL Vol. III/12, 1991, no 12–66 et seq. 22 U.S Court of Appeal D.C., RIW 1994, 771. 23 Böhm, FS Fasching, 1988, S 107, 123; vgl M. Kentgens, Der Auskunftsanspruch im Familienrecht, 1992. 24 BGH IPRax 1983, 184. 25 Jayme IPRax 1982, 11; so im Falle eines griechischen Unterhaltsschuldners vgl OLG Hamm IPRax 1988, 108; Jayme/Bissias, Auskunftsanspruch und ausländisches Ehegüterrechtsstatut, IPRax 1988, 94, 95; für das türkische Recht OLG Hamm FamRZ 1993, 69; für Japan: OLG Stuttgart IPRax 1990, 113, 114.
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21
Teilweise wird auch versucht, das ausländische Recht fortzubilden und darin im Wege der Lückenfüllung einen Auskunftsanspruch zu entwickeln. Doch genügt die Amtsermittlung nicht, um für Fälle mit Auslandsberührung einen solchen Anspruch zu unterstellen. Vorgeschlagen wird schließlich, nicht einen speziellen Auskunftsanspruch zu entwickeln, sondern die eigene lex fori abzuändern und, soweit nötig, die Verfahrensregeln des Hauptstatuts mit anzuwenden, dh im Unterhaltsprozess den Untersuchungsgrundsatz wie im Land des Unterhaltstatuts anzuwenden.26 Die Folge davon ist, dass dann insoweit eine Auskunftsklage unzulässig ist.
22
Diese Art der Anpassung hilft aber nicht weiter, wenn im Ausland weder der Untersuchungsgrundsatz herrscht noch das ausländische Unterhaltsstatut einen materiellen Auskunftsanspruch kennt, wohl aber eine (funktional vergleichbare) prozessuale Pflicht zur Auskunft im Wege des (pre-trial) discovery oder disclosure. Man könnte – um den Normenmangel zu beheben – diese discovery-Pflicht in einem deutschen Prozess materiellrechtlich qualifizieren.27 Problematisch hieran ist jedoch, dass die Discoverypflicht teilweise erheblich über inländische Vorstellungen hinausgeht und jedenfalls in extremen Fällen mit dem deutschen ordre public (Art 6 EGBGB) kollidiert. Deshalb ist es im Ergebnis praktikabler, im Wege der Anpassung im Inland im Rahmen einer Stufenklage einen Auskunftsanspruch analog dem deutschen materiellen Recht gem §§ 1580, 1605 BGB (als Annex zum Prozessrecht) zu gewähren.28
23
Die Zulässigkeit einer Entscheidung über eine Aufrechnungsforderung bestimmt die lex fori; Voraussetzungen und Wirkungen der Kompensation sind dagegen der lex causae zu entnehmen.29 Soweit die Aufrechnung nach dem Schuldstatut prozessrechtlich geregelt ist, kann sie nicht in der ausländischen Prozessform erklärt werden, vielmehr ist das ausländische Prozessrecht auf seinen materiellen Gehalt zu befragen. Im Inland wird die Aufrechnung also prozessual als Verteidigungsmittel geltend gemacht; sie kann aber nur beachtet werden, soweit das ausländische „Prozessrecht“ eine Verrechnungswirkung zulässt.30
24
Obgleich die Aufrechnung prozessual ein Verteidigungsmittel ist, lässt der BGH in ständiger Rspr die Aufrechnung mit einer streitigen Forderung nur zu, wenn die deutschen Gerichte zur Entscheidung über die Aufrechnungsforderung international zuständig sind.31 Hieran fehlt es, wenn die Aufrechnungsforderung aufgrund einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung im Ausland32 oder aufgrund einer Schiedsvereinbarung vor einem Schiedsgericht (s u § 18 Rz 158) einzuklagen ist. Dies soll auch dann dem Willen der Parteien
26 So G. Hohloch, Liber amicorum Kokkini-Iatridou, 1994, S 213, 228ff. 27 So St. Morweiser IPRax 1992, 65. 28 H. Eidenmüller IPRax 1992, 356; OLG Bamberg IPRspr 1983 Nr 59, S 145; so wohl auch G. Hohloch, Liber amicorum Kokkini-Iatridou, 1994, S 230. 29 Vgl Habscheid, FS Neumayer, 1985, S 263. 30 BGH NJW 1960, 1720. 31 BGH IPRax 1994, 114 und 115 (dazu Geimer S 82). 32 AA v Falkenhausen RIW 1982, 386, 388.
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entsprechen, wenn zwischen Haupt- und Gegenforderung ein Sachzusammenhang besteht. Die jeweilige lex fori entscheidet auch, ob und unter welchen Voraussetzungen 25 eine Gegenforderung mittels Widerklage oder Prozessaufrechnung geltend gemacht werden kann.33 Bei der Abänderungsklage (Abänderungsantrag) ist streitig, inwieweit die Ab- 26 änderungsmöglichkeit ausschließlich der lex fori oder Anlass, zeitlicher und sachlicher Umfang der Abänderung der lex causae (dem Unterhaltsstatut) zu entnehmen sind. Die Praxis tritt hier überwiegend für eine vollständige Anwendung von § 323 III ZPO bzw § 238 III FamFG ein. Überzeugender erscheint aber, dass ein nach ausländischem Recht (lex causae) bestehender Anspruch auf Erhöhung der (Unterhalts)Forderung bzw auf Verminderung der (Unterhalts)Schuld auch im Inland zeitlich uneingeschränkt eingeklagt werden kann.34 Folgt man dem, findet die Abänderung im prozessualen Rahmen von § 323 ZPO bzw § 238 FamFG statt, für Art und Höhe der anzupassenden Unterhaltsleistung bleibt aber das dem abzuändernden Titel zugrunde liegende Sachrecht maßgebend, sofern kein Statuswechsel stattgefunden hat.35 Auch wenn man mit der hM das Maß zulässiger Änderungen allein der lex fori entnimmt, trägt die Neuregelung der §§ 238ff FamFG in § 238 III 2 FamFG dem Bedürfnis nach rückwirkender Unterhaltserhöhung doch bereits weitgehend Rechnung.36 In Ländern, in denen es keine besondere Abänderungsklage gibt, wie etwa in 27 Österreich, ist je nach Sachlage Leistungsklage, negative Feststellungsklage oder Oppositionsklage (Vollstreckungsabwehrklage) unter Beachtung der allgemeinen Rechtskraftpräklusion zu erheben.37 In den USA wird eine Abänderung nach dem Recht des Erstgerichts, bei einem Wandel des Unterhaltsstatuts aber eine Abänderung nach dem neuen Recht des Forumstaats zugelassen.38
33 Vgl Wood S 233ff; zum Verhältnis von gerichtlicher Aufrechnung nach italienischem Recht und Widerklage s Gebauer JbItalR 12 (1999), 31, 41ff, 54ff. 34 Vgl MüKo/Gottwald § 323 ZPO, Rz 100ff; Staudinger/Mankowski, 14. Bearb 2003, Art 18 EGBGB Anh I Rz 43ff; Hohloch DEuFamR 2000, 193, 204; Gottwald FamRZ 1992, 1374, 1375f; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, 2000, S 269; aA OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1344; OLG Celle IPRax 1993, 103, 104; Johannsen/Henrich/ Brudermüller, Eherecht, 5. Aufl 2010, § 238 FamFG Rz 57f; Schack IZVR Rz 1114ff; Jaeckel, Reichweite der lex fori, 1995, S 112ff, 121; offen gelassen in BGH FamRZ 1993, 43. 35 KG IPRax 1994, 455, 458; aA Baumann IPRax 1994, 435, 438. 36 Vgl Schwab/Streicher, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Aufl 2010, Teil I Rz 1106, 1129, 1138ff. 37 Fasching, Zivilprozessrecht, 2. Aufl 1990, Rz 1532; Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts, 7. Aufl 2009, Rz 542. 38 Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, §§ 15.35–36 (pp708ff).
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i) Formen der Prozessbeendigung 28
Die lex fori entscheidet schließlich über mögliche Formen der streitigen oder konsensualen39 Beendigung des Verfahrens. Das Gericht fördert einen Vergleichsschluss der Parteien entsprechend seiner lex fori. Ob das Gericht im Heimatstaat einer der Parteien einen geringeren oder einen größeren Einfluss auf den Abschluss des Vergleichs ausüben darf, ist irrelevant.40
j) Grenzüberschreitende Verweisung 29
Eine grenzüberschreitende (das Zweitgericht bindende) Verweisung ist bisher, auch zwischen den Mitgliedstaaten der EU nicht vorgesehen.41 Ansätze finden sich freilich für Sorgerechtssachen in Art 15 EheGVO („Brüssel IIa“).42 Um ein forum shopping zu vermeiden, mehren sich die Stimmen, die für eine Einführung de lege ferenda plädieren.43
3. Europäisches Bagatellverfahren 30
Schrifttum: C. Crifó, Europeanisation, Harmonisation and unspoken premises: The case of service rules in the Regulation on European Small Claims Procedure, 30 C.J.Q. (2011), 283; M. Cuypers, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht – Internationale Zuständigkeit, Brüssel I und small claim regulation, GPR 2009, 34; G. Haibach, Zur Einführung des Ersten Europäischen Zivilprozessverfahrens; Verordnung (EG) Nr 861/2007, EuZw 2008, 137; Jahn, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, NJW 2007, 2890; Ch. Kern, Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen und die gemeineuropäischen Verfahrensgrundsätze, JZ 2012, 389; H. P. Mayer/J. Lindemann/G. Haibach, Small Claims Verordnung – Klage, Verfahren, Urteil und Vollstreckung geringfügiger Forderungen in Europa, 2009; X. Kramer, The European Small Claim Procedure, ZEuP 2008, 356; H.-P. Mayer/J. Lindemann, Einklagen von Fluggastrechten mit dem Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen, NJW 2012, 2317; S. Nardone, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, Rpfleger 2009, 72; Rauscher/Varga, EuZPR/EuIPR, Bearb 2010, Teil A I 5, S 409; U. Salten, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, MDR 2009, 244; E. Skorskrubb, Civil Procedure and EU-Law, 2008, p 220; B. Sujecki, Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 35, 2. Aufl 2010, S 2057.
31
Zum 1.1.2009 wurde für grenzüberschreitende Fälle ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen eingeführt.44 Das Verfahren steht für Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen bis zu 2000 Euro (ohne Zinsen, Kosten 39 Vgl Stürner, Formen der konsensualen Prozessbeendigung, in: Symposium für Schlosser, 2001, S 5. 40 Vgl Kawano, Role of Judges and Party-Autonomy in „Settlement in Litigation“, in Stürner/Kawano, International Contract Litigation, 2011, S 299. 41 Zur Verweisung in Mehrrechtsstaaten s A. Schulz RabelsZ 69 (2005), 419. 42 Zur „Verweisung“ nach der EuInsVO s AG Hamburg ZIP 2006, 1105, 1107. 43 Vgl McGuire ZfRV 2005, 83. 44 VO (EG) Nr 681/2007 v 11.7.2007, ABl EU L 199/1; dazu Mayer/Lindemann AnwBl 2006, 121 u. 207; A. Jack (2005) NLJ 1135; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des BT v 31.5.2006, BT-Drucks 16/1684; Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 13.6.2007.
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und Auslagen) (Art 2 I) alternativ zu innerstaatlichen Verfahren zur Verfügung (Art 1 I 2 EuGFVO).45 Forderungen, die die in Art 1 II EuGVO genannten Angelegenheiten betreffen, sind ausgenommen (Art 2 II EuGFVO). Zur Einleitung des Verfahrens füllt der Antragsteller das Klageformblatt A aus 32 und reicht es beim zuständigen Gericht direkt, per Post, Fax oder E-Mail (Art 4 I EuGFVO; § 1097 ZPO) in der jeweiligen Gerichtssprache ein (Art 6 I EuGFVO).46 Ein Anwaltszwang besteht nicht (Art 10 EuGFVO). Das Gericht trägt das Formular in eine Liste ein; dadurch wird die Verjährungsfrist wie bei einer Klageerhebung gehemmt (§ 204 I Nr 1 BGB).47 Das Verfahren wird schriftlich in einem vereinfachten Verfahren abgewickelt 33 (Art 5 I EuGFVO).48 Das Gericht füllt den Teil I des Antwortformulars aus und stellt dem Gegner Antrags- und Antwortformular innerhalb von 14 Tagen zu (Art 5 II EuGFVO).49 Der Gegner kann innerhalb eines Monats nach Zustellung durch Ausfüllen von Teil II des Antwortformulars und Rücksendung an das Gericht oder durch Erhebung formloser Einwendungen bei Gericht antworten (Art 5 III EuGFVO). Macht der Gegner eine Gegenforderung im Wert über 2000 Euro geltend (Art 5 V, VI EuGFVO), so wird das Verfahren insgesamt als ordentliches Klageverfahren fortgeführt (Art 5 VII EuGFVO, § 1099 II ZPO).50 Nach Eingang der Antwort des Antragsgegners und/oder des Antragstellers er- 34 lässt das Gericht (1) entweder innerhalb von sechs Monaten eine Entscheidung oder (2) fordert innerhalb einer Frist weitere Auskünfte von den Parteien oder (3) lädt die Parteien zu einer Verhandlung (Art 7 I). Antwortet der Gegner nicht fristgerecht, ergeht gegen ihn ein Urteil nach Lage der Akten (Art 7 III EuGFVO; § 1103 ZPO).51 Das Gericht hat das Recht auf ein faires Verfahren zu achten (Art 12 II 35 EuGFVO) und sich in geeigneten Fällen um eine gütliche Einigung zu bemühen (Art 12 III EuGFVO). Das Gericht bestimmt nach Art 9 I EuGFVO selbst, welche Beweismittel es benutzen will und in welchem Umfang es eine Beweisaufnahme durchführt. Er soll das einfachste und kostengünstigste Beweismittel wählen.52 Verhandlung und Beweisaufnahme können auch durch Video- oder Telefonkonferenz erfolgen (vgl Art 8, 9 EuGFVO). Die Entscheidung ist sofort ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (Art 15 I 2 EuGFVO; § 1105 I ZPO).
36
Die Entscheidung wird in jedem EU-Mitgliedstaat ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckt, wenn sie gem Art 20 EuGFVO unter Verwendung des Form-
37
45 46 47 48 49 50 51 52
Rauscher/Varga (2010) Einl EG-BagatellVO Rz 31ff. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Kap 35 Rz 38ff. MüKo/Grothe, § 204 BGB Rz 5. Vgl Kern JZ 2012, 389, 391; Gebauer/Wiedmann/Sujecki Rz 44; Rauscher/Varga (2010) Einl EG-BagatellVO Rz 56ff. Vgl Kern JZ 2012, 389, 390. Gebauer/Wiedmann/Sujecki Kap 35 Rz 49. Rauscher/Varga (2010) Art 7 EG-BagatellVO Rz 5f. Rauscher/Varga (2010) Art 9 EG-BagatellVO Rz 11ff.
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blattes D (Anhang IV) als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist (vgl §§ 1106, 1107 ZPO).53 Nach § 1106 II 1 ZPO ist der Schuldner vor Ausfertigung der Bestätigung anzuhören.54
4. Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten 38
Nach einem Vorschlag der EU-Kommission v 29.11.201155 soll in der EU durch Verordnung ein System der Online-Beilegung grenzüberschreitender Online-Geschäfte zwischen Händlern bzw Dienstleistern und Verbrauchern mit Wohnsitz in EU-Mitgliedstaaten geschaffen werden. Dazu soll eine interaktive Website („ODR Platform“) eingeführt werden (E Erwägungsgrund 14; Art 5). Diese Website soll ein elektronisches Klageformblatt in allen EU-Sprachen anbieten (E Art 5 III). Soweit die Beteiligten ein bestimmtes außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren (Ombudsmann, Schiedsstelle etc) vereinbart haben, soll der Fall dieser Stelle zur Entscheidung innerhalb von 30 Tagen zugeleitet werden (E Art 5 III lit c, Art 8, 9). Sind die Beteiligten mit der Entscheidung der außergerichtlichen Schlichtungsstelle nicht einverstanden, soll ihnen der Weg zu Gericht offenstehen (E Erwägungsgrund 19).
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Die EU-Kommission möchte außerdem erreichen, dass für Verbraucherstreitigkeiten aus Warenkäufen oder Dienstleistungsverträgen in allen EU-Mitgliedstaaten ein außergerichtliches Streitschlichtungsorgan zur Verfügung steht. Mit Hilfe einer Richtlinie56 sollen die Mitgliedstaaten angehalten werden, entsprechende ADR-Stellen, soweit noch nicht vorhanden, einzurichten (E Art 5 I).
5. Verbandsklagen, Klagen im öffentlichen Interesse, kollektiver Rechtsschutz 40
Schrifttum: H.-J. Ahrens, Die internationale Verbandsklage in Wettbewerbssachen, ZPR 1994, 649; Brönneke, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, 2001; A. Bruns u T. Domej, Einheitlicher kollektiver Rechtsschutz in Europa?, ZZP 125 (2012), 399 u 421; St. Eichholtz, Die US-amerikanische Class Action und ihre deutschen Funktionsäquivalente, 2002; St. Einhaus, Kollektiver Rechtsschutz im englischen und deutschen Zivilprozessrecht, 2008; P. Gottwald, On the extension of Collective Legal Protection in Germany, CJQ 26 (2007), 484; B. Heß, Entschädigung für NS-Zwangsarbeit vor US-amerikanischen und deutschen Zivilgerichten, AG 44 (1999), 145; B. Heß, Das geplante Unterlassungsklagengesetz, in Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft u Schuldrechtsreform, 2001, S 527; H. Hirte, Sammelklagen – Fluch oder Segen?, FS Leser, 1998, S 335; Ch. Hodges, The Reform of Class and Representative Actions in European Legal Systems, 2008; Koch, Die Verbandsklage in Europa, ZZP 113 (2000), 413; Koch, Prozess53 Gebauer/Wiedmann/Sujecki Kap 35 Rz 77ff. 54 Krit Rauscher/Varga (2010) Art 20 EG-BagatellVO Rz 7; Gebauer/Wiedmann/Sujecki Kap 35 Rz 80. 55 KOM (2011) 794 endg. v 29.11.2011. Das EU-Parlament hat den Vorschlag am 12.3.2013 in erster Lesung behandelt. 56 KOM (2011) 793 endg. v 29.11.2011. Das EU-Parlament hat auch diesen Vorschlag am 12.3.2013 grundsätzlich gebilligt.
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§6
führung bei komplexen Verfahren in Europa, in: Storme, Procedural laws in Europe, 2003, 373; K. Kohler, Die grenzüberschreitende Verbraucherverbandsklage nach dem Unterlassungsklagengesetz im Binnenmarkt, 2008; Lakkis, Der kollektive Rechtsschutz der Verbraucher in der Europäischen Union, 1997; Lakkis, Globale Märkte – Globaler Rechtsschutz? – Grenzen des grenzübergreifenden kollektiven Rechtsschutzes für Verbraucher, Jahrb. junger Rechtswiss. 1998, 255; W. Lindacher, Die internationale Verbandsklage in Wettbewerbssachen, FS G. Lüke, 1997, S 377; W. Lindacher, Internationales Wettbewerbsverfahrensrecht (§ 12), 2009. S 74; P. Mankowski, Können ausländische Schutzverbände der gewerblichen Wirtschaft „qualifizierte Einrichtungen“ im Sinne der Unterlassungsklagerichtlinie sein und nach § 8 III Nr 3 UWG klagen?, WRP 2010, 186; K. Maurer, Grenzüberschreitende Unterlassungsklagen von Verbraucherschutzverbänden, 2001; Ch. Michailidon, Prozessuale Fragen des Kollektivrechtsschutzes im europäischem Justizraum, 2007; Micklitz/Stadler, Das Verbandsklagerecht in der Informationsund Dienstleistungsgesellschaft, 2005; Th. Pfeiffer, Shareholder Derivative Suit vor deutschen Gerichten, RIW 2007, 580; A. Stadler, Musterverbandsklagen nach künftigem deutschen Recht, FS Schumann, 2001, S 465; A. Stadler, Das neue Gesetz über Musterfeststellungsklagen im deutschen Kapitalanlegerschutz, FS Rechberger, 2005, S 663; A. Stadler, Grenzüberschreitender Kollektiver Rechtsschutz in Europa, JZ 2009, 121.
In Umsetzung der EG-Richtlinie 98/27/EG sind Verbraucherverbände, die in 41 einem Mitgliedstaat der EU registriert sind, auch vor deutschen Gerichten klageberechtigt (§ 3 I Nr 1, § 4 UKlaG v 26.11.2001).57 Entsprechendes gilt für deutsche Verbände in den anderen EU-Staaten. Bei Klagen, die auf eine Verwendung von AGB im Ausland gestützt werden oder die sich gegen verbraucherschutzwidrige Handlungen im Ausland richten, sind aber die entsprechenden ausländischen Normen Anspruchsvoraussetzung. Konsequenterweise bestimmt ausschließlich die jeweilige lex fori, ob Klagen 42 im öffentlichen Interesse zulässig sind. Verbandsklagen (zB nach §§ 1ff UKlaG, § 8 Abs 1, 3 Nr 2–4 UWG 2007) sind nur in Deutschland zulässig, stehen aber auch vergleichbaren ausländischen Verbänden offen.58 Hat die Klage Bezug zu einem ausländischen Markt, so besteht dennoch eine Verbandsklagebefugnis im Inland, wenn das anwendbare ausländische Recht eine entsprechende Sachlegitimation vorsieht.59 Eine class action (nach Rule 23 FRCP der USA)60 kann in Deutschland nicht 43 erhoben werden, auch wenn amerikanisches Sachrecht anwendbar ist.61 Eine class action in den USA kann allerdings auch Wirkung für und gegen ausländische Beteiligte haben.62 57 Vgl P. Mankowski WRP 2010, 186; Schack, IZVR, Rz 625. 58 BGH GRUR 1988, 453; Ahrens WRP 1994, 653, 654; P. Mankowski WRP 2010, 186. 59 Ahrens WRP 1994, 653, 655; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S 720ff; vgl Lindacher, FS G. Lüke, 1997, S 377. 60 Vgl zuletzt J. Hohl, Die US-amerikanische Sammelklage im Wandel, 2008. 61 Mark EuZW 1994, 239; Schack, IZVR, Rz 625; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S 728ff; vgl H. Beuchler, Class actions und Securities Class Actions in den Vereinigten Staaten von Amerika, 2008; P. Mattil/V. Desoutter, Die europäische Sammelklage, WM 2008, 521. 62 Vgl V. Hoppe, Die Einbeziehung ausländischer Beteiligter in US-amerikanische class actions, 2005.
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§6
Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
44
Für Schadenersatzklagen wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen oder Ansprüche nach dem WpÜG sieht § 32b I 1 ZPO einen ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz des betroffenen Emittenten, Anbieters oder der Zielgesellschaft vor. Durch diese Regelung soll auch erreicht werden, dass Kapitalanleger-Musterverfahren nach dem KapMuG (jetzt v 25.10.2012, BGBl I 2182) gegen deutsche Emittenten in Deutschland an deren Sitz stattfinden.
45
Dieses Ziel kann aber nicht erreicht werden. Denn einmal hat Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 7 Nr 2 EuGVO nF) für Geschädigte in EU- bzw EFTAStaaten Vorrang vor § 32b ZPO und zu anderen legt jeder Staat seine internationale Zuständigkeit selbst fest. § 32b ZPO schließt über § 328 I Nr 1 ZPO lediglich die Anerkennung einer Drittstaatentscheidung aus.63
6. Grenzüberschreitende Mahnverfahren 46
Schrifttum: a) Europäisches Mahnverfahren: v. Bernstorff, Der Europäische Zahlungsbefehl, RIW 2008, 548; Brenn, Europäischer Zivilprozess, 2005, Rz 186ff; J. P. Correa Delcaso, La proposition de règlement instituant une procédure européenne d’injonction de payer, Rev.int.dr.comp. 57 (2005), 143; D. Einhaus, Qual der Wahl: Europäisches oder internationales deutsches Mahnverfahren?, IPRax 2008, 323; D. Einhaus, Erste Erfahrungen mit dem Europäischen Zahlungsbefehl, EuZW 2011, 865; E. Gundlach, Europäische Prozessrechtsangleichung – dargestellt am Beispiel des Mahnverfahrens, 2005; B. Hess, Strukturfragen der europäischen Prozessrechtsangleichung, dargestellt am Beispiel des Europäischen Mahn- und Inkassoverfahrens, FS Geimer, 2002, S 339; B. Hess, Vereinfachte Verfahren und Mahnverfahren in Europa, in: Storme, Procedural law in Europe, 2003, 323; G. Kodek, Auf dem Weg zu einem Europäischen Mahnverfahren?, FS Rechberger, 2005, S 283; J. Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, 2007; P. Mayr, Die rügelose Einlassung im europäischen (und österreichischen) Mahnverfahren, ZaK 9/2012, 167; A. Pérez-Ragone, Europäisches Mahnverfahren, 2004; N. Preuss, Erlass und Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls, ZZP 122 (2009), 3; Rauscher/Gruber, EuZPR/EuIPR, Bearbeitung 2010, Teil A I 4, S. 267; Rechberger/Kodek, Orders for Payment in the European Union, 2001; K. Rellermeyer, Grundzüge des Europäischen Mahnverfahrens, Rpfleger 2009, 11; E. Schollmeyer, Europäisches Mahnverfahren, IPRax 2002, 478; Sujecki, Mahnverfahren, 2008; E. Schollmeyer, Europäisches Mahnverfahren, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 34, 2. Aufl 2010, S. 2001; E. Schollmeyer, Das Europäische Mahnverfahren und dessen Umsetzung in den Niederlanden, FS Kaissis, 2012, S 1005. b) Deutsches Internationales Mahnverfahren: Busl, Deutsches „internationales“ Mahnverfahren, IPRax 1986, 270; Einhaus, Die internationale Reichweite des deutschen Mahnverfahrens im Anwendungsbereich des EuGVÜ, AnwBl 2000, 557; Hintzen, Zuständigkeit bei Auslandsmahnverfahren, Rpfleger 1996, 117; Hintzen/Riedel, Das deutsche internationale Mahnverfahren, Rpfleger 1997, 293; Hök, Das grenzüberschreitende Mahnverfahren, JurBüro 1991, 1145, 1303, 1441 und 1605; Hök, Das grenzüberschreitende Mahnverfahren, MDR 1988, 186; Müller/Hök, Das grenzüberschreitende Mahnverfahren, JurBüro 1987, 1447; J. M. Schmidt, Das deutsche Mahnverfahren mit Auslandsbezug, ZAP 1995, 1279; K. Schmidt, Mahnverfahren für Fremdwährungsforderungen?, NJW 1989, 65; Wagner, Verfahrensrechtliche Probleme im Auslandsmahnverfahren, RIW 1995, 89.
63 Vgl v. Hein RIW 2004, 602.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
§6
a) Europäisches Mahnverfahren Durch die VO (EG) Nr 1896/2006 v 12.12.200664 wurde mit Wirkung zum 47 12.12.2008 ein Europäisches Mahnverfahren eingeführt. Dieses Mahnverfahren ist auf grenzüberschreitende Fälle beschränkt. Anders als das deutsche Verfahren ist das Verfahren einstufig ausgestaltet. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, wird nicht erst eine bloße „Zahlungsaufforderung“ erlassen, sondern sogleich ein „Europäischer Zahlungsbefehl“ (Art 12 EuMahnVO). Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls ist nach Art 7 I Eu- 48 MahnVO auf dem Formblatt A (Anhang I) zu stellen. Dieses Formblatt kann bei Gericht in Papierform, aber auch online65 eingereicht werden (Art 7 V EuMahnVO). In Deutschland ist dies aber noch nicht zulässig (§ 1088 ZPO).66 Zuständig ist das nach der EuGVO (Art 2ff aF bzw Art 4ff nF) zuständige Ge- 49 richt (Art 6 I EuMahnVO); insoweit kommt über Art 24 EuGVO (Art 26 EuGVO nF) auch eine rügelose Einlassung als Zuständigkeitsgrund in Betracht.67 Richtet sich die Forderung gegen einen Verbraucher, sind jedoch nur die Gerichte im Wohnsitzstaat des Verbrauchers (Art 59 EuGVO aF bzw Art 62 EuGVO nF) zuständig (Art 6 II EuMahnVO). Das zuständige Gericht, in Deutschland das Amtsgericht Wedding in Berlin 50 (§ 1087 ZPO), prüft, ob der Antrag zulässig ist und die Forderung als begründet erscheint. Ist dies der Fall, erlässt es sobald wie möglich, idR innerhalb von 30 Tagen den Europäischen Zahlungsbefehl (Art 8, 12 EuMahnVO). Enthält der Antrag formale Fehler, hat das Gericht dem Antragsteller Gelegen- 51 heit zur Verbesserung oder Vervollständigung zu geben (Art 9 EuMahnVO). Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge werden zurückgewiesen (Art 11 EuMahnVO). Offensichtlich unbegründet ist ein Antrag nur, wenn sich allein aufgrund der kurzen Angaben im Antragsformular eindeutig feststellen lässt, dass der Anspruch nicht besteht.68 Nationale Regeln, die dem Gericht verbieten, die Unwirksamkeit des Anspruchs von Amts wegen festzustellen, sind mit EG-Recht nicht vereinbar.69 Weil der Europäische Zahlungsbefehl europaweit vollstreckbar ist, regelt die 52 EuMahnVO in Art 13–15 im Einzelnen, in welchen Formen der Zahlungsbefehl zugestellt werden darf. Legt der Schuldner fristgerecht unter Verwendung des Formblatts F (innerhalb 53 von 30 Tagen ab Zustellung) Einspruch ein (Art 16 EuMahnVO), wird das Ver-
64 65 66 67 68 69
ABl EU L 399/1. Vgl Einhaus EuZW 2011, 865, 866f. Rauscher/Gruber (2010), Art 7 EG-MahnVO Rz 24. Mayr Zak 2012, 167. Rauscher/Gruber (2010), Art 11 EG-MahnVO Rz 7. EuGH (14.6.2012, C-618/10, Banco Español de Crédito v Calderón) NJW 2012, 2257 (Tz 38ff, 57).
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§6
Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
fahren in den ordentlichen Zivilprozess übergeführt, sofern der Antragsteller hierauf nicht verzichtet hat (Art 17 EuMahnVO; § 1090 ZPO).70 54
Mangels Einspruchs wird der Europäische Zahlungsbefehl unter Verwendung des Formblatts C unverzüglich für vollstreckbar erklärt (Art 18 I 1 EG-MahnVO). Der Europäische Zahlungsbefehl ist dann ohne Vollstreckbarerklärung in dem jeweiligen Vollstreckungsstaat (als Europäischer Vollstreckungstitel) in allen EU-Staaten vollstreckbar (Art 19 EuMahnVO). Einer Vollstreckungsklausel bedarf es nicht (§ 1093 ZPO).
55
Innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung kann der Antragsgegner beim Gericht des Ursprungsstaats eine Überprüfung des Zahlungsbefehls verlangen (Art 20 EuMahnVO), wenn er von der Zustellung keine Kenntnis erlangte oder sonst in Folge höherer Gewalt gehindert war, rechtzeitig Widerspruch einzulegen.71 Außerdem kann eine Überprüfung verlangt werden, wenn der Europäische Zahlungsbefehl nach den Voraussetzungen der Verordnung oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände offensichtlich zu Unrecht erlassen wurde.72 Die Umstände, die die Aufhebung des Zahlungsbefehls begründen sollen, sind glaubhaft zu machen (§ 1092 II ZPO). Erklärt das Gericht daraufhin den Europäischen Zahlungsbefehl für nichtig, so endet das Verfahren (§ 1092 III ZPO); eine Überleitung in das streitige Verfahren findet nicht statt.73
56
Der Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl entspricht dem Einspruch gegen einen deutschen Vollstreckungsbescheid und lässt daher eine volle 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr 3100 VV RVG entstehen.74
b) Deutsches Mahnverfahren mit Auslandsbezug 57
Zugunsten eines Auslandsgläubigers (Antragstellers) findet ein Mahnverfahren immer statt; ausschließlich zuständig ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin (§ 689 II 2 ZPO).
58
Gegen einen Schuldner mit Auslandswohnsitz/Sitz findet ein Mahnverfahren statt, soweit an ihn dennoch im Inland zugestellt werden kann, zB an einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Soweit der Mahnbescheid im Ausland zuzustellen ist, ist das Verfahren nur zulässig, wenn die Zustellung in einem Mitgliedstaat der EU, einem Vertragsstaat des LugÜ sowie in Israel oder in Norwegen erfolgen muss (§ 688 III ZPO iVm § 32 AVAG [idF v 19.2.2001]). Eine Zustellung in einen (Nur-)Vertragsstaat des HUVÜ 1973 ist nicht zulässig (§ 39 AVAG).75
70 Vgl Rauscher/Gruber (2010), Art 7 EG-MahnVO Rz 1ff, 5ff. 71 Zu Einzelheiten s N. Preuß ZZP 122 (2009), 3, 9ff; Rauscher/Gruber Art 20 EGMahnVO Rz 14ff, 22ff. 72 Vgl Rauscher/Gruber (2010) Art 20 EG-MahnVO Rz 33ff, 46ff. 73 Vgl Rauscher/Gruber (2010) Art 20 EG-MahnVO Rz 56. 74 OLG Nürnberg (5 W 2094/09 v 18.11.2009) MDR 2010, 294. 75 Vgl Wagner RIW 1995, 89, 90.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
§6
Die Zustellung des deutschen Mahnbescheids ins Ausland erfolgt nach der Eu- 59 ropäischen Zustellungsverordnung bzw nach dem HZustÜ 1965 sowie den ergänzenden bilateralen Vereinbarungen (zum HZÜ 1954) (s u § 8 Rz 53ff, 85ff). Hat der Antragsgegner (Schuldner) im Inland zwar keinen allgemeinen, wohl 60 aber einen besonderen Gerichtsstand, so ist der Mahnantrag (abweichend von § 689 II 1 ZPO) nicht am Wohnsitzgericht des Antragstellers, sondern nach § 703d II ZPO bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht zu stellen. Diese Regelung gilt aber nur für den Antragsgegner, der keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat.76 Die internationale und (soweit geregelt) örtliche Zuständigkeit erfolgt aus Art 5ff EuGVO/LugÜ, außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Regelwerke aus §§ 12ff ZPO.77 Diese Zuständigkeit ist durch Belege nachzuweisen (so § 32 II AVAG für die Zuständigkeitsvereinbarung).78 Die Zuständigkeitskonzentration für Mahnverfahren gilt dabei entsprechend, auch im Anwendungsbereich des europäischen Prozessrechts.79 Die Gebühren für einen „europäischen“ Mahnbescheid richten sich ebenfalls nach GKG-KV Nr 1100 (0,5 Gebühren – mind. 18 Euro). Hinzu kommen aber Übersetzungskosten und eine Prüfungsgebühr wegen der erforderlichen Auslandszustellung.80
61
Ein Schweizerischer Zahlungsbefehl kann nach § 66 III, IV SchKG stets auch 62 an den im Ausland wohnenden Schuldner zugestellt werden.81 Seine Zustellung hemmt die Verjährung wie ein deutscher Mahnbescheid.82
c) Mahnverfahren in Unterhaltssachen Nach § 75 AUG 2011 iVm §§ 688ff ZPO findet nunmehr ein deutsches Mahn- 63 verfahren wegen Unterhaltsansprüchen auch im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des Haager Unterhalts-Vollstreckungs-Übereinkommen von 1973 statt.83
7. Verjährung Schrifttum: P. Hay, Die Qualifikation der Verjährung im US-amerikanischen Kollisionsrecht, IPRax 1989, 197; H. Linke, Die Bedeutung ausländischer Verfahrensakte im deutschen Verjährungsrecht, FS Nagel, 1987, S 209; Looschelders, Anpassung und Substitution bei der Verjährungsunterbrechung durch unzulässige Auslandsklage, IPRax 1998, 296; Schlosser, Ausschlussfristen, Verjährungsunterbrechung und Auslandsklage, FS Bosch, 1976, S 859; J. Taupitz, Verjährungsunterbrechung im Inland durch unfreiwillige Beteiligung am fremden Rechtsstreit im Ausland, ZZP 102 (1989), 288; M. Wolf, Die grenz-
76 BGH NJW 1995, 3317 = RIW 1995, 1028. 77 MüKo/Schüler, § 703d ZPO Rz 9, 10; Zöller/Vollkommer, § 703d ZPO Rz 2; Wagner RIW 1995, 89, 91ff. 78 Einhaus AnwBl 2000, 557, 560. 79 BGH IPRax 1994, 447 (dazu Pfeiffer S 421). 80 Einhaus AnwBl 2000, 557, 559. 81 Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd I, 3. Aufl 1984, § 17 Rz 24. 82 BGH RIW 2002, 557. 83 Vgl F. Eichel FamRZ 2011, 1441.
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§6
Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
überschreitende Verjährung zwischen internationalem und europäischem Privat- und Prozessrecht, FS Beys, 2003, S 1741.
65
Ob ein Anspruch mit Zeitablauf untergeht (Ausschlussfrist), wird allgemein nach der lex causae beantwortet.
66
Für Verjährungsfristen ist die Lösung dagegen streitig. Die civil law-Staaten beurteilen die Verjährung ebenfalls nach der lex causae. Dieser Lösung folgt auch Art 10 (1) (d) EVÜ. Dagegen ordnet das common law die beschränkte Durchsetzbarkeit eines Anspruchs als Folge der Verjährung grds prozessual ein und wendet die limitation rules der lex fori und nicht die der fremden lex causae an. Belässt man es bei dieser Lösung, so gelangt man zu teilweise ungerechten Ergebnissen.84 Zur Unklagbarkeit wegen Zeitablaufs s u Rz 83.
67
Das englische Recht bietet nunmehr aber in sec. 1 (1) Foreign Limitation Periods Act 1984 eine gesetzliche Lösung. Danach sollen englische Gerichte bei ausländischem Sachstatut auch die ausländischen Verjährungsregeln anwenden.85 Soweit bei Deliktsklagen die common law-Regeln noch anwendbar sind, zB bei defamation, darf der Anspruch aber weder nach dem Deliktsstatut noch nach englischem Recht verjährt sein.86
68
In den USA ist die Rechtslage von Staat zu Staat im Detail verschieden. Der Uniform Conflict of Laws-Limitation Act 1982 sieht vor, dass bei ausländischem Sachstatut auch die ausländischen Verjährungsregeln gelten (§ 2), sofern dem Kläger dadurch nicht jede faire Klagemöglichkeit genommen würde (§ 4). Dieser Uniform Act ist bisher von Arkansas, Colorado, Montana, North Dacota, Oregon und Washington übernommen worden. Die meisten der anderen Staaten haben im Detail verschiedene sog „borrowing statutes“ erlassen, die ebenfalls die Anwendung der Verjährungsregeln des Sachstatuts vorsehen. Schließlich haben auch die Gerichte die prozessuale Qualifikation bei Geltung ausländischen Sachstatuts praktisch korrigiert. Entweder haben sie Verjährungsfristen bei Ansprüchen, die dem common law unbekannt sind, als „substantive“ behandelt („built into“), oder sie dann angewendet, wenn sie direkt auf eine bestimmte Klageart zugeschnitten waren („specificity test“).87
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Die Verjährungsfrist wird nach hM auch durch eine Auslandsklage gehemmt, wenn die Entscheidung voraussichtlich im Inland anerkannt werden kann. Es soll sich insoweit nicht anders als bei der Anerkennung der ausländischen Rechtshängigkeit verhalten.88 Andere wollen diese Wirkung (zu Recht) unabhängig von der Gegenseitigkeit eintreten lassen und dem Kläger im Fall sonstiger Anerkennungshindernisse, insb bei einer Klage vor einem unzuständigen Gericht, durch eine analoge Anwendung von § 204 II BGB (Fristwahrung bei
84 Rechtsvergleichend s E. Hondius, Extinctive Prescription, 1995; Schoch S 110ff. 85 Forsyth, Conflict of Laws, 4th ed 1993, p 37; Dicey/Morris & Collins, Conflict of Laws, 14th ed 2006, Rule 17 (7) (no 7-049). 86 Sec. 1 (2); vgl J. Hill, International Commercial Disputes, 1994, S 450; Cheshire, North & Fawcett, p 81. 87 Vgl Hay IPRax 1989, 197. 88 RGZ 129, 395; OLG Düsseldorf RIW 1979, 59.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
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neuer Klage innerhalb von sechs Monaten) helfen.89 Tritt die Hemmungs- bzw Unterbrechungswirkung nach der lex causae eines Drittstaats ein, so ist entscheidend, ob die Entscheidung vom Drittstaat anerkannt würde. Unter diesen Voraussetzungen kann die Verjährung auch durch eine Streitverkündung im Ausland gehemmt werden.90 Bei anderen Unterbrechungstatbeständen ist zu prüfen, ob der ausländische Verfahrensakt mit anerkannten deutschen Tatbeständen gleichwertig ist.91 Nach deutschem Recht wird die Verjährung nicht durch die Erhebung einer 70 negativen Feststellungsklage oder durch die Verteidigung gegen eine negative Feststellungsklage gehemmt.92 Nichts anderes gilt im Rahmen von Art 27 EuGVO/LugÜ, da die negative Feststellungsklage zwar die internationale Zuständigkeit auch für die nachfolgende Leistungsklage bestimmt, diese aber nicht ausschließt. Die Einreichung einer Klage in Deutschland wahrt auch dann nach § 167 ZPO 71 die Verjährungsfrist, wenn die Zustellung im Ausland längere Zeit beansprucht. Notwendig ist lediglich, dass der Kläger das Notwendige getan hat, damit die Zustellung durch Gericht und Justizverwaltung ausgeführt werden kann.93 Ein besonderer Antrag auf Auslandszustellung oder auf Ausführung in einer besonderen Art muss nicht gestellt werden.94
8. Drittbeteiligung Schrifttum: Götze, Vouching in und Third Party Practice, 1993; v. Hoffmann/Hau, Probleme der abredewidrigen Streitverkündung im Europäischen Zivilrechtsverkehr, RIW 1997, 89; U. Köckert, Die Beteiligung Dritter im internationalen Zivilverfahrensrecht, 2010; J. Korf, Die Garantieklage im italienischen Zivilprozessrecht, 2004; Kraft, Grenzüberschreitende Streitverkündung und Third Party Notice, 1997; W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozess, 1993; Mansel, Streitverkündung und Interventionsklage im Europäischen internationalen Zivilprozessrecht, in: Hommelhoff/Jayme/Mangold, Europäischer Binnenmarkt, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, 1995, S 161; Mansel, Streitverkündung (vouching in) und Drittklage (third party complaint) im US-Zivilprozess und die Urteilsanerkennung in Deutschland, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 63; M. Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, 1994; U. v. Paris, Die Streitverkündung im europäischen Interventionsrecht, 2011; Stürner, Die erzwungene Intervention Dritter im europäischen Zivilprozess, FS Geimer, 2002, S 1307.
72
Die jeweilige lex fori bestimmt, wie weit der Rechtsstreit von einer Einzelpar- 73 tei oder von einer Parteienmehrheit (Streitgenossen) geführt werden kann und muss, sowie darüber, ob und in welchen Formen Dritte sich am Rechtsstreit beteiligen können. 89 Looschelders IPRax 1998, 296, 299f; Geimer, IZPR, Rz 2827ff; für Verjährungsunterbrechung durch jede Auslandsklage Linke, FS Nagel, 1987, S 209, 221ff. 90 Vgl Taupitz ZZP 102 (1989), 288; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 181: s u Rz 74f. 91 Linke/Hau, IZVR, Rz 59. 92 BGHZ 72, 23, 28 = NJW 1978, 1975; Palandt/Ellenberger, § 204 BGB Rz 3; MüKo/ Grothe, § 204 BGB Rz 4. 93 BAG NJW 2013, 252, 254. 94 BGH RIW 2004, 147.
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§6
Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
74
Zweifelhaft ist, ob die deutsche Streitverkündung und Nebenintervention voraussetzen, dass eine internationale Entscheidungszuständigkeit gegenüber dem Dritten besteht. Nach hM sind beide unabhängig davon zulässig, in welchem Land der Dritte seinen Wohnsitz/Sitz hat.95 Im Verhältnis zu den EU-/ EFTA-Staaten folgt dies mittelbar aus Art 65 I 2 EuGVO bzw Art V (1) S 2 des Protokolls Nr 1 zum LugÜ 1988. Denn diese sehen ausdrücklich vor, dass die anderen Mitglied-/Vertragsstaaten die in Deutschland eintretende Interventions- und Streitverkündungswirkung anerkennen. Die Gegenposition verlangt zwar eine internationale Entscheidungszuständigkeit gegenüber dem Dritten, leitet diese aber aus dem Interventions- bzw Streitverkündungsgrund ab,96 so dass in der Sache kein Unterschied besteht. Umgekehrt ist eine Interventionswirkung in einem ausländischen Vorprozess im Inland anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen des § 328 I Nr 2 ZPO gegenüber dem Dritten erfüllt sind und die Entscheidung selbst im Inland anzuerkennen ist.97
75
Die Streitverkündung ist unzulässig und ohne Wirkung, wenn sie durch Parteivereinbarung ausgeschlossen wurde.98 Eine Gerichtsstandsvereinbarung schließt die Streitverkündung vor einem anderen Gericht grds nicht aus.
76
Der Streitverkündung des deutschen Rechts entspricht in den USA das vouching-in (tender/notice of defense).99 Der Dritte (vouchee) wird unabhängig von seinem Verhalten und seinem Willen im Verhältnis zur benachrichtigenden Partei an die Urteilsfeststellungen gebunden;100 diese Wirkung (issue preclusion) ist im Inland anzuerkennen,101 und zwar entsprechend dem Recht des Entscheidungsstaats.102
77
Entsprechendes gilt für Garantieklageurteile in Frankreich oder Urteile auf third party complaint in den USA bzw third party notice in Großbritannien.103 Nach Art 65 II EuGVO bzw Art II (3) des Protokolls Nr 1 zum LugÜ sind Entscheidungen gegenüber Dritten aufgrund einer Gewährleistungs- oder Interventionsklage in Deutschland anzuerkennen. Entsprechendes gilt auch für das autonome deutsche Recht: War das Gericht für den Hauptprozess zuständig, so kommt es für die Anerkennung des Urteils gegenüber dem Dritten nicht da-
95 Vgl OLG Köln RIW 2003, 73; Mansel, in: Hommelhoff, S 161, 187ff. 96 v. Paris, S 80ff, 86f. 97 Koch ZVglRWiss 85 (1986), 11, 57; Milleker ZZP 80 (1967), 288; Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, 1994, S 167ff; v Hoffmann/Hau RIW 1997, 89, 93; s u § 12 Rz 22ff. 98 v Hoffmann/Hau RIW 1997, 89, 90; zum türkischen Recht s Pekcanitez ZZP 105 (1992), 469. 99 Vgl W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozess, 1993; Götze, Vouching in und Third Party Practice, 1993. 100 Mansel, in: Heldrich/Kono, S 63, 64ff. 101 Mansel, in: Heldrich/Kono, S 73. 102 MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 177f. 103 Rechtsvergleichender Überblick bei M. Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, 1994, S 9–134; B. Kraft, Grenzüberschreitende Streitverkündung und Third Party Notice, 1997.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
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rauf an, ob ihm gegenüber ein Gerichtsstand unabhängig vom Hauptprozess begründet war. Jedoch muss dem Dritten die Klage ordnungsgemäß zugestellt worden sein (§ 328 I Nr 2 ZPO).104 Manche Länder sehen auch eine Beteiligung des Staatsanwalts in Zivilsachen 78 vor. In Deutschland ist diese seit der Reform des Eheschließungsrechts durch Gesetz v 4.5.1998 nicht mehr vorgesehen. Doch kann die zuständige Verwaltungsbehörde nunmehr Eheaufhebungsantrag stellen (§ 1316 I BGB). In Auslandsfällen sollte sie die Funktion des „zivilen“ Staatsanwalts übernehmen (s u Rz 101). Eine Beteiligung Dritter am Verfahren im Allgemeininteresse ist zT für Verfah- 79 ren vor dem Bundesverfassungsgericht vorgesehen (§§ 77, 94 BVerfGG). Das BVerfG hört aber darüber hinaus Fachverbände (im Rahmen einer Beweisaufnahme) an. Eine Beteiligung Dritter als „amicus curiae“, wie sie in den USA üblich ist, ist in Deutschland nicht zulässig.105 Eine Intervention der Bundesrepublik in Zivilverfahren aus völkerrechtlichen 80 Gründen ist in der deutschen ZPO nicht vorgesehen, möglicherweise aber im Ausland.106 In geeigneten Fällen kann das Gericht freilich das Auswärtige Amt um amtliche Auskunft (§ 273 II Nr 2 ZPO) ersuchen.
9. Unklagbarkeit Schrifttum: Ebke, Die Rechtsprechung zur Unklagbarkeit gem Art VIII Abschn 2 (b) S 1 IWF-Übereinkommen, WM 1993, 1169; Fuchs, Auf dem Weg zur engen Auslegung des Art VIII 2b) IWF-Abkommen, IPRax 1995, 82; Gehrlein, Ausschluss der Klagbarkeit einer Forderung kraft IWF-Übereinkommen, DB 1995, 129; Schoch, Klagbarkeit, Prozessanspruch und Beweis im Licht des internationalen Rechts, 1934.
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Bei der Unklagbarkeit ist entscheidend, ob sie eine rein prozessuale Sperre der 82 Rechtsverfolgung sein soll oder ob es sich (wie zumeist) nur um eine Abschwächung des materiellen Anspruchs handelt. Letztere ist nach der lex causae zu beurteilen.107
a) Klagefristen Das deutsche Recht kennt Klagefristen (neben den Verjährungsfristen) im All- 83 gemeinen nicht. Lediglich in einzelnen internationalen Übereinkommen sind Klagefristen enthalten, zB in Art 29 WA 1955 (zwei Jahre ab Ankunft des Luftfahrzeugs am Bestimmungsort oder Abbruch der Beförderung), Art VIII S 2 Intern. Übereinkommen von 1984 über die zivilrechtliche Haftung für Ölver-
104 MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 179; M. Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, S 146ff. 105 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 51 Rz 39; vgl Hirte, Der amicus curiae-Brief, ZZP 104 (1991), 11; Heidenberger RIW 1996, 918; Otte DAJV-NL 1990, 37. 106 Kilgus RIW 1997, 14. 107 Böhm, FS Fasching, 1988, S 107, 124; Rauscher S 2; vgl Schoch S 59ff. Zur Haltung in Common law-Staaten s Barnett no 6.40. et seq.
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Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
schmutzungsschäden108 sowie in Art 20 I UN-Convention on the Carriage of Goods by Sea (v 31.3.1978).109
b) Forderungen aus internationalen Devisenverträgen 84
Verstoßen diese gegen die Bestimmungen eines Mitglieds des internationalen Währungsfonds, so sind sie nach Art VIII (2) (b) des IWF-Abkommens „unenforceable in the territories of any member“. Nach der bisher herrschenden Meinung ist das Wort „unenforceable“ als Unklagbarkeit iS des Fehlens einer Prozessvoraussetzung zu verstehen.110
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Nach neuerer Ansicht sollte der Terminus dagegen materiellrechtlich iS von Vertragsnichtigkeit111 oder einer unklagbaren obligatio naturalis ausgelegt werden.112 Auf diese Weise würde die deutsche Auslegung sich stärker dem noch engeren Verständnis dieser Bestimmung durch die amerikanischen und englischen Gerichte annähern, die den Einwand nur auf Einrede beachtet.113
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Unabhängig davon hat der BGH den Anwendungsbereich von Art VIII 2 (b) IWF-Übereinkommen eingeschränkt. Danach sind nur Geschäfte des laufenden Zahlungsverkehrs, nicht aber Kapitalübertragungen zur Investition von der Regelung erfasst.114 Außerdem beziehe sich die Bestimmung nur auf Devisenkontrollbestimmungen, die mit Zustimmung des Internationalen Währungsfonds eingeführt worden seien.115
10. Fremdwährungsklagen 87
Schrifttum: F. Arend, Zahlungsverbindlichkeiten in fremder Währung, 1989, S 146ff; Bachmann, Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung, 1994; V. Black, Foreign Currency Obligations in Private International Law, RdC 302 (2003), 9; V. Black, Foreign Currency Claims in the Conflicts of Law, 2009; Foreign Currency Judgments, 1985 Report of the Committee on Foreign and Comparative Law, 18 Inl.L. & Politics [1986], 791; H. Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, 1999, S 678ff.; P. Hay, Fremdwährungsansprüche und -urteile nach dem US-amerikanischen Uniform Act, RIW 1995, 113; M. Lögering, Der richtige Umgang mit unechten Fremdwährungschulden, RIW 2009, 625; Schefold, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd. II, 4. Aufl 2011, § 115; K. Schmidt, Fremdwährungsschuld und Fremdwährungsklage, ZZP 98 (1985), 32; St. Steenken, Fremdwährungsschulden im deutschen und englischen Recht, 1992, S 85ff, 172ff.
108 BGBl 1988 II, 825, 833. 109 ILM 17 (1978), 608, 621. 110 BGHZ 116, 77, 84 = NJW 1991, 3095 = ZZP 104 (1991), 449 mit Anm H. Roth; Ehricke RIW 1991, 365, 370f; Gehrlein DB 1995, 129, 131ff; vgl Unteregge, Ausländisches Devisenrecht und internationale Kreditverträge, 1991, S 49ff. 111 So Mann JZ 1981, 327, 328. 112 So Ebke RIW 1991, 1, 6; Ebke JZ 1991, 335; Ebke RIW 1993, 613, 624f. 113 Vgl Ehricke RIW 1991, 365, 370; Klein, FS Lalive, 1993, S 261. 114 BGH RIW 1994, 151 = IPRax 1995, 110 (dazu Fuchs S 82); vgl Ebenroth/Müller RIW 1994, 269. 115 BGH RIW 1994, 327.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
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Ob auf Leistung in einer Auslandswährung geklagt werden kann, entscheidet 88 die jeweilige lex fori. In den USA mussten lange Zeit alle Klagen auf US-Dollar lauten.116 New York hat sein Recht als erster US-amerikanischer Bundesstaat 1987 geändert und lässt seither Klagen und Urteile in ausländischer Währung zu (N.Y.Jud.Law § 27 [b]).117 Die Umrechnung in US-Dollar findet auf den Tag des Urteilserlasses („judgment date rule“) statt. Die meisten US-Staaten folgen inzwischen der New York rule.118 Andere US-Staaten stellen auf den Tag ab, an dem die Zahlung hätte geleistet 89 werden sollen („breach day rule“). Der Uniform Foreign-Money Claims Act von 1989 sieht ebenfalls vor, dass auf Leistung in einer bestimmten Fremdwährung geklagt und ein entsprechendes Urteil ergehen kann. Die Umrechnung in Dollar findet aber in Abkehr auf den Tag der Zahlung („payment day rule“), genauer: zu der banküblichen „spot rate of exchange“ gegen Geschäftsschluss am Tag vor der Zahlung oder Aufrechnung statt (§§ 1 [3]; 7 [d] Foreign Money Claims Act). Dieses Modellgesetz gilt inzwischen in Kalifornien, Colorado, Connecticut, Hawai, Illinois, Minnesota, Montana, Nevada, New Jersey, New Mexico, North Dakota, Oregon, Utah, Virgin Islands, Virginia, Washington und Wisconsin.119 In England und Schottland sind Klagen und Urteile in Fremdwährung schon seit einiger Zeit allgemein zulässig.120
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Das deutsche Recht kennt keine Einschränkungen für Klage und Urteil auf 91 Zahlung in einer ausländischen Währung.121 Auch bei einfachen Fremdwährungsschulden muss der Kläger grds Leistung in der Fremdwährung einklagen, da § 244 BGB nur dem Schuldner eine Ersetzungsbefugnis zuspricht. Die Praxis lässt aber eine Klage in Inlandswährung zu, wenn der Schuldner gegen die Umrechnung im Prozess keine Einwendungen erhebt.122 Bei effektiver Fremdwährungsschuld kann und muss der Klageantrag auf fremde Währung lauten.123 Ein Mahnbescheid kann dagegen grds nur in inländischer Währung beantragt 92 werden (§ 688 I ZPO). Eine einfache Fremdwährungsforderung (nicht eine effektive) kann aber für das Mahnverfahren in inländische Währung umgerech-
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121 122 123
Mann, The legal aspects of money, 3. Aufl 1982, S 298. Vgl J. Freeman Int.Lawyer 23 (1989), 737. Newman/Burrows, Practice of International Litigation, 2nd ed 1998, IV-37. Uniform Laws Ann Vol 13, Cum. Annual Pocket Part 1994, 42; vgl Hay RIW 1995, 113, 114. Miliangos v George Frank Textiles [1976] A.C. 443 (H.L.); Bachmann S 29ff; Dicey, Morris & Collins, 14th ed, Rule 242 (1) (No 36-082ff); Jacob, Private international litigation, 1988, S 267ff; Steenken S 173ff; Maher ICLQ 44 (1995), 72. K. Schmidt ZZP 98 (1985), 32, 41; Grothe S 679ff. Schefold § 115 Rz 346ff. Schefold § 115 Rz 64, 334, 336.
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net geltend gemacht werden.124 Ist der Mahnbescheid in einem Mitgliedstaat der EU bzw in einem Vertragsstaat zuzustellen, auf das das AVAG nach § 1 anzuwenden ist, so kann darin auch Zahlung in deren Währung verlangt werden (§ 688 III ZPO; § 32 I 2 AVAG). Außer gegenüber den EU- und den EFTA-Staaten besteht diese Möglichkeit daher gegenüber Israel, in Unterhaltssachen auch gegenüber der Türkei als Vertragsstaat des HUVÜ 1973. 93
Nach § 244 I BGB kann der Schuldner im Inland im Zweifel statt in ausländischer auch in inländischer Währung leisten. Lautet die Klage auf Zahlung in einer ausländischen Währung, so darf das Gericht nach § 308 I 1 ZPO nicht zur Zahlung in Euro125 oder in einer anderen ausländischen Währung126 verurteilen. Der Fremdwährungsgläubiger erhält also bei begründeter Klage stets einen Fremdwährungstitel.127 Der Gläubiger kann natürlich auch eine Verurteilung beantragen, wonach dem Schuldner nachgelassen wird, statt in Fremdwährung in Euro zu zahlen.128 Verlangt der Kläger Zahlung in schuldfremder Währung, ist die Klage unbegründet. Ein nachträglicher Übergang zu einer anderen (der richtigen) Währung ist (sachdienliche) Klageänderung (§ 263 ZPO). Gegebenenfalls hat das Gericht auf Stellung eines sachdienlichen Antrags hinzuwirken (§ 139 ZPO).129 Bei einem Urteil auf Leistung in ausländischer Währung ist ggf entgegenstehendes ausländisches Devisenrecht zu beachten, da der Schuldner nicht zu einer unmöglichen Leistung verurteilt werden darf.130 Wird eine Zahlungsklage in einer bestimmten Währung rechtskräftig abgewiesen, so ist der Kläger nicht gehindert, aufgrund desselben Sachverhalts Leistung in einer anderen Währung zu verlangen.131
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Der Streitwert der Klage ist stets durch Umrechnung in Euro nach dem Kurs zz der Einreichung der Klage zu bestimmen (§§ 3, 4 I ZPO). Sicherheit kann grds auch in ausländischer Währung gestattet werden (§ 108 ZPO); eine Hinterlegung von Devisen ist aber wegen Kursschwankungen und des entstehenden Zinsverlustes unzweckmäßig.
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Die Zulässigkeit einer Aufrechnung bzw Verrechnung im Prozess zwischen währungsverschiedenen Forderungen hängt dagegen davon ab, ob es sich um einfache Fremdwährungsschulden (dann ja) oder um effektive Valutaschulden (dann nein) handelt.132 Zweifelhaft ist freilich, ob die Forderungen zum Kurs am Tag der Urteilsverkündung (bzw der letzten mündlichen Verhandlung) oder am Tag des Eintritts der Aufrechnungslage zu verrechnen sind.133
124 BGHZ 104, 268, 273 = NJW 1988, 1964; vgl Grothe S 683ff; Schefold § 115 Rz 357ff, 360f. 125 BGH IPRax 1994, 366 (noch zur DM); MüKo/Becker-Eberhard, § 253 ZPO Rz 99; Arend S 148ff. 126 Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, IPRax 1994, 346/47. 127 Grothe S 689. 128 Grothe S 690. 129 Grothe S 712ff. 130 Arend, Zahlungsverbindlichkeiten, S 163ff. 131 Arend S 163ff. 132 Vgl Grothe IPRax 1994, 346, 349; K. Schmidt ZZP 98 (1985), 32, 39. 133 Vgl Steenken, Fremdwährungsschulden, S 74ff, 154ff.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
§6
Währungsbeschränkungen. Sie können Einfluss auf die Wirksamkeit oder Un- 96 wirksamkeit einer Verbindlichkeit und die Möglichkeit ihrer Erfüllung haben. Solche Regeln sind grds zu beachten. Der Gläubiger kann Erfüllung entsprechend den Währungsgesetzen des Landes des Erfüllungsortes verlangen; der Schuldner kann sich grds nicht darauf berufen, dass der amtliche Kurs oder die sonstigen Beschränkungen nicht den realen Wertverhältnissen entsprechen. Grenzen ergeben sich lediglich aus dem ordre public-Vorbehalt (Art 6 EGBGB).134
11. Internationale Familiensachen Schrifttum: M. Andrae, Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2006; Bergerfurth, Der Ehescheidungsprozess (Kap. II 20), 15. Aufl 2006; Breuer, Ehe- und Familiensachen in Europa, 2008; Einhorn, Jewish Divorce in the International Arena, Liber amicorum Siehr, 2000, S 135; Elwan/Ost, Die Scheidung deutsch-jordanischer Ehen vor deutschen Gerichten, IPRax 1996, 389; V. Gärtner, Die Privatscheidung im deutschen und gemeinschaftlichen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 2009; Gamillscheg, Die „wesenseigene Zuständigkeit“ bei der Scheidung von Ausländern, FS Dölle, Bd II, 1963, S 289; Gottwald, Deutsche Probleme internationaler Familienverfahren, FS Nakamura, 1996, S 187; Graf, Die internationale Verbundszuständigkeit, 1984; Grasmann, Relevanz ausländischen Prozessrechts in Ehesachen, ZZP 83 (1970), 214; Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2000; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, 3. Aufl 2012; Ch. Herfarth, Die Scheidung nach jüdischem Recht im internationalen Zivilverfahrensrecht, 2000; K. Hirschfeld, Die Anwendung von Get Statutes und die Anerkennung von auf Get Statutes beruhenden ausländischen Urteilen in Deutschland, 2007; Hohloch/Androulidakis-Dimitriadis ua, Internationales Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht, 1998; Jacob, Private International Litigation, 1988, S 371ff; Jayme, Religiöses Recht vor staatlichen Gerichten, 1999; Kilian, Aktuelle Probleme der internationalen Zuständigkeit in Ehesachen, § 606a ZPO, IPRax 1995, 9; Klingelhöffer, Ehelichkeitsanfechtung im deutsch-österreichischen Verhältnis, IPRax 1993, 167; Koutsouradis, Die Ehestreitigkeiten nach griechischem Zivilprozessrecht, FS Mitsopoulos, 1993, S 737; Lüderitz, „Talaq“ vor deutschen Gerichten, FS Baumgärtel, 1990, S 333; D. MacDougall, Transnational Litigation in Family Matters, in: N. Lowe/G. Douglas, Families across Frontiers, 1996, 63; Marcks, Daten internationaler Abkommen zum Familienrecht, 1994 (S 253ff); Oellrich, Familiensachen mit Auslandsberührung, 1992; Passauer, Rechtsprobleme in Familiensachen mit polnischen Parteien, FamRZ 1990, 14; Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, (Loseblatt) (VIII. Kap. Verfahren mit Auslandsberührung, bearb. von Breuer und Paetzold); O. Ratzel, Die Präklusion isolierter Unterhaltsverfahren durch den ausländischen Scheidungsverbund, 2007; Schnorr, Grenzüberschreitende Familienverfahren, IPRax 1994, 340; Schwab/Streicher, Handbuch des Scheidungsrechts (Teil I L – Internationales Verfahrensrecht), 6. Aufl 2010, S 415; Siehr, Die Berücksichtigung religiösen Rechts bei gerichtlicher Scheidung jüdischer Ehepaare, FS Schlosser, 2005, S 877; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, 14. Bearb 2005; K. Wähler, Islamische talaq-Scheidungen vor deutschen Gerichten, in: Islamisches und arabisches Recht als Problem der Rechtsanwendung, Symposium für Elwan, 2001, S 113; Wendl/Dose/Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, (§ 9 Auslandsberührung), 8. Aufl 2011, S 1423.
134 Vgl BGH FamRZ 1990, 292 = ZZP 103 (1990), 471 (Geimer); W. Ebke, Internationales Devisenrecht, 1991; differenzierend: Grothe S 763ff.
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Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
a) Eheverfahren 98
Auch für internationale Scheidungsverfahren gilt der Grundsatz der lex fori.135 Das Verfahren wird folglich in Deutschland durch Antrag (§ 124 FamFG) eingeleitet. Jedoch ist das Verfahren soweit nötig an ein ausländisches Scheidungsstatut anzupassen, damit nach Möglichkeit eine auch im Heimatstaat wirksame Scheidung erfolgt.136
99
Die Einhaltung einer Versöhnungsfrist für eine einverständliche Scheidung (zB nach Art 1776 franz. CC) ist zu beachten, wenn davon die Anerkennung des Scheidungsurteils im Heimatstaat (§ 98 I Nr 4 FamFG) abhängt.137
100 Der Sühneversuch, der in manchen Staaten zwingend vorgesehen ist, hat nicht nur materiellen, sondern vorwiegend verfahrensrechtlichen Charakter. Er muss deshalb im Inland nicht notwendig durchgeführt werden. Hängt jedoch die Anerkennung der deutschen Entscheidung im Heimatstaat davon ab, so ist der formelle Sühneversuch, ggf unter Bestellung eines „Verteidigers der Ehe“ (Verwaltungsbehörde) durchzuführen.138 Vorzunehmen ist auch eine nach dem Scheidungsstatut erforderliche (ergebnislose) Aufforderung zur Rückkehr in das eheliche Heim.139 Die Aussetzung des Verfahrens als Mittel der Wiederversöhnung ist (soweit zwingend) ebenfalls zu beachten.140 101 Gleiches gilt für eine etwa nach Heimatrecht erforderliche Mitwirkung des Staatsanwalts.141 Soweit notwendig ist dazu die nach § 1316 I Nr 1 BGB durch Landesrecht bestimmte Verwaltungsbehörde beizuladen.142 Anders als früher ist die Mitwirkung in Italien143 und Portugal keine Voraussetzung für die Anerkennung des deutschen Scheidungsurteils mehr. 102 Soweit nach dem Scheidungsstatut ein Schuldausspruch vorgesehen ist, ist dieser in den Tenor des Scheidungsurteils aufzunehmen.144 Grasmann145 führte einen anderen Fall an: Lediglich um die Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils in Belgien zu erreichen, wurde auf die Kinder der Eheleute als Zeugen verzichtet.146 135 Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rz 97; Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art 17 EGBGB Rz 84. 136 Schwab/Streicher I 1198ff; Zöller/Geimer, § 98 FamFG Rz 21. 137 Grundmann, Qualifikation gegen die Sachnorm, 1985, S 165ff. 138 OLG Bremen IPRax 1985, 47; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rz 99; Gamillscheg, FS Dölle II, S 289, 303f. 139 Vgl Gamillscheg, FS Dölle II, S 289, 305. 140 Gamillscheg, FS Dölle II, S 289, 306. 141 Vgl OLG Frankfurt FamRZ 1984, 59; Gottwald, Der Ausländer im Prozess, in: Habscheid/Beys, Grundfragen des ZPR, 1987/91, S 1, 89f. 142 Zöller/Geimer, § 98 FamFG Rz 21; Schwab/Streicher I 1200. 143 OLG Karlsruhe IPRax 1982, 75. 144 BGH FamRZ 1987, 793; OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 738; OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 430; MüKo/Rauscher § 98 FamFG Rz 34; Prütting/Helms/Hau Vor §§ 98–106 FamFG Rz 41. Zum Vorgehen bei unterlassenem Schuldspruch s OLG Hamm IPRax 2000, 308 (dazu H. Roth S 292). 145 ZZP 83 (1970), 219. 146 Vgl dazu Habscheid FamRZ 1975, 79.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
§6
Wird ein Scheidungsurteil nach Heimatrecht erst mit der Eintragung in ein Re- 103 gister wirksam, so müssen die Parteien diese Eintragung selbständig betreiben. Das deutsche Scheidungsurteil wird im Inland nach allgemeinen Regeln rechtskräftig und damit wirksam. Die Parteien sind aber darauf hinzuweisen, dass sie die Registrierung, ggf innerhalb bestimmter Fristen, betreiben müssen, damit das Urteil auch im Heimatstaat Wirksamkeit erlangt.147 Eine nach der Scheidung ggf zu beachtende Wartefrist für eine Wiederverheiratung ist nicht in das Scheidungsurteil aufzunehmen.148
104
Eine einverständliche Scheidung ist entsprechend den Anforderungen des 105 Scheidungsstatuts durchzuführen.149 Gilt ausländisches Scheidungsstatut, sind dessen Voraussetzungen maßgebend.150 Nach Art 230 franz code civil bedarf es einer Scheidungsvereinbarung, die von 106 den Parteien, den Prozessbevollmächtigten und dem Richter zu unterschreiben ist. Diese materielle Form kann nach Art 11 I EGBGB auch durch die Ortsform ersetzt werden. Eine Parteivereinbarung über den Versorgungsausgleich kann im Zusammenhang mit der Scheidung entweder in notarieller Form (§ 7 I VersAusglG) oder in einem Verfahrensvergleich (§ 7 II VersAusglG; § 127a BGB; § 113 I 2 FamFG; §§ 160 III Nr 1, 278 VI ZPO) abgeschlossen werden; einer gerichtlichen Genehmigung bedarf es nicht.151 Verfahren zur Trennung von Tisch und Bett, die ein ausländisches Ehelösungs- 107 statut als Vorstufe oder als Ersatz für die Scheidung vorsieht, sind im Inland nach den Regeln über Scheidungsverfahren abzuwickeln.152 Die früher vertretene Ansicht von der „Wesensverschiedenheit“ der Ehetrennung, die deutsche Gerichte nicht aussprechen könnten, ist mit dem Justizanspruch des Ausländers nicht vereinbar. Im Verhältnis zu EU-Staaten widerspricht sie Art 1 I lit a EheGVO. Nach Art 17 II EGBGB kann eine Ehe im Inland nur durch gerichtliches Urteil 108 geschieden werden, auch wenn das Scheidungsstatut eine Privatscheidung vorsieht. Soweit eine rein vertragliche Ehelösung zulässig ist, wie etwa in Japan (Art 763ff jap. BGB), werden die Parteien kaum ein deutsches Scheidungsverfahren betreiben. Die Praxis hatte bisher „talaq“-Scheidungen und Rabbinats-Scheidungen vorzunehmen. Da die Ehescheidung als solche von deutschen Gerichten aus-
147 Henrich, Internationales Familienrecht, S 145; Schwab/Streicher, Handbuch des Scheidungsrechts, Teil I Rz 1203. 148 Schwab/Streicher Teil I Rz 1204. 149 Gamillscheg, FS Dölle II, S 289, 306. 150 AmtsG Hamburg IPRax 1983, 74; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rz 101f; Johannsen/Henrich, Eherecht, Art 17 EGBGB Rz 41f; MüKo/Rauscher, § 98 FamFG Rz 36, 38; MüKo/Winkler v. Mohrenfels, Art 17 EGBGB Rz 136ff. 151 Vgl Schwab/Hahne/Holzwarth, Handbuch des Scheidungsrechts, Teil VI Rz 529, 539, 541. 152 BGHZ 47, 324 = NJW 1967, 2109 = JZ 1967, 671 (Heldrich); BGH IPRax 1985, 40 (Jayme S 23).
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Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
gesprochen wird, handelt es sich grds um keine „wesensfremde“ Tätigkeit, die aus der Zuständigkeit der deutschen Gerichte herausfiele.153 109 Wie bei einer talaq-Scheidung vorzugehen ist, ist streitig. Vereinzelt wurde die Ehe aufgrund der vom Ehemann in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Verstoßungserklärung geschieden.154 Die einseitige Verstoßung durch den Mann ist aber mit Art 3 II GG und dem deutschen ordre public nicht vereinbar. Deshalb ist zunächst das Einverständnis der Ehefrau mit der Scheidung vor deren Ausspruch durch Urteil festzustellen oder zu prüfen, ob eine Scheidung auch nach deutschem Recht möglich wäre. Eine gleichzeitige Scheidung in den Formen des Heimatrechts ist nicht erforderlich.155 Wollen die Eheleute sicherstellen, dass sie auch im Heimatland geschieden sind, so können und müssen sie das entsprechende Verfahren außerhalb und parallel zum inländischen Scheidungsverfahren betreiben. In Zweifelsfällen kann das inländische Verfahren zudem zunächst nach § 136 I FamFG ausgesetzt werden. Ganz verweigert werden darf die Inlandsscheidung jedoch nicht.156 110 Für den Fall der Rabbinats-Scheidung hat das KG dagegen ein Vorgehen ohne Rücksicht auf die Formen des Scheidungsstatuts abgelehnt. Das jüdische Scheidungsstatut entscheide auch über die Scheidungsform; Sachrecht und Verfahren (Übergabe des Scheidebriefs durch den Ehemann unter Aufsicht des Rabbinatsgerichts) dürften nicht getrennt werden. Da erst diese Übergabe des Scheidungsbriefs die Ehe auflöse, handele es sich um eine Privatscheidung,157 Das deutsche Gericht könne die Scheidungszeremonie als statusändernden Akt nicht herbeiführen, dieser sei als religiöse Handlung dem deutschen Gericht „völlig wesensfremd“; deshalb entfalle die an sich nach § 98 I Nr 2 FamFG gegebene Zuständigkeit.158 Sachgerechter erscheint auch hier, die Zulässigkeit des Verfahrens zu bejahen, das Scheidungsurteil aber erst zu erlassen, wenn die religiöse Scheidung bereits vorliegt.159
b) Scheidungsfolgen 111 Zweifel bestanden früher in der Praxis, in welcher Verfahrensart und vor welchem Gericht über familienrechtliche Ansprüche nach ausländischem Recht zu entscheiden war, die nicht in den §§ 606, 621 ZPO aF bzw § 23b GVG aF 153 So aber für die talaq-Scheidung Beitzke IPRax 1993, 231, 234; dagegen zu Recht MüKo/Rauscher § 98 FamFG Rz 35. 154 OLG München IPRax 1989, 238, 241 (Jayme S 223). 155 Vgl MüKo/Winkler v Mohrenfels, Art 17 EGBGB Rz 108f, 112f; Wähler, Symposium Elwan, S 113, 119; Staudinger/Mankowski (2011) Art 17 EGBGB Rz 63ff. 156 So aber KG IPRax 2000, 126 (Scheidung nach iran. Recht durch talaq, hilfsweise durch den Sharia-Richter) (dazu krit. Herfarth S 101). 157 BGHZ 176, 365 = FamRZ 2008, 1409, 1411 (Henrich) = JR 2009, 327, 329 (Dörner) = IPRax 2009, 347 (dazu Siehr, S 332). 158 Vgl KG FamRZ 1994, 839; ablehn. Hirschfeld, S 63ff. 159 Vgl New York State, Domestic Relations Law § 253; eingehend zum New Yorker Recht Hirschfeld, S 36ff. Für eine ähnliche „Anpassungslösung“ im deutschen Recht Herfarth S 245ff; vgl auch Gamillscheg, FS Dölle II, S 289, 313ff; Einhorn, Liber amicorum Siehr, S 135.
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Besonderheiten von Klagen mit Auslandsbezug
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aufgeführt waren. Nachdem das FGG-RG den Kreis der Familiensachen stark ausgeweitet hat (s § 111 FamFG), dürfte das Problem gelöst sein. Es ist nicht ersichtlich, dass andere Staaten den Entscheidungsverbund weiter ziehen würden. Weitgehend unstreitig ist, dass auf Ehetrennung („Trennung von Tisch und Bett“) geklagt werden kann,160 das Verfahren als eine Art Vorstufe zur Scheidung als Ehesache zu behandeln ist161 und insoweit mit Folgesachen auch ein Verbundverfahren analog § 137 FamFG stattfindet.162 Im Inland kann auch auf Auflösung einer im Ausland wirksam registrierten Le- 112 benspartnerschaft geklagt werden.163 Zumindest seitdem das deutsche Recht selbst Verfahren zur Aufhebung einer Lebenspartnerschaft kennt (§ 269 I Nr 1 FamFG), bestehen hiergegen keine Bedenken. Auch bei den anderen Familiensachen sind funktional vergleichbare Streitig- 113 keiten ebenfalls als Familiensachen einzuordnen. Der Anspruch auf Leistung einer Morgengabe ist danach als Familiensache zu behandeln.164 Zweifelhaft ist, ob der Anspruch auf Rückgabe in die Ehe eingebrachter per- 114 sönlicher Gegenstände eine güterrechtliche Streitigkeit (§ 23b I 2 Nr 9 GVG bzw § 261 I FamFG) ist. Die hM verneint dies.165 Folgt man dieser Ansicht, so ist der Anspruch aber jetzt als sonstige Familiensache (§ 266 I Nr 3 FamFG) einzuordnen. In die Zuständigkeit des Familiengerichts fallen deshalb jetzt auch nach türkischem Recht bestehende Ansprüche auf Zuweisung von Hausratsgegenständen nach Scheidung oder ein Anspruch auf Herausgabe der Aussteuer.166 Gleiches gilt jetzt auch für Ansprüche aus dem Widerruf von Schenkungen unter Ehegatten.167 Schließlich ist ein deutsches Gericht nicht für einen Antrag auf Trennungsunterhalt zuständig, wenn darüber ein französisches Tribunal de Grande Instance bereits eine ordonnance de non conciliation contradictoire erlassen hat.168 Eine Wohnungszuweisung (zur Nutzung) nach Scheidung richtet sich für in 115 Deutschland gelegene Wohnungen nach deutschem Recht (Art 17a EGBGB).169 Die Zuweisung einer im Ausland gelegenen Wohnung sollte mangels anderweitiger Regelung dem Scheidungsstatut unterstehen und auch im Verbundverfahren (im Zusammenhang mit der Unterhaltsregelung oder der güter160 BGHZ 47, 324 = NJW 1967, 2109; BGH FamRZ 1987, 792; s o Rz 69. 161 MüKo/Rauscher, § 98 FamFG Rz 15. 162 OLG Frankfurt FamRZ 1994, 715; Schwab/Streicher, Teil I Rz 1184; Prütting/ Helms/Hau, § 98 FamFG Rz 41; Henrich, Internationales Familienrecht, S 147; aA OLG Frankfurt FamRZ 1995, 375; für Verbund auf Antrag: Rahm/Künkel/Breuer VIII 156. 163 Ablehn. noch Nordhues DRiZ 1991, 136. 164 MüKo/Dötsch § 231 FamFG Rz 32 (Unterhalt oder Güterrecht). 165 OLG Frankfurt FamRZ 1989, 75; OLG Hamm FamRZ 1993, 211; OLG Stuttgart FamRZ 1997, 1085; krit. Krüger, GS Lüderitz, 2000, S 415, 416. 166 Vor der Reform: OLG Köln FamRZ 1994, 1476. 167 Vor der Reform: BGH NJW 1980, 193; OLG Köln FamRZ 1995, 236. 168 OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 1477. 169 Vgl Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rz 151 ff.
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Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
rechtlichen Auseinandersetzung) möglich sein, unabhängig davon, wie der Anspruch nach dem Scheidungsstatut eingeordnet wird.170 116 Verbundzuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht für die Ehesache (nach Art 3 EheGVO171 oder auch § 98 FamFG) international zuständig, so ist es über § 98 II FamFG auch für andere Familiensachen im Rahmen eines möglichen Verbundverfahrens international zuständig. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 106 FamFG ist diese Zuständigkeit aber international nicht ausschließlich. Vorrang haben zudem europäische Regeln oder internationale Übereinkommen, etwa für Unterhaltssachen die Art 3ff EuUnthVO bzw Art 5 Nr 2 LugÜ172 und für Sorgerechtssachen die EheGVO (Art 12 I) und, soweit diese nicht eingreift, das Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ), das Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA) sowie § 5 SorgeRÜbkAG. Soweit danach keine Zuständigkeit besteht, ist der Verbund aufgehoben.173 117 Auch in Familiensachen mit Auslandsberührung findet nach § 98 II FamFG ein Verbundverfahren iS einer Zuständigkeitskonzentration statt.174 Dagegen richtet sich der Umfang des konkreten Entscheidungsverbundes nach dem Scheidungsstatut.175 Ob der Verbund von Amts wegen oder nur auf Antrag eintritt, entscheidet jedoch nicht das Scheidungsstatut, sondern § 137 II FamFG als Teil der lex fori.176
c) Unterhaltssachen 118 Der Unterhaltsanspruch des Kindes kann in Fällen mit Auslandsberührung vom Ehegatten nicht stets in gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 1629 III BGB eingeklagt werden, sondern nur soweit deutsches Recht Unterhaltsstatut ist (Art 3ff UnthProt). Generell entscheidet das Unterhaltsstatut nach Art 11 lit d UnthProt, wer den Unterhaltsanspruch des Kindes geltend machen kann.177
d) Abstammungssachen 119 Die Vaterschaftsfeststellung findet in Deutschland ausschließlich nach der lex fori statt. Im Heimatland (lex causae) geltende Verbote der Vaterschaftsfest170 OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1280; Henrich, Internationales Familienrecht, S 192; Gottwald, FS Nakamura, S 188, 197f; vgl aber OLG Karlsruhe IPRax 2001, 51 (mit Anm D. H.). 171 MüKo/Rauscher § 98 FamFG Rz 101; Prütting/Helms/Hau, § 98 FamFG Rz 40. 172 Vgl Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 167 Rz 6f. 173 MüKo/Rauscher § 98 FamFG Rz 108; Henrich, Internationales Familienrecht, S 205; vgl O. Ratzel, Die Präklusion isolierter Unterhaltsverfahren durch den ausländischen Scheidungsverbund, 2007. 174 OLG Frankfurt FamRZ 1983, 728; Schwab/Streicher Teil I Rz 1164; zum Versorgungsausgleich s R. Wagner, Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung, 1996, Rz 14ff. 175 Grundmann, Qualifikation gegen die Sachnorm, 1985, S 159; s o § 4 Rz 37. 176 Schwab/Streicher Teil I Rz 1185; aA Stein/Jonas/Schlosser § 623 ZPO Rz 22. 177 Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rz 163f.
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stellung oder Beschränkungen, wie zB nach Art 340 II franz. CPC, wonach der Nachweis der nichtehelichen Vaterschaft nur erbracht werden kann, wenn nach der Klage schwerwiegende (Anfangs-)Vermutungen bzw Indizien dafür sprechen, sind in Deutschland unbeachtlich. Bei einem ausländischen Kind kann es entgegen § 237 FamFG keine Verbin- 120 dung von Vaterschaftsfeststellung mit der Verurteilung zur Zahlung des Regelbetrags-Unterhalts geben, wenn das Unterhaltsstatut das Institut des Regelbetrags-Unterhalts nicht kennt.178 Frei
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II. Ausländische Rechtshängigkeit 1. Schrifttum a) Europäisches Zivilprozessrecht: Ch. Althammer, Streitgegenstand und Interesse, 2012, S 123ff, 617ff; Beraudo, Convention de Bruxelles du 27 Septembre 1968, Règles de procédure ayant une incidence sur la compétence, Juris-Cl. Procédure Civile Fasc. 52–40, 2000; Berti, Gedanken zur Klageerhebung vor schweizerischen Gerichten nach Artikel 21–23 des Lugano-Übereinkommens, FS Walder, 1994, S 307; M. Bogdan, The Brussels/Lugano Lis Pendens Rule and the „Italian Torpedo“, Scandinavian Studies in Law 51 (2007), 89; A. Gardella/L. Radicati di Brozolo, Civil Law, Common Law and Market Integration: The EC Approach to Conflicts of Jurisdiction, AmJCompL 51 (2003), 611; R. Geimer, Das europäische „Windhundprinzip“. Einige Bemerkungen zu Art 21 EuGVÜ/ LugÜ, FS Schweizer, 1999, S 175; R. Geimer, Lis pendens in der Europäischen Union, FS Sonnenberger, 2004, S 357; R. Geimer, Windhunde und Torpedos unterwegs in Europa, IPRax 2004, 505; Goebel, Europäische Rechtshängigkeit und zivilprozessuales Rechtsmittelrecht nach der ZPO-Reform 2002, ZZPInt 7 (2002), 39; Th. Grädler, The „court first seised rule“ under the Brussels I-Regulation and its impact on commercial practice and national jurisprudence, 2008; U. P. Gruber, Die „ausländische Rechtshängigkeit“ bei Scheidungsverfahren, FamRZ 1999, 1563; U. P. Gruber, Die neue „europäische Rechtshängigkeit bei Scheidungsverfahren“, FamRZ 2000, 1129; Haas, Rechtshängigkeitssperre und Sachzusammenhang, FS Ishikawa, 2001, S 165; T. Hartley, How to abuse the law and (maybe) come out on top: bad faith proceedings under the Brussels Jurisdiction and Judgments Convention, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, 73; T. Hartley, Choice-ofcourt agreements, lis pendens, human rights and the realities of international business: reflections on the Gasser case, Mélanges en l’honneur de Lagarde, 2005, S 383; W. Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozessrecht, 1996, S 112ff; B. Heiderhoff, Materieller Anspruch und Rechtshängigkeitssperre nach Art 27 EuGVVO, FS Kaissis, 2012, S 383; Herzog, Brussels and Lugano, Should you race to the courthouse or race for a judgment?, AmJCompL 43 (1995), 379; Isenburg-Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem EuGVÜ, 1992; W. Kennett, Lis alibi pendens – A view from the UK, in: Fentiman, L’espace judiciaire européen, 1999, 103; Koch, Unvereinbare Entscheidungen iS des Art 27 Nr 3 und 5 EuGVÜ und ihre Vermeidung, 1993; Lenenbach, Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nach Art 21 EuGVÜ?, EWS 1995, 361; A. Löser, Zuständigkeitsbestimmender Zeitpunkt und perpetuatio fori im internationalen Zivilprozess, 2009; Lüpfert, Konnexität im EuGVÜ, 1997; Lupoi, The new lispendens provisions in the Brussels I and II Regulations, ZZPInt 7 (2002), 149; H.-P. Mansel/C.F. Nordmeier, Partei- und Anspruchsidentität im Sinne des Art 27 Abs. 1 EuGVVO bei
178 Vgl OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 983 (zu § 643 ZPO aF).
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Mehrparteienprozessen – Ein Beitrag zur Konkretisierung des europäischen Streitgegenstandsbegriffs und der Kernbereichslehre, FS Kaissis, 2012, S 629; Makridou, The institutions of lis pendens and related actions according to the Regulation 44/2001, FS Beys, 2003, S 941; M.-R. McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004; M.-R. McGuire, Forum Shopping und Verweisung, ZfRV 2005, 83; E. Mittenzwei, Die Verhinderung von Verfahrenskollisionen nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 2006; Moustaïra, Forum non conveniens, 1995; A. Nieroba, Die europäische Rechtshängigkeit nach der EuGVVO, 2006; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sinnzusammenhängen, 1998, S 341ff; Otte, Verfahrenskoordination im EuGVÜ: Zur angemessenen Gewichtung von Feststellungs- und Leistungsklage, FS Schütze, 1999, S 619; Otte/Prütting/Dedek, The Grotius Program: Proposals for Amending Article 21 and 22 of the Brussels Convention, EuRPrL 2 (2000), 257; S. Otto, Die subjektiven Grenzen der Rechtshängigkeitssperre im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 2007; K. Polyzogopoulos, Internationale Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen in der Europäischen Union, in: Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002; H. Prütting, Die Rechtshängigkeit im europäischen Zivilprozessrecht, GS Lüderitz, 2000, S 623; Safferling, Rechtshängigkeit in deutsch-französischen Scheidungsverfahren, 1996; F. Sander/St. Breßler, Das Dilemma mitgliedstaatlicher Rechtsgleichheit und unterschiedlicher Rechtsschutzstandards in der Europäischen Union, ZZP 122 (2009), 157; Ch. Schmehl, Parallelverfahren und Justizgewährung. Zur Verfahrenskoordination nach europäischem und deutschem Zivilprozessrecht am Beispiel taktischer „Torpedoklagen“, 2011; Schütze, Lis pendens and related actions, EurJLawReform 4 (2002), 57; Schütze/Kratzsch, Aussetzung des Verfahrens wegen konnexer Verfahren nach Art 22 EuGVÜ, RIW 2000, 939; Simons, Die Identität von Streitgegenstand und Parteien in Art 21 EuGVÜ, Forum des internationalen Rechts 1996, 61; Simons, Grenzüberschreitende „Torpedoklagen“, EuLF 2003, 289; Stafyla, Die Rechtshängigkeit des EuGVÜ, 1998; St. Tiefenthaler, Die Streitanhängigkeit nach Art 21 Lugano-Übereinkommen, ZfRV 1997, 67; B. Sujecki, Torpedoklagen im europäischen Binnenmarkt, GRURInt 2012, 18; J. Weber, Rechtshängigkeit und Drittstaatenbezug im Spiegel der EuGVVO, RIW 2009, 620; Wittwer, Einwendungen und Kompensation unter Art 21 EuGVÜ, ELR 2003, 310; Ch. Wolf, Rechtshängigkeit und Verfahrenskonnexität nach EuGVÜ, EuZW 1995, 365; M. Wolf, Einheitliche Urteilsgeltung im EuGVÜ, FS Schwab, 1990, S 561; A. Zeuner, Zum Verhältnis zwischen internationaler Rechtshängigkeit nach Art 21 EuGVÜ und Rechtshängigkeit nach den Regeln der ZPO, FS G. Lüke, 1997, S 1003; A. Zeuner, Beobachtungen und Gedanken zum Verhältnis zwischen europarechtlichen Normen und nationalem Recht, FS Bydlinski, 2002, S 495; A. Zeuner, Rechtskraft und ihr Verhältnis zur Rechtshängigkeit im Rahmen des europäischen Zivilprozessrechts, FS Kerameus, 2009, S 1587. Zur Reform: Ch. Althammer, Unvereinbare Entscheidungen, drohende Rechtsverwirrung und Zweifel an der Kernpunkttheorie – Webfehler im Kommissionsvorschlag für eine Neufassung der Brüssel I-VO?, FS Kaissis, 2012, S 23; M.-R. McGuire, Priorität versus Flexibilität? Zur Weiterentwicklung der Verfahrenskoordination im Rahmen der EuGVOReform, FS Kaissis, 2012, S 671; M. Heckel, Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in Drittstaatenfällen, GPR 2012, 272; M. Teixeira de Sousa, Die Bekämpfung der Torpedoklagen durch einen europäischen Rechtskrafteinwand, FS Kaissis, 2012, S 1017. b) Allgemein: Bäumer, Die ausländische Rechtshängigkeit und ihre Auswirkungen auf das internationale Zivilprozessrecht, 1999; A. Buschmann, Rechtshängigkeit im Ausland als Verfahrenshindernis, 1996; M. Dogauchi, Parallele Verfahren in Japan und den USA, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilprozessrechts, 1994, S 163; Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozess, 1996; Fritze, Doppelte Rechtshängigkeit in USA und Deutschland, FS Vieregge, 1995, S 241; E. Gampp, Perpetuatio fori internationalis im Zivilprozeß und im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2010; Gaudemet-Tallon, La litispendance
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Ausländische Rechtshängigkeit
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internationale dans la jurisprudence française, Mélanges à Holleaux, 1990, S 121; R. Geimer, English Substituted Service and the Race to the Courthouses, FS Schütze, 1999, S 205; R. Geimer, Entscheidungsharmonie in Europa per Entscheidungsstop, IPRax 2001, 191; Grolimund, Human rights and jurisdiction: general observations and impact on the doctrines of forum non conveniens and forum conveniens, EurJLawReform 4 (2002), 87; Haas, Rechtshängigkeitssperre und Sachzusammenhang, FS Ishikawa, 2001, S 165; Habscheid, Zur Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens, RabelsZ 1967, 254; Habscheid, Bemerkungen zur Rechtshängigkeitsproblematik im Verhältnis der BRD und der Schweiz einerseits und den USA andererseits, FS Zweigert, 1981, S 109; T. Hartley, Ther modern approach to private international law, (Ch. IX Conflicts of jurisdiction), RdC 319 (2006), 9, 142ff; W. Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht, 1996, S 112ff; B. Heiderhoff, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehescheidungsverfahren, 1998; A. Jaksic, Die Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehesachen, ZfRV 2001, 161 (Jugoslawien); Kaiser/Prager, Rechtshängigkeit im Ausland nach ausländischem Prozessrecht?, RIW 1983, 677; Kerameus, Rechtsvergleichende Bemerkungen zur internationalen Rechtshängigkeit, FS Schwab, 1990, S 257; Kono, Internationale Rechtshängigkeit durch japanische Schlichtungsverfahren?, IPRax 1990, 93; Krusche, Entgegenstehende ausländische Rechtshängigkeit prozessuale Nachteile für deutsche Kläger, MDR 2000, 677; Lagarde, Perpetuatio fori et litispendance en matière internationale, Mélanges à Holleaux, 1990, S 237; Leipold, Internationale Rechtshängigkeit, Streitgegenstand und Rechtsschutzinteresse, GS Arens 1993, S 227; Leipold, Vom nationalen zum europäischen Zivilprozessrecht, Rechtshängigkeit, Rechtskraft und Urteilskollision, in: Kroeschell/Cordes, Vom nationalen zum transnationalen Recht, 1995, S 67; Linke, Anderweitige Rechtshängigkeit im Ausland und inländischer Justizgewährungsanspruch, IPRax 1994, 17; Löser, Zuständigkeitsbestimmender Zeitpunkt und perpetuatio fori im internationalen Zivilprozess, 2009; Mansel, Inländische Rechtshängigkeitssperre durch ausländische Streitverkündungen, IPRax 1990, 214; C. McLachlan, Lis pendens in International Litigation, RdC 336 (2009); C. F. Nordmeier, Die Bedeutung des anwendbaren Rechts für die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO, ZZP 124 (2011), 95; E. P. Nygh, Forum Non Conveniens and Lis Alibi Pendens: the Australian Experience, Liber amicorum Siehr, 2000, S 511; S. Otto, Die subjektiven Grenzen der Rechtshängigkeitssperre im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 2007; Pfennig, Zur Vorwirkung bei „Demnächst“-Zustellungen ins Ausland, NJW 1989, 2172; Schlosser, Jurisdiction and international judicial and administrative co-operation, RdC 284 (2000), 53ff; Schütze, Die Wirkungen ausländischer Rechtshängigkeit im inländischen Verfahren, ZZP 104 (1991), 136; Schulte, Die anderweitige (ausländische) Rechtshängigkeit im US-amerikanischen Zivilprozessrecht, 2001; Schumann, Internationale Rechtshängigkeit (Streitanhängigkeit), FS Kralik, 1986, S 301; Teitz, Taking Multiple Bites of the Apple: A proposal to resolve Conflicts of jurisdiction and multiple proceedings, Intern. Lawyer 26 (1992), 21; N. Trocker, Declining Jurisdiction in civil and commercial matters: lis pendens and forum non conveniens, in: Italian National Reports to the XIVth Intern. Congress of Comparative Law, 1994, S 177; O. Vogel, Rechtshängigkeit und materielle Rechtskraft im internationalen Verhältnis, schweizJZ 1990, 77; G. Walter, Lis alibi pendens und forum non conveniens: Von der Konfrontation über die Koordination zur Kooperation, FS Schumann, 2001, S 559; Widmer/Maurenbrecher, What’s Negative about Negative Declarations?, Liber amicorum Th. Bär und R. Karrer, 1997, S 263; M. Wittibschlager, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1994. Leuven/London Principles on Declining and Referring Jurisdiction in Civil and Commercial Matters, International Law Association, Report of the 69th Conference London 2000, 13–18.
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Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
2. Rechtshängigkeit nach europäischem Zivilprozessrecht a) Zivil- und Handelssachen 201 (1) Verfahren in anderem Mitglieds- bzw Vertragsstaat. Im europäischen Bereich ist die ausländische Rechtshängigkeit nach Maßgabe der Art 27ff EuGVO/LugÜ bzw Art 29ff EuGVO nF zu beachten. Art 27 EuGVO/LugÜ bzw Art 29 I EuGVO nF sehen vor, dass die Klage in einem anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaat zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs stets eine zweite Klage sperrt. Es gilt ein striktes Prioritätsprinzip.179 Da die EuGVO bzw das LugÜ die Anerkennung des späteren Urteils generell sicherstellen, kommt es auf die internationale Zuständigkeit des ersten Gerichts nicht an, auch ist eine Prüfung der Anerkennungsprognose entbehrlich.180 Nach Art 27 I EuGVO/LugÜ bzw Art 29 I EuGVO nF setzt das spätere angerufene Gericht sein Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Sobald diese feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht für unzuständig und weist die Klage ab (Art 27 II EuGVO/LugÜ bzw Art 29 III EuGVO nF). Verneint das zuerst angerufene Gericht dagegen seine Zuständigkeit, ist das zweite Verfahren sachlich fortzusetzen. 202 Art 27 EuGVO/LugÜ bezieht sich nur auf anhängige Erkenntnisverfahren, nicht auf Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach Art 38ff EuGVO/LugÜ,181 die die Neufassung der EuGVO nicht mehr kennt. 203 Das Gericht darf ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht nach forum non conveniens-Überlegungen an Gerichte eines anderen Staats „abgeben“ (s o § 3 Rz 21). 204 Die Pflicht zur Beachtung der Rechtshängigkeit besteht de lege lata auch dann, wenn das später angerufene Gericht aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig ist und das Verfahren in dem zuerst angerufenen Staat unvertretbar lange dauert.182 205 Der Begriff „derselbe Anspruch“ ist vertragsautonom auszulegen;183 der EuGH geht also von einem besonderen „europäischen Streitgegenstand“ aus.184 In 179 Kropholler/v. Hein vor Art 27 Rz 1; Rauscher/Leible Art 27 Rz 1; Simons, unalex Kommentar vor Artt 27–30 Rz 5; Hess EuZPR § 6 Rz 161. 180 Otte, Umfassende Streitentscheidung, 1998, S 403f; Geimer IPRax 2001, 191, 192; Piltz NJW 2002, 789, 790; Stein/Jonas/Wagner Art 27 Rz 44. 181 Zu Art 31ff EuGVÜ: EuGHE 1994, I-117 (Owens Bank v Bracco) = IPRax 1995, 240 (dazu Kaye S 214). 182 EuGHE 2003, I-14693 (Gasser v MISAT) = IPRax 2004, 243 (dazu Grothe S 205) = ZZPInt 2003, 510 (Otte); J P Morgan Europe v Primacom, English High Court, [2006] I.L.Pr. 238; vgl Schilling IPRax 2004, 294; Hartley, Mélanges Paul Lagarde, S 383, 387ff; Thiele RIW 2004, 285; krit Magnus/Mankowski/Fentiman, Introduction to Arts. 27–30 Rz 15ff, 31ff. 183 OLG Köln RIW 2004, 627; OLG München RIW 2000, 712, 713; Kropholler/v. Hein Art 27 Rz 3; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 400; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rz 8. 184 Wolf EuZW 1995, 365, 367; Gottwald, Symposium Schwab, S 85, 86ff; Simons, unalex Kommentar Art 27 Rz 30ff.
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Gubisch/Palumbo hat er entschieden: „Der Begriff der Rechtshängigkeit im Sinne von Art 21 EuGVÜ umfasst den Fall, dass eine Partei vor dem Gericht eines Vertragsstaats die Feststellung der Unwirksamkeit oder die Auflösung eines internationalen Kaufvertrags begehrt, während eine Klage der anderen Partei auf Erfüllung desselben Vertrags vor dem Gericht eines anderen Staats anhängig ist.“185 Das Gleiche gilt, wenn mit der zweiten Klage Rückgewähr erbrachter Leistungen wegen Unwirksamkeit des Vertrags geltend gemacht wird186 (sog Kernpunkttheorie).187 Entscheidend ist also nicht die Identität des Antrags, sondern der gemeinsame Zweck der Klagen.188 Diese Lehre hat auch für Art 27 EuGVO/LugÜ (Art 29 EuGVO nF) Gültigkeit. Auf dieser Linie liegt es, dass eine negative Feststellungsklage (sog Torpedokla- 206 ge) – anders als nach autonomem deutschem Recht – eine spätere Leistungsklage (vor einem anderen Gericht) sperrt.189 (Eine Abwehr durch Antrag auf Unterlassungsverfügung ist nicht zulässig.)190 Wechselseitige Klagen auf Aufhebung desselben Vertrags und Schadenersatz haben ebenfalls „denselben Anspruch“.191 Ein Hilfsantrag wird sogleich mit Einreichung der Hauptklage rechtshängig.192 Dem Fall der Parteiidentität stellt der EuGH den gleich, bei dem die Rechtskraft der Entscheidung in dem einen Verfahren Rechtskraft gegenüber einem Dritten erlangt, der in dem zweiten Verfahren Partei ist.193 Der EuGH hat die Kernpunkttheorie entwickelt, um den Erlass einander wi- 207 dersprechender Entscheidungen in verschiedenen Mitgliedstaaten soweit wie möglich (Art 34 Nr 3, 4 EuGVO/LugÜ) zu verhindern. Aus der Kernpunkttheorie folgt eine Konzentrationslast für alle Verfahren, die in Sachzusammenhang stehen, bei dem zuerst angerufenen Gericht. Für Rechtshängigkeit und Rechts185 EuGHE 1987, 4861 (Gubisch v Palumbo) = NJW 1989, 665 = IPRax 1989, 157 (dazu Schack S 140). 186 BGH EWS 1995, 169, 170 = EuZW 1995, 378 (mit Anm Geimer) = IPRax 1996, 192 (dazu Hau S 177). 187 OLG Köln RIW 2004, 627, 628; vgl Gottwald, Symposium Schwab, S 85, 86ff; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 405ff; Prütting, GS Lüderitz, S 623; Geimer/ Schütze Art 27 Rz 29ff; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rz 8b, 10; Stein/Jonas/ Wagner Art 27 Rz 22ff; Hess EuZPR § 6 Rz 156ff; Zeuner, FS Bydlinski, S 495, 507ff. 188 Vgl OGH IPRax 2011, 277, 279 (krit Heiderhoff S 288). 189 EuGHE 1994, I, 5439 (Tatry v Maciej Rataj) = JZ 1995, 616 (dazu P. Huber S 603 u Ch. Wolf EuZW 1995, 365; Schack IPRax 1996, 80); Messier-Dowty Ltd. v Sabena S.A. [2001] I.L.Pr. 38 (English C.A.); OLG Hamm IPRax 1995, 104 (dazu Rüßmann S 76, 78ff; zustim. Hau S 137); BGH ZIP 2002, 725; Geimer, IZPR, Rz 2694aff; krit Schlosser Art 27 Rz 4c; Magnus/Mankowski/Fentiman, Introduction to Arts. 27–30 Rz 17ff; Simons, unalex Kommentar vor Artt. 27–30 Rz 22ff; T. Hartley, Mélanges Paul Lagarde, 2005, S 383, 387; T. Hartley, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 73; vgl zu rechtspolit. Lösungsmöglichkeiten Sander/Breßler ZZP 112 (2009), 157. 190 Vgl I. Carl, Einstweiliger Rechtsschutz bei Torpedoklagen, 2007. 191 OLG München RIW 2000, 712, 713f. 192 OLG Köln RIW 2004, 627, 629. 193 EuGHE 1998, I-3075 (Drouot v CMI) = EuZW 1998, 443.
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kraft gilt danach im europäischen Bereich jeweils ein anderer Streitgegenstand. 208 Trotz der Kritik hieran wegen der langen Verfahrensdauer in manchen Mitgliedstaaten hat der EuGH an dieser Lehre festgehalten. Die Sperrwirkung entfällt auch nicht bei überlanger Verfahrensdauer.194 209 Art 27 EuGVO/LugÜ bzw Art 29 EuGVO nF greift ein, unabhängig davon, ob die Parteien in beiden Verfahren in gleicher oder wechselnder Parteirolle auftreten.195 Die Regelung ist auch anwendbar, wenn die Rechtshängigkeit nicht durch Klage, sondern durch Interventionsklage oder durch Streitverkündung nach der jeweiligen lex fori eingetreten ist.196 Ein Hilfsantrag wird bereits mit dem Hauptantrag und nicht erst mit Bedingungseintritt rechtshängig.197 Keine Rechtshängigkeit entsteht dagegen durch Errichtung eines seerechtlichen Haftungsbeschränkungsfonds.198 210 Keine Rechtshängigkeitswirkung hat der Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen für die Hauptsache. Die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens beschneidet umgekehrt nicht die Zulässigkeit von Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz in anderen Mitgliedstaaten.199 211 Auch Einwendungen gegen eine Klage, insb die Erhebung der Aufrechnungseinrede, führen nicht zur Rechtshängigkeit der erhobenen Einwendung.200 212 (2) Künftige Kompetenz-Kompetenz des vereinbarten Gerichts. An der Rechtsprechung des EuGH, dass das Prioritätsprinzip stets zu beachten ist, hat sich vor allem Kritik entzündet, wenn der Kläger ein Gericht unter Missachtung einer ausschließlichen Gerichtsstandvereinbarung angerufen hat und auf diese Weise die sachliche Erledigung des Rechtsstreits vor dem eigentlich zuständigen Gericht erheblich verzögert wird. Dieser Kritik trägt die Reform der EuGVO (im Anschluss an das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005) Rechnung.201 Nach Art 31 II EuGVO nF hat das ausschließlich vereinbarte Gericht eine (vorrangige) Kompetenz-Kompetenz. Jedes andere angerufene Gericht muss sein Verfahren aussetzen, bis das vereinbarte Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hat (Erwägungsgrund 22 EuGVO nF). Nur wenn das vereinbarte Gericht seine eigene Zuständigkeit verneint, darf ein anderes angerufenes Gericht sein Verfahren fortsetzen. Bejaht das im
194 EuGHE 2003, I-14693 (Gasser v MISAT) = IPRax 2004, 243 (dazu Grothe S 205) = ZZPInt 2003, 510 (Otte); dazu auch McGuire GPR 2003/04, 159; aA (arg. Art 6 EMRK) Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rz 18. 195 BGH EWS 1995, 169, 170 = EuZW 1995, 378. 196 Vgl Mansel IPRax 1990, 214, 215. 197 Vgl Vorlagebeschluss OLG Düsseldorf ILPr [2002], 35. 198 EuGHE 2004, I-14693 (Maersk v de Haan) = Rev crit 2005, 118 (Pataut) = IPRax 2006, 262 (dazu Smeele S 229); s auch BGH ZIP 2013, 848. 199 Kropholler/v. Hein Art 27 Rz 14. 200 EuGHE 2003, I-4207 (Gantner v Basch) = IPRax 2003, 443 (dazu Reischl S 426) = ZZPInt 2003, 499 (Hau); vgl Wittwer ELR 2003, 310. 201 Krit Simons, unalex Kommentar vor Artt. 27–30 Rz 46ff, 73.
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Vertrag vereinbarte Gericht seine Kompetenz, hat sich jedes andere Gericht für unzuständig zu erklären (Art 31 III EuGVO nF). Diese Kompetenz-Kompetenz besteht lediglich dann nicht, wenn die Parteien 213 widersprüchliche ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen haben (Erwägungsgrund 22 (2) EuGVO nF).202 Sie ist auch entbehrlich, wenn das ausschließlich vereinbarte Gericht zuerst angerufen wird (Erwägungsgrund 22 [2] EuGVO nF). Nach Ansicht der Literatur soll der Vorrang auch entfallen, wenn die (behauptete) Gerichtsstandvereinbarung „offensichtlich unwirksam und ineffektiv“ ist. Wann dies der Fall ist, bedarf freilich der Präzision. Vorgeschlagen wird, dem anderen Gericht nur die Prüfung zu erlauben (1) ob die Vereinbarung formal Art 25 (1) EuGVO nF genügt, (2) Art 25 (4) EuGVO nF nicht widerspricht und (3) ob die Streitigkeit Bezug zu der Vereinbarung hat. Ist dies der Fall, muss die endgültige Entscheidung über die Wirksamkeit dem vereinbarten Gericht überlassen werden.203 (3) Zeitpunkt der Rechtshängigkeit. Zu Art 21 EuGVÜ hatte der EuGH ent- 214 schieden, dass maßgeblicher Zeitpunkt der Rechtshängigkeit erst die „endgültige“ Rechtshängigkeit nach dem jeweiligen nationalen Prozessrecht ist,204 diese in Deutschland also erst mit Zustellung der Klage an den Beklagten (§ 253 I ZPO) eintritt. Wegen der Schwierigkeiten einer Auslandszustellung eröffnete sich dem Beklagten damit die Möglichkeit, die zuerst eingereichte Klage (von der er formlos Kenntnis hatte) durch Klageerhebung in einem anderen Vertragsstaat, dessen Prozessrecht auf die Einreichung bei Gericht abstellt, zu „überholen“. Diesem ggf missbräuchlichen „race to the court house“ (forum shopping) bereitet Art 30 EuGVO/LugÜ ein Ende.205 Danach gilt das Gericht einheitlich bereits als angerufen (1) mit Einreichung der Klage bei Gericht, oder (2) mit Einreichung bei der für die Zustellung an den Beklagten zuständigen Stelle, wenn die Klage erst nach der Zustellung bei Gericht einzureichen ist. In beiden Fällen ist weitere Voraussetzung, dass der Kläger alle ihm obliegenden Maßnahmen trifft, damit die „endgültige Rechtshängigkeit“ herbeigeführt werden kann. Art 32 EuGVO nF behält diese Lösung bei. (4) Verbindung konnexer Klagen. Art 28 EuGVO/LugÜ bzw Art 30 EuGVO nF 215 eröffnen die Möglichkeit der Verbindung mehrerer im Zusammenhang stehender Klagen, wenn dies nach dem Recht des zuerst angerufenen Gerichts zulässig ist.206 Das zweite Gericht kann sein Verfahren nach seinem Ermessen207 aussetzen (Art 28 I EuGVO/LugÜ; Art 30 I EuGVO nF) und sich für unzuständig erklären 202 Da eine spätere Vereinbarung eine frühere abändert, ist dies wohl nicht wörtlich zu nehmen. Die Ausnahme sollte greifen, wenn die Vereinbarung unterschiedlicher Gerichtsstände ernsthaft in Betracht kommt. 203 L. Penasa, The conditions of the „Kompetenz-Kompetenz“ of the „chosen“ court, Int’l Lis 1 (2011/12), 8. 204 EuGHE 1984, 2397 (Zelger v Salinitri) = NJW 1984, 2759. 205 Vgl Markus SZW 1999, 205, 214ff. 206 Vgl Jose Cardoso de Pina v Ms „Birka“ Beutler Schiffahrts KG, [1994] ILPr 694 (High Court, Q.B.); Stein/Jonas/Wagner Art 28 Rz 26. 207 OLG Frankfurt IPRax 2001, 227 (dazu Geimer S 191).
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(Art 28 II EuGVO/LugÜ; Art 30 II EuGVO nF). Voraussetzung für letzteres ist, dass das konkrete zuerst angerufene Gericht zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist. Art 28 EuGVO/LugÜ (Art 30 EuGVO nF) enthalten aber keine Regelung der internationalen Zuständigkeit.208 216 Außerdem muss ein (autonom zu bestimmender) Sachzusammenhang zwischen beiden Verfahren bestehen, der eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung als geboten erscheinen lässt, weil sonst die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen entsteht209 (Art 28 III EuGVO/LugÜ; Art 30 III EuGVO nF). Die Verfahren müssen nicht denselben Anspruch und nicht dieselben Parteien betreffen.210 Ein Zusammenhang besteht etwa, wenn Kaufpreisansprüche aus Warenlieferungen geltend gemacht werden, denen Sachmängelansprüche gegenüberstehen.211 Während Art 6 Nr 3 EuGVO/LugÜ (Art 8 Nr 3 EuGVO nF) Widerklagen betrifft, die vor demselben Gericht eines Vertragsstaats erhoben werden, erfasst Art 28 III EuGVO/LugÜ (Art 30 III EuGVO nF) Klagen, die vor Gerichten von zwei oder mehreren Mitglieds- bzw Vertragsstaaten erhoben werden. Der Begriff des Zusammenhangs ist daher in beiden Fällen nicht identisch.212 217 Nach dem Text von Art 22 LugÜ 1988 kam eine Aussetzung nur in Betracht, wenn das andere Verfahren ebenfalls in erster Instanz schwebte. Doch hielten die Cour de Cassation und das OLG Stuttgart dieses Erfordernis zu Recht für verfehlt und haben auch ausgesetzt, obwohl Ansprüche erstmals in zweiter Instanz geltend gemacht wurden.213 Art 28 I EuGVO/LugÜ 2007 (Art 30 I EuGVO nF) sieht zu Recht von diesem Erfordernis ab und gestattet eine Aussetzung auch, wenn sich das erste Verfahren bereits in einer höheren Instanz befindet.214 Weil eine Klageerhebung in zweiter Instanz meist ausscheidet und den Parteien keine Instanz genommen werden soll, ist eine Prozessabweisung aber nur zulässig, solange sich das Verfahren des zuerst angerufenen Gerichts noch in erster Instanz befindet (Art 28 II EuGVO/LugÜ).215 Entgegen dem Reformvorschlag der Kommission216 hält Art 30 II EuGVO nF an dieser Lösung fest.
208 Cour de Cass., 18.10.1994, [1996] ILPr 133; Cour de Cass. [2001] ILPr 34; Corneloup/ Simons, unalex Kommentar Art 28 Rz 2. 209 Vgl OLG München RIW 2002, 66, 68; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S 306ff; Stein/Jonas/Wagner Art 28 Rz 7ff; Corneloup/Simons, unalex Kommentar Art 28 Rz 13ff. 210 OLG Frankfurt IPRax 2001, 227 (dazu Geimer S 191); vgl Ch. Wolf EuZW 1995, 365, 366. 211 Cour d’appel Versailles, EWS 1996, 366. Weitere Beispiele bei Corneloup/Simons, unalex Kommentar Art 28 Rz 15ff; Rauscher/Leible Art 28 Rz 4; Kropholler/v. Hein Art 28 Rz 5. 212 EuGHE 1995, I-2113 (Hengst Import v Campese) = NJW 1996, 42. 213 OLG Stuttgart RIW 2000, 954 (dazu Schütze/Kratzsch S 939); ablehn. OLG München RIW 2002, 66, 68. 214 Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 333; Walter, FS Schumann, S 559, 572f. 215 Vgl MüKo/Gottwald, Art 28 EuGVO Rz 4; Rauscher/Leible (2010) Art 28 Brüssel I-VO Rz 8. 216 Vgl Simons, unalex-Kommentar vor Artt. 27–30 Brüssel I-VO Rz 71.
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(5) Verfahren in Drittstaat. Art 27 EuGVO/LugÜ gilt nur im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten der EU bzw Vertragsstaaten des LugÜ. Ob die Rechtshängigkeit in einem Drittstaat beachtlich ist, ist derzeit nicht analog Art 27 EuGVO/LugÜ, sondern nach dem jeweiligen nationalen Recht zu beurteilen.217
218
Die Neufassung der EuGVO sieht dagegen gem Erwägungsgrund 23 und 24 in 219 den Art 33, 34 EuGVO nF eine flexible Regelung zur Berücksichtigung der Rechtshängigkeit in einem Drittstaat vor. Ist das Gericht aufgrund des Wohnsitzes des Beklagten oder nach den Artikeln 7, 8 oder 9 EuGVO nF zuständig, so kann es sein Verfahren zugunsten eines Parallelverfahrens in einem Drittstaat (auf Antrag oder von Amts wegen) aussetzen, wenn (1) zu erwarten ist, dass die Drittstaatsentscheidung im Inland anerkannt und vollstreckt werden kann, und (2) die Aussetzung im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist (Art 33 I EuGVO nF). Sobald im Drittstaat eine anerkennungsfähige und vollstreckbare Entscheidung ergangen ist, wird das Verfahren eingestellt (Art 33 III EuGVO nF). Dagegen kann das inländische Verfahren fortgesetzt werden, wenn (1) das Verfahren im Drittstaat ausgesetzt oder eingestellt wird, (2) das dortige Verfahren nicht innerhalb angemessener Zeit abgeschlossen wird, oder (3) die Fortsetzung des eigenen Verfahrens für eine geordnete Rechtspflege erforderlich ist (Art 33 II EuGVO nF). Unter denselben Voraussetzungen kann das inländische Verfahren zugunsten 220 eines Verfahrens in einem Drittstaat ausgesetzt, fortgesetzt oder eingestellt werden, wenn zwar die Verfahren zwar verschiedene Streitgegenstände haben, aber aufgrund des Sachzusammenhangs eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern (Art 34 EuGVO nF). Auch hier ist erforderlich, dass (1) wegen des Sachzusammenhangs der Klagen die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht, (2) zu erwarten ist, dass die Entscheidung des Drittstaats anerkannt werden kann und (3) die Aussetzung im Interesse einer geordneten Rechtspflege notwendig ist.218
b) Unterhaltssachen Nach Art 9 EuUnthVO tritt in Unterhaltssachen Rechtshängigkeit (wie bei 221 Art 30 EuGVO) bereits mit der Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht oder beim Zusteller ein. Auch in Unterhaltssachen sperrt das erste Verfahren jedes weitere (Art 12 EuUnthVO).219 Wird danach ein zweites Verfahren wegen desselben Anspruchs anhängig gemacht, so wird dieses Verfahren von Amts wegen ausgesetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Sobald sie feststeht, erklärt sich das zweite Gericht für unzuständig (Art 12 EuUnthVO).220 Es gilt also dieselbe eindeutige Prioritätsregelung wie in Art 27 EuGVO. Ob Trennungsunterhalt und Geschiede217 218 219 220
Krit, aber letztlich doch zust J. Weber RIW 2009, 620. Vgl M. Heckel GPR 2012, 272. Vgl Rauscher/Andrae (2010) Art 12 EG-UntVO Rz 2ff. Rauscher/Andrae (2010) Art 12 EG-UntVO Rz 12ff.
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nenunterhalt iS der VO ein Anspruch sind oder nicht, ist eine offene Frage.221 Nicht geregelt in der VO ist, ob der zweiten (unzulässigen) Klage verjährungshemmende Wirkung zukommt; insoweit gilt die lex causae.222 222 Besteht zwischen den verschiedenen (Unterhalts-)verfahren nur ein Sachzusammenhang (etwa bei begrenzter Leistungsfähigkeit zwischen Ehegattenund Kindesunterhalt oder zwischen Unterhalt und Zugewinnausgleich),223 so kann jedes später angerufene Gericht sein Verfahren aussetzen (Art 13 I EuUnthVO) und ggf die Klage abweisen, wenn das erste Verfahren noch in erster Instanz anhängig ist, dieses Gericht ebenfalls zuständig ist und eine Verfahrensverbindung möglich ist (Art 13 II EuUnthVO).224
c) Güterrechtsachen 223 Die Regelung in E Art 12 EuGüterRVO225 entspricht Art 12 EuUnthVO. Um Prozessverzögerungen auszuschließen, sieht E Art 12 II EuGüterRVO aber zusätzlich vor, dass das erste Gericht seine Zuständigkeit grds innerhalb von sechs Monaten feststellen, zumindest mitteilen muss, wann über die Zuständigkeit entschieden wird. 224 Eine identische Regelung ist in E Art 12 der Europ. VO im Bereich des Güterrechts eingetragener Lebenspartner226 vorgesehen. 225 Beide Vorschläge geben in E Art 13 zusätzlich (parallel zu Art 28 EuGVO/LugÜ bzw Art 13 EuUnthVO) die Möglichkeit ein Zweitverfahren wegen Sachzusammenhangs auszusetzen bzw abzuweisen.
d) Ehe- und Sorgerechtssachen 226 Eine einheitliche europäische Regelung der Rechtshängigkeit besteht hier nach Art 19 EheGVO.227 Unter mehreren anhängigen Ehetrennungs- und Sorgerechtsverfahren hat danach das zeitlich erste Verfahren Vorrang. Im Rahmen von Art 19 EheGVO sperrt ein zuerst eingeleitetes Verfahren jedes weitere, auch wenn es um verschiedene eheliche Ansprüche geht (Art 19 I EheGVO).228 Beim Streit um die elterliche Sorge ist Anspruchsidentität erforderlich (Art 19 II EheGVO) (s u Rz 228).229 Das zweite Gericht hat sein Verfahren zunächst auszusetzen und sich für unzuständig zu erklären, bis die Zuständigkeit des
221 Zöller/Geimer, Art 12 EG-VO Zuständigkeit Unterhaltssachen Rz 2. 222 Krit Rauscher/Andrae (2010) Art 12 EG-UntVO Rz 15. 223 Für Einbeziehung auch von Nichtunterhaltsverfahren Rauscher/Andrae (2010) Art 13 EG-UntVO Rz 2. 224 Vgl Rauscher/Andrae (2010) Art 13 EG-UntVO Rz 11ff. 225 KOM (2011) 126/2. 226 KOM (2011) 127/2. 227 Vgl Dilger Rz 326–361; (zu „Brüssel II“) Polyzogopoulos, in: Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S 144ff; Hausmann EuLF 2000/01, 345. 228 AA Schwab/Streicher Teil I Rz 1178. 229 Vgl Gruber, in: NK-BGB, Anh I zum III. Abschnitt EGBGB, Art 19 EheVO 2003 Rz 1ff, 7f, 11f.
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ersten Gerichts feststeht (Art 19 I, II, III S 1 EheGVO).230 Einer Anerkennungsprognose bedarf es nicht mehr. Art 19 II EheGVO gilt aber nicht, sofern das erste Gericht nur nach Art 20 EheGVO für den vorläufigen Rechtsschutz zuständig ist, während das zweite Gericht nach den Art 8 ff EheGVO in der Hauptsache zuständig ist, gleichgültig ob es zu einer einstweiligen oder einer endgültigen Regelung angerufen wird.231 In Übereinstimmung mit Art 30 EuGVO wird der Zeitpunkt der (ersten) 227 Rechtshängigkeit einheitlich in Art 16 EheGVO festgelegt; entscheidend ist danach die Anhängigkeit von Klage bzw Antrag, dh je nach Verfahrensrecht die Einreichung bei Gericht oder bei der die Zustellung zu bewirkenden Stelle, sofern der Antragsteller alles getan hat, dass der Antrag bzw die Klage zugestellt werden kann.232 Die Einleitung eines Sühneverfahrens (in Frankreich requête en divorce) genügt, um Rechtshängigkeit iS der Art 16, 19 EheGVO zu begründen.233 Der Rechtshängigkeitseinwand setzt in Ehesachen nicht gleiche Streitgegen- 228 stände iS des deutschen Rechts voraus, vielmehr ist nach wohl hM die sog Kernpunkttheorie des EuGH maßgebend.234 Allerdings unterscheidet Art 19 EheGVO in Abs 1 und 2 zwischen Anträgen „auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebands und Ungültigerklärung einer Ehe“ und solchen „wegen desselben Anspruchs“ in Sorgerechtssachen, so dass der Anspruchsbegriff zwar in einem engeren Sinn verwendet wird, aber die Rechtshängigkeit über denselben Anspruch hinaus beachtlich ist.235 Einer nach deutschem Recht zulässigen Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe kommt, da von der EheGVO nicht erfasst, keine Sperrwirkung zu.236 Sperrwirkung iS einer Konzentrationslast hat das erste Verfahren, solange es 229 anhängig ist, und zwar auch dann, wenn das Zweitverfahren vor dem Erstgericht noch gar nicht durchgeführt werden kann.237 Die Rechtskraft beurteilt sich weiterhin nach nationalem Recht des Entscheidungsstaats. Nach Abschluss des Erstverfahrens kann also ggf doch im Zweitstaat geklagt werden.238
e) Erbrechtssachen In Erbrechtssachen gilt sachlich dieselbe Rechtshängigkeitsregelung wie in all- 230 gemeinen Zivilsachen, also das Prioritätsprinzip. Jedes „zweite“ Gericht setzt 230 Vgl OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 1043. 231 EuGHE 2010, I-11163 (Purrucker v Vallés Pérez) = NJW 2011, 363. 232 Vgl Dilger Rz 341ff; Gruber FamRZ 2000, 1129, 1133; Hausmann EuLF 2000/01, 345, 346f. 233 Vgl Chorley v Chorley [2005] 1 WLR 1469 (CA); Jayme/Kohler IPRax 2005, 481, 491; Dilger Rz 337. 234 Krit. Rauscher/Rauscher (2010) Art 19 Brüssel IIa-VO Rz 10ff. 235 Vgl NK-BGB/Gruber Art 19 Rz 7f. 236 Hausmann EuLF 2000/01, 345, 346; aA NK-BGB/Gruber Art 1 Rz 9, Art 19 Rz 10. 237 Krit Rauscher/Rauscher (2010) Art 19 Brüssel IIa-VO Rz 12. 238 Hausmann EuLF 2000/01, 345, 347.
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sein Verfahren zunächst aus (Art 17 I EuErbVO) und erklärt sich für unzuständig, sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht (Art 17 II EuErbVO). Die Priorität bestimmt sich nach Art 14 EuErbVO (entsprechend Art 30 EuGVO/LugÜ) nach dem Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht bzw bei dem Klagezusteller. 231 Um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, besteht nach Art 18 EuErbVO (wie nach Art 28 EuGVO) bei nur im Zusammenhang stehenden Verfahren ein Aussetzungsermessen.
f) Gemeinschaftsmarken 232 Die Konkurrenz zwischen Klagen wegen der Verletzung einer Gemeinschaftsmarke und einer nationalen Marke regelt Art 105 der Verordnung (EG) Nr 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke.239
3. Ausländische Rechtshängigkeit nach autonomem deutschen Recht 233 Nach § 261 I ZPO wird die Rechtshängigkeit der Streitsache durch die Erhebung der Klage begründet und hat die Rechtshängigkeit ua die Wirkung, dass während ihrer Dauer die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. Für Ehesachen und Familienstreitsachen verweisen § 113 I 2 FamFG und § 124 S 2 FamFG auf § 261 ZPO.240 Die sog Einrede der Rechtshängigkeit ist als negative Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu beachten. 234 Das Problem ist, ob eine Klage vor einem ausländischen Gericht im Inland Rechtshängigkeitswirkungen haben kann. Die Frage hängt eng mit der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen zusammen. Fehlt es zB an der Verbürgung der Gegenseitigkeit zu dem betreffenden Staat, können dessen Urteile in Deutschland mithin nicht anerkannt und vollstreckt werden, kann derselbe Kläger denselben Beklagten wegen desselben Streitgegenstandes zugleich im Ausland und im Inland verklagen. Die ausländische Rechtshängigkeit steht dann einer zweiten Klage im Inland nicht im Wege. Das Ergebnis könnte sein, dass der Beklagte im In- und Ausland zur Leistung verurteilt würde; es lägen mehrere Titel gegen ihn vor. Erst in der Zwangsvollstreckung kann sich der Beklagte damit verteidigen, dass er aufgrund eines der Titel bereits geleistet habe. Zu diesem Ergebnis führen die deutsche Rechtsprechung und die Lehre. 235 Nach hM ist die Rechtshängigkeit im Ausland von deutschen Gerichten zu beachten, wenn der erste Prozess vor einem ausländischen Gericht schwebt und die Entscheidung dieses Gerichts gem § 328 ZPO (bzw §§ 108 f FamFG) in Deutschland anerkannt wird.241 Die Wirkungen der ausländischen Rechtshän239 ABl EG 1994 L 11/1. 240 MüKoZPO/Hilbig, § 124 FamFG Rz 10; Prütting/Helms, FamFG, § 124 Rz 3. In EUFällen gilt aber vorrangig Art 19 EheGVO, s o Rz 221 f. 241 BGH FamRZ 1994, 434; 1992, 1058; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 98 Rz 5ff; MüKoZPO/Becker-Eberhard, § 261 ZPO Rz 74.
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gigkeit sind schon dann zu berücksichtigen, wenn keine ernstlichen Bedenken gegen die Anerkennung des künftigen ausländischen Urteils bestehen. Dazu ist zu prüfen, ob beide Verfahren den gleichen Streitgegenstand haben,242 das Verfahren im Ausland früher rechtshängig geworden ist, ob die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts gegeben243 und die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Ist das der Fall, so ist im Wege einer generellen Prognose zu prüfen, ob ausnahmsweise gegenüber dem möglichen ausländischen Prozessergebnis der „ordre-public-Vorbehalt“ eingreift.244 Danach wird nur eine prima facie-Prüfung hinsichtlich der Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Urteils vorgenommen, wobei die Voraussetzungen des § 328 I Nr 3 ZPO, da noch unbekannt, unberücksichtigt bleiben.245 Ist das einleitende Schriftstück der Auslandsklage nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, ist die dortige Rechtshängigkeit unbeachtlich.246 Auch in Scheidungssachen ist die Rechtshängigkeit im Ausland im Bereich 236 des autonomen Rechts nach allgemeinen Regeln zu beachten.247 Der dabei notwendigen Anerkennungsprognose steht § 107 FamFG nicht entgegen.248 Die Sperrwirkung tritt danach nur zum gleichen Streitgegenstand ein. Ein ausländisches Ehenichtigkeitsverfahren hindert daher nicht ein inländisches Scheidungsverfahren.249 Beachtlich ist auch die ausländische Rechtshängigkeit bei einem religiösen Gericht, wenn das Scheidungsstatut eine Privatscheidung vorsieht.250 Ist aber deutsches Recht Scheidungsstatut, so scheidet die Anerkennung einer Privatscheidung nach IPR aus; die „Rechtshängigkeit“ des Scheidungsverfahrens vor einem religiösen Gericht ist dann irrelevant.251 Ausnahmsweise kann die Sperrwirkung der ausländischen Rechtshängigkeit 237 gegenüber einem inländischen Scheidungsbegehren entfallen, wenn der deutsche Ehegatte sonst eine unzumutbare Beeinträchtigung seines Rechtsschutzes erleiden würde.252 Die Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens im Ausland sperrt nicht inländische Regelungen anderer Familiensachen, solange diese nicht selbst im Ausland in anerkennungsfähiger Weise rechtshängig sind.253
242 Vgl OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 47. 243 Vgl Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S 169ff (zur ausschließlichen Zuständigkeit). 244 Vgl OLG Oldenburg FamRZ 2006, 950, 951f (Zwang, an „Get-Scheidung“ mitzuwirken). 245 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 98 Rz 6. 246 AG Landstuhl FamRZ 1994, 837. 247 BGH FamRZ 1994, 434; BGH FamRZ 1992, 1058/59; s o Rz 233ff. 248 BGH IPRax 1984, 152. 249 OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 47; Zur Sperrwirkung eines ausländischen Verbundverfahrens s OLG München IPRax 1992, 174 (dazu Linke S 159). 250 Vgl BGH IPRax 1995, 111 (dazu Henrich S 86). 251 BGH FamRZ 1994, 434 (Rabbinatsgericht). 252 BGH IPRax 1984, 152 (krit. Luther S 141); Schumann IPRax 1986, 14. 253 BGH NJW 1986, 662.
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239 Eine ausdrückliche Regelung für einen Sonderfall enthält § 738a I HGB.254 Diese Bestimmung lautet: „Ist eine Klage auf Schadenersatz, die auf die Vorschriften dieses Titels oder auf entsprechende ausländische Rechtsvorschriften gestützt wird, bei einem ausländischen Gericht anhängig, so hat die Klage die in § 261 III Nr 1 der Zivilprozessordnung bestimmte Wirkung der Rechtshängigkeit, wenn die Zuständigkeit des Gerichts auf einer dem § 738 I entsprechenden Regelung beruht und wenn das Gericht des Staates, vor dem die Klage auf Schadenersatz anhängig ist, im Falle einer vor einem deutschen Gericht anhängigen Klage die Wirkungen der Rechtshängigkeit anerkennen würde.“
240 Eine weitere Regelung enthält Art 21 IV UN-Convention on the Carriage of Goods by Sea v 30.3.1978. 241 Die ausländische Rechtshängigkeit ist negative Prozessvoraussetzung. Sie ist von Amts wegen und nicht nur auf Einrede zu beachten; sie unterliegt nicht der Parteivereinbarung.255 242 Die Sperrwirkung des ausländischen Verfahrens kann nach der Rspr ausnahmsweise entfallen, wenn die deutsche Partei sonst eine unzumutbare Beeinträchtigung ihres Rechtsschutzes erleiden würde.256 243 Gegen die vom deutschen Richter erwartete Prognose wendet sich vor allem Schütze.257 Dabei sieht er durchaus, dass von dem deutschen Richter auch gem § 606 a ZPO aF (jetzt § 98 I Nr 4 FamFG) eine Prognose hinsichtlich der Anerkennung eines deutschen Scheidungsurteils nach dem Heimatrecht der Ehegatten erwartet wird. 244 Die negative Feststellungsklage im Ausland sperrt (außerhalb des EuGVO/ LugÜ-Bereichs s o Rz 206) nicht eine spätere Leistungsklage im Inland.258 Umgekehrt schließt die negative Feststellungsklage im Inland die nachfolgende Leistungsklage im Ausland (außerhalb des europäischen Prozessrechts) nicht aus.259 Auch eine im Ausland erklärte Prozessaufrechnung schließt eine inländische Leistungsklage aus der Aufrechnungsforderung nicht aus.260 Eine nur bevorstehende Auslandsklage ist unbeachtlich.261 245 Natürlich ist es schwierig vorauszusagen, ob eine deutsche Entscheidung im Ausland oder ein ausländisches Urteil im Inland anerkannt werden wird, zumal im Augenblick der Vorhersage in beiden Fällen die Entscheidung noch nicht einmal vorliegt. Andererseits besteht bei der vorherigen Rechtshängigkeit im Ausland ein Bedürfnis, doppelte oder sogar entgegengesetzte Urteile zu
254 Krit Schütze, IZPR Rz 396f. 255 Hau IPRax 1995, 80, 81; aA AG Landstuhl FamRZ 1994, 837. 256 So für ein ausländisches Scheidungsverfahren: BGH NJW 1983, 1269 = IPRax 1984, 152; krit Luther S 141; Schumann IPRax 1986, 14; KG FamRZ 1995, 1074. 257 NJW 1963, 1486; RabelsZ 1967, 244; MDR 1973, 905. 258 Krause-Ablass/Bastuck, FS Stiefel, 1987, S 445, 450. 259 AA Schütze, IZPR, Rz 401f. 260 Krause-Ablass/Bastuck S 451. 261 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S 168f.
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vermeiden. Eine bloße Missbrauchskontrolle gegen eine doppelte Prozessführung genügt nicht.262 Solange im betreffenden Ausland keine Entscheidung vorliegt, hat das deutsche Gericht eine abstrakt-generelle Anerkennungsprognose zu stellen.263 Unbeachtlich ist danach die Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens vor einem religiösen Gericht, wenn deutsches Recht Scheidungsstatut ist.264 Nicht zu beachten ist danach wohl die unfreiwillige Einbeziehung Deutscher 246 in eine class action nach US-Recht. Dagegen besteht kaum ein Anlass, US-Bürgern eine Inlandsklage gegen einen Deutschen zu ermöglichen, obwohl gegen ihn bereits eine class action in den USA anhängig ist.265 Im Verhältnis zu den Staaten, mit denen keine Staatsverträge bestehen, er- 247 weist sich die Barriere der Gegenseitigkeit als erster Prüfstein. Deswegen scheidet bereits eine große Anzahl von Staaten aus. Zweifel hinsichtlich der Verbürgung der Gegenseitigkeit bestehen nur zu einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Staaten. Dabei muss im Zweifel angenommen werden, dass das ausländische Urteil nicht anerkannt werden wird. Soweit die Gegenseitigkeit verbürgt ist, muss geprüft werden, ob das ausländische Gericht unter Zugrundelegung der deutschen Vorschriften international zuständig ist. Im Übrigen sollte es Aufgabe der Partei, die die Einrede der Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht erhebt, sein, darzulegen, dass keine Hindernisse bestehen, das ausländische Urteil anzuerkennen. Hierbei muss die grundsätzliche deutsche Haltung, wonach ausländische Entscheidungen anzuerkennen sind, berücksichtigt werden. Die ausländische Rechtshängigkeit kann also nicht unberücksichtigt bleiben.266 Es kann insb nicht darauf ankommen, dass in anderen Ländern, wie zB früher in England und Frankreich, die Einrede der Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht nicht berücksichtigt wird.267
4. Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit Nach § 261 III Nr 1 ZPO tritt das Prozesshindernis mit Rechtshängigkeit, 248 nicht bereits mit Anhängigkeit der Klage ein. Erhoben ist eine Klage vor einem deutschen Zivilgericht erst mit Zustellung, § 253 I ZPO. Lediglich materiellrechtliche Wirkungen werden nach § 167 ZPO bereits an die Einreichung der Klage geknüpft (s u Rz 256). Hilfsansprüche werden mit der Klage vor Eintritt der jeweiligen Bedingung rechtshängig.268
262 263 264 265 266 267 268
AA Schütze ZZP 104 (1991), 136, 149. Habscheid, FS Zweigert, 1981, S 109, 113; Hau IPRax 1995, 80, 81. BGH FamRZ 1994, 434. Mark EuZW 1994, 238, 240f. OLG Düsseldorf MDR 1974, 1023. Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, S 454. Zur Stufenklage vgl BGH NJW-RR 1995, 513; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rz 1.
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249 Nach Art 31 II CMR ist bereits die Anhängigkeit in einem anderen Vertragsstaat zu beachten.269 250 Wann Rechtshängigkeit eintritt, ist von Land zu Land verschieden. England verlangt grds die Zustellung der „claim form“ an den Beklagten,270 New York „service of a summons“ (CPLR § 304), Österreich die Zustellung an den Beklagten.271 In anderen Staaten tritt die Rechtshängigkeit teilweise früher ein, etwa mit Einreichen einer Klageschrift bei Gericht (zB Cal.CCP § 350 „An action is commenced … when the complaint is filed“). In der Schweiz tritt Rechtshängigkeit bereits mit der Einreichung eines Schlichtungsgesuchs ein (Art 62 I Schweiz. ZPO von 2008).272 Nach Art 9 II schweiz IPRG 1987 tritt Rechtshängigkeit für die Zwecke des Art 9 I IPRG ebenfalls bereits mit Einleitung des Sühneverfahrens ein. In Japan wird die Scheidung bereits durch Einleitung des Schlichtungsverfahrens vor dem Familiengericht rechtshängig.273 251 Die Frage ist deshalb, ob man zulassen will, dass ein inländisches Verfahren vor der förmlichen Zustellung der Klage bzw Entscheidungssachen der Antragsschrift an den Gegner durch nachträgliche Einleitung eines ausländischen Parallelverfahrens überholt wird. Diese Situation kann leicht eintreten, weil die inländische Klage formell im Ausland zuzustellen ist, während die parallele ausländische Klage rascher durch fiktive Inlandszustellung rechtshängig wird. Die Frage ist also, ob und inwieweit der inländische Justizgewährungsanspruch geschützt werden kann. Allgemeiner formuliert geht es um die Frage, wie der Begriff Rechtshängigkeit zu qualifizieren ist. 252 Eine Reihe von Gerichten haben zum Schutze des deutschen Klägers den Eintritt der Rechtshängigkeit im Ausland nach der deutschen lex fori bestimmt.274 Freilich kann nur die jeweilige lex fori bestimmen, wann nach ihrer eigenen Regelung ein Prozess rechtshängig wird. Im Anwendungsbereich des autonomen deutschen Rechts ist deshalb der Beginn der ausländischen Rechtshängigkeit nach der ausländischen lex fori zu bestimmen. Dies ist zu Recht die heute hM.275 Streitig ist allein, ob der ausländischen Rechtshängigkeit ohne Weiteres Inlandswirkung zukommt oder ob die Inlandswirkung der ausländischen Rechtshängigkeit einer zwei- oder doppelspurigen Beurteilung unterliegt.276 Danach ist die ausländische Rechtshängigkeit nicht in jedem Fall zu respektieren, sondern nur soweit dadurch nicht ein zeitlich vorrangig eingeleitetes inländisches Verfahren abgebrochen werden müsste. Die hM hat dagegen bisher am internationalen Entscheidungseinklang in diesem Fall festgehalten
269 Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, 2000, Art 31 CMR Rz 17. 270 CPR 7.2 u CPR 6.13; vgl Andrews, in: Birks, English Private Law, Vol II, 2000, No 19.74ff. 271 Vgl OGH IPRax 1999, 386 (dazu Heiderhoff S 392). 272 Vgl Sutter-Somm/Hedinger, in Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger ZPO, 2. Aufl 2013, Art 62 Rz 9ff. 273 Vgl Kono IPRax 1990, 93; gegen Anerkennung OLG Stuttgart IPRax 1990, 113. 274 ZB OLG Köln RIW 1973, 339. 275 Geimer/Schütze, Bd I/2, S 1652ff; Kaiser/Prager RIW 1983, 677ff. 276 Hierfür Linke IPRax 1994, 17, 18; bereits IPRax 1982, 229, 230.
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und eine „Kontrolle“ der ausländischen Rechtshängigkeit aus Billigkeitsgründen abgelehnt.277 Innerhalb Europas wird das Problem durch Art 30 EuGVO/LugÜ (Art 32 253 EuGVO nF) (s o Rz 214), Art 16 EheGVO (s o Rz 227), Art 9 EuUnthVO (s o Rz 221) sowie Art 14 EuErbVO gelöst. Danach gilt das Gericht (je nach anwendbarem Prozessrecht) einheitlich bereits mit Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht oder mit Einreichung bei der für die Zustellung zuständigen Stelle als angerufen, sofern der Kläger die ihm obliegenden Maßnahmen trifft, damit die Klage tatsächlich zugestellt bzw bei Gericht eingereicht wird. Soweit ein berechtigtes Interesse besteht, kann das zweite Verfahren vor dem 254 deutschen Richter mit Rücksicht auf die Rechtshängigkeit vor dem ausländischen Gericht analog § 148 ZPO ausgesetzt werden.278
5. Perpetuatio fori Der Grundsatz der perpetuatio fori gem § 261 III Nr 2 ZPO gilt auch für die in- 255 ternationale Zuständigkeit,279 und zwar auch innerhalb der EuGVO bzw des LugÜ.280 Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit lassen daher nicht die einmal begründete Zuständigkeit entfallen. Eine zunächst fehlende Zuständigkeit kann aber nachträglich begründet werden.
6. Materiellrechtliche Wirkungen der ausländischen Rechtshängigkeit Welche materiell-rechtlichen Wirkungen die Rechtshängigkeit hat, richtet 256 sich grds nach dem Sachstatut (vgl § 262 S 1 ZPO).281 Dieses entscheidet also über Verjährungsunterbrechung, eine Haftungsverschärfung oder die Pflicht zur Zahlung von Prozesszinsen. Ist deutsches Recht anwendbar, treten diese Wirkungen auch bei einer Auslandszustellung erst mit Klageerhebung ein (§ 262 S 2 ZPO). Die Vorwirkungen des § 167 ZPO (Fristwahrung und Hemmung der Verjährung) bei Demnächst-Zustellungen gelten ebenfalls bei Auslandszustellungen, sofern dabei auftretende Verzögerungen nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers/Antragstellers beruhen.282 Der Kläger muss nicht
277 BGH IPRax 1989, 104 = FamRZ 1987, 580 (m Anm Gottwald) = NJW 1987, 3083 (m Anm Geimer). 278 BGH NJW 1986, 2195/96; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 98 Rz 6; Geimer, IZPR, Rz 2712, 2724. 279 v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 70; Geimer, IZPR, Rz 1830ff, 1838f; aA Damrau, FS Bosch, 1976, S 103ff. 280 Kropholler/v. Hein Vor Art 2 Rz 14f; Rauscher/Mankowski (2011) Art 2 Brüssel I-VO Rz 4. Schlosser Vor Art 2 EuGVVO Rz 7. 281 BGH RIW 1999, 456, 457. 282 BGHZ 25, 250, 255 = NJW 1957, 1838; Pfennig NJW 1989, 2972; vgl Nordmeier ZZP 124 (2011), 95 (der die Regel bei materiellen Fristen nur bei Geltung materiellen deutschen Rechts anwenden will).
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sogleich eine förmliche Zustellung beantragen, damit die Vorwirkungen erhalten bleiben.283 257 Für die Frage, ob die Erhebung einer Klage vor einem ausländischen Gericht die Verjährung hemmt, kommt es zunächst auf das anzuwendende materielle Recht an (s Art 12 I lit d Rom I-VO).284 Der Fall liegt also ähnlich wie bei der Tatbestandswirkung eines ausländischen Urteils hinsichtlich der Verjährung nach § 197 I Nr 3 BGB (s u § 12 Rz 133). 258 Ist § 204 I BGB anzuwenden, so hemmt die Erhebung der Klage vor einem ausländischen Gericht die Verjährung dann, wenn das ausländische Urteil generell anzuerkennen ist.285 Gleiches gilt für die Einleitung eines dem Mahnverfahren vergleichbaren Verfahrens286 oder die Forderungsanmeldung in einem anzuerkennenden ausländischen Insolvenzverfahren.287 Ist das ausländische Urteil voraussichtlich nicht anzuerkennen, so ist § 204 II BGB entsprechend anzuwenden, dem Kläger steht also eine „Nachfrist“ von sechs Monaten zu, um eine Inlandsklage oder ein anerkennungsfähiges Auslandsverfahren einzuleiten.288
7. Internationale Rechtshängigkeit nach Einzelverträgen 259 Die internationale Rechtshängigkeit wird auch in einigen bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen besonders geregelt. Zu beachten sind: (1) Art 15 deutsch-belgisches Abkommen 1958, soweit EU-Verordnungen nicht anwendbar sind; (2) Art 18 I deutsch-griechischer Vertrag 1961, soweit EU-Verordnungen nicht anwendbar sind; (3) Art 11 deutsch-italienisches Abkommen 1936, soweit EU-Verordnungen nicht anwendbar sind; (4) Art 18 I deutsch-niederländischer Vertrag 1962, soweit EU-Verordnungen nicht anwendbar sind; (5) Art 21 I deutsch-norwegischer Vertrag 1977, soweit das LugÜ nicht anwendbar ist; 283 AA OLG Schleswig NJW 1988, 3104. 284 Schütze MDR 1973, 905 u IZPR, Rz 414; MüKo/Spellenberg, Art 12 Rom I-VO Rz 106ff, 128ff. 285 So auch RGZ 129, 385, 389; Palandt/Ellenberger, § 204 BGB Rz 3; Bamberger/Roth/ Spickhoff, Art 12 Rom I-VO Rz 12; vgl auch Ferid, Im Ausland erfüllte Tatbestandsmerkmale inländischer Sachnormen, GRUR Int 1973, 472, 477. 286 Verneint für den Zahlungsbefehl nach schweiz SchKG OLG München IPRax 2001, 579 (ablehn. Walter S 547). 287 Linke, FS Nagel, 1987, S 209, 216; vgl auch Taupitz, Verjährungsunterbrechung im Inland durch unfreiwillige Beteiligung am fremden Rechtsstreit im Ausland, ZZP 102 (1989), 288. 288 Vgl österr. OGH IPRax 2009, 430 (dazu Ch. Budziekiewicz ZEuP 2010, 415); Looschelders, Die Anpassung im IPR, 1995, S 301ff; MüKo/Spellenberg, Art 12 Rom I-VO Rz 135, 138; aA Schulz, Die Subsumtion ausländischer Rechtstatsachen, 1997, S 160.
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(6) Art 17 deutsch-österreichischer Vertrag 1959, soweit EU-Verordnungen nicht anwendbar sind; (7) Art 21 I deutsch-spanischer Vertrag 1983, soweit EU-Verordnungen nicht anwendbar sind; (8) Art 44 I deutsch-tunesischer Vertrag 1966. Nach diesen Verträgen ist die zweite Klage zwischen denselben Parteien über denselben Streitgegenstand unzulässig;289 teilweise ist auch vorgesehen, dass das Gericht das Verfahren in geeigneten Fällen zunächst nur aussetzt. Zusätzlich wird teilweise eine positive Anerkennungsprognose verlangt. Außerdem ist die Rechtshängigkeit im Ausland nach Art 31 II CMR zu beach- 260 ten. Diese Bestimmung lautet: „Ist ein Verfahren bei einem nach Abs 1 zuständigen Gericht wegen einer Streitigkeit im Sinne des genannten Absatzes anhängig oder ist durch ein solches Gericht in einer solchen Streitsache ein Urteil erlassen worden, so kann eine neue Klage wegen derselben Sache zwischen denselben Parteien nicht erhoben werden, es sei denn, dass die Entscheidung des Gerichtes, bei dem die erste Klage erhoben worden ist, in dem Staat nicht vollstreckt werden kann, in dem die neue Klage erhoben wird.“
Danach greift die Einrede der Rechtshängigkeit wegen derselben Sache zwi- 261 schen denselben Parteien (unabhängig) von der Parteirolle, wenn das erste Verfahren vor einem nach Art 31 I CMR international zuständigen Gericht erhoben ist.290 Ausdrücklich ausgenommen ist der Fall, dass die Entscheidung des Erststaats im Zweitstaat nicht vollstreckt werden kann. Gleichwohl hat eine Leistungsklage im Rahmen des Art 31 II CMR (abweichend vom europäischen Recht) Vorrang vor einer zeitlich früheren negativen Feststellungsklage.291 Im Rahmen der Europäischen Union hat Art 31 CMR aber nach Art 71 EuGVO nur insoweit Vorrang, als Parallelverfahren vermieden werden.292 Für Streitigkeiten über europäische Patente gilt Art 8 des Protokolls über die 262 gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen über den Anspruch auf Erteilung eines europäischen Patents (Anerkennungsprotokoll) v 5.10.1973. Eine Reihe weiterer Verträge sieht die frühere Rechtshängigkeit im Zweitstaat 263 als Anerkennungshindernis gegenüber der ausländischen Entscheidung vor, so Art 5 Nr 3 HUVÜ 1973 und Art 2 Nr 4 HUVÜ 1958.
8. Parallelverfahren im Ausland Die ausländische Rechtshängigkeit wird in Europa nach Art 27ff EuGVO/ 264 LugÜ beachtet (s o Rz 201ff). Nach autonomem Recht ist sie auch in Frank-
289 Dohm, Einrede ausländischer Rechtshängigkeit, S 210. 290 Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, Art 31 CMR Rz 8; Herber/Piper, CMR, 1996, Art 31 Rz 24ff. 291 BGHZ 157, 66, 71 = NJW 2004, 1455 = IPRax 2006, 260 (dazu Haubold S 224). 292 EuGHE 2010, I-4107 (TNT Express Nederland v AXA Versicherung) NJW 2010, 1736, 1738 (Rz 53).
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reich relevant.293 In der Schweiz ist sie nach Art 9 IPRG, in Italien ist sie nach der Neuordnung des IPR im Jahre 1995 gem Art 7 Legge n. 218/95 ebenfalls zu beachten.294 265 In common law-Staaten bildet die ausländische Rechtshängigkeit dagegen kein striktes Verfahrenshindernis. Die Prozessführung in den USA hat bei Schadenersatzklagen für den Kläger Vorteile im Hinblick auf (1) pre trial discovery, (2) jury-Beteiligung, (3) höherer Schadenersatz, und (4) Zulässigkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars. Die Gerichte entscheiden nach ihrem Ermessen, ob sie (1) parallele Verfahren zulassen, (2) das eigene Verfahren einstellen oder abweisen oder (3) gar auf Antrag eine anti-suit injunction gegen die Fortsetzung des ausländischen Verfahrens erlassen.295 Über den Regelfall gehen die Meinungen auseinander. Hay/Borchers/Symeonides296 meinen: Habe das ausländische Gericht „jurisdiction“, so könne ein amerikanisches Gericht davon absehen, die eigene Gerichtsbarkeit auszuüben und könne die Klage zugunsten des ausländischen Verfahrens abweisen. Born und Del Luca/Zaphiriou sind dagegen der Ansicht, amerikanische Bundesgerichte würden überwiegend parallele Verfahren akzeptieren.297 Das amerikanische Verfahren wird keinesfalls eingestellt, wenn in den USA ein öffentliches Interesse im Spiel ist und entsprechender Rechtsschutz im Ausland nicht verfügbar ist.298 266 In England sieht man (außerhalb des EuGVO-Bereichs) die Verdoppelung der Verfahren und die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen nicht als zwingenden Grund für die Einstellung des später (oder früher) begonnenen englischen Verfahrens an. Über Fortgang oder Einstellung des Verfahrens wird vielmehr im Einzelfall nach Ermessen des Gerichts, nach Kriterien des forum (non) conveniens entschieden.299 Auch hier wird – außerhalb des EU-Bereichs – die ausländische Prozessführung ggf durch injunction untersagt.300
293 Cour de Cass., Clunet 1975, 108. 294 Vgl Walter, FS Schumann, S 559, 560ff. 295 Gannon v Payne, 706 S.W. 2d 304 (Tex 1986); L. Del Luca/G. Zaphiriou AmJCompL 42 (Suppl.) (1994), 245, 268f; Born, International Civil Litigation in US Courts, 3rd ed 1996, 459f; R. Weintraub, Parallel litigation and forum-selection clauses, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 229; vgl G. Bermann, Parallel litigation: Is convergence possible?, Liber amicorum Siehr, 2010, S 579. 296 Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 11.10 (Note 7) (p 555). 297 AmJCompL 42 (Suppl.) 1994, 245, 270; Born, International Civil Litigation in US Courts, 3rd ed 1996, 460. 298 Vgl Fritze, FS Vieregge, 1995, S 241. 299 De Dampierre v De Dampierre [1988] AC 92 (H.L.); In re Harrods (Buenos Aires) Ltd [1991] 3 W.L.R. 397; Brand/Jablonski, Forum non conveniens, 2007; Cheshire/ North & Fawcett, Private international law, 14th ed 2008, p 333f, 339ff; Cromie S 430ff; Dicey/Morris & Collins, Conflict of laws, Vol 1, 14th ed 2006, No 12-007ff (pp 465ff); Wittibschlager S 32ff; Hau S 117ff; vgl M. Niegisch, Mehrspurigkeit des Internationalen Zivilverfahrensrechts in den Mitgliedstaaten der EG – Die Doktrin forum non conveniens und das EuGVÜ, Diss. Heidelberg 1993. Für Kanada s Püschmann v UBS Bank (Canada) [2002] ILPr 123. 300 Vgl L. Collins, FS Jayme, 2004, S 131; Raphael, The anti-suit injunction, 2007.
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Der Entwurf eines Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit von 1999 267 sah in Art 21 eine Art 30 EuGVO ähnliche Regel zur Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit vor; nach Art 21 Abs 6 sollte eine negative Feststellungsklage aber keine Sperrwirkung auslösen; das erste (Feststellungs-)Verfahren soll vielmehr vor dem zweiten Gericht der Leistungsklage fortgeführt werden.301 Ausnahmsweise soll das erste Gericht auf seine Zuständigkeit verzichten, 268 wenn der Fall vor einem anderen Gericht wesentlich besser verhandelt werden kann. Das erste Gericht soll sein Verfahren aber wieder aufnehmen, wenn der Kläger nicht innerhalb einer festgesetzten Frist vor dem zweiten Gericht klagt oder dieser seine Zuständigkeit verneint. Der Entwurf des Haager Übereinkommens sah also eine modifizierte forum non conveniens-Regelung vor.302 Diese ist auch in Art 15 EheGVO übernommen worden. In Japan ist streitig, ob ausländische Rechtshängigkeit beachtlich oder unbe- 269 achtlich ist. Manche wollen die ausländische Rechtshängigkeit gar nicht, manche nur beachten, wenn das japanische Gericht forum non conveniens ist, andere wenn die Wahrscheinlichkeit der künftigen Anerkennung des ausländischen Urteils besteht. Die Entscheidungen der unteren Instanzen sind nicht einheitlich. Die beiden letzteren Meinungen führen zu Schwierigkeiten, da die jap. ZPO keine Vorschrift kennt, wonach ein Verfahren bei Rechtshängigkeit ausgesetzt werden kann. Das japanische Gericht kann die inländische Klage vielmehr nur abweisen. Im Einzelnen dürfte die Rechtslage damit offen sein.303
9. Abgabe oder Verweisung ins Ausland Im streitigen Verfahren ist weder eine Abgabe des Verfahrens an das Ausland 270 (wie in Sorgerechtssachen nach Art 15 EheGVO bzw Vormundschaftssachen nach § 99 III FamFG) noch eine förmliche Verweisung vorgesehen (s o § 4 Rz 46f, 65f).
10. Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit eines ausländischen Verfahrens Ein inländischer Prozess ist auszusetzen, wenn seine Entscheidung von dem 271 Ausgang eines vorgreiflichen ausländischen Verfahrens abhängt (§ 148 ZPO). Voraussetzung dafür ist, dass die zu erwartende ausländische Entscheidung eine Bindungswirkung für den Inhalt der inländischen Entscheidung hat und voraussichtlich im Inland anerkannt werden kann.304
301 Vgl Walter, FS Schumann, S 559, 568f. 302 Vgl Walter, FS Schumann, S 559, 575ff. 303 Dogauchi, in: Heldrich/Kono, S 163, 176ff; Ishikawa ZZPInt Bd 1 (1996), 287, 288ff. 304 OLG Frankfurt NJW 1986, 1443.
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11. Prozessunterbrechung durch ausländisches Insolvenzverfahren 272 Ein im Inland anzuerkennendes ausländisches Insolvenzverfahren unterbricht einen inländischen Zivilprozess nach § 240 S 1 ZPO.305 Nach § 240 S 2 ZPO gilt Entsprechendes, wenn im Insolvenzeröffnungsverfahren die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen auf einen vorläufigen Verwalter übergeht. Der BGH306 hatte zunächst abweichend entschieden, hat sich aber von dieser Ansicht wieder distanziert. Auf Vorlage an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes307 haben sich alle beteiligten Gerichte der Ansicht des vorlegenden Senats angeschlossen, dass die Eröffnung eines grds anzuerkennenden ausländischen Insolvenzverfahrens einen im Inland anhängigen Prozess unterbricht, der die Masse betrifft, sofern nach dem betreffenden ausländischen Recht der Insolvenzverwalter die ausschließliche Prozessführungsbefugnis besitzt. 273 Art 15 EuInsVO308 sieht lediglich vor, dass sich die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse ausschließlich nach dem Recht des Mitgliedstaats richten, in dem der Rechtsstreit anhängig ist; in Deutschland bleibt es also bei der Geltung von § 240 ZPO (s u § 20 Rz 82). 274–299 Frei
III. Maßnahmen gegen ausländische Verfahren 1. Schrifttum 300 Ambrose, Can Anti-suit Injunctions survive European Community Law?, (2003) ICLQ 401; N. Andrews, Abuse of process and obstructive tactics under the Brussels jurisdictional system, GPR 1/2005, S 8; Baer, Injunctions against the prosecution of litigation abroad, Stan.L.Rev 37 (1984), 155; S. Balthasar/R. Richers, Europäisches Verfahrensrecht und das Ende der anti-suit injunctions, RIW 2009, 351; H. Baum, Inländische Abwehrklagen gegen US-amerikanische Produkthaftungsklagen?, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 185; G. Bermann, The use of Antisuit Injunction in international litigation, Col.J.Transn.L. 28 (1990), 589; Berti, Englische Anti-suit Injunctions im europäischen Zivilprozessrecht, Liber amicorum Siehr, 2000, S 33; Beythe, The Extraterritorial Impact of the Antitrust Laws: Protecting British Trading Interests, AmJCompL 31 (1983), 99, 118ff; A. Briggs, Anti-suit injunctions and utopian ideals, LQR 120 (2004), 529; J. Bukow, Die Entscheidung GAT/LUK und ihre Konsequenzen, FS Schilling, 2007, S 59; I. Carl, Einstweiliger Rechtsschutz bei Torpedoklagen, 2007; Collins, Blocking and Clawback Statutes: The United Kingdom Approach, in: Essays in international litigation, 1994, 333; Collins, The Institut de droit international and anti-suit injunctions, FS Jayme, 2004, S 131; D. Fuchs, Die Zuständigkeit USamerikanischer und europäischer Gerichte zur Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer (Internet-)Entscheidungen, RIW 2006, 29; Hartley, Comity 305 OLG München ZIP 1996, 385; OLG Karlsruhe ZIP 1990, 665; Riegel RIW 1990, 546; Grasmann KTS 1990, 157, 171; weitergehend E. Habscheid KTS 1990, 403 (jeder faktische Übergang der Verfügungsbefugnis beachtlich). 306 BGHZ 95, 256 = NJW 1988, 3096. 307 BGH WM 1998, 43. 308 Verordnung (EG) Nr 1346/2000, ABl EG L 160/1.
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Maßnahmen gegen ausländische Verfahren
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and the use of Antisuit Injunctions in International Litigation, AmJCompL 35 (1987), 487; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im internationalen Zivilprozessrecht, 1996, S 190ff; M. Illmer, La vie après Gasser, Turner et West Tankers – Die Anerkennung drittstaatlicher anti-suit injunctions in Frankreich, IPRax 2010, 456; Krause-Ablaß/Bastuck, Deutsche Klagen zur Abwehr amerikanischer Prozesse?, FS Stiefel, 1987, S 445; H. Kronke, Acceptable transnational anti-suit injunctions, FS Kaissis, 2012, S 549; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989; Kurth, Inländischer Rechtsschutz bei ausländischen Produkthaftungsverfahren – Antisuit Injunction nach deutschem Recht, PHI 1990, 143; Lange/Leyendecker, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa am Beispiel des Falles „Laker“, in: Habscheid, Der Justizkonflikt mit den USA, 1986; A. Layton, The prohibition on anti-suit injunctions and the relationship between European rules on jurisdiction and Domestic rules on procedure, in: de Vareilles-Sommières, Forum shopping, 2007, p 91; Lenenbach, Antisuit injunctions in England, Germany and the United States, Loyola of Los Angeles Int. & Comp.L.J. 20 (1998), 257; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999; Mansel, Grenzüberschreitende Prozessführungsverbote (antisuit injunctions) und Zustellungsverweigerung, EuZW 1996, 335; M.-L. Niboyet, Le principe de confiance mutuelle et les injonctions Anti-Suit, in de Vareilles-Sommières, Forum shopping, 2007, p 77; Paulus, Kann Forum Shopping sittenwidrig sein?, FS Georgiades, 2005, S 511; Paulus, Abwehrstrategien gegen unberechtigte Klagen in den USA, RIW 2006, 258; Ch. Probst, Anti-suit Injunctions, 2012; Raphael, The anti-suit injunction, 2007; Rauscher, Unzulässigkeit einer anti-suit injunction unter Brüssel II, IPRax 2004, 405; Ch. Schmidt, Antisuit injunctions im Wettbewerb der Rechtssysteme, RIW 2006, 492; Schröder, The right not to be sued abroad, FS Kegel, 1987, S 523; Schütze, Klagen vor US-amerikanischen Gerichten – Probleme und Abwehrstrategien, RIW 2005, 579; Smith, Antisuit Injunctions, Forum non conveniens und International Comity, RIW 1993, 802; Spickhoff, Die Klage im Ausland als Delikt im Inland, FS Deutsch, 1999, S 327; B. Steinbrück, Englische Prozessführungsverbote zum Schutz von Schiedsvereinbarungen im europäischen Zivilprozess, ZEuP 2010, 168; Thiele, Antisuit injunctions im Lichte europäischen Gemeinschaftsrechts, RIW 2002, 383; A. Vollmer, U.S. Federal Courts Use of the Antisuit Injunction to Control International Forum Selection, in Goldsmith, International Dispute Resolution, 1997, S 237.
2. Anti-suit injunctions In common law-Staaten besteht die Möglichkeit, sich gegen eine belastende 301 Prozessführung vor einem ausländischen Gericht mit Hilfe einer sog anti-suit injunction zu wehren: Durch eine einstweilige Verfügung wird dem Kläger des ausländischen Verfahrens verboten, dieses Gerichts- oder Schiedsverfahren einzuleiten oder fortzusetzen. Diese Untersagungsanordnung richtet sich gegen die Partei, greift aber indirekt doch in die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts ein und wird deshalb nur zur Abwehr schwerwiegender Verstoße gegen den inländischen ordre public, zur Abwehr eines Rechtsmissbrauchs oder zur Verhinderung erheblicher Nachteile für Parteien und Zeugen verhängt.309 Dies ist etwa der Fall, wenn die Auslandsklage unter Verletzung einer ausschließlichen Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung erfolgt,310 oder wenn das ausländische Gericht Ansprüche, die auf öffentlich-rechtlichen Ordnungs309 SNI Aerospatiale v Lee Kui Jak [1987] A.C. 871. 310 Youell v Kara Mara Shipping Co. Ltd., [2001] ILPr 481 (High Court, Q.B.); Donohue v Armco Inc [2001] ILPr 733; Society of Lloyd’s (No 1 and 2) [2002] ILPr 85 u 104 (High Court Q.B.).
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§6
Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
vorstellungen beruhen, nicht durchsetzen würde.311 Die Verbotsverfügung kann auch erlassen werden, wenn der inländischen Partei durch das Verfahren im Ausland ein unersetzlicher Schaden entstehen würde oder wenn die Einstellung des ausländischen Verfahrens im öffentlichen Interesse liegt. Der Erlass der Verfügung liegt im Ermessen des Gerichts.312 Das englische House of Lords erlässt Verfügungen gegen die Fortsetzung ausländischer Verfahren aber nur, wenn das englische Gericht daran ein ausreichendes Interesse hat.313 302 Die Verbotsverfügung kommt weiter in Betracht, um die unterlegene Partei an einer Rückforderung („claw back“) zu hindern (s u Rz 316) oder um eine Verbindung sachlich zusammenhängender Verfahren zu erreichen. Sogar eine „counter-injunction“ kann erlassen werden, um dem Gegner das Betreiben des Anti-Verfügungsverfahrens im Ausland zu verbieten.314 303 US-Gerichte haben nicht nur Abwehrverfügungen, sondern auch eine order compelling arbitration erlassen, mit der die Mitwirkung an einem ausländischen Schiedsverfahren angeordnet wurde.315 304 Nach Ansicht des englischen Court of Appeal kann einer Partei mittels antisuit injunction das Weiterbetreiben einer prorogationswidrigen Klage auch im Anwendungsbereich der EuGVO bzw des LugÜ untersagt werden.316 Hiergegen spricht aber, dass das angerufene Gericht seine internationale Zuständigkeit nach Art 27f EuGVO/LugÜ (Art 29f EuGVO nF) von Amts wegen zu prüfen hat und das Ergebnis dieser Prüfung gem Art 33 EuGVO/LugÜ (Art 36 EuGVO nF) grds in allen EU- bzw LugÜ-Staaten anzuerkennen ist.317 Mit dieser Regelung wäre die Möglichkeit des Erlasses einer Verfügung gegen die weitere Prozessführung unvereinbar.318 Konsequenterweise ist eine antisuit injunction auch unzulässig, soweit die Führung eines staatlichen Zivilprozesses zugunsten eines Schiedsverfahrens verboten werden soll.319 Verallgemeinert 311 Vgl Bermann Col.J.Transnat.L. 28 (1990), 589, 623ff. 312 Vgl Laker Airways v Sabena, 713 F. 2d 909 (D.C.Civ 1984); Lange, in: Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, S 65ff; J. Kurth S 13ff, 36ff; Smith RIW 1993, 802ff; Jacob, Private International Litigation, 1988, S 54ff. 313 Airbus Industrie v Patel [1999] 1 A.C. 119, 134ff (H.L., E.); dazu Schlosser IPRax 1999, 115. 314 Born, International Civil Litigation, 3rd ed, S 475. 315 NIOC v Ashland Ail Inc. 817 F. 2d 326 (1987); Schlosser, FS W. Lorenz, 1991, S 497, 502. 316 In re Harrods (Buenos Aires) Ltd. [1992] Ch. 72; Eli Lilly v Novo Nordisk [2000] ILPr 73; Ace Insurance v Zurich Insurance [2001] ILPr 667 (C.A.); Turner v Grovit, [1999] 3 W.L.R. 794, 804 (C.A.) (in case of abuse of process); Continental Bank v Aekos Compania Naviera, [1994] ILPr 413. 317 Bell, L.Q.Rev 110 (1994), 204; Berti, Liber amicorum Siehr, S 33, 41. 318 EuGHE 2004, I-3565 (Turner v Grovit) = IPRax 2004, 425 (dazu Rauscher S 405) = ZZPInt 9 (2004), 186 (Hau); Dutta/Heinze ZEuP 2005, 428; Thiele RIW 2002, 386; Krause RIW 2004, 533; I. Carl, Einstweiliger Rechtsschutz, 2007; s aber für Frankreich Illmer IPRax 2010, 456. 319 EuGHE 2009, I-663 (West Tankers) = NJW 2009, 1655 = IPax 2009, 336 (dazu Illmer, S 312; dazu Lehmann NJW 2009, 1645; Niggemann SchiedsVZ 2010, 67; Balthasar/ Richers RIW 2009, 351; B. Steinbrück ZEuP 2010, 168.
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Maßnahmen gegen ausländische Verfahren
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man diesen Ansatz, sind antisuit injunctions keinesfalls zwischen Staaten zuzulassen, die durch vereinbarte internationale Gerichtsstandsregeln verbunden sind.320 Auch in Deutschland hat man verschiedentlich aus den §§ 823, 826 BGB und 305 § 8 UWG nF einen Anspruch abgeleitet, nicht im Ausland verklagt zu werden, der dann durch einstweilige Verfügung gesichert werden könnte.321 Freilich ist zu bezweifeln, ob eine solche Verfügung nicht doch unzulässig in die Tätigkeit des ausländischen Gerichts eingreift.322 Nach hM hat eine (ausschließliche) Gerichtsstandsvereinbarung zudem nur prozessuale Verfügungswirkung, begründet jedenfalls keinen materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch, der durch einstweilige Verfügung gesichert werden könnte.323 Auch ist es nach hM nicht rechtswidrig, eine nach ausländischem Recht gegebene Zuständigkeit und die dadurch eröffneten materiellrechtlichen Möglichkeiten (sog forum shopping) auszunutzen.324 Die verschiedenen Gerichtsstände sind jedenfalls im Regelfall eröffnet, weil der Fall Verbindung zu mehreren Staaten hat; solange dies der Fall ist, handelt der Kläger legitim, wenn er sich das Gericht mit der für ihn günstigsten Rechtsanwendung aussucht. Problematisch wird forum shopping erst bei Klagen in beziehungsarmen bzw sog exorbitanten Gerichtsständen. Für eine Abwehr des ausländischen Prozessergebnisses muss daher idR die 306 Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung nach § 328 I Nr 4 ZPO bzw Art 34 Nr 1 EuGVO/LugÜ, ggf auch ein Anspruch auf Geldersatz nach § 826 BGB genügen.325 Jedoch kann eine Inlandsmitwirkung beim Erlass der antisuit injunction nicht verlangt werden. Die Inlandszustellung einer antisuit injunction, durch die das Weiterbetreiben eines deutschen Verfahrens untersagt werden soll, wird daher wohl zu Recht abgelehnt.326
3. Unterlassungs- und Schadenersatzklagen Entsprechend ist auch kein Raum für eine inländische Unterlassungsklage (nach §§ 823, 826 BGB) gegen das ausländische Verfahren.327 Gleiches gilt für Schadenersatzklagen.328 320 The Leuven/London Principles on Declining and Referring Jurisdiction in Civil and Commercial Matters, in: ILA, Report of the 69th Conference, 2000, S 18, 153, 165 (Nr 7.1). 321 So Schröder, FS Kegel, 1987, S 523; Kurth S 60ff; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S 766ff. 322 Gottwald, FS Habscheid, 1989, S 119, 122f. 323 So Schack, IZVR, Rz 861f. 324 Baum, in: Heldrich/Kono, S 185, 196; Mc Lachlan, Declining & Referring Jurisdiction in International Litigation, in: ILA, Report of the 69th Conference, 2000, S 137, 139ff. 325 Schack, IZVR, Rz 862f; Baum, in: Heldrich/Kono, S 185, 197; vgl Paulus, FS Georgiades, 511. 326 OLG Düsseldorf EuZW 1996, 351 (dazu Mansel S 335); s u § 8 Rz 125. 327 Baum, in: Heldrich/Kono, S 185, 194ff; Spickhoff, FS Deutsch, S 327, 336, 340. 328 Vgl Th. Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, 2001. S aber Paulus RIW 2006, 258, 259f; Schütze, IZPR, Rz 180.
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4. Negative Feststellungsklage 308 Zweifelhaft ist hier bereits, ob ein Gerichtsstand iS von § 32 ZPO in Deutschland besteht.329 Näher liegend erscheint, ein Rechtsschutzinteresse zu verneinen, wenn im Ausland bereits eine Leistungsklage anhängig ist. 309 Eine vorbeugende negative Feststellungsklage ist zwar zulässig, deren Nutzen ist aber von begrenztem Wert, wenn das Ausland die inländische Rechtshängigkeit nicht beachtet und die später im Ausland erhobene Leistungsklage doch durchgeführt wird.330 Der vorbeugenden Feststellungsklage kann aber im Einzelfall ein gewisser Wert bei einer vergleichsweisen Bereinigung des Streits zukommen. 310 Teilweise wird angenommen, der Beklagte eines ausländischen Verfahrens müsse im Inland eine negative Feststellungsklage erheben können, dass die (künftige) ausländische Entscheidung im Inland nicht anerkannt und vollstreckt werden kann.331 Eine solche eingeschränkte vorsorgliche Abwehr gegen ein ausländisches Verfahren sollte aus denselben Gründen wie eine antisuit injunction nicht zugelassen werden.
5. Blocking statutes a) Europäische Gemeinschaft 311 Die EG hat mit der Verordnung Nr 2271/96 v 22.11.1996332 ein Instrument zur Abwehr der Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von Rechtsakten von Drittstaaten erlassen. Derzeit dient die Verordnung der Abwehr von Auswirkungen der US-Gesetze über Wirtschaftssanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen (s Anhang zur Verordnung). Entscheidungen, die auf solchen Gesetzen beruhen, werden in der EU nicht anerkannt (Art 4 der VO). 312 EU-Angehörige iS des Art 11 der VO haben nach Art 6 der VO einen Anspruch auf Schadenersatz (einschl. Ersatz der Prozesskosten) für Schäden, die sie durch die Anwendung der genannten Sanktionsgesetze erleiden. Nach Art 6 III der VO sind solche Entscheidungen in der EU gem der EuGVO vollstreckbar.
b) England 313 Der englische Protection of Trading Interests Act 1980 (c. 11) soll jedermann, der im Vereinigten Königreich Handel treibt, vor ausländischen Auskunftsverlangen, Verboten oder Urteilen schützen. Nach sec. 1 (3) kann der Secretary of State jedem, der im Vereinigten Königreich geschäftlich tätig ist, die Befolgung von ausländischen Auskunftsanord329 330 331 332
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Ablehn. Baum, in: Heldrich/Kono, S 185, 198ff. Vgl Baum, in: Heldrich/Kono, S 185, 203ff. Hierfür D. Fuchs RIW 2006, 29, 38ff. ABl EG 1996 L 309/1.
Maßnahmen gegen ausländische Verfahren
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nungen oder Verboten untersagen, wenn dies angemessen erscheint, um Schaden von den Handelsinteressen des Vereinigten Königreichs abzuwenden. Nach sec. 2 kann der Secretary of State die Vorlage jedes im Vereinigten König- 314 reich belegenen Handelsdokuments oder von Informationen jeder Art für ein ausländisches Gericht, Tribunal oder eine ausländische Behörde oder die von einem solchen Staat angeordnete Veröffentlichung untersagen, wenn diese Handlung (1) die Souveränität oder die Sicherheit des Vereinigten Königreichs beeinträchtigen würde oder (2) wenn die Unterlagen nicht für Zivil- oder Strafverfahren im Ausland bestimmt sind oder (3) wenn jemand unspezifische Unterlagen in seinem Besitz, seiner Kontrolle oder Verfügungsmacht vorlegen soll. Ein solches Verbot kann generell oder im Einzelfall, unbedingt oder bedingt erlassen werden. Ein Verstoß wird als Vergehen bestraft (sec. 3). Rechtshilfeersuchen ausländischer Gerichte um entsprechende Beweiserhebungen können abgelehnt werden (sec. 4). Nach sec. 5 werden ausländische Urteile in England weder anerkannt noch 315 vollstreckt, die (i) auf multiple damages lauten, (ii) die gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstoßen, die das secretary of state angeordnet hat, oder (iii) die über einen Beitrag zu einer entsprechenden Schadenersatzpflicht ergangen sind.333 Am schärfsten ist aber der sog claw back-Anspruch nach sec. 6 des Gesetzes. 316 Danach kann jeder Bürger des Vereinigten Königreichs oder jeder dort geschäftlich Tätige einen im Ausland auf ein Urteil auf multiple damages bezahlten Betrag zurückverlangen, soweit er den tatsächlich auszugleichenden Schaden übersteigt.334
c) Frankreich Das französische Gesetz über die Mitteilung von Unterlagen und Auskünften 317 wirtschaftlicher, kommerzieller … Art an ausländische natürliche oder juristische Personen (Loi No 80–538 v 16.7.1980) verbietet ebenfalls jedem Franzosen, jeder Person mit Wohnsitz in Frankreich und jedem Leiter einer dortigen juristischen Person, einer ausländischen Behörde Unterlagen herauszugeben oder Auskünfte zu geben, deren Mitteilung die Souveränität, Sicherheit oder Wirtschaftsinteressen Frankreichs je nach Anordnung der Behörden beeinträchtigt. Außerdem wird jedermann verboten, nach solchen Unterlagen zu forschen oder diese ins Ausland weiterzuleiten, wenn sie zu Beweiszwecken für gerichtliche oder behördliche ausländische Verfahren dienen oder im Zusammenhang damit stehen.335
333 Vgl Dicey/Morris & Collins, Rule 52, S (No 14-253) (pp 682ff). 334 Vgl Brinkhaus, Das britische Abwehrgesetz von 1980, 1989. 335 Vgl Großfeld, Internationales und europäisches Unternehmensrecht, 2. Aufl 1995, § 5 III S 273.
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d) Andere Staaten 318 Auch andere Staaten, wie Kanada, die Niederlande und die Schweiz besitzen ähnliche Abwehrgesetze.336 Hauptanlass für die Anwendung bzw den Erlass der blocking statutes waren Antitrust-Verfahren in den USA. Durch einen Vertrag zwischen den USA und der EG über Zusammenarbeit und Koordinierung in Kartellangelegenheiten v 23.9.1991337 ist dieser Anwendungsfall vermutlich entschärft bzw beseitigt worden.
e) Deutschland 319 Deutschland hat im autonomen Recht nur eine sehr versteckte derartige Regelung, die bisher in der Praxis keine Rolle gespielt hat. § 11 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt v 26.7.1977338 lautet: „Der Bundesminister für Verkehr wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Übermittlung von Unterlagen, die sich auf das Schifffahrtsgeschäft beziehen (insb Verträge, Protokolle, Briefe, Studien, Marktberichte, Statistiken, Gutachten) und die Erteilung von Auskünften hierüber an Behörden und sonstige Stellen des Auslandes zu verbieten oder von einer Genehmigung abhängig zu machen, soweit dies erforderlich ist, um die deutsche Seeschifffahrt in der Freiheit ihrer wirtschaftlichen Betätigung zu schützen.“
Eine entsprechende „Verordnung über die Übermittlung schifffahrtsgeschäftlicher Unterlagen an ausländische Stellen“ trat am 15.12.1966 in Kraft.339 320–399 Frei
IV. Internationales Anwaltsrecht 1. Schrifttum 400 Adamson, Free movement of lawyers, 2nd ed 1998; Bachelin, Die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten in Europa, 2002; H. Böker, Die Stellung des Anwalts im brasilianischen Recht, 2000; Bunsen, Deutscher Rechtsanwalt erstmalig als Gaikokuho-Jimu-Bengoshi in Tokio zugelassen, BRAK-Mitt. 1992, 21; Cromie, International Commercial Litigation, 1990, S 256ff; Donald-Little, Cross Border Practice Compendium, 1991 (mit Angaben zu 23 europäischen Staaten); K. Drews, Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Gebührenstreit eines deutschen Anwaltes mit ausländischer Mandantschaft, TransportR 1999, 193; C. Eisenberg, Das Internationale Privatrecht der Anwaltshaftung, 1998; E. Ewig, Internationaler Dienstleistungshandel und neue Tätigkeitsfelder für die Anwaltschaft (GATS-Abkommen), NJW 1995, 434; Franz, Neues Niederlassungsrecht für europäische Rechtsanwälte, BB 2000, 989; W. Frenz/H. Wübbenhorst, Rechtsanwaltstätigkeit in anderen EU-Staaten, NJW 2011, 1262; R. Goebel, Professional qualification and educational requirements for law practice in a foreign country, Tulane L.Rev 63 336 Vgl Großfeld, Internationales und europäisches Unternehmensrecht. 2. Aufl 1995, S 271ff. 337 CMLR 4 (1991), 823. 338 BGBl I, 1315, 1317. 339 BGBl 1966 II, 1542.
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Internationales Anwaltsrecht
§6
(1989), 443; J. Gruber, Rechtsfragen bei der Einschaltung französischer Anwälte, ZVglRWiss 107 (2008), 1; Grunewald/Müller, Ausländische Rechtsberatungsgesellschaften in Deutschland, NJW 2005, 465; W. Hau, Globalisierungstendenzen der Rechtsberatungsmärkte – Rahmenbedingungen, Rechtstatsachen und Regelungsbedarf, Jahrbuch junger Rechtswiss. 1998, S 207; H.-J. Hellwig, Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland, 2002; H.-J. Hellwig, Deutsches Berufsrecht als Bollwerk gegen englische ABS?, AnwBl 2012, 876; K. Hempel, Die rechtsberatenden Berufe im Europarecht, 1996; Henssler, Anwaltliche Tätigkeit in Europa, 1994; Henssler, Die Zulassung ausländischer Anwaltsgesellschaften in Deutschland, FS Busse, 2005, S 217; Henssler/Prütting, EuRAG, in BRAO, 3. Aufl 2010; St. Hofmann, Internationales Anwaltsrecht, 1991; A. Ishikawa, Über die Stellung der ausländischen Rechtsanwälte in Japan, FS Ress, 2005, S 1437; A. Kaffsack, Die Stellung des Rechtsanwalts und der Rechtsanwaltschaft in Japan, 1996; Kespohl-Willemer/Errens, Niederlassungsmöglichkeiten deutscher Rechtsanwälte im Ausland, 1994; Kilger, Freie Advokatur international, FS Busse, 2005, S 203; M. Kilian, Das Abkommen über den freien Personenverkehr zwischen der Europäischen Union und der Schweiz. Neue Betätigungsmöglichkeiten für Europas Rechtsanwälte, ZEuP 8 (2000), 601; M. Kilian, Erfolgshonorare im Internationalen Privatrecht, AnwBl 2003, 452; M. Kilian, Erlaubnisfreie Rechtsdienstleistungen im grenzüberschreitenden Rechtsdienstleistungsverkehr, RIW 2008, 373; Kilimnik, GATS fördert internationale Rechtsberatung in Deutschland, IPRax 1995, 410; Klein/Ott/Zerdick, Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland, 2002; O. Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, 2005; O. Knöfel, Anwalts-Kollisionsrecht, AnwBl 2003, 3; Lach, Die Möglichkeiten der Niederlassung europäischer Rechtsanwälte in Deutschland, NJW 2000, 1609; H. Lang, Zur Eignungsprüfung von EG-Anwälten, BRAKMitt. 1990, 13; Q. Loh, The Duty of Counsel before an Alternative Dispute Resolution Tribunal, FS Schütze, 1999, S 437; Ch. Louven, Die Haftung des deutschen Rechtsanwalts im internationalen Mandat, VersR 1997, 1050; P. Mankowski, Obergrenze für das erstattungsfähige Honorar eines ausländischen Verkehrsanwalts?, NJW 2005, 2346; P. Mankowski, Ausländische Verkehrsanwälte und deutsche Honorargrenzen, AnwBl 2005, 705; H. Merle, Freizügigkeit für Rechtsanwälte in der Europäischen Union, 1995; Nakamura, Die Rechtsanwaltschaft in Japan, FS Schütze, 1999, S 579; Nerlich, Kooperation zwischen europäischen Rechtsanwälten, 1994; Niessen, Frankreichs Anwaltschaft, 1994; Obernheim, Die Eignungsprüfung für EU-Anwälte, NJW 1994, 1846; M. Odenbach, Spanisches Anwaltsrecht, 1994; M. Passarge, Rechtsanwalts-Aktiengesellschaften in ausländischen Rechtsordnungen, RIW 2005, 881; H. Prütting, Die rechtliche Situation der Rechtsberatung aus deutscher und europäischer Sicht, in: Schlosser (Hrsg), Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, S 1; Rabe, Binnenmarkt für Rechtsanwälte, ZEuP 1996, 1; G. Raiser, Die Haftung des deutschen Rechtsanwalts bei grenzüberschreitender Tätigkeit, NJW 1991, 2049; F. Rothenbühler, Freizügigkeit für Anwälte (Zürich), 1995; C. Rumbers/Th. Schneider, Die englische Anwalts-LLP in der Praxis, RIW 2012, 272; J. Schepke, Das Erfolgshonorar des Rechtsanwalts, 1998; M. J. Schmidt, Die internationale Durchsetzung von Rechtsanwaltshonoraren, 1991; O. Sieg, Internationale Anwaltshaftung, 1996; K. Siehr, Der Anwalt und das IPR, Collisio legum, Beiträge zum IPR für G. Broggini, 1997, S 537; G. Siskind, Freedom of Movement for Lawyers in the New Europe, Intern. Lawyer 26 (1992), 899; L. Spedding, Transnational Legal Practice in the EEC and the United States, 1987; A. Tyrell/Z. Yagub, The Legal Professions in the New Europe, 2nd ed 1996; M. Wagner, Rechtsformen für internationale Rechtsanwaltsgesellschaften, 2006; Walter, Professional Ethics and Procedural Fairness, 1991; H. Weil, Die Eignungsprüfung für EG-Anwälte, BRAK-Mitt. 1991, 15; F. Graf v. Westphalen, Einige international-rechtliche Aspekte bei grenzüberschreitender Tätigkeit von Anwälten, FS Geimer, 2002, S 1485.
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Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
2. Anwaltsvertrag 401 Beauftragt eine Partei einen deutschen Anwalt mit der Beratung in einer internationalen Streitsache und einer entsprechenden Klageerhebung, so muss der Anwalt auch über die internationale Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts sachgerecht beraten; klagt er (ohne Weisung) vor dem unzuständigen Gericht, haftet er seinem Mandanten ggf aus positiver Vertragsverletzung.340 Allgemein zur Haftung in internationalen Fällen s O. Sieg, Internationale Anwaltshaftung, 1996 u Ch. Louven VersR 1997, 1050. 402 Beauftragt eine inländische Partei einen ausländischen Anwalt, so untersteht der Anwaltsvertrag mangels abweichender Rechtswahl in der Regel dem Recht am Kanzleisitz (vgl Art 4 I lit b Rom I-VO). Rechte, Pflichten und Haftung des Anwalts richten sich also nach dem Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts.341 403 Die Prozessvollmacht untersteht der jeweiligen lex fori. Sie bestimmt die Form der Erteilung342 und deren Umfang, insb auch, ob der Anwalt mit der Prozessführung verbundene materielle Erklärungen für seinen Mandanten abgeben kann und ob er für die Hauptsache Inkassovollmacht besitzt. 404 Der Anwalt kann auch nach seinem Heimatrecht sein Honorar liquidieren. Dabei muss die deutsche Partei damit rechnen, dass die Gebühren im Ausland meist nach Arbeitsstunden abgerechnet werden und regelmäßig höher sind als die Gebühren nach dem inländischen Tarif des RVG. 405 Für ein Verfahren im Ausland kann der deutsche Kläger ein Erfolgshonorar vereinbaren, wenn dies am Sitzstaat des Anwalts zulässig ist, wie zB in England343 oder in den USA.344 Diese Vereinbarung ist gültig, auch wenn sie mit einem deutschen Anwalt für Inlandstätigkeiten nach § 49b II BRAO (idF v 12.6.2008) unzulässig und nichtig wäre.345 Bei hinreichendem Auslandsbezug der Tätigkeit kann auch der deutsche Rechtsanwalt ein Erfolgshonorar verlangen.346 406 Der Anwalt kann sein Honorar gegen seinen Mandanten nach allgemeinen Regeln verfolgen. Nach Ansicht des BGH ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) nicht am Kanzleisitz begründet.347 Im Anwendungsbereich
340 OLG Koblenz RIW 1990, 218. 341 Vgl eingehend Knöfel, Grundfragen, S 248ff, 254ff. 342 Zum russischen Recht s Peterson/Wedde, Prozessvollmachten im russischen Recht, WiRO 2002, 12. 343 Graef RIW 1995, 549; Schepke S 21ff. 344 Vgl Weinschenk RIW 1990, 435; Kilian AnwBl 2003, 452. 345 Vgl Mankowski AnwBl 2005, 705; krit. Schepke, Das Erfolgshonorar des Rechtsanwalts, 1998. 346 Krapfl IPRax 2002, 380; vgl LG Essen IPRax 2002, 396; enger OLG Frankfurt IPRax 2002, 399. 347 BGHZ 157, 20 = NJW 2004, 54 = FamRZ 2004, 98 (krit Gottwald); zust Knöfel, Grundfragen, S 277.
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Internationales Anwaltsrecht
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von Art 5 Nr 1b EuGVO kann das Honorar freilich an dem Ort eingeklagt werden, an dem die Dienste erbracht worden sind.348 Ob Honorar aus vorprozessualer Beratung und Geschäftsbesorgung in derselben Angelegenheit, die danach prozessual ausgetragen wurde, selbständig eingeklagt werden kann oder im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen ist (so in Österreich) oder ob eine teilweise Anrechnung stattfindet (so in Deutschland nach VV RVG Teil 3 Vorbem 3 (4)) richtet sich nach der jeweiligen lex fori.
407
3. Inlandstätigkeit ausländischer Rechtsanwälte Ein Ausländer, der die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt (§§ 4ff BRAO), 408 wird unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit zur deutschen Rechtsanwaltschaft zugelassen. Ein Angehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist außerdem nach §§ 1, 2ff EuRAG v 409 9.3.2000349 berechtigt, als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland tätig zu sein. Voraussetzungen sind (1) die Zulassung zur Anwaltschaft im Herkunftsland, (2) die Aufnahme in die zuständige deutsche Rechtsanwaltskammer und (3) die Ausübung der Tätigkeit unter der heimatlichen Berufsbezeichnung. Unter diesen Voraussetzungen darf der niedergelassene europäische Rechtsanwalt im Inland alle Tätigkeiten eines deutschen Rechtsanwalts gem §§ 1 bis 3 BRAO ausüben (§ 2 I EuRAG). Drittstaatsangehörigen, die in einem EU-Staat zur Anwaltschaft zugelassen sind, steht diese Möglichkeit nicht offen. Die volle Eingliederung in den deutschen Berufsstand des Rechtsanwalts kann 410 der niedergelassene europäische Rechtsanwalt nach dreijähriger Tätigkeit auf dem Gebiet des deutschen Rechts gem §§ 11ff EuRAG erwerben. Er kann dann seinen Beruf als deutscher Rechtsanwalt ausüben.350 Voraussetzung ist allerdings eine anwaltliche Tätigkeit im Inland; die Tätigkeit als Syndikus bei der Inlandsniederlassung einer ausländischen Gesellschaft genügt nicht.351 Wie bisher kann ein Angehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union 411 bzw des Europäischen Wirtschaftsraums daneben (mit oder ohne praktische Tätigkeit im Inland) zur deutschen Rechtsanwaltschaft zugelassen werden, wenn er sich erfolgreich einer Eignungsprüfung, jetzt gem §§ 16ff EuRAG, unterzogen hat. Ein Anwalt aus einem EU-Staat darf in Deutschland auch ohne inländische 412 Niederlassung gem §§ 25ff EuRAG vorübergehend als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt unter seiner heimatlichen Berufsbezeichnung tätig wer-
348 Kropholler/v. Hein Art 5 EuGVO Rz 44; Rauscher/Leible (2011) Art 5 Brüssel I-VO Rz 50. 349 BGBl I, 182. 350 Vgl MüKo/Gottwald, ZPO, Bd 3, § 11 EuRAG Rz 1ff; Henssler/Prütting/Lörcher, BRAO, 3. Aufl 2010, § 11 EuRAG Rz 5ff. 351 BGH NJW 2011, 1517.
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§6
Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
den, muss dabei aber kumulativ das Standesrecht seines Herkunftsstaats und das deutsche Standesrecht (§ 27 II EuRAG) beachten.352 Die beratende und geschäftsbesorgende Tätigkeit ist frei. Nach § 27 I 1 EuRAG darf der dienstleistende europäische Anwalt Mandanten auch vor Gericht oder Behörden vertreten. Im Rahmen des Anwaltszwangs bedarf er aber des Einvernehmens eines deutschen Rechtsanwalts (§ 28 EuRAG). 413 Anwälte aus anderen Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation haben in Deutschland Zugang zur Rechtsbesorgung nach § 206 I BRAO (idF v 9.3.2000).353 Sie dürfen sich unter ihrer heimatlichen Berufsbezeichnung in Deutschland niederlassen, wenn sie auf Antrag in die Rechtsanwaltskammer des Orts der Niederlassung aufgenommen worden sind. Ihre Befugnis zur Rechtsbesorgung beschränkt sich auf das Recht ihres Herkunftsstaats und das Völkerrecht. Welche Berufe bzw Länder erfasst sind, wird durch Rechtsverordnung bestimmt (§ 206 I 2 BRAO). Eine Verordnung für US-amerikanische Anwälte soll in Vorbereitung sein.354 414 Angehörige anderer Staaten dürfen Rechtsbesorgung, beschränkt auf das Recht ihres Herkunftsstaats in Deutschland betreiben, aber nur, wenn die Gegenseitigkeit mit dem Herkunftsstaat verbürgt und durch Rechtsverordnung im Einzelnen festgelegt worden ist (§ 206 II BRAO). Gem VO v. 24.6.2009 (BGBl I, 1387) können RAe aus Albanien, Chile, Georgien, Ghana, Korea (Südkorea), Malaysia, Mazedonien, Panama, Singapur, Tunesien, Ukraine und Uruguay ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragen. 415 Die „internationale“ Rechtsberatung in internationalen Sozietäten wird mit dieser Regelung nur unzureichend erfasst.355 Ausländische Anwaltgesellschaften aus EU-Staaten dürfen aufgrund der europäischen Niederlassungsfreiheit in Deutschland Zweigniederlassungen errichten oder ihren Sitz hierher verlegen. Eine Zulassung kann analog §§ 59c ff BRAO erfolgen.356 Zur Frage, ob sich ein deutscher Rechtsanwalt an einer englischen ABS (Solicitor-Gemeinschaft mit Beteiligung von Nicht-Solicitors) beteiligen kann s Hellwig.357 416–419 Frei
4. Auslandstätigkeit deutscher Rechtsanwälte 420 Das EuRAG v 9.3.2000 dient der Umsetzung der Richtlinie 87/5/EG v 1.2.1998.358 Soweit die Richtlinie in den anderen Mitgliedstaaten der EU um-
352 Vgl Knöfel, Grundfragen, S 210ff. 353 BGBl I, 190. 354 Ewig NJW 1995, 434, 435; zur Gegenseitigkeit im Verhältnis zu New York s BRAKMitt. 1992, 87 u IntLawyer 27 (1993), 227. 355 Vgl Knöfel, Grundfragen, S 201ff. 356 Henssler, FS Busse, S 127, 144ff. 357 AnwBl 2012, 876. 358 ABl EG L 77/36 v 14.3.1998.
374
Internationales Anwaltsrecht
§6
gesetzt worden ist, haben deutsche Rechtsanwälte dort ebenfalls das Recht zur Niederlassung oder zur vorübergehenden Dienstleistung. Im Verhältnis zu Drittstaaten steckt die Freizügigkeit anwaltlicher Dienstleistungen erst in den Anfängen. Einheitliche Regeln bestehen nicht.
421
Einige Staaten der USA sind recht großzügig. Anwalt kann in den USA jeder 422 werden, der das Bar-Examen besteht.359 Als foreign legal consultant kann ein ausländischer Anwalt in 16 Staaten der USA (darunter New York, Kalifornien und Florida) tätig werden und im Recht seines Heimatstaats sowie im internationalen Recht beraten. Die Beratung im Recht von Drittstaaten oder im amerikanischen Recht ist überwiegend unzulässig. Unzulässig ist die Vorbereitung von Urkunden, die Vertrautheit mit amerikanischen Gegebenheiten voraussetzt, und die Vertretung vor Gericht oder Behörden.360 Außerdem ist die Tätigkeit auf maximal fünf Jahre begrenzt.361 Noch eingeschränkter ist der Umfang zulässiger Dienstleistungen deutscher 423 Anwälte in Japan. Wegen der strengen Einschränkung wurde der Umfang zulässiger Dienstleistungen ausländischer Anwälte in Japan lange kritisiert. Durch das Gesetz über Sondermaßnahmen für Rechtsangelegenheiten eines ausländischen Rechtsanwalts,362 das inzwischen mehrfach reformiert wurde, wurde der Umfang der zulässigen Tätigkeit eines ausländischen Rechtsanwalts allmählich erweitert. Nach dreijähriger Praxis im Heimatland kann dem ausländischen Rechtsanwalt die Zulassung in Japan erteilt werden (Art 10 Abs 1). Er muss sich mindestens 180 Tage im Jahr in Japan aufhalten. Der Umfang seiner Tätigkeit ist grds auf die Rechtsangelegenheiten bezüglich seines Heimatrechts beschränkt (Art 3 Abs 1). Er kann insoweit vor japanischen Gerichten oder Behörden auftreten (Art 3 Abs 1 Nr 1), Gutachten oder sonstige Auffassungen über Anwendung oder Auslegung von anderen Rechten als das Heimatrecht vorlegen (Art 3 Abs 1 Nr 3), und eine Partei bei der Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in einer notariellen Urkunde vertreten (Art 3 Abs 1 Nr 5). Sind die Voraussetzungen (Art 16) erfüllt, kann er sich auch mit dem Recht eines Landes, das nicht sein Heimatland ist, beschäftigen (Art 5). Im Bereich des Familien- oder Erbrechts, bei Beteiligung eines japanischen Staatsangehörigen und in Grundstücksangelegenheiten ist eine Zusammenarbeit mit einem japanischen Rechtsanwalt erforderlich (Art 3 Abs 2). In internationalen Schiedsverfahren (einschließlich der Vergleichsverfahren) kann der ausländische Anwalt in Japan uneingeschränkt (ohne Rücksicht auf das anwendbare Recht) auftreten (Art 5.3, Art 58.2).
359 Zum Bar-Examen in New York s Harrer/Paschos, Das New Yorker Bar Exam, DAJVNL 1996, 25. 360 Ewig NJW 1995, 434, 436. 361 Zur extraterritorialen Geltung US-amerikanischen Berufsrechts s Knöfel, Grundfragen, S 496ff. 362 Gaikoku bengoshi ni yoru horitsujimu no toriatsukai ni kansuru tokubetsusochiho, 1989, Gesetz Nr 66.
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§6
Inlandsverfahren mit Auslandsbezug
424 In Liechtenstein kann die Regierung ausländische Rechtsanwälte seit 1968 im Einzelfall zulassen. 425–429 Frei
5. Anwaltskosten und Kostenerstattung 430 Die lex fori entscheidet, ob die unterliegende Partei auch die Partei- und Anwaltskosten des Gegners, wie nach § 91 ZPO bezahlen muss363 oder nicht, wie grds in den USA. 431 Ob in Fällen mit Auslandsberührung die Zuziehung eines Verkehrsanwalts notwendig ist, ist in Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen,364 aber wohl meist wegen der sprachlichen Barriere, der kulturellen Unterschiede und der fehlenden Vertrautheit mit dem deutschen Rechtssystem zu bejahen.365 Der ausländischen Partei sind Verkehrsanwaltskosten nach denselben Grundsätzen wie einer inländischen Partei zu erstatten.366 Die Rspr übt bei ausländischen Großunternehmen mit inländischer Zweigniederlassung zu Recht Zurückhaltung367 und erstattet nur die Kosten, die der Partei bei unmittelbarer Information ihres Anwalts entstanden wären.368 Der in Deutschland residierende Verkehrsanwalt kann eigene Reisekosten ins Ausland jedenfalls (in erstattungsfähiger Weise) in Rechnung stellen, wenn sie zur Information der Partei im Ausland notwendig und billiger waren als entsprechende Reisen der ausländischen Partei nach Deutschland.369 432 Generell darf ein Anwalt für eine Tätigkeit in seinem Niederlassungsstaat nach dessen Recht abrechnen.370 Bei der Beauftragung eines ausländischen Verkehrsanwalts371 oder eines ausländischen Beweisanwalts372 hat der Gegner aber nur die Kosten zu erstatten, die bei Beauftragung eines inländischen Rechtsanwalts angefallen wären. Die Kosten für die Teilnahme des inländischen Anwalts an der Zeugenvernehmung im Ausland sind erstattungsfähig, es sei denn, die Kosten stünden in keinem Verhältnis zum Wert der Hauptsache oder das Beweisthema sei derart einfach, dass die Belastung mit den Kosten treuwidrig wäre.373 Der im Inland tätige EG-Anwalt darf gegenüber inländischen Mandanten nach dem RVG abrechnen.374
363 364 365 366 367 368 369 370 371
Vgl Schack Rz 651. BGH NJW 2012, 938 (Tz 9); OLG Koblenz RIW 1990, 65. Schack Rz 652. BGH NJW 2012, 938 (Tz 6ff); OLG München RIW 1997, 963. OLG Düsseldorf RIW 1996, 1044. BGH NJW 2012, 938 (Tz 11f); OLG Düsseldorf RIW 1999, 69. OLG Koblenz RIW 1990, 65, 66. Supreme Court of British Columbia (McLeod v Amiras) [2001] ILPr 585. BGH RIW 2005, 467 = NJW 2005, 1373; OLG München FamRZ 2004, 1803; krit Mankowski NJW 2005, 2346. 372 BGH RIW 2005, 774, 775. 373 OLG Köln MDR 2012, 940. 374 LG Hamburg RIW 1999, 466.
376
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Internationales Anwaltsrecht
Die Kosten eines neben dem ausländischen Prozessbevollmächtigten tätigen deutschen Einvernehmensanwalts sind stets erstattungsfähig.375 Zur Frage, ob einem ausländischen Klienten die Umsatzsteuer gesondert in 433 Rechnung gestellt werden darf, s Hansch.376 War der Prozess im Inland zu führen, so sind deutsche Gerichte nach Art 5 434 Nr 1b, 2. Strich EuGVO bzw Art 5 Nr 1 LugÜ für den Gebührenrechtsstreit des deutschen Anwalts gegen seinen ausländischen Mandanten zuständig, sofern keine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt. Für § 29 ZPO hat der BGH eine Zuständigkeit am Sitz des Anwalts verneint (s o Rz 406).377 Wird ein ausländischer Titel (nach Vollstreckbarerklärung) im Inland voll- 435 streckt, sind die entstehenden Anwaltskosten als Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 ZPO) vom Schuldner zu erstatten, auch wenn im Ursprungsland (insoweit) keine Kostenerstattung stattfindet.378 Zu den Anwaltskosten in England vgl Hurst.379 Zu den Honoraren in Österreich vgl
436
Wrabetz/Bertrams.380
Zu den Anwaltskosten in den USA vgl Weinschenk381 und L.-U. Pera.382 Zu den Honoraren in Frankreich vgl J. Gruber.383
375 EuGHE 2003, I-15075 (Amok Verlag v AZR Gastronomie) = NJW 2004, 833 = ZZPInt 2003, 527 (Anm Adolphsen). 376 AnwBl 1987, 527. 377 BGHZ 157, 20 = NJW 2004, 54 = FamRZ 2004, 98 (krit Gottwald). 378 OLG Düsseldorf RIW 1990, 500. 379 ZZPInt 10 (2005), 39, 44. 380 AnwBl 1987, 505. 381 RIW 1990, 435. 382 Der deutsche Rechtsanwalt und der US-amerikanische „attorney-at law“ und ihre Honorarforderungen, Diss. Münster 1995. 383 ZVglRWiss 107 (2008), 1, 16.
377
§ 7 Internationale Rechtshilfe Inhaltsübersicht I. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Die traditionelle Rechtshilfe 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Arten der Rechtshilfe . . . . . . . . . 3 3. Rechtsgrundlagen der Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4. Voraussetzungen der internationalen Rechtshilfe . . . . . . . . . . 19 5. Form der Erledigung . . . . . . . . . . 24 III. Internationale Rechtshilfe und Völkerrecht 1. Rechtshilfe und Anerkennung . 27 2. Territorialitätsprinzip und Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Befugnisse von Konsuln . . . . . . . 50
IV. Die grenzüberschreitende Kooperation der Gerichte . . . . . . . . . . . . . 1. Beweishilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzung von Unterhalt . . 3. Internationale Adoptionen . . . . 4. Elterliche Verantwortung, Kindesrückgabe . . . . . . . . . . . . . 5. Kinderschutz . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erwachsenenschutz . . . . . . . . . . 7. Internationale Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
V. Das Europäische Justizielle Netz . 1. Informationen im Internet . . . . 2. Kontaktstellen . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbindungsrichter . . . . . . . . . .
68 70 72 73
57 58 59 60 61 63 65
I. Schrifttum 1
Andolina, Ricerche sul processo, Vol III: Cooperazione internazionale in materia giudiziaria, 1996; Andolina, La cooperazione internazionale nel processo civile, in: Transnational Aspects of Procedural Law, 1998, S 313; Arnold, Die Rechtshilfeordnung in Zivilsachen, MDR 1957, 385; Arnold, Die Problematik von Rechtshilfeabkommen, NJW 1970, 1478; Böckstiegel/Schlafen, Die Haager Reformübereinkommen über die Zustellung und Beweisaufnahme im Ausland, NJW 1978, 1073; Böhmer, Spannungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr in Zivilsachen, NJW 1990, 3049; D. Campbell/S. Rodriguez/B. Prell, International Judicial Assistance in Civil Matters, 1999; Capatina, L’entraide judiciaire internationale en matière civile et commerciale, RdC 179 (1983-I), 305; Carrington ua, The Hague Conference on Private International Law, Law and Contemp. Problems 57 (1994) (3), 1ff; Chen, International Judicial Assistance in China, Intern. Lawyer 26 (1992), 387; Dunboyne, Service and evidence abroad, ICLQ 1961, 295; Fasching/Bajons, Zivilprozessgesetze, Bd 1, 2. Aufl 2000 (Anh zu §§ 38–40 JN: Internationale Rechtshilfe); Geimer, Betrachtungen zur internationalen (aktiven und passiven) Rechtshilfe und zum grenzüberschreitenden Rechtsverkehr, FS Spellenberg, 2010, S 407; Greger, Verfassung und internationale Rechtshilfe, Erlanger FS Schwab, 1990, S 331; Harwood, Service and evidence abroad, ICLQ 1961, 284; Hecker, Handbuch der konsularischen Praxis, 1982, S 367ff (Rechtshilfeverkehr); B. Heß, Neue Formen der Rechtshilfe in Zivilsachen im Europäischen Rechtsraum, GS W. Blomeyer, 2004, S 617; B. Heß, Neue Rechtsakte und Rechtssetzungsmethoden im Europäischen Justizraum, ZSR 124 (2005) II, 183; B. Heß, Justizielle Kooperation, Generalbericht für den XIV. Weltkongress für Prozessrecht, 2011; Jones, International judicial assistance: Procedural chaos and a program for reform, Yale L.J. 1953, 62 und 515; Junker, Der deutsch-amerikanische Rechtsverkehr in Zivilsachen, JZ 1989, 121; Ma, Chinesische internationale Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, IPRax 1997, 52; Meyer, Zum Rechtshilfeverkehr in Zivil- und Handelssachen mit einigen Staaten Osteuropas, in: Wirtschaft und Recht in Osteuropa 1997, 215; Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe im Zivilprozess, 1971; Nagel, Die Bedeutung der internationalen Rechtshilfe im Zivilverfahren für die Entwicklung des Völkerrechts, Thesaurus Acroasium, Vol IV (1977), 1; Y. Ohara, Judicial assistance to
378
Die traditionelle Rechtshilfe
§7
be afforded by Japan for Proceedings in the United States, Int.Lawyer 23 (1989), 10; Pfeiffer, Internationale Zusammenarbeit bei der Vornahme innerstaatlicher Prozesshandlungen, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 77; Pfeil-Kammerer, Deutschamerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987; Pocar, L’assistenza giudiziaria internazionale in materia civile, Padova 1967; Puttfarken, Rechtshilfe und Dritte Gewalt, NJW 1988, 2155; Ristau, International Judicial Assistance (Civil & Commercial) (2 Vol), 1984; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, 1995; Schlamann/Blechat, Mitwirkung des Rechtspflegers im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland, Rpfleger 1999, 469; Schlemmer, Internationaler Rechtshilfeverkehr, 1970; Schlosser, Internationale Rechtshilfe und richterliche Unabhängigkeit, GS Constantinesco, 1982, S 653; E. Scoles/P. Hay, Conflict of Laws, 3rd ed 2000 (Chap 12 I–IV); K. Siehr, Grundfragen der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen, RIW 2007, 321; Simon-Depitre, Droit internationale judiciaire, Juris-Classeur, Procédure civile, 1985, Fasc. 124; A. Trunk, Rechtshilfe in Zivilsachen im Ostseeraum, SchlHA 2006, 119; P. Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996; Vollkommer, Disharmonien und Spannungen im internationalen Rechtshilfeverkehr zwischen den USA und Deutschland, ZZP 80 (1967), 248; U. Weinbörner, Die Neustrukturierung und Aktualisierung des Länderteils der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen, IPRax 2008, 486.
II. Die traditionelle Rechtshilfe 1. Begriff Die Rechtshilfeordnung in Zivilsachen (ZRHO)1 definiert Rechtshilfe in § 2 I wie folgt:
2
„Rechtshilfe ist jede gerichtliche oder behördliche Hilfe in einer bürgerlichen Rechtsangelegenheit, die entweder zur Förderung eines inländischen Verfahrens im Ausland oder zur Förderung eines ausländischen Verfahrens im Inland geleistet wird. Hierzu zählen auch Ersuchen, die die Erteilung von Auskünften über ausländisches Recht zum Gegenstand haben. Rechtshilfe kann auch durch Zustellung von Schriftstücken geleistet werden, die nicht oder noch nicht im Zusammenhang mit einem Verfahren stehen.“
2. Arten der Rechtshilfe § 5 ZRHO unterscheidet sechs Arten von Ersuchen:
3
1. um Zustellung (s u § 8); 2. auf Vornahme einer Beweisaufnahme (s u § 9) oder einer anderen gerichtlichen Handlung (irreführend „Rechtshilfeersuchen“ genannt); 3. um Verfahrenshilfe, zB Akten oder Urkunden zu übersenden, amtliche Auskünfte zu erteilen oder Zeugen oder Berechtigte zu ermitteln; 4. um Verfahrensübernahme, zB nach §§ 99 III, 104 II FamFG; 5. um Vollstreckungshilfe, zB nach Art 18, 19 HZÜ 1954 (s u § 15 Rz 121ff); 6. um Rechtsauskünfte, zB nach dem Europäischen Übereinkommen betreffend Rechtsauskünfte (s u § 11 Rz 2ff).
1 Aktuelle Neufassung im Internet verfügbar unter: http://www.datenbanken,justiz. nrw.de. Zur Rechtsnatur s Stein/Jonas/Schumann Einl Rz 855.
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§7
Internationale Rechtshilfe
Die Rechtshilfe in Strafsachen (nach dem IRG 19822 und dem Europäischen Übereinkommen v 20.4.19593) und in Verwaltungssachen (etwa nach dem Europäischen Übereinkommen v 15.2.19784 und dem deutsch-österr. Vertrag v 31.5.1988) soll hier nicht behandelt werden. 4
Der Sammelbegriff „Rechtshilfe“ hat sich international durchgesetzt. Im französischen Recht spricht man von „entraide judiciaire internationale“,5 im italienischen von „assistenza guidiziaria“, im schwedischen von „internationell rättshjälp“.6 Im Einzelnen sind die Begriffe freilich mit der „Verfahrenshilfe“ iS von „Prozesskostenhilfe“ bzw Armenrecht verwechslungsfähig. Im englischen Sprachraum wird der Begriff „legal assistance“7 kaum verwendet; „service of process“ und „obtaining evidence“ bleiben meist ohne Oberbegriff.
5
Teilweise spricht man auch von einer internationalen gerichtlichen Zusammenarbeit8 und bezieht dann auch die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen mit ein.9 Aber eine solche Begriffsbildung vermischt unterschiedliche Tatbestände. Bei der Rechtshilfe im engeren Sinne geht es um die Zusammenarbeit mit anderen Gerichten und die Hilfe für eine Verfahrensabwicklung im Ausland. Bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen handelt es sich dagegen um die Freizügigkeit von Vollstreckungstiteln. Entsprechend trennt auch die internationale Vertragspraxis zumeist zwischen Rechtshilfe auf der einen und Anerkennung und Vollstreckung auf der anderen Seite.
3. Rechtsgrundlagen der Rechtshilfe 6
Primäre Rechtsgrundlage sind europäische Verordnungen sowie multi- und bilaterale Staatsverträge. EuZustVO, EuBewVO, das HZÜ 1954 sowie das HZustÜ 1965 und das HBÜ 1970 sowie die dazu bestehenden Zusatzvereinbarungen enthalten das für Deutschland relevante Recht. Bilaterale Rechtshilfeverträge bestehen weiter mit Großbritannien (mit Geltung für viele weitere Commonwealth-Staaten), Griechenland, Marokko, der Türkei und Tunesien.
2 Vgl E. López y López, The judicial co-operation in criminal matters, 1. Europäischer Juristentag, 2001, 251; Lagodny/Schomberg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 43; Hackner/Schierholdt, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl 2012. 3 BGBl 1964 II, 1369. 4 BGBl 1981 II, 553. 5 Monin-Hersant, Juris-Cl., Droit internationale, Fasc. 589-B-1. 6 Rättshjälplag 1972: 429. 7 S. Szaszy S 643. 8 So etwa das MERCOSUR-Protokoll von Las Leñas von 1992; vgl Samtleben IPRax 2005, 376, 381. 9 So Schröder, Die internationale Zuständigkeit, 1971, 748; Andolina, Le cooperazione internazionale nel processo civile, in: Andolina, Transnational aspects of procedural laws, Vol 1, 1998, 313; vgl auch Pfeiffer, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 77, 102ff.
380
Die traditionelle Rechtshilfe
§7
Die Rechtshilfeverträge der früheren DDR sind erloschen; zumeist wurde mit dem jeweiligen Vertragsstaat eine entsprechende Verständigung herbeigeführt.10 Im Einzelnen gilt Folgendes: Das HZÜ 1905 gilt noch im Verhältnis zu Island.
7
Das HZÜ 1954 gilt im Verhältnis zu Ägypten, Albanien (seit 13.12.2010), Argen- 8 tinien, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Finnland, Frankreich, Georgien, Island (seit 31.7.2009), Israel, Italien, Japan, Kirgisistan, Kroatien, Lettland, Libanon, Litauen, Luxemburg, Macao, Marokko, Mazedonien, Moldau, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, Schweden, Serbien11, Slowakei, Slowenien, Spanien, Surinam, Tadschikistan, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn, Usbekistan, Vatikanstaat, Weißrussland und Zypern (seit 1.3.2001). Zusatzübereinkommen über die Vereinfachung des Geschäftsverkehrs beste- 9 hen mit – – – – – – – – – – –
Belgien (v 25.4.1959),12 Dänemark (v 1.10.1910 idF v 6.1.193213 und v 1.6.191414), Frankreich (v 6.5.1961),15 Luxemburg (v 1.8.1909),16 den Niederlanden (v 30.8.1962),17 Norwegen (v 23.11.1979),18 Österreich (v 6.6.1959),19 Polen (v 14.12.1992),20 Schweden (v 1.2.1910),21 der Schweiz (v 30.4.191022 und v 24.12.192923) und der Tschechischen Republik (v 2.2.2000).24
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
Krit Sturm, FS Serick, 1992, S 351. Vgl Schweisfurth IPRax 1996, 9. BGBl II, 1524. RGBl II, 20. RGBl 205. BGBl II, 1040. RGBl 907, 910. BGBl 1964 II, 468. BGBl II, 1292. BGBl II, 1523. Zu Einzelheiten s Fasching/Bajons, Zivilprozessgesetze, Bd 1, 2. Aufl 2000, Anh B §§ 38–40 JN Rz 51ff. BGBl 1994 II, 361. RGBl 455. RGBl 674. RGBl 1930 II, 1. BGBl 2001 II, 1211; vgl BT-Drucks 14/6101 v 17.5.2001 u BT-Drucks 14/6534 v 3.7.2001.
20 21 22 23 24
381
§7
Internationale Rechtshilfe
Außerdem ist das Ausführungsgesetz zum Haager Übereinkommen 1954 v 18.12.195825 zu beachten. 10
Das Haager Zivilprozessübereinkommen 1954 ist im Verhältnis zu den Vertragsstaaten ersetzt worden durch das Haager Zustellungsübereinkommen 1965 (s u § 8 Rz 85ff) und das Haager Beweisübereinkommen 1970 (s u § 9 Rz 36ff). Die Zusatzvereinbarungen zum HZÜ 1905 bzw HZÜ 1954 gelten gem Art 24 HZustÜ 1965 und Art 31 HBÜ 1970 auch für die neuen Übereinkommen weiter.
11
In der Europäischen Union ist die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen nun in Art 81 AEUV vorgesehen.26 Zur Realisierung dienen folgende Rechtsakte: – Für Zustellungen innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (außer Dänemark) die Verordnung über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke (EuZustVO) Nr 1393/2007 v 13.11.2007,27 die die VO (EG) Nr 1348/200028 abgelöst hat.
12
– Für Beweisaufnahmen innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (außer Dänemark) gilt seit 1.1.2004 die Verordnung (EG) Nr 1206/2001 über die Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen v 28.5.2001 (EuBewVO).29 Die europäischen Verordnungen lassen die Geltung der bilateralen Zusatzvereinbarungen (zum HZÜ 1954) unberührt (Art 20 II EuZustVO; Art 21 II EuBewVO), soweit die Zusatzvereinbarungen den bilateralen Verkehr weiter vereinfachen. Beide Verordnungen gelten nur für den Rechtshilfeverkehr zwischen den Mitgliedstaaten; im Verhältnis zu Drittstaaten gilt jeweils autonomes Recht.30
13
– Für die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsforderungen die VO (EG) Nr 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen.31 In den Art 49ff EuUnthVO sind die Einzelheiten geregelt.
14
– Zur praktischen Erleichterung der Zusammenarbeit hat der Rat durch Entscheidung v 28.5.2001 zusätzlich ein Europäisches Justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen errichtet (s u Rz 68ff).32 Danach benennt jeder EUStaat eine oder mehrere Kontaktstellen (Art 2 II), die ua für die reibungslose Abwicklung von Verfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen und die Er-
25 26 27 28 29 30 31 32
BGBl I, 939. Vgl Ilia, 1. Europäischer Juristentag, 2001, S 293. ABl EU Nr L 324/79. ABl EG Nr L 160/37 v 30.6.2000. ABl EG Nr L 174/1. Vgl Kreuzer RabelsZ 70 (2006), 1, 34. ABl EU 2009 Nr L 7/1. ABl EG Nr L 174/25 v 27.6.2001.
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Die traditionelle Rechtshilfe
§7
leichterung der Ersuchen um justizielle Zusammenarbeit (Art 3 II [a]) zu sorgen haben. Das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr v 20.3.192833 gilt 15 im Verhältnis zu Australien, Bahamas, Barbados, Bermuda, Britische JungfernInseln, Dominika, Falkland-Inseln, Fidschi, Gambia, Grenada, Guyana, Jamaika, Kanada, Kenia, Lesotho, Malawi, Malaysia, Malta, Mauritius, Nauru, Neuseeland, Nigeria, Salomonen, Sambia, Seychellen, Sierra Leone, Singapur, St. Lucia, St. Vincent und Grenadinen, Swasiland, Tansania, Trinidad und Tobago, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland selbst sowie im Verhältnis zu Zypern.34 Zu beachten sind weiter
16
– das deutsch-griechische Abkommen v 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts,35 – die deutsch-liechtensteinische Vereinbarung v 17.2./29.5.1958 über den unmittelbaren Geschäftsverkehr in Zivil- und Strafsachen,36 – der deutsch-marokkanische Rechtshilfe- und Rechtsauskunftsvertrag in Zivil- und Handelssachen v 29.10.1985,37 – der deutsch-tunesische Vertrag v 19.7.1966 über Rechtsschutz und Rechtshilfe (Art 1–26) mit Ausführungsgesetz v 29.4.1969,38 – das deutsch-türkische Abkommen v 28.5.1929 über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen.39 Ein besonderer Rechtshilfevertrag besteht für die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen und die Durchsetzung von Unterhaltstiteln, nämlich
17
– das UN-Übereinkommen v 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (s u § 15 Rz 294ff). Darüber hinaus gewähren sich die Staaten sog vertragslose Rechtshilfe. Nach 18 Völkerrecht ist kein Staat zur Leistung von Rechtshilfe verpflichtet. Diese wird vielmehr im Rahmen von „comity“ bzw „courtoisie internationale“ erbracht.40 Die Rechtshilfe wird danach in der Erwartung gegenseitiger Hilfe auf Rechtshilfeersuchen (letter of request; commission rogatiore) hin erbracht. Diese generelle Erwartung ist jedoch von einem strengen Gegenseitigkeitserfordernis zu unterscheiden. Rechtshilfe ist daher ohne Prüfung der Gegenseitigkeit zu leisten.41 Eine Einschränkung ist allenfalls zulässig, wenn der ersuchende Staat deutsche Rechtshilfeersuchen generell ablehnen würde. 33 34 35 36 37 38 39 40
RGBl II, 823. Vgl Geimer/Schütze, IVR, S 520.1, 2ff. Geimer/Schütze, IVR, S 430. Geimer/Schütze, IVR, S 450.1. BGBl 1988 II, 1055 (in Kraft seit 23.6.1994, BGBl II, 1192). Geimer/Schütze IVR, S 515.1. Geimer/Schütze IVR, S 517.1. Schack Rz 198; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland, S 56ff; Burgstaller/Christian, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rz 8.10. 41 Pfennig S 23ff; Schack Rz 198; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland, S 58ff.
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§7
Internationale Rechtshilfe
4. Voraussetzungen der internationalen Rechtshilfe 19
Generell ist die internationale Rechtshilfe nicht von der Gegenseitigkeit abhängig.
20
Internationale Rechtshilfe hängt auch nicht davon ab, ob das ersuchende Gericht international zuständig iS des ersuchten Staats ist. Es kommt vielmehr ausschließlich darauf an, ob ein Prozessgericht für die Durchführung eines bei ihm anhängigen Verfahrens um Rechtshilfe ersucht.42 Rechtshilfe ist daher auch dann zu gewähren, wenn der ersuchte Staat für den Rechtsstreit selbst die eigene ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte beansprucht. Einzelne gegenteilig entschiedene Fälle sollten diesen Grundsatz nicht in Frage stellen.43 Im gleichen Sinne hat der italienische Kassationshof entschieden, dass die Ausführung eines Rechtshilfeersuchens nicht davon abhängt, ob ein im ausländischen Verfahren ergehendes Urteil später in Italien anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden kann.44
21
Wie jede internationale Zusammenarbeit, kann auch die internationale Rechtshilfe im Einzelfall aus ordre public-Gründen abgelehnt werden. Der ordre public-Verstoß ergibt sich freilich nur selten aus der begehrten Rechtshilfe selbst, sondern idR aus dem damit verfolgten Rechtsschutzziel (s u § 8 Rz 121ff).
22
Über die Gewährung von Rechtshilfe entscheidet die Exekutive, nicht das Gericht.45 Über die Beziehungen zu ausländischen Staaten entscheidet die Bundesregierung (Art 32 GG). Sie entscheidet daher letztlich darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen Rechtshilfeersuchen an das Ausland weitergeleitet und eingehenden Gesuchen grds entsprochen wird. Die Prüfung der ein- und ausgehenden Gesuche durch die Gerichtspräsidenten als Prüfungsstellen (§ 9 ZRHO)46 ist insoweit delegierte Verwaltungstätigkeit und nicht Rechtsprechung.
23
Die positive oder negative Entscheidung der Prüfstelle ist deshalb Justizverwaltungsakt; ihre Rechtmäßigkeit kann im Verfahren nach §§ 23ff EGGVG überprüft werden.47
42 Geimer, IZPR, Rz 2015; bereits Meili/Mamelok, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, S 1911. 43 Vgl OLG Nürnberg IPRspr. 1958/59, 628. 44 Pocar, L’assistenza giudiziaria, 164. 45 BGHZ 87, 385, 389 = NJW 1983, 2769; Geimer, IZPR, Rz 2126f. 46 Eine Liste der Prüfungsstellen findet sich in Internet unter http://www.datenbanken. justiz.nrw.de. 47 BVerfGE 91, 335 = NJW 1995, 649 = JZ 1995, 716; OLG München RIW 1989, 483; OLG Köln RIW 1988, 55; Wieczorek/Schreiber, 3. Aufl 1994, § 23 EGGVG Rz 26; MüKo/Rauscher/Pabst, § 23 EGGVG Rz 6, 65, 76; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl 2010, § 156 GVG Rz 65.
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Internationale Rechtshilfe und Völkerrecht
§7
5. Form der Erledigung Rechtshilfehandlungen jeder Art werden vom ersuchten Gericht grds nach seiner eigenen lex fori ausgeführt.
24
Jedoch können auf besonderes Gesuch auch ausländische Formen berücksich- 25 tigt werden. Art 11 II schweiz IPRG lautet: „Auf Begehren der ersuchenden Behörde können auch ausländische Verfahrensnormen angewendet oder berücksichtigt werden, wenn es für die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs im Ausland notwendig ist und nicht wichtige Gründe auf Seiten des Betroffenen entgegenstehen.“
Das deutsche Recht kennt keine ausdrückliche allgemeine Regel dieses In- 26 halts. Art 5 (1) (b) HZustÜ 1965 und Art 9 (2) HBÜ sehen jedoch vor, dass Rechtshilfe in besonderen Formen erbeten werden kann. Dies gilt auch im vertragslosen Zustand, sofern die erbetene Handlung nicht mit dem deutschen Recht unvereinbar ist.
III. Internationale Rechtshilfe und Völkerrecht 1. Rechtshilfe und Anerkennung Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen 27 ist zwar Teil der internationalen Zusammenarbeit, gehört aber nicht zum Bereich der internationalen Rechtshilfe. Letztere besteht darin, dem Prozessgericht Hilfe bei Zustellungen oder Beweisaufnahmen in einem anderen Staat zu leisten. Zustellungen ins Ausland können nicht ohne eine Mitwirkung des Empfangsstaats bewirkt werden. Allerdings kann der Empfangsstaat sein generelles Einverständnis erklären, dass ausländische Gerichte in seinem Gebiet per Post durch Konsuln oder durch Privatpersonen zustellen. Eine solche generelle Zustimmung besteht in den Staaten des angloamerikanischen Rechtskreises. Auch innerhalb der EU dürfen Zustellungen jetzt gem Art 14 EuZustVO unmittelbar durch die Post erfolgen, in Deutschland nach § 1068 ZPO freilich nur durch Einschreiben mit Rückschein. Auf diese Regelung nimmt § 183 I Nr 1 ZPO Bezug. Danach erfolgt die Zustel- 28 lung ins Ausland per Posteinschreiben mit Rückschein, soweit dies völkerrechtlich vereinbart ist. Soweit dies nicht der Fall ist, bleibt es bei der traditionellen Form des Ersuchens des Vorsitzenden des Prozessgerichts an die Behörden des fremden Staats oder an die deutsche diplomatische oder konsularische Vertretung in dem betreffenden Staat (§ 183 II ZPO). Ist eine Zustellung auf diesem Wege nicht möglich oder verspricht sie keinen Erfolg, kann die Zustellung im Inland durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) nach § 185 Nr 3 ZPO erfolgen.
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Ähnlich liegt es bei Beweisaufnahmen im Ausland. In solchen Fällen hat der Vorsitzende gem § 363 ZPO die zuständige Behörde um Aufnahme des Beweises zu ersuchen. Kann die Beweisaufnahme durch einen Bundeskonsul erfolgen, so ist das Ersuchen an diesen zu richten. Wird die erbetene Hilfe nicht geleistet, so können die Beweisaufnahmen nicht durchgeführt werden. Das Prozessgericht muss aber trotzdem entscheiden nach den Regeln der Beweislastverteilung.
30
Bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen hat das Prozessgericht dagegen bereits entschieden. Durch die Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung kann ein ausländischer Staat lediglich verhindern, dass ein deutsches Urteil in seinem Gebiet durchgesetzt werden kann.
31
Diese Unterscheidung der internationalen Rechtshilfe und der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile wird nicht immer scharf gesehen (s o Rz 5). Eine strenge Unterscheidung beider Gebiete des IZPR ist aber von großer praktischer Bedeutung, denn dadurch wird unterstrichen, dass die internationale Rechtshilfe nicht mit dem Problem der Gegenseitigkeit belastet sein darf.
32
Die meisten zweiseitigen Übereinkommen behandeln die Gebiete der internationalen Rechtshilfe getrennt von der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile. Als Beispiele seien angeführt folgende Vereinbarungen über die Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs: die deutsch-belgische v 25.4.1959, die deutschdänische v 6.1.1932, die deutsch-französische v 6.5.1961, die deutsch-luxemburgische v 1.8.1909, die deutsch-niederländische v 30.8.1962, die deutsch-österreichische v 6.6.1959, die deutsch-schwedische v 1.2.1910, die deutsch-schweizerische v 30.4.1910, die deutsch-britische v 20.3.1928, die deutschgriechische v 11.5.1938, die deutsch-türkische v 29.5.1929. Dem stehen folgende Abkommen bzw Verträge über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen gegenüber: das deutsch-italienische v 9.3.1936, das deutsch-belgische v 30.6.1958, das deutsch-österreichische v 6.6.1959, das deutsch-britische v 14.7.1960, das deutsch-griechische v 4.11.1961, das deutsch-niederländische v 30.8.1962, das deutsch-schweizerische v 2.11.1929; der deutsch-israelische Vertrag v 20.7.1977 und der deutsch-norwegische Vertrag v 17.6.1977; der deutsch-spanische Vertrag v 14.11.1983/20.1.1987. Lediglich der deutsch-tunesische Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v 19.7.1966 behandelt mehrere Gebiete des IZPR.
33
Für die besondere Behandlung der internationalen Rechtshilfe spricht auch ein in allen Staaten immer deutlicher hervortretendes Interesse an der Aufklärung des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden wahren Sachverhalts. Nach der deutschen ZPO kann das Gericht alle ihm erforderlich erscheinenden Beweise von Amts wegen erheben mit der einzigen Ausnahme des Zeugenbeweises. Der neue französische cprc unterstreicht besonders die aktive Rolle des Richters im Zivilprozess. Bei der Beweiserhebung geht das französische Prozessrecht sogar noch einen Schritt weiter als das deutsche, denn es erlaubt dem Gericht 386
Internationale Rechtshilfe und Völkerrecht
§7
auch, Zeugen von Amts wegen zu hören.48 Auch das neue belgische Zivilprozessrecht gibt dem Gericht eine weitreichende Macht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.49 Für die sozialistischen Staaten galt der Grundsatz, die objektive Wahrheit in jedem Zivilprozess erforschen zu müssen. Mit diesem Prinzip ist eine unvernünftige Beschränkung der Beweisführung unvereinbar.50 Im anglo-amerikanischen Prozess herrscht zwar das „adverserial principle“-Sys- 34 tem, es wird jedoch ein fairer Prozess gefordert. Ein solcher ist nicht möglich, wenn die Ladung an einen Beklagten im Ausland nicht durchgeführt werden kann oder wenn die Durchführung einer Beweisaufnahme im Ausland ungebührlich beschränkt würde.51 Danach würden die Staaten sich mit ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen, wenn sie einem Prozessgericht – wo immer es gelegen sei – keine internationale Rechtshilfe leisten würden.
2. Territorialitätsprinzip und Rechtshilfe a) Die territoriale Bezogenheit der Gerichtshoheit führt zu einem negativen 35 Satz des Völkergewohnheitsrechts, wonach kein Staat auf dem Gebiet eines anderen ohne dessen Zustimmung gerichtliche Handlungen vornehmen darf.52 Das bezieht sich auch auf Zustellungen, Ladungen und Beweisaufnahmen im Ausland. Bei strenger Durchführung dieses Grundsatzes wird es bereits fraglich, ob das Prozessgericht eigene Staatsangehörige im Ausland durch einfachen oder eingeschriebenen Brief zu einem Termin laden darf (hierauf nimmt das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v 1.3.1954 Bezug, wenn es vorsieht, dass den Mitgliedstaaten bei Auslandszustellungen durch Postbriefe ein Widerspruchsrecht zusteht). Das Verbot, in einem anderen Staat ohne dessen Erlaubnis hoheitlich tätig zu 36 werden, schließt freilich nicht aus, dass die inländische Prozesspartei freiwillig im Inland Anordnungen eines ausländischen Gerichts befolgt oder discovery-Pflichten nachkommt. In der Teilnahme eines ausländischen Anwalts an einer solchen „freiwilligen“ Beweiserhebung liegt ebenfalls kein unzulässiges Verhalten, insb keine Amtsanmaßung nach § 132 StGB.53 Unter dem Einfluss von Savigny und Mancini wurde die strenge Auffassung 37 des Souveränitätsbegriffs abgemildert. In der völkerrechtlichen Gemeinschaft unabhängiger Staaten sah man zugleich eine große Rechtsgemeinschaft. Aus dieser leitete Meili54 zu Beginn unseres Jahrhunderts noch eine gegenseitige
48 Parodi, L’esprit général et les innovations du NCPC, 1976, 47. 49 Krings ZZP 90 (1977), 245. 50 Stalev, Fundamental guarantees of litigants in civil proceedings, in: Cappelletti/Tallon, Les garanties fondamentales des parties dans le procès civil, Milano, 1973, 411. 51 Vélu, La convention européenne des droits de l’homme, in: Cappelletti/Tallon, Les garanties fondamentales des parties dans le procès civil, Milano, 1973, 327. 52 Gottwald, FS Habscheid, 1989, S 119, 123ff. 53 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 132f. 54 Das internationale Civilprozessrecht, Zürich 1906, 45.
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Internationale Rechtshilfe
völkerrechtliche Obligation ab, wonach zivilisierte Staaten verpflichtet seien, einander internationale Rechtshilfe zu leisten. Diese große Rechtsgemeinschaft der Völker ist mit dem Ersten Weltkrieg zerbrochen. 38
Szászy55 hat gefragt, ob nicht die hM in der Literatur dahin gehe, dass man eine völkerrechtliche Gewohnheitsregel annehmen könne, wonach die Staaten zumindest bei der Verbürgung der Gegenseitigkeit verpflichtet seien, einander Rechtshilfe zu leisten. Der Grundsatz der Verbürgung der Gegenseitigkeit beruhe letztlich auf der Erwägung des „do ut des“. Demgegenüber muss immer wieder hervorgehoben werden, dass die internationale Rechtshilfe sich ihrer ganzen Natur und Aufgabe nach nicht mit der Verbürgung der Gegenseitigkeit verträgt. Angesichts der Haltung vieler Staaten zu dem Prinzip der Gegenseitigkeit im IZPR ist einstweilen nicht damit zu rechnen, dass internationale Rechtshilfe allgemein auch ohne eine Verbürgung der Gegenseitigkeit gewährt werden wird. Andere Staaten wie zB Schweden leisten internationale Rechtshilfe auch ohne staatsvertragliche Verpflichtung.56
39
Dabei wird vielfach übersehen, dass das Prinzip der Verbürgung der Gegenseitigkeit auch eine negative Seite hat. Diese zeigt sich darin, dass sie einer Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts entgegensteht. Es wird allgemein angenommen, dass die Verbürgung der Gegenseitigkeit, sofern sie nicht vertraglich abgesichert ist, nur als Regel der internationalen Höflichkeit (courtoisie internationale) gewertet wird.57 Sie löst keine völkerrechtliche Verpflichtung aus, sondern lässt allenfalls die Retorsion als Antwort auf eine unbillige Härte zu. Solange man mit der Gegenseitigkeit im herkömmlichen Sinne arbeitet, kann sich also kein Völkergewohnheitsrecht bilden.
40
Im Zusammenhang mit der internationalen Rechtshilfe muss die Lehre von der „comitas gentium“ aber anders aufgefasst werden. Die Verbürgung der Gegenseitigkeit besteht nämlich in etwas Positivem. Durch positives Verhalten will der eine Staat den anderen veranlassen, sich entsprechend zu verhalten. Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe spielt jedoch das „Dulden“ fremder Gerichtshandlungen eine bedeutende Rolle. Fast alle Staaten dulden es, dass sich ein fremdes Prozessgericht durch Postbriefe an Parteien, Zeugen oder Sachverständige in ihrem Staatsgebiet wendet.
41
Auf ein solches Dulden stellen sogar viele Prozessordnungen ab. Hat eine Partei, die nicht im Inland wohnt, keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt, so können gem § 184 I 2 ZPO alle späteren Zustellungen in der Art bewirkt werden, dass das zuzustellende Schriftstück unter der Anschrift der Partei nach ihrem Wohnort zur Post gegeben wird. Nach der Neuordnung des Zustellungsrechts setzt diese Zustellung an die Auslandspartei voraus, dass das Gericht bei der förmlichen Auslandszustellung nach § 184 I 1 ZPO ausdrücklich
55 International Civil Procedure, 1967, 649. 56 Bogdan, Svensk internationell privat- och processrätt, 1980, 253. 57 Vgl Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/1, 2. Aufl 1989, S 74.
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anordnet, dass die Partei einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten innerhalb einer angemessenen Frist bestellt. Außerdem muss das Gericht in dieser Anordnung ausdrücklich auf die Folgen der Nichtbestellung hinweisen (§ 184 II 1 ZPO). Diese Neufassung trägt daher der Kritik an der früheren Regelung des § 175 ZPO aF Rechnung. Nach § 184 II 1 ZPO gilt das Schriftstück nicht mehr sogleich mit der Absendung, sondern erst zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt. In geeigneten Fällen kann das Gericht auch eine längere Frist bestimmen (§ 184 II 2 ZPO). Durch diese Regelung soll soweit möglich verhindert werden, dass ein Verhandlungstermin stattfindet, bevor die Partei davon benachrichtigt worden ist. Ähnliches gilt für Staaten, die – wie Frankreich (im Verhältnis zu Nicht-EU- 42 Mitgliedstaaten) – bei der Zustellung an eine im Ausland wohnende Partei auf die „remise au parquet“ abstellen. Die „remise“ bewirkt die Zustellung als im Inland erfolgt. Doch muss der „Huissier“ dem Empfänger durch eingeschriebenen Brief eine Kopie der erfolgten Zustellung übersenden (Art 684 und 686 CPC). Noch stärker als bei Zustellungen wirkt sich das Dulden ausländischer ge- 43 richtlicher Handlungen zugunsten des Prozessgerichts bei Beweisaufnahmen aus. Hierbei spielt die Praxis in den Ländern des anglo-amerikanischen Rechtskreises eine bedeutende Rolle. Es ist allgemein üblich, dass „commissioners“ als „special examiners“ damit betraut werden, im Ausland Zeugen oder Sachverständige zu hören oder Augenscheinsaufnahmen durchzuführen.58 Die mit dieser Praxis vertrauten Staaten dulden solche gerichtlichen Handlungen ausländischer Gerichte nicht nur innerhalb ihres Staatsgebietes, sondern sie sind sogar darüber erstaunt und empört, wenn die Staaten des kontinental-europäischen Rechtskreises dafür kein Verständnis zeigen wollen.59 Überdies dulden es viele Staaten, dass Rechtshilfeersuchen um Vernehmung 44 von Zeugen durch die betreffenden diplomatischen oder konsularischen Vertreter der ersuchenden Staaten ausgeführt werden. Wird internationale Rechtshilfe durch ein rein passives Verhalten, durch ein 45 Dulden fremder Gerichtshandlungen auf dem eigenen Staatsgebiet, geleistet, so scheidet dabei die Verbürgung der Gegenseitigkeit aus. Das Prinzip der Reziprozität setzt nämlich in jedem Fall voraus, dass sich ein anderer Staat ausdrücklich, zumindest aber durch schlüssiges Verhalten ebenso verhält wie der eigene. Ein rein passives Verhalten schafft noch keine Gegenseitigkeitslage. Entfällt aber die Gegenseitigkeit, so sperrt sie infolge ihrer negativen Seite auch nicht mehr die Fortentwicklung von Völkergewohnheitsrecht. Dass Gewohnheitsrecht auch durch ein „Dulden“ entstehen kann, hat bereits 46 Puchta nachgewiesen.60 Es bedarf keines Beweises mehr, dass das unter
58 Dunboyne ICLQ 1961, 295. 59 Jones Yale L.J. 1953, 515, 536. 60 Dazu Nagel, Thesaurus Acroasium, 8.
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Internationale Rechtshilfe
Rz 43ff ausgeführte „Dulden“ zu einer ständigen Übung unter den betreffenden Staaten geworden ist. 47
Dass eine Bildung von Gewohnheitsrecht auf dem Gebiet des Völkerrechts schwierig ist, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Zu der ständigen Übung muss die Rechtsüberzeugung hinzukommen. Eine solche Rechtsüberzeugung folgt schon daraus, dass eine große Anzahl von Zivilprozessordnungen direkt oder indirekt auf die ständige Übung Bezug nimmt. Demgegenüber kann nicht eingewandt werden, dass es sich bei keinem der erwähnten Fälle um Zustellungen im eigentlichen technischen Sinne handele. § 184 I 1 ZPO nF setzt voraus, dass die erste den Prozess einleitende Verfügung dem Beklagten im Wege der internationalen Rechtshilfe zugestellt worden ist.
48
Bei den Staaten, die der „remise au parquet“ folgen, ist es nicht anders. Die Zustellung selbst wird zwar im Inland bewirkt. Der „Huissier“ wird aber auch als Beamter tätig, wenn er den Beklagten im Ausland durch eingeschriebenen Brief von der erfolgten „remise“ unterrichtet. Dieser Mitteilung durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein wird jedoch ausdrücklich die Wirkung einer Zustellung beigelegt. Die Rechtsüberzeugung wird nicht nur durch die Unterstützung nationaler Zivilprozessgesetze gebildet. Sie ergibt sich auch aus der allgemeinen Überzeugung, dass die internationale Rechtshilfe unentbehrlich ist für die Durchführung eines geordneten und fairen Zivilverfahrens.
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Es kann daher bereits von einem Satz des Völkergewohnheitsrechts gesprochen werden, wonach fremde Staaten verpflichtet sind, Postsendungen in ihrem Gebiet zu dulden, mit denen Prozessgerichte oder Behörden Parteien, Zeugen oder Sachverständigen Mitteilungen über Zustellungen oder Ladungen machen.
3. Befugnisse von Konsuln 50
a) Zustellungen. Soweit Staaten es erlauben, dass ausländische Konsuln auf ihrem Staatsgebiet Dienst tun, kann aus einer solchen Erlaubnis die weitere Regel des Völkergewohnheitsrechts hergeleitet werden, dass sie implicit damit einverstanden sind, dass die Konsuln Zustellungen an Angehörige des Entsendestaats in den ihnen zugewiesenen Bezirken vornehmen. Dies entspricht auch der Regelung in Art 8 HZustÜ 1965 sowie in Art 13 EuZustVO. Im Übrigen verweist § 14 II ZRHO darauf, dass eine deutsche Auslandsvertretung einen Zustellungsantrag nur dann selbst erledigen darf, wenn sie im Empfangsstaat dazu befugt ist.
51
b) Beweisaufnahmen. Das Gleiche gilt, soweit die Staaten es dulden, dass diplomatische Vertreter oder Konsuln die Angehörigen des Entsendestaats, die freiwillig vor den Vertretern erscheinen, als Zeugen vernehmen.
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Innerhalb der Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises hat sich weiteres partikuläres Völkergewohnheitsrecht gebildet. Das gilt hinsichtlich der Beweisaufnahmen durch „commissioners“ als „special examiners“.61
52
c) Nachlassabwicklung. Zur völkerrechtlichen Kooperation im Bereich der Zi- 53 viljustiz gehört auch die Einräumung von Befugnissen für Konsuln des Heimatstaats in Nachlasssachen. (1) Nach § 13 deutsch-türkisches Nachlassabkommen ist der Konsul des jeweiligen Heimatstaats ermächtigt, die seinem Staat angehörigen Erben in allen Angelegenheiten, die die Eröffnung, Verwaltung und Regelung des beweglichen und unbeweglichen Nachlasses betreffen, ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde zu vertreten. Dies gilt nicht, wenn alle Berechtigten anwesend oder anderweitig vertreten sind. Nach § 12 II dt-türk Nachlassabkommen ist der Konsul verpflichtet, eine letztwillige Verfügung in seinem Besitz, die eine Verfügung über unbeweglichen Nachlass enthält, der zuständigen Ortsbehörde auszuhändigen. (2) Auch der deutsch-sowjetische Konsularvertrag v 25.4.195862 sieht umfang- 54 reiche Befugnisse der Konsuln in Nachlasssachen vor. Dieser Konsularvertrag gilt auch nach Auflösung der Sowjetunion im Verhältnis zu allen GUS-Staaten weiter.63 Nach Art 25 I dt-sowj Konsularvertrag wacht der jeweilige Konsul darüber, 55 dass alle Maßnahmen zum Schutz berechtigter Interessen der Erben (die Angehörige seines Staats sind) ergriffen werden. Nach Art 26 S 2 kann der Konsul notwendige Maßnahmen zum Schutz des Nachlasses beantragen. Soweit es um den Nachlass von Angehörigen seines Entsendestaats geht, darf der Konsul selbst (oder durch seinen Bevollmächtigten) (1) an der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses teilnehmen, und (2) bei den Behörden des Empfangsstaats Maßnahmen beantragen, damit eine Beschädigung oder ein Verderb von Nachlassgegenständen verhindert wird und diese im Bedarfsfall veräußert werden. Schließlich kann der Konsul von den Behörden des Empfangsstaats nach 56 Art 28 des dt-sowj Konsularvertrags die Übergabe der Nachlassgegenstände (einschließlich der Schriftstücke des Verstorbenen) verlangen, wenn die Erben Angehörige des Entsendestaats sind und nicht im Empfangsstaat wohnen. Zuvor müssen aber die Erbschaftsteuer bezahlt und Ansprüche der im Empfangsstaat wohnenden Personen erfüllt sein (Art 28 II 1). Diese Verpflichtung besteht aber nur, wenn die entsprechenden Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod des Erblassers als berechtigt anerkannt sind oder behördlich geprüft werden (Art 28 II 2 dt-sowj Konsularvertrag).
61 So im Wesentlichen auch Pfennig, Die internationale Zustellung, 1988, S 35. 62 BGBl 1959 II 233. 63 S Nachweise bei Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 35 Fn 1.
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IV. Die grenzüberschreitende Kooperation der Gerichte 57
Die traditionelle Rechtshilfe wird neuerdings durch das Gebot der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der befassten Gerichte ergänzt und auf eine neue, qualitativ höhere Ebene gestellt. Die klassische Rechtshilfe wird ohne konkrete Abstimmung zwischen den beteiligten Gerichten geleistet. Ein Gesuch wird zwar zunächst auf seine Zulässigkeit geprüft, aber ohne Rücksprache mit der Gegenseite abgesendet. Auch die Gegenseite prüft es, ohne in Zweifelsfällen bei dem Gesuchsteller nachzufragen. Ungenaue Angaben, missverständliche Übersetzungen oder simple Irrtümer führen als Folge davon dazu, dass sachliche berechtigte Gesuche abgelehnt oder ihre Erledigung erheblich verzögert wird. Um solche negativen Effekte nach Möglichkeit zu vermeiden, setzen neuere Regelungen der Rechthilfe stärker auf eine reale Zusammenarbeit der Justizorgane der beteiligten Staaten. Das Europäische Justizielle Netz64 hat die Möglichkeit dieser Zusammenarbeit innerhalb der EU-Mitgliedstaaten durch die institutionelle Einrichtung von Zentralstellen und die Bestellung von Verbindungsrichtern (s u Rz 73) noch verbessert.
1. Beweishilfe 58
Nach Art 8 EuBewVO werden unvollständige Ersuchen nicht einfach abgelehnt, sondern zur Verbesserung konkreter Punkte zurückgegeben.65 Damit das ersuchende Gericht das Beweisergebnis praktisch nutzen und besser würdigen kann, darf ein Beauftragter dieses Gerichts bei der Beweisaufnahme zugegen sein (Art 12 EuBewVO).66 Das Beweisersuchen kann auch im Wege einer Video- oder Telekonferenz erledigt werden (Art 10 IV, 17 IV (3) EuBewVO).67
2. Durchsetzung von Unterhalt 59
Inspiriert durch das UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhalt im Ausland von 1956 sehen die Art 49ff EuUnthVO in Anlehnung an die Art 53 ff EheGVO, aber auch an die Art 4 ffHUnthÜ 2007 vor, dass die Zentralen Behörden der Mitglied- bzw Vertragsstaaten zusammenarbeiten, Informationen austauschen und die Zusammenarbeit der konkret befassten Gerichte fördern, damit Unterhaltsansprüche grenzüberschreitend tatsächlich durchgesetzt werden und dabei auftretende Schwierigkeiten gelöst werden können (Art 50 EuUnthVO).68 Eine konkrete Liste möglicher Hilfestellungen 64 65 66 67 68
E 2001/470/EG, ABl EG Nr L 174/25 v 27.6.2001. Vgl Rauscher/v. Hein (2010) Art 8 EG-BewVO Rz 1ff. Vgl Rauscher/v. Hein (2010) Art 12 EG-BewVO Rz 1. Vgl Rauscher/v. Hein (2010) Art 10 EG-BewVO Rz 39, Art 17 EG-BewVO Rz 12. Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl 2010, Kap 36 Rz 212; Rauscher/Andrae, EuIZPR/EuIPR (2010), Vorbem Artt 49 ff EGUntVO Rz 1ff.
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Die grenzüberschreitende Kooperation der Gerichte
§7
findet sich in Art 51 II EuUnthVO.69 Ergänzende Regeln enthält in Deutschland das AUG 2011.
3. Internationale Adoptionen Das Haager Übereinkommen über internationale Adoptionen v 29.5.199370 60 hat schon nach seinem Titel den Zweck unter den Vertragsstaaten ein System der Zusammenarbeit einzurichten, damit das Wohl der betroffenen Kinder bei einer Adoption und der Verbringung ins Ausland gewahrt bleibt.71
4. Elterliche Verantwortung, Kindesrückgabe a) Entscheidungen über elterliche Sorge, Umgang und Herausgabe eines Kindes 61 sollten zum Wohl des Kindes wirklichkeitsnah getroffen werden. Deshalb regeln die Art 53 ff EheGVO ausführlich die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden der EU-Mitgliedstaaten in allen Fragen, die die elterliche Verantwortung betreffen.72 Bei einer grenzüberschreitenden Unterbringung eines Kindes regelt Art 56 EheGVO detailliert die Zusammenarbeit der Gerichte der beiden Mitgliedstaaten im Rahmen eines Konsulationsverfahrens.73 b) Besonders heikel ist die Anordnung und Vollstreckung einer Kindesrückgabe 62 nach einer Kindesentführung.74 Art 7 HKEntfÜ und Art 11 EheGVO (Brüssel IIa-VO) sehen deshalb ua vor, dass die Rückgabe von angemessenen Vorkehrungen („undertakings“) abhängig gemacht werden kann.75 Auch nach Art 42 II (2) EheGVO sind Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr sicherzustellen. Damit solche Vorkehrungen oder Maßnahmen tatsächlich realisiert werden können, bedarf es der realen Abstimmung zwischen den Gerichten/Behörden der beteiligten Staaten, nachdem sie sich zweckdienliche Auskünfte erteilt haben (Art 7 II lit d HKEntfÜ). Gerade in diesen Fällen werden Verbindungsrichter (s u Rz 73) mit Gewinn tätig.76
5. Kinderschutz Die Art 29 ff KSÜ 1996 sehen detailliert eine Zusammenarbeit der Zentralen 63 Behörden der Vertragsstaaten vor, um grenzüberschreitend Maßnahmen zum
69 Vgl M. Andrae NJW 2011, 2545, 2549. 70 BGBl 2001 II, 1035. 71 Vgl Ring, Der Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Internationalen Adoption, ZFE 2007, 220. 72 Vgl Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Art 55 Brüssel IIa-VO Rz 1ff. 73 Vgl EuGH (C-92/12 PPU, 26.4.2012, HSE v S.C. u. A.C.) (Tz 67ff). 74 Vgl P. McEleavy, Judicial communication and co-operation and the Hague Convention on international Child Abduction, IJPL 2 (2012), 36. 75 Vgl Rauscher/Rauscher (2010) Art 11 Brüssel IIa-VO Rz 24, 51. 76 D. Coester-Waltjen, Das Zusammenspiel von Rechtsquellen und Institutionen bei internationalen Kindesentführungen, IJPL 2 (2012), 12, 31.
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§7
Internationale Rechtshilfe
Schutz von Kindern durchzusetzen. Alle entscheidenden Maßnahmen sollen letztlich miteinander abgestimmt werden. Dazu haben sich die beteiligten Gerichte/Behörden gegenseitig zu informieren (vgl Art 34 KSÜ). Vor einer Unterbringung des Kindes muss über dessen Lage berichtet, müssen Vorschläge zur Unterbringung unterbreitet und muss die Zustimmung der anderen Seite eingeholt werden. 64
Soweit der persönliche Umgang sicherzustellen ist, sollen die Behörden des einen Staats denen des anderen Hilfe leisten, Auskünfte einholen usw (Art 35 KSÜ).
6. Erwachsenenschutz 65
Wie beim Kinderschutz verlangt auch ein grenzüberschreitender Schutz betreuungsbedürftiger Erwachsener nach einer auf den Einzelfall bezogenen Zusammenarbeit der Gerichte/Behörden der beteiligten Staaten. In den Art 28 ff ErwSÜ ist diese Zusammenarbeit im Detail (parallel zu den Art 29 ff KSÜ) geregelt.77 Zentrale Behörde in Deutschland ist das Bundesamt für Justiz (§ 1 ErwSÜAG).
7. Internationale Insolvenzverfahren 66
Schließlich bedarf es bei der Insolvenz insb von Unternehmen, deren Vermögen über mehrere Staaten verteilt ist, aber auch bei Konzernunternehmen mit COMI in verschiedenen Staaten einer gewissen Abstimmung und Koordination der zu treffenden Maßnahmen, etwa zur Entscheidung darüber, in welchem Staat das Hauptverfahren zu eröffnen ist (vgl Art 3 EuInsVO).78
67
Die EuInsVO schließt eine solche Zusammenarbeit der Gerichte nicht aus, regelt sie aber auch nicht. Dagegen bietet § 348 II InsO dafür jetzt eine gewisse Rechtsgrundlage im Verhältnis zu Nicht-EU-Mitgliedstaaten (s u § 20 Rz 102ff).79
V. Das Europäische Justizielle Netz 68
Schrifttum: E. Carl/M. Menne, Verbindungsrichter und direkte richterliche Kommunikation im Familienrecht, NJW 2009, 3537; T. von Danwitz, Kooperation der Gerichtsbarkeiten in Europa, ZRP 2010, 143; M. Fornasier, Auf dem Weg zu einem europäischen Justizraum – Der Beitrag des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen, ZEuP 2010, 477; W. Frenz, Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen, JR 2011, 277; B. Hess, Kommunikation im europäischen Zivilprozess, AnwBl 2011, 321; St. Matyk, Das Europäische Netz des Notariats: ein Beitrag zum Ausbau des Europäischen Justiziellen Netzes, ZEuP 2010, 497; P. Melin, Das europäische justizielle Netz für Zivilund Handelssachen, DRiZ 2010, 22; E. Storskrubb, Civil Procedure and EU Law, 2008, 77 Vgl Prütting/Helms/Hau, Vor §§ 98–106 FamFG Rz 57ff. 78 Vgl Busch/Remmert/Rüntz/Vallender, Kommunikation zwischen Gerichten in grenzüberschreitenden Insolvenzen, NZI 2010, 417. 79 Vgl D. Riewe, Verankerung der Kooperation von Insolvenzgerichten, NZI 2011, 134.
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Das Europäische Justizielle Netz
§7
p 233; V. Reding, Recht und Kommunikation – beides gehört für eine wirkungsvolle Zusammenarbeit der EU-Institutionen zusammen, AnwBl 2010, 481; R. Wagner, Die Aussagen zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen im Haager Programm, IPRax 2005, 66; R. Wagner, Aktuelle Entwicklungen in der europäischen justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, NJW 2010, 1707.
Am 28.5.2001 beschloss der Rat der EU die Gründung des Europäischen Justi- 69 ziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen.80 Es ermöglicht einen unbürokratischen, meist informellen Informationsaustausch in Zivil- und Handelssachen zwischen den beteiligten Gerichten und Behörden. Durch Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr 568/2009/EG v 18.6.2009 wurde das Netz verbessert und der Zugang auf Rechtsanwälte, Notare und Gerichtsvollzieher ausgedehnt.
1. Informationen im Internet Über die Website unter dem Namen des Europäischen Justiziellen Netzes und 70 die Website „Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen“ erhält jedermann Informationen zur grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung zur Verfügung, die auch für Anwälte eine wertvolle Hilfe darstellen.81 Diese Website soll schrittweise mit dem europäischen Justizportal verbunden werden. Dieses „Europäische Justizportal“ ist als zentrale elektronische Anlaufstelle für den gesamten Justizbereich gedacht. Wertvolle Informationen zum Recht der EU bietet schließlich die EUR-Lex 71 Plattform.82
2. Kontaktstellen Das Europäische Netz erteilt Auskünfte zu allgemeinen Fragen des Rechts der EU-Mitgliedstaaten sowie über den Stand der im Ausland anhängigen Rechtssachen. Dazu wurden in jedem Mitgliedstaat Kontaktstellen eingerichtet.
72
In Deutschland sind es das Bundesamt für Justiz sowie die Landesjustizverwaltungen bzw Gerichtspräsidenten (§ 16a EGGVG; s die Auflistung in § 73 II ZRHO).
3. Verbindungsrichter Zur Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit zwischen den Gerichten 73 der Mitgliedstaaten wurde das im Rahmen des Haager KindesentführungsÜbereinkommens errichtete Netzwerk von Verbindungsrichtern auch auf das Europäische Netz erstreckt (Art 2 I Ratsentscheidung 470/2001).83 Die Verbindungsrichter sollen helfen, Kontakte zwischen den mit dem gleichen Fall, et-
80 81 82 83
E 2001/470/EG, ABl EG Nr L 174/25. Link: http://ec.europa.eu/civiljustice/. Link: http://eur-lex.europa.eu/. Carl/Menne NJW 2009, 3537.
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§7
Internationale Rechtshilfe
wa im Rahmen der Art 8 ff EheGVO (Brüssel IIa-VO) befassten Richtern zu vermitteln und allgemeine Fragen zum jeweiligen nationalen Rechtssystem und der Rechtsanwendung zu beantworten. Die Verbindungsrichter werden bei Ersuchen an das Ausland und aus dem Ausland tätig. Sie üben ihre Unterstützung auch im Verhältnis zu Drittstaaten aus.84 Die Verbindung erfolgt zumeist informell über E-Mail oder Telefon.
84 Carl/Menne NJW 2009, 3537, 3539.
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§ 8 Internationale Zustellungen Inhaltsübersicht I. Die Zustellung im Rechtsvergleich 1. Allgemeines Schrifttum. . . . . . . 1 2. Zustellungsmethoden . . . . . . . . 2 3. Ersatzzustellungen . . . . . . . . . . . 36 II. Die Europäische Zustellungsverordnung vom 13.11.2007 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich. . . . . . . . . . 4. Notwendigkeit der Auslandszustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zustellung im Rechtshilfeverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Direktzustellung durch diplomatische oder konsularische Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Direktzustellung durch die Post. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unmittelbare Zustellung im Parteiauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54 56 57 61
74 76 81 84
III. Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Die Übermittlungswege für Zustellungsersuchen . . . . . . . . . 101 3. Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . 121 4. Schutzvorschriften für den Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5. Die Auswirkung von Art 15 HZustÜ auf EuGVO und LugÜ . 138
6. Zustellungen von Versäumnisurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 7. Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 IV. Zustellungen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 V. Zustellungen außerhalb von Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 151 VI. Bilaterale Besonderheiten 1. Deutsch-türkisches Abkommen vom 28.5.1929 über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts . . . . . . . . . . . 3. Deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 4. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 . . . . . . . . . . . . . . 5. Deutsch-marokkanischer Vertrag über internationale Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . 6. Zustellungen im Verhältnis zu den europäischen Kleinstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Die Zustellung im Rechtsvergleich 1. Allgemeines Schrifttum Allgemein: Andolina, Ricerche sul processo, Vol III: Cooperazione internationale in materia giudiziaria, 1996; E. Bajons, Internationale Zustellung und Recht auf Verteidigung, FS Schütze, 1999, S 49; Bindseil, Öffentliche Zustellung bei Wohnsitz des Antragsgegners im Ausland, NJW 1991, 3071; Th. Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr in Zivil- oder Handelssachen, 1997; Böhmer, Spannungen im deutschamerikanischen Rechtsverkehr in Zivilsachen, NJW 1990, 3049; Born/Westin, International Civil Litigation in United States Courts, 3. Aufl 1996; Born/Vollmer, The Effect of the Revised FRCP on Personal Jurisdiction, Service, and Discovery in International Cases, 150 FRD 221 (1994); Brand/Reichhelm, Fehlerhafte Auslandszustellung, IPRax 2001,
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§8
Internationale Zustellungen
173; Braun, Einlassungszwang bei einer Klage auf Zahlung von 17 Mrd. Dollar?, ZIP 2003, 2225; Burgstaller, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2000, S 397; D. Campbell/S. Rodriguez/B. Prell, International Judicial Assistance in Civil Matters, 1999; Conférence de La Haye, Actes et documents de la 10me session 1964, T. III Notification, 1965; L. Cooper, International service of process by mail under the Hague Service Convention, Michigan J.Int’lL. 13 (1992), 698; Cromie, International Commercial Litigation, 1990, S 401ff; Fasching/Bajons, Zivilprozessgesetze, Bd 1, 2. Aufl 2000 (Anh zu §§ 38–40 JN: Internationale Rechtshilfe), S 593ff; Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, 1996; F. Gascón Inhausti, Electronic Service of Documents – National and International Aspects, in Kengyel/Nemessányi, Electronic Technology and Civil Procedure, 2012, S 137; A.-S. Ghassabeh, Die Zustellung einer punitive damages – Sammelklage an beklagte deutsche Unternehmen, 2009; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999; Greger, Verfassung und internationale Rechtshilfe, Erlanger FS Schwab, 1990, S 331; Hailbronner, Zulässigkeit und Verfahren der Zustellung gerichtlicher Verfügungen an zwischenstaatliche Organisationen, ZZPInt 7 (2002), 63; M. Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug, IPRax 2008, 218; Heidenberger, Zustellung amerikanischer Punitive-damages-Klagen weiterhin ein Problem, RIW 1995, 705; T. Heidrich, Amts- und Parteizustellungen im internationalen Rahmen: status quo und Reformbedarf, EuZW 2005, 743; v. Hein, BVerfG gestattet Zustellung einer US-amerikanischen Klage auf punitive damages, RIW 2007, 249; Heß, Zur Zustellung von Klagen gegen fremde Staaten, RIW 1989, 254; Heß, Transatlantischer Rechtsverkehr heute: Von der Kooperation zum Konflikt?, JZ 2003, 923; Hök, Zur Zustellung durch Aufgabe zur Post im internationalen Rechtsverkehr, JurBüro 1989, 1217; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe und Rechtsstaat. Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006; Hopt/Kulms/von Hein, Zur Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, ZIP 2006, 973; P. Huber, Playing the same old song – German courts, the „Napster“case and the international law of service of process, FS Jayme, 2004, S 361; A. Huet, Procédure Civile et Commerciale dans les Rapports Internationaux, Notifications Internationales, Juris-Cl. Droit Intern. Fasc. 583–10, 583–20 (2001); B. Jacklin, Service of process by mail in international civil action as permissible under Hague Convention, 112 ALR Fed 241 (1993); Juenger u. Reimann, Zustellung von Klagen auf punitive damages, NJW 1994, 3274; W. Kennett, The Enforcement of Judgments in Europe, 2000, 173ff; Kiethe/Groeschke, Die Zustellung von Urteilen im Ausland – keine gerichtliche Hinweispflicht, RIW 1999, 249; Koch/Horlach/Thiel, US-Sammelklage gegen deutsches Unternehmen?, RIW 2006, 356; B. G. Koenig, The Hague Convention on the service abroad of judicial and extrajudicial documents, in: Rodriguez/Prell, International Judicial Assistance, 1999, S 227; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1996; Kondring, Die „konsularische Zustellung durch die Post“, RIW 1996, 722; Kondring, Vom stillen Ende der Renmise au Parquet in Europa, RIW 2007, 330; M. Lin, Chinesische internationale Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, IPRax 1997, 52; W. Lindacher, Klageerhebung durch grenzüberschreitende postalische Direktzustellung, in: Ünnepi Tanulmányok, L. Gáspárdy zum 60. Geburtstag, 1997, S 247; Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung, in: Gottwald, Grundfragen der Gerichtsverfassung, 1999, S 95; M. Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999, S 70ff; Ch. Malzahn, Rechtshilfe und Rechtsstaat. Zur Gewährleistung der Grund- und Menschenrechte … bei der Klagezustellung in Deutschland, GS Blumenwitz, 2008, S 241; Mansel, Zustellung einer Klage in Sachen „Tschernobyl“, IPRax 1987, 210; Mansel, Grenzüberschreitende Prozessführungsverbote (antisuit injunctions) und Zustellungsverweigerung, EuZW 1996, 335; Manteuffel, Zustellung von Klageschriften von Deutschland in die USA, IDR 2005, 37; Mark, Amerikanische class action und deutsches Zivilprozessrecht, EuZW 1994, 239; Matscher, Sprache der Auslandszustellung und Art 6 EMRK, IPRax 1999, 274; D. McClean, International Judicial Assistance, 1992 (S 6–55); Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive damages“-Klagen, 1995; Monin-Hersant, Entraide judiciaire internationale, Notification des actes à l’étranger, Juris-Classeur, Procédure civile, 1989, Fasc. 124–1;
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Die Zustellung im Rechtsvergleich
§8
Morisse, Die Zustellung US-amerikanischer Punitive-damages-Klagen in Deutschland, RIW 1995, 370; Newman/Burrows, The Practice of International Litigation, 2nd ed 1998 (Teil III); W. zur Nieden, Zustellungsverweigerung rechtsmißbräuchlicher Klagen in Deutschland nach Artikel 13 des Haager Zustellungsübereinkommens, 2011; Hj. Otto, Tücken der Zustellung im internationalen Rechtshilfeverkehr, FS Birk, 2008, S 575; M. Otto, Der prozessuale Durchgriff, 1993, S 83ff, 157ff; Pfeiffer, Internationale Zusammenarbeit bei der Vornahme innerstaatlicher Prozesshandlungen, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 77; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988; Prütting, Ein neues Kapitel im Justizkonflikt USA – Deutschland, FS Jayme, 2004, S 709; H.-E. Rasmussen-Bonne, The Pendulum swings back: The cooperative approach of German courts to international service of process, EuLF 2009, I-121; Reisenfeld, Service of United States Process Abroad, Int.Lawyer 24 (1990), 55; Rigaux, La signification des actes juridiques à l’ètranger, Rev crit 1963, 447; Ristau, Service of Process Abroad: The Practice in the United States, in: Gottwald, Grundfragen der Gerichtsverfassung, 1999, S 71; H. Roth, Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Rechtsverkehr, FS Gerhardt, 2004, S 799; Rüfner, Zustellung per E-Mail im US-amerikanischen Zivilprozess, RIW 2002, 616; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, 1995; Schack, Einheitliche und zwingende Regeln der internatonalen Zustellung, FS Geimer, 2002, S 931; Schlosser, Legislatio in fraudem legis internationalis, FS Stiefel, 1987, S 683; Schlosser, Die internationale Zustellung zwischen staatlichem Souveränitätsanspruch und Anspruch der Prozesspartei auf ein faires Verfahren, FS Matscher, 1993, S 387; Schlosser, EuGVÜ (mit HZÜ 1965), 1996; Schlosser, Jurisdiction and international judicial and administrative co-operation, RdC 284 (2000), 89ff; Schmitz, Fiktive Auslandszustellung, 1980; Schütze, Formlose Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, RIW 2000, 20; Schütze, Zur Zustellung US-amerikanischer Klagen in Deutschland, FS Boguslavskij, 2004, S 325; Schütze, Klagen vor US-amerikanischen Gerichten – Probleme und Abwehrstrategien, RIW 2005, 579; Schütze, Die Verweigerung der Klagezustellung bei völkerrrechtswidriger Usurpierung internationaler Zuständigkeit, RIW 2009, 497; Ch. Strasser, Auslandzustellungen in die Karibik, RpflStud 2011, 25; B. Stroschein, Parteizustellung im Ausland, 2008; F. Sturm, Zu Art 16 Abs 4 HZÜ und Art 19 Abs 5 EuZVO, FS Strätz, 2009, S 537; Stürner, Förmlichkeit und Billigkeit bei der Klagzustellung im Europäischen Zivilprozess, JZ 1992, 325; Stürner, Die verweigerte Zustellungshilfe für U.S.-Klagen oder der „Schuss übers Grab“, JZ 2006, 60; Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996; J. Weis, Service by Mail is the Stamp of Approval from the Hague Convention always enough?, Law & Contemp. Probl. 57 (1994), 165; Wiehe, Zustellungen, Zustellungsmängel und Urteilsanerkennung am Beispiel fiktiver Inlandszustellungen in Deutschland, Frankreich und den USA, 1993; Wölki, Das Haager Zustellungsabkommen und die USA, RIW 1985, 530; Yessiou-Faltsi, Versäumnisverfahren und Versäumnisurteil nach griechischem Recht bei Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausland, FS Schütze, 1999, S 997.
2. Zustellungsmethoden Die Zustellung eines Schriftstücks besteht aus dessen Bekanntgabe an einen 2 Empfänger (oder einen Vertreter) verbunden mit einem gewissen urkundlichen Nachweis der erfolgten Mitteilung (§§ 166 I, 175, 182 ZPO).1 Sie dient dazu, die erfolgte Übergabe an den Empfänger förmlich nachzuweisen. Die Bundesrepublik Deutschland sieht in jeder amtlichen Zustellung einen Hoheitsakt.2
1 IdF des Zustellungsreformgesetzes v 25.6.2001, BGBl I, 1206. 2 BVerfGE 91, 335 = NJW 1995, 649f; Otto S 158ff; krit Schack IZVR, Rz 663, u. FS Geimer, S 931, 936; vgl Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 99f; G. Geimer, S 129.
399
§8
Internationale Zustellungen
Die Zustellung unmittelbar durch eine ausländische Justizbehörde oder in deren Auftrag wird daher im Inland nur aufgrund einer Einwilligung im Rahmen des EU-rechtlichen, vertraglichen oder vertragslosen Rechtsverkehrs gestattet. Deutschland sah in einer Zustellung im Inland grds einen Eingriff in seine Souveränität und hat daher jeder Inlandszustellung auf direktem Wege (ohne Inanspruchnahme seiner Rechtshilfe), sei es durch die Post (oder private Zusteller), sei es durch ausländische Diplomaten oder Konsuln (ausgenommen an Angehörige des betreffenden Staats) widersprochen. Letztlich wird dadurch aber nur die effektive Benachrichtigung des Beklagten im Inland über das gegen ihn eingeleitete Auslandsverfahren verhindert, der beabsichtigte Schutz des Inländers aber nicht erreicht, da das Ausland auf die verweigerte Mitwirkung einfach mit fiktiven Inlandszustellungen reagieren kann3 (s u Rz 12ff). Auch § 328 I Nr 2 ZPO und Art 34 Nr 2 EuGVO LugÜ zeigen, dass nicht eine objektive Verletzung einer Hoheitssphäre sanktioniert wird, sondern die Zustellung lediglich subjektive, disponible Interessen des Beklagten schützen soll.4 3
Nach deutschem Recht besteht die Zustellung in der Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person, den Empfänger (§ 166 I ZPO). Die Zustellung wird als Hoheitsakt angesehen.5 Zwar wird dabei grds eine Zustellungsurkunde angefertigt (§ 182 ZPO). Doch sieht das Gesetz die Beurkundung nicht mehr als Teil der Zustellung selbst an.6
4
In England sieht man in der Zustellung die Möglichkeit für das Gericht, jurisdiction gegenüber dem Beklagten zu üben. Jede Auslandszustellung außerhalb des Europäischen Rechtsraums muss vom Gericht genehmigt werden (CPR r 6.19, 6.20).
5
In den USA wird die Zustellung als reine (private) Mitteilung von der Klageerhebung angesehen, die der Kläger selbst zu besorgen hat (FRCP 4 [c] [1]). Sie kann und wird daher durch private Zusteller ausgeführt;7 soweit nicht eine gerichtliche subpoena-Anordnung zugestellt werden soll, ist sie kein Hoheitsakt.
6
Erfolgt die Zustellung für ein ausländisches Verfahren durch eine Privatperson oder durch die inzwischen privatisierte Post, so liegt darin wohl kein Hoheitsakt. Gleichwohl sind derartige Zustellungen in Deutschland idR kraft gesetzlicher Anordnung (zB aufgrund der Widersprüche gem Art 8 II und 10 HZÜ und § 1071 ZPO) unzulässig.
7
Nach (dem neu gefassten) autonomen deutschen Recht erfolgt die Zustellung im Ausland entweder durch die Post per Einschreiben mit Rückschein (soweit der direkte Postverkehr völkerrechtlich vereinbart ist) oder auf Ersuchen des 3 Vgl Schack IZVR, Rz 664f. 4 Schack IZVR, Rz 668. 5 BVerfGE 63, 343, 372 = NJW 1983, 2757 (insoweit nicht abgedruckt); BGHZ 58, 177, 179 = NJW 1972, 1004; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, S 162. 6 Coenen, DGVZ 2002, 5. 7 Ristau, in: Gottwald, Grundfragen, S 71, 81; Born, International Civil Litigation in US Courts, 3rd ed 1996, 757; G. Geimer S 99.
400
Die Zustellung im Rechtsvergleich
§8
Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die Behörden des fremden Staats oder die dortige diplomatische oder konsularische deutsche Vertretung (§ 183 I, II ZPO). An Deutsche, die Immunität genießen oder zu einer deutschen Auslandsvertretung gehören, wird auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch das (deutsche) Auswärtige Amt zugestellt (§ 183 III ZPO). Die Zustellung wird entweder durch den (postalischen) Rückschein oder das Zeugnis der ersuchten Behörde nachgewiesen (§ 183 IV ZPO). Die Beweiskraft des § 418 ZPO kommt auch dem ausländischen Zustellungszeugnis zu.8 Um sicherzustellen, dass ausgehende Ersuchen um Rechtshilfe zur Weiterlei- 8 tung geeignet sind, müssen die Ersuchen grds über die Prüfstellen gehen. Das sind die Präsidenten der Amts-, Land- und Oberlandesgerichte (§ 9 II ZRHO). Ausgehende Gesuche werden von den deutschen Prüfstellen im Rahmen des HZÜ 1965 direkt an die Zentrale Behörde des ersuchten Staats geleitet. Soweit ein dezentraler unmittelbarer Verkehr (nach der EuZustVO bzw aufgrund von Zusatzvereinbarungen) zulässig ist,9 sind ausgehende Gesuche trotzdem stets über die deutschen Prüfstellen zu leiten (§§ 28, 82 ZRHO).10 Die Prüfstelle kann die Weiterleitung des Gesuches aus diplomatischen Gründen (Art 32 I GG) ablehnen.11 In Art K 1 des Maastricht-Vertrags war eine engere Zusammenarbeit der EU- 9 Staaten im Bereich der Ziviljustiz vorgesehen. Hierzu gab es Pläne, den Zivilgerichten die Ladung der Parteien und ihrer Anwälte ohne Einschaltung einer Verwaltungsstelle innerhalb der Europäischen Union unmittelbar zu gestatten.12 Die Realisierung dieser Idee wäre ein großer Fortschritt. Auch die nunmehr geltende EG-Verordnung Nr 1393/2007 (in Kraft seit 10 13.11.2008) und ihre Vorgängerin, die EG-Verordnung Nr 1348/2000 über die Zustellung (in Kraft seit 31.5.2001), halten grds wie das Haager ZustellungsÜbereinkommen von 1965 an der Zustellung durch Einschaltung von Übermittlungs- und Empfangsstellen in den beteiligten Mitgliedstaaten fest (Art 2, 4ff EuZVO), lassen aber in Art 14 EuZVO nunmehr zwingend auch eine direkte Postzustellung (ohne Beteiligung von Behörden des Empfangsstaats) zu. Nach § 183 I 2 ZPO und § 1068 ZPO wird die direkte Postzustellung unter Mitwirkung deutscher Stellen für eingehende oder ausgehende Zustellungen auf die Versandform „Einschreiben mit Rückschein“ beschränkt. Art 15 EuZVO schließt nicht aus, dass jeder Beteiligte im Empfangsstaat der zuständigen Behörde oder Amtsperson einen direkten Zustellungsauftrag erteilt, doch kann jeder Mitgliedstaat dem widersprechen.13 Nach § 1071 ZPO ist eine Zustellung nach Art 15 EuZVO in Deutschland unzulässig. Zur Zustellung an ausländische Staaten s o § 2 Rz 37ff.
8 9 10 11 12 13
Vgl BGH NJW 2002, 521. Vgl Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 106. Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 112. Wiehe S 37f; aA Puttfarken NJW 1988, 2157. Bohnen DRiZ 1996, 411, 414; Schmidt-Jortzig, recht 3/97, S 36, 37. Krit Heß NJW 2001, 15, 19, 21f.
401
§8
Internationale Zustellungen
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Entscheidungen der Zentralen Behörde über die Gewährung von Rechtshilfe durch Auslandszustellung können als Justizverwaltungsakte im Verfahren nach §§ 23ff EGGVG angefochten werden.14 Antragsgegner ist die Zentrale Behörde, nicht das ausführende Amtsgericht.
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Nach deutschem Recht ist eine förmliche Auslandszustellung nur bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken zwingend. Benennt der Beklagte nach einer Auslandszustellung gem § 183 ZPO trotz einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten, kann fiktiv im Inland durch Aufgabe zur Post (§ 184 ZPO) zugestellt werden. Die Anordnung muss nicht notwendig durch Gerichtsbeschluss erfolgen; es genügt vielmehr eine Anordnung des Vorsitzenden.15 Die Zustellungswirkung tritt, sofern keine längere Frist bestimmt ist, zwei Wochen nach Aufgabe zur Post ein (§ 184 II 1 ZPO). Der Zustellungsvermerk des § 184 II 4 ZPO ist auch dann wirksam, wenn ihn ein anderer Urkundsbeamter beurkundet als der, der das zuzustellende Schriftstück dem Gerichtswachtmeister zur Aufgabe zur Post übergeben hat.16 Diese Regelung ist mit dem HZÜ und Art 6 I EMRK vereinbar;17 sie gilt aber nicht im Anwendungsbereich der EuZVO (s u Rz 13, 57). Wird an die Auslandspartei im Inland (gem §§ 177, 178 I Nr 2 ZPO) zugestellt, so kann die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten nicht verlangt werden. Entfällt die Möglichkeit der Inlandszustellung während des Verfahrens, so kann das Gericht eine Auslandszustellung nach § 183 I ZPO neu anordnen und dabei die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten verlangen.18
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Soweit eine Zustellung nach der EuZVO zu erfolgen hat, darf das Gericht nicht anordnen, dass bei Nichtbestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten im Inland durch Aufgabe zur Post zugestellt werden kann,19 da § 183 V ZPO die Zustellung nach der EuZVO ausdrücklich unberührt lässt.
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Soweit eine öffentliche Zustellung in Betracht kommt (§§ 185ff ZPO), werden auch die verfahrenseinleitenden Schriftstücke fiktiv (durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel zuzüglich Veröffentlichung dieser Benachrichtigung auf der Homepage des Prozessgerichts zugestellt (§§ 186 II, 187 ZPO). Die Zustellungswirkung tritt, sofern das Gericht keine längere Frist bestimmt, einen Monat seit dem Aushang der Benachrichtigung ein (§ 188 ZPO). Die öffentliche Zustellung kommt bei Auslandswohnsitz aber nur in Betracht, wenn die mögliche förmliche Zustellung unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht (§ 185 Nr 3 ZPO).20 Keinen Erfolg verspricht die Auslandszustellung, wenn sie so viel Zeit in Anspruch nehmen würde, dass dies der betrei-
14 OLG Düsseldorf NJW 1992, 3110; OLG München NJW 1992, 3113; MüKo/Pabst, § 23 EGGVG Rz 71, 86; Kissel/Mayer, 6. Aufl 2010, § 156 GVG Rz 65; Wiehe S 41, 124ff. 15 BGH WM 2012, 1499; BGH (VI ZR 230/11, 25.9.2012) (Tz 12). 16 BGH MDR 2012, 1306 (Tz 15). 17 BGH (VI ZR 230/11, 25.9.2012) (Tz 12). 18 BGH RIW 2008, 710 = WRP 2008, 955. 19 BGHZ 188, 164 = NJW 2011, 1885 (Sujecki) = IPRax 2013, 160 (dazu Heinze S 132). 20 Vgl Bindseil NJW 1991, 3071.
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benden Partei nicht mehr zuzumuten ist. Ein Zuwarten bis zu neun Monaten ist danach zumutbar.21 Das Zustellungsreformgesetz hat die Wirkungen der Aufgabe zur Post abgemil- 15 dert. Denn nach § 184 II 1 ZPO gilt das Schriftstück erst zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt. Nach § 184 II 2 ZPO kann das Gericht zudem eine längere Frist bestimmen. Dadurch kann grds erreicht werden, dass Rechtsmittelfristen nicht zu laufen beginnen, bevor die Auslandspartei Kenntnis von der Entscheidung erlangt. Einige Länder des französischen Rechtskreises folgen nach wie vor der sog „re- 16 mise au parquet“.22 Zugestellt wird durch Niederlegung von zwei Kopien des Schriftstücks durch den Gerichtsvollzieher bei der Staatsanwaltschaft. Bereits mit dieser Niederlegung wird die Zustellung bewirkt. Sie vollzieht sich also auch gegenüber einer sich im Ausland aufhaltenden Person immer im Inland. Die Staatsanwaltschaft versieht das Original mit einem Sichtvermerk und leitet die Kopien an das Justizministerium zur Übermittlung weiter. Der Gerichtsvollzieher muss dem Empfänger eine Kopie über die erfolgte Zustellung – signification – zusenden. Das System der „remise au parquet“ ist vielfach kritisiert und modifiziert worden, um die Interessen des Empfängers zu wahren.23
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Aufgrund des Vorrangs des EuZVO (Nr 1393/2007) ist diese Art der Zustellung zwischen EU-Mitgliedstaaten nicht mehr zulässig. Dementsprechend wird in Frankreich nach Art 684 (1) CPC (idF v 28.12.2005) insoweit nicht mehr durch „remise au perquet“ (Niederlegung bei der Staatsanwaltschaft), sondern direkt an den Empfänger oder an die zuständige Behörde des Empfangsstaats zugestellt.24 Im Übrigen unterscheidet sich die Zustellung im Inland dadurch, an welchem 18 Ort sie erfolgen muss bzw kann. Während nach § 177 (deutsche) ZPO die Zustellung an jedem Ort erfolgen kann, wo die Person, der zugestellt werden soll, angetroffen wird, kann sie nach § 4 österr. Zustellgesetz nur in der Wohnung oder sonstigen Unterkunft, der Betriebsstätte, dem Sitz, Geschäftsraum, der Kanzlei oder dem Arbeitsplatz des Empfängers vorgenommen werden.25 Auch bezüglich der Verweigerung der Annahme gehen die einzelnen Prozessordnungen von unterschiedlichen Voraussetzungen und Kundbarmachungen aus.26 Das englische Zustellungssystem unterscheidet sich dadurch wesentlich von 19 dem der kontinental-europäischen Länder, dass die Zustellungen auf privatem Wege bewirkt werden. Bei „actions in personam“ kann die Zustellung an den 21 BGH RIW 2009, 489, 490. 22 Vgl Schack IZVR, Rz 671; G. Geimer, S 31ff. 23 Vgl dazu im Einzelnen Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 99ff; Rigaux Rev.crit. 1963, 447, 463; Pocar L’assistenza giudiziaria internazionale, 1967, 254; Normand Rev.crit. 1966, 388, 395. 24 Vgl J. Kondring RIW 2007, 330, 331. 25 Vgl Mayr/Broll, Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl 2000, S 938. 26 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 111.
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Beklagten grds nur im Jurisdiktionsbereich des englischen High Court, dh in England und in Wales, bewirkt werden. Nach CPR 2000 r 6.19 kann ohne gerichtliche Genehmigung auch an einen Beklagten mit Wohnsitz in einem Staat des europäischen Rechtsraums (EuGVO, LugÜ) zugestellt werden. Befindet sich der Beklagte außerhalb dieses Gebietes, so muss der Kläger beim High Court die Erlaubnis für eine Zustellung erwirken (permission to serve a writ out of jurisdiction). Gem CPR r 6.20 kann das Gericht nach seinem Ermessen die Zustellung an den außerhalb seines Bezirks sich aufhaltenden Beklagten in besonders aufgezählten Fällen erlauben (zB wenn der Streitgegenstand Land innerhalb des Jurisdiktionsbezirks des High Court betrifft; wenn es sich um vertragliche Verpflichtungen oder die Verwaltung eines Grundstücks handelt; wenn es sich um einen Anspruch aus einem innerhalb des Jurisdiktionsbezirks geschlossenen Vertrag handelt, oder wenn auf den Vertrag englisches Recht anzuwenden ist; wenn ein Anspruch aus einer innerhalb des Jurisdiktionsbezirks begangenen unerlaubten Handlung geltend gemacht wird; wenn es sich um einen Anspruch aus dem Carriage by Air Act von 1932 handelt). Bei seinem Antrag muss der Kläger versichern, (1) dass ein Genehmigungsgrund nach r 6.20 vorliegt, (2) die Klage nach seiner Ansicht hinreichende Erfolgsaussicht hat und (3) die Anschrift des Beklagten oder zumindest in welchem Land sich dieser (wahrscheinlich) aufhält (CPR r 6.21). CPR r 6.22 und 6.23 sehen nach Ländergruppen längere Fristen für die Bestätigung der Ladung und das Einreichen einer Klageerwiderung (defence) vor, um das rechtliche Gehör des Beklagten sicherzustellen. Soweit dem Beklagten nicht persönlich zugestellt werden kann, wird wegen der Ersatzzustellungen auf das Recht des Landes, in dem zugestellt werden soll, oder auf ein gültiges Zustellungsübereinkommen abgestellt (CPR r 6.24 [1] [a], [c]). 20
In den USA erfolgt die Klageerhebung durch Einreichung der Klage bei Gericht, in der Zustellung liegt eine bloße Benachrichtigung von dieser Tatsache, die durch jedermann und formlos, durch Übergabe, Zusendung per Post, oder auf andere Weise, zB mittels E-Mail,27 erfolgen kann. Man hat deshalb zunächst versucht, auch an die ausländische Partei möglichst einfach zuzustellen: Entweder versucht man, die Auslandszustellung durch eine Inlandszustellung zu umgehen28 oder eine Auslandszustellung einfach ohne Rücksicht auf die Haltung des Heimatstaats auszuführen.29 Aber ein solches Vorgehen greift zu kurz, weil nur die vom Heimatstaat anerkannte Zustellung die Anerkennung eines späteren Urteils sichert. Diese Ansicht hat sich auch in den USA durchgesetzt.
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Die USA sind Vertragsstaat des HZustÜ. Gleichwohl ist hier immer wieder versucht worden, gleichsam am Übereinkommen „vorbei“ zuzustellen. Denn die Zustellung nach dem Übereinkommen ist aus US-Sicht unbefriedigend: Sie ist überaus formell ausgestaltet, (wegen der erforderlichen Anträge und 27 Vgl Th. Rüfner, Zustellung per E-mail im US-amerikanischen Zivilprozess, RIW 2002, 616. 28 Vgl Born, International Civil Litigation in US Courts, 3. Aufl 1996, S 763f; Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, 1996. 29 Hierfür nach wie vor Smit, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 25, 36.
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Übersetzungen) zu teuer und dauert viel zu lang. Auch gibt das Übereinkommen der ausländischen Partei eine gewisse Sonderstellung. Nach langer streitiger Diskussion sind die Zustellungsregeln für die Bundesgerichte zum 1.12.1993 neu gefasst worden. Obwohl schon im Gesetzgebungsverfahren umstritten,30 wurde das Zustel- 22 lungswesen dadurch vereinfacht, dass der förmlichen Zustellung, wenn es der Kläger will, allgemein ein „waiver of service of process“-Verfahren nach FRCP 4 (d) vorausgeht. Dieses Verfahren wurde auch im Hinblick auf Auslandsparteien eingeführt, weil hier die Zustellung besonders zeitraubend und teuer ist.31 Um unnötige Kosten zu vermeiden, wird danach die Klageschrift unter Mittei- 23 lung der Klageerhebung bei einem bestimmten Gericht (ohne Ladung!) durch die Post oder „other reliable means“ (wie Fax oder Kurier) mit einem vorbereiteten schriftlichen Empfangsbekenntnis zugesandt. Unterschreibt der Empfänger dies und sendet es mittels des beigefügten Freiumschlags an das Gericht zurück, so verzichtet er auf formelle Klagezustellung, verliert aber nicht die Möglichkeit, venue oder jurisdiction des Gerichts zu rügen (FRCP 4 [d] [1]). Der Beklagte wird per Formblatt über das Verfahren informiert. Im Ausland ansässige Beklagte haben 60 Tage nach Absendung der Bitte um Zustellverzicht Zeit, die Verzichtserklärung zurückzusenden. Neben den geringeren Kosten erhält der Beklagte quasi als Gegenleistung eine längere Einlassungsfrist. Der ausländische Beklagte muss die Klage erst innerhalb von 90 Tagen (statt sonst 20) beantworten (FRCP 4 [d] [3]; 12). Nach FRCP 4 (d) (2) sind natürliche Personen, juristische Personen und Ver- 24 einigungen (corporation, association) verpflichtet, unnötige Zustellkosten zu vermeiden. Das „waiver“-Verfahren findet ausdrücklich Anwendung auch auf Zustellungen an natürliche Personen, Corporations und Associations mit Auslandssitz/-wohnsitz. Bei corporations muss das Verzichtsbegehren an einen bestimmten „officer or agent“ adressiert sein; eine Zusendung an die juristische Person unter ihrer allgemeinen Anschrift genügt nicht.32 Nicht anwendbar ist es bei Zustellungen an Kinder oder andere prozessunfähige (incompetent) Personen (Rule 4 [g]) sowie an ausländische Staaten, ihre Einrichtungen, Gemeinden, Gebietskörperschaften usf (Rule 4 [j]). Weigert sich ein inländischer Beklagter, einen „waiver“ zu unterschreiben, 25 soll ihm das Gericht die letztlich anfallenden Zustellkosten auferlegen, sofern er sein Verhalten nicht durch „good cause“ gerechtfertigt erscheint (Rule 4 [d] [2] letzer Satz). Ausländische Beklagte sind von dieser Regel ausdrücklich ausgenommen. Dadurch wollte man Protesten gegen eine Aushöhlung des HZustÜ Rechnung tragen. 30 Vgl Walker, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 183, 195. 31 Wright/Miller, Federal Practice and Procedure, Civil 2d, Vol 4 A, 1995 Pocket Part, § 1092.1; Ristau, in: Gottwald, Grundfragen, S 71, 81ff; Newman/Burrows III–100; G. Geimer S 100ff. 32 Siegel, USCA, Pocket Part 1995, FRCP 4, p 50.
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Schon vor Erlass der neuen Regelung wurde auch eingewandt, das Verfahren verstoße gegen Art 10 (a) HZustÜ, wonach jeder Staat die Übersendung gerichtlicher Schriftstücke per Post untersagen könne.33 Auch wenn Art 10 (a) HZustÜ seinem Wortlaut nach jedes „Übersenden“ betrifft, kann die Regel ihrem Sinn nach nur Sendungen erfassen, von denen unfreiwillige Rechtswirkungen gegenüber dem Empfänger ausgehen. Die Bedenken sind daher nicht stichhaltig, da die Partei auf eine (amtliche) Zustellung verzichten kann.34 Es wäre zwar angemessener, wenn solche Erleichterungen der internationalen „Zustellung“ vertraglich festgelegt würden. In der Sache ist der Versuch einer Vereinfachung aber zu begrüßen.35
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Rule 4 (b) sagt nichts über die Sprache, in der die Bitte um Zustellverzicht („waiver“) und die eigentlich zuzustellenden Schriftstücke übersandt werden. Eine Übersetzung ist deshalb (wie bei einer freiwilligen Entgegennahme gem Art 5 [2] HZustÜ) nicht erforderlich; sie kann aber hilfreich sein, damit der Beklagte den „waiver“ unterzeichnet.36
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Für eine danach erforderliche förmliche Zustellung sind im Verfahren vor den Bundesgerichten gegenüber Vertragsstaaten die Wege des Haager Zustellungsübereinkommens 1965 bzw der Interamerican Convention of May 8, 1974 einzuhalten. Gegenüber natürlichen Personen folgt dies aus FRCP 4 f (1).37
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Kindern oder nicht voll Geschäftsfähigen ist nach dem Recht des Staats, in dem zugestellt werden soll, oder entsprechend dessen Antwort auf ein Zustellungsgesuch zuzustellen (FRCP 4 [g]).
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An juristische Personen (foreign corporations), Handelsgesellschaften (partnerships) oder sonstige Vereinigungen (unincorporated association) kann innerhalb der USA an einen „officer, managing or general agent“ oder an einen gewillkürten oder gesetzlichen Zustellungsbevollmächtigten zugestellt werden (FRCP 4 [h] [1]).38 Teilweise ist die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten Voraussetzung für die Aufnahme der inländischen Geschäftstätigkeit.39 Zur Zustellung an Tochterunternehmen s u Rz 92. Bei einer Auslandszustellung ist wie bei natürlichen Personen das Haager ZustÜ einzuhalten (FRCP 4 [h] [2]). Durch diese Regelung sollen früher mögliche Konflikte mit Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens, die die Zustellung hoheitlich qualifizieren, ausgeschaltet werden.40 33 Vgl Burbank, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 103, 117; Born/Vollmer, 150 FRD 221, 229–239 (1994); s u Rz 63. 34 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl 2009, Art 1 HZÜ Rz 19. 35 Eher krit. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 95. 36 So ausdrücklich Siegel, USCA, Pocket Part 1995, FRCP 4, p 54. 37 Siegel, 28 USCA, FRCP, Cumulative Annual Pocket, 1995, C 4–24; Ristau, in: Gottwald, Grundfragen, S 71, 83; G. Geimer S 103ff. 38 Vgl Otto S 95ff. 39 Schack IZVR, Rz 672; s u Rz 46, 49. 40 Vgl K. Otte, DAJV-Newsletter 1/94, S 19; Ristau, in: Gottwald, Grundfragen, S 71, 81.
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An einen ausländischen Staat, eine staatliche Stelle oder Behörde darf nur 31 nach Maßgabe von sec. 1608 FSIA zugestellt werden.41 Sofern zwischen den Parteien keine besondere Zustellungsform vereinbart ist, ist danach nach den internationalen Verträgen, also dem HZustÜ, hilfsweise durch die Post und nochmals hilfsweise auf diplomatischem Wege zuzustellen. Zur Zustellung an ausländische Staaten s o § 2 Rz 37ff. Aus dem Ausland eingehende Zustellungsanträge werden in den USA vom De- 32 partment of State als Zentraler Behörde entgegengenommen (28 USC § 1781 [a] [1]). Außerhalb der staatsvertraglichen Bindung ist die Zustellung zulässig (1) nach 33 dem Recht des amerikanischen Zustellortes, (2) nach ausländischem Recht, und (3), sofern nicht im Empfangsstaat untersagt, durch persönliche Zustellung (durch einen privaten process server) oder postalisch durch Rückschein („any form of mail requiring a signed receipt“) (Rule 4 [f], [h] FRCP). Schließlich kann durch das Gericht jede andere Form der Zustellung zugelassen werden, die nicht durch internationale Vereinbarung untersagt ist (Rule 4 [f] (3) FRCP). Auf dieser Grundlage wurden Direktzustellungen per Telex oder Telefax zugelassen.42 In einer dieser Formen kann auch in einen Vertragsstaat der Inter-American Convention on Letters Rogatory v 30.1.1975 zugestellt werden, da dieses Übereinkommen nicht als zwingend angesehen wird.43 Die Gerichte der Einzelstaaten befolgen ähnliche Regeln, die aber vielfach 34 noch der früheren FRCP 4 (i) entsprechen. Für die Zustellung von State Courts sind deren Regeln maßgeblich. Für Kalifornien schreibt Cal. CCP § 413.10 ausdrücklich eine Zustellung nach Maßgabe des HZustÜ vor. Auch nach der Neufassung der FRCP entscheidet das US-amerikanische 35 Recht, ob eine Inlands- oder Auslandszustellung erforderlich ist. Ähnlich wie bei der Zuständigkeit kann sich daraus auch ein „Zustellungsdurchgriff“ an eine ausländische Muttergesellschaft durch Zustellung an die inländische Tochter als „involuntary agent“ ergeben.44 Da jeder Staat selbst darüber entscheidet, ob eine Inlands- oder eine Auslandszustellung erforderlich sind, ist insoweit eine Rüge, ein solcher „Zustellungsdurchgriff“ verstoße gegen das HZustG, nicht begründet. Nach New York CPLR § 328 (b) kann eine Zustellung in New York zugunsten eines Verfahrens vor einem ausländischen Gericht ohne Gerichtsbeschluss erfolgen.
41 Vgl Bybee v Oper der Stadt Bonn, [1997] ILPr 42, 46; Ristau, in: Gottwald, Grundfragen, S 71, 85. 42 Ristau, in: Gottwald, Grundfragen, S 71, 84. 43 D. Clark AmJCompL 42 (Suppl.) (1994), 23, 27. 44 Vgl Schlunk v Volkswagenwerk AG, 503 N.E. 2d 1045 (Ill.App. 1986), aff’d 486 US 694, 108 S.Ct. 2104, 2111, 100 L.Ed. 2d 722 (1988); Otto S 100ff; Heidenberger/ Barde RIW 1988, 683.
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3. Ersatzzustellungen 36
Größere Unterschiede ergeben sich bei Ersatzzustellungen. Als Ersatzpersonen gelten nach deutschem Recht Familienangehörige und Angestellte sowie der Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung, in der der Adressat wohnt, sofern diese Personen nicht als Gegner an dem Rechtsstreit der Partei, an welche die Zustellung erfolgen soll, beteiligt sind (§§ 178 ZPO). Ist die Zustellung auf diese Weise nicht ausführbar, so kann das zuzustellende Schriftstück nunmehr in einen zur Wohnung oder zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten (oder eine ähnliche Vorrichtung) gelegt werden. Auf diese Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 ZPO). Nur wenn die Zustellung auf diese Weise nicht ausführbar ist, kann das Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts oder bei der Post am Ort der Zustellung niedergelegt werden. Über die Niederlegung ist eine Mitteilung in der bei Briefen üblichen Weise zu hinterlassen oder an der Wohnungstür anzuheften. Zugestellt ist mit Abgabe dieser schriftlichen Mitteilung (§ 181 I 4 ZPO).
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Bei juristischen Personen und Gesellschaften jeder Art ist an den gesetzlichen Vertreter bzw den Leiter zuzustellen; bei Mehrpersonenvertretung genügt die Zustellung an einen Vertreter, § 170 ZPO. Wird der gesetzliche Vertreter bzw Leiter in den Geschäftsräumen nicht angetroffen, kann an jede dort beschäftigte Person zugestellt werden (§ 178 I Nr 2 ZPO).45 Wird die Annahme unberechtigt verweigert, kann das Schriftstück mit Zustellungswirkung in dem Geschäftsraum zurückgelassen werden (§ 179 S 1 ZPO).
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Das österreichische Recht hat größere Sicherheiten eingebaut. Klagen dürfen nur zu Händen des Beklagten oder seines zur Empfangnahme ermächtigten Vertreters zugestellt werden. Ist das nicht möglich, wird der Empfänger schriftlich aufgefordert, zu einer bestimmten Zeit am Ort der Zustellung anwesend zu sein. Erst wenn der Empfänger dieser Aufforderung nicht entspricht, kann eine Hinterlegung des Schriftstücks und eine schriftliche Mitteilung über die Hinterlegung erfolgen (§ 16 Zustellungsgesetz, § 103 öZPO).
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Das schwedische Recht kennt die gleichen Ersatzpersonen wie das deutsche oder österreichische Recht (RB Kap 33 § 7). Es ist ihnen gegenüber aber misstrauisch und ordnet für den Fall einer Ersatzzustellung immer eine schriftliche Mitteilung auf dem Postwege an den Empfänger an (RB Kap 33 § 8).
40
Das polnische Recht kennt eine ähnliche Ersatzzustellung wie das deutsche. Kann an eine Ersatzperson nicht zugestellt werden, so wird das Schriftstück auf dem Postamt oder auf dem Präsidium des zuständigen Nationalrats niedergelegt und darüber an der Tür der Wohnung oder im Briefkasten des Empfängers eine Benachrichtigung hinterlassen (Art 138, 139 poln. ZPO).
41
Das griechische Recht kennt fast den gleichen Personenkreis, an den ersatzweise zugestellt werden kann. Wird eine Ersatzperson nicht angetroffen, wird 45 Die Zustellungsurkunde beweist aber nicht, dass die Übergabeperson Angestellter des Empfängers war; vgl BGH NJW 2004, 2386, 2387 = IPRax 2006, 47 (dazu Hau, S 20).
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das zuzustellende Schriftstück im Beisein eines Zeugen an die Wohnungstür geheftet, überdies wird eine Abschrift an den Vorsteher des Polizeireviers, die Polizei oder den Pfarrer ausgehändigt. Diese Personen sind verpflichtet, den Empfänger von der Zustellung in Kenntnis zu setzen (Art 129 griechische ZPO). In Frankreich erstrecken sich die Ersatzpersonen bis auf die Nachbarn des 42 Empfängers. Nehmen diese Personen die Zustellung nicht an, so hinterlegt der „huissier“ eine Kopie auf der Bürgermeisterei und benachrichtigt darüber den Empfänger durch einfachen Brief (Art 653ff CPC). Die italienische Lösung gleicht der französischen (vgl Art 139 c.p.c.46).
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Nach spanischem Recht haben nahe Verwandte und Nachbarn die Verpflich- 44 tung, der Justiz bei der Ausführung von Zustellungen zu helfen. Sie müssen die zuzustellenden Schriftstücke für den Empfänger entgegennehmen und ihn davon benachrichtigen.47 Nach englischem Recht kann jedes „document“ zugestellt werden:
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(1) durch persönliche Übergabe; ist ein zustellungsbevollmächtigter Solicitor bestellt, muss an diesen zugestellt werden (CPR r 6.2 (1) (a); 6.4), (2) durch „first class post“ (CPR r 6.2 [1] [b]), (3) durch Zurücklassen des Dokuments am Ort der Zustelladresse (CPR r 6.2 [1] [c], 6.5), (4) durch Dokumentaustausch gem einer relevanten „practice direction“ (CPR r 6.2 [1] [d]), oder (5) durch Fax oder ein anderes elektronisches Kommunikationsmittel gem „practice direction“ (CPR r 6.2 [1] [e]). Bei der Zustellung einer „claim form“ muss zusätzlich die Anschrift des Beklagten bzw seines zustellungsbevollmächtigten Solicitors angegeben sein (CPR r 6.13). An Gesellschaften kann außerdem zugestellt werden (CPR r 6.2 [2])
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(1) durch Zurücklassen oder Postzusendung am autorisierten Ort, (2) bei „Overseas companies“ durch Zustellung an den dem Register benannten Bevollmächtigten oder Postzusendung unter dessen angegebener Anschrift (sec 695 Companies Act 1985), und (3) bei ausländischen Gesellschaften mit Niederlassung in Großbritannien durch Zustellung an diese. Sofern es dafür einen hinreichenden Grund („good reason“) gibt, kann das Gericht auf Antrag eine andere Form der Zustellung zulassen (CPR r 6.8).
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In Vertragsstreitigkeiten können die Parteien zudem die Art der Zustellung 48 festlegen (CPR r 6.15). Bei einer Zustellung ins Ausland gelten die Zustellmög46 Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, 1965, S 158. 47 Prieto-Castro, Derecho Procesal Civil I, 1964, S 511.
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lichkeiten des Auslandes (CPR r 6.24). Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten ist das Haager Zustellungsübereinkommen 1965 zu beachten (CPR r 6.25). Sonderregeln gelten für Klagen gegen einen ausländischen Staat (CPR r 627). 49
In den USA kann innerhalb des Landes an natürliche Personen auch durch Übergabe von Klage und Ladung am Wohnhaus oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Empfängers an eine dort wohnende vertrauenswürdige Person geeigneten Alters zugestellt werden oder durch Übergabe an einen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich ermächtigten Zustellungsbevollmächtigten (FRCP 4 [e] [2]).
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Die Regeln der Einzelstaaten unterscheiden sich davon teilweise. In Kalifornien kann die persönliche Zustellung durch Zustellung an eine im Büro des Empfängers verantwortliche Person ersetzt werden; gleichzeitig muss Klage und Ladung nochmals an die gleiche Adresse (by first class mail) geschickt werden. Stattdessen kann eine Kopie von summons und complaint am Wohnoder Aufenthaltsort des Empfängers an seinem gewöhnlichen Arbeitsplatz oder seiner üblichen Postanschrift (Schließfach ausgenommen) einer mindestens 18 Jahre alten Person unter Information über den Inhalt übergeben und danach nochmals per Post an diese Anschrift geschickt werden. In beiden Fällen tritt die Zustellungswirkung 10 Tage nach der Aufgabe zur Post ein (Cal. CCP § 415.20; ähnlich in New York CPLR § 308 [2]-[4]).
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In New York kann das Gericht auch eine andere Form der Ersatzzustellung anordnen (CPLR § 308 [5]).
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Ist eine Zustellung danach nicht ausführbar, so kann die Klage und Ladung öffentlich nach dem auch für Bundesgerichte anwendbaren (FRCP 4 [e] [1]) Recht des Einzelstaats zugestellt werden. In Kalifornien hat das Gericht eine öffentliche Zustellung zu bewilligen, wenn (1) eine andere Zustellung mit vernünftigem Aufwand nicht möglich ist und (2) die Zustellung gegen die Partei zur Rechtsverfolgung erforderlich ist. Die Zustellung erfolgt durch Veröffentlichung der Ladung in einer im Staat verbreiteten Zeitung; außerdem ist an den Empfänger zuzustellen, falls seine Anschrift während der Wartefrist für die Veröffentlichung bekannt wird (Cal. CCP § 415.30; ähnlich NY CPLR §§ 315–317).
II. Die Europäische Zustellungsverordnung vom 13.11.2007 1. Schrifttum 53
a) Zur VO (EG) Nr 1393/2007: Grohmann/Gruschinske, Fiktive Inlandszustellung und Europäisches Zivilverfahrensrecht, DZWIR 2011, 441; B. Hess, Rechtspolitische Überlegungen zur Umsetzung von Art 15 der Europäischen Zustellungsverordnung VO (EG) Nr 1393/2007, IPRax 2008, 477; B. Hess, Kommunikation im europäischen Zivilprozess, AnwBl 2011, 321, 322; P. Peer, Die Europäische Zustellungsverordnung, ÖJZ 2012, 5; Rauscher/Heiderhoff, EG-ZustVO 2007, in EuZPR/EuIPR, Bearb 2010, Teil A II 1, S 559; E. Skorskrubb, Civil Procedure and EU Law, 2008, p 92; B. Sujecki, Europäische Zustellungsverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss,
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Die Europäische Zustellungsverordnung vom 13.11.2007
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Kap 30, 2. Aufl 2010, S 1657; B. Sujecki, Zustellung an den Prozessbevollmächtigten der Vorinstanz in grenzüberschreitenden Fällen, EWS 2010, 523. b) Zur VO (EG) Nr 1348/2000 v 29.5.2000: M. Ahrens, Neues zur Annahmeverweigerung im europäischen Zustellungsrecht, NJW 2008, 2817; Burgstaller, Europäische Zustellungsverordnung, in: Burgstaller, Internationales Zivilverfahrensrecht, Kap 81, 2001; R. Emde, Zulässigkeit von Direktzustellungen ausländischer Prozessbevollmächtigter an deutsche Parteien nach Art 14 EuZVO?, NJW 2004, 1830; Gebauer/Wiedmann/Jastrow, Europäisches Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, S 1269; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1998, S 205ff; Gottwald, Sicherheit vor Effizienz? – Auslandszustellung in der Europäischen Union in Zivil- und Handelssachen, FS Schütze, 1999, S 225; Gsell, Direkte Postzustellung an Adressaten im EU-Ausland, EWS 2002, 115; Hausmann, Auslegungsprobleme der Europäischen Zustellungsverordnung, EuLF 1/2-2007, 8; Heinze, Keine Zustellung durch Aufgabe zur Post im Anwendungsbereich der Europäischen Zustellungsverordnung, IPRax 2013, 132; Heß, Die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15; Heß, Neues deutsches und europäische Zustellungsrecht, NJW 2002, 2417; Heß, Noch einmal: Direktzustellungen nach Art 14 EuZVO, NJW 2004, 3301; Heß, Übersetzungserfordernisse im europäischen Zivilverfahrensrecht, IPRax 2008, 400; Jastrow, Auslandszustellungen im Zivilverfahren, NJW 2002, 3382; V. Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO und ihre Auswirkungen auf die Anerkennung der Entscheidungen, Diss. Münster, 2007; W. Kennett, Service of documents in Europe, in: Fentiman, L’espace judiciaire européen, 1999, 199; W. Kennett, The Enforcement of Judgments in Europe, 2000, 201; G. Kuntze-Kaufhold/St. Beichel-Benedetti, Verjährungsrechtliche Auswirkungen durch das Europäische Zustellungsrecht, NJW 2003, 1998; Lindacher, Europäisches Zustellungsrecht, ZZP 114 (2001), 179; Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung, in: Gottwald, Grundfragen der Gerichtsverfassung, 1999, S 99; Linke, Europäisches Zustellungsrecht, ERA-Forum 2/05, S 205; A. Mävers, Die Modifikation der Zustellungsverordnung (EG) Nr 1348/00 durch die Mitgliedsstaaten, IPRax 2006, 198; J. Meyer, Europäisches Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, IPRax 1997, 401; A. Panzarola, La notificazione degli atti giudiziaria ed extragiudiziali negli Stati membri dell’Unione Europea, Le nuove Leggi Civili 23 (2000), 1161; S. Rahlf/F. Gottschalk, Das Europäische Zustellungsrecht, EWS 2004, 303; Th. Rauscher, Der Wandel der Zustellungstandards zu Zustellungsvorschriften im Europäischen Zivilprozessrecht, FS Kropholler, 2008, S 851; Rauscher/Heiderhoff, Europäisches Zivilprozessrecht, 2004, S 779; Rösler/Siepmann, Zum Sprachenproblem im Europäischen Zustellungsrecht, NJW 2006, 475; Rösler/Siepmann, Die geplante Reform der europäischen Zustellungsverordnung, RIW 2006, 512; P. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl 2003, S 520ff; C. Schneider, Grenzüberschreitende Zustellung und Beweisaufnahme in Europa, ProzRB 2003, 250 u. 280; Schütze, Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht, Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352; D. Sharma, Zustellungen im europäischen Binnenmarkt, 2003; Stadler, Neues europäisches Zustellungsrecht, IPRax 2001, 514; G. Springer, Die direkte Postzustellung gerichtlicher Schriftstücke nach der Europäischen Zustellungsverordnung (EG) Nr 1348/2000; 2008; Sujecki, Das Annahmeverweigerungsrecht im Europäischen Zustellungsrecht, EnZW 2007, 363; B. Stroschein, Parteizustellung im Ausland, 2008; Tsikrikas, Probleme der Zustellung durch die Post im europäischen Rechtsverkehr, ZZPInt 8 (2003), 309.
2. Einführung Die Europäische Zustellungsverordnung Nr 1348/2000 hat die Zustellung zwi- 54 schen den EU-Staaten verbessert und beschleunigt. Im Ansatz folgte sie aber weitgehend dem Modell des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965.48 48 Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 183; krit. Heß NJW 2001, 15, 19.
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Ihr wesentlicher Inhalt wurde gem Art K 3 des Maastrichter EG-Vertrags am 26.5.1997 zunächst als Übereinkommen gezeichnet.49 Nach In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrags sollte die Regelung dann als Richtlinie erlassen werden.50 Sie wurde schließlich auf der Grundlage von Art 65 EGV als (ab 31.5.2001) unmittelbar geltende Verordnung in Kraft gesetzt.51 Sie galt in allen EU-Staaten, auch den 2004 beigetretenen, (ausgenommen Dänemark).52 Ähnlich wie die EuGVO wurde auch die Europäische Zustellungsverordnung durch Staatsvertrag v 19.10.2005 auf Dänemark erstreckt.53 Die Verordnung Nr 1348/2000 hat aber nicht alle praktisch relevanten Fragen zufriedenstellend gelöst. Sie wurde daher bereits zum 13.11.2008 durch die neue Verordnung (EG) Nr 1393/2007 (EuZustVO) ersetzt.54 Die EuZustVO hat im Verhältnis der EU-Staaten zueinander Vorrang vor anderen multilateralen oder bilateralen Zustellungsregelungen (Art 20 I EuZustVO), weiter- reichende bilaterale Vereinfachungen werden aber beibehalten und können auch neu vereinbart werden (Art 20 II EuZustVO). 55
In Verwaltungssachen gilt das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland v 24.11.1977.55
3. Anwendungsbereich 56
Die VO (EG) Nr 1393/2007 regelt die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Auch notarielle Urkunden über Grundstücksgeschäfte sind daher nach der Verordnung zuzustellen.56
4. Notwendigkeit der Auslandszustellung 57
Die EuZVO regelt das Verfahren bei einer grenzüberschreitenden Zustellung in der EU (Art 1 I EuZustVO), wenn die Anschrift des Empfängers bekannt ist (Art 1 II EuZVO). Die vielfach vertretene Ansicht, dass das nationale Recht bestimme, ob eine Auslandszustellung überhaupt erforderlich ist57 oder durch eine wirkliche oder fiktive Inlandszustellung ersetzt werden kann,58 hat der EuGH zurückgewiesen. Soweit der Empfänger unter einer bekannten Adresse 49 50 51 52 53
54
55 56 57 58
ABl EG Nr C 261/1 v 27.8.1997; vgl Meyer IPRax 1997, 401. Vgl Vorschlag der Kommission, ABl EG C 247 E, S 11 (v 31.8.1999). ABl EG Nr L 160/37 v 29.5.2000. Vgl Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 182. Vgl Vorschlag für … den Abschluss eines Abkommens …, KOM (2005) 146 endg. v 18.4.2005; Jayme/Kohler IPRax 2005, 481, 486. Der Rat hat das Abkommen am 26.4.2006 genehmigt, ABl EU L 120/23. Vgl Sujecki EuZW 2006, 1; Rösler/Siepmann RIW 2006, 512; Bericht der Kommission v 1.10.2004, KOM (2004) 603 endgültig; dazu Bericht des Europäischen Parlaments v 2.2.2006 (A6-0024/2006). BGBl 1981 II, 533, 535. EuGHE 2009, I-5439 (Tz 44ff) (Roda Golf & Beach Resort) = RIW 2009, 868 = NJW 2009, 2513. Rauscher/Heiderhoff (2010) Einl EG-Zust VO Rz 21, 24. Vgl Strasser ZIP 2008, 2111.
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im Ausland wohne und keinen inländischen Bevollmächtigten bestellt habe, müsse ihm nach der EuZVO zugestellt werden. Für eine fiktive Ersatzzustellung per „remise au parquet“,59 oder durch Aufgabe zur Post (nach Nichtbestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten)60 oder indem das Schriftstück dann einfach zu den Gerichtsakten genommen werde, ist kein Raum.61 Aus Erwägungsgrund 8 zur EuZustVO ergibt sich, dass ein Schriftstück an den 58 inländischen Prozessbevollmächtigten zugestellt werden darf, auch wenn die Partei selbst im Ausland wohnt. Zulässig ist es auch, die Auslandspartei durch Zustellung der Rechtsmittelschrift an den Prozessbevollmächtigten der Vorinstanz zu benachrichtigen.62 Streitig ist, ob der inländische Schadensregulierungsbeauftragte eines im EU- 59 Ausland geschäftsansässigen Kfz-Versicherers für Direktklagen von Unfallgeschädigten als zustellungsbevollmächtigt anzusehen ist. Während dies in der Literatur vielfach angenommen wird,63 zumal dann Auslandszustellung und Übersetzung vermieden werden könnten, wird dies von der Rspr im Hinblick auf den Wortlaut von Art 4 der 4. Kfz-Haftpflicht-Richtlinie (2002/26/EG)64 abgelehnt.65 Wie die Art 15, 16 HZustÜ 1965 sieht Art 19 EuZustVO lediglich vor, dass bei 60 der „Übermittlung“ eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks in einen anderen Mitgliedstaat ohne Einlassung des Beklagten das Verfahren auszusetzen ist, bis eine Zustellungsbescheinigung vorliegt oder wenigstens sechs Monate vergangen sind. Ob aus dieser Regelung (zusammen mit Art 6 I EMRK und dem Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV) abgeleitet werden kann, dass die Übermittlung eines im Wege der „remise au parquet“ zugestellten Schriftstücks noch zur Zustellung gehört,66 erscheint zweifelhaft.
5. Zustellung im Rechtshilfeverkehr a) Wie nach dem HZustÜ 1965 erfolgen auch die Zustellungen in Zivil- und Handelssachen zwischen den EU-Staaten grds im Wege der Rechtshilfe über Übermittlungs- und Empfangsstellen in den beteiligten Staaten (Art 2 EuZustVO). Schriftstücke werden nach Art 4 I EuZustVO zwischen diesen Stellen im dezentralen unmittelbaren Behördenverkehr übermittelt.67 Ob eine Zivil- und 59 EuGHE 2005, I-8639 (Scania Finance France) (Tz 19ff) = IPRax 2006, 157 (dazu Stadler, S 116). 60 BGHZ 188, 164 = NJW 2011, 1885 (Sujecki) = IPRax 2013, 160 (dazu Heinze, S 132); OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1522 (Tz 27ff) = IPRax 2010, 169 (dazu Ch. Heinze, S 155). 61 EuGH (19.12.2012, C-325/11, Alder v Orlowska) (Rz 28ff, 32ff, 40) IPRax 2013, 157 (dazu Heinze, S 132). 62 Vgl Sujecki EWS 2010, 523, 526ff. 63 Hierfür Staudinger/Czaplinski NJW 2009, 2249, 2253. 64 ABl EG Nr L 181 v 20.7.2000, S 65. 65 KG NJW-RR 2008, 1023; OLG Saarbrücken IPRax 2012, 157. 66 Hierfür Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 189f. 67 Vgl Stadler IPRax 2001, 514, 517; Meyer IPRax 1997, 401, 403; G. Geimer, S 211ff.
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Handelssache vorliegt, ist entsprechend Art 1 I 2 EuGVO (ohne die dort genannten Ausnahmen) zu entscheiden.68 Die Übermittlung soll so schnell wie möglich erfolgen. Zulässig ist jeder geeignete Übermittlungsweg, „sofern das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt und alle darin enthaltenen Angaben mühelos lesbar sind“ (Art 4 II EuZustVO). Eine Übermittlung auf elektronischem Wege ist also zulässig und möglich, vorausgesetzt die Übermittlungs- und Empfangsstellen besitzen die erforderlichen technischen Einrichtungen.69 Die Speicherung der zu übermittelnden Schriftstücke in versandfähigen Dateien sollte heute problemlos möglich sein. Die Schriftstücke werden zusammen mit einem Formblatt-Antrag übermittelt (Art 4 III EuZustVO); sie selbst bedürfen keiner Beglaubigung (Art 4 IV EuZustVO). Allerdings sind ausgehende Ersuchen wie bisher über die Prüfungsstelle zu leiten (§§ 9, 28 ZRHO).70 62
Die EuZustVO will die grenzüberschreitende Zustellung beschleunigen. Die erforderlichen Schritte sind „so bald wie möglich vorzunehmen“. Kann die Zustellung innerhalb eines Monats nach Eingang nicht ausgeführt werden, ist dies der Übermittlungsstelle förmlich mitzuteilen und das Schriftstück zurückzusenden (Art 7 II EuZustVO). Nach dem Änderungsvorschlag soll die Monatsfrist künftig allgemein verpflichtend werden.
63
Um die reibungslose Abwicklung von Ersuchen um justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern, hat die EG durch Entscheidung des Rates v 28.5.2001 auch für Zivil- und Handelssachen ein Europäisches Justizielles Netz geschaffen.71 Danach werden in jedem Mitgliedstaat Kontaktstellen geschaffen (Art 2 I [a]), die, unbeschadet der Zuständigkeiten nach der EuZustVO, versuchen sollen, Lösungen für Probleme zu finden, die sich im Zusammenhang mit einem Ersuchen um justizielle Zusammenarbeit stellen (Art 5 II [b]).
64
b) Eher symbolische Bedeutung hat es, dass der Empfangsstaat eine Zustellung (anders als nach Art 13 I HZustÜ) nicht mehr aus Gründen des nationalen ordre public ablehnen darf.72
65
c) Liberalisiert wurde das Übersetzungserfordernis: Art 8 I (b) EuZustVO sieht vor, dass die Empfangsstelle den Empfänger darüber belehrt, dass er die Annahme verweigern darf, wenn das Schriftstück (a) nicht in einer Sprache des Empfangsstaats verfasst oder mit einer entsprechenden Übersetzung versehen ist, oder (b) in einer Amtssprache des Übermittlungsstaats abgefasst ist, die der Empfänger versteht.73 In dieser Sprache muss lediglich das verfahrenseinleitende Schriftstück selbst abgefasst sein; als Anlage beigefügte Beweisunterlagen bedürfen zwar keiner Übersetzung bei der Zustellung, sofern sie nicht für 68 Rauscher/Heiderhoff Art 1 EG-ZustVO Rz 1ff. 69 Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 184; Rauscher/Heiderhoff Art 4 EG-ZustVO Rz 6f. 70 Rauscher/Heiderhoff Art 4 EG-ZustVO Rz 5; krit Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 125. 71 ABl EG Nr L 174/25. 72 Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 184; Stadler IPRax 2001, 514, 515. 73 Zur Zustellung in Steuer- und Zollsachen s EuGHE 2010, I-177 (Kyrian) = IPRax 2010, 528 (dazu A. Dutta, S 504); Lege GPR 2010, 193.
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Verständnis von Gegenstand und Grund der Klage unerlässlich sind.74 Verweigert der Empfänger die Annahme eines fremdsprachigen Schriftstücks, so ist die Übermittlungsstelle des Ursprungsstaats davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen (Art 8 II, 10 EuZustVO). Nach § 1070 ZPO darf der Adressat einer Zustellung von Deutschland ins Ausland die Annahme aufgrund der verwendeten Sprache innerhalb von zwei Wochen ab der Zustellung verweigern. Wird die Annahme berechtigt verweigert, ist die Zustellung unwirksam; das Schriftstück muss mit Übersetzung neu zugestellt werden.75 Die Entscheidung darüber, ob und von wem eine Übersetzung gefertigt wird, 66 liegt nach § 38 II ZRHO bei dem Beteiligten, in dessen Interesse zugestellt werden soll, im Grundfall also beim Kläger. Das Gericht darf daher nicht ohne dessen Zustimmung eine kostenpflichtige Übersetzung anfertigen lassen.76 Nach Art 8 I EuZustVO ist der Empfänger zu belehren, dass er die Annahme 67 verweigern oder das Schriftstück innerhalb einer Woche nach Zustellung mit Hilfe eines Formblattes zurücksenden kann.77 Entsprechend der EuGH-Rechtsprechung kann die Zustellung unter Beifügung einer Übersetzung wiederholt werden. Wirksam zugestellt ist dann erst mit Zustellung der Übersetzung, Fristen werden aber durch den ersten Zustellungsversuch gewahrt (Art 8 III 3 EuZustVO).78 Über die Berechtigung zur Annahmeverweigerung entscheidet das Prozess- 68 gericht, bei dem die Klage eingereicht wurde.79 Damit das Prozessgericht sachgerecht entscheiden kann, empfiehlt es sich für den Kläger, der eine Übersetzung in die Sprache des Empfangsstaats vermeiden will, in der Klage konkrete Anhaltspunkte dafür darzulegen, dass der Empfänger die Sprache des Gerichtsstaats ausreichend kennt.80 Ein Anhaltspunkt ergibt sich etwa aus einer vom Gegner unterschriebenen Vertragsklausel, dass zur Durchführung des entsprechenden Vertrags eine bestimmte Sprache gebraucht wird.81 Hat der Beklagte selbst einen Schriftsatz in deutscher Sprache, der auf hinreichendes Sprachverständnis schließen lässt, eingereicht, so steht ihm kein Recht zur Annahmeverweigerung wegen fehlender Übersetzung zu.82 Doch prüft auch der Vollstreckungsstaat im Rahmen des Art 34 Nr 2 EuGVO, ob ordnungsgemäß zugestellt worden ist.83 Verweigert der Empfänger die Annahme zu Recht, ist die Zustellung schwebend unwirksam. Der Mangel wird aber rückwirkend ge-
74 EuGHE 2008, I-3367 (Ingenieurbüro Weiss/IHK Berlin) = RIW 2008, 462 = NJW 2008, 1721; vgl dazu M. Ahrens NJW 2008, 2817; Hess IPRax 2008, 400. 75 BGH RIW 2007, 213; HkZPO/Saenger § 1070 Rz 5; Brand NJW 2004, 1138, 1139; vgl Sujecki EuZW 2007, 363. 76 OLG Koblenz (20.11.2009, 14 W 763/09) MDR 2010, 101. 77 Vgl Rösler/Siepmann RIW 2006, 512, 513. 78 Vgl Rösler/Siepmann RIW 2006, 512, 514. 79 LG Düsseldorf InstGE 11, 291; Meyer IPRax 1997, 401, 403; krit Schütze RIW 2006, 352, 353 (eigene Entscheidung des Adressaten). 80 Sujecki EuZW 2011, 287, 288. 81 Vgl LG Bonn IPRax 2013, 80 (dazu Würdinger, S 61). 82 LG Düsseldorf InstGE 11, 291. 83 OLG Celle IPRax 2005, 450, 451 (dazu H. Roth, S 438, 439).
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heilt, wenn nachträglich (innerhalb eines Monats nach Mitteilung an die Übermittlungsstelle des Ursprungsstaats) eine Übersetzung übersandt wird.84 69
Art 8 I (b) EuZustVO ist ein erster, aber unzureichender Schritt einer sprachlichen Liberalisierung.85 Nicht geregelt ist, auf wessen Sprachkenntnisse bei der Zustellung an juristische Personen oder Gesellschaften abzustellen ist (auf die Kenntnisse des Vertretungsorgans im Prozess kann es nicht ausschließlich ankommen). Nicht geregelt ist weiter, welches Niveau die Sprachkenntnisse haben müssen. Und schließlich fehlt jede Bereichsausnahme für Handelsbeziehungen, die in der Sprache eines Drittstaats (etwa in Englisch oder Französisch) abgewickelt worden sind.
70
d) Nicht vereinheitlicht sind Zustellungsort, der Kreis der Empfangsberechtigten und die Möglichkeiten der Ersatzzustellung. Nach Art 7 I EuZustVO ist insoweit nach dem nationalen Recht des Empfangsstaats zuzustellen.86 Die Übermittlungsstelle des Ursprungsstaats kann aber (wie nach Art 5 I b HZustÜ 1965) um die Zustellung in einer besonderen Form ersuchen (die mit dem Recht des Empfangsstaats vereinbar sein muss).
71
e) Zustellungszeitpunkt. Wann zugestellt ist, folgt aus dem Recht des Empfangsstaats (Art 9 I EuZustVO), also kommt es zum Schutze des Empfängers auf sein „Umwelt“-recht an.87 Muss die Zustellung nach dem Recht des Ursprungsstaats innerhalb bestimmter Fristen erfolgen, zB zur Hemmung der Verjährungsfrist, so bestimmt sich das Datum der Zustellung nach dem Recht des Ursprungsstaats (Art 9 II).
72
f) Über die Erledigung der Zustellung ist eine Bescheinigung (in der Sprache des Übermittlungsstaats) entsprechend dem Formblatt zu Art 10 EuZustVO auszustellen und an die Übermittlungsstelle zu übersenden.
73
g) Grundsätzlich kann kein Mitgliedstaat von einem anderen die Erstattung von Gebühren oder Auslagen für die Ausführung einer Zustellung verlangen (Art 11 I EuZustVO). Der Verfahrensbeteiligte hat jedoch Auslagen zu bezahlen oder zu erstatten, wenn im Empfangsstaat eine Amtsperson (insb ein Gerichtsvollzieher) bei der Zustellung mitwirkt88 oder eine besondere Zustellform eingehalten wird (Art 11 II EuZustVO). Hier soll künftig Verhältnismäßigkeit der Kosten vorgeschrieben werden.
84 EuGHE 2005, I-9611 (Götz Leffler v Berlin Chemie) = NJW 2006, 491 = JZ 2006, 248 (Rauscher) = IPRax 2006, 151 (dazu Stadler, S 116); vgl Schütze RIW 2006, 352, 354; Rösler/Siepmann NJW 2006, 475. 85 Vgl Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 185, 187; Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 124; Stadler IPRax 201, 514, 517f; G. Geimer S 93ff; Rauscher/Heiderhoff Art 8 EGZustVO Rz 6ff. 86 Rauscher/Heiderhoff Art 7 EG-ZustVO Rz 1. Für Vereinheitlichung Heß NJW 2001, 15, 22. 87 Meyer IPRax 1997, 401, 403; G. Geimer, S 213. 88 Vgl Heß NJW 2002, 2422; Jastrow NJW 2002, 3382.
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6. Direktzustellung durch diplomatische oder konsularische Vertretungen Eine Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg bleibt zulässig, soll aber auf Ausnahmefälle beschränkt werden (Art 12 EuZustVO).
74
Nach Art 13 I EuZustVO dürfen Diplomaten oder Konsuln des Ursprungs- 75 staats, die im Empfangsstaat akkreditiert sind, dort direkt ohne Anwendung von Zwang zustellen. Entsprechend dem in Art 13 II EuZustVO möglichen Vorbehalt lässt Deutschland solche Zustellungen nur zu, soweit der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks Staatsangehöriger des Übermittlungsstaats (Ursprungsstaats) ist (§ 1067 ZPO).
7. Direktzustellung durch die Post Nach Art 14 I EuZustVO kann jeder Mitgliedstaat jeder Person mit Wohnsitz 76 in einem Mitgliedstaat gerichtliche Schriftstücke auch unmittelbar durch die Post zustellen lassen, was die Zustellung an sich beschleunigt und dadurch dem Kläger die Rechtsverfolgung erleichtert.89 Diese postalische Zustellung ist gleichrangig neben der Zustellung im Rechtshilfeweg zugelassen.90 Wird ein Schriftstück sowohl im Rechtshilfeverkehr (nach Art 4ff EuZustVO) als auch auf postalische Weise (Art 14 EuZustVO) zugestellt, so treten die an die Zustellung anknüpfenden Rechtsfolgen mit der ersten wirksam bewirkten Zustellung ein.91 Als wichtige Neuerung gegenüber dem HZustÜ 1965 kann die Direktzustellung durch die Post (unter Postaufgabe im Ursprungsstaat) nicht mehr ausgeschlossen werden. Art 14 II EuZustVO lässt lediglich die Bekanntgabe modifizierender Bedingungen zu.92 Deutschland lässt dementsprechend Direktzustellungen durch die Post nach Deutschland nur in der Versandform des Einschreibens mit Rückschein zu (§ 1068 I ZPO). Zusätzlich muss in Deutschland das zuzustellende Schriftstück in Deutsch 77 abgefasst oder es muss eine Übersetzung in die deutsche Sprache beigefügt sein (§ 1068 II Nr 1 ZPO). Ist der Adressat (Empfänger) Staatsangehöriger des Ursprungsstaats, so genügt eine Abfassung in einer Amtssprache dieses Staats oder die Beifügung einer Übersetzung in eine der Amtssprachen (§ 1068 II Nr 2 ZPO).93
89 Vgl Tsikrikas ZZPInt 8 (2003), 309, 311. 90 EuGHE 2006, I-1417 (Plumex v Young Sports) = NJW 2006, 975 = IPRax 2007, 320 (dazu Heiderhoff, S 293); OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 130, 131; Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 185; Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 123 („Regelform“); Stadler IPRax 2001, 514, 519; aA Heß NJW 2001, 15, 19f. 91 EuGHE 2006, I-147 (Plumex v Young Sports) = NJW 2006, 975. 92 Meyer IPRax 1997, 401, 404; G. Geimer, S 213. 93 Da das Einschreiben verschlossen zugestellt wird, kann der Empfänger zunächst nicht prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Nach der Neufassung von Art 8 IV EuZustVO darf er aber das Schriftstück gem Art 8 I EuZustVO binnen einer Woche zurücksenden, wenn er es sprachlich nicht versteht und es nicht in einer Amtssprache des Empfangsstaats abgefasst ist.
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Ähnliche Regelungen haben auch die anderen EU-Staaten erlassen. Zum Teil findet sich eine Gleichstellung mit den Anforderungen in Art 8 I EuZustVO.94 Wird durch die Post im Ausland zugestellt, ohne dass der Sendung eine Übersetzung beigefügt ist oder der Empfänger (soweit zulässig) über die nötigen Sprachkenntnisse verfügt, ist die Zustellung nicht ordnungsgemäß. Nach Art 8 I, IV EuZustVO muss der Empfänger allerdings den Mangel innerhalb von einer Woche nach der Zustellung durch Rücksendung des Schriftsatzes rügen.
79
Über die Möglichkeit der Annahmeverweigerung bzw der Rücksendung ist der Empfänger ausdrücklich mittels Formblatts zu belehren (Art 8 I, IV EuZustVO) Fehlt die Belehrung, so ist ihm ggf Wiedereinsetzung zu gewähren.95
80
Kann das Einschreiben dem Empfänger tatsächlich nicht zugestellt werden, sondern wird auf dem Postamt hinterlegt und dort nicht abgeholt, muss sich der Adressat nur dann so behandeln lassen, als hätte er das Schriftstück erhalten, wenn er sich treuwidrig verhalten hat. Dies soll bei schlichter Nichtabholung nur der Fall sein, wenn ihm eine Benachrichtigung über die Niederlegung des Schriftstücks tatsächlich zugegangen und darin ein Art 14 I lit d EuVTVO entsprechender Hinweis (auf das gerichtliche Schriftstück und die Zustellungswirkung der Niederlegung) enthalten war.96
8. Unmittelbare Zustellung im Parteiauftrag 81
Wie schon das HZustÜ 1965 (Art 10 [c]) sieht auch Art 15 EuZustVO eine Direktzustellung im Empfangsstaat im Parteiauftrag vor, lässt aber zu, dass die Mitgliedstaaten diese Zustellform für ihr Hoheitsgebiet ausschließen. Eine entsprechende Erklärung hat Deutschland zunächst abgegeben, aber wieder zurückgenommen. § 1071 ZPO, der klarstellte, dass Parteizustellungen aus dem Ausland nach Deutschland unzulässig sind, wurde aufgehoben.
82
Art 7 des deutsch-britischen Abkommens über den Rechtsverkehr v 20.3.1928,97 der eine Direktzustellung durch Beamte des Empfangsstaats zulässt, ist damit in der Sache gegenstandslos. Kläger aus Großbritannien können danach direkt einen deutschen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragen.
83
Die Parteien eines deutschen Verfahrens können gleichwohl die in anderen EU-Staaten zulässige Direktzustellung nicht nutzen, da das deutsche Zivilprozessrecht nur die Amtszustellung kennt (§ 166 II ZPO) und eine Möglichkeit einer Delegation der Zustellung auf die Partei nicht vorsieht.98
94 Vgl Tsikrikas ZZPInt 8 (2003), 309, 322ff. Zu der niederländischen Regelung s OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 130, 131. 95 OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 130, 132 = IPRax 2006, 270 (dazu Rösler/Siepmann S 236); vgl HkZPO/Saenger § 1070 Rz 2. 96 OLG Stuttgart IPRspr 2010 Nr 265, S. 652 (Tz. 26ff). 97 RGBl II 623; Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 186. 98 Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 186; krit Heß NJW 2001, 15, 21.
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Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965
§8
9. Heilung von Zustellungsmängeln Ebenso wie das HZustÜ 1965 regelt die EuZustVO nicht direkt, ob ein Zustel- 84 lungsmangel heilt, wenn der Empfänger das Schriftstück tatsächlich erhalten hat.99 Eine angemessene Lösung ergibt sich aber seit dem 1.3.2002 aus dem neu gefassten Art 34 Nr 2 EuGVO. Denn danach kommt es für die Anerkennung eines Versäumnisurteils nur noch darauf an, ob das verfahrenseinleitende Schriftstück so rechtzeitig zugestellt wurde, dass sich der Empfänger verteidigen konnte. Außerdem darf es dem Beklagten nicht möglich gewesen sein, gegen die Entscheidung die ihm zugestellt wurde, ein Rechtsmittel einzulegen (s u § 12 Rz 51ff).100 Entsprechendes folgt sinngemäß auch aus Art 19 I lit b EuZustVO.101 Formelle Fehler bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks werden künftig meist also irrelevant sein. Auch im Rahmen des Art 15 I (b), II (c) EheGVO kommt es nicht mehr auf die formelle Ordnungsmäßigkeit der Zustellung an. Verstöße gegen das Übersetzungserfordernis können durch Nachreichung einer Übersetzung heilen (s o Rz 67).
III. Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965 1. Einführung Das HZustÜ 1965102 ist für die Bundesrepublik Deutschland am 26.6.1979 in 85 Kraft getreten.103 Vertragspartner des Zustellungsübereinkommens sind neben Deutschland: Ägypten, Albanien (seit 1.7.2007), Antigua und Barbuda, Argentinien (seit 1.12.2001), Bahamas, Barbados, Belgien, Bosnien und Herzegowina (seit 1.2.2009), Botsuana, Bulgarien (seit 1.8.2000), China, Dänemark, Estland (seit 1.10.1996), Finnland, Frankreich, Griechenland, Hongkong (chinesische Sonderverwaltungsregion) (seit 1.7.1997), Indien (seit 1.8.2007), Irland, Island (seit 1.7.2009), Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea (seit 1.8.2000), Kroatien (seit 1.11.2006), Kuwait (seit 1.12.2002), Lettland, Litauen (seit 1.6.2001), Luxemburg, Malawi, Mazedonien (seit 1.9.2009), Mexiko (seit 1.6.2000), Monaco (seit 1.11.2007), Montenegro (seit 1.9.2012), die Niederlande, Norwegen, Pakistan, Polen (1.9.1996), Portugal, Rumänien (seit 1.4.2004), Russische Föderation (seit 1.12.2001), San Marino (seit 1.11.2002), Schweden, die Schweiz, Seychellen, Slowakische Republik, Slowenien (seit 1.6.2001), Spanien, Sri Lanka (seit 1.6.2001), Tschechische Republik, Türkei, Ukraine (seit 1.12.2001), Ungarn (seit 1.4.2005), Venezuela, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland (zugleich für Anguilla, Bermuda, British Honduras, British Salo99 U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 309; krit Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 120f, 129ff; Stadler IPRax 2001, 514, 520. 100 Lindacher ZZP 114 (2001), 179, 192; Gottwald, FS Schumann, 2001, S 149, 155ff. 101 U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 310. 102 BGBl 1977 II, 1453. 103 BGBl 1979 II, 779.
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Internationale Zustellungen
mon Islands Protectorate, British Virgin Islands, Cayman Islands, Central and Southern Line Islands, Falkland Islands, Fiji, Gibraltar, Gilbert and Ellise Islands, Guernsey, Isle of Man, Jersey, Montserrat, Pitcairn, St. Christopher and Nevis, St. Helena, St. Lucia, St. Vincent, Turks and Caicos Islands), Vereinigte Staaten von Amerika (auch für Guam, Puerto Rico, Virgin Islands und Nördliche Marianen), Weißrussland (seit 1.2.1998), Zypern. 86
Das HZustÜ gilt nach Art 1 I für die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen, der streitigen wie der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gerichtliche Schriftstücke rühren aus einem eingeleiteten Verfahren her oder dienen seiner Einleitung; außergerichtliche Schriftstücke stehen mit keinem Gerichtsverfahren in Verbindung, dürfen aber dennoch nur amtlich übermittelt werden.104
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Das Haager Zustellungsübereinkommen findet nur auf Auslandszustellungen Anwendung. Jeder Staat entscheidet frei nach seinem eigenen Prozessrecht (lex fori), ob eine Auslandszustellung notwendig ist oder nicht.105
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Die Regeln über die öffentliche Inlandszustellung gelten nach § 185 ZPO nur (1) bei unbekanntem Aufenthalt, (2) wenn die notwendige Auslandszustellung unausführbar oder nicht erfolgversprechend ist,106 (3) wenn die Wohnung einer immunen Person Zustellungsort wäre. Unbekannt ist der Aufenthalt nur, wenn auch eine Anschrift im Ausland nicht bekannt und in zumutbarer Weise nicht ermittelbar ist.
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Nicht ausführbar ist die Auslandszustellung, wenn der Wohnsitzstaat keine Rechtshilfe gewährt. Die bloße Langwidrigkeit der Auslandszustellung allein rechtfertigt das Ausweichen auf die öffentliche Zustellung nicht. Zustellfristen bis zu zwei Jahren sind hinzunehmen.107
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Eine Auslandszustellung ist entbehrlich, wenn die Partei einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten besitzt. Ausländische Autohersteller, die Kfz in die USA importieren, haben für Klagen des Attorney General wegen Sicherheitsmängeln gem 49 USC § 30163 (v 5.7.1994) einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen (49 USC § 30164). Solche Klagen werden dann an den Bevollmächtigten, hilfsweise an den Secretary of Transportation zugestellt. Schon zur früheren Regelung nach 15 USC § 1399 (e) war entschieden worden, dass sich diese Regelung nur auf Streitigkeiten nach diesem Gesetz bezieht, es sich aber nicht um einen allgemeinen Zustellungsbevollmächtigten handelt.108
104 Beispiele bei Pfeil-Kammerer, S 44ff. 105 Otto, Der prozessuale Durchgriff, S 111f; Schlosser RdC 284 (2000), 93; Otto, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HZÜ Rz 5ff. 106 Vgl Bindseil NJW 1991, 3071. 107 AG Bad Säckingen FamRZ 1997, 611. 108 Law v BMW AG, 449 NYS 2d 733 (1982).
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In ähnlicher Weise kann in Deutschland nach § 184 I 2, II ZPO an die Aus- 91 landspartei, die keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten bestellt, durch Aufgabe zur Post zugestellt werden.109 Nach § 184 I 1 ZPO muss die Bestellung des Zustellungsbevollmächtigten aber ausdrücklich gerichtlich angeordnet werden. Außerdem ist die Auslandspartei nach § 184 II 3 ZPO nunmehr auf diese Folgen der Untätigkeit hinzuweisen. Die von § 184 II 2 ZPO angeordnete Zustellungsfiktion verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art 12 I EGV (Art 18 AEUV).110 Geht der Brief verloren oder kommt er nur mit erheblicher Verzögerung an, so ist der Partei freilich aus rechtsstaatlichen Gründen Wiedereinsetzung zu gewähren; das Unterlassen der Bestellung des Zustellungsbevollmächtigten schadet nicht.111 Überwiegend wird in den USA angenommen, im Wege des „piercing the corpo- 92 rate veil“ könne die Zustellung an eine ausländische Gesellschaft zur Begründung eines inländischen Verfahrens an eine Tochtergesellschaft als involuntary agent im Inland erfolgen.112 Das Haager Zustellungsabkommen wollte die prinzipiellen Unterschiede zwi- 93 schen der Einordnung der Zustellung als Hoheitsakt oder als Privatakt überwinden, den alten konsularischen Weg des Übereinkommens von 1954 durch einen kürzeren ersetzen, den Belangen des anglo-amerikanischen Rechtskreises stärker entgegenkommen, und Nachteile beseitigen, die einem Beklagten im Ausland durch das System der „remise au parquet“ entstehen können (dabei handelt es sich ua um Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Italien, Griechenland113). Gegenüber dem diplomatischen oder konsularischen Weg ist die Zustellung 94 über „Zentrale Behörden“ oder im direkten Behördenverkehr sicherlich ein Fortschritt gewesen. Jedoch wird das Übereinkommen heute weder den Bedürfnissen des interna- 95 tionalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs noch der Praxis der internationalen Nachrichtenübermittlung durch Telefax, E-Mail oder online-Verbindungen gerecht. Die vorgeschriebenen Förmlichkeiten, insb die Notwendigkeit, alle Dokumente in die Sprache des Empfängerstaats zu übersetzen, verursachen hohe, vielfach unnötige Kosten. Soweit kein direkter Behördenverkehr vereinbart ist, sind die Übermittlungswege bei weitem zu langsam.114 Es ist deshalb kein 109 Vgl BGHZ 98, 263 = IPRax 1988, 159; Pfeil-Kammerer, S 41f; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland, S 163. 110 Vgl BGH NJW 1999, 1871, 1872. 111 BGH NJW 2000, 3284, 3285. 112 So gebilligt vom US Supreme Court, in Volkswagen AG v Schlunk, 486 US 694, 108 S.Ct. 2104, 56 USLW 459 (1988); vgl Volken, Liber amicorum Droz, 1996, S 521, 529ff; krit Gottwald, FS Habscheid, 1989, S 119, 124; Schütze RIW 2005, 579, 581f; s aber Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 12.6 (p 583, delivery to a managing agent); s o Rz 24, 30. 113 Vgl Gavalda Rev.crit. 1964, 15, 20; Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, 1965, S 159; Art 135 und 137 griech. ZPO. 114 Vgl Rahm/Künkel/Breuer, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, 4. Aufl (Lfg 31, 1997), Rz VIII 42.
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Wunder, dass der internationale Handel auf Schiedsgerichte ausweicht, bei denen alle diese Hürden nicht bestehen und dennoch am Ende eine Vollstreckung des Schiedsspruchs durch ein staatliches Gericht garantiert wird (s u § 18 Rz 6ff, 229f). Wird auf elektronischem Wege ein Großteil der Handelskorrespondenz und des internationalen Zahlungsverkehrs abgewickelt und können Schriftsätze (Klagen) bei Gericht per Fax eingereicht werden, müssen auch die nächsten prozessualen Schritte an die veränderten Verhältnisse angepasst werden.115 96
Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten tritt das Haager Zustellungsübereinkommen an die Stelle der Artikel 1 bis 7 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess v 1.3.1954 (Art 22). Nach Art 24 sind Zusatzvereinbarungen zu dem Haager Abkommen bzw Übereinkommen auch bei dem Haager Zustellungsübereinkommen anzuwenden, es sei denn, dass die beteiligten Staaten etwas anderes vereinbaren. Das ist von deutscher Seite nicht geschehen.116 Da im Verhältnis Deutschlands zu Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz und der Tschechischen Republik der unmittelbare Geschäftsverkehr besteht, wird der internationale Zustellungsverkehr, auch nachdem alle genannten Staaten dem Haager Zustellungsübereinkommen beigetreten sind, in den meisten Fällen nicht über die Zentrale Behörde, sondern auf direktem Weg (aber unter Einschaltung der Prüfungsstelle für ausgehende Ersuchen) abgewickelt. Nach Art 25 bleiben von dem Haager Zustellungsübereinkommen andere Übereinkommen, denen die Vertragsstaaten angehören, unberührt (s u Rz 158ff).
97
Direkten Behördenverkehr bei der Zustellung zwischen EU-Staaten sieht nunmehr Art 4 I EuZustVO vor.
98
Das Haager Zustellungsübereinkommen gilt für Zivil- oder Handelssachen. Dieser Begriff ist im Haager Zustellungsübereinkommen selbst nicht definiert. Zweifelhaft ist daher, ob der Begriff nach dem Recht des ersuchenden oder des ersuchten Staats zu verstehen ist oder beide Rechte kumulativ anzuwenden sind. In der Praxis hat es Probleme gegeben. Die USA sehen auch Verwaltungsstreitigkeiten als „Zivilsachen“ an,117 während die europäischen Staaten zB Zustellungen von Klagen der „Environmental Protection Agency“ oder der „International Trade Commission“ abgelehnt haben. Umgekehrt sieht Ägypten Familiensachen nicht als Zivilsachen an.118 Um zufällige Ergebnisse zu vermeiden, erscheint eine vertragsautonome Auslegung am sachgerechtesten, obgleich es keine zentrale Auslegungsinstanz gibt.119 Diese legt jedenfalls eine liberale Praxis nahe. Eine Klage vor einem US-Gericht auf Leistung von puni-
115 116 117 118 119
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Vgl Gottwald, FS Schütze, S 225. BT-Drucks 8/217 v 22.3.1977, 41. Pfeil-Kammerer, S 33ff. Vgl Clark AmJCompL 42 (Suppl.) (1994), 23, 28. Expertenkommission der Haager Konferenz, RabelsZ 54 (1990), 364, 366; für alternative Qualifikation Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HZÜ Rz 2.
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tive damages fällt danach unter das Haager Zustellungsübereinkommen;120 ebenso eine class action nach FRCP 23.121 Für Verwaltungssachen ist die Rechtshilfe bei der Zustellung geregelt im Euro- 99 päischen Übereinkommen v 24.11.1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland,122 im Verhältnis zu Österreich gilt der Deutsch-österreichische Vertrag v 31.5.1988 über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen.123 Der Begriff der Zustellung wird ebenfalls nicht definiert. Der deutsche Text 100 spricht von der „Zustellung“, der englische von „service“, der französische von „signification“ und „notification“. Die doppelte französische Bezeichnung ist notwendig mit Rücksicht auf die der „remise au parquet“ folgenden Länder. Das Übereinkommen erfasst danach nicht nur die eigentliche Zustellung, sondern auch die Übermittlung („notification“) der Abschrift eines per „remise au parquet“ zugestellten Schriftstücks, zB in Frankreich nach Art 684 CPC.124 Der in Art 15, 16 HZustÜ vorgesehene Beklagtenschutz setzt die Anwendbarkeit des HZustÜ auf die notification voraus.125 Allerdings dient die Absendung einer Kopie per Post an den Empfänger nur der Information des Empfängers, Fehler bei der Briefübersendung beeinträchtigen nicht die Zustellung.126
2. Die Übermittlungswege für Zustellungsersuchen Primär erfolgt die Zustellung mittels Ersuchens an die ausländische Behör- 101 de.127 Im Gegensatz zu dem Haager Übereinkommen 1954 ist ein neuer Übermittlungsweg dadurch geschaffen worden, dass jeder Vertragsstaat verpflichtet ist, eine Zentrale Behörde – für Bundesstaaten mehrere – einzurichten, die Zustellungsanträge aus anderen Vertragsstaaten entgegennimmt und das Erforderliche veranlasst. Durch Vereinheitlichung des Übermittlungsweges und der dabei einzuhaltenden Formen sollte die Zustellung gegenüber dem diplomatischen oder konsularischen Weg vereinfacht und beschleunigt werden. Der durch bilaterale Zusatzabkommen vereinbarte direkte Verkehr zwischen den Justizbehörden (s u Rz 144) bleibt ebenfalls weiter zulässig. In Deutschland hat jedes Land eine Zentrale Behörde eingerichtet (§ 1 AusfG). Meist ist dies das Landesjustizministerium, teilweise ist die Zuständigkeit delegiert, etwa in Bayern auf den Präsidenten des Oberlandesgerichts München, in Bremen auf 120 BVerfG NJW 1995, 649; OLG Düsseldorf RIW 2006, 629; OLG München NJW 1992, 3113 = ILPr 5 (1994), 7. 121 OLG Frankfurt RIW 1991, 417; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HZÜ Rz 3; Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356, 358ff; aA OLG Koblenz IPRax 2006, 25 (abl Piekenbrock S 4, 7f); s u Rz 118, 121. 122 BGBl 1981 II, 535. 123 BGBl 1990 II, 357. 124 Pfeil-Kammerer, S 39ff. 125 OLG Koblenz RIW 1988, 476; Otto, S 113ff. 126 Vgl OLG Oldenburg EuZW 1992, 64. 127 Pfeil-Kammerer, S 85ff.
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den Präsidenten des Landgerichts, in Hamburg auf den Präsidenten des Amtsgerichts. Die deutschen Prüfstellen (§ 9 I, II ZRHO) senden Zustellungsersuchen direkt auf dem Postweg an die Zentrale Behörde des Landes, in dem zugestellt werden soll, soweit nicht der direkte Behördenverkehr vereinbart ist (Art 11 HZustÜ) (s u Rz 143 f). 102 Der Zustellungsantrag wird nach Art 3 I HZustÜ von der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Beamten des Ursprungsstaats gestellt. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Recht des Prozessgerichts. In Deutschland ordnet der Vorsitzende des Prozessgerichts die Form der Auslandszustellung an; bei § 183 I Nr 1 ZPO führt sie die Geschäftsstelle, sonst die Justizverwaltung aus.128 In den USA sind die Anwälte selbst antragsberechtigt.129 103 Eine wesentliche Verbesserung liegt darin, dass die Zustellungsanträge nach einem einheitlichen Muster (Art 3 I HZustÜ) gestellt werden.130 Nach Art 7 müssen die Formblätter in englischer oder französischer Sprache abgefasst sein. Sie können außerdem in einer Sprache des Ursprungsstaats abgefasst sein. Diesen formularmäßigen Ersuchen werden die zuzustellenden Schriftstücke beigefügt. Die Zentrale Behörde stellt entweder selbst zu oder veranlasst die Zustellung nach den Vorschriften des ersuchten Staats oder auf Wunsch des Ursprungslandes in einer besonderen Form, wenn diese mit den Gesetzen des ersuchten Staats vereinbar ist (Art 5 HZustÜ). Insoweit hat sich hinsichtlich der Ausführung der Zustellung gegenüber dem Haager Übereinkommen nichts geändert. 104 Eine weitere wesentliche Verbesserung gegenüber früheren Verträgen liegt darin, dass die Zentrale Behörde über die erfolgte Zustellung ein Zustellungszeugnis nach einem festgelegten Muster erteilt, das sie der ersuchenden Stelle unmittelbar zusendet (Art 6 HZustÜ). Für dieses Muster gelten dieselben Sprachvorschriften wie für die Zustellungsersuchen. Stellt die Zentrale Behörde formelle Mängel fest, muss sie das der ersuchenden Stelle sofort mitteilen. Auch wenn dies nicht geschieht, macht die Erteilung des Zustellungszeugnisses eine sonst unwirksame Zustellung nicht gültig.131 An die Stelle der Legalisation des Zeugnisses tritt die Apostille, die die zuständige Behörde des Errichtungsstaats auf der Urkunde anbringt. Das Zustellungszeugnis wird der ersuchenden Stelle direkt übersandt (Art 6 IV HZustÜ). 105 Die Zustellung kann formlos erfolgen, wenn der Empfänger persönlich oder ein Zustellungsbevollmächtiger132 zur Annahme bereit ist (Art 5 HZustÜ).133 Entsprechendes gilt für die Annahme durch einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter (§ 171 ZPO).134 128 129 130 131 132 133 134
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MüKo/Häublein, § 183 ZPO Rz 5. Vgl Pfeil-Kammerer, S 93ff. Schlosser RdC 284 (2000), 97. BGH EWS 1993, 258, 259 = RIW 1993, 673. OLG Saarbrücken RIW 1993, 419. Vgl Schütze RIW 2000, 20. Otto, S 167f.
Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965
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Bei formloser Zustellung wird die Zustellung wirksam durch einfache Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks bewirkt; einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks in die deutsche Sprache bedarf es dann nicht135 (Art 5 II HZustÜ; § 3 AusfG v 22.12.1977136). Die formlose Zustellung ist stets zulässig, wenn die ersuchende Behörde keine 106 andere Art der Zustellung gewünscht hat (Art 5 II HZustÜ). Die formlose Zustellung setzt aber eine freiwillige Entgegennahme durch den Empfänger oder seinen Bevollmächtigten voraus. Da der Empfänger dazu zum Gericht vorgeladen, über sein Annahmeverweigerungsrecht belehrt werden und ihm Gelegenheit gegeben werden muss, sich das Schriftstück anzusehen (§ 113 III ZRHO), ist die Regelung unnötig kompliziert. Warum der Empfänger die Annahme verweigert, ist irrelevant; er muss keine billigenswerten Gründe vorbringen.137 Bleibt die formlose Zustellung mangels Annahmebereitschaft erfolglos, muss die Auslandszustellung wiederholt werden, sofern eine förmliche Zustellung nicht von Anfang an hilfsweise beantragt wurde.138 Wesentlich praktikabler ist das österreichische Recht. Danach wird auch ein 107 ausländisches, fremdsprachiges Schriftstück durch die Post mit Rückschein zugestellt (§§ 12 I, 5 I ZustG). Die Annahmebereitschaft des Empfängers wird dabei gem § 12 II (2. Halbs) ZustG unterstellt, „wenn er nicht binnen drei Tagen gegenüber der Behörde, die das Schriftstück zugestellt hat, erklärt, dass er zur Annahme nicht bereit ist; diese Frist beginnt mit der Zustellung zu laufen und kann nicht verlängert werden.“
Die Zustellung kann förmlich erfolgen, und zwar in einer Form, die das Recht 108 des ersuchten Staats für Inlandszustellungen kennt (Art 5 [1] [a]). Wird der Empfänger nicht angetroffen, erscheint er nicht bei Gericht oder verweigert er die Annahme, muss förmlich zugestellt werden. Die Zustellung an eine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person ist stets Ersatzzustellung (§ 178 I Nr 2 ZPO). Gleiches gilt, soweit eine inländische Gesellschaft kraft Rechtsscheins als Geschäftslokal der ausländischen Muttergesellschaft erscheint, für Zustellungen an die Mutter.139 Die förmliche Zustellung ist nur zulässig und wirksam, wenn ihr in allen Fäl- 109 len Übersetzungen der zuzustellenden Schriftstücke in die deutsche Sprache beigefügt sind (§ 3 AusfG z. HZustÜ). Fehler der Übersetzung sind so lange unschädlich, wie der Empfänger erkennen kann, wer mit dem Schriftstück wel135 BGH NJW 1991, 641; OLG Saarbrücken RIW 1993, 418, 419; OLG Düsseldorf RIW 1999, 464. 136 BGBl I, 3105. 137 LG München II IPRax 1998, 477 (dazu Hau, S 456). 138 Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 117. Um Zeitverlust und eine drohende Verjährung zu vermeiden, empfehlen Brand/Reichhelm IPRax 2001, 173, 177, diesen Antrag stets zu stellen. 139 Otto, S 170ff.
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chen Zweck verfolgt und was er dagegen zu seiner Verteidigung tun kann.140 Auf die Sprachkenntnisse des Empfängers kommt es nach hM nicht an.141 Manche Autoren sehen es freilich als unbeachtlichen Rechtsmissbrauch an, wenn ein sprachkundiger Adressat die Entgegennahme ohne Übersetzung ablehnt.142 Das zwingende Übersetzungserfordernis wird den Bedürfnissen des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs freilich in keiner Weise gerecht. Ein solcher Schutz international tätiger Unternehmen ist sachwidrig, verursacht sinnlose Kosten und verzögert das Verfahren. Von US-Seite wird dies zu Recht betont.143 Zu Recht wird darauf verwiesen, dass es jedenfalls im Handelsverkehr genügen müsse, wenn die übliche Geschäftssprache benutzt wird oder eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts der Klage in Übersetzung beigefügt werde. Da solche überzogenen Schutzregeln für Schiedsverfahren nicht bestehen (s u § 18 Rz 6, 88), ist es kein Wunder, dass Parteien soweit wie möglich auf die Schiedsgerichtsbarkeit ausweichen. 110 Die Zustellung kann förmlich erfolgen, und zwar auf Wunsch der ersuchenden Stelle in einer anderen „besonderen gewünschten Form“, es sei denn, diese ist mit dem Recht des ersuchten Staats unvereinbar (Art 5 [1] [b] HZustÜ). Auch diese Regelung ist unnötig kompliziert und erschwert eine klare Beurteilung, ob eine bestimmte Zustellung ausgeführt werden wird und ob sie ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Verlangt das ausländische Gericht eine besondere Form der Zustellung nach Art 5 I (b) HZÜ 1965, so ist diese voll einzuhalten; eine Übersetzung ist mit zuzustellen.144 Die freiwillige Empfangnahme nach Art 5 II HZÜ 1965 durch einen Prozessbevollmächtigten heilt den Mangel nicht.145 111 Nach Art 8 steht es jedem Vertragsstaat frei, Personen, die sich im Ausland befinden, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter ohne Anwendung von Zwang zustellen zu lassen. Jeder Staat kann allerdings erklären, dass er einer solchen Zustellung in seinem Hoheitsgebiet widerspricht, außer wenn das Schriftstück einem Angehörigen des Ursprungsstaats zuzustellen ist. Diesen Widerspruch haben neben Deutschland (§ 6 S 1 AusfG) Ägypten, Belgien, Bulgarien, China, Frankreich, Griechenland, Indien, Korea, Kroatien, Kuwait, Lettland, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, Mexiko, Monaco, Norwegen, Pakistan, Polen, Portugal, Rumänien, die Russische Föderation, San Marino, die Schweiz, die Slowakei, Sri
140 OLG Nürnberg IPRax 2006, 38 (dazu Wilske/Krapfl, S 10). 141 Vgl BGHZ 120, 305, 310 = NJW 1993, 598, 599; BGH RIW 1990, 1010; OLG Koblenz RIW 1991, 860f; OLG Düsseldorf RIW 1999, 464 = IPRax 2000, 307 (dazu Hüßtege, S 289); vgl Pfeil-Kammerer, S 99ff; G. Geiger, S 89ff. 142 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl 2009, Art 5 HZÜ Rz 7. 143 Vgl Bankston v Toyota Motor Corp., 889 F. 2d 172 (8th Cir. 1989) – Übersetzung englischer Dokumente ins Japanische. 144 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 5 HZÜ Rz 5. 145 Vgl BGH MDR 1976, 310.
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Lanka, die Tschechische Republik, die Türkei, die Ukraine, Ungarn und Venezuela erklärt. Danach können Konsuln in Deutschland nur an eigene Staatsbürger zustellen; eine zusätzliche deutsche Staatsangehörigkeit schadet nicht.146 Die deutschen Konsulate in den USA dürfen dagegen allgemein auch an USBürger oder corporations zustellen.147 Statt durch die Zentralen Behörden kann jeder Vertragsstaat ein gerichtliches 112 Schriftstück den Behörden des anderen Vertragsstaats auch auf konsularischem Weg (Art 9 I HZustÜ) oder, in außergewöhnlichen Fällen, auf diplomatischem Weg (Art 9 II HZustÜ) übermitteln (indirekter konsularischer oder diplomatischer Weg148). Nach Art 10 wird, sofern der Bestimmungsstaat keinen Widerspruch erklärt, nicht ausgeschlossen,
113
„a) dass gerichtliche Schriftstücke im Ausland befindlichen Personen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, b) dass Justizbeamte, andere Beamte oder sonst zuständige Personen des Ursprungsstaates Zustellungen unmittelbar durch Justizbeamte, andere Beamte oder sonst zuständige Personen des Bestimmungsstaates bewirken lassen dürfen, c) dass jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke unmittelbar durch Justizbeamte, andere Beamte oder sonst zuständige Personen des Bestimmungsstaates bewirken lassen darf.“149
Leider hat die Bundesrepublik Deutschland von dem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht (§ 6 S 2 AusfG) und damit einen in der Praxis häufigen und bequemen Zustellungsweg für unzulässig erklärt.150 Der deutsche Vorbehalt wollte der früheren amerikanischen Praxis, Zustellungen durch einfachen Postbrief vorzunehmen, vorbeugen. Danach ist eine Zustellung durch Übersendung durch die Post in Deutschland 114 unzulässig.151 Hieran hat das Zustellungsreformgesetz v 25.6.2001 nichts geändert; der Vorbehalt gegenüber Art 10a HZÜ ist bisher nicht zurückgenommen worden.152 Japan hat zwar einen Widerspruch nur zu b) und c) erklärt; aber die japanische 115 Regierung hat als offizielle Meinung im Jahr 1989 erklärt, „Art 10 (a) HZustÜ bedeutet nur, dass eine Zusendung durch die Post als Beeinträchtigung des japanischen Hoheitsrechts nicht angesehen wird, nicht aber dass die japanische Regierung die Zusendung durch die Post als eine neue Art der wirksamen Zu146 147 148 149 150
Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 8 HZÜ. Vgl Pfeil-Kammerer, S 114; s u Rz 118. Vgl Pfeil-Kammerer, S 114ff. Zur Auslegung s Jacklin 112 ALR Fed 241 (1993). Vgl OLG Düsseldorf RIW 2004, 389 = IPRax 2005, 148; OLG Hamm FamRZ 2004, 1593 (abl Schack) = IPRax 2005, 146; aA Fogt/Schack IPRax 2005, 118. 151 Vgl BGHZ 120, 305, 309 = NJW 1993, 598; OLG Karlsruhe RIW 1994, 1046/48; OLG Köln VersR 1991, 247 = RIW 1990, 668; Pfeil-Kammerer, S 119ff. 152 Hierfür Linke, in: Gottwald, Grundfragen, S 95, 123.
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stellung anerkennt“. Trotz dieser Erklärung ist es unklar, ob die direkte Übersendung der Klageschrift durch die Post völlig unzulässig ist. Zumindest könnte die Zusendung durch die Post nicht als zulässige Zustellung angesehen werden, wenn der Klageschrift keine Übersetzung beigelegt ist oder wenn der japanische Beklagte nicht rechtzeitig von der Einleitung des Verfahrens Kenntnis erlangen kann.153 116 Art 10 wollte den Gepflogenheiten der anglo-amerikanischen Praxis entgegenkommen, Zustellungen auf privatem Wege zu bewirken. Da Deutschland aber nicht zulassen will, dass Zustellungen in seinem Hoheitsgebiet auf den in Art 10 aufgeführten Wegen bewirkt werden, verbleibt es im Verhältnis zu den Staaten, für die das deutsch-britische Abkommen gilt, bei den Ausführungen zu Rz 161ff. Es kommt aber der Weg über die Zentralen Behörden hinzu. 117 Ist die Postzustellung nach dem Recht des Prozessgerichts zulässig, verletzt aber wegen des deutschen Widerspruchs das HZustÜ, kann dieser Fehler bereits vor dem Prozessgericht gerügt werden. Wird trotzdem ein Versäumnisurteil erlassen, scheitert dessen Inlandsvollstreckung uU an § 328 I Nr 2 ZPO bzw an Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ (s u § 12 Rz 44, 47ff und 161ff). 118 Die USA haben einer Postzustellung nicht widersprochen. Nach der Reform des deutschen Zustellungsrechts kann eine Klage auch per Post an einen USEmpfänger gesandt werden. Nach § 183 I Nr 1 u. 2 ZPO erfolgt die Auslandszustellung entweder (Nr 1) durch die Post per Einschreiben mit Rückschein, oder (Nr 2) im Rechtshilfewege (a) durch die Behörden des fremden Staats oder (b) durch die diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes. Wird ein deutscher Konsul ersucht, darf er die Klage per US-Post an den Beklagten schicken und stellt darüber ein Zustellungszeugnis (§ 183 II 2 ZPO) aus.154 Beide Arten der Zustellung werden in den USA anerkannt.155 Nach der Zulassung der direkten Postzustellung hat das Gericht darüber zu befinden, ob die Wahl des konsularischen oder gar diplomatischen Weges im Einzelfall sachgerechter erscheint. 119 Allerdings wurde in Bankston v Toyota Motor Corp.156 entschieden, dass Art 10 (a) HZustÜ keine „Zustellungen“ gestattet. Denn darin sei nur von „Übersenden“ („send“) die Rede, nicht aber wie sonst im Übereinkommen von „Zustellung“ („service“). Das Gericht sah deshalb die Übersendung der Klageschrift per Einschreibbrief mit Rückschein (ohne Übersetzung ins Japanische) von Arkansas nach Tokio als unwirksam an, obwohl Japan dem Verfahren nach Art 10 (a) HZustÜ nicht widersprochen hat. Das Gericht war der Ansicht, Art 10 (a) HZustÜ gestatte nur die Übersendung späterer Schriftstücke auf diese Weise, nicht aber die Zustellung einer Klage. Die Haltung der US-Ge-
153 Kojima, Law and Contemp. Problems, 57 (1994), 59, 72; Takeshita ZZPInt Bd 1 (1996), 305, 312. 154 AA Kondring RIW 1996, 722, 723; allseitige Wirkung des deutschen Widerspruchs. 155 Ackermann v Levine, 788 F. 2d 830 (NY). 156 889 F. 2d 172 (8th Cir. 1989).
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Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965
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richte ist insgesamt aber gespalten.157 De lege ferenda wird der Vorbehalt gegenüber der Postzusendung weiterhin (zu Recht) kritisiert.158 In den Vereinigten Staaten wird die Zustellung nicht als ein hoheitlicher Akt 120 angesehen. Es ist deshalb früher wiederholt versucht worden, an deutsche Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland durch einfachen Postbrief zuzustellen. Inzwischen hat sich in den USA zwar die Ansicht durchgesetzt, dass förmliche Zustellungen im Ausland gegenüber Vertragsstaaten nur auf den im Haager Zustellungsübereinkommen vorgesehenen Wegen ausgeführt werden dürfen.159 Durch die Neufassung von FRCP 4 (f) (1) zum 1.1.1993 ist jedenfalls für die Bundesgerichte eindeutig klargestellt, dass ein nach dem HZustÜ zulässiger Weg einzuhalten ist (s o Rz 28). Praktisch wird aber häufig versucht, das „lästige“ Verfahren nach dem HZustÜ durch die Bitte um Zustellungsverzicht (s o Rz 22ff) zu umgehen. Außerdem ist streitig, welche Bedeutung FRCP 4 (f) (3) hat. Danach kann die Klage statt mittels des HZustÜ alternativ „by other means not prohibited by international agreement as may be directed by the court“ zugestellt werden. Richtigerweise verbietet das Haager Übereinkommen jede andere Form der Zustellung; auch Art 15 III HZustÜ eröffnet eine solche Möglichkeit nicht. Die Regel kann daher nur im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten Anwendung finden.160 Leider kann das Haager Zustellungsübereinkommen durch Zustellungen innerhalb der USA unterlaufen werden, insb durch Zustellung an eine Tochtergesellschaft als „unfreiwillige Vertreterin“ (involuntary agent).161
3. Ablehnungsgründe Die Zentrale Behörde des Empfangsstaats ist grds verpflichtet, dem Ersuchen 121 nachzukommen.162 Nach Art 13 HZustÜ kann die Erledigung eines Zustellungsantrags nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.163 Diese Ablehnungsgründe beziehen sich zwar auf das durch die Zustellung zu fördernde Gerichtsverfahren. Sie sind aber wesentlich enger als ein allgemeiner ordre public-Vorbehalt. Gegenüber dem Haager Übereinkommen 1954 sind sie zudem dadurch eingeschränkt worden, dass die Erledigung nicht allein aus dem Grund abgelehnt werden darf, dass der ersuchte Staat nach seinem Recht die ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte für die Sache in Anspruch nimmt oder ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für das der Antrag
Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed, § 12.7, note 3. J. Weis, Service by Mail, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 165. Vgl Heidenberger RIW 1988, 683; Junker JZ 1989, 121. S auch Siegel, in USCA, Pocket Part 1995, Rule 4, C 4–24, p 69; Born/Vollmer, 150 F.R.D. 221, 240 (1994). 161 Vgl US Supreme Court Volkswagen AG v Schlunk (s o Rz 28); Heidenberger RIW 1988, 567. 162 Schlosser RdC 284 (2000), 98ff. 163 Pfeil-Kammerer, S 60ff; Greger, 1. Erlanger FS Schwab, S 331, 336ff; W. zur Nieden, S 67ff, 132ff.
157 158 159 160
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gestellt wird. Die Zustellung einer amerikanischen class action an einen deutschen Beklagten kann daher grds nicht verweigert werden.164 122 Für die Auslegung der Gefährdung der Hoheitsrechte oder der Sicherheit des ersuchten Staats hat sich gegenüber dem HZÜ 1954 im Übrigen nichts geändert (s u Rz 149 f). 123 Die Zustellung einer Klage, mit der Strafschadenersatz (punitive damages) nach US-amerikanischem Recht geltend gemacht wird, verstößt nicht gegen Art 13 HZÜ. Sie ermöglicht die geordnete Einleitung eines Verfahrens und verstößt daher weder gegen die allgemeine Handlungsfreiheit noch das Rechtsstaatsprinzip. Im Gegenteil würde die Rechtsstellung eines deutschen Beklagten verschlechtert, wenn Deutschland bereits die Mitwirkung bei der Zustellung einer solchen Klage verweigern würde.165 Nach Ansicht des BVerfG kann aber die Zustellung einer evident missbräuchlichen, rein schikanösen Klage nach Art 13 HZÜ verweigert werden.166 124 Auch die Zustellung einer US-amerikanischen Klage, mit der Ansprüche nach dem US-Antidumping Act 1916 geltend gemacht werden, kann nicht nach Art 13 HZÜ abgelehnt werden, obwohl die Streitschlichtungsorgane der WTO bereits festgestellt haben, dass der Act gegen GATT-Vorschriften verstößt. Sinn der Zustellung ist die Sicherung der Kenntnis des Beklagten vom Auslandsprozess; deshalb sind die Begründetheit der Auslandsklage und auch ein etwaiger „nuisance value“-Zweck der Klägerin bei der Zustellung grds nicht zu berücksichtigen.167 125 Dagegen ist die Zustellung einer sog antisuit injunction (s o § 6 Rz 301ff) gegen die Fortsetzung oder Einleitung eines deutschen Gerichtsverfahrens geeignet, deutsche Hoheitsrechte zu gefährden, und kann daher von der Zentralen Behörde nach Art 13 HZustÜ abgelehnt werden.168 Auch die Zustellung anonymer Klagen ist abzulehnen, da gegen sie keine ordnungsgemäße Verteidigung möglich ist.169 Nach Ansicht von Schütze ist ferner die Zustellung von Klagen 164 BVerfG NJW 2007, 3709; OLG Frankfurt RIW 1991, 417, 419; Mark EuZW 1994, 238, 239; Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356, 360ff; W. zur Nieden, S 126. 165 BVerfG RIW 2007, 211 (dazu v. Hein RIW 2007, 249) = JZ 2007, 1046 (krit. Stadler) = IPRax 2009, 249 (dazu Rupler, S 223); BVerfGE 91, 335 = JZ 1995, 716 m Anm Stadler = NJW 1995, 649 = EuZW 1995, 218 m Anm Kronke; OLG Düsseldorf RIW 2006, 629 u. NJW 1992, 3110; Morisse RIW 1995, 370; vgl aber zuvor BVerfGE 91, 140 = ZIP 1994, 1353; krit. dazu Koch/Diedrich ZIP 1994, 1830 und erneut BVerfG NJW 2003, 2598 = RIW 2003, 874; aA (Verstoß gegen den ordre public) OLG Koblenz IPRax 2006, 25 (dazu Piekenbrock S 4); vgl Heidenberger RIW 1995, 705; P. Huber, FS Jayme, S 361; Prütting, FS Jayme, S 709; Hess JZ 2003, 923; Stürner JZ 2006, 60; W. zur Nieden, S 126ff. 166 BVerfGE 108, 238 = NJW 2003, 1583; vgl Hj. Otto, FS Birk, 2008, S 575; W. zur Nieden, S 143ff. 167 OLG Frankfurt RIW 2001, 464, 465f = ZZPInt 6 (2001), 245 (Hau). 168 OLG Düsseldorf ZIP 1996, 294 = RIW 1996, 237; dazu Mansel EuZW 1996, 335; Mankowski EWiR Art 13 HZÜ 1/96; Stürner ZZP 109 (1996), 224; Hau IPRax 1997, 161; aA Maack, Englische antisuit injunctions, 1999, S 70ff, 87ff, 123; W. zur Nieden, S 124ff; krit auch G. Geimer, S 77ff. 169 Schütze RIW 2005, 579, 581.
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Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965
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abzulehnen, deren Zuständigkeit auf den Alien Tort Claims Act gestützt wird, weil diese Zuständigkeit völkerrechtswidrig sei.170 Formale Ablehnungsgründe dürften kaum noch auftauchen. Zwar heißt es in 126 Art 1 II: „Das Übereinkommen gilt nicht, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist.“
Die Zentrale Behörde des ersuchten Staats hat also nicht die Pflicht, nach der Anschrift des Empfängers zu forschen.171 Im Übrigen gewährleisten aber die Prüfstellen und die vereinheitlichten Antragsformulare für Zustellungen, dass ordnungsgemäße Anträge vorliegen (§ 29 ZRHO). Nach Art 4 HZustÜ unterrichtet die Zentrale Behörde unverzüglich die ersuchende Stelle, falls ein Antrag nicht dem Übereinkommen entspricht, und führt dabei die Einwände im Einzelnen auf.
4. Schutzvorschriften für den Beklagten Nach dem deutschen Zustellungsrecht erfolgt auch eine im Ausland zu bewir- 127 kende Zustellung durch Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an den Empfänger (§§ 177, 183 ZPO). Nach § 183 IV 2 ZPO wird die erfolgte Zustellung durch ein schriftliches Zeugnis der ersuchten Behörden nachgewiesen. Doch beweist dieses Zeugnis nicht, dass die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist.172 Nach § 335 I Nr 2 ZPO ist es unzulässig, gegen die nicht erschienene Partei ein Versäumnisurteil oder eine Entscheidung nach Lage der Akten zu erlassen, wenn sie nicht ordnungsgemäß, insb nicht rechtzeitig geladen war. In Österreich ist die Zustellung geregelt durch das Zustellgesetz v 1.4.1982173 128 und § 121 österr ZPO. Zugestellt wird danach im Ausland nach den internationalen Vereinbarungen (HZÜ 1954). Es gibt eine Liste der Länder, in die durch die Post mittels Rückscheins zugestellt werden kann (§ 121 I österr ZPO). Kann eine Bestätigung über die erfolgte Zustellung nicht binnen angemessener Frist verlangt werden, kann öffentlich (§ 25 ZustellG) oder durch Bestellung eines Kurators (§ 116 österr ZPO) zugestellt werden. Dies gilt auch, wenn die Auslandszustellung vergeblich versucht wurde oder Rechtshilfe offensichtlich verweigert wird (§ 121 II österr ZPO). In Schweden ist die Zustellung im Delgivningslagen 1970:428 geregelt. Nach 129 § 5 hat die Zustellung im Ausland nach der lex fori des Zustellungsortes zu erfolgen. Mit den skandinavischen Ländern ist direkter Geschäftsverkehr vereinbart. Mit den anderen Ländern erfolgt die Zustellung nach dem HZustÜ 1970; zentrale Behörde ist das Außenministerium (Cirk 1969:495).
170 Schütze RIW 2009, 497. 171 Pfeil-Kammerer, S 58. 172 BGH NJW 1993, 2688; aA Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl 2009, Art 6 HZÜ Rz 2 (Vertrauenstatbestand). 173 BGBl Nr 200/1982; abgedruckt bei Mayr/Broll, Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl 2000, Nr 39 sowie Rechberger, ZPO, 3. Aufl 2006, § 87 Rz 7ff.
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130 Für Polen s Art 1133 poln ZPO. 131 Wegen des französischen Systems wird auf Rz 16f u 100 verwiesen. Der Huissier muss dem Empfänger eine Kopie von der erfolgten Zustellung durch eingeschriebenen Brief zuschicken. Wenn nicht nachgewiesen ist, dass der Empfänger rechtzeitig von der Zustellung erfahren hat, kann das Gericht von Amts wegen nachforschen, ob der Empfänger von der Zustellung erfahren hat. Die Fristen sind um zwei Monate verlängert, wenn sich der Beklagte im Ausland aufhält (Art 643 CPC). 132 Die Haager Konferenz wollte die „notification au parquet“ abschaffen.174 Die tatsächlich gefundene Lösung der Art 15, 16 HZustÜ ist aber nur ein Kompromiss; die „remise au parquet“ als solche bleibt für internationale Zustellungen zulässig.175 Nach Art 15 I HZustÜ hat der Richter lediglich das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass das Schriftstück dem Beklagten in einer Form nach dem Recht des ersuchten Staats zugestellt ist, oder dass das Schriftstück dem Beklagten selbst oder in seiner Wohnung nach einem anderen in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren übergeben worden ist. Entgegen dem deutschen Wortlaut muss auch ausgesetzt werden zum Zwecke der Benachrichtigung nach erfolgter formeller Zustellung nach dem System der remise au parquet gem Art 685 II CPC.176 133 Nach Art 15 II kann aber jeder Vertragsstaat erklären, dass seine Richter auch dann entscheiden können, wenn ein Zeugnis über die Zustellung oder Übergabe nicht eingegangen ist. Vorausgesetzt wird dabei dreierlei: „(a) dass das Schriftstück nach einem in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren übermittelt worden ist, (b) dass seit der Absendung des Schriftstücks eine Frist verstrichen ist, die der Richter nach den Umständen des Falles als angemessen erachtet und die mindestens sechs Monate betragen muss, und (c) dass trotz aller zumutbaren Schritte bei den zuständigen Behörden des ersuchten Staates ein Zeugnis nicht zu erlangen war.“
Von dieser Ermächtigung haben Antigua und Barbuda, Belgien, Botsuana, Bulgarien, China, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Indien, Irland, Island, Japan, Kanada, Korea, Kroatien, Kuweit, Lettland, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, Mexiko, Monaco, die Niederlande, Norwegen, Pakistan, Portugal, San Marino, Slowakei, Spanien, Sri Lanka, St-Vincent und die Grenadinen, die Tschechische Republik, die Türkei, die Ukraine, Ungarn, Venezuela, das Vereinigte Königreich und Zypern Gebrauch gemacht. 134 Art 16 HZustÜ enthält eine weitere Schutzvorschrift für den Beklagten. Ist eine Entscheidung gegen den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ergangen, so kann das Prozessgericht diesem Wiedereinsetzung in
174 US Supreme Court, 486 US 694, 703 (1987). 175 Schack IZVR, Rz 685f; Schlosser RdC 284 (2000), 107ff; G. Geimer, S 34ff; anders Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed, § 12.7. 176 Schack IZVR, Rz 685; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 15 HZÜ Rz 3.
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Das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965
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den vorigen Stand bewilligen, wenn die Rechtsmittelfristen verstrichen sind. Dazu sind drei Voraussetzungen zu erfüllen: – der Beklagte muss ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig von dem zuzustellenden Schriftstück erfahren haben; – die Verteidigung des Beklagten darf nicht von vornherein aussichtslos erscheinen; – der Beklagte muss den Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis der Entscheidung gestellt haben. Auch diese Vorschrift berührt die deutschen Gerichte nicht. Diese Schutzvorschriften setzen zwar die entsprechenden Zivilprozessordnun- 135 gen der Vertragsstaaten nicht außer Kraft. Dennoch verpflichten sie die Gerichte der der „remise au parquet“ folgenden Staaten, im Verhältnis zu allen Vertragsstaaten die Art 15 und 16 HZustÜ zu beachten. Diese sind insoweit „leges speciales“ gegenüber den nationalen Prozessvorschriften.177 Als Beispiel mag erwähnt sein, dass nach Art 643 CPC die Fristen bei Zustel- 136 lungen bzw Mitteilungen an einen im Ausland ansässigen Beklagten grds um zwei Monate hinausgeschoben sind, während nach Art 15 II seit Absendung des Schriftstückes mindestens sechs Monate verstrichen sein müssen. Mezger178 sieht in dem HZustÜ ein Hindernis für die Vollstreckung von Versäumnisurteilen. Der französische Kassationshof hatte die Vollstreckbarerklärung eines belgischen Urteils aufgehoben, weil die belgischen Richter nicht geprüft hatten, ob zwischen der Zustellung der Klage und dem Tag der Urteilsverkündung die Sechs-Monatsfrist nach Art 15 II des Zustellungsübereinkommens abgelaufen bzw ob das Schriftstück dem Zustellungsempfänger tatsächlich ausgehändigt worden sei. Der EuGH179 hat entschieden, dass die Verpflichtung des Gerichts des Voll- 137 streckungsstaats zur Prüfung der rechtzeitigen Zustellung selbst dann bestehe, wenn die ordnungsgemäße Zustellung vom Gericht des Urteilsstaats festgestellt worden sei. Insoweit ist der Zweitrichter nicht an die Feststellungen des Erstrichters gebunden.
5. Die Auswirkung von Art 15 HZustÜ auf EuGVO und LugÜ Art 26 II EuGVO sowie Art 20 II LugÜ enthalten eine ähnliche Vorschrift wie Art 15 HZustÜ: „Das Gericht hat die Entscheidung so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind.“
Der erste Teil dieser Vorschrift betrifft die dem deutschen Zustellungssystem folgenden Vertragsstaaten, der zweite die dem französischen System folgenden 177 Böckstiegel/Schlafen NJW 1978, 1075. 178 IPRax 1982, 30. 179 EuGHE 1981, 1593 (Klomps v Michel) = IPRax 1982, 14 (krit Nagel, S 5).
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Staaten. Eine Ungewissheit bleibt insoweit bestehen, als nicht festgelegt ist, wann alle erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind, dass der Beklagte sich hat verteidigen können. Dabei wird es wesentlich auf die Entscheidung des Prozessgerichts ankommen. Der französische Richter wird also nach seinen Prozessvorschriften prüfen, ob alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen waren. 139 An die Stelle von Art 26 II EuGVO ist nach seinem In-Kraft-Treten Art 19 EuZustVO getreten (Art 26 III EuGVO). Soweit die EuZustVO nicht gilt, bleibt es bei der Anwendung von Art 15 HZustÜ (Art 26 IV EuGVO). Soweit die verbleibenden EuGVÜ/LugÜ-Staaten Vertragsstaaten des HZustÜ sind (dies gilt für Dänemark, Norwegen und die Schweiz), gilt statt Art 20 II EuGVÜ/LugÜ der Art 15 HZustÜ. Art 20 II LugÜ gilt also nur noch im Verhältnis zu Island.
6. Zustellungen von Versäumnisurteilen 140 Art 10a HZustÜ hat den Übermittlungsweg durch die Post eröffnet. Bedauerlicherweise hat die Bundesrepublik Deutschland dem widersprochen.180 Nach Art 24 HZustÜ sind Zusatzvereinbarungen zu den Abkommen von 1905 und 1954 in Kraft geblieben. Im Verhältnis zu den EU-Staaten ist die Postzustellung per Einschreiben mit Rückschein aber nach Art 14 EuZustVO und § 1068 II ZPO generell zulässig.
7. Heilung von Zustellungsmängeln 141 Zweifelhaft ist, ob und wie ein Zustellungsmangel geheilt werden kann. Das HZustÜ 1965 enthält selbst keine Bestimmungen über die Heilung von Zustellungsmängeln. Daraus wird vielfach abgeleitet, in seinem Anwendungsbereich sei daher eine Heilung nach allgemeinen nationalen Regeln (in Deutschland gem § 189 ZPO) ausgeschlossen.181 Auch aus Art 15 HZustÜ lässt sich ein Ausschluss einer Heilungsmöglichkeit nicht ableiten. Weder dem HZustÜ 1965 noch den Materialien lässt sich entnehmen, dass das Übereinkommen eine Heilung regeln und ausschließen wollte182 (s u § 12 Rz 169). Der BGH hat inzwischen seine völlig ablehnende Haltung aufgegeben und folgt einer differenzierenden Lösung: Werden bei der Auslandszustellung nach dem HZustÜ dessen Anforderungen gewahrt und nur Formvorschriften des Prozessrechts des Zustellungsstaats verletzt, so soll der Mangel in Deutschland nach § 189 ZPO heilen, wenn das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugegangen ist. Dies soll auch dann gelten, wenn das nach Art 5 Abs. 1a HZustÜ anwendbare Recht des Zustellungsstaats eine Heilung nicht vorsieht.183
180 Pfennig, Die internationale Zustellung, S 66. 181 Zu § 187 ZPO aF: BGHZ 120, 305 = NJW 1993, 598 = JZ 1993, 619 m Anm Schack; abl. Schack IZVR, Rz 695. 182 Kondring RIW 1996, 722, 725f. 183 BGHZ 191, 59 = FamRZ 2011, 1860 (Kondring) (persönliche Übergabe des Scheidungsantrags, ggf unter Verstoß gegen kalifornisches Recht).
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Zustellungen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954
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IV. Zustellungen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954 In Art 1 HZÜ ist als Normalfall der konsularische Weg vorgesehen.184 Danach 142 vermittelt der Konsul des ersuchenden Staats die Erledigung (§ 6 I Nr 2 ZRHO). An diesen wendet sich das Prozessgericht mit seinem Ersuchen über die Prüfstelle (Amts-, Land-, Oberlandesgerichtspräsident). Der zuständige deutsche Konsul stellt einen Antrag an die von dem ersuchten Staat bezeichnete Behörde. Hierbei handelt es sich um eine Abkürzung gegenüber dem diplomatischen Weg, der weiterhin zugelassen ist. Bei letzterem wendet sich der diplomatische Vertreter des ersuchenden Staats zunächst an das Außenministerium des ersuchten Staats, welches das Ersuchen an die zuständige Stelle weiterleitet. Art 1 IV HZÜ lässt auch den unmittelbaren Weg zwischen den Behörden zwei- 143 er Vertragsstaaten zu. Dazu ist allerdings eine besondere Vereinbarung erforderlich. Schließlich sieht Art 6 HZÜ noch folgende Übermittlungswege für Zustellungen vor: a) die Übersendung von der Post an den Empfänger; b) die Möglichkeit, dass die Beteiligten Zustellungen unmittelbar durch die zuständigen Gerichtsbeamten oder andere zuständige Beamte des Bestimmungslandes bewirken lassen dürfen; c) dass jeder Staat Zustellungen an die im Ausland befindlichen Personen unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter bewirken lassen darf. Der letzten Möglichkeit darf ein Vertragsstaat nicht widersprechen, wenn das Schriftstück einem Angehörigen des ersuchenden Staats ohne Anwendung von Zwang zugestellt werden soll. Zu den Vertragsstaaten des HZÜ 1954 s o § 7 Rz 8. Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs bestehen mit 144 Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, der Schweiz und der Tschechischen Republik (s o § 7 Rz 9). In ihnen ist vielfach der unmittelbare Behördenweg zwischen den Vertragsstaaten eröffnet. Eine Ausnahme war die deutsch-schwedische Vereinbarung, in der nur die Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertreter im Bestimmungsland geregelt war. Diese Regelung ist aber seit Erlass der EuZustVO überholt. Im Einzelnen ist der unmittelbare Weg im Verhältnis zu den verschiedenen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgestaltet, wodurch die Rechtslage unübersichtlich geworden ist. Das Haager Übereinkommen v 1.3.1954 geht grds von der formlosen Zustel- 145 lung aus. Nach Art 2 kann sich die zuständige Behörde des ersuchten Staats 184 Fasching/Bajons, Anh A §§ 38–40 JN Rz 17; Burgstaller/Christian Rz 9.14.
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darauf beschränken, die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger zu bewirken, wenn er zur Annahme bereit ist.185 Um formlose Zustellungen handelt es sich auch, wenn – wie bereits erwähnt – diplomatische oder konsularische Vertreter in ihren Bezirken entweder aufgrund einer Ermächtigung des Aufenthaltsstaats oder einer stillschweigenden Duldung an gewisse Personen Zustellungen in eigener Verantwortung vornehmen. Es wird dabei lediglich vorausgesetzt, dass der Empfänger ohne Anwendung von Zwang die Zustellung annimmt. Tut er dies, so liegt eine ordnungsgemäße Zustellung vor. Alle Staaten sind sich auch darüber einig, dass die normale Zustellung darin besteht, dass dem Empfänger das zuzustellende Schriftstück übergeben wird. An dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Zustellungen wird durch solche formlosen Zustellungen nicht gerüttelt, denn bei den diplomatischen oder konsularischen Vertretern handelt es sich um Beamte, die als solche bei den Zustellungen tätig werden.186 146 Nur auf einen entsprechenden Wunsch des ersuchenden Gerichts bzw der entsprechenden Behörde wird nach Art 3 HZustÜ eine förmliche Zustellung ausgeführt, und zwar entweder nach den Vorschriften der lex fori des ersuchten Staats,187 oder nach den Vorschriften des ersuchenden Staats.188 Die erste Möglichkeit entspricht der allgemeinen Haltung, dass jeder Staat grds seine eigenen Prozessvorschriften anwendet, dass die Zustellungsvorschriften öffentlich-rechtlichen Charakter haben, von den Parteien also nicht abgeändert werden können. Damit wird zugleich die Meinung jener Autoren widerlegt, die argumentieren, die lex fori beruhe auf der Regel „locus regit actum“.189 Auf die grundsätzliche Anwendung der Zustellungsbestimmungen des ersuchten Staats bzw die formlose Zustellung nimmt § 21 ZRHO Bezug: „Da das deutsche Recht die Beobachtung deutscher Formvorschriften bei der Erledigung eines Ersuchens in der Regel nicht verlangt, soll um deren Anwendung in der Regel nicht gebeten werden.“
147 Art 3 HZÜ 1954 lässt aber auch die Möglichkeit zu, dass auf besonderen Wunsch des ersuchenden Gerichts bzw der Behörde die Zustellung in einer besonderen Form bewirkt werden möge. Es sollen in solchen Fällen die Regeln des Prozessgerichts, nicht die des ersuchten Staats angewendet werden. Die Zustellungsvorschriften des ersuchenden Staats dürfen allerdings nicht denen des ersuchten Staats zuwiderlaufen (Art 14 II HZÜ). Wenn hierdurch der Grundsatz, die lex fori des ersuchten Staats bei Zustellungen anzuwenden, durchbrochen wird, so beruht dies auf der Vereinbarung der Mitgliedstaaten 185 Burgstaller/Christian Rz 9.30. 186 Diesen öffentlich-rechtlichen Charakter der Zustellungsvorschriften stellen Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, S 94; v Craushaar, Die internationalrechtliche Anwendbarkeit deutscher Prozessnormen, 1961, S 21 und das OLG Stuttgart, Urt v 25.2.1965, IPRspr. 1964/65, 634, besonders heraus. 187 Fasching/Bajons Anh A §§ 38–40 JN Rz 22. 188 Burgstaller/Christian Rz 9.31. 189 Szászy, International Civil Procedure, S 660; Chodkiewiez, Signification, in: Repertoire de prócedure civile, 1956, No 275.
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Zustellungen außerhalb von Staatsverträgen
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des Haager Übereinkommens. Dabei ist man sich offenbar der Tatsache bewusst gewesen, dass Zustellungen immer nur im Interesse des Prozessgerichts durchgeführt werden, dass also dessen Belange im Vordergrund stehen müssen. Damit erkennen die Vertragsstaaten ausdrücklich an, dass Zustellungen nach verschiedenen Vorschriften erfolgen können. Dem IZPR wird hiermit eine besondere Überbrückungsfunktion zwischen den unterschiedlichen Vorschriften und Systemen eingeräumt. Das Prozessgericht muss also darüber entscheiden, in welcher Art und Weise 148 die Zustellung im Wege der internationalen Rechtshilfe erfolgen soll. Dabei wird es allein davon ausgehen, welche Art der Zustellung ihm nach seinem eigenen Recht genügt. Da das deutsche Recht eine Zustellung nach den Vorschriften der lex fori des ersuchten Staats für ausreichend erachtet, kann die Frage, ob ein Urteil, welches auf einem in dieser Weise eingeleiteten Verfahren beruht, in dem entsprechenden fremden Staat anerkannt wird, gar nicht relevant werden. Die Zustellungsvorschriften dieses Staats wären ja erfüllt. Art 4 HZÜ 1954 kennt nur einen einzigen Ablehnungsgrund für Zustellungen:
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„wenn der Staat, in dessen Hoheitsgebiet sie bewirkt werden soll, sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden“.
Um zu verhindern, dass ein Zustellungsersuchen schon aus formalen Gründen 150 abgelehnt wird, ist die Prüfstelle eingeschaltet (§ 29 I ZRHO). Was unter der Gefährdung der Hoheitsrechte oder der Sicherheit zu verstehen ist, wird den einzelnen Vertragsstaaten zur Entscheidung überlassen. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor bleibt danach bestehen. Aus dem Haager Übereinkommen ergibt sich vor allem nicht, ob Zustellungsersuchen schon mit der Begründung zurückgewiesen werden können, die ausschließliche Zuständigkeit des ersuchten Staats und dessen Hoheitsrechte seien betroffen.190
V. Zustellungen außerhalb von Staatsverträgen Soweit sich Staaten unabhängig von dem Haager Übereinkommen v 1.3.1954 151 auf der Grundlage der Gegenseitigkeit Rechtshilfe bei Zustellungen leisten, wird die Zustellung in einer formlosen Art und Weise bewirkt. Sie erfolgt durch einfache Übergabe des Schriftstückes an den Empfänger, wenn dieser zur Annahme bereit ist. Entsprechend heißt es in § 114 II ZRHO: „Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr ist eine förmliche Zustellung unzulässig“.
Es finden also weder die Zustellungsvorschriften der ZPO noch diejenigen des Staats, in dem zugestellt werden soll, Anwendung. Bei dieser Art von Zustellung hat es der Empfänger in der Hand, ob er die Zustellung freiwillig annehmen will oder nicht. Dies gilt auch bei der Zustellung durch einen deutschen Konsul im Ausland (§ 183 I Nr 2, 2. Fall ZPO; § 16 KonsularG). Es handelt sich
190 Pocar, L’assistenza giudiziaria, S 134, hält die Klausel des Haager Übereinkommens für enger als die ordre public-Klausel.
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Internationale Zustellungen
um eine Art von Mindestregelung, die keine Ersatzzustellung, die letztlich eine zwangsweise Durchführung enthält, duldet. 152 Andere Staaten verhalten sich anders. In Österreich sehen §§ 11, 12 ZustellG191 Folgendes vor: „§ 11 (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen. § 12 (1) Zustellungen von Schriftstücken ausländischer Behörden im Inland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen, mangels solcher nach diesem Bundesgesetz vorzunehmen. Einem Ersuchen um Einhaltung einer bestimmten davon abweichenden Vorgangsweise kann jedoch entsprochen werden, wenn eine solche Zustellung mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung vereinbar ist.“
153 Auch Schweden (KK 1909:24 s 1) und Italien gewähren im vertragslosen Zustand Rechtshilfe nach der lex fori des ersuchten Staats.192 154 Die polnischen Gerichte stellen gleichfalls auf der Grundlage der Gegenseitigkeit nach polnischem Recht zu (Art 1132 polnische ZPO). Das Gleiche gilt für Russland. Zwischen oder besser neben diesen beiden Möglichkeiten steht die formlose Zustellung. Niemand zweifelt, dass auch die formlose Zustellung eine gültige Zustellung im Sinne der ZPO ist. 155 Da zwischen Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der internationalen Rechtshilfe keine staatsvertragliche Regelung besteht, gelten die Grundsätze der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen. Danach werden die von der Bundesrepublik ausgehenden Ersuchen um Zustellungen mit einem Begleitschreiben der Botschaft der Bundesrepublik in Brasilia übersandt. Die Ersuchen sind zu richten an das zuständige Gericht der Föderativen Republik Brasilien. Von Brasilien an die Bundesrepublik Deutschland eingehende Ersuchen werden auf dem konsularischen Weg erledigt. 156 Um zu verhindern, dass ein deutsches Rechtshilfeersuchen im Ausland auf Schwierigkeiten stößt, bestimmt § 29 II 1 ZRHO: „Bestehen gegen die Absendung des Ersuchens wegen Gefährdung der staatlichen Sicherheit oder Hoheitsrechte Bedenken, ist zunächst der Landesjustizverwaltung zu berichten.“
157 Die Leistung internationaler Rechtshilfe ist unabhängig von der Frage der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile. Der Staat, der Rechtshilfe leistet, muss das spätere Urteil nicht anerkennen (so ausdrücklich New York CPLR § 328 [c]).
191 BGBl Nr 200/1982. 192 Ginsburg/Bruzelius, Civil Procedure in Sweden, S 407ff; Art 805 cprc; Pocar, L’assistenza giudiziaria, S 222.
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VI. Bilaterale Besonderheiten Schrifttum: Ch. Strasser, Auslandszustellungen in die Karibik – Exotische Prozessparteien als Herausforderung für die Justiz, RpflStud. 2011, 25.
1. Deutsch-türkisches Abkommen vom 28.5.1929 über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Das deutsch-türkische Abkommen v 28.5.1929 über den Rechtsverkehr in Zi- 158 vil- und Handelssachen193 entspricht hinsichtlich der Zustellungen und der Beweisaufnahmen dem Haager Übereinkommen v 1.3.1954.194 Die Türkei ist zudem Vertragspartner des Haager Übereinkommens von 1965.
2. Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts Das deutsch-griechische Abkommen v 11.5.1938 über die gegenseitige Rechts- 159 hilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts195 entspricht ebenfalls im Wesentlichen dem Haager Übereinkommen von 1954. Gem Art 10 III kann die Erledigung eines Ersuchens um Rechtshilfe nur abgelehnt werden, wenn der Staat, in dessen Gebiet die Erledigung stattfinden soll, sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Die weiteren Ablehnungsgründe der Echtheit des Ersuchens und der Möglichkeit, dass das Ersuchen nicht in den Bereich der Gerichtsgewalt des ersuchten Staats fällt, sind erfreulicherweise nicht aufgenommen worden. Dadurch wird jedoch nichts Wesentliches geändert. Es bedarf noch des Hinweises, dass nach Art 6 der griechischen ZPO die inländischen Gerichte auf Ersuchen ausländischer Behörden einzelne Prozesshandlungen nach ihrer Verfahrensordnung durchführen sollen, wenn internationale Verträge nichts anderes bestimmen oder die Durchführung der Prozesshandlung nicht dem ordre public widerspricht. Art 13 II des Abkommens enthält auch die Möglichkeit, dass die ersuchende Behörde beantragt, dass nach einer besonderen Form verfahren werde, und dass einem solchen Wunsch zu entsprechen ist, sofern diese Form den Gesetzen des ersuchten Staats nicht zuwiderläuft. Hierzu hat das LG Frankfurt aM entschieden, die Folgen eines fehlerhaften 160 Vernehmungsprotokolls richteten sich bei einer Zeugenvernehmung im Wege der internationalen Rechtshilfe nach griechischem Prozessrecht. Die fehlende Unterschrift des vernehmenden Berichterstatters habe nach griechischem Recht die Nichtigkeit des Vernehmungsprotokolls dann nicht zur Folge, wenn der betroffenen Partei kein prozessualer Schaden entstanden sei.196
193 194 195 196
RGBl 1930 II, 6. Vgl OLG Nürnberg IPRax 2006, 38. RGBl 1939 II, 848. IPRax 1981, 218.
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3. Deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr 161 Dieses Abkommen197 gilt nicht nur für das Vereinigte Königreich, sondern auch für Gebiete, für deren internationale Beziehungen das Vereinigte Königreich zuständig ist bzw war. Heute gilt das Abkommen auch für zahlreiche selbständige Staaten (s o § 7 Rz 15198). Im Verhältnis zum Vereinigten Königreich selbst ist vorrangig die EuZustVO zu beachten (Art 20 I EuZustVO). Für eventuelle weitergehende Erleichterungen bleibt das Abkommen von 1928 aber anwendbar (Art 20 II EuZustVO). 162 Hinsichtlich der Zustellungen gilt Folgendes: Für die Übermittlung von Zustellungen ist der konsularische Weg vorgesehen, dh die britischen Konsuln übermitteln die Ersuchen an den zuständigen Landgerichtspräsidenten, die deutschen Auslandsvertreter an den Senior Master des Supreme Court of Judicature (Art 3a des Abkommens;199 CPR r 6.25). Die Zustellung erfolgt grds durch Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger, sofern dieser zur Annahme bereit ist. Auf Antrag ist das Schriftstück in der durch die innere Gesetzgebung für die Bewirkung gleichartiger Zustellungen vorgeschriebenen Form oder in einer besonderen Form zuzustellen, sofern diese ihrer Gesetzgebung nicht zuwiderläuft. Die Ausführung des Zustellungsantrags kann nur abgelehnt werden, wenn der vertragschließende Teil, in dessen Gebiet sie erfolgen soll, sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Insoweit folgt das deutsch-britische Abkommen dem Haager Übereinkommen. Das gilt auch noch, soweit diplomatische oder konsularische Vertreter die Zustellung an Personen, die nicht Angehörige des ersuchten Staats sind, vornehmen können. 163 Auf die Besonderheiten des englischen Rechts nimmt Art 5b des Abkommens Rücksicht. Danach kann ohne Mitwirkung der Behörden des Landes eine Zustellung auch erfolgen durch einen von dem Prozessgericht oder einer Partei bestellten Vertreter (agent) mit der Maßgabe, dass die Wirksamkeit einer durch einen solchen Vertreter bewirkten Zustellung von den Gerichten des Landes, wo die Zustellung so bewirkt wird, nach dem Rechte dieses Landes zu beurteilen ist. Diese Vorschrift wird allerdings dadurch erheblich eingeschränkt, dass bei Staatsangehörigen des Landes, in dem zugestellt werden soll, diese Art der Zustellung ausgeschlossen ist. Hiermit wird die in England gebräuchliche Art, Zustellungen auf privatem Wege zu bewirken, angesprochen. Sie kann sich also nur auf Zustellungen an Personen beziehen, die sich in Deutschland aufhalten und keine deutschen Staatsangehörige sind. In England gibt es mehrere private Agenturen, ua die Firma Flowerdew, sowie einige Solicitor-Firmen, die Zustellungen ausführen. Gem CPR r 6.20 kann das englische Gericht die Zustellung an den sich außerhalb seines Bezirks aufhaltenden Beklagten in gewissen Fällen anordnen. Sobald das Gericht diese Zustellung bewilligt hat,
197 RGBl 1928 II, 623. 198 Vgl Bülow in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, S 520.4ff. 199 Harwood ICLQ 1961, 284, 289.
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kann sich der Kläger der in CPR r 6.24 zugelassenen Zustellungsmethoden bedienen. Die Zustellung muss aber nach dem Recht des Empfangsstaats zulässig sein (CPR r 6.24 [1] [a], [2]). Eine Zustellung auf privatem Wege scheidet damit aus, sofern der Prozess vor 164 einem deutschen Gericht anhängig ist. Das folgt aus den deutschen Zustellungsbestimmungen der ZPO. Nach Art 6 des Abkommens können Schriftstücke auch durch die Post über- 165 mittelt werden in Fällen, in denen diese Art der Übermittlung nach dem Recht des Landes gestattet ist, in welchem das Schriftstück ausgestellt ist. Seit der Reform des deutschen Zustellungsrechts ist dieser Zustellungsweg nicht nur möglich, wenn vor einem englischen Gericht geklagt wird. Denn § 183 I Nr 1 ZPO lässt die Auslandszustellung durch Einschreiben mit Rückschein aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nun generell zu.200 Zugelassen ist eine Zustellung durch die „Post“. Im Auslandsverkehr ist dies allein die Deutsche Post AG (§§ 3, 33 PostG). Eine Zustellung durch international tätige private Kurierdienste wäre zwar im Einzelfall zweckmäßiger, wenn die Post im Zustellland nicht zuverlässig arbeitet, gesetzlich zugelassen ist sie jedoch nicht.201
4. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 Dieser am 13.3.1970 in Kraft getretene Vertrag202 lehnt sich weitgehend an das 166 Haager Übereinkommen v 1.3.1954 an.203 Es ist der konsularische Weg vorgesehen, dh deutsche Zustellungsersuche werden über den deutschen Konsul an den „Procureur Général de la République“ von Tunis gerichtet; tunesische Ersuchen über den tunesischen Konsul an den Präsidenten des Land- oder Amtsgerichts, in dessen Bezirk sich der Empfänger aufhält (Art 9). Die Zustellung wird grds nach dem Recht des ersuchten Staats bewirkt, jedoch darf die ersuchte Behörde zunächst versuchen, die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger zu bewirken, sofern dieser zur Annahme bereit ist. Das ersuchende Gericht kann wiederum die Zustellung in einer besonderen Form wünschen, sofern diese dem Recht des ersuchten Staats nicht zuwiderläuft. Die Ablehnungsgründe sind gegenüber dem Haager Übereinkommen erfreuli- 167 cherweise eingeschränkt. Zustellungsersuchen können nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Insb darf eine Zustellung nicht deshalb abgelehnt werden, weil der ersuchte Staat für die Sache, in welcher der Zustellungsantrag gestellt wird, die ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte in Anspruch
200 Zur Zustellung in Staaten der Karibik s Ch. Strasser, RpflStud 2011, 25. 201 Für teleologische Erweiterung des Postbegriffs dagegen Strasser RpflStud 2011, 25, 27. 202 BGBl 1969 II, 889. 203 Arnold NJW 1970, 1478.
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nimmt oder weil sein Recht ein Verfahren dieser Art nicht kennt (Art 13 II). Diese Bestimmung wird der internationalen Rechtshilfe in besonderer Weise gerecht. Es zeigt sich auch ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem deutschgriechischen Abkommen v 11.5.1938 (s o Rz 159). 168 Soweit formlose Zustellungen durch die diplomatischen bzw konsularischen Vertreter nach Art 16 zugelassen sind, handelt es sich um eine alte Fassung, denn solche Zustellungen dürfen nur an die eigenen Staatsangehörigen der Auslandsvertreter erfolgen. Gegenüber dem Haager Übereinkommen ist lediglich Art 16 Satz 2 neu: „Kommen für die Beurteilung der Staatsangehörigkeit des Empfängers verschiedene Rechte in Betracht, so ist das Recht des Staates maßgebend, in dem die Zustellung bewirkt werden soll.“
169 Eine besondere Schutzvorschrift für den Beklagten enthält Art 17. Hat der Beklagte sich auf das Verfahren nicht eingelassen, darf ein Versäumnisurteil erst dann gegen ihn ergehen, wenn festgestellt ist, dass die Klage, die Vorladung oder das andere Schriftstück ihm auf einem der in diesem Vertrage vorgesehenen Weg zugestellt oder ihm tatsächlich ausgehändigt worden ist. Auf einen Zustellungsnachweis wird allerdings dann verzichtet, wenn seit Übermittlung eines ordnungsgemäßen Zustellungsantrags in dem anderen Vertragsstaat acht Monate verstrichen sind. Dann darf das Prozessgericht eine Entscheidung erlassen, sofern festgestellt wird, dass im ersuchenden Staat alle Maßnahmen getroffen worden sind, damit das Ersuchen hätte erledigt werden können. 170 Einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherheit gerichtet sind, können jedoch erlassen werden. 171 Diese Schutzvorschrift ist notwendig geworden, weil in Tunesien die französische Tradition der „remise au parquet“ nachwirkt. Nach Art 9 der tunesischen ZPO wird eine Zustellung an einen Empfänger im Ausland dadurch bewirkt, dass das zuzustellende Schriftstück an der Gerichtstafel des Gerichts, in dessen Bezirk der Kläger seinen Wohnsitz hat, ausgehängt wird. Dem Beklagten wird eine Abschrift durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein übersandt. Zwar ist der Übermittlungsweg für Zustellungen für Tunesien in Art 9 des Vertrags genau vorgeschrieben: der tunesische Konsul muss den Zustellungsantrag dem deutschen Präsidenten des Land- oder Amtsgerichts übermitteln. Der deutsch-tunesische Vertrag greift jedoch in die Verfahrensvorschriften der Vertragsstaaten ebenso wenig ein wie das Haager Übereinkommen.204 Da nach den deutschen Vorschriften bis auf die öffentliche Zustellung immer ein Zustellungsnachweis gefordert wird, hat die Schutzvorschrift des Art 17 des Vertrags insoweit keine Bedeutung.
204 Im Wesentlichen ebenso Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, 515.34.
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5. Deutsch-marokkanischer Vertrag über internationale Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen Dieser Vertrag ist am 23.6.1994 in Kraft getreten.205 Er sieht für Ersuchen von 172 den Landesjustizverwaltungen zum Justizministerium in Rabat und umgekehrt den unmittelbaren Verkehr vor (Art 3 I). Auf die Legalisation von Schriftstücken wird verzichtet (Art 27 I).
173
Ganz neu ist die Regelung des Art 31 II, wonach die ersuchte Behörde/Gericht 174 bei einer unvollständigen oder ungenauen Bezeichnung die richtige Anschrift des Zeugen oder Empfängers des Schriftstücks ermitteln soll.
6. Zustellungen im Verhältnis zu den europäischen Kleinstaaten Zwischen Deutschland und Andorra sowie Liechtenstein bestehen keine 175 Rechtshilfeverträge. Mit Andorra wird diese jedoch auf der Grundlage der Gegenseitigkeit geleistet. Die deutsche Botschaft in Madrid leitet Ersuchen um Zustellungen weiter an den Präsidenten des Tribunal de Battles in Andorra (genaue Anschrift s ZHRO Länderteil Andorra). Aufgrund eines Notenwechsels mit Liechtenstein ist für Zustellungen der un- 176 mittelbare Behördenweg zugelassen. Deutsche Ersuchen gehen über die Prüfstelle (Präsident des Amts- oder Landgerichts) unmittelbar an das Landgericht in Vaduz. Eine Zustellung durch die deutsche Botschaft in Bern ist unzulässig (ZRHO Länderteil, Liechtenstein).
205 BGBl 1994 II, 1192.
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§ 9 Internationale Beweisaufnahmen Inhaltsübersicht I. Einführung 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Beweiszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Extraterritoriale Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die EU-Verordnung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. EU-Beweisverordnung . . . . . . . . 2. Ersuchen um Beweisaufnahme . 3. Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht a) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art und Weise . . . . . . . . . . . . . c) Verweigerung . . . . . . . . . . . . . d) Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht . . 5. Extraterritoriale Beweisaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Haager Beweisübereinkommen vom 18.3.1970 1. Geltungsbereich a) Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . b) Zivil- und Handelssachen . . . c) Qualifikation . . . . . . . . . . . . . d) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fakultatives Verfahren . . . . . 2. Übermittlungswege für Rechtshilfeersuchen. . . . . . . . . . 3. Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . 4. Verfahren des ersuchten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zeugnisverweigerungsrechte und Privilegien . . . . . . . . . . . . . . 6. Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beweisaufnahme durch Beauftragte („commissioners“) . . . . . . 8. Vorbehalt gegen discovery of documents . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Andere gerichtliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
444
1 2 6
8 9 12
20 21 27 30 31 34
36 38 41 42 44 47 52 56 58
64 71 79 92 96
IV. Beweisaufnahmen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954 1. Übermittlungswege . . . . . . . . . . 2. Anzuwendendes Recht . . . . . . . a) Schwierigkeiten beim Zeugenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Zeugen von der Partei . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schwierigkeiten bei Parteivernehmungen und Parteieiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das bei der Vorlage von Urkunden anzuwendende Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Körperliche Untersuchungen und medizinische Eingriffe im Wege der internationalen Rechtshilfe . . . . . . . f) Der Sachverständigenbeweis im Rechtshilfeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ablehnungsgründe für Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweisaufnahmen durch diplomatische und konsularische Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Autonomes Recht 1. Beweisaufnahme im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweismittelbeschaffung aus dem Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslandszeuge . . . . . . . . . . . . b) Sachverständige Beweiserhebung im Ausland . . . . . . c) Augenschein im Ausland . . . d) Urkunden im Ausland . . . . . e) Anhörung und Vernehmung der Auslandspartei . . . . . . . . 3. Beweisaufnahme für das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97 98 102
108
109
111
113
114
117
130
134 137 138 141 143 144 145 146
VI. Bilaterale Besonderheiten 1. Deutsch-türkisches Abkommen vom 28.5.1929 . . . . . . . . . . 147 2. Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 . . . . . . . . . . 148
Einführung 3. Deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 150 4. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 . . . . . . . . . . . . . . . 158
§9 5. Deutsch-marokkanischer Vertrag über internationale Rechtshilfe v 29.10.1985 . . . . . . 160 6. Beweisaufnahmen in europäischen Kleinstaaten. . . . . . . . . . . 161
I. Einführung 1. Schrifttum a) Allgemein: Beckmann, Das Haager Beweisübereinkommen und seine Bedeutung für die Pre-Trial-Discovery, IPRax 1990, 201; Black, United States, Transnational Discovery, ICLQ 40 (1991), 901; v Bodungen/Jestaedt, Deutsche Bedenken gegen „Discovery“ mit extraterritorialen Wirkungen im US-Prozess, FS Stiefel, 1987, S 65; Böhmer, Spannungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr in Zivilsachen, NJW 1990, 3049; Born, The Hague Evidence Convention Revisted: Reflections on its role in US civil procedure, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 77; Born/Westin, International Civil Litigation in United States Courts, 3. Aufl 1996; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983; Coester-Waltjen, Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland, FS Schlosser, 2005, S 147; Collins, The Hague Evidence Convention and Discovery: a serious misunderstanding?, ICLQ 35 (1986), 765 = Essays in international litigation, 1994, S 289; Cromie, International Commercial Litigation, 1990, S 351ff; J. Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozess, 2000; M. Davies, Bypassing the Hague Evidence Convention: Private International Law Implications of the Use of Video and Audio Conferencing Technology in Transnational Litigation, AmJCompL 55 (2007), 205; W. Dötsch, Auslandszeugen im Zivilprozess, MDR 2011, 269; Dunboyne, Service and evidence abroad, ICLQ 1961, 295; Edwards, Taking evidence abroad in civil and commercial matters, ICLQ 38 (1969), 18 und 647; E. Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland und ihre Verwertung im inländischen Zivilprozess, 2002; Fasching/Bajons, Zivilprozessgesetze, Bd 1, 2. Aufl 2000 (Anh §§ 38–40 JN); G. Fouché/E. Polebaum, Discovery in the US in aid of foreign litigation, IntBusLawyer 1996, 415; Gavalda, Les commissions rogatoires internationales en matière civile et commerciale, Rev crit 1964, 15; E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998; R. Geimer, Konsularische Beweisaufnahme, FS Matscher, 1993, S 133; R. Geimer, Verfassung, Völkerrecht und Internationales Zivilverfahrensrecht, ZfRV 33 (1992), 321, 335ff u 417ff; Geimer/Schütze/Knöfel, Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen, in: Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 32. Hj. 2007, S 375.1ff; Gerber, International Discovery after Aerospatiale: The guest for an analytical framework, AmJIntL 82 (1988), 521; Gerber, Extraterritorial Discovery and the Conflict of Procedural Systems, AmJCompL 34 (1986), 745; Gottwald, Grenzen gerichtlicher Maßnahmen mit Auslandswirkung, FS Habscheid, 1989, S 119 (engl. Fassung: Civil Justice Q. 1990, 61); Greger, Discovery am Amtsgericht?, ZRP 1988, 164; Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986; Hau, Gerichtssachverständige in Fällen mit Auslandsbezug, RIW 2003, 822; M. Heese, Sachaufklärung mittels exterritorialer Handlungsvollstreckung, ZZP 124 (2011), 73; von Hülsen, Gebrauch und Missbrauch US-amerikanischer pre-trial-discovery und die internationale Rechtshilfe, RIW 1982, 225; Huet, Les conflits de lois en matière de preuve, Paris 1965; Jacob, Private International Litigation, 1988, S 429ff; K. Jander/K. Stubbe, Beweisermittlung im Ausland – Blocking Statutes und Secrecy Laws, WiB 1996, 201; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, RIW 1987, 1; Junker, Der deutsch-amerikanische Rechtsverkehr in Zivilsachen, JZ 1989, 121; Junker, US-amerikanische „Discovery“ als Herausforderung des Internationalen Zivilprozessrechts, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des inter-
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Internationale Beweisaufnahmen
nationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 103; O. Knöfel, Nordische Zeugnispflicht – Grenzüberschreitende Zivilrechtshilfe à la scandinave, IPRax 2010, 572; O. Knöfel, Grenzüberschreitende Beweissammlung durch Private, FS Simotta, 2012, S 333; A. Küttler, Das Erlangen von Beweisen in den USA zur Verwertung im deutschen Zivilprozess, 2007; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, 1989; Leipold, Neue Wege im Recht der internationalen Beweiserhebung, FS Schlechtriem, 2003, S 91; M. Lin, Chinesische internationale Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, IPRax 1997, 52; K.-G. Loritz, Transnationales Streitverfahren und Beweisrecht, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 141; Lowenfeld, International Litigation and the Quest for Reasonableness, RdC 245 (1994 I), 9, 191ff; Maier, Interest Balancing and Extraterritorial Jurisdiction, AmJCompL 31 (1983), 579; Maier, Extraterritorial Discovery: Cooperation, Coercion and the Hague Evidence Convention, Vanderbilt J.Transn.L. 19 (1986), 239; D. McClean, International Judicial Assistance, 1992 (S 56–118); K. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im internationalen Wirtschaftsrecht, 1990; Monin-Hersant, Entraide judiciaire internationale, Obtention des preuves à l’étranger, Juris-Classeur, Procédure civile, 1989, Fasc. 124–2; Musielak, Beweiserhebung bei auslandsbelegenen Beweismitteln, FS Geimer, 2002, S 761; L. Newman/M. Burrows, The Practice of International Litigation, 1998 (Part III); P. Niehr, Die zivilprozessuale Dokumentenvorlegung im deutsch-englischen Rechtshilfeverkehr, 2004; Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979; Paulus, Discovery, deutsches Recht und Haager Beweisübereinkommen, ZZP 104 (1991), 397; Pfeiffer, Internationale Zusammenarbeit bei der Vornahme innerstaatlicher Prozesshandlungen, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 77, 89ff; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987, S 171ff; Platto/Lee (ed), Obtaining Evidence in another Jurisdiction in Business Disputes, 2. Aufl 1993; Prescott/Alley, Effective Evidence – Taking under the Hague Convention, Int’l Lawyer 22 (1988), 939; M. Reufels, Pre-trial discoveryMaßnahmen in Deutschland: Neuauflage des deutsch-amerikanischen Justizkonflikts?, RIW 1999, 667; M. Reufels/M. Scherer, Pre-trial Discovery nach dem Haager Beweisübereinkommen, IPRax 2005, 456; M. Richter, Bessere Aussichten für das Haager Beweisübereinkommen?, RIW 2005, 815; S Roggenbuck, US-amerikanische Discovery im deutschen Zivilprozess?, IPRax 1997, 76; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg 1995/96; Schlosser, Internationale Rechtshilfe und rechtsstaatlicher Schutz von Beweispersonen, ZZP 94 (1981), 369; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985; Schlosser, Extraterritoriale Rechtsdurchsetzung im Zivilprozess, FS W. Lorenz, 1991, S 497; Schlosser, EuGVÜ (mit HBÜ), 1996; Schlosser, Die Informationsbeschaffung für den Zivilprozess, 1996; Schlosser, Jurisdiction and international judicial and administrative co-operation, RdC 284 (2000), 113ff; Schulze, Dialogische Beweisaufnahmen im internationalen Rechtshilfeverkehr, IPRax 2001, 527; Schwarz, Das Bankgeheimnis bei Rechtshilfeverfahren gem dem HBÜ, SchweizJZ 91 (1995), 281; Seidel, Extraterritorial Discovery in International Litigation, 1984; Slomanson, The US Supreme Court Position and the Hague Evidence Convention, ICLQ 37 (1988), 391; W. Stahr, Discovery under 28 USC § 1782 for Foreign and International Proceedings, Virginia J.Int.Law 30 (1990), 597; B. Steinbrück, US-amerikanische Beweisrechtshilfe für ausländische private Schiedsverfahren, IPRax 2008, 448; Stiefel, „Discovery“, Probleme und Erfahrungen im deutsch-amerikanischen Rechtshilfeverkehr, RIW 1979, 509; Stürner, Die Gerichte und Behörden der USA und die Beweisaufnahme in Deutschland, ZVglRWiss 81 (1982), 159; Stürner, Rechtshilfe nach dem Haager Beweisübereinkommen für common law-Länder, JZ 1981, 523; S. Timmerbeil, Witnesscoaching und Adversary System, 2004; Trittmann, Anwendungsprobleme des Haager Beweisübereinkommens im Rechtshilfeverkehr zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika, 1989; Trittmann, Extraterritoriale Beweisaufnahmen und Souveränitätsverletzungen im deutsch-amerikanischen Wirtschaftsverkehr, ArchVR 27 (1989), 195; P. Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996; W. de Vos/W. Rechberger, Transnational litigation and the evolution of the law of evidence, in: Andolina, Transnational aspects of procedural law, Vol 2, 1998, 685; D. Waterstraat, ALI/UNI-
446
Einführung
§9
DROIT Principles and Rules of Transnational Civil Procedure – ein Instrument … bei grenzüberschreitenden Beweisaufnahmen?, 2006; Th. Wazlawik, Der Anwendungsbereich des Haager Beweisübereinkommens und seine Beachtung im Rahmen der pre-trial discoery durch US-amerikanische Gerichte, IPRax 2004, 396; J. Weis, Jr., The Hague Evidence Convention and the United States Civil Procedural Rules, ZVglRWiss 90 (1991), 411; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des GenuineLink-Erfordernisses, 1992, S 201ff.
2. Internationale Beweiszuständigkeit Da die Gerichtsgewalt Teil der Staatsgewalt ist, kann sie grds nur auf dem Ter- 2 ritorium des jeweiligen Staats ausgeübt werden. Ohne Zustimmung des betroffenen Staats darf auf seinem Gebiet keine Beweisaufnahme ausgeführt und niemand hoheitlich zu einer Mitwirkung in einem Verfahren im Ausland aufgefordert werden.1 Eine grenzüberschreitende Beweisaufnahme ist deshalb grds im Wege der internationalen Rechtshilfe auszuführen. Auch für Beweisaufnahmen wird Rechtshilfe aufgrund von Staatsverträgen oder von jedem Staat nach eigenem (autonomem) Recht gewährt. In Deutschland wird sogar die Auffassung vertreten, dass eine „freiwillige“ Be- 3 weisaufnahme zugunsten eines ausländischen Verfahrens auf deutschem Territorium (völker-)rechtswidrig sei, wenn dazu förmlich im Rahmen eines discovery-Verfahrens aufgefordert werde.2 Nur eine wirklich freiwillige Mitwirkung bei der Sachaufklärung ohne ausländischen Druck sei zulässig. Die Grenzen eines zulässigen Zugriffs auf im Ausland belegene Beweismittel 4 ohne Inanspruchnahme von Rechtshilfe („internationale Beweiszuständigkeit“ bzw extraterritoriale Beweisanordnung) sind jedoch streitig.3 Völkerrechtlich kann der Verfahrensstaat von den seiner Jurisdiktion unterlie- 5 genden Parteien jede Mitwirkung im Verfahren (entsprechend seiner lex fori) verlangen.4 Der Staat, in dem sich das Beweismittel nicht befindet, kann seine Erhebung im Lagestaat ebenfalls über ein Rechtshilfeverfahren betreiben.
3. Extraterritoriale Beweisaufnahme Eine unbedingte Pflicht des Prozessstaats, das Beweismittel mit Hilfe des 6 Rechtshilfeverfahrens zu erheben, besteht aber nicht.5 Beweismittel dürfen also (ohne Zwang) aus dem Ausland beschafft werden (s u Rz 137ff). Auch aus-
1 Leipold, Lex fori, S 39f. 2 Stürner ZVglRWiss. 81 (1982), 159, 202; Leipold, Lex fori, S 42ff. 3 Vgl Mössle, S 307ff, 429ff; Geimer, IZPR, Rz 2382f; krit Schlosser, FS W. Lorenz, S 497, 509f. 4 Jander/Stubbe WiB 1996, 201, 202f; Junker IZPR, § 26 Rz 2f. 5 Mössle S 381f; Schack IZVR, Rz 791ff, 808; MüKo/Rauscher, Vor §§ 1072–1075 ZPO Rz 7.
447
§9
Internationale Beweisaufnahmen
ländische blocking statutes oder secrecy laws sind vom ausländischen Gericht lediglich nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichtigen.6 7
Am Prozess nicht beteiligte Dritte, die sich im Ausland befinden, dürfen dagegen zur Mitwirkung nur von den Gerichten ihres Heimatstaats kraft dessen Personalhoheit gezwungen werden. Ein Drittstaat kann den ausländischen Zeugen oder Sachverständigen nur veranlassen, freiwillig vor Gericht zu erscheinen. Eine strafbewehrte Ladung ist dagegen unzulässig,7 und zwar auch dann, wenn der Dritte für ein anderes Verfahren im Gerichtsstaat als Partei gerichtspflichtig wäre. In solchen Fällen hat das Prozessgericht die Beweisaufnahme im Wege internationaler Rechtshilfe durchzuführen.
II. Die EU-Verordnung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen 8
Schrifttum: Adolphsen, Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, in Marauhn, Bausteine eines europäischen Beweisrechts, 2007, S 1; Alio, Änderungen im deutschen Rechtshilferecht – Beweisaufnahme nach der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung, NJW 2004, 2706; Berger, Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 522; Berger, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme zwischen Österreich und Deutschland, FS Rechberger, 2005, S 39; Burgstaller/Neumayr/Kodek, EuBewVO, in: Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht, Kap 83, 2004; Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd V/1, 2. Aufl 2008; Geimer/Schütze/Knöfel, Erläuterungen zu der VO (EG) Nr 1206/2001, in Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen EL 32, 2007, S 562.1ff; K. Grabinski, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im deutschen Patentverletzungsprozess unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr 1206/2001, FS Schilling, 2007, S 191; Hau, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, ERA-Forum 2/2005, S 224; Heß, Neue Formen der Rechtshilfe im Europäischen Justizraum, GS W. Blomeyer, 2004, S 617; Heß, Europäisches Beweisrecht zwischen Menschenrechtsschutz und internationaler Rechtshilfe, in Marauhn, Bausteine des europäischen Beweisrechts, 2007, S 17; Heß, Kommunikation im europäischen Zivilprozess, AnwBl 2011, 321, 324; Heß/Müller, Die Verordnung 1206/01/EG zur Beweisaufnahme im Ausland, ZZPInt 6 (2001), 149; St. Huber, Die Europäische Beweisaufnahmeverordnung – Überwindung der traditionellen Souveränitätsvorbehalte, GPR 3/03-04, 115; St. Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung (EuBVO), in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss (Kap 31), 2. Aufl 2010, S 1733; O. Knöfel, Vier Jahre Europäische Beweisaufnahmeverordnung, EuZW 2008, 267; Leipold, Neue Wege im Recht der internationalen Beweiserhebung, FS Schlechtriem, 2003, S 91; Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004; P. Nieler, Die zivilprozessuale Dokumentenvorlegung im deutsch-englischen Rechtshilfeverkehr, Diss Köln 2003; Rauscher/von Hein, EuZPR/ EuIPR, 2010, A II 2 S 687ff; Rechberger/McGuire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischen Zivilprozessrecht, ZZPInt 10 (2005), 81; C. Schneider, Grenzüberschreitende Zustellung und Beweisaufnahme in Europa, ProzRB 2003, 250 u 280; Stadler, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme in der Europäischen Union, FS Geimer, 2002, 6 Morris v Banque Arabe English High Court, [2001] ILPr 568; Jander/Stubbe WiB 1996, 201, 204f. 7 Schack IZVR, Rz 796; Gottwald, FS Habscheid, S 119, 128; Schlosser RdC 284 (2000), 125.
448
Die EU-Beweisverordnung
§9
S 1281; E. Storskrubb, Civil Procedure and EU Law, 2008, p 114; Sujecki, Zur Zahlung einer Zeugenentschädigung durch das ersuchte Gericht im Rahmen eines Beweisverfahrens nach der EuBVO, EuZW 2010, 726.
1. EU-Beweisverordnung Auf Initiative der Bundesrepublik Deutschland v 3.11.20008 ist am 28.5.2001 9 die EG-Verordnung Nr 1206/2001 des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen erlassen worden.9 Die Verordnung folgt sachlich weitgehend der Regelung des Haager Beweisübereinkommens von 1970; sie beansprucht nach Art 21 I Vorrang vor dem Haager Übereinkommen. Die Verordnung will die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme verbessern, vereinfachen und beschleunigen und auf diese Weise zum sachgerechten Funktionieren des europäischen Binnenmarktes beitragen (Einleitung, Erwägungsgrund [2]). Die Verordnung gilt seit 1.1.2004, die Art 19, 21 und 22 bereits seit 1.7.2001 (Art 24 EuBewVO). Sie gilt in allen EU-Mitgliedstaaten (ausgenommen Dänemark) (Erwägungsgründe [21], [22]). Im Verhältnis zu Dänemark bleibt es (vorerst) bei der Geltung des Haager Beweisübereinkommens. Die Verordnung erfasst Beweisaufnahmen für bereits anhängige und für künfti- 10 ge Verfahren in Zivil- und Handelssachen.10 Sie regelt, wie bei einer grenzüberschreitenden Beweisaufnahme zu verfahren ist, nicht aber, ob und warum eine solche erforderlich ist oder ob das Prozessgericht sog exterritoriale Beweisanordnungen erlassen, also Zeugen im Ausland laden oder die Vorlage von Beweismitteln aus dem Ausland anordnen darf (s u Rz 137ff).11 Sie verbietet ein solches nationales Vorgehen nicht.12 Der Zeuge im Ausland kann also durchaus vor das Prozessgericht geladen werden, bei Ausländern freilich nur ohne Androhung von Zwangsmitteln.13 Ein inländischer Sachverständiger kann daher im Ausland Tatsachen quasi als Privatperson erheben (s aber Rz 34).14 Nach Art 14 EuZustVO kann die Ladung jetzt auch förmlich durch direkte Postsendung per Einschreiben mit Rückschein im Ausland zugestellt werden. In Betracht kommt auch die (freiwillige) schriftliche Befragung des Zeugen gem § 377 III ZPO.15
8 9 10 11
12 13 14 15
ABl EG Nr C 314 v 3.11.2000, S 1–20. ABl EG Nr L 174/1 v 27.6.2001. Berger IPRax 2001, 522f; Heß/Müller ZZPInt 6 (2001), 149, 152. Heß JZ 2001, 573, 580; U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 332; Rauscher/v. Hein Art 1 EG-BewVO Rz 18; MüKo/Rauscher, Vor §§ 1072–1075 ZPO Rz 9. EuGH (C-170/11, 6.9.2012, Lippens v Kortekaas) NJW 2012, 3771 (Tz 30ff, 37). MüKo/Damrau, § 377 ZPO Rz 5; Berger IPRax 2001, 522, 526f; Schulze IPRax 2001, 527, 528; Rauscher/v. Hein Art 1 EG-BewVO Rz 20. Berger, FS Rechberger, S 39, 41; Schack IZVR, Rz 790; aA Rauscher/v. Hein Art 1 EGBewVO Rz 25; MüKo/Rauscher, Vor §§ 1072–1075 ZPO Rz 10. MüKo/Damrau, § 377 ZPO Rz 5, 14.
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§9 11
Internationale Beweisaufnahmen
Soweit eine Partei ihren Wohnsitz oder Aufenthalt im Ausland hat, hat sie gleichwohl die Pflicht, einer Anordnung des Gerichts zur Urkundenvorlage aus dem Ausland gem § 142 I ZPO nachzukommen.16 Dritten mit Wohnsitz im Ausland gegenüber dürfen solche Anordnungen nur als Aufforderung zur freiwilligen Vorlage erfolgen.17
2. Ersuchen um Beweisaufnahme 12
Als primäres Mittel der Zusammenarbeit sehen Art 1 I (a), 2 EuBewVO das Ersuchen an das zuständige Gericht eines anderen Mitgliedstaats vor, eine bestimmte Beweisaufnahme durchzuführen. Während Rechtshilfeersuchen nach dem HBÜ 1970 über zentrale Behörden zu übermitteln sind (Art 2 HBÜ), sieht Art 2 I EuBewVO zur weiteren Beschleunigung eine direkte Übermittlung zwischen den beteiligten Gerichten vor. Die zentrale Behörde wird nur noch tätig, um Schwierigkeiten bei der Direktübermittlung zu beheben und wenn sie ausnahmsweise ausdrücklich um Übermittlung ersucht wird (Art 3 I [b], [c] EuBewVO).18
13
Ersuchen um Beweisaufnahme sind auf dem Formblatt A gem dem Anhang zur EuBewVO zu übermitteln (Art 4).19 Darin sind ua anzugeben: (1) Art und Gegenstand des Rechtsstreits und eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts, (2) eine Beschreibung der auszuführenden Beweisaufnahme, (3) wenn eine Person zu vernehmen ist, deren Name und Anschrift, die zu stellenden Fragen oder die Angabe der Tatsachen, über die die Person befragt werden soll, (4) soweit angebracht Hinweise auf Zeugnisverweigerungsrechte nach dem Recht des ersuchenden Gerichts, (5) eventuelle Ersuchen zur Abnahme eines Eides oder einer eidesstattlichen Versicherung oder um eine besondere Form der Vernehmung, (6) in anderen Fällen die vorzulegenden Urkunden oder die zu besichtigenden Gegenstände.
14
Das Ersuchen und die Begleitunterlagen bedürfen keiner Legalisierung oder sonstigen förmlichen Ausfertigung (Art 4 II EuBewVO), Begleitdokumenten soll eine Übersetzung in die Sprache des Ersuchens beigefügt werden (Art 4 III EuBewVO).
15
Das Ersuchen und der sonstige Schriftwechsel sind in der Sprache des ersuchten Mitgliedstaats, bei mehrsprachigen Staaten in der Amtssprache des ersuchten Gerichts oder in einer anderen vom ersuchten Staat ebenfalls akzeptierten
16 Schack IZVR, Rz 791; vgl Stadler FS Geimer, S 1281, 1290. 17 Rauscher/v. Hein Art 1 EG-BewVO Rz 31. 18 Berger IPRax 2001, 522, 523; Rauscher/v. Hein Art 3 EG-BewVO Rz 6, 7; MüKo/Rauscher § 1072 ZPO Rz 4f. 19 Vgl Berger IPRax 2001, 522, 523; MüKo/Rauscher § 1072 ZPO Rz 6ff.
450
Die EU-Beweisverordnung
§9
Sprache zu stellen (Art 5 EuBewVO).20 In Deutschland eingehende Ersuchen müssen in deutscher Sprache erfasst oder mit einer deutschen Übersetzung versehen sein (§ 1075 ZPO). Die Übermittlung des Ersuchens soll auf dem schnellsten Weg erfolgen, der in 16 dem ersuchten Staat möglich ist (Art 6 EuBewVO). Wenn der ersuchte Staat dies akzeptiert, ist danach auch eine Übermittlung auf elektronischem Wege möglich, sofern gesendetes und empfangenes Dokument genau übereinstimmen und alle darin enthaltenen Informationen lesbar sind (Art 6 S 2 EuBewVO). Innerhalb von sieben Tagen hat das ersuchte Gericht eine Empfangsbestäti- 17 gung auf Formblatt B (gem Anhang zur VO) an das ersuchende Gericht zu schicken und darin auf eventuelle Mängel des Ersuchens oder seine fehlende Zuständigkeit hinzuweisen (Art 7 EuBewVO). Enthält das Ersuchen nicht alle sachlich notwendigen Informationen (gem Art 4), soll das ersuchte Gericht die fehlenden Informationen mit Hilfe des Formblattes C unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 30 Tagen nach Empfang des Ersuchens anfordern (Art 8 EuBewVO). Kann das Ersuchen erst nach Sicherheitsleistung oder Vorschusszahlung für 18 die Erstellung eines Sachverständigengutachtens ausgeführt werden, soll das ersuchende Gericht darüber ebenfalls in der gleichen Weise und in derselben Frist informiert werden. Wird die Sicherheit oder der Vorschuss geleistet, hat das ersuchte Gericht den Empfang innerhalb von 10 Tagen auf Formblatt D zu bestätigen (Art 8 II, 18 III EuBewVO). Für die Vernehmung eines Zeugen kann das ersuchte Gericht dagegen beim ersuchenden Gericht weder die Zahlung eines Vorschusses auf die Zeugenentschädigung noch nachträglich eine Erstattung der bezahlten Entschädigung verlangen. Dies gilt auch in Mitgliedstaaten, in denen die Zeugen von den Parteien präsentiert und entschädigt werden.21 Schwierigkeiten, die sich bei der Abwicklung von Ersuchen um Beweisaufnah- 19 me zeigen, können und sollen nunmehr durch Einschaltung der Kontaktstellen, die im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen v 28.5.2001 geschaffen wurden (s u § 7 Rz 72), behoben werden (Art 2 I [a], Art 3 II [a]).22
3. Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht a) Frist Die Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht hat unverzüglich, spätestens 20 innerhalb von 90 Tagen nach Empfang des Ersuchens zu erfolgen (Art 10 I EuBewVO). War das Ersuchen unvollständig, beginnt die Frist ab der Vervollständigung (Art 9 I EuBewVO), waren Sicherheit oder Vorschuss zu leisten, mit der 20 Vgl MüKo/Rauscher § 1072 ZPO Rz 19ff. 21 EuGH (17.2.2011, C-283/09) (Weryn´ski v Mediatel) RIW 2011, 310, 313 (Rz 50ff) = NJW 2011, 2493. 22 ABl EG Nr L 174/25 v 27.6.2001.
451
§9
Internationale Beweisaufnahmen
entsprechenden Leistung (Art 9 II EuBewVO). Kann das ersuchte Gericht die Frist zur Beweisaufnahme nicht einhalten, ist das ersuchende Gericht darüber, über den Grund der Verzögerung und die voraussichtlich noch benötigte Zeit für die Ausführung zu unterrichten (Art 15 EuBewVO).
b) Art und Weise 21
Grundsätzlich wird die ersuchte Beweisaufnahme nach der lex fori des ersuchten Gerichts ausgeführt23 (Art 10 II EuBewVO). Das ersuchende Gericht kann aber auf Formblatt A die Ausführung nach besonderen Verfahrensregeln des ersuchenden Staats verlangen. Diesem Ersuchen hat das ersuchte Gericht Folge zu leisten, es sei denn, diese wären mit dem Recht des ersuchten Staats unvereinbar oder die Ausführung wäre wegen erheblicher tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich (Art 10 III EuBewVO). Solche Hinderungsgründe sind dem ersuchenden Gericht auf Formblatt E mitzuteilen. Eine Zeugenvernehmung per Kreuzverhör ist in der deutschen ZPO zwar nicht vorgesehen, aber mit Grundprinzipien des deutschen Rechts durchaus vereinbar.24 Gleiches gilt für die Erstellung eines Wortprotokolls.25
22
Das Ersuchen kann auch dahingehen, bei der Beweisaufnahme Kommunikationstechnologie einzusetzen, insb sie per Video- und Telekonferenz auszuführen. Auch diesem Ersuchen ist Folge zu leisten, sofern dem nicht das Recht des ersuchten Staats oder erhebliche praktische Schwierigkeiten entgegenstehen (Art 10 IV EuBewVO). ME folgt aus dieser Regelung nicht, dass eine „private“ Vernehmung per Videoschaltung unzulässig ist.26
23
Die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme ist eingehend geregelt worden. Nach Maßgabe des Rechts des ersuchten Staats dürfen die Parteien und ihre Vertreter an der Beweisaufnahme vor dem ersuchten Gericht teilnehmen (Art 11 I EuBewVO). In dem Beweisersuchen ist bereits auf Formblatt A darauf hinzuweisen, dass diese Personen an der Beweisaufnahme teilnehmen und dass ihre Teilnahme ggf erwünscht ist (Art 11 II EuBewVO). In letzterem Falle hat das ersuchte Gericht die Voraussetzungen für die Teilnahme (in Übereinstimmung mit Art 10) festzulegen (Art 11 III EuBewVO; vgl § 60 ZHRO).
24
Die (aktiven) Teilnahmerechte bestimmen sich daher gem Art 10 II EuBewVO nach der lex fori des ersuchten Staats und sind insoweit (entgegen § 1073 I 2 ZPO) bei einem deutschen Ersuchen nicht durch das deutsche Prozessrecht begrenzt.27 Den Parteien und ihren Vertretern sind der Termin der Beweisaufnahme und die etwaigen Voraussetzungen für eine Teilnahme auf dem Form23 Vgl Berger, FS Rechberger, S 39, 42; MüKo/Rauscher § 1072 ZPO Rz 29. 24 Ebenso Heß/Müller ZZPInt 6 (2001), 149, 154; Rauscher/von Hein Art 10 EG-BewVO Rz 20ff; Neumayr/Kodek, in: Burgstaller/Neumayr, IZVR, Art 10 EuBewVO Rz 13; Hess EuZPR § 8 Rz 42. 25 Rauscher/v. Hein Art 10 EG-BewVO Rz 19; Berger, FS Rechberger, S 39, 45. 26 So aber Schulze IPRax 2001, 527, 529; U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 340; s auch Rz 35. 27 Rauscher/v. Hein Art 11 EG-BewVO Rz 14; Berger, FS Rechberger, S 39, 51.
452
Die EU-Beweisverordnung
§9
blatt F mitzuteilen (Art 11 IV EuBewVO). Soweit erforderlich dürfen die Beteiligten auch einen Dolmetscher mitbringen.28 Falls das Recht des ersuchten Staats dies vorsieht, kann das ersuchte Gericht die Parteien und ihre Vertreter in jedem Falle bitten, bei der Beweisaufnahme anwesend zu sein oder daran teilzunehmen (Art 11 V EuBewVO).29 Außerdem dürfen Vertreter des ersuchenden Gerichts (passiv) an der Beweis- 25 aufnahme teilnehmen, wenn dies mit der lex fori des ersuchten Gerichts vereinbar ist (Art 12 I EuBewVO; § 1073 ZPO). Ein Genehmigungsvorbehalt, wie nach Art 8 HBÜ, besteht nicht mehr.30 In Betracht kommen dafür ein beauftragter Richter, aber auch jede andere dafür ausgewählte Person, zB ein Sachverständiger (Art 12 II EuBewVO).31 Über Anträge auf aktive Beteiligung (durch Fragen) entscheidet das ersuchte Gericht nach eigenem Ermessen. Bei der Ausführung der Beweisaufnahme darf das ersuchte Gericht soweit er- 26 forderlich alle Zwangsmittel einsetzen, die die lex fori bei innerstaatlichen Rechtshilfeersuchen vorsieht (Art 13 EuBewVO).32 Auch bei einem Auslandsersuchen gibt es daher in Deutschland keinen Aussagezwang gegenüber Parteien.33 Umgekehrt sind die Zwangsmittel des ersuchten Gerichts nicht durch das Recht des ersuchenden Gerichts beschränkt.34
c) Verweigerung Die Ausführung des Beweisersuchens ist abzulehnen, wenn sich die zu ver- 27 nehmende Person auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach der lex fori (1) des ersuchten Gerichts oder (2) des ersuchenden Gerichts beruft. In letzterem Fall muss auf dieses Weigerungsrecht bereits im Ersuchen hingewiesen worden oder seine Existenz muss auf Verlangen des ersuchten Gerichts vom ersuchenden Gericht bestätigt worden sein (Art 14 I EuBewVO).35 Damit ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht über ein Begehren auf Urkundenvorlage unterlaufen werden kann, sollte Art 14 I EuBewVO auf die Urkundenvorlage analog angewendet werden.36 Darüber hinaus darf die Ausführung des Ersuchens nur verweigert werden, 28 wenn das Ersuchen (1) nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, (2) seine Ausführung nach der lex fori nicht zu den Aufgaben eines Gerichts gehört, (3) ein unvollständiges Ersuchen nicht innerhalb von 30 Tagen37 vervollständigt wurde, oder (4) Sicherheit oder Vorschuss, die für die Sachverstän28 29 30 31 32 33 34 35
U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 343; Schulze IPRax 2001, 527, 530. Vgl Stadler FS Geimer, S 1281, 1292ff. Rauscher/v. Hein Art 12 EG-BewVO Rz 3; Berger, FS Rechberger, S 39, 47. Vgl Berger IPRax 2001, 521, 525; Schulze IPRax 2001, 527, 530. Berger IPRax 2001, 522, 524. Heß/Müller ZZPInt 6 (2001), 149, 156. AA Berger, FS Rechberger, S 39, 44. Vgl Berger IPRax 2001, 522, 524; Heß/Müller ZZPInt 6 (2001), 149, 157f; Stadler FS Geimer, S 1281, 1294 f. 36 Berger, FS Rechberger, S 39, 52f; U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 346. 37 Nicht innerhalb von sechs Wochen; so aber Berger IPRax 2001, 522, 524.
453
§9
Internationale Beweisaufnahmen
digenkosten erbeten wurden, nicht innerhalb von 60 Tagen geleistet werden (Art 14 II EuBewVO). Die Ausführung darf dagegen nicht versagt werden, weil das Recht des ersuchten Staats eine ausschließliche Zuständigkeit über den Rechtsstreit beansprucht oder der Anspruch nach diesem Recht nicht klagbar ist (Art 14 III EuBewVO). Die Vernehmung eines Zeugen darf dagegen nicht von der Leistung eines Kostenvorschusses durch das ersuchende Gericht abhängig gemacht werden. Das ersuchende Gericht ist weder zu einer derartigen Vorschussleistung noch zur Erstattung einer an den Zeugen gezahlten Entschädigung verpflichtet.38 29
Wird die Ausführung aus Gründen des Art 14 II versagt, ist dies dem ersuchenden Gericht auf Formblatt H innerhalb von 60 Tagen mitzuteilen (Art 14 IV EuBewVO).
d) Bestätigung 30
Nach der Beweiserhebung hat das ersuchte Gericht deren Ergebnis und etwaige zurückzugebende Unterlagen zusammen mit einer Ausführungsbestätigung gem Formblatt H an das ersuchende Gericht zu senden (Art 16 EuBewVO).
4. Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht 31
a) Eine wesentliche Verbesserung und Neuerung gegenüber dem Haager Beweisübereinkommen ist die Zulassung der unmittelbaren Beweisaufnahme durch das Prozessgericht (einen beauftragten Richter oder auch einen von ihm bestellten Sachverständigen) in einem anderen Mitgliedstaat der EU nach seinem eigenen Prozessrecht in Art 17 EuBewVO.39 Das Prozessgericht hat ein entsprechendes Gesuch auf Formblatt I an die zentrale Behörde im Erhebungsstaat zu richten. Die direkte Beweisaufnahme darf nur auf freiwilliger Basis ohne Anwendung von Zwang erfolgen. Soll eine Person vernommen werden, so ist diese darüber zu informieren, dass die Vernehmung auf freiwilliger Grundlage stattfindet (Art 17 II EuBewVO).40
32
b) Trotz dieser Einschränkung bedarf die unmittelbare Beweisaufnahme der Genehmigung durch die zentrale Behörde des Erhebungsstaats. Diese Genehmigung und etwaige Bedingungen der Beweiserhebung sind dem ersuchenden Gericht innerhalb von 30 Tagen auf Formblatt J mitzuteilen. Die zentrale Behörde darf zugleich ein Gericht seines Staats bestimmen, das an der Beweisaufnahme teilnehmen darf, um sicherzustellen, dass die Bedingungen der Beweisaufnahme eingehalten werden.
33
Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn (1) das Begehren nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, (2) nach Art 4 erforderliche Infor-
38 EuGH (17.2.2011, C-283/09) (Weryn´ski v Mediatel) NJW 2011, 2493. 39 Vgl Heß JZ 2001, 573, 579; Heß, EuZPR § 8 Rz 50; Berger IPRax 2001, 522, 526; Rauscher/v. Hein Art 17 EG-BewVO Rz 1. 40 Vgl Heß/Müller ZZPInt 6 (2001), 149, 160; MüKo/Rauscher § 1072 ZPO Rz 47ff, § 1073 Rz 19ff.
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mationen fehlen, oder (3) die direkte Beweisaufnahme dem ordre public des Rechts des ersuchten Staats widerspricht (Art 17 V EuBewVO).41
5. Extraterritoriale Beweisaufnahmen a) Art 17 III EuBewVO sieht vor, dass die Beweisaufnahme auch von einem 34 „bestimmten Gerichtsangehörigen oder von einer anderen Person wie etwa einem Sachverständigen durchgeführt“ werden kann (vgl § 1073 II ZPO). Daraus wird abgeleitet, dass der extraterritoriale Einsatz eines Sachverständigen im Verhältnis zu einem anderen EU-Staat nur im Rahmen einer unmittelbaren Beweisaufnahme nach Art 17 EuBewVO erfolgen darf und danach der Genehmigung des Erhebungsstaats bedarf.42 Soweit der Sachverständige seine Befundtatsachen wie eine Privatperson feststellen kann, erscheint dies freilich als überzogen.43 b) Überwiegend wird angenommen, auch eine Videovernehmung von Zeugen 35 oder Parteien, die sich im Ausland aufhalten, sei als direkte Beweisaufnahme iS des Art 17 EuBewVO anzusehen,44 da Art 17 IV 3 EuBewVO ausdrücklich Video- und Telekonferenzen erwähnt. Indes ist damit nur gesagt, dass eine solche Beweisaufnahme in dem von Art 17 EuBewVO geregelten Verfahren durchgeführt werden kann, nicht aber, dass eine Schaltung zu einer ausländischen Großkanzlei, einem Hotel, Tagungszentrum oder einem eigenen Konsulat verboten wäre, bei der der Zeuge oder die Auslandspartei freiwillig erscheint und aussagt.45 (Auch das australische Bundesgericht hat eine freiwillige grenzüberschreitende Videovernehmung ohne Weiteres für zulässig angesehen.)46
III. Das Haager Beweisübereinkommen vom 18.3.1970 1. Geltungsbereich a) Vertragsstaaten Das Übereinkommen gilt im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu 36 Argentinien, Australien, Barbados, Bosnien und Herzegowina (seit 19.1.2010), Bulgarien (seit 22.1.2000), China (1.7.1998), Dänemark, Estland (31.8.1996), Finnland, Frankreich, Griechenland (19.3.2005); Indien (seit 20.10.2007),47 Island (seit 19.1.2010), Israel, Italien, Korea (seit 12.7.2010), Kroatien (seit 41 Vgl Rauscher/v. Hein Art 17 EG-BewVO Rz 6ff. 42 Rauscher/v. Hein Art 1 EG-BewVO Rz 25; U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 353, 366, vgl Schack IZVR, Rz 807. 43 Ebenso Leipold, FS Schlechtriem, S 97, 103. 44 Rauscher/v Hein Art 1 EG-BewVO Rz 22, Art 17 EG-BewVO Rz 12; Schultzky NJW 2003, 313, 314; U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 363; vgl Hess, Europäisches Beweisrecht, in Marauhn, Bausteine eines europäischen Beweisrechts, 2007, S 17. 45 Ebenso Knöfel RIW 2006, 302, 304 u. RIW 2011, 887 (Anm zu Federal Court of Australia); Geimer IZPR, Rz 2385a. 46 Federal Court of Australia (19.8.2011) RIW 2011, 886 (Knöfel). 47 Vgl BGBl 2008 II, S 216.
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19.1.2010), Kuwait (7.7.2002), Lettland (27.5.1995), Liechtenstein (seit 19.1.2010), Litauen (seit 1.10.2000), Luxemburg, Mazedonien (seit 10.10.2009), Mexiko, Monaco, Niederlande, Norwegen, Polen (14.9.1996), Portugal, Rumänien (seit 13.10.2003), Schweden, der Schweiz (seit 1.1.1995), den Seychellen (22.4.2007),48 Singapur, der Slowakei, Slowenien (seit 17.11.2000), Spanien, Sri Lanka (seit 30.10.2000), Südafrika (12.1.1998), der Tschechischen Republik, der Türkei (seit 12.10.2004), der Ukraine (seit 13.11.2001), Ungarn (seit 11.9.2004), dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland,49 Venezuela (seit 21.10.1994), Weißrussland (seit 6.10.2001), den Vereinigten Staaten von Amerika, Zypern. 37
Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten tritt das Haager Beweisübereinkommen an die Stelle der Artikel 8 bis 16 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess v 1.3.1954 – auch des Haager Abkommens von 1905 (Art 29). Nach Art 31 sind Zusatzvereinbarungen zu dem Haager Abkommen von 1905 oder dem Übereinkommen von 1954 auf das Haager Beweisübereinkommen anzuwenden, wenn die beteiligten Staaten nichts anderes vereinbart haben. Das ist auf deutscher Seite offenbar nicht geschehen.50 Daher bleibt der unmittelbare Behördenweg, wie er in den Zusatzvereinbarungen zu den bisherigen Vertragsstaaten festgelegt ist, bestehen. Das gilt im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, der Schweiz und der Tschechischen Republik. Art 32 des Übereinkommens lässt auch das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr v 20.3.1928 unberührt.
b) Zivil- und Handelssachen 38
Das HBÜ ist in „Zivil- und Handelssachen“ anzuwenden (s o § 8 Rz 98). Der Beweis muss für ein bereits anhängiges oder ein künftiges gerichtliches Verfahren bestimmt sein (Art 1 II HBÜ). Es sind also auch Ersuchen um vorprozessuale Beweissicherung zulässig51 (s auch u § 17 Rz 85ff).
39
Auch Beweisanträge in Insolvenzsachen, Kartellstreitigkeiten52 oder Erbrechtssachen sind mit erfasst und nach dem HBÜ zu erledigen.53 Das House of Lords hat sogar ein Ersuchen um eine Zeugenvernehmung für ein norwegisches Steuerverfahren als Zivilsache behandelt,54 weil es (angeblich) keine allgemein anerkannte engere Auslegung dieser Begriffe gebe und die Begriffe nach englischem Recht alle Verfahren, Strafsachen ausgenommen, erfassen. Nach US-amerikanischer Ansicht sind auch Verfahren auf Leistung von treble oder
48 Vgl BGBl 2008 II, S 217. 49 Der Umsetzung dient der Evidence (Proceedings in Other Jurisdiction) Act 1975 (1975 c 34); s auch CPR 34 PD 6.1ff; vgl Lipstein ICLQ 1990, 120. 50 BT-Drucks 8/217 v 22.3.1977, 59. 51 Stürner IPRax 1984, 299, 300; MüKo/Pabst, 4. Aufl 2012, Art 1 HBewÜ Rz 15; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HBÜ Rz 2. 52 In re Westinghouse Uranium Contract, 2 WLR [1978] 81 (H.L.). 53 Clark AmJCompL 42 (Suppl.) (1994), 23, 30. 54 Re State of Norway’s Application (No 1 u 2) [1990] 1 AC 723, 783ff (H.L.).
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punitive damages zivilrechtlicher Natur.55 Beim Verdacht einer Weiterverwendung in einer Nichtzivilsache will Stürner56 Rechtshilfe nur unter der Zusicherung gewähren, dass eine anderweitige Verwendung unterbleibt. Für Verwaltungssachen besteht jedoch ein besonderes Europäisches Überein- 40 kommen über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland v 15.3.1978.57
c) Qualifikation Wie die Begriffe des HBÜ auszulegen sind, ist streitig. Traditionellerweise wird 41 dazu die lex fori des Staats herangezogen, in dem der Prozess anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll.58 Freilich soll das Übereinkommen auf die „Zivilsachen“ aller Vertragsstaaten anwendbar sein. US-Klagen auf treble damages oder punitive damages können daher wegen ihrer pönalen Elemente nicht aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. Deshalb erscheint auch bei diesem Übereinkommen eine vertragsautonome Interpretation als sinnvoll.59 Ein alternatives Abstellen auf das Recht des ersuchenden oder des ersuchten Gerichts60 dürfte idR zum gleichen Ergebnis führen.
d) Zweck Das HBÜ will die Beweisaufnahme im Ausland und die Vornahme „anderer 42 gerichtlicher Handlungen“ (Art 1 HBÜ) erleichtern und zugleich sicherstellen, dass der Beweis so erhoben wird, dass er für das Gericht, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, tatsächlich brauchbar ist. Bei den Verhandlungen, die diesem Übereinkommen vorausgingen, war eines 43 der Hauptziele, den Ländern des anglo-amerikanischen Rechtskreises den Beitritt zu dem Übereinkommen zu ermöglichen. Es sollte also ein Kompromiss gefunden werden, um das kontinental-europäische Beweissystem mit dem anglo-amerikanischen zu verbinden.61 Dabei war das Interesse des Vereinigten Königreichs an dem HBÜ geringer als das der Vereinigten Staaten. Denn das Vereinigte Königreich hat zu einer großen Anzahl von Ländern des kontinental-europäischen Rechtskreises zweiseitige Rechtshilfeabkommen abgeschlossen, wie das deutsch-britische, die teilweise liberaler sind als das HBÜ.62 Nach dem anglo-amerikanischen System ist es vornehmlich Aufgabe der Parteien, die Beweise zu beschaffen. Da gerichtliche Maßnahmen insoweit zurücktre55 56 57 58 59
Vgl MüKo/Pabst, 4. Aufl 2012, Art 1 HBewÜ Rz 6. ZVglRWiss 81 (1982), 159, 198. BGBl 1981 II, 550. Vgl Geimer, IZPR, Rz 2441ff. So Expertenkommission der Haager Konferenz, RabelsZ 54 (1990), 364, 366; hierfür auch Mann LQR 106 (1990), 354; krit. E. Geimer S 67. 60 So MüKo/Pabst, 4. Aufl 2012, Art 1 HBewÜ Rz 5. 61 Batiffol, Rev.crit. 1969, 239, hat von einer „volonté de rapprochement sincère“ gesprochen; von englischer Seite hat Edwards, ICLQ 38 (1969), 646, auf die Überbrückung der Schwierigkeiten aus den beiden Beweissystemen hingewiesen. 62 Edwards ICLQ 38 (1969), 646.
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ten, haben die Länder des „common law“ keinen Eingriff in ihre Justizhoheit darin gesehen, wenn in ihrem Staatsgebiet Beweise seitens eines von einem ausländischen Gericht ernannten „commissioner“ erhoben worden sind. Bei dem kontinental-europäischen System spielt dagegen der Beweisbeschluss bzw das Beweisurteil des Prozessgerichts eine bedeutende Rolle.63 Da es danach Sache des Gerichts ist, die Beweise zu erheben, waren diese Staaten immer argwöhnisch gegenüber privaten Beweisaufnahmen nach anglo-amerikanischem Muster.
e) Fakultatives Verfahren 44
Streitig war, ob das Übereinkommen exklusiv anzuwenden ist, wenn sich das Beweismittel im Ausland befindet, oder ob die Parteien veranlasst werden können, die Beweismittel aus dem Ausland an den Gerichtsort zu schaffen.64 Der US Supreme Court war der Ansicht, dass das Übereinkommen auf Parteien und Dritte Anwendung findet, die der jurisdiction von US-Gerichten unterliegen. Entgegen der Ansicht europäischer Staaten verdränge das HBÜ nicht die Prozessregeln des Forums, sondern schaffe nur ein weiteres, fakultatives Verfahren, einen im Ausland befindlichen Beweis aufzunehmen.65 Jeder Staat hat lediglich nach comity zu prüfen, ob das Übereinkommen anzuwenden ist. Andere hielten das Übereinkommen in stärkerem Maße für zwingend und eine Anwendung des Übereinkommens für geboten, sobald sich ein Beweismittel in einem anderen Vertragsstaat befindet.66 Als Folge dieser Entscheidung haben die Untergerichte nicht das Verfahren nach dem HBÜ gewählt, sondern discovery nach den gewöhnlichen Prozessvorschriften angeordnet.67 Dieses Ergebnis befriedigte aber vielfach nicht; eine Reform wurde verlangt.68
45
Durch die Neufassung von FRCP 28 (b) (in Kraft seit 1.12.1993) sollte das Problem entschärft werden. Die „first resort“-Idee des Minderheitsvotums der Aerospatiale-Entscheidung hat sich aber nicht durchgesetzt.69 FRCP 28 (b) lautet: „Depositions may be taken in a foreign country (1) pursuant to any applicable treaty or convention, or (2) pursuant to a letter of request … or (3) on notice before a person authorized to administer oaths in the place where the examination is held, either by the law thereof or by law of the United States, or (4) before a person commissioned by the court …“
63 Vgl dazu rechtsvergleichend Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 142ff. 64 Vgl Daoudi, S 77ff. 65 US Supreme Court, in Société Nationale Aérospatiale v US District Court, 482 US 522, 107 S.Ct. 2542 (1987) = JZ 1987, 984; dazu Koch IPRax 1987, 328; Stürner JZ 1987, 988; Junker JZ 1989, 121, 126ff; Newman/Burrows III-27ff; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl 2009, Art 1 HBÜ Rz 5. 66 Vgl Bermann, The Hague Evidence Convention, Tul.L.Rev. 63 (1989), 525; Expertenkommission der Haager Konferenz, RabelsZ 54 (1990), 367. 67 Born/Hoing, Int’l Lawyer 24 (1990), 393; Born, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 77, 86ff. 68 R. Roth U.Pennsylv.JIntBus.L. 13 (1992), 425. 69 Vgl Born, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 77, 90ff.
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Aus dieser Rangfolge ergibt sich, dass im Verhältnis zu den Vertragsstaaten die Regeln des HBÜ zu beachten sind. Eine Partei, die möchte, dass depositions im Ausland aufgenommen werden, hat daher regelmäßig die Regeln eines anwendbaren Übereinkommens zu befolgen. Mit dieser Neufassung soll die tatsächliche Anwendung des HBÜ durch US-Parteien sichergestellt werden.70 Dennoch dürfte sich damit im praktischen Ergebnis nichts ändern.71 Parteien und Drittbeteiligte, die der US-amerikanischen jurisdiction unterlie- 46 gen, haben nach wie vor volle discovery-Pflichten. Führt das Vorlageersuchen nicht zum Erfolg, weil das ersuchte Gericht gegenüber Parteien keinen Zwang üben kann (vgl Art 9 I HBÜ)72 oder weil das Ersuchen wegen des Vorbehalts nach Art 23 HBÜ überhaupt nicht erledigt würde, so kann und wird das USGericht eine Vorlage im Inland verlangen bzw hat die sich weigernde Partei die Nachteile hinzunehmen, die gegen sie gem FRCP 37 ergriffen werden können.73 Die freiwillige bzw über FRCP 37 erzwungene Mitwirkung der deutschen Partei im US-Verfahren verstößt nicht gegen die deutsche Souveränität.74
2. Übermittlungswege für Rechtshilfeersuchen Der primäre Rechtshilfeweg ist ebenso wie beim HZustÜ das Ersuchen einer 47 gerichtlichen Behörde an die Zentrale Behörde des Staats, in dem der Beweis erhoben werden soll (Art 1 I HBÜ). Gegenüber den Zusatzabkommen zum Haager Übereinkommen 1954 ist das nichts Neues.75 Dennoch ist ein einheitlicher Weg über die Zentralen Behörden geschaffen. In Deutschland ist für jedes Bundesland eine Zentrale Behörde bestimmt worden.76 Zentrale Behörde iS des Art 2 HBÜ für eingehende Gesuche, aber auch für ausgehende Gesuche ist in den USA das „Department of State“, ohne dass dadurch ein sonst zulässiger direkter Behördenverkehr ausgeschlossen würde (28 USC § 1781). Zwar konnte kein einheitliches Muster für Rechtshilfeersuchen eingeführt 48 werden. Art 3 HBÜ enthält aber Angaben über den Inhalt eines Ersuchens. Dabei ist es sehr wesentlich, dass die Fragen, die an die zu vernehmende Person gerichtet werden sollen, genau formuliert und aufgeführt werden (Art 3 I 2 f
70 FRCP 28, Advisory Committee Notes, 1993, Amendments; vgl Clark AmJCompL 42 (suppl.) (1994), 23, 29; Born, International Civil Litigation in US Courts, 3. Aufl 1996, S 869f. 71 Wright/Miller/Marcus, Federal Practice and Procedure, 1994, Suppl., §§ 2005, 2083, verweisen weiterhin auf die Aerospatiale-Entscheidung; vgl Burbank, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 103, 124; Born/Vollmer, 150 FRD 221, 241 (1994); Weintraub TexasInt’lL.J. 28 (1993), 441, 464; Junker IZPR, § 26 Rz 2f. 72 Junker, in: Heldrich/Kono, S 103, 112. 73 Vgl Born, International Civil Litigation in US Courts, 3. Aufl 1996, S 856ff. 74 Vgl Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 132. 75 AA Schlosser RdC 284 (2000), 120 („great progress“). 76 Auflistung in MüKo/Pabst, 4. Aufl 2012, Art 2 HBewÜ Rz 9.
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HBÜ).77 Dies entspricht nicht nur der anglo-amerikanischen, sondern auch der Praxis in den Ländern des romanischen Rechtskreises. Die Zentrale Behörde leitet das Ersuchen an das zuständige Gericht bzw die Behörde weiter. Nach Erledigung der Beweisaufnahme sendet die Zentrale Behörde die Aktenstücke an die ersuchende Stelle zurück. 49
US District Courts erledigen eingehende Gesuche um Beweisaufnahme nach 28 USC § 1782.78 Diese Bestimmung lautet: „§ 1782. Assistance to foreign and international tribunals and to litigants before such tribunals (a) The district court of the district in which a person resides or is found may order him to give his testimony or statement or to produce a document or other thing for use in a proceeding in a foreign or international tribunal. The order may be made pursuant to a letter rogatory issued, or request made, by a foreign or international tribunal or upon the application of any interested person and may direct that the testimony or statement be given, or the document or other thing be produced, before a person appointed by the court. By virtue of his appointment, the person appointed has power to administer any necessary oath and take the testimony or statement. The order may prescribe the practice and procedure, which may be in whole or part the practice and procedure of the foreign country or the international tribunal, for taking the testimony or statement or producing the document or other thing. To the extent that the order does not prescribe otherwise, the testimony or statement shall be taken, and the document or other thing produced, in accordance with the Federal Rules of Civil Procedure. A person may not be compelled to give his testimony or statement or to produce a document or other thing in violation of any legally applicable privilege. (b) This chapter does not preclude a person within the United States from voluntarily giving his testimony or statement, or producing a document or other thing, for use in a proceeding in a foreign or international tribunal before any person and in any manner acceptable to him.“
Das Gericht muss nicht prüfen, ob die erbetene Aufklärung vor dem ausländischen Prozessgericht verlangt werden könnte.79 Auf diese Weise kann in den USA auch discovery zugunsten eines in Deutschland anhängigen Prozesses,80 auch zugunsten eines (privaten) Schiedsverfahrens81 begehrt werden. 50
Nach Art 27 HBÜ bleibt es den Vertragsstaaten überlassen, zu erklären, dass Rechtshilfeersuchen auch auf anderen Wegen übermittelt werden. Damit bleibt der konsularische Weg sowie der unmittelbare Behördenweg82 erhalten. Für letzteren sprechen bereits die erwähnten Zusatzvereinbarungen zu dem
77 Vgl E. Geimer, S 75ff. 78 Vgl US Court of Appeal, 2nd Cir., [1998] ILPr 466; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, (§ 12.8); Anderson ICLQ 42 (1993), 356; Newman/Burrows III-49ff; Schlosser RdC 284 (2000), 148ff; Eschenfelder, S 245ff. 79 Re the application of Silvia Gianoli, US Court of Appeal, 2nd Cir., [1995] ILPr 492. 80 Roggenbuck IPRax 1997, 76; Eschenfelder, S 247ff; vgl G. Fouché/E. Polebaum IntBusLawyer 1996, 415; Newman/Burrows III-111ff. 81 Vgl Steinbrück IPRax 2008, 448. 82 MüKo/Pabst, 4. Aufl 2013, Art 27 HBewÜ Rz 1ff.
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Haager Übereinkommen (im Verhältnis zu Dänemark ist zB der konsularische Weg gewählt worden83). Nach Art 4 muss das Ersuchen in der Sprache der ersuchten Behörde abgefasst 51 oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sein. Der Versuch, für Ersuchen die englische oder die französische Sprache als Arbeitssprache vorzusehen (Art 4 II), hätte den Rechtshilfeverkehr erleichtert, ist aber praktisch gescheitert, da die meisten Staaten insoweit einen Vorbehalt erklärt haben.84 Auch Deutschland hat dieser Möglichkeit gem Art 33 HBÜ in vollem Umfang widersprochen (§ 9 AusfG; ebenso Argentinien, Australien, China, Griechenland, Island, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Mexiko, Polen, Portugal, die Schweiz und Venezuela). In Dänemark, Finnland, Indien, Korea, Norwegen, Singapur, Sri Lanka, Südafrika, der Türkei, der Ukraine, dem Vereinigten Königreich und in Zypern werden keine Rechtshilfegesuche in französischer Sprache, in Frankreich und Monaco keine Gesuche in englischer Sprache erledigt.
3. Ablehnungsgründe Art 12 HBÜ hält an den beiden hauptsächlichen Ablehnungsgründen fest, die 52 bereits das Haager Übereinkommen von 1954 aufführt. Rechtshilfeersuchen werden danach abgelehnt:85 „a) wenn die Erledigung des Ersuchens nicht in den Bereich der Gerichtsgewalt fällt; b) der ersuchte Staat die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden“.
Auf den Ablehnungsgrund, dass die Echtheit des Ersuchens nicht feststehe (Art 11 III Nr 1 HZÜ 1954), ist verzichtet worden. Im Übrigen kann die Erledigung des Ersuchens nicht allein deswegen abgelehnt werden, weil der ersuchte Staat die ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte für die Sache in Anspruch nimmt oder ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für welches das Ersuchen gestellt wird (Art 12 II HBÜ).86 Diese Ablehnungsgründe sind unter Berücksichtigung des Art 9 II HBÜ aus- 53 zulegen. Danach wird dem Antrag der ersuchenden Behörde, nach einer besonderen Form zu verfahren, entsprochen, „es sei denn, dass diese Form mit dem Recht des ersuchten Staates unvereinbar oder ihre Einhaltung nach der gerichtlichen Übung im ersuchten Staat oder wegen tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich ist.“
83 84 85 86
Vgl BT-Drucks 8/217 v 22.3.1977, 58. Vgl E. Geimer, S 78ff. Vgl Pfeil-Kammerer, S 213ff; E. Geimer, S 83ff. Stiefel RIW/AWD 1979, 514, weist hinsichtlich der Gefährdung der Hoheitsrechte im deutsch-amerikanischen Rechtshilfeverkehr auf schwierige politische Probleme hin und befürwortet eine Klarstellung in Form eines Kataloges, welche amerikanischen Praktiken den tragenden Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts entgegenstehen.
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Diese Vorschrift ist enger als die des Art 14 HZÜ 1954, denn dort heißt es lediglich: „sofern diese Form den Rechtsvorschriften des ersuchten Staats nicht zuwiderläuft.“ Nunmehr werden der Gerichtsgebrauch und tatsächliche Schwierigkeiten auf Seiten des ersuchten Gerichts herangezogen.87 Ein Antrag, einen Zeugen per Kreuzverhör zu vernehmen, kann nach Art 9 II HBÜ nicht abgelehnt werden. Da § 239 StPO diese Art der Vernehmung im Strafprozess zulässt, widerspricht das Kreuzverhör weder deutschem Recht noch kann es nicht praktiziert werden88 (s u Rz 56). 54
Da das deutsche Gericht grds nach der lex fori verfährt (s u Rz 56), ist eine Parteivernehmung nur subsidiär zulässig, wenn die Voraussetzungen der §§ 445ff ZPO vorliegen.89
55
Formale Ablehnungsgründe könnten zwar eher auftauchen als bei dem Haager Zustellungsübereinkommen, weil es für das Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen keine Formblätter gibt. Andererseits ist aber der Inhalt eines Rechtshilfeersuchens in Art 3 umrissen. Überdies sorgen die deutschen Prüfstellen dafür, dass formale Fehler vermieden werden. Schließlich lehnt die Zentrale Behörde fehlerhafte Ersuchen nicht ab, sondern teilt der ersuchenden Behörde oder dem Gericht mit, welche Einwände gegen das Ersuchen im Einzelnen bestehen.
4. Verfahren des ersuchten Gerichts 56
Grds verfährt das ersuchte Gericht bzw die Behörde bei der Erledigung von Rechtshilfeersuchen nach seinen/ihren Prozessvorschriften (Art 9 I HBÜ), deutsche Gerichte also nach der ZPO.90 Es kann aber auch nach einer besonderen Form, dh dem Recht der lex fori des Prozessgerichts, verfahren werden (Art 9 II HBÜ). Ersuchen amerikanischer Gerichte um Zeugenvernehmung nach den Regeln des Kreuzverhörs unter Aufnahme eines vollen Wortprotokolls sind ebenfalls auszuführen.91 Sie bereiten zwar Schwierigkeiten, insb erhöhte Kosten; ihre Erledigung ist aber nicht unmöglich, sondern lässt sich bei Einsatz geeigneter Aufnahmegeräte durchaus organisieren. Dies zeigt auch die Parallele zum Strafprozess (vgl § 239 StPO; s o Rz 53). Die Zeugenvernehmung muss (wenig zweckmäßig) notwendig in deutscher Sprache erfolgen (§ 184 GVG), ggf unter Beiziehung vereidigter Dolmetscher (§ 185 GVG) (s o § 5 Rz 169ff). Wegen der Einschränkungen s o Rz 24. Das HBÜ bringt insoweit nichts Neues gegenüber dem HZÜ 1954 (zu diesem s u Rz 97ff). 87 Vgl Pfeil-Kammerer, S 307f. 88 E. Geimer, S 90; Stein/Jonas/Berger, Anhang zu § 363 ZPO Rz 55; aA MüKo/Pabst, Art 9 HBewÜ Rz 6; Geimer, IZPR, Rz 2505 (für Ausführung ohne Vertragspflicht). 89 Pfeil-Kammerer, S 313f. 90 MüKoZPO/Pabst, Art 9 HBewÜ Rz 3, Art 10 Rz 2; E. Geimer, S 88ff; vgl Eschenfelder, S 268ff. 91 Pfeil-Kammerer, S 309ff; Schlosser ZZP 94 (1981), 369, 387ff; Pfeil-Kammerer, EUProzessrecht, 3. Aufl 2012, Art 10 HBÜ Rz 3; Junker, Discovery, S 338; Trittmann S 139ff; aA MüKo/Pabst, 4. Aufl 2012, Art 9 HBewÜ Rz 6f (für Wortprotokoll, aber gegen Kreuzverhör).
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Die Schwachstellen des HBÜ ergeben sich aus den Divergenzen zwischen den Verfahrensrechten von Prozessgericht und ersuchtem Gericht. Das Übereinkommen bietet keine eigene einheitliche Lösung an. Schwierigkeiten bestehen etwa bei den Sanktionen. Diese kann das ersuchte 57 Gericht nur nach seinem eigenen Recht ergreifen (Art 10 HBÜ92). Soweit direkte Sanktionen fehlen, werden diese in nationalen Verfahren durch indirekte Sanktionen, etwa gegenüber den Parteien bei der Rechtsanwendung ausgeglichen. In internationalen Fällen ergeben sich dagegen Lücken. Eine Partei kann etwa in amerikanischen Verfahren auch mittels contempt of court-Sanktionen (Zwangsgeld) zur Vorlage von Urkunden oder zur Aussage gezwungen werden. Das deutsche Prozessrecht kennt dagegen (von § 372a ZPO abgesehen) keinen direkten Zwang gegenüber Parteien.
5. Zeugnisverweigerungsrechte und Privilegien Art 11 HBÜ bringt hier eine „Patentlösung“, die einen nicht unbedeutenden 58 Fortschritt gegenüber älteren Rechtshilfeverträgen darstellt. Danach wird ein Rechtshilfeersuchen nicht erledigt, „soweit die Person, die es betrifft, sich auf ein Recht zur Aussageverweigerung oder auf ein Aussageverbot beruft, a) das nach dem Recht des ersuchten Staates vorgesehen ist oder b) das nach dem Recht des ersuchenden Staates vorgesehen und im Rechtshilfeersuchen bezeichnet oder erforderlichenfalls auf Verlangen der ersuchten Behörde von der ersuchenden Behörde bestätigt worden ist.“
Unter diese Vorschrift fallen Zeugnisverweigerungsrechte93 und die Zeugenunfähigkeit. Das folgt aus dem englischen Text, in dem das „privilege“ ausdrücklich bezeichnet ist, aber auch aus dem französischen Text: „La commission rogatoire n’est pas exécutée pour autant que la personne qu’elle vise invoque une dispense ou une interdiction de déposer.“
Art 11 HBÜ räumt der zu vernehmenden Person ein Wahlrecht ein. Während 59 sonst das lex fori-Prinzip im Verfahren gilt, herrscht hier der Grundsatz der Meistbegünstigung der Beweisperson.94 Die Beweisperson kann sich also stets auf weitergehende Weigerungsrechte ihres Wohnsitzstaats berufen.95 Damit Weigerungsrechte des ersuchenden Staats berücksichtigt werden, müssen sie freilich nach Art 11 (1) (b) HBÜ im Gesuch ausreichend bezeichnet werden. Wird dies unterlassen, so wird das ersuchte Gericht in erster Linie nach seinen Vorschriften vorgehen.96 Die zu vernehmende Person weiß oft nicht um ihre Rechte bzw Schutzmöglichkeiten. Beruft sie sich auf Weigerungsrechte des ersuchenden Staats, die im Gesuch nicht bezeichnet sind, so muss die ersuchte Behörde erforderlichenfalls um eine Bestätigung der ersuchenden Behörde nachsuchen (Art 11 [1] [b] HBÜ), was die Erledigung des Rechtshilfeersuchens sehr verzögert. 92 93 94 95 96
Vgl Pfeil-Kammerer, S 277ff; Junker, Discovery, S 324ff. Zum Schweizer Bankgeheimnis s Schwarz SchweizJZ 1995, 281, 284ff. Junker, in: Heldrich/Kono, S 103, 113; Pfeil-Kammerer, S 345ff; E. Geimer, S 92f. Stürner ZVglRWiss. 81 (1982), 159, 203f. Vgl In re Westinghouse, 2 WLR [1978], 81.
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§9 60
Internationale Beweisaufnahmen
Bei einem internationalen Rechtshilfeersuchen entscheidet das ersuchte Gericht über die Rechtmäßigkeit einer Zeugnisverweigerung. Es wird also nicht auf § 387 I ZPO abgestellt, wonach das Prozessgericht über ein Zeugnisverweigerungsrecht entscheidet. Art 11 HBÜ geht insoweit vor und verdrängt die deutsche Prozessvorschrift.97 Beruft sich ein Zeuge bereits vorab auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, so soll in klaren Fällen bereits die Zentrale Behörde des ersuchten Staats die Weiterleitung des Beweisersuchens an das Gericht ablehnen dürfen.98 Eine solche Vermischung der Zuständigkeiten ist nicht zu billigen.
61
Ebenso könnte sich eine Person, die nach dem Recht des Prozessgerichts zur Vorlage von Urkunden verpflichtet wäre, dem Rechtshilfegericht gegenüber darauf berufen, dass es nach dessen Recht keine prozessuale Vorlagepflicht gebe.
62
Nach Art 11 II HBÜ kann jeder Vertragsstaat erklären, dass er außerdem Aussageverweigerungsrechte und Aussageverbote, die nach dem Recht dritter Staaten bestehen, insoweit anerkennt, als dies in der Erklärung angegeben ist.
63
Das HBÜ strebt weiterhin an, das Unmittelbarkeitsprinzip bei Beweisaufnahmen im Ausland jedenfalls teilweise zu ermöglichen. Nach Art 8 kann jeder Vertragsstaat erklären, „dass Mitglieder der ersuchenden gerichtlichen Behörde eines anderen Vertragsstaats bei der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens anwesend sein können“. Hierfür kann die vorherige Genehmigung durch die vom erklärenden Staat bestimmte zuständige Behörde verlangt werden (vgl § 38a ZRHO). Diese Regelung stellt einen ersten Schritt in die Richtung dar, dass Mitglieder des Prozessgerichts im Ausland auch Zeugen hören können. Deutschland gestattet ausländischen Richtern die Teilnahme an der Beweisaufnahme, wenn die Zentralen Behörden dies genehmigen (§ 10 AusfG zum HBÜ). In der Teilnahme sollte zugleich die Berechtigung enthalten sein, auch Fragen an die zu vernehmenden Personen zu stellen.99
6. Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter 64
Während Art 15 HZÜ 1954 lediglich den Vorbehalt macht, dass die Vertragsstaaten sich dahin einigen können, dass jeder Staat Ersuchen um Beweisaufnahmen unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter erledigen lässt, widmet das HBÜ solchen Beweisaufnahmen, die auf „Commissioners“ ausgedehnt sind, das ganze II. Kapitel mit acht Artikeln. In diesen liegt der eigentliche Schwerpunkt des Übereinkommens. Den Belangen der Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises wird insb durch die Zulassung der „Commissioners“, Beweisaufnahmen auf dem Gebiet des ersuchten Staats zu erledigen, entsprochen. Art 28 (g), 33 I eröffnet aber jedem Ver-
97 AG München, RIW 1981, 850; LG München, IPRax 1982, 28. 98 OLG Hamburg RIW 2002, 717 (Busse). 99 Vgl Pfeil-Kammerer, S 274ff.
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Das Haager Beweisübereinkommen vom 18.3.1970
§9
tragsstaat Kap. II (Art 15–22) ganz oder teilweise auszuschließen.100 Nach dem deutschen Vorbehalt ist die Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter gegenüber Deutschen unzulässig (§ 11 S 1 AusfG). Durch den deutsch-amerikanischen Notenwechsel v 17.10.1979/1.2.1980101 65 ist allerdings vereinbart, dass amerikanische Konsuln in Deutschland auch deutsche und andere nichtamerikanische Staatsangehörige auf freiwilliger Basis befragen können. Art 15 HBÜ bringt keinen neuen Gedanken. Diplomatische oder konsularische 66 Vertreter können ohne Anwendung von Zwang Beweise für die Prozessgerichte ihrer Entsendestaaten von den eigenen Staatsangehörigen erheben.102 Bei Doppelstaatern scheidet diese Möglichkeit aus, wenn die Beweisperson auch die Staatsangehörigkeit des Empfangsstaats besitzt.103 Derartige Beweiserhebungen sind in der Staatenpraxis seit langem bekannt. Neu ist lediglich die Formulierung, dass alle Vertragsstaaten solche Beweisaufnahmen in ihren Gebieten dulden werden, sofern sie nicht eine Erklärung gem Art 15 II abgeben. Danach kann jeder Staat erklären, „dass in dieser Art Beweis erst nach Vorliegen einer Genehmigung aufgenommen werden darf“. Diese Genehmigung kann auch auf bestimmte Personen beschränkt werden. Deutschland hat keine einschränkende Erklärung abgegeben. Dänemark, Norwegen, Schweden104 und Portugal haben solche Erklärungen abgegeben.105 In der Schweiz bedürfen ausländische Botschafter oder Konsuln der vorgängigen Genehmigung durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Bundesamt für Polizeiwesen).106 Art 16 HBÜ erweitert die Möglichkeit für diplomatische und konsularische 67 Vertreter, Beweise zu erheben. Der Personenkreis wird auf Angehörige des Empfangsstaats und eines dritten Staats ausgedehnt. Praktisch wird nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit der zu vernehmenden Person abgestellt. Die Auslandsvertreter können vielmehr alle Personen, die freiwillig vor ihnen erscheinen und zur Aussage bereit sind, vernehmen, so etwa in Spanien.107 Der Kreis der Personen ist also ebenso weit ausgedehnt wie der nach Art 8 HZustÜ (s o § 8 Rz 111). Während nach der letzten Vorschrift der weit gesteckte Personenkreis nur eingeengt wird, wenn die Vertragsstaaten eine Erklärung darüber abgegeben haben, knüpft Art 16 des Haager Beweisübereinkommens die geschaffene Möglichkeit an zwei Voraussetzungen: a) der Empfangsstaat muss dazu eine allgemeine oder eine auf den Einzelfall bezogene Genehmigung erteilt haben; 100 Wegen verschiedener Vorbehalte von Vertragsstaaten vgl BT-Drucks 8/217 v 22.3.1977, 56ff. 101 IPRax 1993, 224; vgl E. Geimer, S 105ff; ferner Volkswagen AG v Falzon, 23 ILM 1984, 412. 102 Vgl R. Geimer, FS Matscher, S 133; E. Geimer, S 135ff. 103 E. Geimer, S 141. 104 § 8 Lag [1946:816] om bevisupptagning åt utlänsk domstol. 105 BT-Drucks 8/217 v 22.3.1977, 57. 106 Walter, IZPR der Schweiz § 7 VI 3 (S 368). 107 Vgl OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 575; E. Geimer, S 103f.
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b) die Auslandsvertreter müssen die Auflagen erfüllen, an die die Genehmigung gebunden ist. Jeder Vertragsstaat kann allerdings auch erklären, dass Beweise ohne seine vorherige Genehmigung aufgenommen werden dürfen (Art 16 II HBÜ). 68
Der Grundgedanke des Art 16 HBÜ bringt einen erheblichen Fortschritt in der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Beweisrechts. Leider wird er durch Erklärungen und Vorbehalte der Vertragsstaaten mehr oder weniger zunichte gemacht. Deutschland lässt die Vernehmung von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen nur mit Genehmigung der Zentralen Behörde zu (§ 11 S 2 AusfG). Auch die Schweiz macht die Vernehmung Drittstaatsangehöriger durch Diplomaten oder Konsuln von der Genehmigung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements abhängig.108 Durch den deutsch-amerikanischen Notenwechsel v 17.10.1979/1.2.1980109 ist allerdings vereinbart, dass amerikanische Konsuln in Deutschland andere nichtamerikanische Staatsangehörige auf freiwilliger Basis befragen können.
69
Nach Art 18 HBÜ können sich ausländische Konsuln etc an die inländische Behörde mit der Bitte um Verhängung von Zwangsmaßnahmen wenden, wenn die Beweisperson zur freiwilligen Aussage oder Mitwirkung nicht bereit ist.110 Voraussetzung dafür ist aber, dass der Vertragsstaat eine entsprechende Erklärung abgibt. Solche Erklärungen haben Griechenland, Indien, Italien, die Slowakei, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten von Amerika und Zypern, nicht aber Deutschland abgegeben. Ausländische Konsuln können Vernehmungen in Deutschland daher nur auf der Grundlage der Freiwilligkeit vornehmen.
70
Infolge der deutschen Vorbehalte gestattet Art 16 HBÜ nur, was bereits nach dem Haager Übereinkommen von 1954 möglich war. Die deutschen Vorbehalte sind auch deshalb schwer verständlich, weil von deutscher Seite keine Bedenken getragen worden sind, im deutsch-britischen Abkommen v 20.3.1928 den diplomatischen und konsularischen Vertretern der Vertragsstaaten die Möglichkeit einzuräumen, nicht nur eigene Staatsangehörige, sondern auch solche von dritten Staaten und vom Empfangsstaat zu Beweiszwecken zu vernehmen (s u Rz 155). Diese Bestimmung wird auch durch das HBÜ nicht berührt.
7. Beweisaufnahme durch Beauftragte („commissioners“) 71
Art 17 HBÜ behandelt die Beweisaufnahmen durch Beauftragte (commissioners). Hierdurch wird auf die typisch anglo-amerikanische Praxis abgestellt, Beweise im Ausland durch „special examiners“ oder „commissioners of oaths“, die dazu vom Prozessgericht ernannt sind, zu erheben. Diese Art der 108 Walter, IZPR der Schweiz, § 7 VI 3b (S 368f). 109 IPRax 1993, 224; vgl E. Geimer, S 105ff; ferner Volkswagen AG v Falzon, 23 ILM 1984, 412. 110 Vgl Pfeil-Kammerer, S 296ff.
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Beweisaufnahme ist an dieselben Voraussetzungen geknüpft wie die durch diplomatische oder konsularische Vertreter. Es wird also eine Genehmigung der zuständigen Behörde des Staats, in dem Beweis aufgenommen werden soll, entweder allgemein oder im Einzelfall gefordert. Im Übrigen handelt es sich bei dieser Art von Beweisaufnahmen ebenso wie bei denen durch Auslandsvertreter um solche, bei denen staatliche Behörden nicht mitwirken. Auch hierfür kann als Beispiel das deutsch-britische Abkommen von 1928 herangezogen werden, denn häufig sind Konsuln zu „special examiners“ ernannt worden (s u Rz 155). Die Bundesrepublik Deutschland steht dieser Art von Beweisaufnahmen aufgeschlossener gegenüber als Beweisaufnahmen durch fremde Auslandsvertreter, da der Beauftragte nicht die Interessen des ersuchenden Staats zu wahren hat. Daher macht die Bundesrepublik Deutschland keine Vorbehalte zugunsten der eigenen Staatsangehörigen. Sie behält sich lediglich eine Genehmigung und eine richterliche Kontrolle vor (§ 12 AusfG zum HBÜ).111 Ein deutsches Gericht kann von der Möglichkeit des Art 17 HBÜ dadurch Ge- 72 brauch machen, dass ein Mitglied des Gerichts zum beauftragten Richter bestellt wird (§ 375 Abs 1a ZPO); gem Art 32 I GG ist auch die Genehmigung des Bundes für die Auslandsreise erforderlich.112 Sonstige Beauftragte kennt das deutsche Recht nicht.113 Art 18 HBÜ will sicherstellen, dass Personen, die nicht freiwillig vor diploma- 73 tischen oder konsularischen Vertretern oder Beauftragten, die befugt sind, Beweisaufnahmen vorzunehmen, aussagen, dazu durch Zwangsmaßnahmen des Staats, in dem die Beweisaufnahme erfolgt, angehalten werden (s o Rz 69). Die Artikel 19 bis 21 HBÜ enthalten Schutzvorschriften für die zu vernehmen- 74 den Personen. So kann die zuständige Behörde des Staats, in dem die Beweisaufnahme erfolgt, verlangen, dass ihr der Ort und die Zeit der Beweisaufnahme mitgeteilt werde, damit sie einen Vertreter zu der Beweisaufnahme entsenden kann. Die zu vernehmenden Personen können einen Rechtsberater hinzuziehen. Ein 75 Rechtsberater muss in dem Staat zugelassen sein, in dem die Beweisaufnahme stattfindet. Die Beweisaufnahmen durch Auslandsvertreter bzw durch Beauftragte haben 76 für das Prozessgericht den großen Vorteil, dass dabei seine eigenen Beweisvorschriften beachtet werden (s u Rz 131, 133). Das HBÜ macht jedoch einige Einschränkungen. Die Beweise dürfen nicht mit dem Recht des Staats, in dem Beweis aufgenommen werden soll, unvereinbar sein oder der erteilten Genehmigung widersprechen. Sieht man von der Genehmigung ab, so kehrt im Wesentlichen dieselbe Formel wieder, die in Art 9 enthalten ist, dass dem Antrag des ersuchenden Prozessgerichts, bei der Beweisaufnahme nach einer besonderen Form zu verfahren, nicht entsprochen werden kann, wenn diese mit dem 111 Vgl Pfeil-Kammerer, S 299ff; Böhmer NJW 1990, 3049, 3053; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, S 128. 112 E. Geimer, S 116ff. 113 E. Geimer, S 143.
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Recht des ersuchten Staats unvereinbar ist. Damit stehen die diplomatischen und konsularischen Vertreter sowie die Beauftragten vor einer viel schwierigeren Aufgabe als die ersuchten Gerichte, denn diese können besser übersehen, ob die Beweisvorschriften des Prozessgerichts mit denen des Staats, in dem die Beweisaufnahme stattfindet, unvereinbar sind. Hierbei gewinnt die Überwachung solcher Beweisaufnahmen durch den Staat, in dem die Beweisaufnahme stattfindet, eine besondere Bedeutung (s o Rz 63). Es lässt sich also nur bedingt feststellen, dass solche Beweisaufnahmen nach der lex fori des Prozessgerichts stattfinden. Eine solche Schutzvorschrift bedeutet keinen Fortschritt bei der Entwicklung der internationalen Rechtshilfe, sondern ein engstirniges Kleben an den eigenen Hoheitsrechten, denn die zu vernehmenden Personen sind im Wesentlichen dadurch geschützt, dass sie nicht auszusagen brauchen. Nur falls Zwangsmaßnahmen seitens des ersuchten Staats von dem ersuchenden Prozessgericht gewünscht werden, können die erwähnten Einschränkungen verteidigt werden. 77
Die Schutzvorschrift des Art 21 (a) wird praktisch dadurch einer Anwendung enthoben, dass sich nach Art 21 (e) die zu vernehmende Person auf die in Art 11 vorgesehenen Rechte zur Aussageverweigerung oder Aussageverbote berufen kann. Damit wird Zeugen, Sachverständigen und Parteien ein Wahlrecht eingeräumt (s o Rz 58ff).
78
Auslandsvertreter und Beauftragte können die Beweise grds in den Formen aufnehmen, die das Prozessgericht vorsieht, es sei denn, dass das Recht des Staats, in dem Beweis aufgenommen wird, diese Form verbietet.
8. Vorbehalt gegen discovery of documents 79
Nach Art 23 HBÜ kann jeder Vertragsstaat erklären, „dass er Rechtshilfeersuchen nicht erledigt, die ein Verfahren zum Gegenstand haben, das in den Ländern des „Common Law“ unter der Bezeichnung „pre-trial discovery of documents“ bekannt ist“.
Fast alle Vertragsstaaten haben sich gegen das weite discovery-Verfahren nach US-FRCP 26 (b) (1) (idF von 1993) gewandt, wonach „parties may obtain discovery regarding any matter, not privileged, which is relevant to the subject matter involved in the pending action“,
und es genügt, dass erst die verlangte Information möglicherweise dazu verhilft, direkt relevantes Beweismaterial zu finden. Solche „fishing expeditions“ wollten sie nicht zulassen.114 80
Argentinien, Australien, China, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Indien, Island, Italien, Korea, Kroatien, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, Monaco, Norwegen, Polen, Portugal, die Schweiz, die Seychellen, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, die Türkei und Zypern haben die Erledigung aller Ersuchen um „discovery of documents“ ausgeschlossen.
114 Vgl Pfeil-Kammerer, S 221ff, 233ff.
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Finnland, Frankreich,115 Mexiko, die Niederlande, Singapur, Schweden und das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland haben die Erledigung von Rechtshilfeersuchen daher beschränkt auf konkrete Dokumente, die eine unmittelbare Beziehung zum Rechtsstreit haben.116
81
Hinzuweisen ist auch auf Blocking Statutes (s o § 6 Rz 311ff), mit denen einzelne Staaten die Befolgung von Discovery-Anordnungen verbieten.
82
Keinerlei Vorbehalt ist lediglich von Barbados, Israel und der ehemaligen Tschechoslowakei erklärt worden. Warum die Vertragsstaaten die Rechtshilfe gerade bei der Urkundenvorlage ausgeschlossen haben, ist gar nicht oder nur als Folge spektakulärer Produkthaftungsklagen zu erklären, in denen mehrere tausende Dokumente vorgelegt werden mussten.
83
Manche meinen daher, der Vorbehalt des Art 23 HBÜ sei gar nicht technisch 84 zu verstehen. Man habe das englische discovery-Verfahren vor Augen gehabt, das sich im Urkundenaustausch erschöpfe. Daher beziehe sich der Vorbehalt auf jede Art von „discovery american style“, dh auf eine Sachaufklärung zur Ausforschung, ohne vorherige Präzisierung der konkret streitigen Tatsachen. Daher seien sämtliche unspezifizierten und unsubstantiierten discovery-Begehren abzulehnen.117 Der Vorbehalt nur gegenüber „discovery of documents“ ist in der Tat nicht 85 einsichtig und erschwert die Sachaufklärung für den amerikanischen Zivilprozess in wenig sinnvoller Weise.118 Jedoch ist der Vorbehalt (wenn auch in Unkenntnis der Rechtslage) nur gegenüber dieser Aufklärungsmethode erklärt worden und es erscheint nicht angängig, nur auf das Wort „discovery“ abzustellen. Bei der Auslegung eines internationalen Übereinkommens muss der Wortlaut einer Vereinbarung stärkeres Gewicht haben und kann nicht ohne Weiteres im Wege objektiver teleologischer „Auslegung“ beiseitegeschoben werden. Die deutsche Praxis hat sich deshalb an das Übereinkommen gehalten und nur Ersuchen auf Urkundenvorlage abgelehnt,119 Ersuchen zur Zeugenvernehmung aber stattgegeben.120 Außerdem kann eine Beweisaufnahme durch einen amerikanischen commissioner zugelassen werden (s o Rz 71ff).
115 Vgl Cour d’Appel de Paris IPRax 2005, 451 (dazu Reufels/Scherer, S 456). 116 Texte der Vorbehalte bei 28 USCA. Vol 15, 1994, S 420ff; für England vgl Rio Tinto Zinc v Westinghouse Elec. [1978] AC 547; In re Asbestos Insurance Coverage Cases [1985] 1 WLR 331. 117 Junker, Discovery, S 295ff; Junker, in: Heldrich/Kono, S 103, 110f, 114; Schlosser ZZP 101 (1988), 330; Paulus ZZP 104 (1991), 397, 411; Beckmann IPRax 1990, 201, 203f; vgl Schlosser RdC 284 (2000), 130ff; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 23 HBÜ Rz 4f; Stein/Jonas/Berger Anhang zu § 363 ZPO Rz 104. 118 Vgl bereits Martens RIW 1981, 725. 119 ZB OLG München IPRax 1982, 150 (dazu Nagel, S 13); krit. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 23 HBÜ Rz 3 (willkürliche, verfassungswidrige Regelung). 120 OLG München RIW 1981, 555, 557 = ZZP 94 (1981), 462; MüKo/Pabst, 4. Aufl 2012, Art 23 HBewÜ Rz 7; krit Schlosser ZZP 94 (1981), 369; Schütze RIW 2005, 579, 585; vgl Pfeil-Kammerer, S 244ff.
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Nach § 14 II AusfG können jedoch, „soweit die tragendenden Grundsätze des deutschen Verfahrens nicht entgegenstehen, solche Ersuchen unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen erledigt werden, nachdem die Voraussetzungen der Erledigung und das anzuwendende Verfahren durch Rechtsverordnung näher geregelt sind, die der Bundesminister der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates erlassen kann“.
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Im Anschluss an die Aérospatiale-Entscheidung wurde in Deutschland der Entwurf einer solchen Vorlage-Verordnung vorgelegt und diskutiert.121 Darin war vorgesehen, künftig hinreichend spezifizierte, substantiierte Aufklärungsersuchen zu erledigen. Der Erlass einer solchen Verordnung wäre durchaus sinnvoll, um den sachgerechten Schutz für deutsche Parteien in US-amerikanischen Prozessen und die generelle Zusammenarbeit der Gerichte zu verbessern. Leider haben sich bislang die Gegner einer vernünftigen Zusammenarbeit durchgesetzt und den Erlass dieser Verordnung verhindert.122
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Nach einem Brief des Justizministeriums v 16.10.1990123 besteht kaum Aussicht auf Erlass einer Verordnung. „It can only be suggested to counsel for German firms which are supposed to produce documents to apply to the American court for appointment of a commissioner, so that the document production in Germany may take place in accordance with the rules of the judicial administration of the respective states …“
89
Das HBÜ hat also dazu geführt, dass es zu einer Konfrontation zwischen deutschen und amerikanischen Beweisvorschriften gekommen ist. Es geht nicht nur um die Frage, wie weit ein Ausforschungsbeweis nach deutschem Recht unzulässig ist, es geht vielmehr um die Abwehr des Missbrauchs des amerikanischen „pre-trial“-Verfahrens.124 Das „pre-trial“-Verfahren hat möglicherweise dazu geführt, dass sich bereits ein „Beruf“ als Sachaufklärer herausgebildet hat. Deutschen Firmen, die als Partei an einem Rechtsstreit in den Vereinigten Staaten beteiligt sind, kann nur empfohlen werden, sich durch amerikanische Rechtsanwälte hinsichtlich ihres Verhaltens im „pre-trial“-Verfahren richtig beraten zu lassen. Tatsächlich kommen heute kaum noch USamerikanische Rechtshilfeersuchen vor. Denn die US-Gerichte verlangen einfach auch von der ausländischen Partei eine Mitwirkung im Prozess nach der lex fori, also die Vorlage der Urkunden, und ziehen bei einer Weigerung negative Schlussfolgerungen zulasten der sich weigernden Partei. Da heute ein Großteil der Geschäftskorrespondenz elektronisch abgewickelt wird bzw die Schriftstücke eingescannt und in elektronischer Kopie aufbewahrt werden, ist eine Vorlage auch problemlos möglich; auf den Ort, an dem die elektronische Datei gespeichert ist, kann es nicht ankommen.125 121 Vgl Böhmer NJW 1990, 3053; Koch/Kirchner AG 1988, 127; Junker JZ 1989, 121, 128; Greger ZRP 1988, 164; Trittmann/Leitzen IPRax 2003, 7. 122 Für einen Erlass erneut Reufels/Scherer IPRax 2005, 456. 123 Auszugsweise abgedruckt bei Lowenfeld, Intern. Litigation and Arbitration, 1993, S 276. 124 Vgl von Hülsen RIW/AWD 1982, 225. 125 Vgl Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen, 2008, Rz 143ff; Junker, IZPR § 26 Rz 2f, 14.
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In welchem Umfang das amerikanische „pre-trial“-Verfahren von politischer Bedeutung geworden ist, beweist die Sache Re Westinghouse Elec. Corp. Uranium Contract Litigation.126
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Inzwischen ist die Diskussion um die „Discovery“ weitergegangen. Sie ist als der Stützpfeiler des amerikanischen Prozesses bezeichnet worden.127 Eine Klage wird nicht auf einen substantiierten und schlüssigen Sachverhalt gegründet, die Tatsachen werden vielmehr im „pre-trial“-Verfahren erforscht. „Fishing expeditions“ sind im Gegensatz zum englischen Verfahren die Regel.128 Die sehr weitreichende Zuständigkeit der amerikanischen Gerichte ermöglicht es, dass viele Beweisverfahren im Inland durchgeführt werden, so dass die Schutzwirkungen des HBÜ nicht zum Tragen kommen. Die Meinungen darüber, wie der deutsche Vorbehalt nach Art 23 HBÜ und 91 § 14 dt AusfG ausgefüllt werden sollte, gehen auseinander. Stürner scheint eine bilaterale Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen Staaten zu bevorzugen.129 Junker130 meint, der Vorbehalt sollte in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der europäischen Signatarstaaten dahin ausgelegt werden, dass nur genügend spezifizierte und hinreichend substantiierte Rechtshilfeersuchen seitens der Vereinigten Staaten erfasst werden sollten.
9. Andere gerichtliche Handlungen Nach Art 1 I HBÜ kann die gerichtliche Behörde eines Vertragsstaats die zu- 92 ständige Behörde eines anderen Vertragsstaats auch ersuchen, andere gerichtliche Handlungen vorzunehmen. Der Begriff der anderen gerichtlichen Handlungen ist im Übereinkommen nur insoweit umrissen, als diese nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchenden Gerichts bzw der Behörde zulässig sein müssen. Insoweit deckt sich der Begriff mit dem der Rechtshilfe iS der §§ 156ff GVG. Danach muss es sich um Handlungen handeln, die das Prozessgericht seiner sachlichen Zuständigkeit nach selbst vornehmen könnte, die es aber wegen seiner örtlichen Gebundenheit insb im Hinblick auf die Justizhoheit anderer Staaten nicht selbst vornehmen kann.131 Dazu können zB gehören:132 – die Vornahme eines Sühneversuchs in Ehesachen (§ 5 Nr 2 ZRHO), – die Entgegennahme von Parteierklärungen in Ehe- und Kindschaftssachen, – das Übersenden von Akten oder Urkunden (§ 5 Nr 5, § 145 ZRHO), 126 1979 W. L. R. 81; Stiefel, RIW/AWD 1979, 511; Augustine, Obtaining International Judicial Assistance under the Federal Rules and the Hague Convention on the Taking of Evidence abroad in Civil and Commercial Matters, Georgia Journal Int. & Comp. L. 10 (1980), 179. 127 Junker, Discovery, S 43. 128 Stürner, in: Habscheid, Justizkonflikt, S 3, 12. 129 Stürner, in: Habscheid, Justizkonflikt, S 153, 157. 130 Junker JZ 1989, 129. 131 Nagel, S. 23. 132 Vgl MüKoZPO/Pabst, Art 1 HBewÜ Rz 12.
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– die Erteilung behördlicher Auskünfte (§ 71 ZRHO), – die Ermittlung von Zeugen oder Berechtigten (§ 5 Nr 5 ZRHO), – das Zurverfügungstellen von Räumen, Protokollführern und Gerichtswachtmeistern für Beweisaufnahmen durch Beauftragte. 93
Darunter fallen auch die Ladung, Vernehmung und Beeidigung von Zeugen, Sachverständigen und Parteien für ein Schiedsgerichtsverfahren nach § 1036 ZPO oder die Ernennung oder Ablehnung von Schiedsrichtern gem § 1045 ZPO.
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Für Ersuchen um Übersendung von Akten oder Urkunden (§ 5 Nr 5 ZRHO) bestimmt § 145 ZRHO, dass im Rechtsverkehr mit Österreich und der Schweiz Akten über bürgerliche Rechtsangelegenheiten mit Erlaubnis der Prüfstelle vorübergehend den österreichischen oder schweizerischen Gerichten überlassen werden dürfen. In allen übrigen Fällen sind Ersuchen ausländischer Behörden um zeitweilige Überlassung von Akten der Landesjustizverwaltung zur Entscheidung vorzulegen (§ 145 II ZRHO). Aufgrund des neuen Übereinkommens müssten die Landesjustizverwaltungen freilich besondere Gründe haben, wenn sie einer Aktenversendung nicht zustimmen wollten. Dabei kämen insb solche Hinderungsgründe in Frage, die einer Beweisaufnahme aufgrund eines ausländischen Ersuchens im Inland entgegenstehen.
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Das HBÜ bezieht sich jedoch nicht auf Akte der Zwangsvollstreckung (Art 1 III HBÜ). Bei der internationalen Rechtshilfe geht es immer nur um die Hilfeleistung durch ein ausländisches Gericht oder eine Behörde für das Erkenntnisverfahren. Dass diese Hilfe auch durch ein „Dulden“ von Prozesshandlungen seitens diplomatischer oder konsularischer Vertreter oder Beauftragter des Prozessgerichts geleistet werden kann, ergibt sich aus dem Wesen der internationalen Rechtshilfe.
10. Kosten 96
Der ersuchte Staat darf für die Erledigung des Rechtshilfeersuchens keine Gebühren verlangen (Art 14 I HBÜ). Doch darf Erstattung der Auslagen für Sachverständige, Dolmetscher und der Kosten verlangt werden, die durch den Wunsch nach einer besonderen Form der Beweiserhebung entstanden sind (Art 14 II HBÜ). Der weiterreichende Vorbehalt des Art 26 HBÜ hat in Deutschland keine Bedeutung. Schuldner des Auslagenersatzes ist der ersuchende Staat, nicht die Partei.133
IV. Beweisaufnahmen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954 1. Übermittlungswege 97
Für Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen oder andere gerichtliche Handlungen gilt grds ebenfalls der konsularische Weg, dh die Ersuchen werden über 133 E. Geimer, S 99.
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Beweisaufnahmen nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen vom 1.3.1954
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die Prüfstellen an den zuständigen deutschen Konsul geschickt.134 Dieser übermittelt der von dem ersuchten Staat bezeichneten Behörde das Ersuchen (Art 9 HZÜ 1954). Daneben gibt es noch den diplomatischen und den direkten Behördenweg. Nach Art 15 HZÜ kann jeder Vertragsstaat unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter Ersuchen erledigen lassen, wenn entsprechende Abkommen zwischen den beteiligten Staaten dies zulassen oder wenn der Staat, in dessen Hoheitsgebiet das Ersuchen erledigt werden soll, dem nicht widerspricht. Die Anzahl der Übermittlungswege ist also etwas kleiner als bei den Zustellungen.
2. Anzuwendendes Recht Grds werden Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen nach der lex fori des 98 ersuchten Staats durchgeführt. „Jedoch ist dem Antrag der ersuchenden Behörde, nach einer besonderen Form zu verfahren, zu entsprechen, sofern diese Form den Rechtsvorschriften des ersuchten Staats nicht zuwiderläuft“ (Art 14 HZÜ entspricht insoweit dem Art 3). Danach können Beweisaufnahmen also auch nach den Vorschriften der lex fori des ersuchenden Staats durchgeführt werden. Diese Lösung hat den Vorteil, dass die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht und dem ausländischen ersuchten Gericht bzw der entsprechenden Behörde nach einheitlichen Prozessvorschriften durchgeführt wird. Der Natur der internationalen Rechtshilfe, die dem Prozessgericht lediglich Hilfe leisten will, wird diese Lösung am besten gerecht. Die §§ 55 ff ZRHO sehen sinngemäß vor, dass Rechtshilfeersuchen unter Be- 99 achtung des deutschen Prozessrechts zu erledigen sind. Der Grundsatz der lex fori ist also auch bei Beweisaufnahmen für ein ausländisches Prozessgericht fest verankert. Wenn besondere Wünsche geäußert werden, dürfen deren Erledigung zwingende deutsche Vorschriften nicht entgegenstehen. Unter Anlegung eines strengen Maßstabes müsste man davon ausgehen, dass alle Prozessvorschriften, die das Beweisrecht betreffen, zwingenden Charakter haben. Eine solche Auffassung würde jedoch den Anforderungen der internationalen Rechtshilfe nicht gerecht. Deswegen müssen schon besondere Umstände vorliegen, wenn einem besonderen Wunsch des Prozessgerichts nicht entsprochen werden kann. Solche besonderen Umstände ergeben sich allerdings zum Teil aus den unterschiedlich ausgestalteten Beweisrechten. Auch in Schweden darf ein besonderer Wunsch nicht im Widerspruch zum 100 zwingenden schwedischen Recht stehen (Lag 1946:818 om bevisupptagning åt utländsk domstol, § 8 II). Die italienische Rechtsprechung geht dahin, dass die Ausführung einer Beweisaufnahme nicht mit der „ordine pubblico interno“ des ersuchten Staats in Widerspruch stehen dürfe.135 In Frankreich scheint man wenig geneigt zu sein, von der lex fori des ersuchten französischen Gerichts abzuweichen.136 Nach Art 1132 § 1 polnische ZPO kann eine andere als 134 Fasching/Bajons Anh A §§ 38–40 JN Rz 24. 135 Corte d’Appello di Milano v 11.9.1965, zitiert von Pocar, L’assistenza guidiziaria, S 237. 136 Huet, Les conflits de lois, S 360.
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§9
Internationale Beweisaufnahmen
die vom polnischen Recht vorgesehene Form angewendet werden, sofern diese Form der Handlung nicht vom polnischen Recht untersagt ist und nicht zu den grundlegenden Prinzipien der Rechtsordnung der Republik Polen im Widerspruch steht. 101 Eine erfreulich aufgeschlossene Haltung nimmt Österreich ein. Nach § 39 II JN darf von den im Inland geltenden Vorschriften abgewichen werden, wenn ausdrücklich darum ersucht wird und das durch keine Vorschrift der inländischen Gesetzgebung verboten erscheint. Damit wird schon ein ausdrückliches Verbot gefordert, wonach eine bestimmte Beweisaufnahme nicht in einer besonderen Form durchgeführt werden dürfte.
a) Schwierigkeiten beim Zeugenbeweis 102 Beim Zeugenbeweis können folgende Schwierigkeiten auftreten: Wird in deutschen Rechtshilfeersuchen die Vernehmung von Zeugen erbeten, denen nach dem Recht des ersuchten Staats die Zeugenfähigkeit fehlt, muss damit gerechnet werden, dass solchen Ersuchen nicht stattgegeben wird (s u § 10 Rz 76ff). Dort wird die Frage behandelt, wie sich das deutsche Prozessgericht gegenüber einem im Inland weilenden Ausländer zu verhalten hat. Hier geht es dagegen darum, ob im Gegensatz zu der lex fori des ersuchten Staats Beweise nach dem Recht des ersuchenden Staats erhoben werden können. Da die Beweise von dem Prozessgericht gewürdigt werden, kann es dem ersuchten Staat gleichgültig sein, inwieweit die Zeugenunfähigkeit den urteilenden Richter binden oder vor einer falschen Würdigung der Aussage bewahren soll. Da die Zeugenunfähigkeit aber zugleich den Charakter einer Schutzvorschrift für die betreffenden Personen enthält, kann der ersuchte Staat hierüber nicht ohne Weiteres hinweggehen.137 103 Durch den Code de Procedure Civile (CPC) ist diese Auffassung für Frankreich erheblich modifiziert worden, denn nach Art 205 (2) CPC dürfen Personen, die zeugnisunfähig sind, uneidlich gehört werden. Da dem deutschen Prozessgericht in der Regel eine uneidliche Aussage eines Zeugen genügt, werden entsprechenden deutschen Rechtshilfeersuchen keine Hindernisse mehr im Wege stehen. Anders ist es jedoch bei Scheidungsanträgen, soweit Abkömmlinge der Beteiligten in einem Ehescheidungsverfahren als Zeugen aussagen sollen. Solche Schutzvorschriften werden nicht nur in Frankreich und Belgien an dem ordre public gemessen. 104 Das Zeugnisverweigerungsrecht unterscheidet sich dadurch wesentlich von der Zeugenunfähigkeit, dass bei letzterer die betreffenden Personen überhaupt nicht geladen und vernommen werden dürfen, während sie bei einem echten Zeugnisverweigerungsrecht selbst darüber entscheiden, ob sie aussagen wollen oder nicht. Die Rechtslage ist allerdings dadurch unübersichtlich geworden, dass sich die Konturen verwischen. Es sei nur wiederholt, dass nach dem fran137 Huet, Les conflits de lois, S 335, will dieser Schutzvorschrift daher dieselbe Bedeutung zumessen wie einer Zulässigkeitsvorschrift; in demselben Sinn auch Batiffol/ Lagarde, no 707; auch Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, 1965, S 404.
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zösischen CPC Personen, „qui sont frappées d’une incapacité de témoigner“, grds uneidlich gehört werden dürfen. Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht einen absoluten Charakter hat, wie zB die Schweigepflicht des Arztes nach französischem Recht, darf die betreffende Person auch dann nicht aussagen, wenn sie von der durch die Schweigepflicht geschützten Person entbunden sein sollte. Solche Personen dürfen überhaupt nicht als Zeugen gehört werden. Die Rechtslage ist nicht anders, als wenn sie einer echten Zeugenunfähigkeit unterlägen. Ein Arzt, der von dem Patienten von der Schweigepflicht entbunden ist, könnte demnach im Wege der internationalen Rechtshilfe nicht durch das ersuchte französische Gericht vernommen werden. Andererseits bestehen keine Bedenken, in deutschen Rechtshilfeersuchen als besonderen Wunsch zum Ausdruck zu bringen, die zu vernehmenden Personen seien auf die einzeln aufgeführten Zeugnisverweigerungsrechte nach der deutschen ZPO hinzuweisen. Von dem ersuchten englischen Gericht könnten zB Zeugen, die von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, nicht gehört werden, obgleich ihnen nach englischem Recht kein Privileg zur Seite stehen würde.138
105
In der Schweiz entscheidet das Recht des ersuchten Gerichts, ob der Zeuge er- 106 scheinen muss und ob er ein Zeugnisverweigerungsrecht hat. Auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach dem Recht des ersuchenden Prozessgerichts kann er sich dagegen nicht berufen.139 Das schweizer Recht geht davon aus, dass das Prozessgericht kein Ersuchen stellen wird, ein nach seinem eigenen Recht unbehelfliches oder unzulässiges Zeugnis aufzunehmen. Schweden hat eine vorbildliche Haltung eingenommen. Danach kann derjeni- 107 ge, dem nach ausländischem Recht ein Zeugnisverweigerungsrecht oder sonst ein Recht, seine Mitwirkung zu verweigern, zur Seite steht, sich hierauf auch dem schwedischen Rechtshilfegericht gegenüber berufen (Lag om bevisupptagning åt utländsk domstol v 20.12.1946, § 7). Damit nimmt das schwedische Prozessgericht Rücksicht darauf, dass ausländische Verfahrensordnungen nicht eine so weit gehende Aussageverpflichtung oder eine so weit reichende Editions- oder Exhibitionspflicht kennen wie das schwedische Recht.
b) Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Zeugen von der Partei Schwierigkeiten können sich auch aus der Abgrenzung des Zeugen von der 108 Partei ergeben. Da nach dem schwedischem Elterngesetz (Kap. 7 § 2 [3]) der Sorgeberechtigte das Kind im Unterhaltsprozess vertritt, wurde er vom schwedischen Rechtshilfegericht möglicherweise als Partei und nicht gem dem deutschen Rechtshilfeersuchen als Zeuge gehört.140 Da jedoch die Unterschiede zwischen einer Zeugen- und einer Parteivernehmung nach schwedischem Recht nicht gravierend sind, kann dem besonderen Wunsch eines deutschen 138 AA nach diesem Beispiel Cohn ZZP 80 (1967), 230, 237. 139 Walder, Einführung in das Internationale Prozessrecht der Schweiz, 1989, § 12 Rz 23. 140 Ekelöf, Rättegang, IV, 157.
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Rechtshilfeersuchens entsprochen werden. Grds muss jedoch davon ausgegangen werden, dass das ersuchte ausländische Gericht die Abgrenzung des Zeugen von der Partei nach seiner lex fori vornehmen wird. Deswegen muss damit gerechnet werden, dass ein englisches Rechtshilfegericht eine Partei im Zeugenstand nach den englischen Prozessbestimmungen vernehmen lassen wird.
c) Schwierigkeiten bei Parteivernehmungen und Parteieiden 109 Bei der internationalen Rechtshilfe sollte die Parteivernehmung eine untergeordnete Bedeutung haben, da die Parteien ein natürliches Interesse daran haben müssten, vor dem Prozessgericht zu erscheinen. Dennoch liegt nach statistischen Angaben die Zahl der Rechtshilfeersuchen um Parteivernehmung ziemlich hoch.141 Da sich in einigen Staaten die Parteivernehmung noch nicht bzw noch nicht ganz durchgesetzt hat, fragt es sich, ob dann deutschen Rechtshilfeersuchen um Parteivernehmung stattgegeben werden kann. In Italien scheint diese Frage immer noch zweifelhaft zu sein.142 In Frankreich ist man unter Berufung auf die „lex loci actus“ den Ersuchen um Parteivernehmung aufgeschlossen. Hierbei sollte nicht übersehen werden, dass Ersuchen um Parteivernehmung um so eher entsprochen wird, als auf eine Beeidigung verzichtet wird. Da eine Beeidigung bei der Parteivernehmung in der deutschen Gerichtspraxis kaum noch vorkommt, sollte hierauf in Rechtshilfeersuchen ganz verzichtet werden. 110 Soweit die mittelalterlichen Institute des zugeschobenen und des bestätigenden Parteieides nach neueren Zivilprozessordnungen abgeschafft worden sind, kann teilweise erwartet werden, dass ein hierauf gerichtetes Rechtshilfeersuchen dennoch durchgeführt wird. Nach § 57 III, IV ZRHO sind Ersuchen um eidliche Vernehmung in der Regel in der beantragten Form auch dann zu erledigen. Soll eine Partei vernommen oder beeidigt werden, ist bei deutschen Gesuchen aber darauf hinzuweisen, dass die Partei berechtigt ist, die Aussage bzw den Eid zu verweigern.
d) Das bei der Vorlage von Urkunden anzuwendende Recht 111 Die Beweiskraft ausländischer Urkunden hat lediglich der Prozessrichter zu prüfen (s u § 10 Rz 123ff). Den ersuchten Richter geht es nichts an, wie der Prozessrichter die Würdigung des Urkundenbeweises vorzunehmen hat. Auch die materiellrechtliche Verpflichtung, Urkunden vorzulegen, berührt den Rechtshilferichter nicht, weil hierzu in der Regel ein besonderer Prozess notwendig wird.
141 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 205. 142 Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, 1965, S 405, hegen bei der italienischen Gerichtspraxis Zweifel; die neuere Rechtsprechung scheint aber aufgeschlossener zu sein, denn Pocar, L’assistenza guidiziaria, S 156, erwähnt ein Urt des Corte d’Appello di Napoli v 1.4.1966, wonach dem Ersuchen eines Braunschweiger Gerichts um Parteivernehmung stattgegeben worden ist.
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Die in den einzelnen Staaten unterschiedlich gestaltete prozessuale Vorlage- 112 pflicht von Urkunden muss sich auch bei der internationalen Rechtshilfe auswirken. Bei der Reform des deutschen Prozessrechts ist zwar die prozessuale Vorlagepflicht von Urkunden in § 142 ZPO, §§ 235, 236 FamFG verstärkt worden. Enthält ein ausländisches Ersuchen aber den besonderen Wunsch, von dem Prozessgegner oder einem Dritten Urkunden gem der weitergehenden lex fori des ausländischen Prozessgerichts zu erhalten, so kann dem weiterhin nicht entsprochen werden. Die ZRHO geht daher auf die Vorlage von Urkunden überhaupt nicht eingeht. In § 5 Nr 2 ZRHO wird lediglich die Aufnahme eines Urkundenbeweises und die Prüfung von Urkunden erwähnt. Andererseits kann sich der Beweisführer vor dem deutschen Prozessgericht die ausgedehnte prozessuale Vorlage- bzw Herausgabepflicht von Urkunden dem Prozessgegner und Dritten gegenüber in solchen Ländern, in denen diese besteht, nutzbar machen. Er kann beantragen, dass entsprechende Rechtshilfeersuchen mit besonderen Wünschen an die zuständige Stelle des ausländischen Staats gerichtet werden.
e) Körperliche Untersuchungen und medizinische Eingriffe im Wege der internationalen Rechtshilfe Da im deutschen Recht die Exhibitionspflicht im Gegensatz zur Vorlagepflicht 113 von Urkunden prozessual sehr weitgehend ausgebaut ist, fragt es sich, inwieweit im Wege der internationalen Rechtshilfe Blutproben und erbbiologische Gutachten beschafft werden können. In Frankreich kann niemand gezwungen werden, eine ärztliche Untersuchung oder eine Blutentnahme zu dulden. Ein deutsches Rechtshilfeersuchen kann daher nur Erfolg haben, wenn die betreffende Person sich freiwillig dazu zur Verfügung stellt.143 In Schweden kann die Blutgruppenuntersuchung zur Vaterschaftsfeststellung dagegen notfalls erzwungen werden (Lag om blodundersökning m m vid udredning ar faderskap, § 2a [1982]). Ähnlich verhalten sich die Rechte von England und Polen. In Italien kann die Untersuchung nicht erzwungen werden.
f) Der Sachverständigenbeweis im Rechtshilfeverfahren Da die prozessuale Verpflichtung, als Sachverständiger für ein Gericht tätig zu 114 werden, in den einzelnen Ländern mit erheblichen Unterschieden ausgestattet ist, muss hierauf in Rechtshilfeersuchen Rücksicht genommen werden. Von Ausländern, die sich im Inland aufhalten und die die Voraussetzungen des § 407 ZPO erfüllen, können unmittelbar von einem deutschen Prozessgericht Gutachten eingeholt werden. Anders ist es, wenn die Sachverständigen sich im Ausland aufhalten. Hierfür schreibt § 63 ZRHO vor: „Ausländische Stellen oder ausländische Privatpersonen (Gutachter usw) dürfen nicht unmittelbar um Erstattung eines Gutachtens ersucht werden, da der ausländische Staat
143 Constantinesco AcP 159, 234.
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hierin einen Eingriff in seine Hoheitsrechte sehen kann. Vielmehr sind die Gutachten im Wege der Rechtshilfe einzuholen.“
Soweit deutsche Rechtshilfeersuchen um Einholung eines Sachverständigengutachtens an solche Staaten gerichtet werden, in denen wie zB in Schweden (außerhalb von Dienstpflichten, RB Kap 40 § 4), Frankreich, Spanien keine prozessuale Pflicht besteht, die Aufgaben eines Sachverständigen zu übernehmen, muss damit gerechnet werden, dass möglicherweise solchen Ersuchen nicht entsprochen werden kann. Die im Rechtshilfeersuchen benannten Personen könnten sich auf die lex fori ihres Staats berufen, wonach sie nicht verpflichtet sind, Gutachten zu erstatten. 116 Es ist in diesem Zusammenhang zweifelhaft, ob das Prozessgericht den Sachverständigen auswählen oder die Auswahl vielmehr dem ersuchten ausländischen Gericht überlassen sollte. In Ländern, in denen – wie in Italien – bei den Gerichten eine Liste der Sachverständigen geführt wird und in denen die darin aufgeführten Personen die prozessuale Verpflichtung haben, als Sachverständige tätig zu werden, sollte das Prozessgericht die Auswahl nach der Liste dem ersuchten Gericht überlassen, sofern ihm diese Liste nicht bekannt ist. Im Verhältnis zu den Ländern, in denen eine umfassende prozessuale Verpflichtung besteht, als Sachverständiger tätig zu werden, werden auch Rechtshilfeersuchen kaum auf Schwierigkeiten stoßen. Soweit es darum geht, Sachverständige als befangen abzulehnen, entscheidet lediglich die lex fori des Prozessgerichts. Nach dem BGH muss das Gericht nicht versuchen, einen im Ausland wohnenden Sachverständigen, der ein schriftliches Gutachten erstattet hat, zu bewegen, zur Befragung zu erscheinen.144
3. Ablehnungsgründe für Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen 117 Nach Art 11 III HZÜ kann die Erledigung des Rechtshilfeersuchens aus drei Gründen abgelehnt werden: „1. wenn die Echtheit des Ersuchens nicht feststeht; 2. wenn die Erledigung des Ersuchens in dem ersuchten Staat nicht in den Bereich der Gerichtsgewalt fällt; 3. wenn der Staat, in dessen Hoheitsgebiet das Ersuchen durchgeführt werden soll, die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.“
118 Die Echtheit des Ersuchens dürfte praktisch keine Rolle mehr spielen. Zweifel an der Echtheit eines Ersuchens sollten schon deswegen entfallen, weil nach der kontinental-europäischen Praxis die überwiegende Anzahl von Rechtshilfeersuchen von den Prozessgerichten ausgeht. Nach § 364 I ZPO kann das Prozessgericht zwar anordnen, dass der Beweisführer das Ersuchungsschreiben zu besorgen und die Erledigung des Ersuchens zu betreiben habe.145 Es läge
144 BGH IPRax 1981, 57 (krit Nagel, S 47). 145 Vgl Schabenberger, S 120ff.
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auch in diesem Fall ein entsprechender Gerichtsbeschluss vor, der dem ersuchten Staat übermittelt werden könnte. Der Weg des § 364 ZPO steht alternativ, nicht nur subsidiär zur Verfügung.146 Außerdem sorgen auch die deutschen Prüfstellen dafür, dass hinsichtlich der Form der Ersuchen keine Schwierigkeiten auftreten. Da das Haager Übereinkommen den Begriff der Zivil- oder Handelssache nicht 119 definiert hat, könnten Ersuchen auch mit der Begründung abgelehnt werden, die nachgesuchte Rechtshilfe falle nicht in den Rahmen des Übereinkommens. Deswegen verlangt § 20 I 3 ZRHO, dass die Ersuchen eine klare und leicht verständliche Darstellung des Sachverhalts enthalten müssen. Wann fällt die Erledigung eines Rechtshilfeersuchens nicht in den Bereich der 120 Gerichtsgewalt des ersuchten Staats? In den nationalen Verfahrensvorschriften wird dieser Ablehnungsgrund unterschiedlich umschrieben. Nach § 29 II ZRHO haben die Prüfstellen die Ersuchen der Landesjustizverwaltung zur Entscheidung vorzulegen. Das gilt zB bei einem Antrag auf Zustellung einer Klage, eines Mahnbescheides, einer Streitverkündung ua gegen die Bundesrepublik Deutschland oder ein Bundesland, einem Antrag auf Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an einen ausländischen Drittschuldner oder auf Zustellung einer einstweiligen Verfügung. Nach § 38 II Nr 1 österr. JN ist die Rechtshilfe zu verweigern,
121
„wenn die von dem ersuchenden Gericht begehrte Rechtshandlung nach den im Inlande hierfür geltenden Bestimmungen dem Geschäftskreis der Gerichte entzogen ist; …“
Nach Art 1131 polnische ZPO lehnt das polnische Gericht die Rechtshilfeleistung ab, wenn die Vornahme der begehrten Handlung nicht zum Tätigkeitsbereich der polnischen Gerichte gehört. Nach dem schwedischen Recht muss es sich bei dem Rechtshilfeersuchen um 122 eine zum Prozessverfahren gehörende Handlung handeln (Lag om bevisupptagning at utlänsk domstol [1946:816]; die einzelnen Prozesshandlungen werden in § 1 [1] wie folgt aufgezählt: Abnahme des Eides, Durchführung einer Partei-, Zeugen- oder Sachverständigenvernehmung, Durchführung des gerichtlichen Augenscheins und des Urkundenbeweises). Da der „Bereich der Gerichtsgewalt des ersuchten Staats“ vom Haager Über- 123 einkommen bewusst offen gelassen ist, kommt es dabei entscheidend auf die Stellungnahme des ersuchten Staats an. Dieser wird dabei weitgehend auf seine internen Verfahrensbestimmungen zurückgreifen. Zu eng ist es darauf abzustellen, dem ersuchten Gericht müsse es objektiv unmöglich sein, dem Ersuchen zu entsprechen. Denn die deutsche ZPO kennt den zugeschobenen oder den einer Partei vom Gericht auferlegten Ergänzungseid seit 1933 nicht mehr. Einem deutschen Gericht ist es also rechtlich unmöglich, diese mittelalterlichen Beweise zu gebrauchen.
146 Geimer, IZPR, Rz 2393.
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124 Dazu sieht § 131 ZRHO vor: „(1) Wird um Vernehmung von Zeugen und um ihre Beeidigung oder um die Bekräftigung ‚soweit zulässig‘ oder ‚sofern ein gesetzlicher Hinderungsgrund nicht vorliegt‘ ersucht, so hat die Beeidigung in den Fällen des § 393 ZPO zu unterbleiben. In dem Begleitschreiben (§ 63) ist zum Ausdruck zu bringen, dass und aus welchem Grund die Beeidigung nicht erfolgt ist; hierfür genügt die Anführung deutscher Gesetzesbestimmungen allein nicht. (2) Das gleiche gilt, wenn ohne jede Einschränkung um eidliche Vernehmung ersucht wird. (3) Ersuchen um eidliche Vernehmung werden in der Regel in der beantragten Form auch dann zu erledigen sein, wenn die erbetene Prozesshandlung für den gleichen Fall nach deutschem Recht unbekannt ist (beispielsweise zugeschobener Eid).“
Meili/Mamelok147 führen den Fall an, dass um die Beeidigung eines Zeugen ersucht wird, obwohl der ersuchte Staat eine Beeidigung gar nicht kennt. Das ist zB der Fall nach Art 171 der Schweizerischen ZPO. Danach muss damit gerechnet werden, dass entsprechende Rechtshilfeersuchen abgelehnt werden. In Polen kann dagegen damit gerechnet werden, dass das ersuchte Gericht an Stelle des Eides eine Wahrheitsversicherung gem Art 268 polnische ZPO von dem Zeugen fordern wird. Es kommt also ganz darauf an, welche gerichtlichen Handlungen noch im Bereich des ersuchten Gerichts möglich sind. Dabei braucht die lex fori des ersuchten Gerichts nicht eingehalten zu werden, den „besonderen Wünschen“ des ersuchenden Gerichts gegenüber verhalten die einzelnen Staaten sich unterschiedlich aufgeschlossen. 125 Die Abgrenzung der Ablehnungsgründe nach Art 11 III Nr 2 und Nr 3 HZÜ 1954 ist flexibel. Beide Vorschriften müssen zugleich in Verbindung mit Art 14 II HZÜ verstanden werden. Das ersuchte Gericht bzw die zuständige Behörde des ersuchten Staats wird auch darüber entscheiden, wann die Erledigung eines Ersuchens die Hoheitsrechte oder die Sicherheit des ersuchten Staats gefährden kann. Bei diesem letzten Ablehnungsgrund handelt es sich um dieselbe Formulierung, die in Art 4 HZÜ 1954 und in Art 13 HZustÜ gewählt worden ist (s o § 8 Rz 121, 149). Die Ablehnung eines Ersuchens kann insb nicht darauf gestützt werden, dass die Gerichte des ersuchten Staats international ausschließlich zuständig für die Entscheidung seien. 126 Dennoch hat die Frage der internationalen Zuständigkeit immer wieder eine negative Rolle bei der Ausführung von Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen gespielt.148 Der italienische Kassationshof ist in dieser Frage sehr weit gegangen. In einer Sache, in der bereits ein italienisches Urteil vorlag, hat er entschieden, dass einem Rechtshilfeersuchen dennoch entsprochen werden müsse, weil dem italienischen Rechtshilferichter jede Prüfung in der Sache selbst untersagt sei. Die Frage, ob das ausländische Urteil später in Italien anerkannt und aus ihm vollstreckt werden könne, hindere die Ausführung eines Rechtshilfeersuchens nicht.149 Ebenso hat der Corte d’Appello von Mailand auf Ersuchen eines Hamburger Gerichts, in einer Ehescheidungssache 147 Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, 1911, 335. 148 Vgl Gavalda Rev.crit. 1964, 15, 35. 149 Pocar, L’assistenza guidiziaria, S 164.
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zwischen Italienern Beweise zu erheben, entschieden, die Ausführung des Ersuchens verstoße nicht gegen den italienischen ordre public, obgleich die Ehescheidung damals noch nicht in Italien zugelassen worden war.150 Da das Grundgesetz die internationale Zusammenarbeit fördert, kommt eine 127 Ablehnung der Rechtshilfe für ausländische Gerichte nur im Extremfall in Betracht, etwa wenn dadurch Menschenrechte eines Beteiligten verletzt würden.151 Die Gefährdung der Hoheitsrechte und der Sicherheit des ersuchten Staats (s o § 8 Rz 121) deckt sich vielfach mit der Klausel, „sofern diese Form den Rechtsvorschriften des ersuchten Staats nicht zuwiderläuft“ (Art 14 II HZÜ 1954).
128
Die Hoheitsrechte und die Sicherheit des ersuchten Staats sind auch dann be- 129 troffen, wenn es um dessen tragende Grundsätze des Zivilprozessrechts geht, soweit diese ausschließlich öffentlich-rechtlichen Charakter haben. Dazu gehört der Satz: „Nemo tenetur accusare se ipsum“ (dieser Grundsatz kehrt zB wieder in § 384 Nr 3 ZPO; § 321 I 1 österr ZPO; schwed RB Kap. 36 § 6; Art 261 § 2 poln ZPO; Art 419 griech ZPO152). Der Corte d’Appello von Mailand hat deshalb ein Ersuchen eines Genfer Gerichts mit der Begründung abgelehnt, die gestellten Fragen zielten darauf, von dem Zeugen das Zugeständnis ehebrecherischer Beziehungen zu einer Partei zu erlangen.153 In einer anderen Sache wurde von dem Corte d’Appello von Mailand – Urt v 10.4.1964 – ein Ersuchen des Gerichts von Lausanne abgelehnt, weil die Fragen darauf gerichtet seien, ob eine Partei in dem Rufe eines leichten Mädchens stehe;154 andere Ersuchen sind abgelehnt worden, weil die gestellten Fragen nicht auf den Beweis von Tatsachen, sondern auf Meinungsäußerungen eines Zeugen gerichtet waren.
4. Beweisaufnahmen durch diplomatische und konsularische Vertreter Nach Art 15 HZÜ 1954 darf „jeder Staat Ersuchen unmittelbar durch seinen di- 130 plomatischen oder konsularischen Vertreter erledigen lassen, wenn Abkommen zwischen den beteiligten Staaten dies zulassen oder wenn der Staat, in dessen Hoheitsgebiet das Ersuchen erledigt werden soll, dem nicht widerspricht“. Insoweit gelten besondere Vereinbarungen im Verhältnis von Deutschland zu Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Österreich und Schweden (s o § 7 Rz 9). Die Möglichkeit besteht weiterhin im Verhältnis zu Rumänien, Italien, Japan, Luxemburg, Spanien und Israel155 (Dänemark, Russland, die Schweiz und der Vatikanstaat schließen diese Möglichkeit aus).
150 Urt v 25.7.1962; zit. bei Pocar, L’assistenza guidiziaria, S 166. 151 Vgl Geimer ZfRV 1992, 401, 418f. 152 Zum US-Recht s McCormick, On Evidence, 3rd ed 1984, §§ 114–143 (gemeint ist eine strafrechtliche Selbstbelastung). 153 Pocar, L’assistenza guidiziaria, S 159, Urt v 10.4.1964. 154 Pocar, L’assistenza guidiziaria, S 160. 155 Vgl Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, 101.15.
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131 Grundsätzlich wird die Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter nach dem Recht des Entsendestaats, also der lex fori des Prozessgerichts durchgeführt. Für das deutsche Recht ergibt sich dies aus § 363 II ZPO in Verbindung mit dem Konsulargesetz v 11.9.1974156 und dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v 24.4.1963 (WKÜ).157 Der deutsche Konsul hat also wie ein deutsches Gericht Rechtshilfe zu leisten. Er darf den vernommenen Personen auch den Eid abnehmen. Wesentlich ist nur, dass die zu vernehmenden Personen freiwillig und ohne Zwang vor den diplomatischen oder konsularischen Vertretern erscheinen und zur Aussage bereit sind.158 132 Im Verhältnis zu Belgien, Frankreich, Finnland, Italien, Israel, Japan, Luxemburg, den Niederlanden und Österreich dürfen deutsche diplomatische oder konsularische Vertreter nur eigene Staatsangehörige vernehmen. Im Verhältnis zu Rumänien und Schweden dürfen sowohl eigene Staatsangehörige als auch solche dritter Staaten mit Ausnahme solcher des Empfangsstaats vernommen werden. Im Verhältnis zu Spanien kommt es auf die Staatsangehörigkeit überhaupt nicht an.159 Werden Angehörige fremder Staaten gehört, stellt sich die Frage nach dem anzuwendenden Recht deswegen nicht, weil die zu vernehmenden Personen dadurch hinreichend geschützt sind, dass es ihr freier Wille ist, ob sie vor Auslandsvertretern überhaupt aussagen wollen. Darüber hinaus könnten sie sich jederzeit auf die in ihrem Lande geltenden Schutzbestimmungen berufen. 133 Die Vernehmungen durch die diplomatischen oder konsularischen Vertreter haben den Vorteil, dass die Beweisaufnahmen nach einheimischem Recht, dem der lex fori des Prozessgerichts erfolgt. Solchen Beweisaufnahmen im Ausland wird darüber hinaus vom Prozessgericht mit weniger Misstrauen begegnet, wie das bei Beweisaufnahmen durch ausländische Gerichte oder Behörden der Fall ist. Insbesondere stehen englische Gerichte den Beweisergebnissen, die nach kontinental-europäischen Verfahrensvorschriften erhoben sind, misstrauisch gegenüber.160 Der Verfasser hat mit der Vernehmung von Zeugen durch die deut156 BGBl 1974 I, 2317. 157 BGBl 1969 II, 1587. 158 Ebenso wenden österreichische Auslandsvertreter bei der Vernehmung österreichisches Recht an. Sie dürfen allerdings die zu vernehmenden Personen nicht beeiden, Hoyer/Chlanda, Rechtshilfeerlass, 1952, S 83; für das französische Recht vgl Gavalda Rev.crit. 1964, 15, 24, und Huet, Les conflits de lois, S 357. Letzterer meint, die Frage nach dem anzuwendenden Recht verschwinde, wenn das Rechtshilfeersuchen von einem französischen Gericht an einen französischen Konsul gerichtet werde. Für Italien vgl Pocar, L’assistenza guidiziaria, S 270, und Cappelletti/ Perillo, Civil Procedure in Italy, S 416; Szászy, 645, verneint überhaupt eine internationale Rechtshilfe im Verhältnis des Prozessgerichts zu den entsprechenden Auslandsvertretern des Entsendestaats. 159 Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, 101.15. 160 Harwood ICLQ 1961, 284, 291, meint, in einigen Ländern habe der Richter eine inquisitorische Funktion, er befrage Zeugen und halte nur die Tatsachen fest, wie er sie gefunden habe. Er fordert eine Niederschrift darüber, was der Zeuge wirklich gesagt hat.
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schen Auslandsvertretungen beste Erfahrungen gemacht. Entscheidend ist allerdings, dass die Parteien erklären, die von ihnen benannten Zeugen seien freiwillig bereit, vor dem deutschen diplomatischen oder konsularischen Vertreter auszusagen.
V. Autonomes Recht 1. Beweisaufnahme im Ausland Ist eine Beweisaufnahme in einem deutschen Prozess im Ausland erforderlich, 134 so enthalten die §§ 363, 364 ZPO dazu rudimentäre Regeln. Der Vorsitzende des Prozessgerichts soll die zuständige Behörde um Aufnahme des Beweises ersuchen (§ 363 I ZPO). Zuständig ist der deutsche Konsul, wenn er dazu nach § 15 KonsularG ermächtigt ist und der ausländische Staat einverstanden ist (§ 363 II ZPO).161 Ansonsten ist das Ersuchen an die zuständige ausländische Behörde zu richten. Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr (§ 3 I Nr 3 ZRHO) sind für ausgehende Ersuchen voll die §§ 17ff ZRHO einzuhalten.162 Der Übermittlungsweg ins Ausland ergibt sich aus dem Länderteil zur ZRHO. § 61 II ZRHO sieht vor, dass ein deutscher Richter an einer Beweisaufnahme 135 im Ausland (durch ein ausländisches Gericht) teilnehmen kann. Allerdings bedarf er dazu der Genehmigung der Bundesregierung und des Staats, in dem die Beweisaufnahme stattfinden soll.163 Bei einer Beweisaufnahme in einem Mitgliedstaat der EU ist die Genehmigung der Bundesregierung nicht erforderlich (s o Rz 31; § 61 I 2 ZHRO). Soweit es auf den unmittelbaren Eindruck vom Verlauf der Beweisaufnahme 136 ankommt, muss hierauf meist verzichtet werden. Eine Beweisaufnahme durch alle Mitglieder eines Spruchkörpers in Nicht-EU-Staaten ist nirgends vorgesehen. Völkerrechtlich wäre sie aber mit Einverständnis beider beteiligten Staaten durchführbar.164
2. Beweismittelbeschaffung aus dem Ausland Streitig ist, ob und inwieweit die Beweisaufnahme im Ausland durch eine Be- 137 weismittelbeschaffung aus dem Ausland entbehrlich ist, insb ob es insoweit völkerrechtliche Grenzen gibt. Kann das Beweismittel aus dem Ausland beschafft werden, findet die eigentliche Beweisaufnahme im Inland vor dem Prozessgericht statt. Eine Verletzung der Souveränität des Lagestaats kann daher nur eintreten, wenn Zwang bei der Herbeischaffung des Beweismittels geübt oder schon die gerichtliche Ladung
161 162 163 164
Vgl Zöller/Geimer § 363 ZPO Rz 26, 29f. Vgl E. Geimer, S 148ff. Vgl Schulze IPRax 2001, 527, 531; Zöller/Geimer § 363 ZPO Rz 6. E. Geimer, S 115f; Zöller/Geimer § 363 ZPO Rz 82.
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Internationale Beweisaufnahmen
oder Aufforderung im Ausland als Hoheitsakt anzusehen wäre.165 Soweit die Souveränität des Lagestaats nicht tangiert ist, besteht keine Notwendigkeit, die Beweisaufnahme vorrangig im Rechtshilfeweg durchzuführen.166 Das HBÜ 1970 regelt extraterritoriale Beweisanordnungen nicht, schließt sie auch nicht aus. Es ist daher im Einzelfall zu entscheiden, welches Vorgehen am einfachsten zu einer zuverlässigen Sachaufklärung führen wird. ME ist nach den einzelnen Beweismitteln zu unterscheiden. Für die EuBewVO wird aus Art 17 vielfach ein Ausschluss einer extraterritorialen Beweiserhebung abgeleitet (s o Rz 34f).
a) Auslandszeuge 138 Das Gericht kann der Partei anheimgeben, den Auslandszeugen zum Termin mitzubringen167 und den freiwillig erschienenen Zeugen vernehmen. Kann die Partei ihren Zeugen dazu bestimmen, ohne Ladung aus dem Ausland anzureisen, steht einer Vernehmung nichts entgegen. Das Gericht kann den Auslandszeugen auch laden, freilich nur ohne die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 377 II Nr 3 ZPO und ohne die Möglichkeit, inländische Sanktionen gegen das Vermögen des Zeugen bei Nichtbefolgung nach § 380 ZPO zu verhängen.168 Streitig ist, ob diese Ladung gem § 377 I 2 ZPO auch formlos durch einfachen Brief ins Ausland übersandt, oder nur förmlich im Rechtshilfeweg, innerhalb der EU-Staaten auch durch Postsendung per Einschreiben mit Rückschein (Art 14 EuZustVO) zugestellt werden darf.169 Da die formlose Mitteilung der (sanktionslosen) Ladung nicht völkerrechtswidrig ist, ist sie auch zulässig.170 Lediglich wenn das Gericht eine Zustellung anordnet, sind die zulässigen Wege der grenzüberschreitenden Zustellung zu beachten. Erscheint der Zeuge allerdings nicht im Inland vor Gericht, ist er im Wege der Rechtshilfe zu vernehmen, auch wenn es an sich auf einen unmittelbaren Eindruck ankommt.171 Kraft Personalhoheit darf jeder Staat darüber hinaus eigene Staatsbürger auch aus dem Ausland – ohne Einhaltung des Rechtshilfeweges – laden.172 139 Unbedenklich kann das Gericht einen Auslandszeugen (entgegen § 62 S 3 ZRHO) auf freiwilliger Basis um eine schriftliche Beantwortung von Fragen bitten,173 soweit dies nach § 377 III ZPO ausreichend ist. Die Praxis möchte 165 Vgl Stadler, Festgabe BGH, Bd 3, S 645, 654; Gottwald, FS Habscheid, S 119, 125ff. 166 Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, S 57ff; Gottwald, FS Habscheid, S 119, 125; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HBÜ Rz 6. 167 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HBÜ Rz 7. 168 EuGH (6.9.2012, C-170/11, Lippens v Kortekaas) NJW 2012, 3771; Stein/Jonas/Berger, § 363 ZPO Rz 11; Zöller/Geimer § 363 ZPO Rz 14, 17; Daoudi, S 96ff, 118ff; Gottwald, FS Habscheid, S 119, 128; Schlosser, FS W. Lorenz, S 497, 508. 169 Vgl BGH IPRax 1981, 57; Stein/Jonas/Berger § 363 ZPO Rz 11. 170 Daoudi, S 105ff. 171 Linke/Hau, IZVR, Rz 357. 172 Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 2388; Zöller/Geimer § 363 Rz 13. 173 Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 437; Schack, IZVR, Rz 803; Stein/Jonas/Berger § 363 Rz 12; Daoudi S 123ff; aA BGH NJW 1984, 2039; vgl Stadler, Festgabe BGH, Bd 3, S 645, 655; Leipold, Lex fori, S 51ff, 63.
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freilich jeden Anschein eines unzulässigen Eingriffs in die Hoheitssphäre des Auslands vermeiden und beauftragt die Partei damit, die Erklärung des Auslandszeugen beizubringen. Diese Auskunft kann dann als Urkundenbeweis nach § 416 ZPO verwertet werden.174 In geeigneten Fällen kommt auch eine Zeugenvernehmung im Wege einer in- 140 ternationalen Videokonferenz in Betracht.175 Soweit Freibeweis zulässig ist, kann der Auslandszeuge schließlich sogar telefonisch befragt werden.176
b) Sachverständige Beweiserhebung im Ausland Das Prozessgericht kann die Erhebung eines Sachverständigenbeweises im We- 141 ge der Rechtshilfe anordnen. Das Gericht kann aber auch einen inländischen Sachverständigen bestellen.177 Dieser kann sich aber Informationen aus dem Ausland nur auf freiwilliger Grundlage, ggf durch Augenschein im Ausland beschaffen, und erstattet sein Gutachten. Art 17 III EuBewVO und § 1073 II ZPO schließen dieses Vorgehen nicht aus.178 Nur wenn es der Unterstützung der ausländischen Behörden bedarf, muss der Rechtshilfeweg beschritten werden. Schließlich kann das Gericht auch einen zur Mitarbeit bereiten ausländischen 142 Sachverständigen (auf freiwilliger Grundlage) bitten, ein Gutachten zu erstellen.179 Eine direkte Bestellung ist durch § 63 I 1 ZRHO untersagt (s o Rz 115) und nur im Rechtshilfeweg zulässig.180 Der BGH hat entschieden, dass das Prozessgericht nicht verpflichtet ist, den ausländischen Sachverständigen nach § 411 III ZPO zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden,181 sondern insoweit den Rechtshilfeweg beschreiten kann. Aber selbst wenn man eine Pflicht zur Direktladung verneint, bleibt sie dennoch zulässig,182 mit dem Rechtshilfeweg als subsidiärem Ausweg.
c) Augenschein im Ausland Soweit ein Augenschein praktisch nur durch einen Augenscheinsmittler ein- 143 genommen werden kann, kann ebenfalls wie bei der Bestellung eines Sachverständigen vorgegangen werden.183 Eine zwangsweise Inspektion eines Betriebes durch den Augenscheinsmittler etc scheidet dagegen aus.184 Auch eine 174 175 176 177
178 179 180 181 182 183 184
v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 128; Zöller/Geimer § 363 Rz 11. Stein/Jonas/Berger § 363 Rz 14; Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 2385a. Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 436b, 2385; Zöller/Geimer § 363 Rz 11. Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 445; Daoudi S 108f, 128ff; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HBÜ Rz 6 (sofern Ausland darin keine Souveränitätsverletzung sieht); aA Leipold, Lex fori, S 47. AA (nur mit Genehmigung der Zentralstelle des ersuchten Staats) Heß/Müller ZZPInt 6 (2001), 149, 174f; Rauscher/v. Hein Art 1 EG-BewVO Rz 25. Geimer, IZPR, 6. Aufl 2009, Rz 441, 2387. Linke/Hau, IZVR, 5. Aufl 2010, Rz 360; dagegen Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art 1 HBÜ Rz 9 (absurd). BGH MDR 1960, 659. Daoudi, S 131; MüKo/Zimmermann, § 411 ZPO Rz 14. Daoudi, S 111ff. Gottwald, FS Habscheid, S 119, 127.
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Internationale Beweisaufnahmen
zwangsweise Untersuchung nach § 372a ZPO bzw § 178 FamFG kann nur gegenüber Personen im Inland angeordnet werden. Gegenüber Parteien und Drittbeteiligten im Ausland kommt nur die Aufforderung zur freiwilligen Untersuchung oder der Rechtshilfeweg in Betracht.185 Verweigert die Partei jedoch ihre Mitwirkung, dürfen daraus nachteilige Schlüsse gezogen werden (Beweislastentscheidung wegen Beweisvereitelung).186
d) Urkunden im Ausland 144 Soweit die Parteien Urkunden vorlegen müssen (§§ 142, 420ff ZPO; § 235 FamFG), sind sie dazu verpflichtet, unabhängig davon, ob sich die Urkunde im In- oder Ausland befindet.187 Befinden sich Urkunden im Ausland im Besitz einer konzernmäßig verbundenen Gesellschaft, besteht eine Vorlagepflicht, soweit die Partei die Kontrolle und Verfügungsbefugnis über die Unterlagen hat.188 Vorlageverbote des Lagestaats bilden kein absolutes Hindernis für eine Vorlagepflicht, sind aber pflichtgemäß zu berücksichtigen (s o Rz 6). Ist die im Ausland befindliche Urkunde im Besitz eines Dritten, kann das Gericht ihre Vorlage zwar nach § 142 I ZPO anordnen, darf aber keinen Zwang ausüben und muss auf die Freiwilligkeit der Vorlage hinweisen.189 Eine alternative Beweisaufnahme im Rechtshilfeweg ist nur sinnvoll, wenn der ersuchte Staat eine Vorlagepflicht von Dritten kennt.190
e) Anhörung und Vernehmung der Auslandspartei 145 Die Auslandspartei ist wie jede andere Partei nach § 141 ZPO verpflichtet, zur Aufklärung des Sachverhalts persönlich zu erscheinen; erscheint sie nicht, kann Ordnungsgeld gegen sie festgesetzt werden, § 141 III ZPO. Bei Konzerngesellschaften unterliegt nur die jeweilige Partei der Aufklärungspflicht. Verweigert eine Auslandspartei eine (freiwillige) Untersuchung nach § 372a ZPO bzw § 178 FamFG, so kann dies als Beweisvereitelung gewertet werden.191 Die Auslandspartei kann nach §§ 445ff ZPO vernommen werden, nach § 450 I 2 ZPO bedarf es insoweit der förmlichen Zustellung. Für die Anhörung bzw Vernehmung des sich im Ausland aufhaltenden Ehegatten nach § 128 FamFG gilt nichts anderes.192 Nach dem Zweck dieser Anhörung sollte primär versucht werden, die Auslandspartei direkt zu laden und sie nur hilfsweise nach § 128 III FamFG durch das Rechtshilfegericht anhören oder vernehmen zu lassen. Leistet der Aufenthaltsstaat keine Rechtshilfe, kann die Anhörung ganz unterbleiben.193 185 186 187 188 189 190 191 192 193
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Daoudi, S 117. Leipold, Lex fori, S 67. Linke/Hau, IZVR, Rz 362; Daoudi, S 87, 92ff, 133ff; vgl Leipold, Lex fori, S 55. Gottwald, FS Habscheid, S 119, 128f. Geimer, IZPR, Rz 401, 440. U. Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz 369. BGH NJW 1986, 2371; dazu Stürner JZ 1987, 42; Daoudi, S 114ff. Daoudi, S 138ff. OLG Hamm FamRZ 2000, 989.
Bilaterale Besonderheiten
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3. Beweisaufnahme für das Ausland Ausländische Beweisaufnahmeersuchen nimmt gem Art 2 I, II EuGewVO das 146 ersuchte Gericht (§ 82 I Nr 1 ZRHO), gem Art 9 IV HBewÜ die Zentrale Behörde (§ 82 I Nr 2 ZRHO), im Verhältnis zur Schweiz und zu Liechtenstein das Amtsgericht (§ 82 I Nr 3 ZRHO) und ansonsten die Prüfungsstelle (§§ 9, 82 I Nr 4 ZRHO) entgegen. Soweit sie die Angelegenheit nicht selbst erledigt, wird sie das Ersuchen dann an das zuständige Amtsgericht weiterleiten (§ 82 IV ZRHO). Die Auslandsparteien oder ihre Vertreter dürfen auf Antrag grds an dem Beweisaufnahmetermin teilnehmen (§ 133 I ZRHO). Im Anwendungsbereich der EuBewVO haben sie einen Anspruch darauf (Art 11 EuBewVO; § 133 II ZRHO). Im Anwendungsbereich der EuBewVO dürfen auch das ausländische Gericht und ein von ihm bestimmter Sachverständiger grds an dem Beweisaufnahmetermin teilnehmen (§ 134 I ZRHO). Ist das HBÜ anwendbar, hängt die Befugnis von der Genehmigung der Zentralen Behörde ab (§ 10 AGHBÜ; § 134 II ZRHO). Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr dürfen Mitglieder des ausländischen Gerichts oder von ihm bestellte Sachverständige nur dann an dem Beweistermin vor dem Amtsgericht teilnehmen, wenn Bundesregierung und Landesjustizverwaltung dies zuvor genehmigt haben und das ersuchte deutsche Gericht selbst keine Bedenken hat (§ 134 III ZRHO).
VI. Bilaterale Besonderheiten 1. Deutsch-türkisches Abkommen vom 28.5.1929 Zum deutsch-türkischen Abkommen v 28.5.1929 über den Rechtsverkehr in 147 Zivil- und Handelssachen194 s o § 8 Rz 158.
2. Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 Zum deutsch-griechischen Abkommen v 11.5.1938 über die gegenseitige 148 Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts195 s o § 8 Rz 159ff. Im Übrigen enthalten beide Abkommen die Möglichkeit, dass Ersuchen um 149 Vernehmung eigener Staatsangehöriger, die sich im Gebiet des anderen Staats befinden, durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter ohne Anwendung von Zwang erledigt werden.
194 RGBl 1930 II, 6. 195 RGBl 1939 II, 848.
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Internationale Beweisaufnahmen
3. Deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr 150 Geltungsbereich. Dieses Abkommen196 ist deshalb von großer Bedeutung, weil es nicht nur für das Vereinigte Königreich gilt, sondern auch für Staaten, deren internationale Beziehungen früher das Vereinigte Königreich wahrgenommen hat. Das Abkommen gilt danach heute für zahlreiche selbständige Staaten (s o § 7 Rz 15).197 151 Ersuchen um Beweisaufnahmen. Das deutsch-britische Abkommen eröffnet verschiedene Übermittlungswege und verschiedene Arten der Durchführung von Beweisaufnahmen in dem ersuchten Land. Der in Art 9 aufgezeichnete Weg entspricht dem der Zustellungen nach Art 3. Das Rechtshilfeersuchen ist in Deutschland zu übermitteln durch einen britischen konsularischen Beamten an den zuständigen Präsidenten des deutschen Landgerichts, in England durch einen diplomatischen oder konsularischen Beamten an den Senior Master des „Supreme Court of Judicature“. Die Erledigung des Rechtshilfeersuchens kann aus denselben Gründen abgelehnt werden, wie nach dem HZÜ 1954 (s o Rz 117). 152 Ebenso wie nach dem Haager Übereinkommen wird bei der Erledigung des Rechtshilfeersuchens grds das Recht des ersuchten Staats angewendet. Die ersuchende Behörde bzw das Gericht kann die Erledigung nach einem besonderen Verfahren, dh nach der lex fori des Prozessgerichts, beantragen. Diesem Antrag wird stattgegeben, wenn dieses Verfahren der Gesetzgebung des ersuchten Landes nicht zuwiderläuft. Die prägende Kraft des Haager Übereinkommens ist unverkennbar. Hat ein englischer Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet,198 so kann er auf Ersuchen des Prozessgerichts (§ 363 ZPO) vom englischen Gericht gem Art 9 II HBÜ und § 411 III ZPO zur Erläuterung des Gutachtens vernommen werden, selbst wenn die Voraussetzungen für eine mündliche Anhörung nach CPR r 35.5 nicht vorliegen. 153 Es ist nicht erstaunlich, dass die Engländer grds Beweisaufnahmen „in open court“, dh vor dem Prozessgericht in öffentlicher Verhandlung wünschen. Hierin unterscheiden sie sich nicht von dem kontinental-europäischen Beweissystem, denn auch dieses sieht in der Rechtshilfe nur eine Ausnahme, bei der die tragenden Grundsätze des Prozessrechts, die Öffentlichkeit und die Unmittelbarkeit verletzt werden. Der Beweisaufnahme im Wege der Rechtshilfe gegenüber sind die Engländer jedoch weit argwöhnischer als ihre Kollegen auf dem europäischen Kontinent. Vor allem misstrauen sie dem Beweisverfahren in den kontinental-europäischen Ländern, weil das Kreuzverhör dabei nicht angewendet wird.199
196 197 198 199
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RGBl 1928 II, 623. Vgl Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 228 Fn 2. Vgl BGH IPRax 1981, 57. In re Boyse (1882) 20 Ch. D. 760 hat sich das englische Gericht geweigert, das im Wege der Rechtshilfe erzielte Beweisergebnis zu verwerten, weil das Kreuzverhör nicht angewendet worden war.
Bilaterale Besonderheiten
§9
Darauf beruht die Vorstellung, dass Beweise gundsätzlich so wie im trial erho- 154 ben werden sollen (CPR 34.9 [1]). Doch kann eine Partei beantragen, dass der Zeuge vor dem trial durch den Richter oder einen examiner per „deposition“ vernommen wird (CPR 34.8). Hält sich der Zeuge außerhalb des Jurisdiktionsbezirks auf, kann der Erlass eines „letter of request“ beantragt werden (CPR 34.13). Soll der Beweis in Ländern erhoben werden, mit denen das Vereinigte Königreich Rechtshilfeverträge abgeschlossen hat, werden häufig britische Konsuln als „special examiners“ beauftragt. Im Übrigen können im Ausland lebende Zeugen ihre Aussagen auch schriftlich mit der eidlichen Versicherung, dass ihre Angaben wahr seien, in „affidavits“ abgeben. Diese müssen vor einem „commissioner of oaths“ beschworen werden.200 Ersuchen um Beweisaufnahmen an eine ausländische Behörde bzw ein ausländisches Gericht sind offenbar so unbeliebt, dass sie quantitativ kaum ins Gewicht fallen.201 Diesen Gegebenheiten trägt das deutsch-britische Abkommen Rechnung. 155 Art 11 des Abkommens sieht vor, dass Beweisaufnahmen ohne Mitwirkung von Behörden des Landes, in dem die Beweisaufnahme stattfinden soll, durch diplomatische oder konsularische Vertreter erfolgen. Hierbei wird auf englischer Seite der Konsul zum „special examiner“ bestimmt.202 Im Gegensatz zum Haager Übereinkommen ist diese Möglichkeit viel weiter ausgebaut. So können die Auslandsvertreter nicht nur Angehörige ihres Entsendestaats oder eines dritten Staats als Zeugen hören, sondern auch die Staatsangehörigen ihres Aufenthaltsstaats. Britische „special examiners“ können also auch deutsche Staatsangehörige auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vernehmen, wie auch die deutschen Auslandsvertreter im Vereinigten Königreich britische Staatsangehörige als Zeugen hören können.203 Art 11 lit c sieht ausdrücklich vor, dass die jeweiligen Beweisaufnahmen nach dem Recht des Prozessgerichts (des Landes, in dem sie Verwendung finden soll) vorgenommen werden. Art 12 des Abkommens sieht noch einen dritten Weg für Rechtshilfeersuchen 156 vor. Danach wird das Ersuchen an das zuständige Gericht des ersuchten Staats gerichtet, mit der Bitte, die Beweisaufnahme von einem diplomatischen oder konsularischen Beamten des ersuchenden Landes vornehmen zu lassen. Dieser Weg bietet sich an, wenn die zu vernehmenden Personen nicht freiwillig vor den Auslandsvertretern erscheinen und nicht zur Aussage bereit sind. Das ersuchte Gericht stellt in diesem Fall seine Zwangsmaßnahmen zur Verfügung. Jedoch können von dem ersuchten Gericht Zwangsmaßnahmen nur nach seinem Recht und nur gegen Staatsangehörige des ersuchenden Staats vorgenommen werden. „Special examiners“ können also deutsche Staatsangehörige in
200 Vgl auch „Commissioners for Oaths Act 1889“, 52 & 53 Vict. c10. Special examiners oder Commissioners for oaths können auch sein: barristers, solicitors, attorneys. 201 Nach Harwood ICLQ 1961, 284, 292, wurden 1958 nur 3, 1959 nur 6, 1960 nur 3 „Letters of Request“ v englischen High Court erlassen. 202 Harwood ICLQ 1961, 284, 290. 203 E. Geimer, S 108f.
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Deutschland nicht durch ein ersuchtes deutsches Gericht zwingen, vor ihnen zu erscheinen und auszusagen. 157 Im Verhältnis zu Schottland werden deutsche Ersuchen um Beweisaufnahmen vom deutschen Konsul in Edinburgh ebenfalls an das „Crown Office“ gerichtet. Der „Crown Agent“ wendet sich an den „Court of Session“, um einen „Commissioner“ ernennen zu lassen. Dieser ist in der Praxis in allen Fällen ein „Sherriff“ (seine Stellung ist der eines deutschen Landgerichtspräsidenten vergleichbar). Dieser wendet, sofern keine besondere Form gewünscht wird, bei der Beweisaufnahme die schottischen Prozessvorschriften an. Außerdem kann in Schottland die Beweisaufnahme durch den deutschen Konsul erfolgen. Dieser darf alle Personen ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vernehmen. Es sind keine Fälle bekannt geworden, dass deutschen Ersuchen um Zustellung oder um Beweisaufnahmen nicht entsprochen worden ist.204
4. Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 158 Für Rechtshilfeersuchen um Beweisaufnahmen oder andere gerichtliche Handlungen ist in diesem Vertrag205 derselbe Übermittlungsweg wie für Zustellungsanträge vorgesehen (Art 19). Das ersuchte Gericht hat das Ersuchen grds nach seinen Verfahrensvorschriften auszuführen. Ebenso wie bei dem Haager Übereinkommen ist die Klausel vorgesehen, dass einer besonderen Form entsprochen werden kann, sofern diese Form dem Recht des ersuchten Staats nicht zuwiderläuft. Es sind dieselben Ablehnungsgründe in Art 22 aufgeführt worden, wie sie das Übereinkommen enthält: die Echtheit des Ersuchens; der Fall, dass die Erledigung nicht in den Bereich der Gerichtsgewalt fällt; die Gefährdung der Hoheitsrechte oder der Sicherheit des ersuchten Staats. Eine auch den Zustellungsanträgen entsprechende Neuerung bringt nur Art 22 II, wonach Rechtshilfeersuchen nicht deshalb abgelehnt werden dürfen, weil der ersuchte Staat für die Sache, in der das Rechtshilfeersuchen gestellt wird, die ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte in Anspruch nimmt oder weil sein Recht ein Verfahren dieser Art nicht kennt. Danach müsste ein deutsches Ersuchen um uneidliche Parteivernehmung in Tunesien auch dann durchgeführt werden, wenn dieses Beweismittel der tunesischen ZPO fremd ist. 159 Schließlich können die eigenen Staatsangehörigen von den Auslandsvertretungen ohne Anwendung von Zwang vernommen werden. Hierfür ist in Art 26 S 2 auch der Satz angefügt, dass, wenn für die Beurteilung der zu vernehmenden Person verschiedene Rechte in Betracht kommen, das Recht des Staats maßgebend ist, in dem das Rechtshilfeersuchen ausgeführt werden soll.
204 Vgl Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, S. 86. 205 BGBl 1969 II, 889.
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Bilaterale Besonderheiten
§9
5. Deutsch-marokkanischer Vertrag über internationale Rechtshilfe v 29.10.1985206 Dieser Vertrag verkürzt den Übermittlungsweg für Ersuchen von den Landesjustizverwaltungen zum Justizministerium in Rabat und umgekehrt und sieht den unmittelbaren Verkehr zwischen den Ministerien vor (Art 3 I; 11 des Vertrags).
160
Neu ist die Vorschrift, dass die ersuchte Behörde/Gericht die richtige Anschrift des Zeugen oder Empfängers des Schriftstücks ermitteln soll (Art 31 II des Vertrags).
6. Beweisaufnahmen in europäischen Kleinstaaten Zwischen Deutschland und Andorra, Liechtenstein, Monaco sowie San Marino bestehen keine Rechtshilfeverträge.
161
a) Mit Andorra wird diese jedoch auf der Grundlage der Gegenseitigkeit geleistet. Die deutsche Botschaft in Madrid leitet Ersuchen um Beweisaufnahmen an den Präsidenten des Tribunal de Battles in Andorra weiter. b) Aufgrund eines Notenwechsels v 17.2. und 29.5.1958 mit Liechtenstein ist 162 für Beweisaufnahmen der unmittelbare Behördenweg zugelassen (Bek. v 25.3.1959, BAnz. Nr 73/59). Deutsche Ersuchen gehen über die Prüfstelle (Präsident des Amts- oder Landgerichts) unmittelbar an das Landgericht in Vaduz (ZRHO Länderteil, Liechtenstein). Eine Beweisaufnahme durch Beauftragte (Art 17 HBÜ) ist nur mit Genehmigung der Regierung in Liechtenstein zulässig. c) Ersuchen um Beweisaufnahmen werden über die Prüfstelle an die Zentra- 163 le Behörde Monacos, die „Direction des Services Iudiciaires“ weitergeleitet. Formlose Vernehmungen von deutschen Staatsangehörigen kann auch der deutsche Generalkonsul in Marseille vornehmen (ZRHO Länderteil, Monaco). Monaco ist dem Haager Beweisübereinkommen beigetreten.207 d) Deutsche Ersuchen um Beweisaufnahmen werden über die Prüfungsstelle 164 und das deutsche Generalkonsulat in Mailand auf dem Postweg an das zuständige Gericht der Republik San Marino weitergeleitet. Das deutsche Generalkonsulat in Mailand darf keine Beweise erheben.
206 BGBl 1988 II, 1055. Der Vertrag ist am 23.6.1994 in Kraft getreten (BGBl 1994 II 1192). 207 BGBl 1986 II, 1135.
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§ 10 Internationales Beweisrecht Inhaltsübersicht I. Einführung 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweisverfahren und lex fori . . . 3. Prozessuale und vorprozessuale Aufklärungs- und Informationspflichten (discovery) . . . a) Beweismittelvorlage zum Schutz geistigen Eigentums . b) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) England, Schottland . . . . . . . . d) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Beweisaufnahme 1. Recht auf den Beweis . . . . . . . . . 2. Prozessuale Beweisbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Materielle Qualifikation ausländischer Beweisbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweisbedürftigkeit . . . . . . . . . . 5. Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . 6. Selbständige Beweisaufnahme . 7. Beweisthemenverbote . . . . . . . . 8. Verwertung erlangter Beweismittel a) Unerlaubt erlangte Beweismittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigerweise erlangte Beweismittel. . . . . . . . . . . . . .
1 2
17 19 21 28 32 33 35
37 39
40 42 43 45 46
51 52
2. Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freie Beweiswürdigung . . . . . . . 4. Allgemeine Regeln über die Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beweislastumkehr als Folge pflichtwidrigen prozessualen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beweisführungslast . . . . . . . . . . IV. Die einzelnen Beweismittel 1. Der Beweis durch Zeugen a) Zeugenfähigkeit . . . . . . . . . . b) Zeugnisverweigerungsrecht, Privilegien . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parteivernehmung, Parteieid, gerichtliches Geständnis a) Parteivernehmung. . . . . . . . . b) Vorrang der Parteivernehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Parteieid . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geständnis . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Beweis durch Urkunden a) Die Beweiskraft der Urkunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die prozessuale und die materiellrechtliche Vorlagepflicht von Urkunden . . . . . . 4. Der Beweis durch Augenschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Beweis durch Sachverständige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54 57 67
74 75
76 97
109 110 114 116 121
123
144 168 187
III. Beweiswürdigung und Beweislast 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
I. Einführung 1. Schrifttum 1
Andrews, The pursuit of truth in modern English civil proceedings, ZZPInt 8 (2003), 69; Arruda Alvim, Manual de Direito Processual Civil, Sao Paulo, 1986, Vol II; Batiffol/Lagarde, Droit international privé, Bd 1, 8. Aufl 1993, Bd 2, 7. Aufl 1983; Beardsley, Proof of Fact in French Civil Procedure, AmJCompL 34 (1986), 459; Beys, Grundzüge des hellenischen zivilprozessualen Beweisrechts, Dike Int. 1984, 161; v Bodungen/Jestaedt, Deutsche Bedenken gegen ein „discovery“ mit extraterritorialen Wirkungen im US-Prozess, FS Stiefel, 1987, S 65; Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss Bonn 1984; Cadiet, Observations sur l’internationalisation du droit de la preuve, Studi in onore di G. Tarzia, 2005, S 305; Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé,
492
Einführung
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Internationales Beweisrecht
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2. Beweisverfahren und lex fori 2
Das Beweisverfahren bildet einen Schwerpunkt innerhalb eines jeden Zivilprozesses. Deshalb ist zu untersuchen, ob und inwieweit ausländische Beweisrechte Auswirkungen auf den deutschen Zivilprozess haben. Von größerer Bedeutung ist die Kenntnis der Grundzüge des ausländischen Beweisrechts, wenn ein Deutscher im Ausland klagen muss. Wie generell das Verfahrensrecht wird das Beweisrecht von der lex fori beherrscht.1 Zur Rechtfertigung wird auf den hoheitlichen Charakter des Gerichtsverfahrens und das Territo-
1 Coester-Waltjen, Rz 83ff, 102ff; Geimer, IZPR, Rz 2260; Schoch, S 133ff; Osthaus, S 193ff.
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rialitätsprinzip, teilweise gar auf ordre public-Erwägungen verwiesen.2 Indes gelten diese Gründe auch für die materielle Rechtsanwendung, ohne eine Anwendung ausländischen Rechts aufgrund von Kollisionsnormen auszuschließen. Die Maßgeblichkeit der lex fori im Beweisrecht folgt daher stärker aus reinen Praktikabilitätserwägungen. Gerichte und Anwälte wären vielfach mit der Anwendung fremden Verfahrensrechts überfordert. Sie würden, wenn sie nach fremdem Recht handeln müssten, zu langsam oder unsicher und mit Verlust an Würde verfahren.3 Das RG hatte diese Ansicht schon früh formuliert: es müsse unterschieden werden zwischen dem Inhalt der Privatrechte und der Art ihrer gerichtlichen Geltendmachung. Die Regeln, die in letzterer Beziehung im Ausland beständen, seien für den deutschen Richter, der nur sein heimisches Prozessrecht anzuwenden habe, nicht maßgebend.4 Über die Zulässigkeit von Beweismitteln und die Art und Weise, wie die einzelnen Beweise zu erheben sind, entscheidet also die lex fori. Die vorwiegend pragmatische Rechtfertigung der Anwendung der lex fori schließt nicht aus, dass die materiellrechtlichen Auswirkungen des Beweisrechts beachtet und als Folge davon, soweit notwendig, auch ausländische Verfahrensregeln angewendet werden.5 Die Vorherrschaft von der lex fori im Beweisrecht beruht auch auf dessen terri- 3 torialer Begrenzung. Eine Beweisaufnahme kann grds nur im Inland erfolgen, Zeugen und Sachverständige können grds nur im Inland geladen werden. Zwangsmaßnahmen gegen diese sind nur im Inland möglich. Das Beweisrecht unterscheidet sich also wesentlich von dem übrigen Prozessrecht, denn dieses wird von den beiden sich überschneidenden Grundsätzen des Territorialitätsund des Personalitätsprinzips beherrscht. Letzteres wirkt sich zB hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit aus. Verfahrensrechtliche Kollisionsnormen lassen sich hinsichtlich der Partei- und Prozessfähigkeit von Ausländern feststellen. Demgegenüber scheinen die verschiedenen Beweisrechte der Staaten sich grds nicht zu überschneiden. Dieser Grundsatz wird jedoch im Bereich der internationalen Rechtshilfe durchbrochen (s o § 9 Rz 21ff, 56, 76). Von dem Rechtshilfegericht kann nach einem anderen als dem heimischen Beweisrecht verfahren werden. Die Zulässigkeit einer Beweisaufnahme im Ausland regeln die §§ 363, 364 4 ZPO, die Europäische Beweisverordnung und das Haager Beweisübereinkommen.6 Die Verwertbarkeit der im Ausland erhobenen Beweise richtet sich nach § 369 ZPO. Sie sind danach verwertbar, wenn sie entweder dem Recht des Aufnahmestaats oder dem deutschen Recht entsprechen. Genügt die Beweisaufnahme keiner der beteiligten Rechtsordnungen, so kann der Mangel gem § 295 I ZPO geheilt werden. Auch eine mangelhafte Beweisaufnahme kann nach § 286 ZPO frei gewürdigt werden.7
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Vgl Coester-Waltjen Rz 103ff, 110ff. Kegel/Schurig, IPR, 9. Aufl 2004, § 22 III (S 1055); Schack, IZVR, Rz 735f. RGZ 46, 199; so auch Riezler, IZPR, S 470; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 6 Rz 2. Coester-Waltjen Rz 168ff. Dazu eingehend Schabenberger, Der Zeuge im Ausland, 1996. Pfeil-Kammerer, S 336.
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Das Beweisverfahren wird überall grds der lex fori unterstellt.8 Eine generelle Wahl des anwendbaren Beweisrechts durch die Parteien scheidet aus.9 Entsprechend ist „evidence“ in England „a matter for the law of the forum“. „Whether a witness is competent or not, whether a certain matter requires to be proved by writing or not, whether certain evidence proves a certain fact or not, that is to determined by the law of the country where the question arises.“10 Nach Cheshire, North & Fawcett „it is obvious that those principles must usually apply whether the question at issue is domestic or foreign in origin“.11
6
Der deutschen und anglo-amerikanischen Auffassung, dass über die Zulässigkeit von Beweismitteln die lex fori entscheidet und die Art des Beweisverfahrens (Strengbeweis – Freibeweis),12 entsprechen auch andere Prozessgesetze wie zB die von Spanien oder Schweden.
7
Im Gegensatz dazu betrachtet man in Frankreich (im autonomen Recht) die Frage nach der Zulässigkeit des Beweises – admissibilité de la preuve – nicht als eine solche des Prozessrechts, sondern sieht sie als eng mit dem materiellen Recht verknüpft.13 Deshalb mag es verständlich werden, wenn nicht das französische Prozessrecht, sondern der Art 1341 c.c. nach dem historischen Vorbild der Ordonnanz von Moulins aus dem Jahre 1566 den Zeugenbeweis bei Verträgen, die über den Wert von 1500 Euro hinausgehen, ausschließt.14 Hierbei steht im Gegensatz zum deutschen Recht nicht die Frage nach der Form (Schriftform), sondern die nach der Unzulässigkeit des Zeugenbeweises im Vordergrund. Allerdings hat die Regel heute geringere Bedeutung als früher. Nach Art 1341 Abs 2 c.c. gilt sie nicht im Handelsverkehr,15 so dass kein Widerspruch zur Rom I-VO und zum CISG besteht, deren Vertragspartei Frankreich ist. Außerdem gilt Art 1341 I c.c. nur zwischen den Vertragsparteien, nicht bei einer Beweisführung durch einen Dritten.16 Schließlich können die Prozessparteien über das Beweisverbot disponieren; es wird nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge der Gegenpartei beachtet.17
8
Der traditionellen französischen Lösung folgt das griechische Recht. Nach Art 393 gr ZPGB (idF des Gesetzes 2915/2001) können Verträge, deren Wert 5869 Euro übersteigt, nicht durch Zeugen bewiesen werden.18 8 Geimer, IZPRRz 2268ff; Coester-Waltjen Rz 402ff. 9 Coester-Waltjen Rz 194ff. 10 Bain v Whitehaven Ry. (1850) 3 HLC. 1, 19; Phipson, On Evidence, 15th ed 2000, No 1–20. 11 Private Intern. Law, 14th ed 2008, p 82/83. 12 Vgl Schack IVZR, Rz 757; Geimer, IZPR, Rz 2302ff. 13 Vgl Batiffol/Lagarde, no 707. 14 Décret 80–533 du 15 Juillet 1980; modifié par Décret 2004–836 du 20 Août 2004; Jeuland, Le changement de rôle des temoins … en France, in Walker/Chase, Common Law Civil Law …, 2010, p 193, 195. 15 Vgl Dalloz, Code civil, 104. Aufl 2005, Art 1341 cc N. 18ff. 16 Dalloz, Code civil, 104. Aufl 2005, Art 1341 N. 13ff. 17 Dalloz, Code civil, 104. Aufl 2005, Art 1341 N. 24ff. 18 Auskunft von A. Kaissis, Thessaloniki.
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Italien ist das klassische Land, in dem der Beweis als ein integrierendes Ele- 9 ment der Obligation angesehen worden ist – „la prova è un elemento integrante dell’obligazione“.19 Diese Auffassung kam in Art 10 II der „disposizioni preliminari“ zum italienischen c.c. von 1865 deutlich zum Ausdruck: „I mezzi di prova delle obligazioni sono determinati dalle leggi del luogo in cui l’atto fu fatto.“ Damit war man der Tradition der italienischen Rechtsschule gefolgt, denn schon Bartolus stellte auf das Ortsrecht, nicht auf die lex fori ab.20 Umso erstaunlicher ist es, dass in dem Land, in dem früher das Beweisrecht dem materiellen Recht zu folgen schien, heute die lex fori weitgehend obsiegt hat. Zwar kennen auch die Italiener die Regel, nach der Verträge über einen bestimmten Wert nur durch Urkunden bewiesen werden können. Die Rechtsprechung hat diese Vorschrift weitgehend ausgehöhlt, indem man Rücksicht auf die Parteien, die Verträge und die ganzen Umstände nimmt. Danach haben die Richter eine Ermessensfreiheit, den Zeugenbeweis zuzulassen. Die Ausnahme ist praktisch schon zur Regel geworden, so dass kein Anlass mehr besteht, auf die „lex loci contractus“ zurückzugreifen.21 Wenn danach auch wegen der Zulässigkeit der Beweismittel grds auf die lex fo- 10 ri abgestellt wird, so sollte nicht übersehen werden, dass es immer noch eine weitverbreitete Meinung gibt, die die lex causae bevorzugt.22 Niederländer23 wollte die Zulässigkeit der Beweismittel grds nach der lex causae entscheiden. Dabei übersah er aber, dass es sich zB bei dem Zeugnisverweigerungsrecht sowohl um eine Zulässigkeits- als auch um eine öffentlich-rechtliche Schutzvorschrift handelt. Auch Neuhaus24 wollte die Beschränkungen der Beweisführung als Zubehör des materiellen Rechts behandelt wissen und lehnte eine Entscheidung nach der lex fori ab. Die neueren vertragsrechtlichen Lösungen versuchen, die Qualifikationsfrage 11 zu überbrücken, und sprechen sich für ein „sowohl – als auch“ aus; das Vertrauen auf eine fehlende Beweisbarkeit wird nicht mehr als schützenswert angesehen (s u Rz 40). Nach Art 18 II Rom I-VO können zum Beweis eines Rechtsgeschäfts alle Be- 12 weisarten (1) der lex fori, oder (2) des Vertragsstatuts oder der lex fori contractus vorgebracht werden, sofern letztere vor dem angerufenen Gericht überhaupt erbracht werden können.25 Diese letztere Einschränkung hat in Deutschland insoweit Bedeutung, als eine Partei nicht als Zeuge, sondern nur subsidiär vernommen werden kann. Eine sachlich entsprechende Regel enthält das UN-Kaufrecht in Art 11 S 2 CISG. Im Ergebnis setzt sich damit das libera-
19 20 21 22 23 24 25
Fiore, zitiert nach Meili, Das internationale Civilprozessrecht, 1906, S 407. Gamillscheg, FS Wieacker, S 235. Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, S 217. Vgl Coester-Waltjen Rz 443ff, 460ff, 520. RabelsZ 20 (1955), 51. RabelsZ 20 (1955), 238. Geimer, IZPR, Rz 2303ff; krit. zu dieser Lösung Coester-Waltjen Rz 620.
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lere Beweisrecht durch.26 Diese Regeln sollten über ihren direkten Anwendungsbereich hinaus generell angewendet werden.27 13
Seit der Übernahme des Römischen Vertragsübereinkommens in das englische Recht 1990 gilt dort auch die Lösung von Art 9 EVÜ bzw jetzt von Art 11 I Rom I-VO, wonach der Vertrag gültig ist, wenn er nach dem Vertragsstatut oder dem Recht am Ort des Vertragsschlusses gültig ist.28 Beweisbeschränkungen für den Nachweis eines formlos geschlossenen Vertrags bestehen nicht.
14
Das rechtspolitische Ziel ist danach klar. Zumindest in internationalen Fällen sollte es keine Beweismittelbeschränkungen geben.29
15
Entsprechend sollte auch die parol evidence rule eine Beweiserhebung im Inland nicht einschränken. Nach dieser in common law-Staaten verbreiteten Regel kann die Behauptung, eine Urkunde entspreche nicht der wirklichen Vereinbarung, sie sei abgeändert oder ergänzt worden, nur durch Urkunden, nicht durch andere Beweismittel bewiesen werden (s u Rz 140ff).30 Teilweise wird dafür plädiert, die parol evidence rule im Rahmen der lex causae zu beachten.31 Art 18 II Rom I-VO zeigt aber paradigmatisch, dass das Vertrauen auf Beweismittelbeschränkungen nicht schützenswert ist.32
16
In Italien ist diese Lösung ausdrücklich gesetzlich vorgesehen. Hier kann der Richter zum Beweis späterer mündlicher Vertragsänderungen oder -ergänzungen ausdrücklich den Zeugenbeweis zulassen (Art 2273 c.c.). Ist eine ursprünglich vorhandene Urkunde verloren gegangen, können ihre Existenz und ihr Inhalt ebenfalls durch Zeugen bewiesen werden.33
3. Prozessuale und vorprozessuale Aufklärungs- und Informationspflichten (discovery) 17
Schrifttum: H.-J. Ahrens, Internationale Beweishilfe bei Beweisermittlungen im Ausland nach Art 7 der Enforcementrichtlinie, FS M. Loschelder, 2010, S 1; G. Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, 2010; Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, 2005, Rz 404–491; J.-H. Binder, Pflichten zur Offenlegung elektronisch gespeicherter Informationen im deutschen Zivilprozess am Beispiel der Unternehmensdokumentation, ZZP 122 (2009), 187; Bolthausen, Offenlegungspflichten deutscher Unternehmen in US „discovery proceedings“, MDR 2006, 1081; A. Bruns, Litigation on Intellectual Property in Europe, in Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency, Intellectual Property Litigation, Arbitration and Ordre public, 2011, S 255; D. CoesterWaltjen, US-amerikanische Discovery – Probleme in neuem Gewand, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 257; Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland und ihre Verwertung im inländischen Zivilprozess, 2002; Eschenfelder, Möglichkeiten deutscher Unternehmer,
26 27 28 29 30 31 32 33
Vgl MüKo/Spellenberg, Art 18 Rom I-VO Rz 28, 32, 39. AA Geimer, IZPR, Rz 2330; auch MüKo/Spellenberg Art 18 Rom I-VO Rz 38. Dicey & Morris, Conflict of Laws, Vol 2, 14th ed, 2006, Rule 207 (p 1605ff). Rule 19 (a) Transnational Principles of Civil Procedure; vgl Kronke S 77, 79. Vgl Coester-Waltjen Rz 521ff. Geimer, IZPR, Rz 2331; Coester-Waltjen Rz 530ff, 538. Zustim Schack, IZVR, Rz 757. Chiarloni, The Value of Witness Evidence, S 209, 227.
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US-amerikanische Discovery auch vor deutschen Gerichten zu nutzen, IPRax 2006, 89; Eschenfelder, Verwertbarkeit von Discovery-Ergebnissen in deutschen Zivilverfahren, RIW 2006, 443; Hay, Informationsbeschaffung über schriftliche Unterlagen und Augenscheinsobjekte im Zivilprozess, in: Schlosser, Die Informationsbeschaffung für den Zivilprozess, 1996, S 1; L. Idot, Access to Evidence and Files of Competition Authorities, in Basedow/Franq/Idot, International Antitrust Litigation, 2012, S 259; J. Jolowicz, Discovery of documents in the common law and forced production of documents in civil law systems, FS Kerameus, Athen 2009, S 535; A. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987; A. Junker, Electronic discovery gegen deutsche Unternehmen, 2008; A. Junker, Die Informationsbeschaffung durch Beweispersonen, in: Schlosser, Die Informationsbeschaffung für den Zivilprozess, 1996, S 63; A. Junker, Die Discovery-Reform des Jahres 1993, ZZPInt 1996, 235; Knaak, Die EG-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und ihr Umsetzungsbedarf im deutschen Recht, GRURInt 2004, 745; St. Lorenz, Die Neuregelung der pre-trial-Discovery im US-amerikanischen Zivilprozessrecht, ZZP 111 (1998), 35; J. Lux/T. Glienke, US-Discovery versus deutsches Datenschutzrecht, RIW 2010, 603; P. Matthews/H. Malek, Disclosure, 4th ed 2012; M.-R. McGuire, Beweismittelvorlage und Auskunftsanspruch nach der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums, GRURInt 2005, 15; McLachlan, The Jurisdictional Limits of Disclosure Orders in Transnational Fraud Litigation, ICLQ 47 (1998), 3; Ch. Michailidou, Vorprozessuale Möglichkeiten zur Beweissammlung, Dike Intern 2008, 370; Murray, Taking Evidence Abroad – Understanding American Exceptionalism, ZZPInt 10 (2005), 343; T. Myers/Th. Valen/P. Weinreich, Die US-amerikanische Discovery als Rechtshilfe für ausländische und internationale Tribunale, RIW 2009, 196; P. Niehr, Die zivilprozessuale Dokumentenvorlegung im deutsch-englischen Rechtshilfeverkehr, 2004; Osthaus, Informationszugang für den internationalen Prozess zwischen lex fori und lex causae, 2005; Ch. Platto, Pre-Trial and Pre-Hearing Procedures Worldwide, 1990; Prütting, Geistiges Eigentum und Verfahrensrecht, insbesondere beweisrechtliche Fragen, FS Bartenbach, 2005, S 417; Reimann, Beyond Fishing – Weitreichende Neuerungen im amerikanischen Discovery-Verfahren, IPRax 1994, 152; M. U. Reinartz, Die vorgerichtliche Beweishife im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, 2009; O. Riechers, Europäisches Wettbewerbsverfahren und US-amerikanische Discovery, RIW 2005, 19; S. Roggenbuck, US-amerikanische Discovery im deutschen Zivilprozess?, IPRax 1997, 76; Schaner/Scarbrough, Obtaining discovery in the USA for use in German legal proceedings, AnwBl 2012, 320; Schlosser, Französische Anregungen zur Urkundenvorlagepflicht nach § 142 ZPO, FS Sonnenberger, 2004, S 135; M. Schönknecht, Beweisbeschaffung in den USA zur Verwendung in deutschen Verfahren, GRURInt 2011, 1000; D. Seichter, Die Umsetzung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, WRP 2006, 391; J. Stempel, Ulysses tied to the generic whipping post: the continuing odyssey of discovery „reform“, Law & Contemp. Problems 64 (2001), 197; Stürner, Transnational Civil Procedure: Discovery und sanctions against non-compliance, Uniform L.Rev. 2001, 691; Ch. Thole/ Ch. Gnauck, Electronic Discovery – neue Herausforderungen für grenzüberschreitende Rechsstreitigkeiten, RIW 2012, 417; N. Trocker, On the convergence of procedural systems: are Europeans discovering US discovery?, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1433; C.D. Wallace, ‚Extraterritorial‘ Discovery and U.S. Judicial Assistance, IntLawyer 37 (2003), 1055; Yoshida, Die Beweisbeschaffung vor Klageeinreichung nach der japanischen Zivilprozessordnung, ZZPInt 9 (2004), 293; Zekoll, US-amerikanisches Produkthaftpflichtrecht vor deutschen Gerichten, 1987, S 127ff (Discovery).
Größere Unterschiede bestehen zwischen den Prozessrechten, inwieweit die 18 Parteien schon vor Beginn eines förmlichen Beweisverfahrens verpflichtet sind, ihre Beweismittel unaufgefordert oder auf Antrag des Gegners bereits vor der mündlichen Verhandlung vorzulegen (discovery, disclosure), inwieweit sie
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Internationales Beweisrecht
selbst Auskunft geben müssen, oder ob sie grds dem Gegner keine Aufklärung schulden.34
a) Beweismittelvorlage zum Schutz geistigen Eigentums 19
Damit eine Verletzung der Rechte geistigen Eigentums wirksam geändert werden kann, sehen sowohl Art 43 TRIPS35 als Art 6 RiLi 2004/48/EG v 29.4.200436 die Befugnis der Gerichte vor, die Vorlage aller nötigen Beweismittel durch die Gegenpartei anzuordnen. Art 43 TRIPS lautet: „Beweise (1) Hat eine Partei alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und rechtserhebliche Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche, die sich in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befinden, bezeichnet, so sind die Gerichte befugt anzuordnen, daß diese Beweismittel von der gegnerischen Partei vorgelegt werden, gegebenenfalls unter Bedingungen, die den Schutz vertraulicher Informationen gewährleisten. (2) In Fällen, in denen eine Prozeßpartei aus eigenem Willen und ohne stichhaltigen Grund den Zugang zu notwendigen Informationen verweigert oder diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder ein Verfahren zur Durchsetzung eines Rechts wesentlich behindert, kann ein Mitglied die Gerichte ermächtigen, auf der Grundlage der ihnen vorgelegten Informationen, einschließlich der Klageschrift oder des Vorbringens der durch die Verweigerung des Zugangs zu den Informationen beschwerten Partei, bestätigende oder abweisende Entscheidungen vorläufiger und endgültiger Art zu treffen, sofern die Parteien die Gelegenheit hatten, zu dem Vorbringen und den Beweisen Stellung zu nehmen.“
Art 6 der RiLi 2004/48/EG37 entspricht zunächst Art 43 I TRIPS und sieht darüber hinaus in Abs 2 die Befugnis der Gerichte vor, die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen der Gegenpartei anzuordnen. Art 6 lautet: „Beweise (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichnet hat, die Vorlage dieser Beweismittel durch die gegnerische Partei anordnen können, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird. Für die Zwecke dieses Absatzes können
34 Vgl Gottwald, Die prozessuale Aufklärungspflicht im Rechtsvergleich, (Linzer) Beiträge zum Zivilprozessrecht, 1995, S 3; Stürner, Die Aufklärungspflicht im Zivilprozess, 1976; J. Lang, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1999; zur Schweiz s I. Meier, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, S 1, 69ff; zu Japan: M. Yoshida, Die Informationsbeschaffung im Zivilprozess, 2001. Für eine materiellrechtliche Qualifikation der Informationszugangsrechte Osthaus, S 221ff, 262, 263ff. 35 Vgl Tilmann/Schreibauer, FS Erdmann, 2002, S 901, 911ff; Dreier GRURInt 1996, 205, 211; Prütting, FS Bartenbach, 2005, S 417; Ibbeken, Das TRIPS-Übereinkommen und die vorgerichtliche Beweishilfe im gewerblichen Rechtsschutz, 2004. 36 ABl EG L 195/16 v 2.6.2004. 37 Vgl McGuire GRURInt 2005, 15, 19ff.; A. Bruns, in Stürner/Kawano, S 255ff.
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Einführung
§ 10
die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine angemessen große Auswahl aus einer erheblichen Anzahl von Kopien eines Werks oder eines anderen geschützten Gegenstands von den zuständigen Gerichten als glaubhafter Nachweis angesehen wird. (2) Im Falle einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung räumen die Mitgliedstaaten den zuständigen Gerichten unter den gleichen Voraussetzungen die Möglichkeit ein, in geeigneten Fällen auf Antrag einer Partei die Übermittlung von in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen anzuordnen, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird.“
Zur Umsetzung wurden in Erweiterung der §§ 809, 810 BGB materiellrecht- 20 liche Vorlageansprüche vorgesehen, die in den einzelnen Schutzgesetzen, im Patentgesetz in §§ 140b, 140c, im Gebrauchsmustergesetz in § 24c, im Markengesetz in § 19a und im Urhebergesetz in § 101a, verankert wurden.38
b) USA In den USA besteht vor den Bundesgerichten nunmehr nach Rule 26 FRCP (idF 21 v 1.12.1993 und 2000) eine sich stufenweise steigernde Aufklärungspflicht.39 Zunächst sind die Parteien zu einem „initial disclosure“ (nach der Disposition des jeweiligen District Court) verpflichtet. Ist diese Pflicht eingeführt, so haben die Parteien „Kerninformationen“ („discoverable information relevant to disputed facts alleged with particularily in the pleadings“) unaufgefordert spätestens 10 Tage nach dem ersten Treffen der beiderseitigen Anwälte (meeting of parties) auszutauschen. Dazu gehören Informationen über Zeugen, eventuelle Sachverständige, Personen, die relevantes Material besitzen, Dokumente jeder Art, konkrete Berechnung der Schadensposten und Angaben zu Versicherungen.40 Die Parteien werden insoweit als Partner behandelt, die einander die Beweise liefern und auch im discovery-Verfahren redlich zusammenarbeiten, das Verfahren effizient und zügig betreiben müssen. Diese Informationspflicht besteht auch zugunsten des Gegners; über neu auftauchende Gesichtspunkte oder Beweismittel ist fortlaufend zu informieren. Spätestens 30 Tage vor dem trial sind Zeugen und sonstige Beweismittel zu benennen, die in die Hauptverhandlung eingebracht werden sollen (Rule 26 [a] [3] FRCP). Kommt eine Partei ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit mit dem Gegner nicht nach, kann sie das Gericht zur Tragung der Kosten (einschließlich Anwaltskosten) verurteilen (Rule 37 [g] FRCP). Genügt einer Partei diese „initial disclosure“ nicht, kann sie die Gegenpartei 22 zur vollständigen Aufklärung (discovery) auffordern (FRCP 26 [a] [5], [b]).41 Ver38 Vgl Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (Regierungsentwurf v. 26.1.2007, BR-Drucks. 64/07); Seichter WRP 2006, 391, 393ff; Haedicke, FS Schricker, 2005, S 19; Frey/Rudolph ZUM 2004, 522; Knaak GRUR 2004, 745; Tilmann GRUR 2005, 737; Peukert/Kur GRURInt 2006, 292, 299. 39 Zur Reformdiskussion s R. Marcus, Tulane J.Int. & Comp.L. 7 (1999), 153. 40 Reimann IPRax 1994, 152; Otte, DAJV-Newsletter 1/94, S 19, 20; St. Lorenz ZZP 111 (1998), 35, 51ff. 41 Vgl Osthaus, S 77ff; Böhm Rz 405ff; St. Lorenz ZZP 111 (1998), 35, 46ff; McDonald/ Wetzler RIW 2000, 212; Paulus ZZP 104 (1991), 397, 399ff; R. Magnuson/K. Schmidt,
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§ 10
Internationales Beweisrecht
langt werden kann seit 2000 vor den Bundesgerichten „discovery regarding any matter, not privileged, that is relevant to the claim or defense of any party“. Sog „fishing expeditions“ sind also weiterhin zulässig.42 Auch Dritte unterliegen den discovery-Pflichten (s u Rz 160f). Discovery umfasst folgende Aufklärungsmethoden:43 (1) „Depositions“, dh ein mündliches Verhör von Parteien oder Zeugen aufgrund mündlicher oder schriftlicher Fragen; (2) „written interrogatories“, dh schriftliche Fragen an die Gegenpartei zu Rechts- und Sachverhaltsbehauptungen, die unter Eid vollständig zu beantworten sind; (3) „production of documents or things“ – Vorlage von Urkunden und anderen Beweisgegenständen (durch Parteien und Dritte); (4) „permission to enter upon land or other property, for inspection and other purposes“, dh Ortsbesichtigungen oder Zutritt zu Unternehmen; (5) „physical and mental examinations“, dh medizinische Untersuchungen der Parteien, und (6) „requests for admission“, dh Aufforderungen zum Geständnis.44 23
Zu den vorzulegenden Urkunden gehören auch elektronisch gespeicherte Daten (electronic discovery). Die Auslandspartei muss diese Daten auch dann unmittelbar dem Gegner bzw dem Prozessgericht (ohne Rechtshilfeverfahren nach dem HBÜ von 1970) vorlegen. Ausländische Vorlageverbote (etwa aufgrund Datenschutzrechts) werden nur beachtet, wenn der Verstoß konkret dargelegt wird.45 Aufwendige, belastende und ausforschende Wirkung kann nicht nur die Urkundenvorlage, sondern können auch und gerade depositions, interrogatories und Betriebsbesichtigungen („views“) haben, so dass pretrial discovery nach wie vor ein Mittel ist, den Gegner zu einem Vergleich zu zwingen.
24
Kommt eine Partei ihrer discovery-Pflicht nicht nach, so kann sie mittels contempt of court-Sanktionen dazu angehalten werden.46
25
Auf Antrag kann das Gericht auch Vorlage gegen Kostenerstattung anordnen. Zusätzlich kann es als Sanktion die streitige Tatsache als erwiesen ansehen,
42 43 44 45
46
American-style discovery in international location, in: Rodriguez/Prell, International Judicial Assistance, 1999, S 193. Böhm Amerikanisches Zivilprozessrecht, 2005, Rz 405; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 111. Vgl Böhm, Rz 419ff; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 116ff. Vgl Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1986, S 145–189; Böhm Rz 432ff. US District Court for the District of Utah RIW 2010, 402 (m. Anm. Knöfel); dazu auch Lux/Glienke RIW 2010, 603; Spies/Schröder MMR 2010, 275; Thole/Gnauck RIW 2012, 417. Vgl Marc Rich v U.S., 707 F.2d 668 (2nd Cir. 1983); In re Grand Jury, 550 F.Supp. 24 (W.D.Mich. 1982).
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Einführung
§ 10
das Verteidigungsmittel ganz ausschließen, pleadings ganz oder teilweise streichen, ein Versäumnisurteil zu Lasten der sich weigernden Partei erlassen oder die jury von der verweigerten Aufklärung unterrichten (FRCP 37 [a], [b], [c] idF v 1.12.199347). Zum Schutz gegen zu weit reichende Begehren, sog fishing expeditions, kann 26 das Gericht durch protective order discovery ausschließen, beschränken, nur unter Auflagen gestatten oder Kostenersatz anordnen (FRCP 26 [c]), eine Befugnis, von der nur zögernd Gebrauch gemacht wird. Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen kann auch eine confidentiality order beantragt werden (FRCP 26 [c] [7]).48 Nach 28 USC § 1782 kann ein U.S District Court discovery auch zugunsten ei- 27 nes ausländischen, also auch eines deutschen Verfahrens gestatten.49 Dies gilt auch, wenn die Partei, die die Dokumente anfordert, nicht selbst Prozesspartei ist und eine Vorlage vor dem Prozessgericht nicht verlangt werden könnte.50 28 USC § 1782 lautet: „(a) The district court of the district in which a person resides or is found may order him to give his testimony or statement or to produce a document or other thing for use in a proceeding in a foreign or international tribunal, including criminal investigations conducted before formal accusation. The order may be made pursuant to a letter rogatory issued, or request made, by a foreign or international tribunal or upon the application of any interested person and may direct that the testimony or statement be given, or the document or other thing be produced, before a person appointed by the court. By virtue of his appointment, the person appointed has power to administer any necessary oath and take the testimony or statement. The order may prescribe the practice and procedure, which may be in whole or part the practice and procedure of the foreign country or the international tribunal, for taking the testimony or statement or producing the document or other thing. To the extent that the order does not prescribe otherwise, the testimony or statement shall be taken, and the document or other thing produced, in accordance with the Federal Rules of Civil Procedure. A person may not be compelled to give his testimony or statement or to produce a document or other thing in violation of any legally applicable privilege. (b) This chapter does not preclude a person within the United States from voluntarily giving his testimony or statement, or producing a document or other thing, for use in a proceeding in a foreign or international tribunal before any person and in any manner acceptable to him.“
47 Vgl Reimann IPRax 1994, 152, 154; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, S 44ff, 50. 48 Vgl Böhm Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rz 467ff; Kersting, Der Schutz des Wirtschaftsgeheimnisses im Zivilprozess, S 178ff. 49 Roggenbuck IPRax 1997, 76; Schlosser Vorbem Art 15–22 HBÜ Rz 2; Schack, IZVR, Rz 826; Böhm Rz 482ff; T. Wittlinger/C. Hill, Obtaining Evidence in the United States for Use in Foreign Litigations, in: Rodriguez/Prell, International Judicial Assistance, 1999, S 181; Ph. Rollin, Ausländische Beweisverfahren im deutschen Zivilprozess, Diss. Kiel 2007; Schaner/Scarbrough AnwBl 2012, 320. 50 Intel Corp v Advanced Micro Devices, 124 S.Ct. 2466 (June 21, 2004); Rieckers RIW 2005, 19; vgl Böhm Rz 488; Kraayvanger/Richter RIW 2007, 177; Myers/Valen/Weinreich RIW 2009, 196.
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§ 10
Internationales Beweisrecht
Informationen bzw Beweisergebnisse, die in den USA durch discovery gewonnen wurden, sind in Deutschland grds verwertbar. Ein Verwertungsverbot wegen Verstoß gegen den (verfahrensrechtlichen) deutschen ordre public kommt allenfalls ausnahmsweise im Einzelfall in Betracht.51
c) England, Schottland 28
In England sind die Parteien zu disclosure and inspection of documents verpflichtet (CPR r 31).52 Disclosure bedeutet zunächst nur Zugestehen, dass ein betimmtes Dokument existiert oder existierte (CPR r 31.2). Hat die Partei das Dokument nicht in ihrer Kontrolle, besteht nach Maßgabe von CPR r 31.3 ein Einsichtsrecht (right of inspection) und das Recht auf eine Kopie (CPR r 31.15). Unterschieden wird zwischen standard disclosure (CPR r 31.5 31.11) und specific disclosure (CPR r 31.12) im Ausnahmefall.
29
Die disclosure-Pflicht beginnt generell mit Klageerhebung. Doch kann eine Partei gem CPR r 31.16 eine vorprozessuale Vorlage (disclosure before proceedings start) beantragen. Voraussetzung für eine solche disclosure order ist, dass die Vorlage dazu dienen soll, (i) ein bevorstehendes Verfahren beizulegen, (ii) den Streit ohne gerichtliches Verfahren zu erledigen, oder (iii) Kosten zu sparen (CPR r 31.16 (3) (d)).
30
Disclosure-Pflichten bestehen generell für Parteien, gem CPR r 31.17 aber auch für Dritte. Auf Antrag kann das Gericht Dritten disclosure und inspection aufgeben, wenn (a) die begehrten Dokumente geeignet sind, die Klage zu unterstützen oder die Entscheidung des Falles für eine der Parteien zu beeinflussen, und (b) die disclosure notwendig ist, damit die Klage sachgerecht erledigt werden kann oder damit Kosten gespart werden können (CPR r 31.17 [3]).53 Die Pflicht zur Offenlegung entfällt, wenn der Partei ein „privilege“ (Zeugnisverweigerungsrecht) zusteht. Anerkannt ist das Anwaltsprivileg (professional privilege) bezüglich von Unterlagen über die rechtliche Beratung der Partei,54 das Weigerungsrecht in Bezug auf Informationen, die im Rahmen von Vergleichsverhandlungen gegeben wurden („without prejudice communications“),55 in Bezug auf Unterlagen, die die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung nach sich ziehen würden („privilege against incrimination“)56 und das Weigerungsrecht im öffentlichen Interesse.57 Dritte können sich auf Zeugnisverweigerungsrechte oder diplomatische Immunität berufen.58 Auch aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit kann die Offenlegung verweigert werden
51 Eschenfelder, S 155ff, 195ff, 222ff; Eschenfelder IPRax 2006, 89, 97; Eschenfelder RIW 2006, 443. 52 Vgl Matthews/Malek para 2.02 et seq, 9.01 et seq; Zuckerman Ch. 14 (p 539 et seq); Z.P. Howell RIW 1996, 1011; Osthaus S 95ff. 53 Matthews/Malek para 10.01 et seq. 54 Matthews/Malek para 11.09 et seq; Zuckerman para 15.1 et seq. 55 Zuckerman para 16.1 et seq; Matthews/Malek para 14.01 et seq. 56 Matthews/Malek para 13.01 et seq; Zuckerman para 17.01 et seq. 57 Matthews/Malek para 12.01 et seq; Zuckerman para 18.1 et seq. 58 Matthews/Malek para 15.01 et seq.
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Einführung
§ 10
(CPR 31.3(29[b]).59 Alle Informationen, die im Rahmen eines Discovery-Verfahrens offen gelegt werden, dürfen nur innerhalb des Verfahrens, nicht aber später zu anderen Zwecken verwendet werden.60 In Schottland sind die Parteien einander im discovery-Verfahren ebenfalls auskunfts- und aufklärungspflichtig.61
31
d) Kanada Ähnlich ist die Rechtslage vor den Bundesgerichten und in den common law- 32 Provinzen von Kanada.62 Neben discovery of documents (Federal Court Rules 447–459) gibt es oral examination for discovery (FCR 462),63 written examinations for discovery (FCR 466.1) (interrogatories), inspection of property (FCR 470, 471) und physical (medical) examination (FCR 467). Dritte sind zur Vorlage relevanter Urkunden verpflichtet, aber nur nach Order des Gerichts auf Antrag einer Partei.64 In Quebec, einer civil law-Provinz, gleicht das discoveryVerfahren weitgehend dem in den common law-Provinzen (vgl Quebec, CCP 395–41365), lediglich die Unzulässigkeit von fishing expeditions wird stärker beachtet.
e) Japan Japan hat zwar das adversary principle bei der Beweisaufnahme übernommen, 33 nicht aber das amerikanische pre trial-discovery. Soweit erforderlich kann eine Partei aber folgende Maßnahmen ergreifen: (1) Nach dem Parteibefragungssystem66 nach dem Vorbild der „interrogatories“ des angelsächsischen Rechts kann eine Partei nach Rechtshängigkeit von der Gegenpartei schriftlich ohne Intervention des Gerichts nähere Auskünfte verlangen, die erforderlich sind, um Behauptungen aufzustellen oder einen Beweis zu führen. Antwortet die Gegenpartei nicht oder nicht ausreichend, sind allerdings keine direkten Sanktionen vorgesehen; die Weigerung kann das Gericht nur bei seiner Entscheidung frei würdigen.67 (2) Die japanische ZPO kennt eine allgemeine Pflicht zur Vorlage von Urkunden (§ 220). Jeder Besitzer der Urkunde ist, von gesetzlich anerkannten Weigerungsgründen abgesehen, zur Vorlage verpflichtet. Über die Pflicht zur Vorlage amtlicher Urkunden entscheidet die Aufsichtsbehörde. Protokolle oder Dokumente aus Strafverfahren können nicht verlangt werden.68 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68
Zuckerman para 14.43. Zuckerman para 14.122 et seq. Vgl Black NILR 1992, 26. G. Wittuhn, Pre-trial Discovery in Canada, 1989, S 14ff; Choate on Discovery, 2nd ed (by G. Cudmore), 1993. Vgl Merck v Richter Gedeon, Canadian Fed Court of Appel, Ottawa, [1998] ILPr 57. G. Wittuhn Pre-trial Discovery in Canada, 1989, S 34. G. Wittuhn, Pre-trial Discovery in Canada, 1989, S 52ff. Tojisha shokai seido, § 163 jap. ZPO. Matsumoto ZZPInt 2 (1997), 333, 348f; Uehara ZZPInt 3 (1998), 397, 402; M. Yoshida, Die Informationsbeschaffung im Zivilprozess, 2001, S 167ff. Matsumoto ZZPInt 2 (1997), 333, 349ff; Yoshida S 176ff.
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§ 10 34
Internationales Beweisrecht
Durch Reformgesetz von 2003 (in Kraft seit 1.4.2004) wurde zugleich die Möglichkeit der vorprozessualen Informations- und Beweismittelbeschaffung in §§ 132.2ff jap. ZPO eingeführt. Wer eine Klage erheben will, kann danach die Gegenpartei über die voraussichtlich streitentscheidenden Punkte befragen. Sie kann außerdem eine gerichtliche Maßnahme zur Beweisbeschaffung beantragen und deren Ergebnis im späteren Prozess verwerten. Sinn der Neuregelung ist nicht nur die effektivere Sachaufklärung für den Prozess, sondern auch die vermehrte Streitbeilegung vor Einreichung der Klage.69
f) Deutschland 35
In Deutschland haben materielle Auskunftsansprüche noch immer eine ähnliche Funktion wie discovery-Pflichten im common law.70 Hinzuweisen ist auf die §§ 666, 681, 713, 810 BGB, im Unterhaltsrecht auf § 1605 BGB, im Erbrecht auf §§ 2018, 2027, 2314 BGB und im Markenrecht auf § 19 MarkenG.71 Ergänzt wurden diese Regeln gerade in Deliktsprozessen, bei denen discovery eine große Rolle spielt, durch Beweiserleichterungen in Form von Anscheinsbeweis, Vermutungen oder Beweislastumkehr wegen Verletzung der Befundsicherungspflicht, sonstiger Beweisvereitelung sowie die sog sekundäre Behauptungslast oder Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei.72 In sehr vielen Fällen typischer Unkenntnis bestand danach im Ergebnis eine „prozessuale“ Aufklärungspflicht des Gegners. Der dadurch erreichte Stand wurde gleichwohl als unzureichend empfunden, weil im Prinzip geleugnet wurde, was praktisch doch, aber in unübersichtlicher Weise, anerkannt war.73 Der Gesetzgeber hat daher in den letzten Jahren prozessuale Auskunfts- und Vorlagepflichten eingeführt, zunächst in § 643 ZPO (jetzt § 235 FamFG) für Unterhaltsverfahren, dann durch das ZPO-RG 2001 generell für Urkunden und Augenscheinsobjekte in §§ 142, 144 ZPO. In beiden Fällen bestehen keine unmittelbaren Vorlagepflichten gegenüber der Gegenpartei; die Auskunfts- und Vorlagepflichten sind vielmehr als Teil der richterlichen Aufklärungspflichten konzipiert; sie werden also erst mit richterlicher Aufforderung aktuell.
36
Unmittelbaren Zwang zur Vorlage von Beweismitteln kennt die ZPO nur bei der körperlichen Untersuchung zur Feststellung der Abstammung nach § 372a ZPO, in Familiensachen nach § 178 FamFG (s u Rz 169). Ansonsten kann das Gericht nur aus einer Weigerung Schlüsse ziehen.74
69 Vgl Yoshida ZZPInt 9 (2004), 293. 70 Paulus ZZP 104 (1991), 397, 402; J. Lang, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1999; Osthaus S 147ff, 289ff (zur Qualifikationsfrage). 71 Zum Verhältnis zur Richtlinie 2004/48/EG v 29.4.2004 (ABl EG L 157/45) s o Rz 19 sowie Knaack GRURInt 2004, 745, 749. 72 Vgl Rosenberg/Schwab/Gottwald § 111 Rz 33ff, § 113 Rz 16ff; § 115 Rz 19ff. 73 Vgl Wagner ZEuP 2001, 441, 467; St. Lorenz ZZP 111 (1998), 35, 57ff. 74 Vgl Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, S 209.
506
Notwendigkeit und Zulässigkeit der Beweisaufnahme
§ 10
II. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Beweisaufnahme 1. Recht auf den Beweis Die lex fori entscheidet, ob die Partei ein Recht auf Erhebung eines relevanten 37 Beweises hat, ob dem Gericht ein Beweiserhebungsermessen zusteht oder ob Beweisverbote bestehen. Ein Recht auf den Beweis wird grds in Deutschland,75 in Italien (Art 24 ital. Verfassung), in Portugal und in der Schweiz76 anerkannt. Freilich muss das beantragte Beweismittel tauglich und der Beweisgegenstand sachlich erheblich sein. Die Ablehnung eines Beweisantrags aufgrund einer antizipierten Beweiswürdigung (aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung) ist grds unzulässig.77 Jedoch kann eine Beweisaufnahme von der Zahlung eines Auslagenvorschusses (§ 17 I GKG) oder von einer substantiierten Begründung abhängig gemacht werden, und schließlich kann der Beweisantrag als Angriffsoder Verteidigungsmittel nach allgemeinen Präklusionsregeln zurückgewiesen werden. In der Sache existiert ein Recht auf Beweis natürlich erst recht in Staaten mit 38 adversarial principle, da hier die Parteien discovery und Beweiserhebung im trial grds selbst betreiben. Vor US-Bundesgerichten kann das Gericht einer extrem ausgedehnten Sachaufklärung aber auf Antrag der Gegenseite durch protective order Grenzen setzen (FRCP 26 [b] [1]).
2. Prozessuale Beweisbeschränkungen Soweit in bestimmten Prozessarten nicht alle Beweismittel zugelassen sind, 39 gilt die jeweilige lex fori.78 Im deutschen Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess gelten also die Beschränkungen gem §§ 592, 595, 605 ZPO, unabhängig von dem in der Sache anwendbaren Recht. Auch die Frage, ob sich aus Zeugnisverweigerungsrechten Beweisschranken ergeben, ist nach der lex fori zu beantworten.79
3. Materielle Qualifikation ausländischer Beweisbeschränkungen Berühmte Beispiele sind Art 1341 franz. Code Civil und Art 2721 ital. Codice 40 Civile (sowie ähnliche Vorschriften in anderen Staaten): der Ausschluss des Zeugen zugunsten des Urkundenbeweises. Um das französische Recht auch in Deutschland zum Tragen zu bringen, hat man früher diese Beweisregeln im Interesse des Entscheidungseinklangs materiellrechtlich qualifiziert.80 Die Rom I-VO, die auch im Verhältnis zu Frankreich gilt, sieht aber in Art 18 II vor, dass zum Beweis eines Rechtsgeschäfts stets alle Beweisarten der lex fori offen stehen. Die traditionelle materielle Qualifikation ist damit jedenfalls im 75 76 77 78 79 80
Habscheid ZZP 96 (1983), 306; Geimer ZfRV 1992, 401, 410. Habscheid SJZ 1984, 381; Walter ZBernJV 127 (1991), 309. Habscheid, FS Benda, S 105, 115. Geimer, IZPR, Rz 2299 u 2633; Kegel/Schurig § 22 IV (S 1058). Geimer, IZPR, Rz 2299. Vgl Kropholler IPR § 56 IV 1; Walter, IZPR der Schweiz, S 317; aA Schoch, S 147ff.
507
§ 10
Internationales Beweisrecht
Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der EU, die im nationalen Recht Beweismittelbeschränkungen kennen (wie Belgien und Italien) überholt (s o Rz 11). Art 1341 franz. Code Civil ist danach prozessual zu qualifizieren und für ein deutsches Gericht unbeachtlich.81 41
Gesetzliche Verbote, über bestimmte Tatsachen Beweis zu erheben, haben meist materielle Gründe. Die in einigen Rechtsordnungen vorgesehenen Verbote der Vaterschaftsfeststellung (s u Rz 48) sind daher (in den Grenzen des ordre public) zu beachten, wenn das Verbot in der lex causae enthalten ist.82 Rein prozessuale Beweismittelbeschränkungen, die lediglich die Richtigkeit der zu treffenden Feststellungen sichern wollen, wie zB das Verbot des Zeugen vom Hörensagen (s u Rz 47), unterstehen dagegen der jeweiligen lex fori.83
4. Beweisbedürftigkeit 42
Die zu beweisenden Tatbestandsvoraussetzungen ergeben sich aus der lex causae.84 Sie legt auch fest, welche Voraussetzungen vermutet werden und damit keines primären Beweises bedürfen. Wie genau eine Tatsache behauptet oder bestritten werden muss, um eine Beweisbedürftigkeit auszulösen (Substantiierungspflicht), bestimmt dagegen die lex fori. Sie legt grds auch fest, in welchem Umfang und in welchen Formen die Parteien über die Beweisbedürftigkeit zB durch Geständnis, Nichtbestreiten (§ 138 III ZPO), Anerkenntnis oder Säumnis disponieren können.85 Soweit das ausländische Recht besondere Streitgegenstände der Parteidisposition entzieht, führt die lex causae zur Anpassung des inländischen Verfahrens: eine unstreitige Tatsache ist vom Gericht nachzuprüfen.86 Umgekehrt schließt § 113 IV Nr 5 FamFG im Scheidungsverfahren das Geständnis nur aus, wenn die lex causae eine Disposition der Parteien über die Eheauflösung ausschließt.87
5. Vermutungen 43
Unwiderlegliche und widerlegliche gesetzliche Vermutungen verändern die gesetzlichen Tatbestände und unterstehen daher der lex causae.88 Soweit das Prozessrecht Vermutungen dieser Art enthält, ist es insoweit als lex causae anzusehen.89
81 82 83 84 85
86 87 88 89
BGH JZ 1955, 702 (Gamillscheg); Schack, IZVR, Rz 764f. Schack IZVR, Rz 748; aA Schoch, S 151ff. Linke/Hau, IZVR, Rz 352. Coester-Waltjen Rz 266ff; Walter, IZPR der Schweiz, S 312. Schack IZVR, Rz 738; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd 2, 2000, Q 284; Schoch, S 145ff; Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 137. Schack IZVR, Rz 739. Coester-Waltjen Rz 601ff, 606; Geimer, IZPR, Rz 2277. Coester-Waltjen Rz 309ff; Schack IZVR, Rz 742ff. Coester-Waltjen Rz 329.
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Notwendigkeit und Zulässigkeit der Beweisaufnahme
§ 10
Tatsächliche Vermutungen unterliegen wie der Anscheinsbeweis der lex fori 44 (s u Rz 58). In beiden Fällen ist der Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des Richters stärker als mit den Tatbeständen der lex causae.90
6. Selbständige Beweisaufnahme Zur selbständigen Beweisaufnahme s u § 17 Rz 85ff.
45
7. Beweisthemenverbote Mehrere Rechtsordnungen kennen Beweisthemenverbote.91
46
(1) Das Verbot des Ausforschungsbeweises und das Gegenstück, das pre-trial discovery, sind rein prozessual einzuordnen; es gilt die jeweilige prozessuale lex fori.92 (2) Beweismittelbeschränkungen durch ein Verbot von hearsay evidence oder 47 ähnliche Regeln, die unsichere Beweismittel ausschließen wollen, bestehen ebenfalls nur vor dem jeweiligen forum, unabhängig von der in der Sache anzuwendenden Rechtsordnung.93 (3) Schwieriger ist die Einordnung nach materiellem Recht unerwünschter Be- 48 weise, zB ein Verbot, eine nichteheliche Abstammung oder einen Ehebruch generell, in bestimmten Fällen oder mit bestimmten Beweismitteln nachzuweisen. In Art 205 II 2 franz. CPC heißt es etwa ausdrücklich: „Toutefois, les descendants ne peuvent jamais être entendus sur les griefs invoqués par les époux à l’appui d’une demande en divorce ou de séparation de corps.“
Nach hM sind der lex causae zwar gesetzliche Vermutungen der (ehelichen) Vaterschaft und Beweiserleichterungen bei einer Geburt nach Trennung der Eheleute oder kurz nach der Eheschließung zu entnehmen. Der Ausschluss bestimmter Beweismittel (zB der Blutgruppenuntersuchung) soll dagegen als verfahrensrechtliche Frage im Inland unbeachtlich sein.94 Dagegen wird eingewandt, solche Beweismittelverbote seien derart mit der lex causae verflochten, dass sie mit dieser anzuwenden seien (s o Rz 41).95 Verbote, die Wahrheit zu ermitteln (zB bei Vaterschaft und Ehebruch), verstoßen freilich gegen den deutschen ordre public und sind dann im Inland unbeachtlich.
90 AA Coester-Waltjen Rz 331ff, 338ff, 353 (die dargelegten Beispiele betreffen aber sämtlich materiellrechtliche Wertungen, nicht „faktische“ Vermutungen nach der Lebenserfahrung); Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh IV Rz 137. 91 Vgl Coester-Waltjen Rz 290ff. 92 Coester-Waltjen Rz 296; Geimer, IZPR, Rz 2294; Kreuzer/Wagner Q 286; vgl Rassi FS Simotta, 2012, S 443. 93 Coester-Waltjen Rz 294; Geimer, IZPR, Rz 2298. 94 Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2000, S 240f. 95 Coester-Waltjen Rz 291f; Geimer, IZPR, Rz 2293.
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§ 10
Internationales Beweisrecht
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Auf ausländische Beweismittelverbote ist nur dann Rücksicht zu nehmen,96 wenn den Parteien sonst Rechtsverweigerung droht, etwa eine Prozessführung im Heimatstaat unzulässig oder unzumutbar ist, ein deutsches Statusurteil sonst im Heimatstaat wegen ordre public-Verstoßes nicht anerkannt würde und ein hinkendes Statusurteil den Parteiinteressen nicht gerecht würde.
50
(4) Beweisbeschränkungen als Folge von estoppel by record (s u Rz 141) sind der lex fori der anzuerkennenden Entscheidung zu entnehmen97 und nicht nach Maßgabe der (neuen) lex causae anzuwenden.98 Denn aus deutscher Sicht sind diese Wirkungen Folge der prozessualen Anerkennung, dh der Wirkungserstreckung der ausländischen Entscheidung.
8. Verwertung erlangter Beweismittel a) Unerlaubt erlangte Beweismittel 51
Ob ihre Verwertung zulässig oder verboten ist, richtet sich nach der jeweiligen lex fori.99 In England und in den ehemaligen sozialistischen Ländern können Beweismittel auch verwendet werden, wenn Urkunden gestohlen und/oder heimlich gemachte Tonbandaufnahmen, Telephongespräche oder Photographien vorgelegt werden. Die Wahrheitsfindung hat in solchen Fällen den Vorrang. In Dänemark unterliegt die Verwendung dem richterlichen Ermessen, in Deutschland, Italien und anderen Ländern liegt ein unzulässiger Eingriff in die Persönlichkeitssphäre vor, die durch Art 1 GG oder Verfassungen anderer Länder geschützt ist.100 In New York ist jede Beweisaufnahme über unzulässig abgehörte oder aufgezeichnete Telekommunikationen, Unterhaltungen oder Diskussionen unzulässig, wenn dies ein Betroffener beantragt (CPLR § 4506).
b) Zulässigerweise erlangte Beweismittel 52
Nach deutschem Recht darf eine Partei eine durch Beweisaufnahme erlangte Information generell verwenden. Dies ist aber nicht in allen Ländern so. In England, aber auch anderen common law-Staaten kann die Information ggf davon abhängig gemacht werden, dass die Partei durch sog undertaking (bewehrt durch contempt-of-court-Sanktion) verspricht, die Information nur im Rahmen der laufenden Prozessführung zu verwenden.101
96 Vgl Grasmann, Relevanz ausländischen Prozessrechts in Ehesachen, ZZP 83 (1970), 214. 97 Geimer, IZPR, Rz 2296f. 98 Coester-Waltjen Rz 299ff. 99 Geimer, IZPR, Rz 2301. 100 Schwab/Gottwald, in: Habscheid, Effektiver Rechtsschutz, 1978, S 72. 101 Vgl Schlosser FS Vollkommer, 2006, S 217ff, 232ff.
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Beweiswürdigung und Beweislast
§ 10
III. Beweiswürdigung und Beweislast 1. Schrifttum M. Brinkmann, Das Beweismaß im Zivilprozess aus rechtsvergleichender Sicht, 2005; K. Clermont/E. Sherwin, A comparative view of standards of proof, AmJCompL 50 (2002), 243; K. Clermont/E. Sherwin, A comparative puzzle: Standards of proof, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 629; Gottwald, Das flexible Beweismaß im deutschen und englischen Zivilprozess, FS Henrich, 2000, S 165; Habscheid, Beweislast und Beweismaß, FS Baumgärtel, 1990, S 105; Maassen, Beweismaßprobleme im Schadenersatzprozess, 1975; Paulus, Beweismaß und materielles Recht, FS Gerhardt, 2004, S 747; Ch. Thole, Anscheinsbeweis und Beweisvereitelung im harmonisierten Europäischen Kollisionsrecht, IPRax 2010, 285.
53
2. Beweismaß Nach deutschem Recht hat das Gericht grds nach freier Überzeugung zu ent- 54 scheiden (§ 286 ZPO). Regelbeweismaß ist eine hohe Wahrscheinlichkeit, die Zweifeln Einhalt gebietet, ohne sie ganz auszuschließen.102 Eine Entscheidung ohne Überzeugungsbildung nach dem, was mehr oder weniger wahrscheinlich ist, ist unzulässig.103 Von diesem Ausgangspunkt wird das Beweismaß gesenkt, um genereller Beweisnot Rechnung zu tragen. Nach hM ist dies nicht beim Anscheinsbeweis im Allgemeinen, wohl aber bei Prognoseentscheidungen und bei Kausalfragen der Fall.104 In common law-Ländern ist allgemeines Beweismaß in Zivilsachen dagegen 55 „preponderance of evidence“, also überwiegende Wahrscheinlichkeit105 (in Kalifornien: Cal. CCP § 502 u CalE.C. § 115 [2]). In New York findet das trial in Zivilsachen vor der (aus sechs Personen bestehenden) jury statt, wenn eine Partei dies beantragt; wird kein Antrag gestellt, gilt dies als Verzicht auf die jury (NY CPLR § 4102). Die jury muss in New York mit 5/6-Mehrheit entscheiden (NY CPLR § 4113 [9]). Vielfach wird aus diesen begrifflich unterschiedlichen Maßstäben auf tatsäch- 56 liche Differenzen in der Beweiswürdigung und im Umfang stattgebender Urteile geschlossen.106 Hieraus folgt das Problem, welches Beweismaß in internationalen Verfahren anzuwenden ist. Da sich das unterschiedliche Beweismaß auf den Urteilsinhalt auswirken kann, möchten manche das Beweismaß der lex causae entnehmen107 oder zumindest in der EU das Beweismaß gemeinschaftskonform nach unten angleichen.108 ME hängt das Beweismaß aber
102 BGHZ 53, 245, 255ff = NJW 1970, 946 (Anastasia); vgl MüKo/Prütting, § 286 ZPO Rz 35ff. 103 BGH NJW-RR 1989, 989f. 104 Vgl MüKo/Prütting, § 286 ZPO Rz 48ff; H. Weber, Der Kausalitätsbeweis im Zivilprozess, 1997, S 56ff, 62ff; Walter, Freie Beweiswürdigung, 1979, S 206ff, 295ff. 105 Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, No 6-54; Nokes, Evidence, 4th ed, S 489f. 106 So Habscheid, FS Baumgärtel, 1990, S 105, 117ff. 107 So Coester-Waltjen, Rz 358ff, 362ff; Geimer, IZPR, Rz 2334ff (der aber die Schadensschätzung aus praktischen Gründen ausnehmen will, Rz 2337). 108 So M. Wolf, Symposium Baur, 1992, S 35, 61.
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Internationales Beweisrecht
mit der Stellung des Richters und seiner Überzeugungsbildung derart untrennbar zusammen, dass es insoweit bei Anwendung der lex fori bleiben muss.109 Entgegen der verbreiteten Meinung dürften den unterschiedlichen Formulierungen in Zivilsachen zudem keine sachlichen Unterschiede entsprechen, da sich der reale psychologische Erkenntnis- und Entscheidungsprozess näherer Quantifizierung entzieht.110
3. Freie Beweiswürdigung 57
Von den Regeln über die Beweislastverteilung ist die Berücksichtigung von Erfahrungssätzen zu unterscheiden. Ob solche Erfahrungssätze bestehen, kann der Richter nur aufgrund seiner eigenen Prozessvorschriften ermitteln. Denn die Erfahrungssätze stehen in enger Beziehung zu der Beweiswürdigung. Niemand zweifelt daran, dass die Beweiswürdigung immer nur nach den Regeln der lex fori von den Richtern vorgenommen wird.111
58
Der Anscheinsbeweis und die Würdigung typischer Geschehensabläufe sollten daher ebenfalls nach der lex fori erfolgen und nicht über Art 18 Abs 1 Rom I-VO bzw Art 22 Abs 1 Rom II-VO der jeweiligen lex causae unterstellt werden. Gleiches gilt für tatsächliche Vermutungen.112
59
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ergibt sich aus § 286 ZPO. Doch dieser Grundsatz wird im deutschen Prozessrecht durchbrochen: es sei nur verwiesen auf die Beweiskraft des Protokolls (§ 165 ZPO), des Tatbestandes (§ 314 ZPO) und die unterschiedlich ausgestaltete Beweiskraft der Urkunden. Insoweit sind Reste der legalen Beweistheorie erhalten geblieben.
60
In Frankreich wird die gesetzliche Bindung des Richters noch stärker zum Ausdruck gebracht. Die „conviction intime“ bezieht sich grds auf alle Beweismittel, soweit das Gesetz nicht selbst den Beweiswert einzelner Beweismittel festlegt.113 Art 317 NCPC hält etwas an dem zugeschobenen und dem einer Partei vom Gericht auferlegten Eid, also an rein formalen Beweismitteln, fest (s u Rz 114, 121). An den einer Partei zugeschobenen Eid ist das Gericht gebunden.114 Solche Regeln sind für den deutschen Richter unbeachtlich.115
109 Ebenso OLG Koblenz IPRax 1994, 302; Habscheid, FS Baumgärtel, S 105, 119; Schack, IZVR, Rz 776; Linke/Hau, IZVR, Rz 348. 110 Vgl Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 113 Rz 13ff; Gottwald, FS Henrich, 2000, S 165ff; Brinkmann S 61ff, 85ff. 111 Geimer, IZPR, Rz 2338; Kegel/Schurig § 22 IV (S 1058); Kreuzer/Wagner Q 288; Linke/Hau, IZVR, Rn 348. 112 Ch. Thole IPRax 2010, 285, 287; Schack, IZVR, Rz 745ff; Linke/Hau, IZVR, Rz 346; aA AG Geldern NJW 2011, 686, 687; MüKo-BGB/Junker, Art 22 Rom II-VO Rz 7f. Geimer IZPR, Rz 2291 unterstellt tatsächliche Vermutungen der Beweiswürdigung, will aber gleichzeitig die lex causae anwenden, was schwerlich gleichzeitig möglich ist. 113 Rouhette, Frankreich, in: Nagel/Bajons, S 182 (Rz 23ff). 114 Perrot, in: Habscheid, Effektiver Rechtsschutz, 1978, S 91, 108. 115 Geimer, IZPR, Rz 2339; Linke/Hau, IZVR, Rz 366.
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Beweiswürdigung und Beweislast
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Art 116 des italienischen cprc nimmt ebenfalls Rücksicht auf die gesetzliche 61 Bindung des Richters, wenn es darin heißt: „Das Gericht würdigt den Beweis gemäß einem verständigen Urteil, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht.“
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zeugenbeweis von dem Instruktionsrichter aufgenommen wird. Wenn dieser in der Regel auch ein Mitglied des erkennenden Gerichts ist, so geht doch der unmittelbare Eindruck von dem Zeugen der Mehrzahl der Richter verloren. Auch Italien hält an den mittelalterlichen Parteieiden in der Form des der ei- 62 nen von der anderen Partei zugeschobenen Eides und dem einer Partei vom Gericht auferlegten Ergänzungseid fest (vgl Art 233, 240 cprc iVm Art 2736 cc). Der einer Partei zugeschobene Eid bindet das Gericht, wenn die Parteien über das Recht (Streitgegenstand) verfügen können. Bestrebungen, die formalen Parteieide und das Geständnis ganz der freien richterlichen Beweisführung zu unterwerfen,116 waren bislang nicht erfolgreich. In Schweden entbrannte eine Diskussion um die Frage, was unter einer ob- 63 jektiv begründeten freien Beweiswürdigung zu verstehen sei. Nach Ekelöf117 muss der Richter das Beweismaterial einer hinreichenden diskursiven Analyse unterwerfen. Dabei spielt die Errechnung des Wahrscheinlichkeitsgrades eine besondere Rolle. Da das anglo-amerikanische Recht an den „common sense“ und die Erfahrung 64 der Geschworenen – der Jury – appelliert, geht es grds von der freien Beweiswürdigung aus. Es gibt aber einige Regeln, wonach eine Verurteilung aufgrund lediglich einer Zeugenaussage unzulässig ist und zusätzliche Indizien hinzutreten müssen.118 Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass die Beweiswürdi- 65 gung in den verschiedenen Staaten an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft wird. Reste der mittelalterlichen legalen Beweistheorie sind in unterschiedlichem Umfang in den verschiedenen Staaten erhalten. Hierüber kann allein die lex fori entscheiden. Das gilt auch, wenn die Beweiswürdigung an eine Ideologie gebunden wird. Die Frage, ob das Beweisrecht nach den Prozessvorschriften der lex fori zu be- 66 urteilen ist, wird wesentlich beeinflusst von der Abgrenzung der Verfahrensvorschriften von denen des materiellen Rechts. Damit ist das Problem der Qualifikation angesprochen. Die weit überwiegende Meinung geht dahin, dass die Qualifikation nach den Regeln der lex fori vorgenommen wird,119 Karlgren
116 Patti, Italien, in: Nagel/Bajons, S 295 (Rz 36ff); Chizzini/Bajons, in: Nagel/Bajons, S 325 (Rz 79ff). 117 Rättegång IV, 24; vgl Lindell, Schweden, in: Nagel/Bajons, S 535 (Rz 26). 118 Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, Chap 7–17 (p 196), Ch. 14 (p 403 ff). 119 Schoch, Klagbarkeit, S 154 spricht insoweit von einem Primat des Prozessrechts; Riezler, IZPR, S 103; ebenso Batiffol/Lagarde, no 291ff; Cheshire/North & Fawcett, Private International Law, p 43f, 82, sprechen von „classification“.
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§ 10
Internationales Beweisrecht
und Cheshire warnen allerdings vor einer zu weitgehenden Qualifikation ausländischer Normen als prozessuale, weil dadurch die Parteien einen Rechtsverlust erleiden könnten.
4. Allgemeine Regeln über die Beweislast 67
Die allgemeinen Regeln über die Beweislast werden weltweit überwiegend materiellrechtlich qualifiziert.120 Art 18 I Rom I-VO sieht für vertragliche Schuldverhältnisse ausdrücklich vor, dass das Vertragsstatut anzuwenden ist, soweit es gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt. In Deutschland hat das RG bereits 1882 erklärt, die Grundsätze der Beweislast gehörten nicht dem Prozessrecht an, sondern seien identisch mit den Normen des das streitige Rechtsverhältnis beherrschenden materiellen Rechts.121 Diese Auffassung hat der BGH bestätigt.122
68
Für das UN-Kaufrecht (CISG) wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass die Beweislastverteilung nicht nur in Art 79, sondern auch sonst mittelbar durch die Formulierung der Vorschriften geregelt sei.123 Ein Rückgriff auf das sonst anwendbare materielle nationale Recht ist daher ausgeschlossen.
69
Auch in Frankreich herrscht die Auffassung, die Beweislast sei mit dem anzuwendenden materiellen Recht verbunden, weil dessen Regelung mit der Rechtsanwendung unmittelbar zusammenhänge.124 Der häufige Gebrauch von gesetzlichen Vermutungen entspricht dieser Auffassung, denn die gesetzlichen Vermutungen gehören zum materiellen Recht. Hierdurch wird wiederum die Verteilung der Beweislast berührt.
70
Auch im spanischen Recht besteht eine enge Verbindung zwischen der Beweislast und den gesetzlichen Vermutungen. Die Verteilung der Beweislast wird materiellrechtlich qualifiziert.125
71
In Italien scheint die Rechtsprechung die Frage der Beweislast dem Prozessrecht zuzuordnen und daher insoweit die lex fori anzuwenden. Dasselbe gilt hinsichtlich der widerlegbaren Vermutungen.126 Die neuere Lehre will die Re120 Coester-Waltjen, Rz 371ff; Geimer, IZPR, Rz 2340; Kegel/Schurig § 22 IV (S 1058f); Pohle, FS Dölle II, S 317, 335; Kreuzer/Wagner Q 285; Soergel/Kronke Art 38 EGBGB, Anh Rz 137; Stürner, FS H. Stoll, S 691, 693; Walter, IZPR der Schweiz, S 316; aA Schoch, S 139ff. 121 RGZ 6, 413. 122 BGH NJW 1952, 142; BGHZ 42, 385, 389 = NJW 1965, 489, 490 (Beweislast nach vereinbartem Recht); OLG Nürnberg FamRZ 1996, 1148; ebenso Rosenberg/ Schwab/Gottwald § 115 Rz 34; Schack IZVR, Rz 752ff; Linke/Hau IZVR, Rz 344. 123 Vgl Baumgärtel/Laumen/Hepting, Handbuch der Beweislast, Bd 2, 2. Aufl 1999, Vor Art 1 CISG Rz 15ff; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Komm. zum Einheitl. UN-Kaufrecht, 5. Aufl 2008, Art 4 Rz 48ff; Antweiler, Beweislastverteilung im UNKaufrecht, 1995; Reimers-Zocher, Beweislastfragen im Haager und Wiener Kaufrecht, 1995. 124 Batiffol/Lagarde No 706. 125 Prieto-Castro, Derecho Procesal Civil I, S 410. 126 Morelli, Diritto processuale civile internazionale, S 37.
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gelung der Beweislast dem anzuwendenden materiellen Recht entnehmen. Cappelletti/Perillo127 weisen auf die engen Beziehungen zwischen der Behauptungs- und der Beweislast hin. In Schweden spricht sich Karlgren eindeutig dafür aus, die Frage der Beweis- 72 lastverteilung nach dem materiellen und nicht nach dem Prozessrecht zu entscheiden.128 Grds scheint auch Ekelöf129 mit dieser Auffassung übereinzustimmen, weil er die Aufgabe der Beweislastregeln darin sieht, der Verwirklichung des materiellen Rechts zu dienen. Wenn auch die lex fori hinsichtlich der Beurteilung von Beweisfragen in den 73 Ländern des anglo-amerikanischen Rechtskreises absolut im Vordergrund steht, so lässt sich doch eine gewisse Tendenz feststellen, die Frage der Beweislastverteilung materiellrechtlich zu qualifizieren.130
5. Beweislastumkehr als Folge pflichtwidrigen prozessualen Verhaltens Ob sich die Beweislast als Folge eines (pflichtwidrigen) prozessualen Verhal- 74 tens verändert, zB wegen Beweisvereitelung, als Säumnisfolge usw, entscheidet die lex fori.131 Die Folgen der Beweisvereitelung bestimmen sich jedenfalls nicht als Frage der Beweislast nach Art 18 Abs 1 Rom I-VO bzw Art 22 Abs 1 Rom II-VO nach der jeweils anwendbaren lex causae.132 Neben innerprozessualen Sanktionen kommt auch eine Haftung auf deliktischen Schadenersatz in Betracht.133
6. Beweisführungslast Die Beweisführungslast und die Darlegungslast richten sich wie die objektive 75 Beweislast grds nach der lex causae.134 Allerdings ist die Beweisführungslast vielfach durch die Befugnis zur Beweisaufnahme von Amts wegen abgeschwächt.135 Eine Ausnahme gilt aber für die anglo-amerikanischen Regeln über evidential burden, die darüber bestimmen, ob eine Klage ohne Einschaltung der jury abgewiesen werden kann.136
127 128 129 130
131
132 133 134 135 136
Civil Procedure in Italy, S 187. Karlgren, Internationell Privat- och Processrätt, 3. Aufl 1966, S 189. Rättegång IV, 98; vgl Lindell, in: Nagel/Bajons, S 531 (Rz 19f). Cheshire/North & Fawcett, p 88f, 75; Cross & Wilkins, Outline of the Law of Evidence, 7th ed 1996, 26 („dependent on the substantive law“); auch Nokes, Introduction to evidence, 4th ed 1967, p 462, meint, indirekt hänge die Beweislast von dem materiellen Recht ab. Ch. Thole IPRax 2010, 285; Schack IZVR, Rz 753; Geimer, IZPR, Rz 2341f, 2345; Kreuzer/Wagner Q 285; Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 137; aA CoesterWaltjen Rz 385ff. Ch. Thole IPRax 2010, 285, 288f. Vgl St. Nolte, Betriebliche Dokumentation und Beweismittelvernichtung, 1996. Coester-Waltjen Rz 389ff; Kreuzer/Wagner Q 285. Vgl Stürner, FS H. Stoll, S 691, 696f. Coester-Waltjen Rz 394ff; Geimer, IZPR, Rz 2343f.
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IV. Die einzelnen Beweismittel 1. Der Beweis durch Zeugen a) Zeugenfähigkeit 76
Die lex fori entscheidet allein darüber, wer Zeuge sein kann. Nach deutschem Recht gibt es keine Personen, die vom Zeugenbeweis ausgeschlossen sind. Jeder kann Zeuge sein, der nicht Partei ist. Weder auf das Alter noch auf irgendwelche Gebrechlichkeiten kommt es an. Weder die Verwandtschaft noch die Ehe beschränken die Zeugenfähigkeit ein. Auch auf ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits kommt es grds nicht an.137 Die neuen englischen CPR haben die frühere Regel von RSC O. 25, wonach Körperbehinderte oder Geisteskranke nicht als Zeuge vernommen werden können, nicht übernommen. Es kommt nunmehr darauf an, ob der Zeuge im konkreten Fall den Ernst einer Aussage vor Gericht versteht.138 Soweit nach dem anwendbaren Sachstatut die Zeugenfähigkeit fehlen würde und der Zeugenbeweis daher unzulässig wäre, sind solche Regeln im deutschen Prozess unbeachtlich.
77
Nach Art 18 II Rom I-VO stehen zum Beweis eines Rechtsgeschäfts alle Beweismittel des deutschen Verfahrensrechts offen. Art 11 S 2 CISG sieht ausdrücklich vor, dass ein Vertrag über einen internationalen Warenkauf „auf jede Weise, auch durch Zeugen“ bewiesen werden kann. Tendenziell hat der Europarat bereits 1980 empfohlen, Beweismittelbeschränkungen zugunsten einer Freiheit der Beweismittel abzubauen.139
78
Rein prozessuale Beweismittelbeschränkungen, zB der Ausschluss des Zeugenbeweises im Urkundenprozess, sollen davon jedoch unberührt bleiben.140
79
Die aus Art 6 I EMRK folgende Garantie der Waffengleichheit im Zivilprozess kann verletzt sein, wenn der Alleingesellschafter einer Gesellschaft nicht zum Beweis eines von ihm geführten Gesprächs als Zeuge für die Gesellschaft vernommen werden kann.141
80
Da es sich bei der Pflicht des Zeugen, vor Gericht aussagen zu müssen, um eine prozessuale Verpflichtung handelt, muss jede Person, die als Zeuge in Frage kommt und sich im Geltungsgebiet der ZPO aufhält, auf Vorladung des Gerichts erscheinen und als Zeuge aussagen. Dabei wird auf die Staatsangehörigkeit nicht abgestellt. Ausländer müssen also nach den deutschen Prozessvorschriften als Zeugen aussagen. Ausnahmen bestehen insoweit, als auf die Exemtion von Mitgliedern der diplomatischen Missionen, konsularischen Ver-
137 Gottwald, in: Jayme, German National Reports for the XIVth Congress of Comparative Law, 1994, S 135. 138 R. v Hayes [1977] 1 WLR 234; R. v Bellamy (1985) 82 Cr App R 222. 139 De Lamberterie R.I.D.Comp. 1992, 641, 680. 140 Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, Komm. z. Einheitl. UN-Kaufrecht, 5. Aufl 2008, Art 11 Rz 12; Staudinger/Magnus, CISG, Art 11 Rz 17. 141 EGMR NJW 1995, 1413.
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Die einzelnen Beweismittel
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tretungen und andere Exemtionen Rücksicht genommen werden muss (s o § 2 Rz 57ff, 70ff). Ein Ausländer kann sich also nicht darauf berufen, dass ihm nach dem Pro- 81 zessrecht seines Heimatlandes die Zeugenfähigkeit überhaupt nicht zukommt. Die Länder des romanischen Rechtskreises schränken den Begriff des Zeugen immer noch dadurch ein, dass sie vielen Personen die Fähigkeit nehmen, als Zeugen auszusagen. Die neue Schweizerische ZPO verzichtet auf jede absolute Einschränkung der 82 Zeugnisfähigkeit, etwa wegen besonderer Beziehung zu einer Partei.142 Das spanische Recht schränkt den Zeugenbeweis im autonomen Recht eben- 83 falls ein. Nach Art 51 S 2 Código de comercio kann der Abschluss eines Vertrags über einen Wert von mehr als 1500 Pesetas (ca. 9 Euro) nicht durch Zeugenaussage, sondern nach Art 52 CCom nur durch Vorlage der schriftlichen Vertragsurkunde nachgewiesen werden.143 Spanien ist aber im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten an Art 18 II Rom I-VO gebunden. Außerdem sind weiterhin bestimmte Personengruppen von der Zeugenfähig- 84 keit ausgeschlossen. Wer aufgrund geistiger Mängel nicht zurechnungsfähig ist, kann kein Zeuge sein (Art 1246 Código civil). Ausgeschlossen sind alle Personen, deren Parteilichkeit vermutet wird (Art 1247 Código civil). Dies sind Abkömmlinge, Eltern, Ehegatten, Schwiegereltern und Schwiegerkinder. Auch Personen, die ein eigenes Interesse am Prozessausgang haben, wie Gesellschaften im Prozess der Handelsgesellschaft, sind als Zeugen ausgeschlossen. Schließlich kann die Gegenpartei die Streichung eines der Partei darüber hieraus verbundenen Zeugen nach Art 337 LEC 2000 beantragen. Dies gilt für Verwandte bis zum vierten Grad, Mitgesellschafter und Angestellte, enge Freunde oder Feinde der Gegenseite.144 Eine ähnliche Regel wie Art 1247 span. CC enthält Art 1262 des mexika- 85 nischen Código de Comercio. Das brasilianische Recht unterscheidet bei Zeugen solche nach der relativen 86 Unfähigkeit (incapacidade mas relativa) und der absoluten Unfähigkeit (incapacidade absoluta). Daneben gibt es noch die verdächtigen Zeugen. Doch besteht kein absolutes Verbot, solche Zeugen zu hören. Der Richter kann vielmehr, wenn es ihm nützlich erscheint, auch unfähige oder verdächtige Personen als Zeugen vernehmen.145 In Italien können nach Art 246 cprc Personen nicht Zeugen sein, die am Aus- 87 gang des Rechtsstreits derart interessiert sind, dass sie selbst am Verfahren als Partei teilnehmen könnten. (Die Regel gilt nicht im Arbeitsgerichtsverfahren, 142 Vgl Weibel/Naegeli, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweiz. ZPO, 2. Aufl 2013, Art 169 Rz 3, 6. 143 Vgl Schwonke/Tölg, Spanien, in: Nagel/Bajons, S 604 (Rz 17). 144 Zur alten Prozessordnung vgl A. Miras, Die Entwicklung des spanischen Zivilprozessrechts, 1994, S 168ff. 145 Arruda Alvim, Manual de Dereito Processual Civil, Vol 2, S 346.
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Art 421 [4] cprc.) Allerdings wird diese Unfähigkeit nur auf Einrede einer Partei beachtet.146 88
In England sind die Parteien nach CPR r 32.4 verpflichtet, die Aussagen von Zeugen, die im trial gehört werden sollen, vorab auszutauschen und dem Gericht mitzuteilen (witnesses’ statements). IdR wird dadurch das trial verkürzt, die vom Anwalt aufgenommene Aussage eingebracht und der Zeuge nur dem Kreuzverhör durch die Gegenseite unterzogen (CPR r 32.5 [2]).147
89
In Frankreich kann der „juge de la mise en état“ jeden Beweis und damit auch Zeugen von Amts wegen (auch gegen den Willen der Parteien) erheben. Der Richter kann sich mit schriftlichen Zeugenerklärungen („attestations“) begnügen (Art 200ff CPC). Art 205 CPC hat den Kreis der Personen, „qui sont frappées d’une incapacité de témoigner“ erheblich eingeschränkt. Insb dürfen solche Personen uneidlich gehört werden.148 Abkömmlinge dürfen jedoch niemals über Streitigkeiten der Ehegatten zur Unterstützung einer Scheidungsklage oder einer solchen „en séparation de corps“ gehört werden.149
90
Auch das griechische Zivilprozess-Gesetzbuch spricht von Personen, die nicht als Zeugen gehört werden können (Art 399–403).
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In Frankreich und den vom Code Civil beeinflussten Ländern ist der Zeugenbeweis für den Abschluss von Verträgen jenseits minimaler Mindestsummen ausgeschlossen; der Hauptbeweis kann nur durch Vorlage der Vertragsurkunde geführt werden. So in Frankreich (Art 1341 Code Civil iVm Dekret Nr 2004–836 v 20.8.2004 – 1500 Euro), in Italien (Art 2721 [1] c.c. – 25 000 Euro)150, in Griechenland (Art 393 griech. ZPG – 20 000 Euro151). Diese Beweisbeschränkungen werden teilweise (so in der Schweiz) als materielle Formvorschriften qualifiziert und bei entsprechendem Sachstatut angewendet.152
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In den USA ist der Zeugenbeweis nach dem adversary system153 ohne Gerichtsbeschluss zulässig. Sachverständige werden grds wie Zeugen vernommen. Der amerikanische Zivilprozess kennt die jury auch in Zivilsachen. Da die jury einfach nach „common sense“ entscheidet, gibt es keine Regeln über die Beweiskraft eines Zeugnisses, wohl aber zahlreiche Beweisregeln, die sicherstellen sollen, dass die jury nicht irregeführt wird. Für die Bundesgerichte gelten die Federal Rules of Evidence von 1975, State Courts haben ihren eigenen Evidence Code, der inhaltlich überwiegend den Uniform Rules of Evi-
146 147 148 149 150
Chizzini/Bajons, in: Nagel/Bajons, S 329 (Rz 85). Vgl Kessel ZVglRwiss. 92 (1993), 395, 413f; Zuckerman ZZP Int. 1996, 65. Rouhette, in: Nagel/Bajons, S 184 (Rz 28). Bangratz DRiZ 1995, 85, 90f. Vgl Jacob ZZPInt 8 (2003), 245, 253, 259. Der Richter kann den Zeugenbeweis jedoch unter Berücksichtigung der Stellung der Parteien, der Art des Vertrags und aller sonstigen Umstände zulassen. 151 Gemäß Art 38 Gesetz Nr 3994/2011; Auskunft von A. Kaissis, Thessaloniki. 152 So G. Walter, IZPR der Schweiz, S 317. 153 Vgl James/Hazard/Leubsdorf, Civil Procedure, 5th ed 2002, § 1.2.
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dence von 1974 und 1986 entspricht.154 Der Zeuge ist mündlich zu vernehmen. Er wird gewöhnlich vom Anwalt der präsentierenden Partei vorab befragt und sodann im Rahmen der discovery depositions (FRCP 30) vernommen, worüber idR ein vollständiges Wortprotokoll aufgenommen wird.155 Im trial wird der Zeuge auf Antrag des Parteianwalts durch (gerichtliche) subpoena geladen und vom präsentierenden Anwalt nach Leistung des Voreides befragt. „Leading questions“ sind nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig. Der Zeuge wird sodann vom Gegenanwalt befragt („cross-examination“). Die Beweisaufnahme wird wörtlich aufgezeichnet. Der Zeuge darf nur über Tatsachen, von denen er persönlich Kenntnis hat, befragt werden. Mittelbarer Beweis („hearsay“) ist grds unzulässig (Fed Rules Evid. 802ff). Die Regeln über cross examination betreffen nur den Gang des Verfahrens, nicht ohne Weiteres den Inhalt der Entscheidung. Das Gericht wendet nur seine eigenen Regeln an,156 sofern nicht im Wege der Rechtshilfe ausdrücklich um eine Vernehmung per cross examination ersucht wird (s o § 9 Rz 56). In schriftlichen Verfahren (motion procedure) können „affidavits“ jedes möglichen Zeugen als Beweismittel benutzt werden.
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In einzelnen Staaten gibt es Beschränkungen der Zeugenfähigkeit. Der Zeuge 94 muss jedenfalls die Bedeutung des Eides verstehen und in der Lage gewesen sein, das fragliche Geschehen zu beobachten. In Kalifornien kann grds „every person, irrespective of age“ Zeuge sein (Cal. CCP § 700). Der Zeuge muss aber fähig sein, eine verständliche Aussage zu machen und die Wahrheitspflicht zu verstehen (Cal. CCP § 701 [a]). Vor dem englischen High Court muss der Zeuge zur Sache aussagen, sofern 95 ihm kein privilege nach dem englischen Prozessrecht zusteht. Auf Weigerungsrechte seines Heimatrechts kann sich der Zeuge grds nicht berufen.157 Im Einzelnen gibt es Beschränkungen des Beweisgegenstandes wegen „fraud“ 96 oder „relevancy“.158 Widerspricht der Spruch einer jury „evident“ dem Beweisergebnis, so kann der Richter das Beweisurteil auf Antrag aufheben und die Sache neu vor einer anderen jury verhandeln. In Nichtjury-Fällen muss der Einzelrichter sein Beweisergebnis im Einzelnen begründen; auf appeal kann das Rechtsmittelgericht hier die Feststellungen uU selbst korrigieren.
b) Zeugnisverweigerungsrecht, Privilegien Das deutsche IZPR bestimmt zwar die Partei- und Prozessfähigkeit nach ausländischem Recht. Doch kann Entsprechendes nicht auch für die Zeugenfähigkeit gelten. Die Zeugenunfähigkeit, Zeugnisverweigerungsrechte und Privilegien, als Zeuge nicht aussagen zu brauchen, dienen zweierlei Zwecken: sie 154 155 156 157 158
Herzog AmJCompL 42 (Suppl.) (1994), 275, 277f. Vgl S. Timmerbeil, Witness coaching and Adversary system, 2004. Coester-Waltjen Rz 405, 408ff. Junker, in: Heldrich/Kono, S 103, 113; Riechenberg Nw.J.Int.L. & Bus. 9 (1988), 80. Herzog AmJCompl 42 (Suppl) (1994), S 285f.
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schützen die betreffenden Personen vor einem inneren Zwiespalt, die Wahrheit zu sagen oder aber jemanden zu schützen. Sie haben zugleich öffentlichrechtlichen Charakter, indem sie die freie richterliche Beweiswürdigung in unterschiedlicher Weise beschränken. Für einen Richter, der Zeugenunfähige nicht hören darf, verschließt sich eine bedeutende Quelle, den wahren Sachverhalt ermitteln zu können. Zeugnisverweigerungsrechte können ebenso nachteilig wirken, sie überlassen die Entscheidung, ob sie aussagen wollen oder nicht, weitgehend den geschützten Personen. 98
Inwieweit und mit welchen Mitteln ein Staat Personen schützt, bzw seine Richter vor einer fehlerhaften Beweiswürdigung bewahrt, ist letztlich eine rechtspolitische Frage, die jeder Staat nach seinem Ermessen entscheidet. Durch die Zeugenunfähigkeit, Zeugnisverweigerungsrechte und Privilegien werden den betreffenden Personen insb keine materiellrechtlichen Rechte zuerkannt. Es könnte also auch nicht von „vested rights“ gesprochen werden. Die prozessuale Pflicht, als Zeuge der Wahrheitsfindung zu dienen, wird vielmehr in unterschiedlicher Weise und mit unterschiedlichen Mitteln eingeschränkt. Darüber kann nur die lex fori entscheiden.159 Deutsche, die im Ausland als Zeugen aussagen müssen, können sich also auf die dort geltenden Beschränkungen, nicht aber auf das ihnen nach deutschem Recht zustehende Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
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Das Zeugnisverweigerungsrecht unterscheidet sich von der Zeugenunfähigkeit dadurch, dass die betroffenen Personen grds als Zeugen aussagen können, sie haben lediglich eine Berechtigung, das Zeugnis zu verweigern. Das Zeugnisverweigerungsrecht wird entweder aus persönlichen oder aus sachlichen Gründen gewährt. In den Prozessrechten der Staaten ist diese Berechtigung unterschiedlich ausgestaltet. Der davon betroffene Personenkreis wird nach der einen ZPO weiter, nach der anderen enger gezogen. § 383 I Nr 1–3 der deutschen ZPO berücksichtigt noch die Großfamilie; andere Rechtsordnungen beschränken das Privileg auf die Kleinfamilie.
100 In vielen Ländern (zB Deutschland, Niederlande, Österreich, Schweden) hat das Berufsgeheimnis einen relativen Charakter. Da es Interessen des Geschützten wahren soll, hat dieser das Recht, den Geheimnisträger von seiner Schweigepflicht zu entbinden. Hat er ihn entbunden, hat der Geheimnisträger keine Wahl mehr: er muss wie jeder andere Zeuge aussagen. 101 In Frankreich besteht eine grundsätzliche Aussagepflicht, aber der Richter kann den Zeugen aus jedem gerechtfertigten Grund von der Pflicht entbinden (Art 206 S 2 CPC), so dass ein Arzt nicht zu einem Berufsgeheimnis aussagen muss.160 102 Im US-amerikanischen Prozess kann dem Zeugen ein „privilege“ zustehen, wonach er über einen Gegenstand nicht aussagen muss. Danach muss sich niemand selbst einer strafbaren Handlung überführen (US Constitution, 5th 159 Coester-Waltjen Rz 569ff, 597ff; aA M. Wolf, Symposium Baur, 1992, S 35, 62 (für Zeugnisverweigerungsrecht kraft Berufsgeheimnis nach Heimatrecht). 160 Cass 2e civ Bull 1978 II no 267; Rouhette, in: Nagel/Bajons, S 184 (Rz 29).
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Amendment). Die Gefahr zivilrechtlicher Verantwortung befreit dagegen nicht von der Aussagepflicht (New York CPLR § 4501). Geschützt sind Berufsgeheimnisse, sofern der Auftraggeber nicht Befreiung erteilt, und zwar vertrauliche Mitteilungen an Ärzte, Anwälte, Geistliche und andere Berufsberater (New York CPLR §§ 4503–4505), auch an Psychiater, Psychologen und zugelassene Sozialarbeiter,161 vertrauliche Gespräche zwischen Ehegatten (New York CPLR § 4502 [b]), Mitteilungen zwischen Regierungsstellen; teilweise wird auch der Presse ein Privileg zugestanden. Im Einzelnen bestehen erhebliche Unterschiede162 (Cal.Evid.Code §§ 900–1070). Das Bundesrecht verweist grds auf „principles of common law“. In Fällen von „diversity jurisdiction“ müssen die Bundesgerichte die Beweisregeln des jeweiligen Bundesstaats anwenden (FRE 501). Seit 19.9.2008 sieht FRE 502 vor Bundesgerichten ausdrücklich ein umfassendes „Attorney-Client Privilege“ vor.163 In Kalifornien sind privileges in Cal.E.C. §§ 900–1070 geregelt. Kalifornien erkennt in Cal.E.C. §§ 1060, 1063 auch ein privilege für ein „trade secret“ an. Das Privileg gibt dem Zeugen jedoch nicht das Recht, selbst darüber zu ent- 103 scheiden, ob er aussagen will oder nicht. Die Zeugen können sich vielmehr im Einzelfall auf ihr Privileg, die Aussage zu verweigern, berufen. Der Richter entscheidet dann anhand aller Umstände darüber, ob der Zeuge aussagen muss. Die englischen Richter sind immer zurückhaltend gewesen, einem Zeugen ein Privileg zu gewähren. Die sog privaten Privilegien werden enger gefasst als die Zeugnisverweigerungsrechte der kontinentaleuropäischen Länder. In England verleihen Berufsgeheimnisse grds kein privilege. Ein privilege be- 104 steht nur für lawyers, soweit der Schriftwechsel mit dem Mandanten notwendig und vertraulich ist, sowie für patent agents (Patents Act 1977, s 132). Dagegen gibt es kein generelles privilege wegen Vertraulichkeit für Priester, Ärzte, Agenten, Hilfspersonen und Freunde, Journalisten, Banker oder Gefängnispersonal. Ärzte müssen also in England als Zeugen grds über alles aussagen, was sie bei der Behandlung von Patienten festgestellt haben bzw was ihnen anvertraut wurde.164 Der Richter kann aber nach seinem Ermessen die Vertraulichkeit der zu offenbarenden Information und das öffentliche Interesse an der Aufdeckung gegeneinander abwägen und eine Offenbarung untersagen.165 Die unterschiedlichen Auffassungen über das Zeugnisverweigerungsrecht bzw 105 die Privilegien führen bei der Anwendung der lex fori zB zu folgenden Ergebnissen: Vor dem deutschen Prozessrichter könnte ein englischer Arzt sich auf
161 US Supreme Court, Jaffee v Redmond, 116 S.Ct. 1923 (1996). 162 Herzog AmJCompL 42 (Suppl) (1994), 275, 284f. 163 Vgl M. Mann, Neues Beweisrecht in den USA: zum Vertraulichkeitsschutz zwischen Anwalt und beratenem Unternehmen, RIW 2010, 134. 164 D. v National Society for the Prevention of Cruelty to Children [1978] AC 171 (Lord Edmund Davies, 244); Garrett, VK (England und Wales), in: Nagel/Bajons, S 707 (Rz 32). 165 Balabel v Air India [1988] Ch. 317, 330; Crompton (Alfred) Amusement Machines v Customs and Exercise Commissioners [1973] 2 All ER 1169 (H.L.); Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, No 23-15ff, 23-42ff, 23-63ff (privileges under the CPR).
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das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, sofern er von dem Patienten nicht von der Schweigepflicht entbunden ist. Würde die Partei einen französischen Arzt von der Schweigepflicht entbinden, so müsste er als Zeuge aussagen, obwohl das französische Prozessrecht ihm gebietet zu schweigen. Das deutsche Gericht wird auch nicht durch den französischen ordre public gebunden. Es sollte allerdings schon in dem Verfahren vor dem deutschen Erstrichter geprüft werden, ob ein Verstoß gegen den französischen ordre public einer späteren Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils in Frankreich hinderlich sein könnte. 106 Umgekehrt könnte ein deutscher Arzt sich vor einem englischen Gericht kaum mit Erfolg auf ein Privileg berufen, selbst dann nicht, wenn er sich darauf beriefe, dass er gegen sein Standesrecht verstoßen würde, wenn er trotz seiner Schweigepflicht, sofern er nicht von ihr entbunden ist, aussagen müsste. Andererseits dürfte der deutsche Arzt vor einem französischen Prozessgericht auch dann nicht als Zeuge aussagen, wenn ihn der Patient von der Schweigepflicht entbunden hätte. Solche Beispiele zeigen, wie sehr die unterschiedlich ausgestalteten Beweisrechte den Zeugen berühren, wenn er sich von einem in das andere Land begibt. Es ist wie zu jener Zeit, als in dem einen Land rechts, in dem anderen links gefahren wurde! 107 Auch die Art und Weise der Durchführung des Zeugenbeweises richtet sich nach der lex fori. Während in Deutschland ein Zeuge nur auf Antrag der beweisbelasteten Partei vernommen wird (§ 373 ZPO), kann das Gericht einen Zeugen in vielen Ländern auch von Amts wegen laden und vernehmen, so zB in den Niederlanden (Art 198 RV), in Frankreich (Art 200 CPC), auch – zumindest de iure – vor den amerikanischen Bundesgerichten (FRE 614 [a]; eine entsprechende Regel für State courts sehen die Uniform Rules of Evidence 1974/1986 vor, die bisher von 38 Staaten übernommen wurden). 108 Auch in Österreich kann das Gericht Zeugen von Amts wegen laden, sofern sich nicht beide Parteien dagegen erklären (§ 183 I Nr 4, II öZPO).166
2. Parteivernehmung, Parteieid, gerichtliches Geständnis a) Parteivernehmung 109 Die Parteivernehmung besteht im deutschen Recht als besonderes Beweismittel neben dem Zeugenbeweis. Nach § 445 ZPO ist sie grds nur subsidiär zulässig: Andere zulässige Beweismittel müssen erschöpft, der Beweis aber noch nicht vollständig geführt sein, oder es muss jeder andere Beweis fehlen. Diese Subsidiarität bleibt auch in internationalen Fällen erhalten, soweit ein Vertrag „auf jede Weise bewiesen werden kann“.167 Steht der Partei kein anderes Be-
166 Vgl Fasching/Schragel, Zivilprozessgesetze, Bd II/2, 2. Aufl 2003, § 183 ZPO Rz 8. 167 S für Art 11 S 2 CISG: Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, Komm. z. Einheitl. UN-Kaufrecht, 5. Aufl 2008, Art 11 Rz 12.
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weismittel zur Verfügung, verstößt die Subsidiarität aber gegen die Garantie eines fairen Verfahrens nach Art 6 I EMRK.168 Nach sec. 13 des Evidence Act von Ontario/Kanada ist die Parteivernehmung in einem Erbschaftsprozess ebenfalls nur zulässig, wenn das streitige Ereignis, das zu Lebzeiten des Erblassers stattfand, auch durch zusätzliche Beweisindizien gestützt wird.
b) Vorrang der Parteivernehmung Die Parteivernehmung ist in Norwegen 1915 eingeführt worden (Lov om rette- 110 gangsmaaten for tvistemaal, 9. Kap, §§ 111ff). Die Subsidiarität der Parteivernehmung wird nicht erwähnt. Aus der Formulierung: „Wenn die Aussagen der Parteien gebraucht werden“, ergibt sich, dass die Parteien schon vor den Zeugen gehört werden können. Nach dem schwedischen „Rättegångsbalk“ v 1.8.1948, RB 43:8 st. 2 kann die 111 Parteivernehmung noch vor der Zeugenvernehmung erfolgen. Die Subsidiarität ist bewusst ausgeschlossen worden. Man geht davon aus, dass die Parteien den Sachverhalt am besten kennen. Die Parteivernehmung kann von jeder Partei beantragt oder von Amts wegen angeordnet werden.169 Auch nach der brasilianischen ZPO werden die Parteien vor den Zeugen ver- 112 nommen. Der Grundsatz der Subsidiarität ist bewusst ausgeschlossen worden.170 Die Parteien werden wie Zeugen vernommen. In Österreich hat die Novelle von 1983 die Subsidiarität der Parteivernehmung 113 völlig beseitigt. Die Parteivernehmung (gem § 371 öZPO) ist mit anderen Beweismitteln gleichrangig. Sie wird ähnlich wie eine Zeugenvernehmung durchgeführt (§§ 375, 380 öZPO), doch kann weder das Erscheinen noch die Aussage erzwungen werden.171 Die Entwicklung des Beweisrechts geht dahin, dass die Parteivernehmung wie im common law den Regeln des Zeugenbeweises unterstellt wird. Auch Art 164 niederländische R.V. sieht vor, dass die Parteien als Zeugen vernommen werden können. Die Beweiskraft ist aber eingeschränkt. Denn zu ihrem Vorteil kann die Aussage einer Partei nur verwertet werden, wenn sie durch einen anderen, für sich allein nicht ausreichenden Beweis unterstützt wird (Art 164 II R.V.).172
c) Parteieid In den Rechten des romanischen Rechtskreises hat sich die Parteivernehmung 114 als besonderes Beweismittel noch nicht durchgesetzt. Es gelten die formalen 168 EGMR NJW 1995, 1413 (dazu Schlosser S 1404) = ZEuP 1996, 484 m Anm M. Roth; Wittschier DRiZ 1997, 247. 169 Lindell, Schweden, in: Nagel/Bajons, S 547 (Rz 53ff). 170 Arruda Alvim, Código de Processo Civil, 12ed 1987, Vol II, 352ff. 171 Fasching, Zivilprozessrecht, 2. Aufl 1990, Rz 1024ff; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht, 7. Aufl 2009, Rz 819ff. 172 Granow/Bervoets, Niederlande, in: Nagel/Bajons, S 406 (Rz 32).
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Parteieide in der Form des der einen von der anderen Partei zugeschobenen und des einer Partei vom Gericht auferlegten Ergänzungseides. Diese Parteieide binden den Richter, sie erlauben nur teilweise eine freie richterliche Würdigung. Es ist beachtenswert, dass der neue französische cprc hieran nichts Wesentliches geändert hat (Art 317 bis 322 CPC). Der einer Partei zugeschobene Eid – serment déféré – oder von dieser der anderen zurückgeschobene Eid lässt keinen Raum für eine Beweiswürdigung, er bindet das Gericht.173 Des einer Partei von Amts wegen auferlegten Ergänzungseides bedient sich das Gericht, wenn es von der bisherigen Beweisaufnahme nicht hinreichend überzeugt ist.174 115 Neben diesen formalen Parteieiden hat sich die informelle Befragung der Parteien herausgebildet. Der französische Richter kann dazu das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen. Die „comparution personnelle“ kann jedoch nicht erzwungen werden. Eine Partei kann auf ihre Aussage auch nicht beeidet werden.
d) Geständnis 116 Über die Beweisbedürftigkeit entscheidet grds die lex fori (s o Rz 42). Deshalb ist ein Geständnis im Inland gem § 288 ZPO im Inland zu beachten, selbst wenn die lex causae etwas anderes vorsieht. Soweit in Statusverfahren dem Geständnis keine Wirkung zukommt (vgl § 113 IV Nr 5 FamFG), sind solche Regeln nur zu beachten, wenn die lex causae die Dispositionsfreiheit über den Streitgegenstand ausschließt.175 117 Während nach § 288 ZPO die von einer Partei behaupteten Tatsachen insoweit keines Beweises bedürfen, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zu Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind, behandeln die romanischen Rechte das gerichtliche Geständnis traditionellerweise als ein besonderes Beweismittel (Art 1356 franz. c.c.). Das gerichtliche Geständnis erbringt den vollen Beweis für die zugestandenen Tatsachen.176 Nach mexikanischem Recht erbringt ein unter den gesetzlichen Voraussetzungen abgegebenes Geständnis – confesión – vollen Beweis für die zugestandene Tatsache. Ebenso verhält es sich nach Art 339, 352ff der griechischen ZPO.177 In all diesen Fällen handelt es sich um ein gesetzliches Beweismittel, das den Richter bindet. Im Gegensatz dazu wird die „judicial admission“ ähnlich wie im deutschen Prozessrecht behandelt. Sie macht den Beweis überflüssig.178 173 Ebenso in Griechenland: Art 421ff griech. ZPGB; vgl Beys Dike Intern. 1994, 161, 182. 174 Perrot, in: Habscheid, Effektiver Rechtsschutz, S 91, 108; für das italienische Recht Patti, in: Nagel/Bajons, S 295 (Rz 36f); Chizzini/Bajons, in: Nagel/Bajons, S 325 (Rz 79ff). 175 Geimer, IZPR, Rz 357f, 2277; Coester-Waltjen Rz 606. 176 Rouhette, in: Nagel/Bajons, S 186 (Rz 34). 177 Beys Dike Intern. 1994, 161, 183. 178 McCormick, On Evidence 3rd ed 1984, S 776, 780ff; Siegel, New York Practice, 1978, S 265.
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Das gerichtliche Geständnis bewirkt, dass der deutsche Richter die zugestan- 118 dene Tatsache als wahr berücksichtigen muss, sofern das Gegenteil nicht offenkundig ist oder jeder Erfahrung widerspricht.179 Das spanische LEC Nr 1/2000 hat das (eidliche) gerichtliche Geständnis durch die (nicht beeidete) Parteivernehmung (Art 301ff LEC) ersetzt.180 In den USA hat jede Partei im discovery-Verfahren die interrogatories der Ge- 119 genseite schriftlich zu beantworten und mündlich wie ein Zeuge despositions zu geben (FRCP 30, 33). Während des trial wird die Partei ebenfalls wie ein Zeuge vernommen. Aussageverweigerungsrechte nach dem heimatlichen Personalstatut stehen der ausländischen Partei nicht zu.181 Request for admission. In den USA kann jede Seite den Gegner schriftlich auf- 120 fordern, bestimmte Tatsachen innerhalb von 30 Tagen zuzugestehen (FRCP 36).182 Gibt er keine Erklärung ab, so gilt das Geständnis wie bei einer ausdrücklichen Erklärung als abgegeben (FRCP 36 [a] II S 2). Jedes Geständnis muss einzeln begehrt werden. Will der Gegner die Geständnisfiktion vermeiden, muss er eine schriftliche Antwort oder Sacheinwendung innerhalb der (ggf vom Gericht verlängerten) Frist geben. Die Antwort soll die Sache spezifiziert leugnen oder im Detail angeben, warum die Sache nicht zugestanden werden kann. Ist die Sache teilweise wahr, soll ein Teilgeständnis erfolgen. Auf Antrag kann das Gericht eine Verbesserung der Antwort aufgeben. Es kann zur Erledigung des Ersuchens auch eine pre-trial conference ansetzen. Für diese Anträge kann das Gericht Erstattung der Anwaltskosten anordnen (FRCP 36 [a] 3. Absatz; 37 [a] [4]).
e) Ergebnis Das Ergebnis dieser unterschiedlichen Auffassungen führt dahin, dass eine 121 französische Partei zB vor einem deutschen Prozessgericht ihrem Gegner nicht den Eid (gem Art 1358ff c.c.) über irgendwelche Tatsachen zuschieben kann (s o Rz 60). In Deutschland sind ausländische Regeln über den zugeschobenen Eid unbeachtlich und zwar nicht nur, wenn sie im Einzelfall zu einem dem inländischen ordre public widersprechenden Ergebnis führen würden.183 Sie kann allenfalls seine Parteivernehmung beantragen. Das Ergebnis der unbeeideten Parteivernehmung würdigt der deutsche Richter frei. Liegt jedoch eine beeidete Aussage einer Partei vor, so ist der deutsche Richter praktisch an diese gebunden, weil er frei darüber entscheidet, welche Partei ihre Aussage beeiden soll, da er nach § 452 II ZPO nur eine Partei beeiden darf. Im Ergebnis kommt das einem formalen Parteieid nahe.
179 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 112 Rz 13. 180 Schwonke/Tölg, in: Nagel/Bajons, S 615 (Rz 33). 181 Junker, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 103, 113. 182 Vgl Junker, Discovery, 1987, S 186ff. 183 OLG Hamm RIW 1994, 513, 517; Geimer, IZPR, Rz 2325, 2339; Linke/Hau, IZVR, Rz 366; aA Coester-Waltjen Rz 612ff, 617.
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122 Eine deutsche Partei kann dagegen vor einem französischen Gericht ihrem Gegner den Eid über bestimmte Tatsachen zuschieben. Leistet der Gegner den Eid, so ist der französische Richter hierdurch gebunden. Auf eine Parteivernehmung nach deutschem Vorbild könnte sich eine deutsche Partei nicht berufen, allenfalls eine informelle Parteibefragung anregen.
3. Der Beweis durch Urkunden a) Die Beweiskraft von Urkunden 123 Nach § 437 ZPO haben inländische öffentliche Urkunden die Vermutung der Echtheit für sich und begründen nach § 415 ZPO vollen Beweis für den beurkundeten Vorgang. Diese gesetzlichen Vermutungen gelten nicht für ausländische öffentliche Urkunden. 124 Nach § 438 ZPO hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen, ob eine Urkunde, die sich als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei. Nach § 438 II ZPO genügt die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten stets zum Nachweis der Echtheit der ausländischen Urkunde.184 125 Auf die Legalisation von vollstreckbaren öffentlichen Urkunden wird aufgrund der Art 56, 57 EuGVO/LugÜ ausdrücklich verzichtet. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass es sich hierbei nur um öffentliche Urkunden aus den Gebieten des Zivil- und Handelsrechts handeln darf, wobei die in Art 1 II aufgeführten Gebiete ausgeschlossen bleiben. 126 Außerdem ist das Haager Übereinkommen v 5.10.1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation185 zu beachten. Danach genügt die Anbringung einer Apostille gem dem Muster des Übereinkommens auf oder in Verbindung mit der Urkunde. Die Apostille muss von der zuständigen Behörde des Staats ausgestellt sein, in dem die Urkunde errichtet worden ist.186 Nach Art 5 II beweist die Apostille die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft des Unterzeichners der Urkunde und die Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist. Die Beweiskraft und ihre mögliche Widerlegung richten sich nach der lex fori.187 Dieses Übereinkommen gilt im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu: Andorra, Antigua und Barbuda, Argentinien, Armenien, Australien, Bahamas, Barbados, Belarus, Belgien, Belize, Bosnien-Herzegowina, Botsuana, Brunei Darussalam, Bulgarien, den Cook-Inseln, Dänemark, Dominica, Ecuador, El Salvador, Estland, Fidschi, Finnland, Frankreich, Grenada, Griechenland, Honduras, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, den Kap Verden, Kasachstan, Ko184 Vgl Langhein Rpfleger 1996, 45, 47f; MüKo/Schreiber, § 438 ZPO Rz 3. 185 BGBl 1965 II, 875. 186 Vgl Schmidt, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Lfg. 18 (1997), S 761.3ff; Kierdorf, Die Legalisation von Urkunden, 1963; Bindseil DNotZ 1992, 275. 187 Schmidt, in: Geimer/Schütze S 761.13; Schack IZVR, Rz 779.
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lumbien, Korea, Kroatien, Lesotho, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malawi, Malta, den Marschallinseln, Mauritius, Mazedonien, Mexiko, Monaco, Montenegro, Namibia, Neuseeland, den Niederlanden, Niue, Norwegen, Österreich, Panama, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Samoa, São Tomé und Principe, San Marino, Schweden, der Schweiz, Serbien, den Seychellen, der Slowakei, Slowenien, Spanien, St. Kitts and Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Südafrika, Surinam, Swasiland, Tonga, Trinidad und Tobago, Türkei, Turkmenistan, der Ukraine, Ungarn, den USA, Usbekistan, Vanuatu, Venezuela, dem Vereinigten Königreich und Zypern. Das Übereinkommen zur Befreiung von Urkunden von der Legalisation in den 127 Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft v 25.5.1987 ist bisher nur von Belgien, Dänemark, Frankreich und Italien ratifiziert worden und noch nicht in Kraft getreten.188 Es gilt weiter das Londoner Europäische Übereinkommen v 7.6.1968 zur Be- 128 freiung der von diplomatischen oder konsularischen Vertretern errichteten Urkunden von der Legalisation.189 Dieses Übereinkommen gilt im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Mazedonien, Moldau, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik, der Türkei, dem Vereinigten Königreich und Zypern. Schließlich gelten zweiseitige Abkommen mit Belgien, Dänemark, Frank- 129 reich,190 Griechenland, Italien, Österreich und der Schweiz sowie Konsularverträge, wonach die von ausländischen Konsuln aufgenommenen Urkunden von der Legalisation befreit sind, mit folgenden Staaten: Jamaika, Malawi, Mauritius, den Niederlanden, Russland, Spanien, der Türkei, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten.191 Ist die ausländische öffentliche Urkunde echt, so hat sie dieselbe Beweiskraft 130 wie eine inländische öffentliche Urkunde.192 Wirkende – konstituierende – öffentliche Urkunden erbringen formell vollen Beweis über die in ihnen enthaltene amtliche Anordnung oder Entscheidung (§ 417 ZPO). Ein Gegenbeweis ist ausgeschlossen. Berichtende oder bezeugende öffentliche Urkunden erbringen vollen Beweis über die berichtete oder bezeugte Tatsache. Das gilt nicht hinsichtlich der inneren, materiellen Beweiskraft. Diese ist gem § 286 ZPO frei zu würdigen.193 Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsache ist im Allgemeinen zulässig (§ 418 ZPO).
188 Tarko öJZ 1999, 401, 402. 189 BGBl 1971 II, 85; vgl Schmidt, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Lfg. 25 (2003), S 768.1ff. 190 Vom 13.9.1971, BGBl 1974 II, 1075. 191 Vgl v Hoffmann, Konsularrecht, 1978ff; Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 253 Fn 1 und 2. 192 BGH RIW 2007, 382, 383 (Rz 13); ebenso Schack Rz 781; Linke/Hau, IZVR, Rz 363. 193 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Übers § 415 ZPO Rz 6; Musielak/Huber, § 415 ZPO Rz 10.
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131 Andere öffentliche Urkunden, die nicht über eigene Wahrnehmungen oder Handlungen der Urkundsperson, sondern über Erklärungen dritter Personen berichten, begründen den vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorgangs, dagegen nicht die Richtigkeit der gemachten tatsächlichen Angaben (§ 415 ZPO). Hierher gehören zB notarielle Urkunden, die die Beurkundung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen betreffen. In allen Fällen ist der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, zulässig. Die Beweiskraft ausländischer öffentlicher Urkunden wird also an dem deutschen Maßstab gemessen.194 Die lex fori entscheidet allein, weil die freie Beweiswürdigung durch die gesetzliche Beweiskraft ausgeschlossen bzw eingeengt wird. Dies gilt auch für solche ausländischen öffentlichen Urkunden, denen in ihrem Heimatland keine gesetzliche Beweiskraft zugemessen wird. 132 Wenn zB nach Art 1319 c.c. eine echte öffentliche Urkunde den vollen Beweis – fait pleine foi – der Abmachung, die sie enthält, begründet, so kann der deutsche Richter es dahingestellt lassen, ob es sich hierbei um eine Prozessvorschrift oder eine solche des materiellen Rechts handelt; er beurteilt die Beweiskraft der ausländischen öffentlichen Urkunde nach seiner lex fori. Ihn berührt auch nicht die Bindungswirkung, die eine ausländische öffentliche Urkunde für den ausländischen Richter hat, inwieweit ein Gegenbeweis zulässig ist und ob es dazu des besonderen Verfahrens der „procédure d’inscription de faux“ bedarf. 133 Bei privaten Urkunden macht die ZPO keinen Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Urkunden. Es gibt keine gesetzliche Vermutung für die Echtheit der privaten Urkunde. Es ist vielmehr Aufgabe des Gegners, sich über die Echtheit der Urkunden zu erklären. „Wird die Erklärung nicht abgegeben, so ist die Urkunde als anerkannt anzusehen, wenn nicht die Absicht, die Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht“ (§ 439 III ZPO). Nach § 416 ZPO begründen private Urkunden, die von dem Aussteller unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind. Diese Beweiskraft ist aber nur eine formelle, sie bezieht sich lediglich auf die Tatsache, dass die Erklärung von dem Aussteller abgegeben worden ist, nicht auch auf die Richtigkeit der Erklärung. Über die sog materielle Beweiskraft der privaten Urkunde entscheidet der Richter aufgrund der freien Beweiswürdigung.195 134 Bei elektronischen Dokumenten wird dem authentischen (beglaubigten) Ausdruck zum Teil eine besondere Beweiskraft zuerkannt.196 Ein amtlicher Ausdruck aus einem maschinell geführten Grundbuch steht in Deutschland nach § 131 S 3 GBO einer beglaubigten Grundbuchabschrift gleich. Gleiches gilt für den amtlichen Ausdruck aus einem maschinell geführten Handelsregister (§ 9 II 4 HGB). 194 BGH RIW 2007, 382, 383 (Rz 13); ebenso Schack IZVR, Rz 779. 195 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 119 Rz 29. 196 Vgl Art 1316-1 cc; vgl Rouhette, in: Nagel/Bajons, S 189 (Rz 43).
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Alle nicht unterzeichneten Privaturkunden sind mit keiner besonderen Be- 135 weiskraft ausgestattet. Der Richter würdigt sie gem § 286 ZPO frei. Soweit die Gegenpartei ihren Inhalt allerdings nicht bestritten hat, wird er nach dem Verhandlungsgrundsatz zum unstreitigen Sachverhalt. Wenn das französische Recht den „actes sous seing privé“ eine besondere 136 Garantiefunktion hinsichtlich der Richtigkeit solcher privater Urkunden verleiht, muss geprüft werden, ob es sich bei Art 1322 c.c. um eine materiellrechtliche Formvorschrift handelt. Für die Gültigkeit von Urkunden, die synallagmatische Verträge enthalten, werden so viele Originalabschriften gefordert, wie Vertragsparteien teilgenommen haben. Dabei muss die Anzahl der Originale ausdrücklich vermerkt werden. Erkennt eine Partei, der eine solche Urkunde entgegengehalten wird, ihre Unterschrift an, so kann sie die Existenz der Urkunde nicht mehr bestreiten.197 Da gegenüber der Privaturkunde nach französischem Recht immer der Gegenbeweis geführt werden kann, dass die Urkunde nicht den genauen Vorgang wiedergebe, entscheidet letztlich doch eine Prozessvorschrift, so dass der deutsche Richter auch insoweit seine lex fori anwenden kann. Ein anerkannter „acte sous seing privé“ hat nach Art 1322 c.c. dieselbe Be- 137 weiskraft wie ein „acte authentique“. Er steht aber einem „acte authentique“ nicht gleich, denn ihm fehlt die „force exécutoire“. Die „actes sous seing privé“ bedürfen vielmehr zur Vollstreckbarkeit eines Urteils.198 Nach französischem Recht gilt für ausländische Urkunden die Echtheitsver- 138 mutung nicht. Es wird daher wie im deutschen Recht die Legalisation benötigt.199 In Spanien hat die von der Prozesspartei verfasste und unterschriebene Pri- 139 vaturkunde dieselbe Beweiskraft inter partes wie eine öffentliche Urkunde (Art 1225 CC), sofern die Unterschrift als echt anerkannt ist. Zusätzlich erbringen auch alle anderen, von Dritten ausgestellten Urkunden vollen Beweis gegenüber der Partei, für die sie nachteilig sind, sofern ihre Echtheit nicht bestritten ist (Art 326 LEC).200 Das englische Recht geht im Gegensatz zu vielen kontinental-europäischen 140 Rechten nicht von einer besonderen Beweiskraft der Urkunden aus. Einige Urkunden erlangen durch andere prozessuale Mittel dennoch eine starke Beweiskraft. Zum Teil tritt die „Estoppel“-Lehre ein (s o Rz 50). Das wirkt sich bei einem „deed“, einer gesiegelten Urkunde, durch die ein Recht oder ein Anspruch geschaffen oder übertragen wird, dahin aus, dass eine Partei bei Vorlage dieser Urkunde gehindert ist, deren Inhalt zu bestreiten. Diese Estoppel-Wir-
197 Perrot, Preuve No 347. 198 J. Teske, Der Urkundenbeweis im französischen und deutschen Zivil- und Zivilprozessrecht, 1990. 199 Rigaux, La force probante des écrits en droit international privé, Rev.crit. 1961, 45. 200 Schwonke/Tölg, in: Nagel/Bajons, S 621 (Rz 46).
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kung geht jedoch nicht so weit, dass nicht eine fehlerhafte oder betrügerische Erklärung durch einen Gegenbeweis entkräftet werden könnte.201 141 Der „estoppel by record“ verleiht Urteilen „in rem“ und „in personam“ eine besondere Rechtskraft, die einen Beweis gegen solche Urkunden entweder zwischen allen oder zwischen denselben Parteien ausschließt (s o Rz 50).202 142 Andererseits arbeitet das englische Recht mit der „extrinsic facts“-Lehre, um gewissen Urkunden, die zB Verträge enthalten, einen erhöhten Beweiswert beizumessen. Danach dürfen Tatsachen, die außerhalb der Urkunde liegen, nicht bewiesen werden.203 Wie bei dem „estoppel“ geht es auch bei den „extrinsic facts“ um die Nichtzulässigkeit von Beweisen. Grds kann danach der Inhalt einer Urkunde nicht durch Zeugen widerlegt werden. Ausnahmen gelten, wenn die Echtheit der Urkunde oder die vertragliche Abmachung bestritten werden.204 Der Zeugenbeweis wird ferner zugelassen, wenn bewiesen werden soll, dass ein keiner gesetzlichen Schriftform unterliegender Vertrag durch mündliche Vereinbarung abgeändert wurde.205 Das Gleiche gilt, wenn der Text der Urkunde mehrdeutig ist oder wenn ein Wort oder Zusammenhang in einer ungewöhnlichen Bedeutung gebraucht wird.206 143 Alle diese fremden Prozessregeln binden den deutschen Richter nicht. Er entscheidet nach seiner lex fori, auch wenn er im Einzelfall zu einem anderen Ergebnis kommen mag als sein ausländischer Kollege.207
b) Die prozessuale und die materiellrechtliche Vorlagepflicht von Urkunden 144 Die Verpflichtung der Parteien bzw dritter Personen, in einem Zivilprozess Urkunden vorlegen zu müssen, ist teilweise durch Prozessvorschriften, teilweise durch das materielle Recht geregelt. Danach entscheidet sich, ob die lex fori bzw das nach dem deutschen IPR maßgebende materielle Recht anzuwenden ist. 145 Eine prozessuale Vorlagepflicht ergibt sich aus § 142 I ZPO. Danach kann das Gericht anordnen, dass eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf die sie sich bezogen hat, sowie Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen vorlegt. Das Gericht kann auch anordnen, dass die in einer 201 So House of Lords, Geer v Kettle [1938] A. C. 156. 202 Cohn, Die materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS Nipperdey, S 875, meint, die englische Doktrin vom „estoppel“ sei eigentlich eine Rechtskraftlehre. Die Wirkung der Beweiskraft, die zum „conclusive evidence“ führen kann, darf jedoch nicht übersehen werden. Dass die Gerichte durch die „estoppel by record“-Wirkung in Ehesachen nicht gebunden werden, ergibt sich aus Thomson v Thomson [1957] p 19. 203 Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, No 42–01ff. 204 Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, No 42–40ff. 205 Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, No 42–52. 206 Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, No 42-22, 42-40 ff. 207 AA MüKo/Spellenberg, Art 18 Rom I-VO Rz 26; Art 11 EGBGB Rz 44; Jakob ZZPInt 8 (2003), 245, 258.
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fremden Sprache abgefassten Urkunden übersetzt werden.208 Der Begriff der privaten Urkunde geht im anglo-amerikanischen Recht erheblich weiter als in Deutschland, denn darunter fallen auch Photographien und „computer-printouts“.209 Auch wenn eine Partei sich nicht auf Urkunden bezogen hat, kann das Gericht nach § 143 ZPO anordnen, dass sie die in ihrem Besitz befindlichen Akten vorlegt, soweit diese aus Schriftstücken bestehen, welche die Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen. Über den Wortlaut des § 142 ZPO hinaus geht die Ermächtigung des Vorsitzenden des Prozessgerichts, nach § 273 II Nr 1 und 2 ZPO den Parteien die Vorlage von Urkunden schlechthin aufzugeben bzw Behörden oder Träger eines öffentlichen Amtes um Mitteilung von Urkunden zu ersuchen. Nach § 423 ZPO ist der Gegner zur Vorlegung der in seinen Händen befindli- 146 chen Urkunden, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat, verpflichtet. Dazu bedarf es eines Antrages des Klägers, jedoch kann das Gericht die Vorlage auch von Amts wegen anordnen. Nach § 425 ZPO kommt es auf die Tatsache, dass der Gegner sich auf Unterlagen bezogen hat, nicht an. Führt der Gegner im Wege der Verhandlungsmaxime private Aufzeichnungen, vertrauliche Mitteilungen oder Briefe in den Prozess ein, so erstreckt sich die prozessuale Vorlagepflicht auch auf diese Schriftstücke. Durch die Einführung in den Prozess ist der Mantel des Geheimnisses ohnehin schon gelüftet. Die Parteien haben es also weitgehend in der Hand, wieweit die prozessuale Vorlagepflicht im Einzelnen geht. Die allgemeine prozessuale Vorlagepflicht ist weiterhin unzureichend aus- 147 gestaltet, weil das Gericht keine Handhabe hat, die Vorlage zu erzwingen. Es kann lediglich Schlüsse aus dem Verhalten der Parteien ziehen, zB die Abschrift einer nicht vorgelegten Urkunde für richtig halten oder beim Fehlen einer Abschrift den vom Beweisführer behaupteten Inhalt der Urkunde als bewiesen ansehen. Diese prozessuale Vorlagepflicht erstreckt sich auch auf Ausländer, die vor ei- 148 nem deutschen Gericht als Parteien auftreten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie sich im Inland oder Ausland aufhalten. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob in ihrem Heimatland eine anders geartete prozessuale Vorlagepflicht besteht. Gleichgültig ist auch, ob sich die vorzulegende Urkunde im Inland oder Ausland befindet; entscheidend ist nur die Verfügungsbefugnis des Vorlageverpflichteten. Für das deutsche Recht ist zweifelhaft, ob Beweismittel im Besitz einer ausländischen Konzerngesellschaft vorzulegen sind, insb ob die inländische Muttergesellschaft wie in den USA verpflichtet ist, Unterlagen einer abhängigen Tochtergesellschaft vorzulegen.210 208 Vgl Schlosser, FS Sonnenberger, S 135, 139ff. 209 So Coester-Waltjen Rz 422; McCormick, On evidence, 3. Aufl 1984, § 314 (S 885ff). 210 Vgl Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, S 260ff.
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149 Im Unterhaltsverfahren kann das Gericht den Parteien aufgeben, Auskunft über ihre Einkünfte zu erteilen und die entsprechenden Belege vorzulegen (§ 235 FamFG). Soweit die Parteien dem nicht Folge leisten, kann das Gericht die Auskünfte nach Maßgabe des § 236 FamFG bei Dritten einholen; für diese besteht im Rahmen der Zeugenpflichten Auskunftszwang (§ 236 IV FamFG). 150 In Schweden besteht nach RB 38:2 st. 1 eine prozessuale Editionspflicht von Urkunden in demselben Umfang wie die prozessuale Verpflichtung, als Zeuge auszusagen.211 Zusätzlich besteht eine materiellrechtliche Vorlagepflicht (RB 38:3) aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses oder bei gemeinschaftlichen Urkunden. 151 Art 248 polnische ZPO kennt eine dem schwedischen Recht vergleichbare Editionspflicht. Die Vorlagepflicht entfällt, wenn der Betroffene hinsichtlich einer Aussage zum Inhalt ein Zeugnisverweigerungsrecht hätte, es sei denn es bestehe hinsichtlich der Urkunde ein Vorlageanspruch oder die Urkunde sei im Interesse der Vorlage begehrenden Partei errichtet.212 152 In Frankreich ist die prozessuale Vorlagepflicht von Urkunden (in Art 132 bis 142 CPC) geregelt. Bezieht sich eine Partei im Prozess auf ein Schriftstück, so verpflichtet sie sich damit, es der Gegenpartei mitzuteilen. Wenn dies nicht geschieht, kann die Vorlage durch den Richter angeordnet werden. Ebenso kann auf Anordnung des Gerichts gem Antrag einer Partei Dritten aufgegeben werden, Urkunden, die sie in Händen haben, vorzulegen. Die Vorlageanordnung kann notfalls zwangsweise durchgesetzt werden. Dies gilt nicht gegenüber Dritten, die einen rechtfertigenden Hinderungsgrund haben.213 Im Falle der Verletzung von Patenten oder sonstigen gewerblichen Schutzrechten steht dem Verletzten weitergehend die saisie-contrafaçon zu (s u § 17 Rz 107). 153 In Italien sieht Art 118 cprc eine „ispezione“ und Art 210 eine „esibizione“ von Urkunden vor. Danach kann das Gericht auf Antrag einer Partei die Vorlage von Urkunden von der Gegenpartei und von Dritten verlangen. Eine solche richterliche Anordnung darf aber nur ergehen, wenn der Beweis nicht auf andere Art und Weise geführt werden kann. Der Gegner und Dritte werden von der Vorlagepflicht befreit, wenn ihnen durch die Vorlage ernsthafter Schaden entstehen könnte oder berufliche Geheimnisse preisgegeben würden. Falls Urkunden von einem Dritten vorgelegt werden sollen, kann das Gericht den Beweisführer auch veranlassen, diesen als Zeugen laden zu lassen.214 Für den Fall der Weigerung, Einsicht in Urkunden zu gewähren, kann eine Geldstrafe von 250 bis 1500 Euro verhängt werden.215 Die Regeln über
211 Vgl Lindell, Schweden, in: Nagel/Bajons, S 550 (Rz 59f). 212 Mokry/Sobkowski, Polen, in: Nagel/Bajons, S 496 (Rz 46). 213 Rouhette, Frankreich, in: Nagel/Bajons, S 190 (Rz 44); vgl Schlosser, FS Sonnenberger, 2004, S 135. 214 Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, S 236. 215 Art 118 III cprc idF des Gesetzes Nr 69/2009. Auskunft von Remo Caponi, Florenz.
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die Beweiskraft der Urkunden sind in den Art 2699–2720 codice civile enthalten.216 In Griechenland ist jede Partei verpflichtet, die Urkunden, auf die sie sich be- 154 ruft, vorzulegen. Auch Dritte sind verpflichtet, die Urkunden, die sie besitzen und die sie zum Beweis benutzen können, vorzulegen, falls nicht ein wichtiger Grund vorliegt, die Vorlage zu verweigern. Ein solcher liegt vor, wenn der Dritte als Zeuge ein Zeugnisverweigerungsrecht hätte (Art 450 gr. ZPO).217 Nach dem LEC von 2000 kann in Spanien jede Partei von der Gegenseite die 155 Vorlage relevanter Urkunden verlangen, die sie selbst nicht besitzt (Art 328 I LEC). Auf Antrag kann das Gericht auch Dritten aufgeben, Urkunden vorzulegen, wenn deren Inhalt für die Urteilsfindung bedeutsam sein könnte (Art 330 I LEC).218 Nach englischem Recht sind die Parteien verpflichtet, einander nach Klageer- 156 hebung die Existenz oder Nichtexistenz einschlägiger Dokumente zu bestätigen (CPR r 31.2). Die Partei, der die Existenz bestätigt wurde, hat grds ein Recht auf Einsicht in das Dokument (CPR r 31.3) (disclosure and inspection of documents).219 Wird „standard disclosure“ begehrt, hat jede Partei der Gegenseite eine übersichtliche Liste der relevanten Dokumente zuzustellen (CPR r 31.10) und dabei zu versichern, dass sie ihrer Pflicht nach bestem Wissen nachgekommen ist (CPR r 31.10 [6] [c]). Auf Antrag kann das Gericht disclosure und inspection spezieller Unterlagen anordnen (CPR r 31.12 specific disclosure or inspection). Wer von seinem Einsichtsrecht Gebrauch macht, hat ein Recht, innerhalb von sieben Tagen nach Zugang der Aufforderung eine Kopie der Dokumente zu erhalten (CPR r 31.15). Vor Klageerhebung kann der Erlass einer disclosure order beantragt werden 157 (CPR r 31.16 [d]), wenn die Aufdeckung wünschenswert ist, um (i) erwartete Verfahren sachgerecht beizulegen, (ii) dazu beizutragen, dass ein Streit ohne Gerichtsverfahren erledigt wird, oder (iii) um Kosten zu sparen. Von Dritten (Nichtparteien) kann eine Offenlegung relevanter Dokumente 158 oder Einsicht vor dem High Court gem Senior Court Act 1981, sec. 34, sec. 53 jeweils in Verfahren „for personal injuries or death“ sowie in einer Reihe weiterer Sonderfälle verlangt werden.220 Einzelheiten des Offenlegungs- und Vorlageverfahrens regelt CPR r 31.17. Ansonsten ist ein Dritter grds nicht zur Vorlage von Unterlagen verpflichtet, sondern muss sein Wissen nur als Zeuge offenbaren („mere witness rule“). Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Dritte ei-
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Vgl Patti, Prova documentale, in: Galgano, Commentario del Codice Civile, 1996. Beys, in: Nagel/Bajons, S 219 (Rz 55). Vgl Schwonke/Tölg, Spanien, in: Nagel/Bajons, S 623 (Rz 49ff). Vgl P. Matthews/H. Malek, Disclosure, 4th ed 2011; Bajons, in: Nagel/Bajons, S 755 (Rz 98ff). 220 Vgl P. Matthews/H. Malek, Disclosure, 4th ed 2011, No 4.53 et seq, 3.31 et seq; Bajons, in: Nagel/Bajons, S 757 (Rz 102).
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ne unerlaubte Handlung der Partei (schuldhaft oder schuldlos) unterstützt hat.221 159 Im US-amerikanischen Recht ist die discovery of documents Teil der umfassenden Discovery-Pflicht (s o Rz 21ff): Seit der Neufassung von 1993 unterscheidet FRCP 26 „initial disclosure“ und „discovery“. Sofern nicht durch Parteien oder local rule ausgeschlossen, hat jede Partei dem Gegner ohne Discovery-Verlangen, spätestens 10 Tage nach dem ersten „meeting of parties“ (Rule 26 [f]) alle Dokumente, Datensammlungen und beweglichen Gegenstände in ihrem Besitz, ihrer Verwaltung oder Kontrolle, die für die streitigen Tatsachen nach den pleadings relevant sind, in Kopie oder zumindest in Beschreibung nach Kategorie und Lageort vorzulegen (Rule 26 [a] [1] [B]). Spätestens 30 Tage vor dem trial ist eine angemessene Identifizierung jedes Dokuments, das die Partei vorlegen will, dem Gegner zu übermitteln (Rule 26 [a] [3] [C]). Soweit nötig sind Angaben und Aufklärung zu ergänzen (Rule 26 [e]). Die Zahl der bereits per „disclosure“ vorzulegenden Dokumente ist nicht beschränkt. 160 Soweit eine Partei die Aufklärung per „initial disclosure“ nicht als ausreichend ansieht, kann sie Einsicht und Kopie jeglicher Dokumente einschließlich von Ausdrucken der Datenspeicherungen etc verlangen (FRCP 34 [a]). Die Unterlagen müssen in der betriebsüblichen Ordnung oder nach den Kategorien des Vorlagebegehrens geordnet vorgelegt werden. Dieses discovery-Begehren kann auch an Dritte (Nichtparteien) gerichtet werden. Auch sie sind zur Vorlage und Einsichtgewährung verpflichtet und können dazu mittels subpoena angehalten werden (FRCP 34 [c], 45). Unterliegt der Dritte nicht der US-amerikanischen Jurisdiktion, so kann die Vorlage nur im Rechtshilfeverfahren erzwungen werden. Zugunsten eines deutschen Dritten greift dann der Vorbehalt des Art 23 HBÜ (s o § 9 Rz 79ff).222 161 Parteien wie Dritte kann eine Schadensersatzhaftung wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Beweisvernichtung treffen.223 162 Eine Zeugenaussage bzw eine Vorlage von Urkunden kann grds nur dann nicht verlangt werden, wenn den betreffenden Personen ein „privilege“ (Aussagebzw Vorlageverweigerungsrecht) zur Verfügung steht. Solche Privilegien gibt es im amerikanischen Recht im Verhältnis des Anwalts zum Mandanten, des Arztes bzw Psychotherapeuten zum Patienten, des Seelsorgers zu Gläubigen, der Ehegatten untereinander, teilweise im Verhältnis des Finanz- oder Steuerberaters zum Auftraggeber. Ein Privileg besteht in einigen Einzelstaaten für Reporter hinsichtlich der Auskunft über ihre Informationsquellen. Überdies braucht sich keine Person bei ihrer Aussage selbst zu belasten – 5th Amendment-privilege against self-incrimination.224
221 N. Andrews, Principles of Civil Procedure, 1994, no 4–009; no 11–038ff; N. Andrews, in: Birks, English Private Law, Vol 2, 2000, no 19.257. 222 Vgl Bolthausen MDR 2006, 1081, 1082. 223 Vgl Nolte RIW 1996, 361. 224 Stiefel/Petzinger RIW 1983, 244.
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In anglo-amerikanischen Prozessen bedienen sich die Parteien häufig der „affi- 163 davits“. Dazu hat der BGH ausgeführt: Die in „affidavits“ beschworenen Erklärungen seien nach der deutschen ZPO keine geeigneten Beweismittel. Der Inhalt der beschworenen Erklärung werde zum Bestandteil des Parteivortrages gemacht; wenn die Gegenseite den Inhalt nicht gegen sich gelten lassen wolle, müsse sie diesen substantiiert bestreiten.225 Das deutsche Recht kannte bisher keine allgemeine prozessuale Aufklärungs- 164 und Urkundenvorlagepflicht. Nach §§ 422, 423 ZPO war der Gegner nur verpflichtet, solche Urkunden vorzulegen, auf die er sich selbst berufen hatte oder hinsichtlich derer die Partei einen Vorlegungsanspruch nach materiellem Recht hatte. Das ist zB der Fall, wenn der Beweisführer Auskunft und Rechnungslegung oder Herausgabe bzw Einsichtnahme verlangen kann (§§ 242, 259 I, 402, 444, 445, 667, 681, 675, 716, 810, 896, 1145 BGB; §§ 45, 46, 47, 87c, 118, 157, 166, 338 HGB; §§ 131, 165, 170 AktG; §§ 39, 50 WG). Diese Beschränkung wurde in der Literatur seit langem kritisiert.226 Der Ge- 165 setzgeber hat diese Kritik teilweise aufgegriffen. Er hat die §§ 422, 425 ZPO zwar unverändert gelassen, in § 142 ZPO aber vorgesehen, dass das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht anordnen kann, „dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden oder sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt“ (§ 142 I 1 ZPO; s o Rz 145). Die Vorlagepflicht der Parteien ist nach dem Gesetz unbegrenzt. Dritte sind dagegen nicht zur Vorlage verpflichtet, soweit sie ihnen nicht zumutbar ist oder ihnen in der Sache ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde (§ 142 II ZPO).227 In der Praxis stellt sich die Frage, ob das Gericht die Vorlage gegen Kostenerstattung anordnen kann. Im Unterhaltsverfahren sind Dritte dagegen gem § 236 FamFG vorlagepflichtig (s o Rz 149). Muss nach dem deutschen IPR ausländisches materielles Recht angewendet 166 werden, richtet sich die materiellrechtliche Vorlagepflicht der Urkunden nach diesem. Da in einigen Staaten die prozessuale Vorlagepflicht soweit ausgedehnt ist, dass für eine materiellrechtliche kein oder kaum Raum bleibt, fragt es sich, ob der deutsche Richter insoweit auf die ausländische prozessuale Vorlagepflicht zurückgreifen darf, dh ob er dem Beweisführer auch dann eine Frist gem § 431 ZPO setzen darf, wenn feststeht, dass eine materiellrechtliche Vorlagepflicht weder für den Gegner noch für den Dritten besteht. ME muss der deutsche Prozessrichter dem inländischen oder ausländischen Beweisführer eine Frist setzen. Es ist dann dessen Sache, sich die Urkunde von einem ausländischen Beklagten oder einem ausländischen Dritten zu besorgen. Gem § 430 ZPO iVm § 424 Nr 5 ZPO kann der Beweisführer als Grund angeben, der Gegner bzw der Dritte seien ihm nach dem ausländischen Prozessrecht zur Vorlage bzw Herausgabe der Urkunde verpflichtet. Das ausländische Prozessrecht könnte durch Vorlage der entsprechenden Vorschriften glaubhaft gemacht wer225 BGH RIW 1985, 155. 226 Vgl Stürner, Die Aufklärungspflicht im Zivilprozess, S 144–146, 325; J. Lang, Die Aufklärungspflicht, S 93ff; Gottwald, Gutachten für den 61. DJT, 1996, A 15ff. 227 Vgl Gruber/Kießling ZZP 116 (2003), 305; Zekoll/Bolt NJW 2002, 3129.
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den. Nach § 434 ZPO könnte die Vorlage der Urkunden in solchen Fällen auch im Wege der internationalen Rechtshilfe erfolgen. 167 In einigen Ländern ist die Pflicht zur Vorlage von Handelsbüchern oder sonstigen Geschäftsunterlagen besonders geregelt, so in Deutschland (§§ 258f HGB) und in den Niederlanden (Art 162 nRV).228
4. Der Beweis durch Augenschein 168 Hinsichtlich des Augenscheinsbeweises treten teilweise dieselben Probleme auf wie bei dem Urkundenbeweis. Nach deutschem Recht gibt es keine allgemeine prozessuale Verpflichtung zur Vorlage von Augenscheinsobjekten. Da nach deutscher Auffassung Gegenstand des Augenscheinsbeweises auch Personen sein können, taucht im Gegensatz zum Urkundenbeweis die Frage nach der Duldung von Besichtigungen, Untersuchungen und medizinischen Eingriffen auf. Eine Pflicht zur Duldung der Augenscheinseinnahme kann das Gericht nach § 144 I 3 ZPO nur anordnen, sofern keine Wohnung betroffen ist. 169 Nach § 372a ZPO bzw § 178 FamFG besteht für jedermann im Rahmen von Abstammungsverfahren (§§ 1591 und 1600a BGB) eine real erzwingbare verfahrensmäßige Duldungspflicht. Diese Pflicht besteht auch für Parteien, die sich im Ausland aufhalten.229 Dabei muss insb die Entnahme von Blutproben zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung hingenommen werden. Die Duldungspflicht ist abgesehen von einer Durchführung nach anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft nur eingeschränkt durch die Fragestellung, ob dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung, nach den Erfolgen ihres Ergebnisses für ihn oder einen nach § 383 I Nr 1 bis 3 ZPO bezeichneten nahen Verwandten, Verlobten oder Ehegatten eine solche ohne Nachteil für seine Gesundheit zugemutet werden kann. Im Gegensatz zu der Vorlageverpflichtung von Augenscheinsobjekten ist die verfahrensmäßige Duldungspflicht also sehr weit ausgedehnt.230 Wer die Untersuchung verweigert, kann, wenn sie wegen des Auslandsaufenthalts nicht erzwungen werden kann, so behandelt werden, als hätte sie ein „positives“ Ergebnis gehabt, zB keine schwerwiegenden Zweifel an der Vaterschaft ergeben.231 170 Das schwedische Recht geht konsequent vor, wenn es neben die weitreichende prozessuale Editionspflicht eine ebensolche Exhibitionspflicht stellt.232 Darüber besteht nach dem Lag (1958:642) om blodundersökning m. m. vid utredning av faderskap eine prozessuale Pflicht für alle in Frage kommenden Personen begründet, eine Blutentnahme bzw eine erbbiologische Untersuchung zu dulden, soweit es um die eheliche oder uneheliche Geburt geht.233
228 229 230 231 232 233
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Granow/Bervoets, in: Nagel/Bajons, S 404 (Rz 29). Stürner JZ 1987, 607. OLG Frankfurt NJW 1979, 1257. BGH NJW 1986, 2371 = JZ 1987, 42 mit Anm Stürner. Lindell, in: Nagel/Bajons, S 552 (Rz 64). OLG Frankfurt NJW 1979, 1257.
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In Polen entspricht die prozessuale Vorlagepflicht von Augenscheinsobjekten der von Urkunden. Nach Art 298 polnische ZPO kann die Einnahme des Augenscheins an einer Person nur mit deren Einverständnis stattfinden.234
171
In Frankreich sieht der CPC die verifications personelles de juge in Art 179–183 172 vor. Danach kann der Richter in allen Streitsachen ähnlich wie beim Augenschein auch ohne Antrag von streitigen Tatsachen persönlich Kenntnis nehmen und die Umstände selbst überprüfen. Der juge de la mise en état kann die verification jederzeit anordnen, Art 144 CPC, um Tatsachen festzustellen, Schätzungen und Wertungen vorzunehmen. Er kann sich auch, wenn nötig, selbst an den betreffenden Ort begeben (Art 179 II CPC). Bei der verification kann sich der Richter durch einen technicien (Sachverständigen) unterstützen lassen und die Parteien und Dritte anhören (Art 181 CPC235). Seit der Reform v 3.1.1972 kann die außereheliche Abstammung in allen Fäl- 173 len gerichtlich festgestellt werden. Durch Gesetz v 8.1.1993 ist die Vaterschaftsfeststellung weiter erleichtert worden. Beim Fehlen einer entsprechenden Geburtsurkunde oder eines entsprechenden Statusbesitzes236 kann die Abstammung mit allen Beweismitteln gerichtlich festgestellt werden, wenn der Kläger Indizien vorbringt, die das behauptete Kindschaftsverhältnis ausreichend wahrscheinlich machen (vgl Art 340 c.c.237). Während der parlamentarischen Debatte über den neuen Art 340 c.c. sind als Beweismittel explizit genannt worden: die vergleichende Blutanalyse, der genetische Fingerabdruck bzw der Vergleich von Gewebeproben. Die Zulässigkeit der genetischen Beweismittel sollte jedoch einem eigenen Gesetzesprojekt, dem Gesetz Nr 2599, vorbehalten werden. Dieses Gesetz ist jedoch nicht erlassen. Der Entwurf dieses Gesetzes sah vor, dass genetische Beweismittel nur mit Einverständnis des Betreffenden und nur auf richterliche Anordnung hin erfolgen können. Andernfalls läge ein Verstoß gegen die grundlegenden Rechte des Menschen vor. Solange dieses Gesetzesprojekt nicht verabschiedet wird, wird man die bisherigen Regeln weiter anwenden müssen. Das Gericht ordnet in der Regel (von Amts wegen oder auf Antrag) Blutgruppenuntersuchungen oder andere medizinisch gesicherte Abstammungsfeststellungen durch Sachverständige an. Die Mitwirkung an den Untersuchungen, insb eine Blutentnahme kann jedoch nicht erzwungen werden. Wird sie verweigert, so kann das Gericht dies frei würdigen.238
234 Mokry/Sobkowski, in: Nagel/Bajons, S 499 (Rz 53). 235 Vgl Fischer, Die Beschleunigungsmechanismen des französischen Zivilprozesses, 1990, S 89f; Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, 7e. éd 2011, no 594 ss; Bangratz DRiZ 1995, 85, 89. 236 Vgl Spellenberg FamRZ 1984, 117, 127 u 239, 240. 237 F. Granet, Filiation Naturelle, Recherche de paternité, Juris-Classeur Civil Art 340 fasc. 36, no 16 ss, 48 ss; Ferrand, Die Entwicklung des französischen Kindschaftsrechts, in: Schwab/Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 1994, S 41, 48. 238 Frank FamRZ 1995, 975, 976.
537
§ 10
Internationales Beweisrecht
174 In Italien sehen Art 118, 210 cprc nicht nur eine allgemeine prozessuale Vorlagepflicht von Urkunden und Augenscheinsobjekten vor,239 sondern es wird darüber hinaus zugleich eine allgemeine prozessuale Pflicht für jedermann begründet, körperliche Untersuchungen zu dulden. Es darf aber durch solche Untersuchungen kein Amts- oder Berufsgeheimnis verletzt werden. Diese an sich weitreichende Vorlagepflicht erweist sich allerdings insoweit als Illusion, als gegenüber den Prozessparteien keine Möglichkeit besteht, die richterliche Anordnung zu erzwingen. Dritten Personen gegenüber kann das Gericht wegen Verweigerung der Einsicht zwar eine Geldstrafe (bis zu 5,16 Euro) verhängen. Diese ist aber so gering, dass sie praktisch keine Sanktion darstellt. Die italienische Lösung gleicht der französischen insoweit, als bei der körperlichen Untersuchung auf die Würde der Person besondere Rücksicht genommen werden muss (Art 260 cprc spricht von „garantire il rispetto della persona“). Im Übrigen bestehen die Vorlagepflicht und die Verpflichtung, Untersuchungen zu dulden, nur soweit diese „für die Kenntnis der Tatsachen des Rechtsstreits unerlässlich erscheint“ (Art 118 I cprc). 175 In Griechenland muss eine Partei oder ein Dritter die Augenscheinseinnahme dulden. Es muss dabei Rücksicht auf die Gesundheit und die Würde der Person genommen werden (Art 362 griech. ZPO). Im Übrigen besteht für die Parteien und für Dritte eine prozessuale Vorlagepflicht von Augenscheinsobjekten (Art 361–367 griech. ZPO). Aus wichtigem Grunde kann die Vorlage verweigert werden. Besteht kein solcher Grund, kann das Gericht die zwangsweise Wegnahme einer Sache oder den gewaltsamen Zugang anordnen. Die persönliche Untersuchung kann nur indirekt erzwungen werden.240 176 Das neue spanische Recht kennt für Augenscheinsobjekte ebenso eine prozessuale Vorlagepflicht wie für Urkunden (Art 353 LEC). Für den Nachweis der Vaterschaft oder Mutterschaft können auch körperliche Untersuchungen angeordnet werden.241 177 Im englischen Recht ist der Unterschied zwischen der allgemeinen prozessualen Vorlagepflicht von Urkunden und der von Augenscheinsobjekten besonders stark. Das Gericht hat die Befugnis, jedes Grundstück oder jede bewegliche Sache zu besichtigen, soweit dies zur Streitentscheidung erforderlich ist.242 178 Nach sec. 62 Police and Criminal Evidence Act 1984 können zwar Blut-, Haaroder andere Körperproben von Angeklagten genommen werden. Dieses Gesetz gilt allerdings nur für Strafverfahren. Nach dem Family Law Reform Act von 1969, ss. 20–23, kann das Gericht eine Untersuchung zur Vaterschaftsfeststellung zwar anordnen, sie aber nicht erzwingen. Irgendwelche Zwangsmaßnahmen dürfen nicht ergriffen werden. Aus einer unbegründeten Weigerung kön-
239 240 241 242
538
Vgl Chizzini/Bajons, in: Nagel/Bajons, S 317 (Rz 67ff, 71f). Beys, in: Nagel/Bajons, S 223 (Rz 62ff). Schwonke/Tölg, in: Nagel/Bajons, S 631 (Rz 65ff). Garrett, in: Nagel/Bajons, S 717 (Rz 50); vgl auch Lang, Aufklärungspflicht, S 195ff.
Die einzelnen Beweismittel
§ 10
nen lediglich nachteilige Schlüsse auf das Verhalten der betreffenden Person gezogen werden.243 In den USA sind Ortsbesichtigungen eine allgemeine Methode des discovery- 179 Verfahrens (FRCP 26 [a] [5]). Jede Partei kann vom Gegner die Erlaubnis zum Zutritt zu bestimmten Grundstücken oder sonstigem Eigentum in seinem Besitz oder seiner Kontrolle verlangen, „for the purpose of inspection and measuring, surveying, photographing, testing, or sampling the property or any designated object or operation thereon …“.
All dies ist im Rahmen von FRCP 26 (b) zulässig, also um jede irgendwie für den Prozess relevante Sachaufklärung zu betreiben (FRCP 34 [a]). In dem Antrag sind die zu besichtigenden Gegenstände konkret oder nach Kategorien zu beschreiben sowie Zeit, Ort und Art und Weise der Besichtigung anzugeben. Ohne gerichtliche Erlaubnis darf der Antrag dem Gegner nicht vor dem ersten Treffen der Anwälte („meeting of parties“ nach FRCP 26 [f]) zugestellt werden (FRCP 34 [b]). Etwaige Einwendungen hat der Gegner innerhalb von 30 Tagen nach Zustel- 180 lung des Begehrens vorzubringen (FRCP 34 [b] 2. Absatz). Der Antragsteller kann dann ggf eine gerichtliche disclosure order und den Erlass von Sanktionen beantragen (FRCP 34 [b]; 37 [a] [B]). Die Konzentration auf das „trial“ und die Beteiligung der jury auch in Zivilsachen haben zur Folge, dass ein Augenschein durch Ortsbesichtigung durch das Gericht praktisch nicht stattfindet. Ortsbesichtigungen für den US-amerikanischen Prozess in Deutschland kön- 181 nen nur im Wege des Rechtshilfeverfahrens nach dem HBÜ erfolgen (s o § 9 Rz 38ff). Anders als im deutschen Prozess sind an der Ortsbesichtigung nur die Parteien und ihre Anwälte beteiligt. Die Ergebnisse der Besichtigung sind notfalls in das trial einzuführen. Eine Ortsbesichtigung durch das Gericht findet nicht statt. Allgemeine discovery-Methode ist schließlich die körperliche und geistige Un- 182 tersuchung einschließlich der Feststellung der Blutgruppe (FRCP 26 [a] [5] 35). Auf Antrag kann das Gericht anordnen, dass sich die Partei einer entsprechenden Untersuchung durch eine zugelassene und erfahrene Untersuchungsperson zu unterziehen oder eine Person in ihrer Obhut oder Kontrolle dem Untersucher vorzuführen hat. Auch ein Verstorbener kann untersucht werden.244 Die Untersuchungspflicht erstreckt sich – von sorgebefohlenen Kindern abgesehen – nicht auf Dritte. Den Bericht erhält der Antragsteller; die untersuchte Partei kann eine Kopie verlangen. Beide Seiten können auch Kopien früherer Untersuchungen zum gleichen Fragenkreis verlangen.
243 Phipson, On Evidence, 17th ed 2010, No 15-33 (DNA-evidence); Garett (Fn 234) Rz 51. 244 In re Certain Asbestos Cases, NDTex. 1986, 112 FRD 427.
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§ 10
Internationales Beweisrecht
Lässt sich die Partei nicht untersuchen, kann das Gericht Sanktionen nach FRCP 37 (b) (2) beschließen: (1) die streitige Tatsache kann als bewiesen angesehen werden; (2) die ungehorsame Partei kann mit den entsprechenden Verteidigungsmitteln ausgeschlossen werden; (3) Pleadings können ganz oder teilweise gestrichen oder ein Versäumnisurteil kann erlassen werden. Außerdem kann Kostenerstattung angeordnet werden. Contempt of court-Sanktionen sind dagegen ausdrücklich ausgeschlossen. Unmittelbarer Zwang kann nicht geübt werden. 183 Die Beweisregeln der Einzelstaaten enthalten meist Sonderregeln über „blood tests to determine paternity“. Erfasst sind alle einschlägigen Untersuchungsmethoden, nicht nur Blutgruppentests. Für Kalifornien s zB Family Code sec. 7550–7557 (in Kraft seit 1.1.1994). Danach kann das Gericht von Amts wegen oder auf Anregung eines Betroffenen („upon its own motion or upon suggestion made by or on behalf of any person whose blood is involved“) anordnen, dass sich Mutter, Kind und der Mann, dessen Vaterschaft behauptet wird, „blood tests“ zu unterziehen haben. Cal. Family Code sec. 7551 Satz 2 lautet: „If a party refuses to submit to the tests, the court may resolve the question of paternity against that party or enforce its order if the rights of others and the interests of justice so require. A party’s refusal to submit to the tests is admissible in evidence in any proceeding to determine paternity.“
Das Gericht bestellt den oder die Sachverständigen. Jede Partei kann weitere, unabhängige Untersuchungen verlangen (FC sec. 7552). Kommen die Sachverständigen zu einem negativen Ergebnis, ist die Klage abzuweisen. Kommen die Sachverständigen zu unterschiedlichen Ergebnissen oder ergeben die Tests nur eine Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft, so muss über die Vaterschaft unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden (FC sec. 7554 [b]). 184 Den Uniform Act on Paternity 1960, der entsprechende Regeln für die Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft enthält, haben nur wenige Staaten übernommen. 18 Staaten folgen dem Uniform Parentage Act 1973, der die Vaterschaftsfeststellung für jeden Fall regelt und in § 11 „blood tests“ vorsieht. Auf deren Grundlage kann die Klage abgewiesen oder dem Mann vom Richter die vergleichsweise Anerkennung der Vaterschaft empfohlen werden (§ 13), worauf Anerkenntnisurteil ergeht. Ein Trial findet nur statt, wenn die Klage nicht auf diese Weise erledigt werden kann. 185 Wendet der Beklagte Mehrverkehr ein, so ist dieser Einwand nur beachtlich, wenn er sich selbst den „blood tests“ unterzogen hat. Wird ein konkreter Dritter benannt, der der Jurisdiktion des Gerichts unterliegt, so soll er ebenfalls zum Beklagten gemacht werden (§ 14 [c] Uniform Parentage Act). Insgesamt kann das Gericht bei Weigerung des Beklagten idR die Vaterschaft als erwiesen ansehen (so etwa auch New Jersey Parentage Act, sec. 14) oder
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Die einzelnen Beweismittel
§ 10
das Gericht kann contempt of court-Sanktionen, zB Bußgeld oder Beugehaft,245 anordnen. Eine zwangsweise Untersuchung wäre nach der US-Verfassung wohl nicht unzulässig, sie ist aber bisher in der Praxis anscheinend nie direkt erzwungen worden. Solche unterschiedlichen Auffassungen insb hinsichtlich der körperlichen Un- 186 tersuchung und körperlicher Eingriffe führen dazu, dass die lex fori ausschließlich zuständig ist. Das hat zur Folge, dass auch Ausländer in dem einen Land Blutentnahmen und andere Tests dulden müssen, sie sogar zwangsweise dazu vorgeführt werden können, dass in anderen Ländern entweder gar keine prozessuale Verpflichtung besteht, solche Untersuchungen zu dulden, oder dass Verpflichtungen bestehen, die letztlich nicht erzwungen werden können. Da die Verpflichtung, körperliche Untersuchungen zu dulden, nicht materiellrechtlich gelöst ist, kann insoweit nicht über das IPR auf ausländisches materielles Recht zurückgegriffen werden. Soweit die Vorlagepflicht von Augenscheinsobjekten auf materiellem Recht beruht, kann das entsprechende ausländische Recht angewendet werden, sofern es nach dem IPR maßgebend ist (s o Rz 35, 144ff, 164ff).
5. Der Beweis durch Sachverständige Die Abgrenzung des Zeugen- von dem Sachverständigenbeweis muss den ein- 187 zelnen Prozessrechten entnommen werden. Vielfach besteht darüber bereits innerhalb eines Landes keine völlige Klarheit. Die Annäherung des Sachverständigen an den Zeugen ist im anglo-amerikanischen Recht am stärksten ausgeprägt: der Sachverständige (Expert-witness) wird wie ein Zeuge in der Regel mündlich vernommen und von einer der Parteien präsentiert. Sachverständige werden in den USA grds wie Zeugen behandelt und von den 188 Parteien gestellt (expert witness). Ein Sachverständiger kann aber über wissenschaftliche, technische oder andere Fragen eines Spezialwissens in der Form eines Gutachtens („opinion“) aussagen (Fed.R.Ev. 702, 705). Das Gericht kann auch auf Antrag oder von Amts wegen einen gerichtlichen Sachverständigen bestellen (FRE 706), doch geschieht dies nur selten. Entsprechende Regeln finden sich auch in den Prozessordnungen der Einzelstaaten, zB Cal. Evidence Code §§ 801, 802. Zu Abstammungsuntersuchungen s o Rz 168ff, 182f. Die neuen CPR haben den Sachverständigenbeweis in England der kontinenta- 189 len Konzeption angenähert. Nach CPR r 35.4 kann kein Sachverständiger ohne gerichtliche Genehmigung präsentiert werden. Das Gericht kann sogar die Vorlage eines gemeinsamen Sachverständigengutachtens anordnen (CPR r 35.7, 35.8) und damit konkurrierende Parteigutachten ausschalten.246 Wenn nach § 402 ZPO für den Beweis durch Sachverständige im deutschen Zi- 190 vilprozess die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend gel245 S.S. v E.S., 578 A. 2d 381, N.J.Super.A.D. 1990. 246 Andrews, in: Birks, English Private Law, Vol 2, 2000, No 19.132; Zuckerman, On Civil Procedure, 2nd ed 2006, para 20.50 et seq; Wagner ZEuP 2001, 241, 506ff.
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§ 10
Internationales Beweisrecht
ten, so werden für den Sachverständigen doch sehr wesentliche Ausnahmen gemacht. Die Auswahl der Sachverständigen erfolgt durch das Prozessgericht (§ 404 I 1 ZPO), während das nach dem anglo-amerikanischen Recht fast ausschließlich Sache der Parteien ist. Der Sachverständige kann aus denselben Gründen abgelehnt werden wie ein Richter (§ 406 ZPO). Grds kann nur eine konkrete Person, kein „Institut“ zum Gutachter bestellt werden. Behörden und Ausschüsse können nur dann Gutachter sein, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist (zB gem §§ 192ff BauGB, § 23 PatG, § 58 MarkenG).247 Im Gegensatz zum Zeugen besteht für den Sachverständigen keine allgemeine prozessuale Verpflichtung, als solcher für das Gericht tätig zu werden. Die Pflicht, Gutachten zu erstatten, ist vielmehr im Einzelnen in § 407 ZPO festgelegt. 191 Das schwedische Recht unterscheidet öffentliche Sachverständige (Personen oder Institutionen), die vom Gericht bestellt werden (RB 35:6, 40:1) und private Sachverständige (RB 40:19), die ihr Gutachten im Parteiauftrag fertigen, wie Zeugen vernommen und für ihr Gutachten von der Partei bezahlt werden.248 192 In Frankreich hat der CPC eine Änderung der Rechtslage gebracht. Gem Art 232 kann das Gericht jede Person seiner Wahl als Sachverständigen bestimmen. Da die ausgewählte Person die Übernahme des Amtes, als Sachverständige tätig zu werden, ablehnen kann (Art 235 CPC), gibt es auch in Frankreich keine allgemeine prozessuale Pflicht, die Aufgabe eines Sachverständigen zu übernehmen. Es ist nicht mehr vorgeschrieben, dass nur Franzosen Sachverständige sein können. Die Sachverständigen können aus denselben Gründen wie ein Richter abgelehnt werden (Art 234 I CPC). Je nach Schwierigkeit der zu klärenden Tatfrage wird zwischen Feststellungen (constatation), Befragung (consultation) und Gutachten (expertise) unterschieden (Art 249 bis 284 CPC249). 193 In Italien wird bei den Gerichten eine Liste der Sachverständigen geführt. Die Liste wird von einem Kommissar unter Mitwirkung von Vertretern der Berufsgenossenschaften aufgestellt. Das Gericht wählt Sachverständige grds aus dieser Liste aus. Die ausgewählte Person muss die ihr übertragene Aufgabe annehmen.250 Danach gibt es eine prozessuale Verpflichtung, die Aufgaben eines Sachverständigen zu übernehmen, nur für die auf der Liste verzeichneten Personen. Daneben gibt es auch den Parteisachverständigen, der zu den Untersuchungen und Ergebnissen des gerichtlichen Sachverständigen Stellung nehmen kann.251 194 Nach spanischem Recht kann jede natürliche oder juristische Person Sachverständiger sein. Auch kulturelle oder wissenschaftliche Einrichtungen oder
247 248 249 250 251
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Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 121 Rz 17. Lindell, in: Nagel/Bajons, S 554 (Rz 69ff). Vgl Bangratz DRiZ 1995, 85, 90f; Rouhette, in: Nagel/Bajons, S 192 (Rz 48ff). Chizzini/Bajons, in: Nagel/Bajons, S 322 (Rz 74). Chizzini/Bajons, in: Nagel/Bajons, S 323 (Rz 75).
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Akademien können als Sachverständiger bestellt werden, die dann ihrerseits eine konkrete Person benennen (Art 340 LEC). Nach Art 336 LEC kann jede Partei unabhängig von der anderen ein Privatgutachten einholen und mit der Klage oder Klageerwiderung dem Gericht vorlegen. Jede Partei kann stattdessen auch die Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen beantragen (Art 339 LEC). Einigen sich die Parteien nicht auf einen bestimmten Sachverständigen, bestimmt ihn das Gericht wie in Italien aus einer Sachverständigenliste.252 In den Niederlanden kann das Gericht nach Art 194 I nRV eine Untersuchung 195 oder eine Begutachtung durch einen Sachverständigen durch Zwischenurteil auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen anordnen.253 Seit 2001 sieht das Gesetz auch vor, dass jede Partei ein Privatgutachten vorlegen und das Gericht den Privatgutachter notfalls persönlich anhören kann (Art 200 nRV).254 Art 280 polnische ZPO nähert die Verpflichtung, Gutachten zu erstellen, der 196 Verpflichtung an, als Zeuge aussagen zu müssen. Der Sachverständige kann nämlich die ihm auferlegte Verpflichtung aus den Gründen ablehnen, die einen Zeugen zur Verweigerung der Aussage berechtigen; außerdem auch wegen eines Hinderungsgrundes, der ihm die Erstellung des Gutachtens unmöglich macht.255 Nach der griechischen ZPO müssen Personen, die als Sachverständige in eine 197 Liste eingetragen sind, sowie diejenigen, die einen Beruf ausüben, zu dessen Bereich der Gegenstand des Sachverständigenbeweises gehört, die ihnen durch Gerichtsentscheidung übertragenen Aufgaben erfüllen.256 Da die prozessuale Verpflichtung, als Sachverständiger tätig zu werden, in den 198 verschiedenen Staaten mit erheblichen Unterschieden ausgestattet ist, kann wiederum nur die lex fori darüber entscheiden, wer verpflichtet ist, die Aufgaben eines Sachverständigen zu übernehmen, in welcher Weise Sachverständige bestellt werden, in welcher Art und Weise sie ein Gutachten zu erstellen bzw vor Gericht auszusagen haben. Die lex fori entscheidet auch darüber, ob die Sachverständigen die Befugnis haben, Fragen an die Parteien oder Zeugen zu stellen. Auch die Haftung des Sachverständigen für fehlerhafte Gutachten unterscheidet sich je nach der lex fori.257
199
Jeder Ausländer, der sich im Inland aufhält und die Voraussetzungen des § 407 200 ZPO erfüllt, unterliegt der prozessualen Verpflichtung in eben dem Maße wie ein deutscher Staatsangehöriger. Etwas anderes gilt nur, wenn der Ausländer
252 253 254 255 256 257
Schwonke/Tölg, in: Nagel/Bajons, S 627 (Rz 58ff). Granow/Bervoets, in: Nagel/Bajons, S 410 (Rz 38f). Granow/Bervoets (Fn 245) Rz 40. Vgl Mokry/Sobkowski, in: Nagel/Bajons, S 501 (Rz 56). Beys, in: Nagel/Bajons, S 225 (Rz 68). Vgl P. Jung, Die deliktische Haftung von Prozesssachverständigen, ZVglRWiss 107 (2008), 32 (Deutschland, England, Frankreich).
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§ 10
Internationales Beweisrecht
sich nicht im Inland aufhält. Danach kann sich zB ein in Deutschland lebender Schwede nicht darauf berufen, nach seinem Recht gebe es keine prozessuale Verpflichtung, dem Gericht als Sachverständiger zu dienen.258 201 Zum Beweis ausländischen Rechts durch Sachverständige s u § 11 Rz 34ff.
258 Hinsichtlich des technischen Sachverständigen vgl Nicklisch, in: Habscheid, Effektiver Rechtsschutz 1978, S 291–344.
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§ 11 Die Behandlung ausländischen Rechts Inhaltsübersicht I. Rechtshilfeverträge 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Londoner Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.1968 und Auslands-Rechtsauskunftsgesetz . . 2 3. Deutsch-marokkanischer Vertrag über Rechtshilfe und Rechtsauskunft vom 29.10.1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das besondere Beweisverfahren für ausländisches Recht. . . . 5. Der Sachverständigenbeweis über ausländisches Recht . . . . . 6. Die Ermittlung ausländischen Rechts im Versäumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14 15 27 29 34
7. Ausländisches Recht und einstweiliger Rechtsschutz . . . . 41 8. Nichtfeststellbarkeit ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 45 9. Die Revisibilität ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Die Ermittlung ausländischen Rechts in anderen Staaten 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Frankreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 67 72 75 76 79 81 82 83 84 85 87
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I. Rechtshilfeverträge 1. Schrifttum Jastrow, Zur Ermittlung ausländischen Rechts: Was leistet das Londoner Auskunftsübereinkommen in der Praxis?, IPRax 2004, 402; MüKo/Prütting, 4. Aufl 2012, § 293 ZPO Rz 35ff; Otto, Die gerichtliche Praxis mit dem Europäischen Übereinkommen von 1968, FS Firsching, 1985, S 209; Otto, Das Europäische Übereinkommen vom 7.6.1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht – im Abseits?, Jahrb. f. ital. Recht 7 (1994), 233; Remien, Jura novit curia und die Ermittlung fremden Rechts im europäischen Rechtsraum der Art 61ff EGV, in Aufbruch nach Europa, 2001, S 617; B. Rodger/J. van Doorn, Proof of Foreign Law: The Impact of the London Convention, ILCQ 46 (1997), 151; Schellack, Selbstermittlung oder ausländische Auskunft unter dem europäischen Rechtsauskunftsübereinkommen, 1998; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl 2002, § 293 Anhang (Rz 80–129); A. Wolf, Das Europäische Übereinkommen vom 7.6.1968 betr. Auskünfte über ausländisches Recht, NJW 1975, 1583.
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1
§ 11
Die Behandlung ausländischen Rechts
2. Londoner Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.19681 und AuslandsRechtsauskunftsgesetz2 2
Auf Ersuchen des Gerichts eines Vertragsstaats verpflichten sich alle anderen Vertragsstaaten, Auskünfte über ihr Recht in Zivil- und Handelssachen zu geben. Sie haben damit nicht nur die völkerrechtliche Verpflichtung übernommen, solche Auskünfte kostenlos zu erteilen, sondern auch einen entsprechenden Apparat dafür aufzubauen.3
3
Außer Deutschland sind Vertragsstaaten: Albanien (18.8.2001), Aserbaidschan (27.9.2000), Belgien, Bulgarien, Costa Rica, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien (19.6.1999), Griechenland, Großbritannien, Island, Italien, Lettland (6.11.1998), Liechtenstein, Litauen (17.1.1997), Luxemburg, Malta, Mazedonien (16.4.2003), Mexiko (22.5.2003), Moldau (15.6.2002), Montenegro (3.6.2006), Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, Schweden, die Schweiz, Serbien (31.8.2002), die Slowakei (6.3.1997), Slowenien (2.7.1998), Spanien, die Tschechische Republik (25.9.1998), Türkei, Ukraine, Ungarn, Weißrussland (3.10.1997), Zypern.
4
Zu dem Übereinkommen besteht ein Zusatzprotokoll v 15.3.1978,4 dessen Kapitel II für Deutschland nicht verbindlich ist. Dieses Protokoll erstreckt den Anwendungsbereich des Übereinkommens auf Strafsachen.
5
Nach Art 3 muss das Ersuchen um Auskunftserteilung immer von einem Gericht ausgehen, auch wenn dieses das Ersuchen nicht selbst abgefasst hat. Nach Art 3 des Zusatzprotokolls kann das Auskunftsersuchen im Rahmen eines Prozesskostenhilfe- oder Rechtsberatungsverfahrens auch von einer anderen dafür zuständigen Stelle gestellt werden; das Ersuchen kann auch ein erst in Aussicht genommenes Verfahren betreffen.
6
Art 4 verlangt die Angabe der Punkte, zu denen eine Auskunft über das Recht des ersuchten Staats gewünscht wird. Dazu hat das Ersuchen eine Darstellung des Sachverhalts mit Angaben zu enthalten, die zum Verständnis des Ersuchens und zu seiner richtigen und genauen Beantwortung erforderlich sind. Schriftstücke können in Abschrift beigefügt werden, wenn dies zum besseren Verständnis des Ersuchens notwendig ist.
7
Diese Vorschrift sollte auch bei Ersuchen an ein wissenschaftliches Institut in der Bundesrepublik Deutschland allgemein von den Gerichten beachtet werden. Ohne eine hinreichend klare Darstellung des Sachverhalts kann keine befriedigende Auskunft über ausländisches Recht erteilt werden. Größte Sorgfalt bei der Ausarbeitung dieses Sachverhalts ist ebenso wichtig, wie zB die Aufzählung der Fragen, die an einen im Wege der internationalen Rechtshilfe zu vernehmenden Zeugen gestellt werden sollen.
1 2 3 4
BGBl 1974 II, 938; abgedruckt in Jayme/Hausmann, Nr 200. BGBl 1974 I, 1433; Jayme/Hausmann, Nr 200a. A. Wolf NJW 1975, 1584. BGBl 1987 II, 58.
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Rechtshilfeverträge
§ 11
Art 4 III enthält eine weitergehende wichtige Bestimmung. Danach kann zur 8 Ergänzung im Ersuchen Auskunft auch zu solchen Punkten erbeten werden, die andere als Zivil- oder Handelsrecht betreffende Rechtsgebiete angehen, sofern diese Punkte mit denen im Zusammenhang stehen, auf die sich das Ersuchen in erster Linie bezieht. Nach Art 5 ist der unmittelbare Weg von dem ersuchenden Gericht an die in 9 jedem Vertragsstaat einzurichtende Empfangsstelle des ersuchten Staats eröffnet. Art 7 umschreibt den Zweck der Antwort dahin, „das Gericht, von dem das Er- 10 suchen ausgeht, in objektiver und unparteiischer Weise über das Recht des ersuchten Staats zu informieren“. Dabei sollen der Wortlaut der Gesetze und die einschlägigen Gerichtsentscheidungen angegeben werden. Diese Antwort bindet das ersuchende Gericht aber ausdrücklich nicht (Art 8). Dadurch soll vermieden werden, dass der falsche Anschein einer authentischen Interpretation entsteht.5 Ausnahmen von der Pflicht zur Beantwortung von Ersuchen bestehen dann, wenn Interessen berührt werden, die geeignet sind, die Hoheitsrechte oder die Sicherheit des ersuchten Staats zu gefährden. Otto und Rodger/van Doorn halten die praktischen Erfahrungen für sehr positiv,6 da die Auskunft kostenlos und relativ schnell erteilt wird. Wenn Geisler dem BGH vorwirft, dass er mit seiner Forderung nach dem 11 Strengbeweis sich in Widerspruch setze zu dem Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht, so ist es zwar richtig, dass nach § 4 AuRAG die Vernehmung einer Person, die ein Auskunftsersuchen in einem anderen Vertragsstaat bearbeitet hat, zum Zwecke der Erläuterung oder Ergänzung der Antwort unzulässig ist. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Einholung solcher Auskünfte ebenfalls unter den Freibeweis fällt.
3. Deutsch-marokkanischer Vertrag über Rechtshilfe und Rechtsauskunft vom 29.10.19857 Nach Art 18 übermitteln sich das Bundesjustizministerium und das Justiz- 12 ministerium des Königreichs Marokko gegenseitig Auskünfte über Gesetze, Gerichtsentscheidungen und sonstige Rechtsauskünfte in Zivil- und Handelssachen. Auch die Gerichte beider Staaten können über diese Ministerien von den zu- 13 ständigen Stellen im anderen Staat Auskünfte über das Zivil- und Handelsrecht sowie das Verfahrensrecht und die Gerichtsverfassung in diesen Gebieten einholen (Art 19, 20). Formelle Anforderungen an Auskunftsersuchen sind in den Art 21, 22 vorgesehen. Die Antwort soll in „objektiver Weise“ gegeben werden; gesetzliche Bestimmungen und Gerichtsentscheidungen sind beizufü-
5 A. Wolf NJW 1975, 1586. 6 Jb. ital. Recht 7 (1994), S 233, 238; I.C.L.Q. 46 (1997), 151, 165. 7 BGBl 1988 II, 1054; abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 201.
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§ 11
Die Behandlung ausländischen Rechts
gen (Art 23). Die Antwort ist kostenfrei (Art 26). Sie bindet das anfragende Gericht nicht (Art 24).
II. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum 14
Adamczyk, Die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts, 1999; M. Aden, Revisibilität des kollisionsrechtlich berufenen Rechts, RIW 2009, 475; M. Artz, Kollisionsrecht und ausländisches Recht in spanischen und deutschen Zivilverfahren, 2004; Bendref, Gerichtliche Beweisbeschlüsse zum ausländischen und internationalen Privatrecht, MDR 1983, 892; Dethloff, Ausländisches Wettbewerbsrecht im einstweiligen Rechtsschutz, RabelsZ 62 (1998), 286; F. Eichel, Die Revisibilität ausländischen Rechts nach der Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO, IPRax 2009, 389; C. Esplugues/J.L. Iglesias/G. Palao, Application of foreign law, 2011; R. Fentiman, Foreign law in English Courts, 1998; A. Flessner, Diskriminierung von grenzüberschreitenden Rechtsverhältnissen im europäischen Zivilprozess, ZEuP 2006, 737; Fuchs, Die Ermittlung ausländischen Rechts durch Sachverständige, RIW 1995, 807; Geisler, Zur Ermittlung ausländischen Rechts durch „Beweis“ im Prozess, ZZP 91 (1978), 91, 176; R. Hausmann, Pleading and proof a foreign law – a comparative analysis, EuLF 1-2008, I-1; Hartley, Pleading and proof of foreign law: The major European systems compared, ICLQ 45 (1996), 271; W. Hau, Gerichtssachverständige in Fällen mit Auslandsbezug, RIW 2003, 822; P. Hay/G. Hampe, Nichtermittelbarkeit ausländischen Rechts und Forum Non Conveniens, RIW 1998, 760; Heldrich, Probleme bei der Ermittlung ausländischen Rechts in der gerichtlichen Praxis, FS Nakamura, 1996, S 243; Hess/Hübner, Die Revisibilität ausländischen Rechts nach der Neufassung des § 545 ZPO, NJW 2009, 3232; Hetger, Die Ermittlung ausländischen Rechts, FamRZ 1995, 654; M. Jäntera-Jareborg, Foreign Law in National Courts, Rec.d.Cours 304 (2003), 181; Jansen/Michaels, Die Auslegung und Fortbildung ausländischen Rechts, ZZP 116 (2003), 3; H. U. Jessurun d’Oliveira, Foreign law in summary proceedings, Essays in honour of Voskuil, 1992, S 119; Kerameus, Revisibilität ausländischen Rechts, ein rechtsvergleichender Überblick, ZZP 99 (1986), 166; Kindl, Ausländisches Recht vor deutschen Gerichten, ZZP 111 (1998), 177; Krause, Ausländisches Recht und deutscher Zivilprozess, 1990; Küster, Zur richterlichen Ermessensausübung bei der Ermittlung ausländischen Rechts, RIW 1998, 275; Lindacher, Zur Mitwirkung der Parteien bei der Ermittlung ausländischen Rechts, FS Schumann, 2001, S 283; Lindacher, Zur Anwendung ausländischen Rechts, FS Beys, 2003, 909; Mankowski/Kerfack, Arrest, einstweilige Verfügung und die Anwendung ausländischen Rechts, IPRax 1990, 372; Merryman, Foreign law as a problem, Stan.J.Int’L 19 (1983), 151; Müller, Zur Nichtfeststellbarkeit des kollisionsrechtlich berufenen ausländischen Rechts, NJW 1981, 481; J. Müller, Die Behandlung ausländischen Rechts im Zivilverfahren, 2011; H. Ost, EVÜ und fact doctrine, 1996; Otto, Der verunglückte § 293 ZPO und die Ermittlung ausländischen Rechts durch „Beweiserhebung“, IPRax 1995, 299; Otto, Missstände in der deutsch-italienischen Praxis des Europäischen Übereinkommens, Jahrb.f.ital. Recht 8 (1995), 229; P. Picone, Die „Anwendung“ einer ausländischen „Rechtsordnung“ in Forumstaat, Liber amicorum Siehr, 2000, S 569; Ponsard, L’office du juge et l’application du droit étranger, Rev crit 79 (1990), 607; Prütting, Ermittlung und Anwendung von ausländischem Recht in Japan und Deutschland, FS Ishikawa, 2001, S 397; Remien, Jura novit curia und die Ermittlung fremden Rechts im europäischen Rechtsraum nach Art 61ff EGV, in: Aufbruch nach Europa, 75 Jahre MPI für Privatrecht, 2001, S 617; Th. Rogoz, Ausländisches Recht im deutschen und englischen Zivilprozess, 2008; Schilken, Zur Rechtsnatur der Ermittlung ausländischen Rechts nach § 293 ZPO, FS Schumann, 2001, S 373; Schütze, Ausländisches Recht als beweisbedürftige Tatsache, NJW 1965, 1652; Schütze, Feststellung und Revisi-
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§ 11
bilität europäischen Rechts im deutschen Zivilprozess, Symposium Baur, 1992, S 93; S. Schwung, Das Ersatzrecht bei einem Verstoß des ausländischen Rechts gegen den ordre public, RabelsZ 49 (1985), 407; Sommerlad/Schrey, Die Ermittlung ausländischen Rechts im Zivilprozess und die Folgen der Nichtermittlung, NJW 1991, 1377; Spickhoff, Fremdes Recht vor inländischen Gerichten: Rechts- oder Tatfrage, ZZP 112 (1999), 265; Spickhoff, Die neue Sachverständigenhaftung und die Ermittlung ausländischen Rechts, FS Heldrich, 2005, S 419; Stürner, Parteidisposition über das anwendbare Recht im europäischen Zivilprozess?, FS U. Weber, 2004, S 589; F. Sturm, Wegen Verletzung fremden Rechts sind weder Revision noch Rechtsbeschwerde zulässig, JZ 2011, 74; F. Sturm, Erforschung und Beweis fremden Rechts, FS Pannier, 2010, S 197; H. D. Tebbens, New Impulses for the Ascertainment of Foreign Law in Civil Proceedings: A Question of (inter)networking?, Liber amicorum Siehr, 2010, S 635; Theiss, Feststellung ausländischen Rechts im italienischen Zivilprozess, IPRax 1987, 193; C. Trautmann, Ausländisches Recht vor deutschen und englischen Gerichten, ZEuP 2006, 283; C. Trautmann, Europäisches Kollisionsrecht und ausländisches Recht im nationalen Zivilverfahren, 2011; P. de Vareilles-Sommières, Glossaire de l’application judiciaire de la loi étrangère, Études à Normand, 2003, S 485; P. Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996; S. Vrellis, Überlegungen betreffend die Auslegung fremder Rechtsnormen, Liber amicorum Siehr, 2000, S 829; G. Wagner, Fakultatives Kollisionsrecht und prozessuale Parteiautonomie, ZEuP 1999, 6; Zajtay, The application of foreign law, in: Int.Encyc.Comp.L. Vol III Ch. 14, 1972.
2. Einführung § 293 ZPO lautet:
15
„Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei der Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.“
Ob ein anderes als das deutsche materielle Recht anzuwenden ist, bestimmen 16 das deutsche IPR bzw von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Staatsverträge. Bei den Konfliktsregeln handelt es sich also ausschließlich um deutsches Recht. Hat das Gericht danach festgestellt, dass ein fremdes materielles Recht anzuwenden ist, so geht es um die prozessuale Ermittlung dieses Rechts. Die Anwendung und Ermittlung hängt nicht davon ab, ob der ausländische Staat anerkannt ist oder nicht. Nach hM ist das deutsche Kollisionsrecht zwingendes Recht und von Amts 17 wegen zu beachten, gleichgültig ob diese Prüfung im Ergebnis zur Anwendung materiellen Inlands- oder Auslandsrechts führt.8 Dagegen will die Lehre vom fakultativen Kollisionsrecht9 letztlich die Anwendung von Auslandsrecht in die Dispositionsfreiheit der Parteien stellen. Die kollisionsrechtliche Frage und damit die eventuelle Anwendbarkeit ausländischen Rechts soll nur geprüft werden, wenn sich eine Partei darauf beruft.10 Dadurch soll die Bewälti8 BGH RIW 1995, 1027, 1028; NJW 1995, 2097; BGH IPRax 1996, 204; v Hoffmann/ Thorn, IPR, § 3 Rz 131; Kropholler IPR, S 45f; MüKo/Sonnenberger, Einl IPR Rz 619. 9 Vgl Th. de Boer, Facultative Choice of Law, RdC 257 (1996), 223–427; Staudinger/ Sturm, Einl zum IPR Rz 227ff. 10 So Flessner RabelsZ 34 (1980), 547.
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gung der Fälle mit Auslandsberührung erheblich vereinfacht werden. Nach hM erstreckt sich die Verhandlungsmaxime aber nicht auf die Rechtsanwendung. Da der Gesetzgeber im IPR eine Freiheit der Rechtswahl nur im Schuldrecht und in Sonderfällen zugelassen hat, kann prozessual nicht eine allgemeine Freiheit zur Wahl deutschen Rechts zugestanden werden.11 Auch wenn die Anwendung deutschen oder ausländischen Rechts zu gleichen Ergebnissen führt, darf die Tatsacheninstanz nach hM nicht offen lassen, welches sachliche Recht auf das streitige Rechtsverhältnis anzuwenden ist, weil nur deutsches Recht revisibel ist.12 18
Wenn auf das in einem anderen Staate geltende Recht abgestellt wird, wird damit zugleich zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht allein um die Anwendung fremder Gesetze handelt. Der deutsche Richter muss vielmehr ermitteln, wie das ausländische Recht ausgelegt und in der Praxis angewendet wird. Die bloße Ermittlung des Gesetzeswortlauts genügt daher nicht, vielmehr muss die ausländische Rechtsprechung und Lehre mit berücksichtigt werden.13
19
Bei unklarer Rechtslage im Ausland kann das Gericht der überwiegenden Rechtsprechung, fehlt eine solche, der überwiegenden Meinung des Schrifttums folgen. Bei neuer oder sonst ungeklärter Rechtslage darf das Gericht auch ausländisches Recht auslegen, Lücken schließen und punktuell fortentwickeln.14 In keinem Fall darf eine Klage ohne nähere Ermittlungen wegen der Unklarheit der Rechtslage, etwa nach dem Zerfall von Jugoslawien, abgewiesen werden.15
20
Insb bei Systemunterschieden zwischen den beteiligten Rechtsordnungen kann auch eine Angleichung bzw Anpassung geboten sein.16
21
Ausländisches Recht darf nicht angewandt werden, soweit das Ergebnis dieser Anwendung dem deutschen ordre public widerspricht (Art 6 EGBGB; Art 21 Rom I-VO; Art 26 Rom II-VO). Das ausländische Recht bleibt grds anwendbar. Nur soweit dies nicht möglich ist, ist seine Lücke durch deutsches Recht als Ersatzrecht zu schließen.17
22
Ob auch ein fremder ordre public zu beachten ist, ist streitig. Im Rahmen von Art 9 III Rom I-VO sind sog Eingriffsnormen von Drittstaaten zu beachten. Der deutsche Vorbehalt gegen Art 7 I EVÜ ist damit überholt.18
11 12 13 14
15 16 17 18
So MüKo/Sonnenberger, Einl IPR Rz 227ff. BGH NJW 1991, 2214; BGH NJW 1996, 54, 55. BGH ZIP 2001, 675, 676; Kindl ZZP 111 (1998), 177, 181. G. Hohloch, Liber amicorum Kokkini-Iatridou, 1994, S 213, 223ff; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd 2, 2000, Q 282; für Anpassung aus der Sicht des entscheidenden Gerichts dagegen Vrellis, Liber amicorum Siehr, 2000, S 829. BGH RIW 1997, 152. Vgl Kropholler, IPR, § 34 (S 234ff). OLG Hamm IPRax 1995, 174, 177; vgl Schwung RabelsZ 49 (1985), 408. MüKo/Martiny, 5. Aufl 2010, Art 9 Rom I-VO Rz 6, 112ff.
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Fremdes Recht wird in Deutschland als Recht und nicht als Tatsache behan- 23 delt und ermittelt.19 Um Tatsachen handelt es sich nur insoweit, als es um die Frage geht, ob ein bestimmtes Gesetz erlassen ist und wie sein Inhalt lautet. Das kann durch Urkunden bewiesen werden. Das ausländische Recht unterscheidet sich aber wesentlich von dem deut- 24 schen im Geltungsgebiet des Grundgesetzes geltenden Recht. Der Satz „iura novit curia“ kann hinsichtlich des ausländischen Rechts nicht angewendet werden, denn es kann dem deutschen Richter nicht zugemutet werden, sich selbst Kenntnisse des ausländischen Rechts zu verschaffen, so wie er es tun muss, wenn es sich um ihm unbekanntes deutsches Recht handelt.20 Schütze meint dagegen, der Grundsatz „iura novit curia“ müsse auch für die Anwendung ausländischen Rechts gelten.21 Das ausländische Recht wird nur angewendet, wenn der deutsche Gesetzgeber dies über das IPR anordnet. Es ist auch nicht – wie später noch darzulegen ist – revisibel. Dies alles muss berücksichtigt werden, wenn es darum geht, in einem Rechtsstreit ausländisches Recht zu ermitteln. In schuldrechtlichen Streitigkeiten können die Parteien zwar grds darüber be- 25 stimmen, ob deutsches bzw welches bestimmte ausländische materielle Recht in auslandsbezogenen Fällen angewendet werden soll. Haben sie sich auf ein bestimmtes ausländisches Recht geeinigt, so können sie aber nicht darüber bestimmen, wie dieses Recht auszulegen bzw anzuwenden ist. Trägt also eine Partei einen bestimmten Rechtssatz vor und bestreitet die andere diesen nicht, gilt dieser nicht wie eine Tatsache als zugestanden, vielmehr muss der Inhalt des ausländischen Rechts ausreichend sicher festgestellt werden.22 Ergibt die Beweiserhebung zum ausländischen Recht, dass die Klage unbegrün- 26 det ist, so kommt eine Erklärung der Erledigung der Hauptsache nicht in Betracht.23
3. Rechtswahl Schrifttum: Buchta, Die nachträgliche Bestimmung des Schuldstatuts durch Prozessverhalten, 1986; A. Dutta, Kollidierende Rechtswahlklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, ZVglRWiss 104 (2005), 461; M.B. Jaspers, Nachträgliche Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht, 2002; St. Lesage-Mathieu, Dispositives Kollisionsrecht im prozessualen Kontext, 2005; P. Mankowski, Rechtswahl und Gerichtstandsvereinbarung im Lichte der Spieltheorie, FS Schäfer, 2008, S 369; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte (§ 23 Rechtswahlvereinbarungen), 1999; Rasmussen-Bonne, Alternative Rechts- und Forumswahlklauseln, 1999; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl, 2010, Rz 85ff; W.-H. Roth, Zur stillschweigenden Rechtswahl in einem künftigen EU-Gemeinschaftsinstrument über das internationale Schuldvertragsrecht, FS Georgiades, 2005, S 905; Schack, Rechtswahl im Prozess, NJW 1984, 2736; Steinle, Konkludente Rechtswahl und objektive Anknüpfung nach … internationalem 19 20 21 22 23
Kindl ZZP 111 (1998), 177, 179. MüKo/Sonnenberger, EGBGB, Einl Rz 624ff. Schütze, Deutsches IZPR, 2. Aufl 2005, Rz 252. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 111 Rz 16; Schütze NJW 1965, 1662. LG München I IPRax 2001, 459.
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Vertragsrecht, ZVglRWiss 93 (1994), 312; A. Steiner, Die stillschweigende Rechtswahl im Prozess, 1998; A. Tassikas, Dispositives Recht und Rechtswahlfreiheit als Ausnahmebereiche der EG-Grundfreiheiten, 2004.
28
Soweit eine Rechtswahl zulässig ist, kann diese von den Beteiligten ausdrücklich oder konkludent24 im Prozess auch noch mit Rückwirkung getroffen werden.25 In Vertragsstreitigkeiten ist eine Rechtswahl gem Art 3 Rom I-VO zulässig.26 In Deliktsprozessen kann der Verletzte nach Art 40 I 2, 3 EGBGB die Anwendung des Erfolgsstatuts einseitig aber nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens verlangen.27 Allerdings besteht diese Möglichkeit nur noch, soweit die Rom IIVO nach Art 1 II, etwa bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht anwendbar ist. Ist die Verordnung anwendbar, können Verbraucher das anwendbare Recht nur nachträglich, nach Eintritt des Schadens, kommerziell tätige Parteien auch schon vorweg frei wählen (Art 14 Rom II-VO).
4. Das besondere Beweisverfahren für ausländisches Recht 29
§ 293 ZPO hält an dem Begriff des Beweises für ausländisches Recht fest. Aus der Vorschrift, dass das Gericht nicht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise beschränkt, vielmehr befugt ist, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und dazu das Erforderliche anzuordnen, hat die Rechtsprechung gefolgert, dass das Gericht ihm unbekanntes ausländisches Recht von Amts wegen zu ermitteln habe.28 Diese Pflicht besteht in allen Verfahrensarten. Auch im Urkundenprozess unterliegt die Feststellung ausländischen Rechts keinen Einschränkungen.29 Nach st Rspr des BGH steht die Art und Weise der Ermittlung ausländischen Rechts im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Art und Umfang der Ermittlungen richten sich nach den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Feststellung, aber auch danach, wie genau und kontrovers die Parteien die maßgebliche Rechtsfrage vortragen.30
24 BGH RIW 1997, 426; vgl BGH RIW 2009, 245, 246. 25 Vgl Mankowski RIW 2003, 2; G. Wagner ZEuP 1999, 6; A. Dutta ZVglRWiss 104 (2005), 461. Zur Abschlusskontrolle von Rechtswahlvereinbarungen s A. Baumert RIW 1997, 805. 26 Vgl Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rz 85ff; MüKo/Martiny, Art 3 Rom I-VO Rz 8ff; Bamberger/Roth/Spickhoff, Art 3 Rom I-VO Rz 1ff, 7 ff. 27 Vgl St. Lorenz, Zivilprozessuale Konsequenzen der Neuregelung des Intern. Deliktsrechts, NJW 1999, 2215, 2216f; Freitag/Leible, Das Bestimmungsrecht des Art 40 Abs 1 EGBGB, ZVglRWiss 99 (2000), 101; Spickhoff, Die Tatortregel im neuen Deliktskollisionsrecht, IPRax 2000, 1, 5ff; krit. Schurig, Ein ungünstiges Günstigkeitsprinzip, GS Lüderitz, 2000, S 699, 703ff; Junker RIW 2000, 241, 246ff; Heiderhoff IPRax 2002, 366. 28 BGHZ 177, 237 = NJW 2009, 916 (Rz 7); Kindl ZZP 111 (1998), 177, 179f. 29 BGH RIW 1997, 687. 30 BGH RIW 1997, 687; BGHZ 118, 151, 162 = RIW 1992, 761 = NJW 1992, 2026; Kindl ZZP 111 (1998), 177, 182ff; MüKo/Prütting, § 293 ZPO Rz 49.
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Dagegen verstößt es gegen § 293 ZPO, wenn er es unterlässt, das ausländische 30 Recht zu ermitteln.31 Die Befugnis des Richters, über die von den Parteien beigebrachten Nachweise hinauszugehen und auch andere Quellen zu benutzen, kann nur als weitgehende Ermächtigung des Gerichts angesehen werden, auf allen ihm nützlich erscheinenden Wegen das in Frage kommende fremde Recht zu ermitteln. Zulässigerweise kann jede Erkenntnisquelle herangezogen werden: ein Rechtsgutachten eines Sachverständigen (an einem Max-PlanckInstitut, Universitätsinstitut oder Lehrstuhl), Auskünfte deutscher Auslandsvertretungen, ausländischer Botschaften oder Konsulate, Auskünfte nach dem Europäischen Übereinkommen von 1968 oder private Auskünfte von ausländischen Juristen.32 Natürlich bedarf es der Einführung dieser schriftlichen Auskünfte in den je- 31 weiligen Prozess, damit beide Parteien und ihre Rechtsanwälte dazu Stellung nehmen können (Art 103 I GG). Es handelt sich dabei um einen echten Freibeweis,33 denn die Einholung schriftlicher Auskünfte von persönlich bekannten ausländischen Juristen geht weit über den Rahmen des § 273 II Nr 2 ZPO hinaus. Schon die Einholung von Auskünften von Behörden oder Trägern eines öffentlichen Amtes wird als „illegitimer Sprössling“ innerhalb der Beweisfamilie bezeichnet.34 Da in jedem Fall solche Auskünfte insb auch über die jüngste Rechtsprechung zu dem betreffenden ausländischen Recht vollkommen ausgereicht haben, ist eine solche Methode im Rahmen des richterlichen Ermessens gerechtfertigt. Eine Pflicht der Parteien zur Aufklärung des ausländischen Rechts besteht 32 nicht.35 Doch wird der Umfang der Ermittlungen durch die Parteibehauptungen zum Inhalt des ausländischen Rechts und durch die sonstigen Umstände des Einzelfalles bestimmt.36 Auch die Möglichkeiten des Zugangs der Parteien zum ausländischen Recht sind nach den konkreten Umständen zu beachten.37 Übereinstimmender Vortrag bindet zwar nicht; doch darf das Gericht von seiner Richtigkeit ausgehen, wenn keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit bestehen.38 In der Praxis erweist sich die Mitwirkung der Parteien bei der Ermittlung ausländischen Rechts meistens als dürftig. Teilweise werden darüber hinaus ausländische Rechtsanwälte befragt, die zu 33 dem in Frage kommenden Rechtssätzen Stellung nehmen sollen. Gewöhnlich aber überlassen die Parteien es völlig dem Gericht, das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln. Wenn aber der Richter mit allen ihm zur Verfügung 31 BGH NJW 2002, 1209; BGH WM 2001, 502, 503; BGH RIW 1995, 156; MüKo/Prütting, § 293 ZPO Rz 67. 32 Kindl ZZP 111 (1998), 177, 186ff; MüKo/Sonnenberger, EGBGB, Einl Rz 626; MüKo/ Prütting, § 293 ZPO Rz 26. 33 Vgl Schilken, FS Schumann, S 373, 377; MüKo/Prütting, § 293 ZPO Rz 14. 34 Brüggemann, Judex statutor und judex investigatur, 1968, 401. 35 Lindacher, FS Schumann, S 283, 284f; Kindl ZZP 111 (1998), 177, 192. 36 BGH FamRZ 1994, 434; BGH RIW 1991, 514. 37 BGHZ 118, 151, 163 = RIW 1992, 761 = NJW 1992, 2026; BGH RIW 1995, 156/57. 38 Schilken, FS Schumann, S 373, 380; Geimer, IZPR, Rz 2586; MüKo/Prütting, § 293 ZPO Rz 50.
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stehenden Mitteln nach dem in der Praxis anzuwendenden ausländischen Recht forschen soll, gewinnt der Satz „iura novit curia“ hinsichtlich des fremden Rechts wieder an Bedeutung. Es besteht kein prinzipieller Unterschied mehr zwischen der Forderung nach der Kenntnis des eigenen Rechts und der des fremden. Nur in der Methode, wie der Richter ganz allgemein Kenntnis von dem Recht erlangt, besteht noch ein technischer Unterschied hinsichtlich des eigenen und des fremden Rechts.
5. Der Sachverständigenbeweis über ausländisches Recht 34
Häufig erlässt das Prozessgericht einen Beweisbeschluss, wonach zu bestimmten Fragen ein schriftliches Gutachten über ausländisches Recht von einem bestimmten Gutachter eingeholt werden soll. Niemals wird ein wissenschaftliches Institut als Ganzes, sondern es werden immer nur der oder die einzelnen Wissenschaftler, die das Gutachten für das Institut erstattet und unterschrieben haben, zu Sachverständigen.39 Ein solches Sachverständigengutachten unterscheidet sich von einem anderen und dem gewöhnlichen Gutachten schon dadurch, dass der Sachverständige sich über Rechtsfragen äußern soll, während es dem gewöhnlichen Sachverständigen untersagt ist, sich über Rechtsfragen zu äußern. Weil er nicht Mitglied des Gerichts ist, hat er diesem lediglich seine Sachkunde zur Verfügung zu stellen. In diesem Ausnahmefall bezieht sich die Sachkunde auf das in Frage kommende ausländische Recht. Damit übernimmt er aber keine richterliche Aufgabe, er vermittelt dem Gericht nur die Kenntnis des ausländischen Rechts. Das Gericht ist insb nicht an sein Gutachten gebunden. Es kann und muss weitere Ermittlungen nach dem ausländischen Recht anstellen, wenn es von dem schriftlichen Gutachten eines wissenschaftlichen Gutachters nicht überzeugt ist.
35
Entscheidet sich das Gericht für die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, so wählt es insoweit bewusst den Weg des strengen Beweises, so wie er in den §§ 402ff ZPO vorgesehen ist; und nicht den Weg des Freibeweises. Dann muss es aber auch auf Antrag einer oder beider Parteien den Sachverständigen gem §§ 402, 411 III, 397 ZPO zu einer mündlichen Verhandlung laden, damit er sein Gutachten erläutern kann und die Parteien und ihre Vertreter Fragen an ihn stellen können. Dies hat der BGH ausdrücklich bekräftigt.40 Dabei hat er nachgeprüft, ob die Ermittlung des ausländischen Rechts verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen war. Das hat er im gegebenen Fall verneint, weil der Sachverständige nicht zu seinem Gutachten gehört worden war. Die entscheidende Begründung liegt in folgenden Sätzen: Halte das Gericht eine Beweisaufnahme für erforderlich, so müsse es die Vorschriften der ZPO beachten; insoweit bleibe ihm kein Ermessensspielraum. Diese Entscheidung kann nur begrüßt werden.41 Führt nämlich der Weg über den Freibeweis nicht zu einem das Gericht überzeugenden Ergebnis, so
39 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 121 Rz 17. 40 BGH NJW 1994, 2959 = RIW 1994, 878; NJW 1975, 2142. 41 Ebenso Kindl ZZP 111 (1998), 177, 189ff; auch Luther, FS Bosch, S 568; MüKo/Prütting, § 293ZPO Rz 29; Musielak/Huber, § 293 ZPO Rz 6.
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müsste ohnehin der schwierigere Weg über den strengen Beweis angetreten werden. Die Kritik daran42 vermag nicht zu überzeugen. Vor allem ist nicht einzuse- 36 hen, dass durch die Anhörung des Sachverständigen zu seinem Gutachten ein weiteres Stück gerichtlicher Kompetenz auf den Sachverständigen verlagert werde. Erfahrungsgemäß werden durch die Anhörung der Sachverständigen häufig Unklarheiten und Missverständnisse, die immer wieder in Gutachten auftreten, behoben. Durch die Beantwortung von Fragen wird der Sachverständige jedoch nicht zum Richter. Dabei soll durchaus nicht verkannt werden, dass jeder Sachverständigenbeweis problematisch ist. Fehlt dem Richter die Sachkunde, so ist er in gewissem Sinne von jedem Sachverständigen abhängig. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einen medizinischen, technischen Sachverständigen oder einen solchen über ausländisches Recht handelt. Das Entscheidende ist und bleibt die Tatsache, dass der Richter durch das Sachverständigengutachten und die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung überzeugt werden muss. In der Praxis verlangt die Partei, der ein Sachverständigengutachten ungünstig 37 ist, vielfach die Anhörung des Sachverständigen vor Gericht (§ 411 III ZPO). Dadurch wird keine unnötige Zeit verschwendet, denn das Gericht muss nach Eingang des Gutachtens ohnehin einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen. Es kann im Wege der Vorbereitung rechtzeitig bei den Parteien anfragen, ob sie Fragen an den Sachverständigen richten wollen. Ist das der Fall, kann der Sachverständige rechtzeitig zum Termin geladen werden. Damit sich der Sachverständige auf die Anhörung sinnvoll vorbereiten kann, erscheint es zweckmäßig, dass das Gericht den Parteien aufgibt, die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen schriftlich bei Gericht einzureichen. Bei wissenschaftlichen Gutachten werden die Parteien sich oft Parteisachverständiger bedienen, um die entsprechenden Fragen zu formulieren. Danach genügt es meistens, dass der Sachverständige beauftragt wird, sein Gutachten zu diesen schriftlichen Fragen zu ergänzen. Eine persönliche Anhörung des Sachverständigen erübrigt sich dann in den meisten Fällen. In der Praxis ist eine Mehrbelastung der wissenschaftlichen Institute, die über ausländisches Recht Auskunft geben können, kaum zu erwarten. Hat ein Gericht bereits ein gerichtliches Sachverständigengutachten zum aus- 38 ländischen Recht in Auftrag gegeben, ist die Einholung eines Privatgutachtens zunächst nicht erforderlich; die dabei anfallenden Kosten gehören daher nicht zu notwendigen Kosten nach § 91 ZPO.43
6. Die Ermittlung ausländischen Rechts im Versäumnisverfahren Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage nach der Ermittlung ausländischen 39 Rechts sind dann entstanden, wenn der Kläger seine Klage auf ausländisches 42 Von Geisler ZZP 91 (1978), 193; Schilken, FS Schumann, S 373, 384ff; Linke/Hau, IZVR, Rz 329. 43 OLG Koblenz RIW 1996, 432.
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Recht stützt und den Inhalt dieses Rechts von sich aus darstellt, der Beklagte zur Klage überhaupt keine Stellung nimmt und in der mündlichen Verhandlung nicht erscheint. Das Gericht darf in diesem Fall nicht einfach von den Behauptungen des Klägers zum ausländischen Recht ausgehen.44 40
Die Fiktion des Zugestehens ist gem § 331 I ZPO ausdrücklich nur auf das tatsächliche Vorbringen des Klägers beschränkt. Ausländisches Recht ist aber keine Tatsache (s o Rz 23ff). Auf Antrag des Klägers kann also selbst bei Säumnis des Beklagten kein Versäumnisurteil ergehen, wenn das Gericht nicht von der Richtigkeit des ausländischen Rechts, so wie der Kläger es vorgetragen hat, überzeugt ist.45 Das Gericht muss demnach entweder das in Frage kommende ausländische Recht selbst kennen, oder es muss sich zur Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung hinreichende Kenntnisse durch eigenes Studium verschaffen. Der Ruf nach spezialisierten Gerichten, deren Mitglieder auch über Kenntnisse mehrerer Sprachen verfügen sollten, wird also immer stärker.46 Weiß der Kläger, dass sein Gegner zur mündlichen Verhandlung voraussichtlich nicht erscheinen wird, so könnte er auch durch ein von sich aus beschafftes Gutachten, das er der Klageschrift sogleich beifügt, dem Gericht hinreichenden Beweis liefern, so dass ein Versäumnisurteil ergehen könnte. Insoweit liegt eine Parallele zu dem Fall vor, dass der Kläger eine Gerichtsstandsvereinbarung beweisen muss, was er durch Urkundenbeweis schon mit Einreichung der Klage tun könnte.
7. Ausländisches Recht und einstweiliger Rechtsschutz 41
In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist ausländisches Recht wie andere Voraussetzungen des Arrest- oder Verfügungsanspruchs nach §§ 920 II, 936 ZPO nur glaubhaft zu machen.47 Gleichwohl bleibt das Ermittlungsproblem grds bestehen. Das OLG Frankfurt48 hat entschieden, dass sich im einstweiligen Verfügungsverfahren die Pflicht des Richters bezüglich der Ermittlung fremden Rechts auf die Verwendung der präsenten Erkenntnisquellen beschränke. Der Partei obliege es in einem solchen Fall, eine für sie günstige Anwendung fremden Rechts zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft zu machen. § 293 ZPO sei im summarischen Verfahren nicht uneingeschränkt anzuwenden. Das Gericht sei auf die Prüfung der präsenten Beweismittel beschränkt; die Mitwirkungspflicht der Parteien gewinne insoweit eine verstärkte Bedeutung.49
42
Die Schwierigkeiten können auch nicht dadurch behoben werden, dass das Gericht in solchen Fällen nur nach einer mündlichen Verhandlung entscheidet.50 Ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung verfehlen oft ihre Wirkung, wenn 44 So aber OLG München NJW 1976, 489 (krit Küppers). 45 Linke/Hau, IZVR, Rz 324; Geimer, IZPR, Rz 2592; Kindl ZZP 111 (1998), 177, 186; MüKo/Prütting, § 293 ZPO Rz 55; Musielak/Huber, § 293 ZPO Rz 11. 46 Vgl Luther, FS Bosch, S 569. 47 OLG Hamburg IPRax 1990, 400, 401. 48 OLG Frankfurt NJW 1969, 991. 49 Vgl Mankowski/Kerfack IPRax 1990, 372, 374ff. 50 So Franz NJW 1969, 1539.
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Autonomes deutsches Recht
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sie nicht sofort, sondern erst aufgrund einer mündlichen Verhandlung erlassen werden. Das OLG hat zu Recht hervorgehoben, dass den Antragsteller im summarischen Verfahren eine verstärkte Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Ermittlung des in Frage kommenden ausländischen Rechts trifft. Solange keine spezialisierten Gerichte für die Entscheidung auslandsbezogener Fälle zur Verfügung stehen, kann dem OLG Frankfurt kaum ein Vorwurf daraus gemacht werden, dass es eine Erklärung in französischer Sprache abgelehnt hat. Andere wollen eine Art summarische Schlüssigkeitsprüfung durchführen und 43 soweit wie möglich die wahre materielle Rechtslage offen lassen.51 Diese Lösung ist allerdings nur bei verwandten Rechtsordnungen möglich, nicht aber wenn die in Betracht kommenden Rechtsordnungen wesentliche Divergenzen aufweisen. In Eilfällen soll daher nach verbreiteter Auffassung deutsches Recht als lex fori 44 angewendet werden. Richtiger erscheint auch hier, an der grundsätzlichen Anwendung ausländischen Rechts festzuhalten, die Anforderungen an die Ermittlungspflicht in Relation zur Eilbedürftigkeit der Entscheidung zu vermindern und eine Entscheidung nach einem Ersatzrecht leichter zuzulassen.52 Freilich ist auf die lex fori zurückzugreifen, wenn das maßgebliche Recht innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden kann.53 Kann der Antragsteller seinen Anspruch nach dem maßgebenden Recht zudem nicht glaubhaft machen, so ist der Antrag im Zweifel zurückzuweisen und nicht ersatzweise nach deutschem Recht als Ersatzrecht zu entscheiden54 (s u § 17 Rz 39ff).
8. Nichtfeststellbarkeit ausländischen Rechts Schrifttum: A. K. Arnold, Lex fori als verstecke Anknüpfung, 2009, S 119ff.
Die Frage, ob ausländisches Recht, welches im gegebenen Fall nach dem IPR 45 anzuwenden wäre, nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann, muss der Richter gem § 139 ZPO mit den Parteien erörtern. Die Parteien können dann, wenn sie über den Anspruch verfügen können, vor 46 dem Gericht eine Vereinbarung treffen, wonach deutsches Recht auf den Fall angewendet werden soll. Die Rechtswahl bleibt ihnen also auch noch während des Prozesses (s o Rz 27ff). Davon wird in der Praxis nicht selten Gebrauch gemacht. Bei der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl geht die Praxis gelegentlich wohl zu weit.55 51 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1971, S 83ff, 164ff; wohl auch Staudinger/Sturm (2003), Einl zum IPR, Rz 190, 195 (Erlass ohne materiellrechtliche Grundlage). 52 MüKo/Sonnenberger, EGBGB, Einl Rz 625; Lindacher, FS Schumann, S 283, 289ff; ähnlich für die Niederlande: Jessurun d’Oliveira, Essays in honour of Voskuil, 1992, 119. 53 Kropholler, IPR, § 31 III 3 (S 219f); MüKo/Prütting § 293 ZPO Rz 56 (wenn dies in Abwägung der Parteiinteressen gerechtfertigt ist); Dethloff RabelsZ 62 (1998), 286, 295ff. 54 Kropholler, IPR, § 31 III 3c (S 220). 55 Krit. Straub IPRax 1994, 432, 433.
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Kann der Inhalt des ausländischen Rechts nicht hinreichend ermittelt werden, einigen sich die Beteiligten aber auch nicht auf die Anwendung deutschen Rechts, darf keine Beweislastentscheidung ergehen. Welches Recht als Ersatzrecht anzuwenden ist, wird international nicht einheitlich entschieden.
48
Soweit Rechtsordnungen ausländisches Recht im Grundsatz als Tatsache behandeln, ist die Anwendung der lex fori konsequent. Teilweise wird sie auf die (eher irreale) Vermutung gestützt, im Zweifel entspreche das ausländische Recht dem inländischen. Das österr. Recht (§ 4 II IPRG 1978) und das schweiz. Recht (Art 16 [2] IPRG) sehen die Anwendung der lex fori vor; die Anwendung des nächstverwandten Rechts hat der schweizer Gesetzgeber abgelehnt. Dies soll aber nur für „Dokumentationslücken“ gelten. „Echte“ Lücken des anwendbaren Rechts sollen dagegen ggf in Anwendung eines „Mutter- oder Schwesterrechts“ geschlossen werden können.56
49
Das deutsche Recht geht flexibler vor: Als Ersatzrecht ist primär ein Recht anzuwenden, das dem mutmaßlichen Inhalt des ausländischen Rechts nahekommt, etwa die Mutterrechtsordnung innerhalb desselben Rechtskreises.57
50
Manche wollen auch auf internationales Einheitsrecht oder allgemeine Rechtsgrundsätze als Ersatzrecht abstellen.58 Einheitsrecht besteht aber vielfach nicht oder ist von dem betreffenden Staat nicht übernommen worden. Die allgemeine Geltung konkreter Rechtsgrundsätze lässt sich meist kaum nachweisen (zur lex mercatoria s u § 18 Rz 123ff, 210). Andere wollen kollisionsrechtliche Hilfsanknüpfungen (soweit es solche gibt) nutzen.59 Aber die Gründe, hilfsweise an eine andere Rechtsordnung anzuknüpfen, decken sich nicht mit den Interessen bei der Nichtermittelbarkeit des Inhalts des anwendbaren Rechts.
51
Deutsches Recht als lex fori ist jedenfalls erst hilfsweise anzuwenden, wenn eine solche Annäherung in sinnvoller Weise nicht möglich ist.60
9. Die Revisibilität ausländischen Rechts 52
Schrifttum: M. Aden, Revisibilität des kollisionsrechtlich berufenen Rechts, RIW 2009, 475; F. Eichel, Die Revisibilität ausländischen Rechts nach der Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO, IPRax 2009, 389; F. Sturm, Wegen Verletzung fremden Rechts sind weder Revision noch Rechtsbeschwerde zulässig, JZ 2011, 74.
53
Wird ausländisches Recht in der ersten Instanz nicht oder völlig unzureichend ermittelt, so liegt darin ein Verfahrensfehler, der das Berufungsgericht auf An-
56 Keller/Girsberger, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl 2004, Art 16 Rz 73f; BSK IPRG/Mäckler-Erne/Wolf-Mettier, 2. Aufl 2007, Art 16 Rz 17. 57 BGH NJW 1982, 1215; Geimer, IZPR, Rz 2600f; Linke/Hau, IZVR, Rz 333; Schack IZVR, Rz 719; Schütze, IZPR, Rz 266. 58 Kreuzer NJW 1983, 1943; Schack IZVR, Rz 720; MüKo/Prütting, § 293 ZPO Rz 65. 59 Kindl ZZP 111 (1998), 177, 200. 60 BGHZ 69, 387, 394 = NJW 1978, 496, 498; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 111 Rz 18; Lindacher, FS Schumann, S 283, 284; A. K. Arnold, S 119ff, 134.
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trag einer Partei nach § 538 II Nr 1 ZPO berechtigt, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit in die erste Instanz zurückzuverweisen.61 In der Revisionsinstanz gilt § 545 I ZPO (idF des FGG-RG v 17.12.2008). Danach kann die Revision darauf gestützt werden,
54
„dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht“.
Ausländisches Recht ist trotz dieses Wortlauts nach hM weiterhin nicht revisibel; wie bisher wird nur die Anwendung des deutschen IPR einschließlich der Staatsverträge überprüft.62 Entsprechend können auch ausländische AGB nicht überprüft werden.63 Diese Konsequenz zieht § 560 ZPO:
55
„Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.“
Hiergegen hat sich seit langem die Kritik gewendet.64 Auch vor dem BAG ist ausländisches Recht revisibel, da die Revision nach § 73 I ArbGG schon immer auf die Verletzung jeder Rechtsnorm gestützt werden kann.65
56
Da es sich bei dem deutschen IPR um Recht im Sinne des § 545 I ZPO handelt, 57 hat der BGH von Amts wegen zu überprüfen, ob der Vorderrichter das anzuwendende materielle Recht richtig bestimmt hat.66 Dieser darf vor allem die Frage nicht offen lassen, welche Rechtsordnung der Entscheidung zugrunde gelegt wurde; andernfalls ist das Urteil nicht mit Gründen versehen (§ 547 Nr 6 ZPO).67 Die Rechtsprechung ist sogar so weit gegangen, ausländische Kollisionsnormen nachzuprüfen, wenn von ihnen die Frage abhängt, ob auf deutsches Recht zurückverwiesen wird.68 Andererseits ist ausländisches Kollisionsrecht nicht revisibel, wenn es auf ein anderes Recht weiterverweist.69 Allgemeines Völkerrecht ist revisibel, da es gem Art 25 GG Teil des Bundes- 58 rechts ist. Das Recht der Europäischen Union steht dem inländischen Recht gleich und ist deshalb ebenfalls revisibel.70
61 Vgl BGH NJW 1992, 3106; OLG München RIW 1996, 329; vgl Kindl ZZP 111 (1998), 177, 192ff. 62 Vgl BGHZ 177, 237 = NJW 2009, 916 (Rz 8f); F. Sturm JZ 2011, 74; Rauscher IPR, Rz 4633; aA Aden RIW 2009, 475; Eichel IPRax 2009, 389; Geimer IZPR, Rz 2601. 63 Vgl Maidl, Ausländische AGB im deutschen Recht, 2000. 64 Bereits Soergel/Kegel, Vor Art 3 EGBGB Rz 221; Flessner ZEuP 2006, 737, 738 (Verstoß gegen Diskriminierungsverbot in EU). 65 BAG 27, 99; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl 1995, § 73 Rz 8. 66 BGHZ 177, 237 = NJW 2009, 916 (Rz 8). 67 BGH RIW 1988, 736. 68 Statt vieler: BGH NJW 1958, 750; MüKo/Krüger, § 560 ZPO Rz 4; Zöller/Heßler § 545 ZPO Rz 9. 69 BGHZ 45, 351 = NJW 1966, 2270; Geimer, IZPR, Rz 2612; Schütze, IZPR, Rz 280. 70 Stein/Jonas/Leipold, § 293 ZPO Rz 8.
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Der BGH kann weiterhin nachprüfen, ob das festgestellte ausländische Recht gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt, denn bei Art 6 EGBGB handelt es sich um deutsches Recht im Sinne des § 545 I ZPO.71 59
Wie sich der Tatrichter das notwendige Wissen zum ausländischen Recht verschafft, unterliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Revisionsgericht überprüft aber, ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde, insb ob der Vorderrichter alle sich anbietenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, um den Inhalt des ausländischen Rechts richtig zu ermitteln. Ist dies nicht der Fall, so ist deutsches Verfahrensrecht verletzt,72 es handelt sich um einen „error in procedendo“, wenn zB die Vorschriften des Beweisrechts nicht befolgt worden sind.73 Es ist eine Ermessensfrage, ob sich die Tatsacheninstanz zur Ermittlung des ausländischen Rechts des strengen Beweises oder des Freibeweises bedient. Eine solche Ermessensentscheidung kann das Revisionsgericht nicht nachprüfen.74 Stellt sich jedoch heraus, dass der Freibeweis nicht ausreicht, um das ausländische Recht zu beweisen, hat die Tatsacheninstanz formelle Beweismöglichkeiten auszuschöpfen. In diesem Fall kann das Revisionsgericht wiederum nachprüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt und der Tatsacheninstanz deswegen das ausländische Recht unbekannt geblieben ist.75 Ähnlich sieht in der Schweiz Art 43a (1) (b) OG vor, dass mit Berufung an das Bundesgericht gerügt werden kann, „der angefochtene Entscheid habe zu Unrecht festgestellt, die Ermittlung des ausländischen Rechts sei nicht möglich.“
60
Der BGH kann auch nachprüfen, ob eine Norm des ausländischen Rechts erst nach der Verkündung des Urteils des OLG erlassen worden ist.76 Hat sich das Tatsachengericht bemüht, das ausländische Recht (nach Rechtsprechung und Lehre) zu ermitteln, so kann das Revisionsgericht das Ergebnis nicht allein deshalb beanstanden, weil es nicht erschöpfend ist.77
61
Im Übrigen ist das Revisionsgericht an die Feststellung und Auslegung des ausländischen Rechts durch die Tatsacheninstanz gebunden. Das Revisionsgericht kann insb nicht nachprüfen, ob das ausländische Recht auf den zu entscheidenden Sachverhalt richtig angewendet worden ist. Der deutsche Richter stellt zwar nur eine Prognose hinsichtlich des in Frage kommenden ausländischen Verfahrensrechts. Dabei wendet er aber auch ausländisches Recht iS von § 545 I ZPO an. Selbst dann, wenn das ausländische Recht sich mit dem betreffenden deutschen Recht inhaltlich deckt, ist es der Revision entzogen.78 Ausländisches Recht ist auch dann nicht revisibel, wenn die Parteien die An-
71 So auch Thomas/Putzo/Reichold, § 293 ZPO Rz 10; Schütze, IZPR, Rz 283. 72 BGH ZIP 2001, 675, 676; BGHZ 118, 151 = RIW 1992, 761; OLG Saarbrücken NJW 2002, 1209; Schütze, IZPR, Rz 284; Rauscher, IPR, Rz 1633. 73 BGH NJW 1975, 2142. 74 BGH NJW 1961, 410. 75 BGHZ 40, 197, 200 = NJW 1964, 203f. 76 BGHZ 36, 348 = NJW 1962, 961ff. 77 BGH RIW 1990, 581. 78 Geimer, IZPR, Rz 2601.
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wendung dieses Rechts vereinbart haben,79 weil dies im Widerspruch zu der Regelung des § 545 I 1 ZPO steht. Ausländisches Recht wird durch Vereinbarung der Parteien nicht zum deutschen Recht. Ist eine Revision auf die Verletzung ausländischen Rechts gestützt, muss sie 62 als unbegründet zurückgewiesen werden.80 Soweit nach den obigen Ausführungen dem Revisionsgericht ein Nachprüfungsrecht eingeräumt worden ist, kann es gem § 563 III ZPO selbst entscheiden. Diese Möglichkeit ist denkbar, wenn nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht neues ausländisches Recht erlassen wird, welches das Revisionsgericht kennt. In den meisten Fällen wird aber das Revisionsgericht die Sache gem § 563 IV ZPO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen. Das Prinzip der Nichtrevisibilität ist heute freilich vielfach durchlöchert.81 Verfahrensrügen, ob ausländisches Recht hinreichend und sorgfältig von Amts wegen ermittelt sei, führen zu einem Verstoß gegen § 293 ZPO. Die Verletzung der prozessualen Ermittlungspflicht des Tatrichters kann gem § 551 III Nr 2b ZPO mittels Verfahrensrüge beanstandet werden. Jedoch kann nur überprüft werden, ob der Tatrichter das ausländische Recht pflichtgemäß ermittelt hat, nicht aber indirekt das ausländische Recht voll nachgeprüft werden.82 Trotz aller Auflockerungen der Nichtrevisibilität bleibt doch der Grundsatz des Gesetzes bestehen, dass ausländisches Recht in der Revisionsinstanz nicht nachgeprüft werden kann. In dieser Beziehung erscheint das brasilianische Recht als moderner und zweckmäßiger. Dort ist ausländisches Recht revisibel.83
63
Vor dem Schweizer Bundesgericht kann mit der Beschwerde generell gerügt 64 werden, dass nach schweizer IPR ein falsches ausländisches Recht angewendet wurde oder dass zu Unrecht festgestellt wurde, das ausländische Recht könne nicht ermittelt werden (Art 320 lit a Schweiz. ZPO).84
III. Die Ermittlung ausländischen Rechts in anderen Staaten 1. Schrifttum N. Andrews, English Civil Proceedings: Proof of Foreign law, in Stürner/Kawano, International Contract Litigation, Arbitration …, 2011, S 243; J. C. Barbosa Moreira, Le juge brésilien, FS Nagel, 1987, S 14; M. Bogdan, Private international law as component of the law of the forum (Ch. 3 and 7), RdC 348 (2011), 9; Calvo Caravaca/Carrascosa Gon79 Hierfür Schütze NJW 1970, 1584. 80 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 145 Rz 3; MüKo/Krüger, § 545 ZPO Rz 13; Zöller/ Heßler § 545 ZPO Rz 8, 14. 81 Vgl Gottwald IPRax 1988, 210. 82 BGHZ 118, 151, 162ff = NJW 1992, 2026, 2029; BGH NJW 1995, 2097. 83 Barbosa Moreira, FS Nagel, 1987, S 14, 24. 84 Freiburghaus/Afheldt, in Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizer. ZPO, 2. Aufl 2013, Art 320 Rz 3.
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cález, The proof of foreign law in the new Spanish Civil Procedure Code 1/2000, IPRax 2005, 170; Cheshire, North & Fawcett, Private International Law (Ch. 7 The Proof of Foreign Law), 14th ed 2008, p 111; C. Esplugues/J. G. Iglesias/L. Palao, Application of foreign law, 2011; T. Erecinski, Prawo obce w sadowym poste-powanuin cywilnym (Ausländisches Recht im zivilgerichtlichen Verfahren), Warschau 1981; R. Fentiman, Foreign law in English Courts, LQR 108 (1992), 142; Ferrand, Die Behandlung ausländischen Rechts durch die französische Cour de Cassation, ZEuP 1994, 126; Ferrand, Court’s responsibilities for determining foreign law: The French perspective, in Stürner/Kawano, International Contract Litigation, Arbitration …, 2011, S 231; T. Fine, American Courts and Foreign Law: The New Debate, DAJV-Newsletter 2006, 107; Garau Sobrino, Der Beweis des ausländischen Rechts in der neuen spanischen Zivilprozessordnung vom 7. Januar 2000, in: Aufbruch nach Europa, 75 Jahre MPI für Privatrecht, 2001, S 685; R. Hausmann, Pleading and proof of foreign law – a comparative analysis, EuLF 2008, I-1; Kadletz, Fremdes Recht im kanadischen Zivilprozess, IPRax 1999, 183; Kralik, Das fremde Recht vor dem Obersten Gerichtshof, FS Fasching, 1988, S 297; S. Mégnin, Zu einer systematischeren Anwendung fremden Rechts durch den französischen Richter, IPRax 2005, 459; P. Picone, La prova del dirito straniero nella legge italiana di riforma del diritto internazionale privato, FS Jayme, 2004, S 691; Th. Rogoz, Ausländisches Recht im deutschen und englischen Zivilprozess, 2008; V. Sangiovanni, Die neue italienische Rechtsprechung zur Ermittlung des ausländischen Rechts, IPRax 2006, 513; Sass, Foreign Law in Federal Courts, AmJCompL 29 (1981), 97; Schlesinger, Die Behandlung des Fremdrechts im amerikanischen Zivilprozess, RabelsZ 1963, 54; J. Timochov, Die Pflicht zur Ermittlung des Inhalts ausländischen Rechts im Prozess, FS Boguslavskij, 2004, S 259; T. Yeo, Common law innovations in proving foreign law, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 493. Zur Reform: C. Esplugues Mota, Harmonisation of Private International Law in Europe and Application of Foreign Law: The „Madrid Principles“ of 2010, Yearbook PIL 13 (2011), 273; S. Lalani, A proposed model to facilitate access to foreign law, Yearbook PIL 13 (2011), 299.
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Wie ausländische Gerichte ausländisches Recht ermitteln, kann hier nur angedeutet werden. Schon anhand einiger Beispiele kann festgestellt werden, dass viele Staaten dazu neigen, ausländisches Recht wie eine Tatsache zu behandeln, andere kehren den Rechtscharakter des ausländischen Rechts so weit heraus, dass sie es (anders als in Deutschland) auf seine richtige Anwendung auch durch ihre höchsten Gerichte nachprüfen lassen. In der EU gibt es noch kein einheitliches Instrumentarium zur Ermittlung ausländischen Rechts. Immerhin hilft das Europäische Netz bei der Ermittlung.85
2. England 67
In England wird ausländisches Recht von den Gerichten wie eine Tatsache behandelt. Dies bedeutet, dass das ausländische Recht wie eine Tatsache ausdrücklich behauptet und bewiesen werden muss. Kann das ausländische Recht nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden, wendet es englisches Recht an.86 Recht eines Commonwealth-Staats kann aber nach dem 85 Vgl H. D. Tebbens, New impulses for the ascertainment of foreign law in civil proceedings: a question of (inter)networking?, Liber amicorum Siehr, 2010, S 635. 86 Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, Vol 1, 14th ed 2006, Rule 18 (1), p 255 et seq.; Hartley ICLQ 45 (1996), 271, 282ff; Fentiman, Foreign Law in English Courts, 1998; Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 276ff.
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British Law Ascertainment Act 1859 ermittelt werden. England ist auch Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens betreffend Auskünfte über ausländisches Recht von 1968 (s o Rz 2ff). Der Inhalt ausländischen Rechts kann wie jede Tatsache zugestanden werden. Das Gericht darf aber auch ohne Beweis über eine Frage ausländischen Rechts entscheiden. Mangels ausreichenden Beweises des ausländischen Rechts wendet das Gericht auf den Fall englisches Recht an. Auch eine Abweisung wegen „forum non conveniens“ kann erfolgen.87 Dieses System beruht auf zwei Annahmen: (1) die Rechtsordnungen sind nicht 68 gleichberechtigt, sondern englisches Recht ist anderen Rechten überlegen; (2) IPR ist kein zwingendes, sondern fakultatives, der Parteidisposition (nach Nutzen und Kosten) unterliegendes Recht.88 Insgesamt will der pleading approach die Anwendung ausländischen Rechts aber nicht fördern, sondern nach Möglichkeit vermeiden.89 Bewiesen wird das ausländische Recht durch Sachverständigenbeweis gem sec. 69 4 Civil Evidence Act 1972. Die Vorlage ausländischer Gesetzestexte oder Entscheidungen genügt nicht. Als Sachverständiger kommt ein Richter oder Anwalt (legal practitioner) des betreffenden Landes in Betracht, aber auch eine sonstige „erfahrene“ Person, zB ein Universitätsprofessor. Sofern die Parteien zustimmen, begnügt man sich mit „Affidavits“ von sach- 70 verständigen Personen über das ausländische Recht. Wird die Ansicht des Sachverständigen nicht bestritten, ist das Gericht daran idR wie an unstreitigen Tatsachenvortrag gebunden. Nach sec. 4 (2), (4), (5) Civil Evidence Act 1972 kann man zum Beweis ausländischen Rechts auch eine einschlägige Entscheidung des High Court oder des Court of Appeal vorlegen. Sind ausländische Regeln nachgewiesen, kann sie das Gericht selbst auslegen und unklare Fragen selbst entscheiden.90 Anders als sonst bei Tatsachen kann der Court of Appeal kontrollieren, ob das ausländische Recht ausreichend bewiesen ist und darüber neu entscheiden.91 Das englische System des Beweises ausländischen Rechts als Tatsache gilt auch in Irland.92
71
3. USA In den USA hat die Partei, die eine Frage des ausländischen Rechts vorbringen 72 will, dies vor den Bundesgerichten in ihren pleadings oder auch später in einem sonstigen Schriftsatz zu tun (FRCP Rule 44.1 S 1). Präklusionsfristen für die notice der Partei bestehen nicht. Nach FRCP Rule 44.1 S 2 kann das Ge87 Fentiman, Forum law and the forum conveniens, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, 275. 88 Fentiman LQR 108 (1992), 142, 143. 89 Fentiman LQR 108 (1992), 142, 156. 90 Fentiman LQR 108 (1992), 142, 149. 91 Fentiman LQR 108 (1992), 142, 145. 92 Binchy, Irish Conflict of Law, 1988, S 104ff.
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§ 11
Die Behandlung ausländischen Rechts
richt zum Beweis des ausländischen Rechts jedes relevante Material und jedes Beweismittel, einschließlich Zeugenbeweis beachten, und zwar auf Vorlage durch eine Partei und unabhängig davon, ob das Material sonst als Beweismittel zulässig wäre.93 Beruft sich jedoch keine Partei auf ausländisches Recht, wird angenommen, dass die Parteien seine Anwendung ausschließen wollen. Grds wendet das Gericht dann die lex fori an.94 Beruft sich eine Partei auf ausländisches Recht, kann es dann aber nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, so werden verschiedene Vermutungen angewendet. Es wird angenommen, (1) dass das ausländische Recht wie das Forumrecht auf „common law“ beruht, (2) dass es mit dem Recht des forum identisch ist, (3) auf allgemein anerkannten Prinzipien des common law zivilisierter Staaten beruht oder (4) sich die Parteien auf die Anwendung des Forumrechts geeinigt haben.95 Von der nach Rule 44.1 FRCP möglichen Beweiserhebung von Amts wegen wird nur ergänzend, durch Fragen an den expert witness oder durch eigene Lektüre, Gebrauch gemacht.96 Bereitet die Ermittlung des anwendbaren Rechts Schwierigkeiten, kommt auch eine Abweisung der Klage wegen „forum non conveniens“ in Betracht.97 Anders als in England ist die Anwendung des ausländischen Rechts nach FRCP Rule 44.1 S 3 nicht als Tatsachenfeststellung, sondern nur als Rechtsanwendung anzusehen, so dass sie vom Rechtsmittelgericht voll und nicht nur auf „offene Irrtümer“ überprüft werden kann.98 73
Vor den State Courts ist die Rechtslage unterschiedlich. In Kalifornien (Cal.Evid.Code §§ 310–311, 452–455) und New York (N.Y. CPLR 3016, 4511) wird ausländisches Recht als Recht behandelt; das Gericht soll ausländisches Recht beachten („shall take judicial notice“), wenn dies eine Partei der Gegenseite mitteilt und dem Gericht ihr Begehren ausreichend anzeigt. Andere Staaten lassen Fragen des ausländischen Rechts zwar durch den Richter und nicht die jury entscheiden; das ausländische Recht ist aber grds wie eine Tatsache zu beweisen (so etwa in Illinois oder Iowa).99
74
Die Rechtslage in Kanada ähnelt der in den USA.100
4. Spanien 75
Nach Art 12.6 Abs 2 span. Codigo Civil war ausländisches Recht bisher wie eine Tatsache zu beweisen. Diese Norm wurde durch die neue spanische Zivilprozessordnung v 7.1.2000 (LEC) aufgehoben. Art 281 II LEC 2000 bestimmt nunmehr: „Beweisgegenstand ist ebenfalls … das ausländische Recht … Das 93 Vgl Raising and determining issue of foreign law under rule 44.1 FRCP, 62 ALR Fed. 521 [1983]. 94 Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed, § 12.18 (S 606ff). 95 Hay/Borchers/Symeonides, 5th ed, § 12.19 (S 609ff). 96 Hay/Borchers/Symeonides, 5th ed, § 12.18 (S 608). 97 Hay/Hampe RIW 1999, 760, 764. 98 Hay/Borchers/Symeonides, 5th ed, § 12.18 (S 609). 99 Clark AmJCompL 42 (Suppl.) (1994), 23, 34. 100 Vgl Kadletz IPRax 1999, 183.
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Die Ermittlung ausländischen Rechts in anderen Staaten
§ 11
ausländische Recht muss in Bezug auf seinen Inhalt und seine Gültigkeit nachgewiesen werden. Das Gericht kann sich hierbei aller Quellen zur Erkenntnisermittlung bedienen, die es für dessen Anwendung für erforderlich hält.“101 Im ordentlichen Prozess muss der Kläger ausländisches Recht, auf das er sich stützt, in erster Instanz behaupten (Art 443.1 LEC). In Betracht kommt Urkunden- oder Sachverständigenbeweis.102 Wird unzureichender Vortrag zum ausländischen Recht auch auf Hinweis des Gerichts nicht ergänzt, wird die Klage durch Sachurteil (!) abgewiesen.103
5. Frankreich In Frankreich haben die Gerichte Kollisionsrecht und damit auch auslän- 76 disches Recht lange Zeit nur fakultativ angewendet. Der Richter musste ausländisches Recht nur prüfen, wenn dies eine der Parteien beantragt hatte.104 1988 erfolgte jedoch eine Rechtsprechungsänderung. Seither nimmt die Cour de Cassation an, Kollisionsnormen seien Rechtsnormen und keine Tatsachen, über die die Parteien verfügen können.105 Soweit die Parteien über den Anspruch verfügen können, war der Richter aber lediglich befugt, nicht verpflichtet, das anwendbare Recht zu ermitteln. Eine Ermittlungs- und Anwendungspflicht bestand nur, soweit internationale Abkommen einschlägig sind.106 Durch Urteil v 18.9.2002 hat die Cour de Cassation nunmehr aber eine Pflicht des Tatrichters anerkannt, den Inhalt des durch das Kollisionsrecht bestimmten ausländischen Rechts zu ermitteln.107 Nach der Rechtsprechungsänderung hat das Gericht das ausländische Recht 77 selbst zu ermitteln, soweit es das Kollisionsrecht von Amts wegen zu beachten hat, und seinen Inhalt festzustellen. Die Beweislast trägt weiterhin die Partei, die sich auf das ausländische Recht beruft.108 Kann der Inhalt des ausländischen Rechts nicht ermittelt werden, wendet das Gericht das französische Recht als lex fori an.109 Das Gericht hat das ausländische Recht selbst auszulegen; eine Nachprüfung 78 durch die Cour de Cassation findet grds nicht statt. Auf Rüge wird jedoch geprüft, ob das ausländische Recht entstellt wurde, ob die dafür gegebene Begrün-
101 Vgl Garau Sobrino, in: Aufbruch nach Europa, S 685, 689; Calvo Caravaca/Carrascosa Gonzáles IPRax 2005, 170. 102 Garau Sobrino, in: Aufbruch nach Europa, S 694ff. 103 Garau Sobrino, in: Aufbruch nach Europa, S 698f. 104 Cass.civ., Rev.crit. 1960, 97. 105 Cass.civ., Clunet 1989, 349; vgl Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 282ff. 106 Cass.civ., Rev.crit. 1992, 316; Ferrand ZEuP 1994, 126, 128ff; Hartley ICLQ 45 (1996), 271, 278ff. 107 Cass.civ., Bull.civ. I Nr 2; vgl Mégnin IPRax 2005, 459. 108 Cass.civ., Rev.crit. 1992, 314. 109 Vgl Ferrand ZEuP 1994, 126, 132f.
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§ 11
Die Behandlung ausländischen Rechts
dung ausreichend ist bzw ob es für die Rechtsanwendung an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.110
6. Schweden 79
In Schweden wird ausländisches Recht von den Gerichten von Amts wegen angewendet. Die Gerichte haben ausländisches Recht in gleicher Weise anzuwenden und auszulegen wie die Gerichte des betreffenden Staats. Ein übereinstimmender Vortrag der Parteien zum Inhalt des ausländischen Rechts bindet das Gericht daher nicht. Das schwedische Gericht wendet das ausländische Recht in der Form an, die es zZ der Rechtsanwendung hat.
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Ist der Inhalt des ausländischen Rechts dem Gericht unbekannt, so kann es die Partei, die sich darauf beruft, auffordern, Beweis dafür zu erbringen (RB Kap. 35 § 2). Das Gericht kann auch den Inhalt des ausländischen Rechts selbst ermitteln. Sowohl Gericht wie Parteien können zu diesem Zwecke die Hilfe der Rechtsabteilung des schwedischen Außenministeriums in Anspruch nehmen, was vor allem in internationalen Familienstreitigkeiten häufig getan wird.111 Schweden ist außerdem Partei des Europäischen Übereinkommens über Auskünfte über ausländisches Recht von 1968 (s o Rz 2ff).
7. Schweiz 81
In der Schweiz hat das Gericht den Inhalt des anzuwendenden Rechts nach Art 16 I 1 IPRG von Amts wegen festzustellen, darf sich dabei aber der Mitwirkung der Parteien bedienen.112
8. Italien 82
Auch in Italien wird ausländisches Recht als Recht von Amts wegen angewendet und ermittelt (Art 14 IPRG 1995). Das ausländische Recht soll „nach Maßgabe seiner eigenen Kriterien zur Auslegung“ angewendet werden (Art 15 IPRG 1995). Zum bisherigen Recht ging die Doktrin von dem Grundsatz aus, dass das ausländische Recht infolge der italienischen Kollisionsnormen, nach denen es anzuwenden ist, sozusagen zur einheimischen Norm wird.113 Diese Inkorporationstheorie hat den Corte di Cassazione veranlasst, in immer weitergehendem Ausmaß die Entscheidungen der unteren Gerichte daraufhin zu überprüfen, ob das ausländische Recht richtig angewendet worden sei.114 Der Satz „iura novit curia“ wird so verstanden, dass der italienische Richter ex officio verpflichtet ist, sich die Kenntnis des in Frage kommenden ausländischen Rechts zu verschaffen.115 110 Vgl Ferrand ZEuP 1994, 126, 134ff. 111 Bogdan/Fisher, Private International Law, in: Tiberg/Sterzel/Cronhult, Swedish Law, 1994, S 567. 112 G. Walter, IZPR der Schweiz, S 298ff. 113 Cappelletti Riv.dir.intern. 49 (1966), 299. 114 Cappelletti/Perillo, Civil Procedure in Italy, S 421. 115 Picone, FS Jayme, S 691.
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Die Ermittlung ausländischen Rechts in anderen Staaten
§ 11
9. Japan In Japan wird ausländisches Recht ebenfalls von Amts wegen ermittelt; das 83 Gericht darf sich die nötigen Kenntnisse formlos oder durch Sachverständigenbeweis beschaffen.116 Anders als in Deutschland wird ausländisches Recht als revisibel angesehen. Kann das ausländische Recht nicht ermittelt werden, so wird nicht nur die lex fori, sondern unter dem Einfluss von „jôri“ eine verwandte Rechtsordnung herangezogen.117
10. Russland Nach Art 1191 I russ. BGB ist das Gericht verpflichtet den Inhalt auslän- 84 dischen Rechts zu ermitteln und es auf den zu entscheidenden Fall anzuwenden. Das Gericht kann die Pflicht zur Ermittlung des ausländischen Rechts und Vorlage entsprechender Unterlagen auf Parteien delegieren, die einer Geschäftstätigkeit nachgehen (Art 1191 II 2 russ. BGB).118
11. Polen Ebenso wird in Art 1143 poln. ZPO von der Anwendung fremden Rechts ge- 85 sprochen. Es fällt auf, dass nirgends von dem Beweis ausländischen Rechts die Rede ist. Wenn von „Feststellung“ des fremden Rechts gesprochen wird, bedeutet das keinen prinzipiellen Unterschied zum „Beweis“, denn auch der Beweis führt zur Feststellung des richtigen Inhalts des ausländischen Rechts. Sicherlich, der ausländischen Norm wird der Rechtscharakter nicht bestritten. Der Satz „iura novit curia“ bezieht sich nach Lunz aber nur auf das sowjetische Recht. Es ist folgerichtig, wenn sich in den Vorschriften über den Beweis nichts über das ausländische Recht finden lässt. Wenn sich die Gerichte zur Ermittlung ausländischen Rechts nicht an die Beweisvorschriften halten, ermitteln sie dieses im Wege des „Freibeweises“ durch Einholung von Auskünften von den Ministerien. Es können aber auch Sachverständigengutachten eingeholt werden. Inwieweit dabei von den Grundsätzen des Strengbeweises abgewichen wird, ist nicht ersichtlich, wird aber dadurch erklärt, dass den Parteien keine Mitwirkung eingeräumt wird. Art 1143 der polnischen ZPO lautet:
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„§ 1. Wenn die Notwendigkeit der Anwendung fremden Rechts durch ein polnisches Gericht eintritt, so kann das Gericht sich an den Minister für Justiz wenden wegen der Ermittlung des Textes dieses Rechts sowie wegen der Erläuterung der fremden Gerichtspraxis. § 3. Zur Feststellung des Inhalts des fremden Rechts und der fremden Gerichtspraxis kann das Gericht auch Sachverständigengutachten einholen.“
116 H. Matsumoto, Prozessuale Probleme bei der Anwendung ausländischen Rechts, in: Recht in Japan, Heft 9, 1993, S 27, 28ff; Prütting, FS Ishikawa, S 397, 402. 117 Prütting, FS Ishikawa, S 397, 403ff. 118 J. Timochov, FS Boguslavskij, S 259.
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§ 11
Die Behandlung ausländischen Rechts
Danach wirken die Parteien bei der Feststellung des fremden Rechts offenbar überhaupt nicht mit.
12. Türkei 87
In der Türkei wird das nach türkischem IPR anwendbare ausländische Recht von Amts wegen angewendet. Der Richter kann zur Feststellung die Hilfe der Parteien in Anspruch nehmen (Art 2 I türk. IPRG119). Kann das ausländische Recht nicht ermittelt werden, ist türkisches Recht als Ersatzrecht anzuwenden (Art 2 II türk. IPRG).
119 IPRax 1982, 254.
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§ 12 Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Inhaltsübersicht I. Europäisches Recht 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennungsverfahren und Anerkennungswirkung . . . . . . . 4. Versagung der Anerkennung . . . a) EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . . b) EuGVO nF. . . . . . . . . . . . . . . . c) Versagungsgründe . . . . . . . . . (1) Ordre public-Verstoß . . . . (2) Verletzung rechtlichen Gehörs bei Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . (3) Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung des Anerkennungsstaats . . . . (4) Unvereinbarkeit mit der früheren Entscheidung eines anderen Mitgliedoder Drittstaats . . . . . . . . (5) Kollisionsrechtlicher Vorbehalt (Art 27 Nr 4 LugÜ 1988) . . . . . . . . . . . . 5. Bindung des Zweitrichters an die Zuständigkeitsentscheidung des Erstrichters . . . . . . . . . 6. Verbot der révision au fond . . . .
1 3 16 30 30 31 32 32
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II. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Die Art und Weise der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Die Wirkungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5. Anerkennungsfähige Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
6. Anerkennungsvoraussetzungen a) Gerichtsbarkeit des ausländischen Staats . . . . . . . . . . . . b) Anerkennungszuständigkeit (§ 328 I Nr 1 ZPO, § 109 I Nr 1 FamFG) . . . . . . . . . . . . . c) Rechtliches Gehör bei Verfahrenseinleitung (§ 328 I Nr 2 ZPO, § 109 I Nr 2 FamFG) (1) Schutz für den Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . (3) Keine Pflicht zur Einlegung von Rechtsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Unvereinbarkeit mit anderen Entscheidungen (§ 328 I Nr 3 ZPO, § 109 I Nr 3 FamFG) . . . . . . . . . . . . . e) Verstoß gegen den ordre public (§ 328 I Nr 4 ZPO, § 109 I Nr 4 FamFG) . . . . . . . (1) Materielle Rechtsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verstoß gegen rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . . . . . f) Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr 5 ZPO, § 109 IV FamFG) . 7. Folgen der Nichtanerkennung a) Ausländische Entscheidung als Beweismittel . . . . . . . . . . b) Rückforderung von Leistungen auf nicht anerkannte Entscheidungen? . . . . . . . . . .
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I. Europäisches Recht 1. Schrifttum Zu den Europäischen Verordnungen: N. Andrews, Judicial Co-operation: Recent Progress, Referat für den 1. Europäischen Juristentag, 2001; Bälz/Marienfeld, Missachtung einer Schiedsklausel als Anerkennungshindernis iS von Art 34–35 EuGVVO und § 328 ZPO, RIW 2003, 51; Bajons, Von der internationalen zur europäischen Urteilsanerken-
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§ 12
Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
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Europäisches Recht
§ 12
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2. Einführung 3
Im Verhältnis der EU-Staaten gelten vorrangig die Vorschriften der EuGVO, der EheGVO und der EuUnthVO; zwischen den Mitgliedstaaten der EU bzw den Vertragsstaaten des LugÜ gelten die Vorschriften dieser Regelungen hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen vorrangig vor den §§ 328, 722, 723 ZPO. Nach dem Staatsvertrag der anderen EU-Staaten mit Dänemark v 19.10.2005 (s o § 3 Rz 9) gilt die EuGVO auch im Verhältnis zu Dänemark. Das autonome deutsche Recht kann nur noch angewendet werden, soweit in den EU-Regeln bzw im LugÜ darauf verwiesen wird, und bezüglich solcher Entscheidungen der Gerichte der Mitglied- bzw Vertragsstaaten, die nicht unter EuGVO bzw LugÜ, die EheGVO, die EuUnthVO, die EuInsVO und die EuErbVO fallen.1 Diese Regelwerke unterscheiden wie das deutsche 1 Kropholler/v Hein, Art 32 EuGVO Rz 6.
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Recht zwischen Anerkennung und Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung.2 Die EuVTVO, die neu gefasste EuGVO und überwiegend die EuUnthVO verzichten dagegen auf das Verfahren der Vollstreckbarerklärung (s u § 14). Die EuGVO gilt nach Art 66 II im Verhältnis zu einem neu beigetretenen Mitgliedstaat nur, wenn sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung sowohl im Ursprungsstaat als auch im Anerkennungsstaat galt.3 Die Europäischen Verordnungen haben aus Gründen der Rechtssicherheit ab- 4 soluten Vorrang vor dem autonomen Recht. Ein Rückgriff auf das autonome deutsche Recht nach dem Günstigkeitsprinzip ist daher (im Umkehrschluss zu Art 71 EuGVO) ausgeschlossen:4 Eine Entscheidung kann danach (eher theoretisch) nach autonomem deutschen Recht nicht anerkannt werden, selbst wenn dessen sämtliche Voraussetzungen, nicht aber die des europäischen Rechts vorliegen. Art 32 EuGVO/LugÜ bzw Art 2 lit a EuGVO nF erfassen jede Entscheidung ei- 5 nes Gerichts eines Mitglied- bzw Vertragsstaats, die in den Anwendungsbereich des Art 1 fällt (s u Rz 11). Auf ihre Bezeichnung kommt es nicht an. Der Begriff der „Entscheidung“ ist umfassender als der des „Urteils“ nach § 328 ZPO (s u Rz 142ff). Es fallen darunter Urteile, auch Prozessurteile,5 Beschlüsse, Zahlungsbefehle6 bzw Vollstreckungsbescheide und ihre ausländischen Äquivalente,7 verselbständigte Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten, auch gerichtliche Festsetzungen des Anwaltshonorars.8 Nach dem Sinn der Verordnung sollen also grds alle Entscheidungen eines Gerichts eines Mitgliedsstaats in jedem anderen Mitgliedsstaat anerkannt und vollstreckt werden können. Sinngemäß sind aber nur Entscheidungen in Erkenntnisverfahren, nicht auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung erfasst.9 Bloße Kostenrechnungen der Justizverwaltung gem §§ 49, 54 GKG sind keine Entscheidungen.10 Anders als in § 328 ZPO wird keine Rechtskraft der Entscheidung verlangt. 6 Vorläufig vollstreckbare Entscheidungen sind bewusst in den Kreis der anzuer2 Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar vor Artt. 33–37 Rz 7. 3 EuGH (21.6.2012, C-514/10, Wolf Naturprodukte) NJW 2012, 2639. 4 Siehr, IPR, 2001, S 528; Geimer, IZPR, Rz 2767a; Walter, IZPR der Schweiz, S 412; Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 3; Schwartze, unalex Kommentar Art 32 Rz 6. 5 EuGH (15.11.12, C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung v Samskip) EuZW 2013, 60 (Rz 22ff, 32) (dazu Bach, S 56); Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 5; Schwartze, unalex Kommentar Art 32 Rz 10. 6 Dies soll nicht für bereits anfänglich vollstreckbare (italienische) Zahlungsbefehle als ex parte-Entscheidungen gelten; s Kayser/Dornblüth ZIP 2012, 57, 58. 7 Vgl Jametti Greiner S 300ff. Zum italienischen decreto ingiuntivo s OLG Zweibrücken RIW 2006, 709; Kruis IPRax 2001, 56. 8 Vgl BGH NJW-RR 2006, 143; OLG Düsseldorf RIW 1996, 67; Tepper IPRax 1996, 398; M. J. Schmidt S 88ff; MüKo/Gottwald Art 32 EuGVO Rz 14; Bariatti Riv.dir.int. 37 (2001), 5ff. 9 Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 15. 10 OLG Schleswig RIW 1997, 513; Schwartze, unalex Kommentar Art 32 Rz 18.
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kennenden Entscheidungen einbezogen.11 Das folgt aus Art 37 EuGVO/LugÜ bzw Art 38 lit a EuGVO nF, wonach der Zweitrichter die Anerkennung aussetzen kann, wenn gegen die Entscheidung des Erstrichters ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt ist. 7
Versäumnis- und Anerkenntnisurteile gehören zu den Entscheidungen. Es kommt nicht darauf an, ob sie in abgekürzter Form abgefasst worden sind.12 Um Schwierigkeiten zu vermeiden, sieht § 313b III ZPO allerdings vor, dass eine Entscheidung nicht in abgekürzter Form abgefasst sein darf, wenn zu erwarten ist, dass aus ihr in einem anderen Mitglied- bzw Vertragsstaat vollstreckt oder sie dort anerkannt werden soll. § 30 AVAG sieht bei Bedarf die Vervollständigung solcher Entscheidungen vor.
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Weil nicht auf endgültige Entscheidungen abgestellt wird, fallen auch Arreste, einstweilige Verfügungen und einstweilige Maßnahmen unter die Entscheidungen. Doch hat der EuGH Sicherungsmaßnahmen aus dem Kreis anerkennungsfähiger Entscheidungen ausgenommen, wenn sie („ex parte“) ohne Ladung des Gegners ergangen oder ohne Zustellung an ihn vollstreckt werden können.13 In Erwägungsgrund 33 und Art 2 lit a Unterabs 2 EuGVO nF wird diese Rechtsprechung künftig gesetzlich festgeschrieben. Entscheidungen, die vor dem Zeitpunkt, in dem ihre Anerkennung und Vollstreckung beantragt wird, Gegenstand eines kontradiktorischen Verfahrens hätten sein können, wie zB ein Vollstreckungsbescheid, werden dagegen anerkannt.14 Anzuerkennen sind daher eine (nach streitiger Verhandlung ergangene) englische freezing order15 und ein Schweizer provisorischer Rechtsöffnungsentscheid (Art 82 II SchKG).16 Die Anerkennung einer sog search order (zur Sicherstellung von Beweismitteln)17 scheidet dagegen aus.
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Prozessuale Zwischenentscheidungen, die die Parteien ohne gerichtliche Mitwirkung nicht erfüllen können, zB Beweisbeschlüsse, fallen nicht unter Art 32
11 Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 7. 12 Corte d’appello Genua hat ein solches deutsches Versäumnisurteil für vollstreckbar erklärt, Rspr Übers 1977, Folge 1, Nr 41. 13 EuGHE 1980, 1553 (Tz 10) (Denilauler v Couchet Frères) = IPRax 1981, 95 (dazu Hausmann S 79); zustimmend Braun S 45ff; BGH ZIP 2007, 396, 397 = DZWIR 2008, 242 (krit Schneider-Addae-Mensah); BGH IPRspr 2009, Nr 242, S 625 (Tz 7); Berger/ Otte, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, 2006, Kap 18 Rz 56ff; aA Th. Garber, S 238ff. 14 EuGHE 1995, I-2113 (Rz 14) (Hengst Import v Campese) = IPRax 1996, 262 (dazu Grunsky, S 245); EuGHE 2004, I-9657 (Rz 43ff) (Mærsk v de Haan) (vorl. Beschluss zur Errichtung eines Haftungsbeschränkungsfonds) = IPRax 2006, 262 (krit Geimer/ Schütze Art 32 EuGVO Rz 23). 15 OLG Nürnberg WM 2011, 700 (dazu Mankowski WuB VII Art 34 EuGVVO 1.11); OLG Karlsruhe ZZPInt 1996, 91 mit Anm Zuckerman/Grunert; OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 1623; Schlosser IPRax 2006, 300. 16 Vgl OLG Düsseldorf IPRax 2006, 183 (dazu Sogo S 144); M. Sogo, Internationale Vollstreckbarkeit provisorischer Rechtsöffnungsentscheide nach LugÜ, AJP/PJA 2005, 808. 17 So Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 1996, S 692.
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EuGVO/LugÜ18 bzw Art 2 lit a EuGVO nF. Nicht erfasst ist danach die Anordnung einer Zeugenvernehmung vor Anhängigkeit eines Rechtsstreits19 (Erwägungsgrund 25 S 2 EuGVO nF). Einstweilige Entscheidungen über Auskunftsoder Informationsbeschaffungspflichten, die auch selbständig einklagbar sind, sollten dagegen als anerkennungsfähig angesehen werden.20 Auch dies wird in Erwägungsgrund 25 S 1 EuGVO nF durch Hinweis auf Beweiserhebungen gem Art 6 u 7 der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG ausdrücklich festgeschrieben. Zweifelhaft ist deshalb, ob der Musterentscheid nach dem KapMuG v 10 16.8.200521 bzw v 19.10.201222 in den anderen EU-Staaten anzuerkennen ist. In dem Musterentscheid wird das Vorliegen einzelner anspruchsbegründender oder -ausschließender Voraussetzungen für eine Haftung auf Schadenersatz wegen falscher Kapitalmarktinformationen (§ 43 BörsG) festgestellt oder eine streitige Rechtsfrage vorab durch das OLG geklärt. Der Musterentscheid bindet die erstinstanzlichen Gerichte aller ausgesetzten Schadenersatzverfahren (§ 16 I 1 KapMuG bzw § 22 KapMuG nF). Die Bindungswirkung gleicht daher einer innerprozessualen Bindungswirkung nach § 563 II ZPO oder einer Entscheidung in Vorlageverfahren. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 22 I 2, 3 KapMuG nF zusätzlich angeordnet, dass der Musterentscheid in Rechtskraft erwächst und für und gegen alle Beigeladenen (die Parteien der ausgesetzten Verfahren) wirkt. Dadurch will er erreichen, dass der Musterentscheid über Art 32, 33 I EuGVO/LugÜ bzw Art 2 lit a, 36 I EuGVO nF auch in den EU- und EFTA-Staaten anzuerkennen ist. Da der deutsche Gesetzgeber den Bereich anzuerkennender Entscheidungen nicht einseitig erweitern kann, ist fraglich, ob dieses Ziel erreicht wurde.23 Jedenfalls sind prozessuale Zwischenentscheidungen bisher nicht anerkannt worden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Verordnung bzw des Übereinkom- 11 mens muss es sich um Entscheidungen in Zivil- oder Handelssachen handeln. Dabei ist es gleichgültig, von welchem Gerichtszweig die Entscheidung erlassen worden ist. Ob die Entscheidung in den Anwendungsbereich der EuGVO bzw des LugÜ (Art 1 I) fällt, wird vom Erstgericht zwar (inzident) geprüft. Das Gericht des Anerkennungsstaats ist an diese Feststellung aber nicht gebunden, sondern hat die Frage selbständig zu prüfen.24 Gebunden ist der Zweitrichter 18 Geimer/Schütze Art 32 EuGVO Rz 43; Kreuzer/Wagner Q 325; Stein/Jonas/Oberhammer Art 32 Rz 1. 19 EuGHE 2005, I-3481 (St. Paul Dairy) = RIW 2005, 538 = JZ 2005, 1166 = EuZW 2005, 401; krit Mankowski RIW 2005, 561, 566. 20 MüKo/Gottwald Art 32 Rz 23; Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 2000, S 43; Jametti Greiner S 305; Walter, IZPR der Schweiz, S 431f; Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 8; Schwartze, unalex Kommentar Art 32 Rz 9. 21 BGBl I 2437. 22 BGBl I 2182. 23 Vgl MüKo/Gottwald, § 325a ZPO Rz 16. 24 BGHZ 155, 279, 281 = NJW 2003, 3488 (Schadenersatz wegen Kriegsverbrechen); MüKo/Gottwald Art 34 EuGVO Rn 2; Kropholler/v Hein, Art 32 EuGVO Rz 3; Kondring EWS 1995, 217.
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gem Art 34, 35 EuGVO/LugÜ bzw Art 36 EuGVO nF nur, wenn feststeht, dass die Entscheidung in den Anwendungsbereich der Regelung fällt. Anzuerkennen ist eine Entscheidung auch, wenn das Gericht seine Kompetenz aus der Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung abgeleitet hat.25 In Erwägungsgrund 12 Abs 3 EuGVO nF wird dies ausdrücklich klargestellt. 12
Insolvenzrechtliche Entscheidungen eines anderen EU-Staats (ohne Dänemark) werden nach Art 16, 25 I EuInsVO automatisch in den anderen EU-Staaten anerkannt.26 Gerichtliche Bestätigungen eines englischen solvent scheme of arrangement sind dagegen Entscheidungen iS von Art 32, 33 EuGVO/LugÜ27 bzw Art 2 lit a, 36 I EuGVO nF.
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Nicht anzuerkennen sind Exequaturentscheidungen der Mitglied- bzw Vertragsstaaten, da sie von ihrem Inhalt her nur eine territoriale begrenzte Geltungskraft haben.28 Das Gleiche gilt für Exequaturentscheidungen von Drittstaaten.29 Entsprechendes gilt auch für (ausländische) Schiedssprüche sowie für ausländische Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären oder ihren Inhalt formell neu feststellen (s u § 18 Rz 194, 227).
14
Aus der Tatsache, dass EuGVO bzw LugÜ die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitglieds- bzw Vertragsstaaten regeln, darf nicht geschlossen werden, dass nur solche Entscheidungen anerkannt werden, die auf einem der aufgezählten Gerichtsstände begründet sind. Soweit die EuGVO bzw das LugÜ die nationalen Zuständigkeitsregelungen der Vertragsstaaten unberührt lässt, werden auch die hierauf gegründeten Entscheidungen anerkannt (s Art 4 II, 33 I, 35 EuGVO/LugÜ bzw Art 6 II, 36 I EuGVO nF). Das gilt insb dann, wenn weder der Kläger noch der Beklagte seinen Wohnsitz in einem der Mitglied- bzw Vertragsstaaten hat oder gehabt hat. Es ist allein entscheidend, dass es sich um eine Entscheidung eines Gerichts eines Mitglied- oder Vertragsstaats handelt.
15
Gerichtliche Vergleiche sind zwar keine Gerichtsentscheidungen. Aus praktischen Gründen sind sie aber ebenso wie vollstreckbare Urkunden gem Art 57, 58 EuGVO/LugÜ bzw Art 58, 59 EuGVO nF für vollstreckbar zu erklären.30 Nicht erfasst sind freilich vollstreckbare Schuldscheine, die nicht öffentlich beurkundet sind.31 Die Verpflichtung aus den Prozessvergleichen bzw öffent-
25 Vgl M. Illmer IHR 2011, 108, 112ff. 26 Vgl Huber ZZP 114 (2001), 133, 149f; Kemper ZIP 2001, 1609, 1613f; Eidenmüller IPRax 2001, 2, 7; Leible/Staudinger KTS 2000, 533, 560ff. 27 Mankowski WM 2011, 1201, 1204; Eidenmüller/Frobenius WM 2011, 1210, 1217; vgl BGH NZI 2012, 425, 427 (Tz 26) (Ch. Paulus); BGH NJW 2012, 2352. 28 Kropholler/v Hein, Art 32 EuGVO Rz 15; Schwartze, unalex Kommentar Art 32 Rz 19. 29 BGH RIW 2009, 721; Geimer/Schütze Art 32 EuGVO Rz 19; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 1996, S 691; Dolinar, FS Schütze, 1999, S 187; Kreuzer/Wagner Q 325; aA R. Schütze, FS Spellenberg, 2010, S 511. 30 Vgl Mankowski EWS 1994, 379; Atteslander-Dürrenmatt, Der Prozessvergleich im internationalen Verhältnis, 2006; T. Frische, S 150ff. 31 EuGHE 1999, I-3715 (Unibank v Christensen) = IPRax 2000, 409 (dazu Geimer S 366).
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lichen Urkunden wird selbst nicht prozessual, sondern kollisionsrechtlich bzw materiellrechtlich anerkannt.
3. Anerkennungsverfahren und Anerkennungswirkung Nach Art 33 I EuGVO/LugÜ bzw Art 36 I EuGVO nF wird die in einem Mit- 16 glied- bzw Vertragsstaat ergangene Entscheidung anerkannt, ohne dass es dazu eines besonderen Verfahrens bedarf. Damit hat das europäische Recht die automatische deutsche Lösung übernommen.32 Irgendwelche Ausschließungsgründe haben solange keine Bedeutung, wie es im Anerkennungsstaat nicht zu einem gerichtlichen Verfahren kommt. Es wird auch an der grundsätzlichen Unterscheidung der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen festgehalten. Bei einem Streit kann die selbständige Feststellung begehrt werden, dass eine 17 ausländische Entscheidung anzuerkennen sei. Ein besonderes Feststellungsinteresse wird nicht gefordert.33 Art 33 II EuGVO/LugÜ sehen für einen positiven Feststellungsantrag ein Beschlussverfahren entsprechend der Vollstreckbarerklärung vor. Eine negative Feststellung kann in diesem Beschlussverfahren nicht begehrt werden.34 Jedoch ist in Deutschland eine allgemeine negative Feststellungsklage (§ 256 I ZPO) zulässig, wenn hierfür ein besonderes Interesse besteht.35 Problematisch ist diese Lösung, soweit nationale Prozessrechte keine negative Feststellungsklage zu diesem Zweck kennen.36 Gegen die positive oder negative Feststellung der Anerkennung ist wie bei der Vollstreckbarerklärung Beschwerde und Rechtsbeschwerde zulässig (s u § 15 Rz 58ff). Nach der Neufassung der EuGVO sind alle Entscheidungen automatisch euro- 18 päische Vollstreckungstitel (s u § 14 Rz 56). Entsprechend kann nach Art 36 II iVm 45, 46ff EuGVO nF künftig jeder Berechtigte die Feststellung beantragen, dass kein Grund für eine Versagung der Anerkennung gegeben ist. Die Anerkennung führt dazu, dass einer erneuten Klage zwischen denselben 19 Parteien über denselben Streitgegenstand im Anerkennungsstaat die Rechtskraft entgegensteht. Eine erneute Klage muss als unzulässig abgewiesen werden. Eine Leistungsklage ist auch unzulässig, wenn die Beschaffung der Urkunden für die Klauselerteilung nach Art 53ff EuGVO/LugÜ bzw die Vorlage
32 Vgl MüKo/Gottwald Art 33 EuGVO Rz 1; Braun S 33. 33 Kropholler/v Hein Art 33 EuGVO Rz 4. 34 Kropholler/v Hein Art 33 EuGVO Rz 7; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 33 EuGVO Rz 5; MüKo/Gottwald Art 33 EuGVO Rz 11; Rauscher/Leible Art 33 Brüssel I-VO Rz 13; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 33 Rz 13ff; aA Geimer JZ 1977, 146; Schlosser Art 33 Rz 4; Geimer/Schütze Art 33 EuGVO Rz 85f; Burgstaller/ Neumayr Art 33 EuGVO Rz 5. 35 MüKo/Gottwald Art 33 EuGVO Rz 11; Kropholler/v Hein Art 33 EuGVO Rz 7 (a.E.); aA Stein/Jonas/Oberhammer Art 33 Rz 6. 36 Vgl Braun S 40.
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der in Art 37 EuGVO nF aufgeführten Urkunden vorübergehend Schwierigkeiten macht.37 Dagegen lässt die Praxis verschiedentlich eine neue Klage im Inland zu, wenn der Gegner die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Urteils bestreitet.38 Da die Anerkennungsfähigkeit im Rahmen des Verfahrens nach Art 38ff EuGVO/LugÜ einfach geklärt werden kann, besteht für diese Ausnahme aber kein Bedürfnis.39 Im System der neu gefassten EuGVO ist für eine solche Klage überhaupt kein Raum. 20
Anerkennungsfähig sind auch Prozessurteile hinsichtlich des festgestellten Abweisungsgrundes ohne Bindung zur Hauptsache.40 Ein Prozessurteil, das eine Klage abweist, weil eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte eines anderen Staats besteht, bindet die Gerichte der anderen EUMitgliedstaaten nicht nur hinsichtlich der eigenen verneinten Zuständigkeit, sondern auch hinsichtlich des tragenden Abweisungsgrundes, der bejahten Zuständigkeit des prorogierten Staats. Insoweit gelte ein eigener Rechtskraftbegriff des Unionsrechts. Das Gericht eines weiteren Mitgliedstaats darf daher seine Zuständigkeit nicht mehr bejahen.41
21
Neben dem Feststellungsantrag sehen Art 33 III EuGVO/LugÜ bzw Art 36 III EuGVO nF die Möglichkeit vor, dass ein Gericht eines Mitglied- bzw Vertragsstaats, dessen Entscheidung von der Anerkennung abhängt, inzident über die Anerkennung entscheidet.42 Eine solche Inzidentfeststellung erwächst nicht in Rechtskraft, doch kann über § 256 II ZPO auch eine rechtskraftfähige Zwischenfeststellung verlangt werden.43
22
Wie nach § 328 ZPO werden mit der Anerkennung nach der EuGVO bzw dem LugÜ die ausländischen Entscheidungswirkungen in den Anerkennungsstaat erstreckt (Theorie der Wirkungserstreckung).44 Die ausländische Entscheidung hat also im Anerkennungsstaat dieselben materiellen Rechtskraftwirkungen,
37 38 39 40
41 42 43
44
Baumann IPRax 1994, 435, 438. So OLG München RIW 1996, 856. So auch Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 1996, S 722. MüKo/Gottwald Art 33 EuGVO Rz 7; Schlosser Art 33 Rz 3; Kropholler/v. Hein Vor Art 33 EuGVO Rz 13; Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 5; Stein/Jonas/Oberhammer Art 32 Rz 2; aA Geimer/Schütze Art 32 EuGVO Rz 16, 20. EuGH (15.11.12, C-456/11, Goethaer Allgemeine Versicherung v Samskip) EuZW 2013, 60 (Rz 33ff, 40ff) (dazu Bach, S 56). Vgl MüKo/Gottwald Art 33 EuGVO Rz 21. So Rauscher, S 97; Schlosser Art 33 Rz 2, 5; Burgstaller/Neumayr Art 33 EuGVO Rz 8; für bindende Inzidentanerkennung Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 33 Rz 19. EuGH (15.11.2012, C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung v Samskip) EuZW 2013, 60 (Rz 34); MüKo/Gottwald Art 33 EuGVO Rz 3; Linke/Hau, IZVR, Rz 417; v Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl 2007, § 3 Rz 154ff; Geimer/Schütze, Art 33 EuGVO Rz 1, 11; Rauscher/Leible Art 33 Brüssel I-VO Rz 3; Schlosser Art 33 Rz 2; Kropholler/v Hein Vor Art 33 EuGVO Rz 9; Jametti Greiner S 21ff; auch Musielak/Stadler § 328 ZPO Rz 33; zweifelnd Burgstaller/Neumayr Art 33 EuGVO Rz 9ff; für ein Dreischrittmodell Peiffer Rz 153ff.
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die ihr nach dem Recht des Urteilsstaats beigemessen werden.45 Auch die Rechtskraft nach französischem Recht über „décisions implicites“ ist daher grds in Deutschland anzuerkennen.46 Bisher wurde angenommen, dass sich der Umfang der Rechtskraftwirkung auch für Entscheidungen, die im Rahmen der neuen europäischen Verordnung ergangen sind, nach dem nationalen Prozessrecht des Entscheidungsstaats bestimmt.47 Im Urteil vom 15.11.2012 hat der EuGH jedoch entschieden, dass der Umfang der Bindung an ein Prozessurteil eines EU-Mitgliedstaats nicht von unterschiedlichen nationalen Vorschriften über die Rechtskraft abhängt, sondern auf einen Rechtskraftbegriff des Unionsrechts abzustellen ist, der auch die tragenden Entscheidungsgründe mit umfasst.48 Mit der Rechtskraft werden auch die Präklusionswirkungen, also der Ausschluss widersprechenden tatsächlichen Sachvortrags erstreckt.49 Ist eine Entscheidung nach nationalem Recht rechtskräftig, bedarf es nach EU-Recht keines Rechtsbehelfs, um sie wegen eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht überprüfen zu können.50 Das englische Recht,51 aber auch das griechische Recht52 kennen darüber hi- 23 naus eine Rechtskrafterstreckung auf Vorfragen (präjudizielle Urteilsgründe) (issue estoppel, collateral estoppel). Voraussetzung für eine Bindung ist, dass diese Vorfrage im Vorprozess entscheidungserheblich war und die Parteien deshalb Anlass hatten, dazu umfassend vorzutragen. Da der deutsche Gesetzgeber die Rechtskraft auf die Entscheidung über den 24 Streitgegenstand beschränkt und für eine Erweiterung die Zwischenfeststellungsklage (§ 256 II ZPO) vorgesehen hat, wird häufig die Ansicht vertreten, eine Wirkungserstreckung sei insoweit dem deutschen Recht wesensfremd und könne daher nicht anerkannt werden.53 Freilich kennt auch das deutsche Recht eine Vorfragenbindung bei der Aufrechnung (§ 322 II ZPO). Entscheidend sollte daher nicht die im Ausland gar nicht vorgesehene Stellung eines Zwischenfeststellungsantrags sein, sondern das Vorliegen einer echten Vorfra45 Vgl BGH FamRZ 2008, 40; R. Wendt ErbR 2011, 5, 14f; Peiffer Rz 232ff; Stein/Jonas/ Oberhammer Art 33 Rz 12; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 33 Rz 27f. 46 Vgl Stürner, FS Schütze, 1999, S 913, 927; Kössinger, S 142ff. 47 R. Freitag, FS Kropholler, 2008, S 759, 771ff; S. Sepperer, Der Rechtskrafteinwand in den Mitgliedstaaten der EuGVO, 2010; A. Zeuner, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1587. 48 EuGH (15.11.12, C-456/11, Gothaer Allgemeine Versicherung v Samskip) EuZW 2013, 60 (Rz 39ff) (dazu Bach, S 56). 49 MüKo/Gottwald Art 33 EuGVO Rz 5; Kropholler/v. Hein Vor Art 33 EuGVO Rz 14; Rauscher S 98; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 33 Rz 23. 50 EuGHE 2006, I-2585 (Kapferer v Schlank & Schick) = RIW 2006, 690 (Rz 21ff). 51 Zuckerman, Civil Procedure, 2nd ed 2006, Rz 24.48, 24.64ff; P. Barnett, Res judicata, Estoppel, and Foreign Judgments, 2001; vgl C.F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S 236ff. 52 Yessiou-Faltsi, Civil Procedure in Hellas, 1995, Rz 269; Beys, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im hellenischen Recht, in: Prozessuales Denken aus Attika, 2000, S 488, 497. 53 Geimer, IZPR, Rz 2780ff; wohl auch Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 33 Rz 27.
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ge und der Streit darüber im Vorprozess.54 Unter diesen Voraussetzungen ist eine Vorfragenbindung anzuerkennen.55 25
Nach der Gegenmeinung ist die Wirkungserstreckung durch den Gedanken der Gleichstellung zu beschränken (sog Kumulationstheorie56); die Wirkungen einer ausländischen Entscheidung können danach nicht über die einer inländischen hinausgehen. Diese Lösung ist aber zu eng und mit der Idee einer echten Freizügigkeit von Entscheidungen in der EU kaum zu vereinbaren. Angemessener erscheint daher, alle prozessualen Wirkungen einer Entscheidung anzuerkennen, sofern diese nicht gegen den nationalen ordre public (Art 34 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 45 I lit a EuGVO nF) verstoßen.
26
Neuerdings findet sich auch die Ansicht, man müsse als Folge der Kernpunkttheorie des EuGH zu Art 21 EuGVÜ (Art 27 EuGVO; Art 29 EuGVO nF) auch eine einheitliche Rechtskraftkonzeption für den europäischen Justizraum entwickeln,57 wobei die Rechtskraft dann nach französischem oder englischem Vorbild auch präjudizielle Rechtsverhältnisse erfassen müsse.58
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Urteile, die aufgrund einer Garantieklage ergangen sind, werden in Deutschland anerkannt und für vollstreckbar erklärt, obgleich der Gerichtsstand der Klage auf Gewährleistung nach Art 6 Nr 2 EuGVO/LugÜ (bzw Art 8 Nr 2 EuGVO nF) in Deutschland nicht geltend gemacht werden kann (vgl Art 65 EuGVO bzw 1. Protokoll zum LugÜ Art II).
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Entsprechendes gilt für Interventions- und Streitverkündungswirkungen nach österreichischem, schweizerischem oder spanischem Recht, umgekehrt für die Wirkungen nach §§ 68, 74 ZPO in den anderen EuGVO bzw LugÜ-Staaten.59
29
Wegen der Tatbestandswirkungen gilt dasselbe wie zum autonomen deutschen Recht (s u Rz 132ff). Die ausländische Entscheidung hat auch dieselbe Gestaltungswirkung, die sie im Urteilsstaat entfaltet, und zwar ohne Rücksicht auf das angewandte materielle Recht.60 Dies alles folgt aus der Freizügigkeit der Entscheidungen innerhalb des Gebietes der Vertragsstaaten.
54 G. Fischer, FS Henckel, S 199, 209; Martiny, HdbIZVR, Rz 382; Schlosser Rec d Cours 284 (2000), 41f; Gottwald, FS Musielak, 2004, S 183, 191; Hk-ZPO/Dörner § 328 Rz 7. 55 Peiffer Rz 254ff. 56 Dafür Schack, IZVR, Rz 881ff; Geimer/Schütze/Wolf Art 26 Rz 5; Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 8. 57 S. Böhm, Der Streitgegenstandsbegriff des EuGH, in: Bajons/Mayr/Zeiler, Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano, 1997, S 141, 155ff; vgl auch Gottwald, Symposium Schwab, 2000, S 85, 95ff. Gegen einen einheitlichen europäischen Streitgegenstand Peiffer Rz 289. 58 Koch, Unvereinbare Entscheidungen, 1993, S 160ff. 59 Stein/Jonas/Oberhammer Art 33 Rz 12; M. Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, 1994, S 171ff, 194ff. 60 Kropholler/v Hein Vor Art 33 EuGVO Rz 15; MüKo/Gottwald § 328 ZPO Rz 173ff; Rauscher, S 98; Schlosser Art 33 Rz 3; Stein/Jonas/Oberhammer Art 33 Rz 13; HkZPO/Dörner Art 33 EuGVVO Rz 6.
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4. Versagung der Anerkennung a) EuGVO/LugÜ Sämtliche Anerkennungsvoraussetzungen der Art 34, 35 EuGVO/LugÜ wer- 30 den nicht mehr von Amts wegen, sondern nur auf Einrede, dh erst auf Rechtsbehelf des Gegners in zweiter Instanz geprüft. Für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung folgt dies aus Art 41 EuGVO/LugÜ; für das (selbständige) Anerkennungsverfahren kann nichts anderes gelten.61 Im Anwendungsbereich des EuGVÜ und des LugÜ 1988 bleibt es dagegen bei der Prüfung von Amts wegen (bereits in erster Instanz). Art 34 EuGVO/LugÜ formulieren die Versagungsgründe als Anerkennungshindernisse. Deshalb hat diejenige Partei den Versagungsgrund zu beweisen, die sich gegen die Anerkennung wehrt.62
b) EuGVO nF Nach Art 45 I EuGVO nF kann ein Berechtigter beantragen, dass festgestellt 31 wird, dass die Anerkennung einer Entscheidung zu versagen ist. Für das Verfahren gelten nach Art 45 IV EuGVO nF die Art 46 ff, 52 ff EuGVO nF über die Versagung der Vollstreckung.
c) Versagungsgründe (1) Ordre public-Verstoß Art 34 Nr 1 EuGVO/LugÜ (Art 45 I lit a EuGVO nF) enthält den Vorbehalt des 32 ordre public des Anerkennungsstaats. Die Anerkennung darf der öffentlichen Ordnung des Staats, in dem sie geltend gemacht wird, nicht offensichtlich widersprechen (zur parallelen Regel des § 328 I Nr 4 ZPO s u Rz 172ff). Dies ist nur ausnahmsweise der Fall, wenn die Entscheidung wesentliche Rechtsgrundsätze missachtet („ordre public international“). Innerhalb der EU ist der ordre public nicht mehr rein national zu verstehen, vielmehr ist ein gemeineuropäischer Rahmen zu beachten.63 Innerhalb dieses Rahmens kann der ordre public-Verstoß Folge der materiellen Rechtsanwendung oder des tatsächlich befolgten Verfahrens sein. Bei Fragen der materiellen Rechtsanwendung ist ein liberaler Standpunkt an- 33 zulegen. Nicht jede national unzulässige Regelung verstößt daher gegen den ordre public.64 Wird jemand als Bürge zur Zahlung verurteilt, obwohl der Bürg61 Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 3; wohl auch Kropholler/v Hein Vor Art 33 EuGVO Rz 6; aA HkZPO/Dörner Art 34 EuGVVO Rz 1. 62 Kropholler/v Hein Vor Art 33 EuGVO Rz 7; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 3. 63 Jayme, Nationaler ordre public und europäische Integration, 2000; Gundel EWS 2000, 442; MüKo/Gottwald Art 34 EuGVO Rz 11; Magnus/Mankowski/Franq Art 34 Rz 15; Stürner, Festgabe BGH, Bd 3, 2000, S 677, 687ff; M. Renfert, Über die Europäisierung der ordre public-Klausel, 2003; Basedow, Mélanges en l’honneur de Lagarde, 2005, 55; aA wohl Leipold, FS H. Stoll, S 625, 633. 64 Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 16ff; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 15ff; Magnus/Mankowski/Franq Art 34 Rz 21.
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schaftsvertrag nach § 138 BGB nichtig wäre, so scheitert die Anerkennung des Urteils nur, wenn der Bürge wegen besonders krasser struktureller Unterlegenheit zum wehrlosen Objekt der Fremdbestimmung gemacht würde und auf unabsehbare Zeit auf das Existenzminimum der Pfändungsfreigrenzen verwiesen würde.65 Ein Prozessbetrug löst den ordre public-Vorbehalt nur ausnahmsweise aus, wenn im Urteilsstaat kein angemessenes Verfahren zur Geltendmachung vorgesehen ist.66 Dies gilt nicht bei der Erwirkung eines Versäumnisurteils durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren nicht eingelassen hat.67 Eine Pflicht zur Einlegung von Rechtsbehelfen ist nur bei Nr 2 (bzw lit b), nicht bei Nr 1 (bzw lit a) vorgesehen. 34
Zu beanstanden sind Verstöße gegen EU-Wettbewerbsrecht,68 wucherische Zinsen69, nicht aber eine Währungssicherungsklausel in einem ausländischen Urteil,70 auch nicht die Anerkennung von Schutzrechten an Kfz-Karosserieteilen, die andere Marktteilnehmer am Import hindern.71 Anzuerkennen ist ein Urteil über ein am Gerichtsort zulässiges Erfolgshonorar.72 Selbst die Bejahung einer unbeschränkten Reederhaftung wegen Eigenverschuldens verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.73
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Eine Sicherung eines Gläubigers durch eine Worldwide Asset Freezing Order, die dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen innerhalb der deutschen Pfändungsfreigrenzen belässt, ist mit dem ordre public vereinbar. Das OLG Nürnberg meint, nach Vollstreckbarerklärung und Vollzug im Inland habe die Order Folgen, die dem dinglichen Arrest entsprechen.74 Aber dies ist nicht der Fall. Eine freezing order wirkt nur in personam und führt nicht zu einer dinglichen Beschlagnahme.75
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Die Reaktion auf das ausländische Urteil muss verhältnismäßig sein, dh nur exzessive Teile einer ausländischen Entscheidung dürfen der Kontrolle zum Opfer fallen.76 Dennoch ist der BGH der Ansicht, dass es gegen den deutschen ordre public verstößt, wenn jemand, der nach § 105 I SGB VII (früher §§ 636, 637 RVO) wegen des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes von persönlicher Haftung befreit ist, im Ausland zum Schadenersatz verurteilt wird.77 65 BGHZ 140, 395 = NJW 1999, 2372 = IPRax 1999, 371 (dazu G. Schulze S 342); vgl Leipold, FS H. Stoll, S 625, 628f; Becker S 146ff; Dörner, FS Sandrock, 2000, S 205. 66 Hau IPRax 1996, 322, 333f. 67 BGH NJW 2004, 2386, 2388. 68 EuGHE 1999, I-3055 (Eco Swiss) = EuZW 1999, 345; Hess EuZPR § 6 Rz 206; vgl Kasolowsky/Steup IPRax 2011, 96. 69 Rauscher, S 101. 70 BGH [1994] ILPr 703. 71 EuGHE 2000, I-2973 (Renault v Maxicar) = NJW 2000, 2185 = ZZPInt 5 (2000), 248 (J. Fritzsche) = IPRax 2001, 328 (dazu Heß, S 301). 72 Pisani IPRax 2001, 293, 297. 73 OLG Hamburg RIW 1995, 680. 74 OLG Nürnberg WM 2010, 700 (Tz 47ff) = IHR 2011, 215. 75 Zuckerman, On Civil Procedure, 2nd ed, 2006, para 9.160; vgl auch Ch. Heinze RIW 2003, 922, 929. 76 Vgl Basedow IPRax 1994, 85, 86. 77 BGHZ 123, 268 = NJW 1993, 3269; krit. Basedow IPRax 1994, 85; Haas ZZP 108 (1995), 219, 226ff; Stürner, Festgabe BGH, Bd 3, S 677, 691; Becker S 140ff.
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Urteile, die gegen EU-Gemeinschaftsrecht, etwa mittelbar wirkende EU-Richt- 37 linien verstoßen, können nicht allein deshalb als ordre public-widrig beanstandet werden.78 Der ordre public ist allenfalls berührt, wenn das ausländische Gericht eine rechtswahlfeste Norm, die eine EU-Richtlinie durchführt, zB das Widerrufsrecht nach § 312 BGB, nicht beachtet.79 Bei dem Urteil, ob ein Verfahrensfehler zur ordre public-Widrigkeit der Ent- 38 scheidung geführt hat, ist der Maßstab des Art 6 I EMRK zu beachten.80 Fragen des rechtlichen Gehörs und der Unvereinbarkeit der anzuerkennenden Entscheidung mit einer bereits im Anerkennungsstaat ergangenen Entscheidung werden allerdings bereits durch Art 34 Nr 2 und Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit b und lit c EuGVO nF) erfasst und daher zu einem großen Teil aus dem Bereich des ordre public ausgeklammert. Andere gravierende Verfahrensverstöße können aber zur Versagung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung führen, wenn das fragliche Verfahren nicht mehr als geordnetes rechtsstaatliches Verfahren angesehen werden kann.81 Dies ist nicht der Fall, wenn ein ausländischer Titel trotz Einlegung eines Rechtsbehelfs vorläufig vollstreckbar ist.82 Ordre public-widrig ist zB die Anerkennung eines durch Betrug erschlichenen Urteils.83 Eine fehlende Entscheidungsbegründung ist nur dann ordre public-widrig, wenn die Entscheidungsgrundlage nicht ermittelbar ist.84 Ordre public-widrig ist ein Urteil, wenn der Anwalt des Schuldners nicht zur 39 Vertretung zugelassen wurde, weil dieser (im Strafverfahren) nicht persönlich erschienen war.85 Ein Ausschluss des verurteilten Prozessgegners wegen contempt of court ist nur dann mit dem ordre public vereinbar, wenn es sich um eine verhältnismäßige Maßnahme handelt.86 Ordre public-widrig ist es, dem Beklagten eine Zweitagesfrist für die Einzahlung des Kostenvorschusses für das Berufungsverfahren zu setzen und einen Fristverlängerungsantrag abzulehnen.87 78 Baumert, S 251ff. 79 Baumert, S 271ff. 80 Vgl Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 25; Stein/Jonas/ Oberhammer Art 34 Rz 36ff; N. Trocker, Procedural differences, ordre public and recognition of foreign judgments, in Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency …, 2011, 273, 282ff. 81 BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816, 1818 (Henrich). 82 So für den ital. Zahlungsbefehl Kayser/Dornblüth ZIP 2013, 57, 59. 83 BGH IPRax 1987, 236 (dazu Grunsky, S 219); E. Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz 232; einschränkend Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 40. 84 Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 16; Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 44; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 29. 85 EuGHE 2000, I-1935 (Krombach v Bamberski) = NJW 2000, 1853 = ZZPInt 5 (2000), 219 (v Sachsen-Gessaphe) = ZIP 2000, 859 (Geimer) = JZ 2000, 720 (v Bar) = IPRax 2000, 406 (dazu Piekenbrock S 364); BGHZ 144, 390 = NJW 2000, 3289 = JZ 2000, 1067 (Gross); EGMR IPRax 2001, 454 (dazu Matscher S 428); vgl Donzallaz AJP/PJA 10 (2001), 160; Becker, Grundrechtsschutz, S 126ff. 86 EuGHE 2009, I-2563 (Gambazzi v Daimer Chrysler) = IPRax 2010, 164 (dazu Cuniberti S 148. 87 BGH WM 2010, 1522 (Tz 5ff) = EuZW 2010, 960.
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Die Anerkennung einer Unterhaltsentscheidung zugunsten eines nichtehelichen Kindes verstößt gegen den ordre public, wenn die Unterhaltspflicht zusammen mit der Vaterschaft festgestellt wurde und die Vaterschaft ihrerseits ordre public-widrig festgestellt wurde (Feststellung nur aufgrund eines Zeugnisses vom Hörensagen trotz Untersuchungsbereitschaft des Beklagten).88
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Soweit es um die Zuständigkeit des Erstrichters geht, besteht nach EuGVO/ LugÜ grds eine Bindung des Zweitrichters an die Entscheidung des Erstrichters. Die Ausnahmen gem Art 35 I EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit e EuGVO nF) beziehen sich auf die Gerichtsstände für Versicherungssachen, Verbrauchergeschäfte, Streitigkeiten aus individuellen Arbeitsverträgen und auf die (kraft Gesetzes) ausschließlichen Zuständigkeiten.89 Im Übrigen haben die Zivilprozessordnungen der Mitglied- bzw Vertragsstaaten so vieles gemeinsam, dass danach ein geordnetes rechtsstaatliches Verfahren grds gewährleistet ist. Immerhin könnte die Verletzung des rechtlichen Gehörs Veranlassung geben, die Entscheidung des Erstrichters wegen Verstoßes gegen den ordre public des Anerkennungsstaats nicht anzuerkennen. Wer fehlerhaft zur Verhandlung an einem nicht existierenden Tag geladen wird, ist verpflichtet, beim Gericht um Aufklärung nachzusuchen. Unterlässt er dies, kann er sich nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs berufen.90 Ein Urteil ohne jede (ggf in der Verhandlung mündlich gegebene) Begründung verstößt gegen den ordre public.91 Die Zurückweisung des Aufrechnungseinwands verletzt dagegen nicht tragende Grundsätze des deutschen Rechts.92 Auch Fehler bei der Urteilszustellung93 oder das Fehlen eines Rechtsmittels94 tangieren nicht den ordre public.
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Gegen den deutschen ordre public verstößt auch der indirekte Eingriff in die deutsche Justizhoheit durch eine sog antisuit injunction, mit der einer Partei Klageerhebung oder Fortsetzung eines Prozesses im Inland untersagt werden.95
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Ob die Anerkennung gegen den ordre public verstößt, ist nach der Rechtslage zu dem Zeitpunkt zu entscheiden, zu dem die Anerkennung geltend gemacht wird.96
88 89 90 91 92 93 94 95
BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816 (Henrich). Schütze AWD 1974, 429. BGH MDR 2002, 108 = IPRax 2002, 395 (dazu Geimer, S 378) = NJW-RR 2002, 1151. So für Frankreich; Cour d’appel Poitiers (1996) ILPr 104. OLG Frankfurt IPRax 1999, 460 (dazu Hau, S 437). Cour de Cass. [2001] ILPr 717, 718. OLG Düsseldorf RIW 2001, 620; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 17. EuGHE 2004, I-3565 (Turner v Grovit) = IPRax 2004, 425 (dazu Rauscher) = RIW 2004, 541 (dazu Krause, S 533); Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 17b; Maack, Englische antisuit injunctions, S 156ff, 186; im Erg. auch Geimer, IZPR, Rz 1014, 2792 (keine Sachentscheidung); Burgstaller/Neumayr Art 34 Rz 13; Teixeira de Sousa/ Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 32; aA Schlosser Art 34–36 EuGVO Rz 5a (bei klarem Bruch einer Schiedsklausel). 96 OLG Köln NJW-RR 1995, 446; Kropholler/v Hein Art 34 EuGVO Rz 10; Rauscher/ Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 8; teilweise aA Geimer/Schütze Art 34 EuGVO Rz 39.
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(2) Verletzung rechtlichen Gehörs bei Verfahrenseinleitung Als Unterfall des allgemeinen ordre public von besonderer Bedeutung ist der 44 Vorbehalt des Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit b EuGVO nF), wenn sich der Beklagte auf das Verfahren nicht eingelassen hat. Sie findet auch Anwendung, wenn für den Beklagten ein angeblicher Vertreter erschienen ist und deshalb kein Versäumnisurteil erging.97 Dieser Versagungsgrund spielte in der bisherigen Praxis die größte Rolle. Die Anerkennung ist zu versagen, wenn dem Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt wurde. Nach der früheren Fassung gem Art 27 Nr 2 EuGVÜ/LugÜ war Versagungs- 45 grund, dass dem Beklagten, der sich nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden war, dass er sich verteidigen konnte. Diese Fassung lag der Neufassung von § 328 I Nr 2 ZPO zugrunde. Diese kumulativen Erfordernisse ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Zustellung nach dem früheren Art 27 Nr 2 EuGVÜ/LugÜ (ohne Heilungsmöglichkeit) führten zu ungerechten Ergebnissen, wenn die Klage tatsächlich und rechtzeitig, aber formell fehlerhaft zugestellt war. Der Mangel wurde also nicht dadurch irrelevant, dass der Beklagte das Schriftstück tatsächlich so rechtzeitig erhalten hatte, dass er sich verteidigen konnte.98 In solchen Fällen war der Beklagte nicht verpflichtet, sich am Erstverfahren zu beteiligen, auch wenn ihm dies möglich gewesen wäre.99 Zu Recht wurde eingewandt, ein solches Verständnis verletze den Justizgewährungsanspruch des Klägers, der objektive Fehler der Zustellbehörden weder vermeiden noch überhaupt erkennen könne.100 Der Beklagte könne eine Versagung der Anerkennung daher nur verlangen, wenn er alle ihm im Erststaat zur Verfügung stehenden Mittel vergeblich ausgeschöpft habe, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.101 Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ (künftig Art 45 I lit b EuGVO nF) trägt dieser Kritik 46 voll Rechnung. Danach wird eine Entscheidung eines EU-Staats nur dann nicht anerkannt, wenn „dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte“.
97 EuGHE 1996, I-4943 (Rz 21) (Hendrikman u Feyen v Magenta Druck) = NJW 1997, 1061 = ZZPInt 2 (1997), 136 (H. Roth); Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 9a. 98 EuGHE 1990, 2725 (Lancray v Peters) = RIW 1990, 927 = IPRax 1991, 177 (dazu Rauscher, S 155); BGH RIW 1990, 101. 99 EuGHE 1996, I-4943, 4967 (Hendrikman v Magenta Druck) = NJW 1997, 1061; BGH NJW 1993, 2688, 2689. 100 Geimer/Schütze Art 34 EuGVO Rz 81f. 101 Geimer IPRax 1988, 271, 273f.
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Entscheidend ist danach primär die Rechtzeitigkeit der Zustellung (idR wenigstens drei Wochen vor dem Termin).102 Verstöße gegen die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung (nach der neuen Zustellungsverordnung (EG) Nr 1393/2007) (s o § 8 Rz 54ff) sind kein Versagungsgrund mehr, solange der Beklagte die Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen.103 Schwerwiegende Zustellungsmängel sind aber ein Indiz dafür, dass das rechtliche Gehör nicht gewährt wurde.104 Nur insoweit ist noch eine gewisse Förmlichkeit garantiert. Eine ordnungsgemäße Zustellung indiziert freilich, dass der Beklagte ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten hatte.105
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Die Rechtzeitigkeit richtet sich allein danach, ob sich der Beklagte aus der Sicht des Vollstreckungsstaats nach den konkreten Umständen des Einzelfalls tatsächlich verteidigen konnte;106 auf einen Verstoß gegen Regeln des Urteilsstaats kommt es nicht an.107 Dies gilt vor allem für die Fälle fiktiver Zustellung. Gerade in Fällen der remise au parquet kann die tatsächliche Mitteilung so spät erfolgen, dass eine Verteidigung nicht mehr möglich war.108 Die Möglichkeit rechtzeitiger Verteidigung setzt nicht voraus, dass der Beklagte tatsächlich Kenntnis von Klageschrift und Ladung hatte.
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An der Verteidigungsmöglichkeit fehlt es zwar tatsächlich bei rein fiktiven Zustellungen. Sofern die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung vorliegen, kann der Beklagte jedoch im Anerkennungsstaat nicht eine Verletzung seines Rechts auf Gehör einwenden.109 Danach ist regelmäßig zu vermuten, dass eine Zustellung an die letzte bekannte Adresse rechtzeitig erfolgt, wenn die neue Adresse des Beklagten unbekannt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Unkenntnis des Klägers dem Beklagten zurechenbar ist.110 Die Verteidigungsmöglichkeit kann auch bei einer Zustellung per remise au parquet fehlen, wenn die Mitteilung von der erfolgten Zustellung zu spät erfolgt.111 Eine rein informelle Mitteilung durch einen Prozessbeteiligten oder seinen Bevollmächtigten eröffnet in keinem Fall eine Verteidigungsmöglichkeit.112
102 Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 35. 103 Markus SZW 1999, 205, 218; Roth, FS Gerhardt, S 799, 802; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 23a; Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 63ff; Teixeira de Sousa/ Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 46ff. 104 BGH IPRax 2008, 530 (dazu H. Roth, S 501); vgl Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 52ff. 105 Kropholler/v Hein Art 34 EuGVO Rz 39; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 31. 106 BGH NJW 2008, 1531; OLG Koblenz RIW 1991, 860/61. 107 EuGHE 1985, 1779 (Debaecker v Bouwman) = RIW 1985, 967; MüKo/Gottwald Art 34 EuGVO Rz 31f. 108 OLG Köln RIW 1990, 229; Braun S 113ff. 109 Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 58; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 32; Becker, Grundrechtsschutz, S 217f. 110 BGH NJW 2008, 1531, 1534 (Rz 32f); BGH WM 1992, 286, 288 = RIW 1992, 56 = IPRax 1993, 324 (dazu Linke, S 295); krit. Geimer IPRax 1992, 5, 11; aA Stein/Jonas/ Oberhammer Art 34 Rz 67. 111 Vgl Becker, S 218ff. 112 Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 61.
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Trotz faktischer Übermittlung der Klage entfällt die Verteidigungsmöglichkeit, 50 wenn die Klage in einer nicht verstehbaren Fremdsprache (ohne Übersetzung) zugeht113 oder grob irreführende Mitteilungen über das tatsächlich anhängige Verfahren erfolgen, ohne dass ausreichend Zeit besteht, sich Klarheit zu verschaffen.114 Ein Mangel wird aber durch nachträgliche Zustellung einer Übersetzung geheilt115 (s jetzt Art 8 III EuZustVO). Selbst fehlende Rechtzeitigkeit schließt die Anerkennung aber nicht aus, 51 wenn sich der Beklagte nicht am Verfahren beteiligt und keinen Rechtsbehelf (Berufung, Einspruch, Antrag auf Wiedereinsetzung) einlegt, obwohl die Möglichkeit dazu besteht. Dies gilt vor allem, wenn die Entscheidung des Erstgerichts, insb ein Versäumnisurteil, zugestellt wird. Die Zustellung muss so rechtzeitig erfolgen, dass sich der Beklagte vor dem Gericht des Ursprungsstaats den Rechtsbehelf tatsächlich einlegen konnte.116 Ordnungsgemäß muss die Zustellung nicht sein, um diese Pflicht auszulösen.117 Der europäische Gesetzgeber hat sich damit klar der Ansicht angeschlossen, wonach es dem Beklagten zumutbar ist, sich nachträglich am Erstverfahren zu beteiligen.118 (Insoweit gilt dasselbe wie bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks.119) Diese Pflicht setzt nicht voraus, dass die Partei über ein zulässiges Rechtsmittel belehrt wurde.120 Wurde der betroffenen Partei die Entscheidung mit ihrem vollen Inhalt zur Kenntnis gebracht, muss sie alle zulässigen und zumutbaren Rechtsbehelfe dagegen ergreifen; sonst ist sie mit der Rüge der Nichtwahrung der Verteidigungsrechte bzw des Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public präkludiert.121 Wird die ausländische Entscheidung erst mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung zugestellt, hat das Beschwerdegericht das Verfahren auszusetzen und dem Schuldner eine Frist zu bestimmen, innerhalb derer er den Rechtsbehelf im Ausland einlegen muss.122 Erfährt der Schuldner von der ausländischen Entscheidung aber erst durch Zustellung der erteilten Vollstreckungsklausel, so kann von ihm nicht verlangt werden, dass er im Ausland Rechtsmittel oder außerordentliche Rechtsbehelfe ergreift, um den ausländischen Titel nachträglich zu beseitigen.123 Legt er frei-
113 Vgl OLG Celle IPRax 2005, 450 (dazu H. Roth, S 438, 439). 114 Stadler, in: 50 Jahre BGH, Festgabe der Wissenschaft, Bd 3, 2000, S 645, 669; Linke, in: Gottwald, Grundfragen, 1999, S 95, 131. 115 EuGHE 2005, I-9611 (Götz Leffler v Berlin Chemie) = JZ 2006, 248 (Rauscher) = IPRax 2006, 151 (dazu Stadler S 116). 116 EuGHE 2006, I-12041 (ASML Netherlands v SEMIS) = NJW 2007, 825 = IPRax 2008, 519 (dazu Geimer, S 498); Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 61. 117 BGH FamRZ 2008, 586, 589; BGH NJW 2011, 3103 (Sujecki). 118 BGH RIW 2010, 470 (Rz 12ff) = IPRax 2011, 265 (dazu Bach, S 241); vgl Magnus/ Mankowski/Franq Art 34 Rz 57ff. 119 Vgl Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 39a; Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 79. 120 Kayser/Dornblüth ZIP 2013, 57, 61. 121 BGHZ 191, 9 = NJW 2011, 3103 (Sujecki) = FamRZ 2011, 1568 (Heiderhoff). 122 BGH RIW 2010, 470, 471 (Rz 13ff) = IPRax 2011, 265 (dazu Bach, S 241). 123 OLG Zweibrücken RIW 2005, 779, 781 = IPRax 2006, 487 (dazu H. Roth, S 466).
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lich ein noch zulässiges Rechtsmittel ein, kann er sich nicht mehr auf Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ (Art 45 I lit b EuGVO nF) berufen.124 52
Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ gilt nicht nur für Klagen, die nach dem 1.3.2002 erhoben wurden, sondern auch für nach dem 1.3.2002 erlassene Entscheidungen in vorher begonnenen Verfahren, wenn das EuGVÜ zuvor im Ursprungs- und im Vollstreckungsstaat gegolten hat (Art 66 EuGVO).125 Für ältere Verfahren und Entscheidungen verbleibt es bei der Regelung von Art 27 Nr 2 EuGVÜ.126
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Eine Sonderregelung besteht für die Nichteinlassung im Adhäsionsverfahren. Nach Art 61 EuGVO/LugÜ (bzw Art 64 EuGVO nF) braucht ein Adhäsionsurteil nicht anerkannt und vollstreckt zu werden, wenn das Gericht bei einer fahrlässigen Straftat das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet hatte, dieser die Anordnung nicht befolgte und infolgedessen eine Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche ergangen ist, ohne dass er sich verteidigen konnte.127 Die Nichtanerkennung steht im Ermessen des Gerichts. Es kann berücksichtigen, warum der Angeklagte nicht erschienen ist und ob ernsthafte Einwände gegen den zivilrechtlichen Anspruch bestehen.
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Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit b EuGVO nF) stellt auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ab. Aus diesem muss der Gegenstand des Rechtsstreits entsprechend dem Recht des Forum-Staats ersichtlich sein.128 Geht einer Klage ein Mahnverfahren voraus, so ist der Mahnbescheid, nicht aber der Vollstreckungsbescheid als verfahrenseinleitendes Schriftstück anzusehen.129 Im Rahmen des italienischen Mahnverfahrens („procedimento d’ingiunzione“) bildet das „decreto ingiuntivo“ zusammen mit der Antragsschrift das verfahrenseinleitende Schriftstück.130 Bei Kostenfestsetzungsbeschlüssen nach § 104 ZPO genügt es, dass das Hauptverfahren ordentlich eingeleitet wurde. Vor Gebührenfestsetzungen nach § 11 RVG muss der Antrag dagegen dem Mandanten besonders zugeleitet werden.131 Im Verfahren zur Feststellung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren (§§ 249 ff FamFG) ist der Antrag dem Gegner besonders zuzustellen.132 Eine Mitteilung über die per remise au parquet erfolgte Zustellung (sog notification) war der Zustellung gleichzustellen.133 124 EuGHE 2009, I-3571 (Tz 79) (Apostolides v Orams) = EuGRZ 2009, 210; BGH WM 2010, 865 (Tz 13ff); OLG Nürnberg WM 2011, 700 (Tz 80). 125 Vgl BGH WM 2006, 502; Kropholler/v Hein, Art 66 EuGVO Rz 4ff. 126 BGH RIW 2004, 941. 127 Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 38; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 63. 128 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 1996, S 515. 129 EuGHE 1981, 1593 (Klomps v Michel) = RIW 1981, 781 = IPRax 1982, 94; BGH RIW 1991, 510, 511. 130 EuGHE 1995, I-2053 (Rz 20) (Danvaern Production v Schuhfabriken Otterbeck) = EWS 1995, 308 = EuZW 1995, 803; dazu Grunsky IPRax 1996, 245; vgl aber Kruis IPRax 2001, 56, 58 (keine Anerkennung eines für sofort vollstreckbar erklärten „decreto ingiuntivo“). 131 Braun, S 75ff. 132 Vgl Braun, S 78ff. 133 Vgl Stadler IPRax 2006, 116, 117f.
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Die fehlerhafte Zustellung späterer Schriftsätze oder der Entscheidung fällt 55 nicht unter Art 34 Nr 2, sondern allenfalls unter Nr 1 EuGVO/LugÜ134 (bzw nicht Art 45 I lit b, sondern lit a EuGVO nF). Der Schutzzweck für den Beklagten erfordert eine weite Auslegung des Begrif- 56 fes der Einlassung. Es genügt aber, dass der Beklagte seine Absicht, sich zu verteidigen, zu erkennen gegeben hat. Insoweit deckt sich der Begriff mit dem der Einlassung nach § 328 I Nr 2 ZPO (s u Rz 168). Der bloße Hinweis auf die fehlerhafte Zustellung kann nicht als Einlassung angesehen werden.135 Hat sich der Beklagte nach fehlerhafter Zustellung eingelassen, hat sein Anwalt aber später das Mandat niedergelegt, so liegt kein Fall von Art 34 Nr 2 EuGVO/ LugÜ (bzw Art 45 I lit b EuGVO nF) vor.136 Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung richtet sich nach dem Recht des Ur- 57 sprungsstaats einschließlich der dort geltenden Übereinkommen.137 Das LugÜ stellt selbst keine Zustellungsanforderungen auf. Im Verhältnis der Vertragsstaaten ist deshalb das Haager ZustÜ 1965 zu beachten (s o § 8 Rz 85ff), ergänzt durch die aufrechterhaltenen Zusatzvereinbarungen, die noch zum Haager Übereinkommen über den Zivilprozess von 1954 abgeschlossen wurden (Art 24 HZÜ 1965). Eine unmittelbare Zustellung von Gericht zu Gericht gem Art I Abs 2 des Protokolls Nr 1 zum LugÜ nach Deutschland scheidet aus, weil das deutsche Recht hierfür keine Formen vorsieht. Dass eine solche Zustellung erfolgt ist, muss notfalls die Partei beweisen, die die Anerkennung bzw Vollstreckbarerklärung verlangt.138 Das Problem ist wegen der Ersatzzustellungen von einiger Bedeutung. Der 58 Zweitrichter muss also möglicherweise die Zustellungsvorschriften des Erstrichters und alle Verträge, die der Urteilsstaat hinsichtlich der internationalen Zustellung mit anderen Staaten abgeschlossen hat, prüfen. Art 15 HZustÜ ändert daran nichts. Danach muss der Erstrichter feststellen, ob das Schriftstück in einer der Formen zugestellt worden ist, die das Recht des ersuchten Staats für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt, oder dass die Zustellung entweder dem Beklagten selbst oder aber in seiner Wohnung nach einem anderen in dem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren übergeben worden ist. Die Vorschriften des ersuchten Staats, der häufig Anerkennungsstaat sein wird, sind aber nur insoweit anzuwenden. Ob die Zustellung selbst ordnungsgemäß ist, richtet sich dagegen nur nach dem Recht des Urteilsstaats (einschließlich der Zustellungsabkommen).
134 BGH NJW-RR 1987, 377 u RIW 1990, 575; auch gegen Anwendung von Nr 1: Cour de Cass., [2001] ILPr 717. 135 OLG Köln IPRax 1991, 114 (dazu Linke, S 92). 136 OLG Karlsruhe RIW 1991, 859. 137 EuGHE 2005, I-8639 (Scania Finance France v Rockinger) (Rz 17) = RIW 2005, 940, 942 = ZZPInt 10 (2005), 290 (Heiderhoff); OLG Karlsruhe IPRax 1996, 426 = EWS 1996, 109; Braun, S 90ff; Geimer/Schütze/Wolf Art 27, 28 EuGVO Rz 24. 138 OLG Karlsruhe EWS 1996, 109.
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Danach gilt als ordnungsgemäß auch die öffentliche Zustellung gem §§ 185ff ZPO, selbst wenn sie dem Beklagten tatsächlich unbekannt geblieben ist. Doch darf die öffentliche Zustellung nur gewährt worden sein, wenn der Wohnsitz des Beklagten trotz zumutbarer Anstrengungen unbekannt geblieben ist; andernfalls ist die öffentliche Zustellung nicht ordnungsgemäß.139 Taucht der Beklagte im Anerkennungs- oder Vollstreckungsverfahren wieder auf und macht geltend, er sei nicht ordnungsgemäß geladen worden, kann er mit diesem Einwand nicht gehört werden. Er könnte sich jedoch darauf berufen, er habe sich nicht rechtzeitig verteidigen können.140 Für diesen Fall sieht Art 16 HZustÜ die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, falls der Beklagte ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis von der Ladung erlangt hat, dass er sich hätte verteidigen können. Der Zweitrichter müsste in diesem Fall das Verfahren gem Art 46 EuGVO/LugÜ (bzw Art 38 EuGVO nF) aussetzen, bis der Erstrichter über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden hat. Im Übrigen kann ein deutsches Versäumnisurteil auch durch Aufgabe zur Post dem ausländischen Beklagten zugestellt werden, sofern die erforderlichen Voraussetzungen nach § 184 I 2 ZPO vorliegen, da hierdurch kein Verfahren eingeleitet wird.141
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Der Umfang, in dem der Zweitrichter die ordnungsgemäße Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks prüft, ist bei einer Versäumnisentscheidung im Zusammenhang mit Art 53, 54 EuGVO/LugÜ (bzw Art 37, 53, 57 EuGVO nF) zu sehen. Danach muss der Antragsteller eine Ausfertigung der Entscheidung und eine Bescheinigung nach Art 54 EuGVO/LugÜ (bzw Art 53 EuGVO nF) vorlegen. In dieser Bescheinigung wird unter Nr 4.4 bei Versäumnisurteilen das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bestätigt. Diese Bestätigung ist aber für das Zweitgericht im Vollstreckungsstaat nicht bindend. Bestreitet der Beklagte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt wurde oder dass die Zustellung rechtzeitig war, hat Gericht des Vollstreckungsstaats dieser Behauptung nachzugehen und nachzuprüfen, ob die Bescheinigung richtig ist.142
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Der Zweitrichter ist hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung an die Feststellungen des Erstrichters nicht gebunden.143 Es gilt aber nur Amtsprüfung, (wohl entgegen dem BGH) nicht Amtsermittlung, so dass das Gericht nur die vom Antragsgegner vorgetragenen Zustellungsmängel überprüft.144
139 140 141 142
OLG Düsseldorf [2002] ILPr 71. Vgl Schlosser Art 34–36 EuGVO Rz 17a. Vgl OLG München, NJW 1983, 527 (zu § 175 I aF). Vgl EuGH (C-619/10, 6.9.2012, Trade Agency v Seramico Investments) RIW 2012, 781 (Tz 34ff, 46). 143 Vgl EuGHE 1982, 2723 (Pendy Plastic) = IPRax 1985, 25; BGH FamRZ 2008, 390, 391 = NJW 2008, 1531 (dazu Heiderhoff IPRax 2010, 343; Geimer LMK 2008, 253019); BGH EWS 1993, 258, 259. 144 So auch Geimer/Schütze/Wolf Art 27, 28 EuGVO Rz 35.
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Auch unter der Geltung des HZustÜ 1965 ist eine fiktive Inlandszustellung 62 nach dem System der „remise au parquet“ gem Art 659 NCPC aF zulässig.145 Denn die Regeln des HZustÜ sind grds nur einzuhalten, wenn nach dem Recht des Ursprungsstaats eine Auslandszustellung erforderlich ist.146 Lediglich im Wege des Kompromisses gewähren Art 15, 16 HZustÜ einen Schutz auch bei der remise au parquet. Zwischen den EU-Mitgliedstaaten muss eine Zustellung nunmehr allerdings nach der EuZustVO 2007 erfolgen. Eine Zustellung mittels remise au parquet scheidet insoweit wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV aus. Frankreich hat dementsprechend Art 684 (1) CPC geändert (s o § 8 Rn 17).147 Ein Zustellungsmangel kann geheilt werden, soweit das Recht des Urteils- 63 staats einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge das bestimmt.148 Es genügt also nicht ohne Weiteres (analog § 189 ZPO), dass der Beklagte das Schriftstück in Deutschland tatsächlich erhalten hat, vielmehr muss die Heilungsvorschrift im Recht des Urteilsstaats vorhanden sein. Soweit das Recht des Urteilsstaats auf das des Zustellungsstaats verweist, kommt es jedoch auf dessen Heilungsvorschriften an.149 Soweit die Zustellung nach dem HZustÜ 1965 zu bewirken ist, soll danach ei- 64 ne Heilung ausscheiden, weil das Übereinkommen ausschließlich anwendbar ist und Art 15 keine Heilungsvorschrift enthält.150 Auch die neue Europäische Zustellungsverordnung enthält keine solche Norm. Beiden Regelwerken ist aber nicht zu entnehmen, dass eine Heilung von Zustellungsmängeln nach dem anwendbaren Prozessrecht ausgeschlossen werden sollte. Vielmehr befassen sie sich mit diesen Fragen weder positiv noch negativ.151 EuGVO und LugÜ haben Art 34 Nr 2 gegenüber Art 27 Nr 2 EuGVÜ geändert. 65 Nunmehr kommt es primär nur noch darauf an, dass der Beklagte das verfahrenseinleitende Schriftstück so rechtzeitig erhalten hat, dass er sich verteidigen konnte. (Gleiches gilt für Art 45 I lit b EuGVO nF.) Insoweit ist die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nicht völlig irrelevant. Eine rechtzeitige private Mitteilung von der Klageerhebung genügt in keinem Falle. Irrelevant werden bei rechtzeitiger Mitteilung nur Zustellungsfehler. Selbst wenn die Verteidigungsmöglichkeit anfänglich beschränkt war, kann sich der Betroffene nicht mehr auf eine fehlerhafte Zustellung des verfahrens145 Vgl EuGHE 2005, I-8639 (Scania Finance v Rockinger) = IPRax 2006, 157 (dazu Stadler S 116); OLG Düsseldorf IPRax 2000, 527 (dazu H. Roth, S 497). 146 AA OLG Karlsruhe RIW 1999, 538f. 147 Zur Rechtslage vor der EuZustVO 2007 s OLG Karlsruhe RIW 1999, 538, 539. Der EuGH hat im Leffler-Urteil v 8.11.2005 (EuGHE 2005, I-9611 = IPRax 2006, 151) zu dieser Frage nicht Stellung genommen. 148 EuGHE 1990, 2725 (Lancray v Peters) = RIW 1990, 927, 929 = IPRax 1991, 177, 179; BGH EWS 1993, 258, 259. 149 S Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 1996, S 718. 150 So BGH RIW 1991, 510, 511; Brand/Reichhelm IPRax 2001, 173, 176. 151 MüKo/Gottwald 2. Aufl 2007, Art 27 EuGVÜ Rz 24; Schlosser, FS Matscher, 1993, S 387, 396; vgl auch Braun, S 161ff; gegen eine gemeineuropäische Heilung Kropholler 6. Aufl 2006, Art 27 Rz 32.
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einleitenden Schriftstückes berufen, wenn ihm die Entscheidung des Gerichts ordentlich zugestellt wurde und er dagegen keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obgleich er dies hätte tun können.152 67
Das Problem wird auch akut, wenn diese Fristen im Anerkennungsstaat bedeutend länger als im Urteilsstaat sind. Dabei muss auf die Fristen des Urteilsstaats abgestellt werden.153 Da der Vorsitzende nach § 274 III ZPO bei der Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist bestimmen muss, wenn im Ausland zuzustellen ist, sollte hierbei großzügig verfahren werden, um von vornherein dem Beklagten die Einrede zu nehmen, er habe sich nicht hinreichend verteidigen können.
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Auf die ordnungsgemäße Ladung des Beklagten muss allerdings bei Arresten und einstweiligen Verfügungen verzichtet werden. Die Wirksamkeit dieser summarischen Verfahren würde vereitelt, wenn dem Beklagten in jedem Fall das das Verfahren einleitende Schriftstück zugestellt werden müsste.154 Deutsche Arreste und einstweilige Verfügungen werden allerdings nur dann im Ausland anerkannt, wenn dem Arrestgegner in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zum rechtlichen Gehör gegeben war.155
(3) Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung des Anerkennungsstaats 69
Nach Art 34 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit c EuGVO nF) wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn diese mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Anerkennungsstaat ergangen ist. Die Regeln wollen Entscheidungskollisionen lösen, deren Eintritt bereits durch die Art 27ff EuGVO/LugÜ (bzw Art 29ff EuGVO nF) verhindert werden soll. Danach wird der Entscheidung des Anerkennungsstaats immer der Vorzug eingeräumt.156 Die Unvereinbarkeit ist vertragsautonom zu bestimmen; auf die Identität des Streitgegenstandes wird nicht abgestellt. Teilweise soll jegliche Präjudizialität, jeder ernstliche Widerspruch in den Entscheidungsgründen ausreichen, um das Anerkennungshindernis auszulösen.157 Eine solche Lösung lehnt sich in etwa an die Rechtskraftlehre in Frankreich und Großbritannien an. Sie greift damit aber unnötig tief in das Rechtsschutzsystem der Staaten ein, die engere Rechtskraftlehren haben. Praktikabler erscheint es, die
152 EuGHE 2009, I-2571 (Apostolides) = EuGRZ 2009, 210; BGH NJW-RR 2010, 571; Hess, EuZPR, § 6 Rz 197; Linke/Hau, IZVR, Rz 475. 153 Vgl Corte d’appello di Torino, Urt v 11.2./11.3.1977, Rspr Übers Folge 2, 1978, Nr 83. 154 LG Hamburg, Beschl v 9.3.1977, leitet dies aus der Natur des Arrestverfahrens her, Rspr Übers Folge 2, Nr 81. 155 EuGHE 1980, 731 (De Clavel v De Clavel) = IPRax 1981, 19 (dazu Hausmann, S 5); Kropholler/v. Hein Art 32 EuGVO Rz 23. 156 Schlosser Art 34–36 EuGVÜ Rz 22; Geimer/Schütze Art 34 EuGVO Rz 158; Kropholler/v. Hein Art 34 EuGVO Rz 54; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 43; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 75; Magnus/Mankowski/Francq Art 34 Rz 71. 157 Koch, S 27ff, 73ff, 161.
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Unvereinbarkeit eng zu fassen und nicht weiter gehen zu lassen, als nach dem weitestgehenden der beteiligten nationalen Rechte.158 Der Widerspruch zwischen einer Entscheidung und einem Prozessvergleich genügt nicht.159 Nach Art 34 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit c EuGVO) hat eine inländi- 70 sche Entscheidung stets Vorrang, selbst wenn sie unter Nichtbeachtung der ausländischen Rechtshängigkeit ergangen ist. Der Vorrang gilt, bis die Inlandsentscheidung auf Restitutionsklage (§ 580 Nr 7b ZPO) aufgehoben worden ist. Sachliche Unvereinbarkeit besteht, wenn sich die Rechtsfolgen der Entschei- 71 dungen gegenseitig ausschließen. Dies setzt keine Identität der Streitgegenstände voraus.160 Unvereinbar ist etwa ein Urteil, das einen Vertrag für nichtig erklärt, mit einem weiteren, das zum Schadenersatz wegen Nichterfüllung verurteilt. Die Entscheidungen müssen aber gleichrangig sein: Ein Urteil, mit dem ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt ist, steht einem positiven Urteil in der Hauptsache nicht entgegen. Wird die Anerkennung eines Scheidungsurteils im Inland abgelehnt, so ist die Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt ebenfalls nicht anzuerkennen. Nach Ansicht des EuGH besteht Unvereinbarkeit auch im Verhältnis von Scheidungsurteil und Urteil auf Zahlung von Trennungsunterhalt.161 Die Ablehnung einer Unterlassungsverfügung ist ebenfalls stets mit der Ge- 72 währung einer solchen Verfügung unvereinbar. Der BGH meinte zwar in seinem Vorlagebeschluss,162 das Gericht des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaats solle befugt sein, im Einzelfall von der Anwendung von Art 34 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit c EuGVO nF) abzusehen, wenn die Abweichung bzw Unvereinbarkeit aus der Sicht des Vollstreckungsstaats nicht schwer genug wiegt. Doch hat sich der EuGH für eine generelle Unvereinbarkeit ausgesprochen.163
(4) Unvereinbarkeit mit der früheren Entscheidung eines anderen Mitglied- oder Drittstaats Das Prioritätsprinzip gilt dagegen nach Art 34 Nr 4 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 73 I lit d EuGVO nF), wenn die Entscheidung mit der früheren Entscheidung eines anderen Mitglied- oder eines Drittstaats unvereinbar ist. Vorausgesetzt ist, dass die frühere Entscheidung im Inland anzuerkennen ist. Anders als bei Nr 3
158 M. Wolf, FS Schwab, 1990, S 561, 567; vgl Coscia Riv.dir.int.priv.proc. 1995, 265. 159 EuGHE 1994, I-2237 (Rz 20) (Solo Kleinmotoren v Boch) = EWS 1994, 247 = NJW 1995, 38 = JZ 1994, 1007 m Anm Schlosser; dazu Mankowski EWS 1994, 379; Kropholler/v. Hein Art 34 Rz 48. 160 Magnus/Mankowski/Francq Art 34 Rz 67f; Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 85ff. 161 Vgl EuGHE 1988, 645 (Hoffmann v Krieg) = NJW 1989, 663 = IPRax 1989, 159. 162 BGH WM 2000, 635, 637 = NJW 2000, 1440. 163 EuGHE 2002, I-4995 (Rz 39ff) (Italian Leather v WECO Polstermöbel) = NJW 2002, 2087 = IPRax 2005, 33 (dazu Heß, S 23) = ZZPInt 7 (2002), 243 (Fritzsche).
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(bzw lit c) genügt hier nicht die schlichte Unvereinbarkeit, sondern die Entscheidungen müssen wegen desselben Anspruchs ergangen sein.164 74
Zweifelhaft ist, ob Art 34 Nr 4 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit d EuGVO nF) analog anzuwenden ist, wenn zwei miteinander unvereinbare Entscheidungen desselben Mitgliedstaats vorliegen und eine von ihnen nun für vollstreckbar erklärt werden soll. Der BGH hat die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.165
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Auch das LugÜ enthält insoweit eine Lücke, als einander widersprechende Entscheidungen aus zwei verschiedenen Vertragsstaaten vorliegen. Mangels einer Sonderregelung sind auch in diesem Fall die allgemeinen Rechtskraftgrundsätze, dh das Prioritätsprinzip anzuwenden.166
(5) Kollisionsrechtlicher Vorbehalt (Art 27 Nr 4 LugÜ 1988) 76
Nach Art 27 Nr 4 EuGVÜ/LugÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn das Gericht des Urteilsstaats bei seiner Entscheidung hinsichtlich einer Vorfrage, die den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung einer natürlichen Person, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts betrifft, sich in Widerspruch zu einer Vorschrift des IPR des Staats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, gesetzt hat, es sei denn, dass die Entscheidung nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn die Vorschriften des IPR dieses Staats angewandt worden wären. Im Interesse der aufgeführten Gebiete wird von der grundsätzlichen Haltung des Übereinkommens, wonach die Anerkennung nicht deswegen versagt werden darf, weil der Erstrichter sein IPR angewendet hat, zugunsten des IPR des Zweitrichters abgewichen.167 Um zu prüfen, ob die Entscheidung des Erstrichters in Widerspruch zu einer Vorschrift des IPR des Zweitrichters steht, muss dieser insoweit eine „révision au fond“ vornehmen.
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Hierbei ist er nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters gebunden. Eine entsprechende Anwendung des Art 28 II EuGVÜ bzw Art 28 III LugÜ scheitert an der ausdrücklichen Beschränkung der Bindungswirkung auf die tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der Zuständigkeiten.168
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Da § 328 ZPO diese Anerkennungsvoraussetzung nicht mehr enthält, kann auf die Prüfung von Art 27 Nr 4 LugÜ nach dem Günstigkeitsprinzip bei Aner-
164 Stein/Jonas/Oberhammer Art 34 Rz 95; Teixeira de Sousa/Hausmann, unalex Kommentar Art 34 Rz 79. Nach verbreiteter Ansicht (Geimer/Schütze Art 34 EuGVO Rz 183, Kropholler/v Hein Art 34 EuGVO Rz 8 u. Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 49) soll dies allerdings keinen sachlichen Unterschied machen. 165 BGH ZIP 2012, 996, dazu vgl EWiR Art 34 EuGVVO 1/12, 455. 166 MüKo/Gottwald Art 34 EuGVO Rz 49; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rz 49a; vgl Kropholler/v Hein, Art 34 EuGVO Rz 56. 167 Geimer/Schütze/Wolf Art 27, 28 Rz 39. 168 AA Geimer/Schütze/Wolf Art 27, 28 Rz 40.
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kennungen in Deutschland verzichtet werden.169 Freilich ist auch dies streitig, weil der EuGH entschieden hat, dass das Klauselerteilungsverfahren ausschließlich anzuwenden ist und nicht hilfsweise auf ein anderes Anerkennungsverfahren des nationalen Rechts ausgewichen werden darf.170 Vom Sinn und Zweck her lässt sich diese Entscheidung aber nicht übertragen. Diese Regelung ist wegen der inzwischen erlassenen EheGVO (s u § 13 Rz 2ff) 79 nicht mehr in die EuGVO und in das LugÜ 2007 übernommen worden. Sie hat zudem in der Praxis keine Rolle gespielt.
5. Bindung des Zweitrichters an die Zuständigkeitsentscheidung des Erstrichters Grds darf der Zweitrichter die Zuständigkeit des Erstrichters nicht nachprü- 80 fen. Da die Art 2ff EuGVO/LugÜ (bzw Art 4ff EuGVO nF) eine einheitliche Zuständigkeitsordnung enthalten, legen Art 35 III EuGVO/LugÜ bzw Art 45 III EuGVO nF fest, dass die internationale Zuständigkeit bei der Anerkennung grds nicht mehr nachgeprüft werden darf, und zwar auch nicht aus Gründen des ordre public.171 Art 35 III EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 III EuGVO nF) setzen nicht voraus, dass die Entscheidung in Anwendung der europäischen Zuständigkeitsordnung ergangen ist, sondern gelten auch gegenüber Drittstaatsangehörigen, für die diese nicht gilt, Art 4 EuGVO/LugÜ (bzw Art 6 EuGVO nF). Die Nachprüfung entfällt sogar, wenn der Erstrichter seine Zuständigkeit auf eine sog exorbitante Zuständigkeit gestützt hat,172 eine Regelung, die vor allem von Drittstaatsseite kritisiert wird.173 Teilweise wird freilich in extremen Fällen dann einer Nachprüfung das Wort geredet, wenn ein Verstoß gegen Art 6 I EMRK vorliegt.174 Diese Einschränkung hat der EuGH zurückgewiesen.175 Das Verbot der Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit gilt wegen des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens innerhalb der Mitglied- bzw Vertragsstaaten auch, soweit nach Art 71 EuGVO (aF und nF) bzw Art 67 I LugÜ ein besonderes Übereinkommen Vorrang vor der EuGVO genießt und eine Überprüfung zulassen würde.176 Die Ausnahmen von dem Nachprüfungsverbot zählt derzeit Art 35 I EuGVO/ LugÜ erschöpfend auf: es handelt sich um die Zuständigkeiten für Versiche-
169 MüKo/Gottwald § 328 ZPO Rz 19; Art 34 EuGVO Rz 51; Geimer, IZPR, Rz 2769, 2965; Kropholler, 6. Aufl 2006, Art 27 EuGVÜ Rz 52; Geimer/Schütze/Wolf, Art 27, 28 Rz 41; aA Linke/Hau, IZVR, Rz 435. 170 Vgl EuGHE 1976, 1851 (Segoura v Bonakdarian) = NJW 1977, 405 (Geimer). 171 EuGHE 2000, I-1935 (Krombach v Bamberski) = ZIP 2000, 859 (Geimer) = IPRax 2001, 406 (dazu Piekenbrock S 364). 172 Geimer/Schütze Art 35 EuGVO Rz 3; Linke Rz 396; MüKo/Gottwald Art 35 EuGVO Rz 3; vgl Kropholler/v Hein Art 35 EuGVO Rz 3. 173 Vgl Einstein/Phipps IPRax 2005, 365, 370. 174 Rauscher/Leible Art 35 Brüssel I-VO Rz 5; Schlosser Art 34–36 Rz 30. 175 Vgl Einstein/Phipps IPRax 2005, 365, 370. 176 EuGHE 2010, I-4107 (TNT Express Nederland v AXA Versicherung) = NJW 2010, 1736, 1738 (Rz 55).
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rungssachen, Verbrauchergeschäfte und für die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art 22 EuGVO/LugÜ (s o § 3 Rz 130ff, 141ff, 253ff). Bei seiner Nachprüfung ist der Zweitrichter insoweit an die tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters gebunden (Art 35 II EuGVO/LugÜ).177 Ein englisches Scheme of Arrangement (über versicherungsrechtliche Ansprüche) kann daher nicht anerkannt werden, wenn das englische Gericht nach den Art 8 ff EuGVO nicht zur Entscheidung über die Ansprüche zuständig war.178 82
Eine Nachprüfung erfolgt auch in den Fällen von Art 72 EuGVO bzw Art 68 LugÜ, dh wenn Mitglied- bzw Vertragsstaaten mit Drittstaaten Übereinkommen treffen, wonach die in Art 4 aufgeführten „exorbitanten“ Gerichtsstände ausgeschlossen sind. Dies war der Fall in Art 23 des deutsch-norwegischen Vertrags von 1977. Seit In-Kraft-Treten des Luganer Übereinkommens 1988 ist dieser Schutz freilich gegenstandslos. Relevant sind solche Drittschutzvereinbarungen heute noch gem den Verträgen des Vereinigten Königreichs mit Kanada von 1986 und mit Australien von 1990.
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Im Rahmen des Luganer GVÜ darf die Vollstreckung außerdem versagt werden, wenn die Zuständigkeit des Entscheidungsstaats auf einer Regel beruht, die vom Luganer GVÜ abweicht (Art 64 III LugÜ).
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Sinngemäß ist folglich auch die Einrede der Schiedsvereinbarung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausgeschlossen.179 Auch Verstöße gegen die Art 18ff EuGVO/LugÜ bei Arbeitssachen bleiben (derzeit) bei der Anerkennung und Vollstreckung ohne Sanktion.180
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Nach der Neufassung der EuGVO darf die internationale Zuständigkeit nicht nur wie bisher in Versicherungs- und Verbrauchersachen sowie Fällen gesetzlicher ausschließlicher Zuständigkeit, sondern neu auch in Arbeitnehmersachen (Art 45 I lit e [i], III 1 EuGVO nF) nachgeprüft werden. Der Arbeitnehmerschutz wird also erheblich verbessert.
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Die Bindungswirkung erstreckt sich nach Art 35 II EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 II EuGVO nF) auch auf alle tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters zur Zuständigkeit und sinngemäß auf alle Tatsachen, die im Vorprozess hätten vorgebracht werden können.181 Bei den Ausnahmefällen, in denen dem Zweitrichter im Übrigen eine Nachprüfung erlaubt ist, muss allerdings die Bindungswirkung restriktiv ausgelegt werden (s o Rz 81).
177 BGH RIW 1979, 494; aA Geimer/Schütze Art 35 EuGVO Rz 45 (nicht für anerkennungsfreundliche Tatsachen). 178 BGH ZIP 2012, 740 = NZI 2012, 425 (Ch. Paulus); dazu Mankowski EWiR 2012, 313; vgl BGH NJW 2012, 2352. 179 Bälz/Marienfeld RIW 2003, 51, 52f; M. J. Schmidt, Festgabe Sandrock, 1995, S 205; Besson, Études en l’honneur Poudret, 1999, S 329; Geimer/Schütze Art 35 EuGVO Rz 33ff; Kropholler/v Hein Art 35 EuGVO Rz 5; Rauscher/Leible Art 35 Brüssel I-VO Rz 14; OLG Celle, RIW 1979, 131; vgl M. Illmer IHR 2011, 108, 112ff. 180 Hausmann, EuLF 2000, 40, 47; Rauscher/Leible Art 35 Brüssel I-VO Rz 12. 181 Rauscher/Leible Art 35 Brüssel I-VO Rz 15.
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6. Verbot der révision au fond Die Bindungswirkung kulminiert in Art 36, 45 II EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 87 IV, 52 EuGVO nF), wonach die ausländische Entscheidung keinesfalls auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden darf (Verbot der révision au fond). Bis auf die erwähnten Ausnahmen darf der Zweitrichter also nicht nachprüfen, ob der Erstrichter seine Verfahrensvorschriften und sein materielles Recht richtig angewendet hat.182 Nicht nachgeprüft werden darf auch der Einwand fehlender Parteifähigkeit bzw des Erlöschens des Klägers als juristische Person.183 Wird die Anerkennung inzident geltend gemacht, obwohl gegen die Entschei- 88 dung im Ursprungsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt wurde, kann das Gericht im Zweitstaat sein Verfahren nach Art 37 EuGVO/LugÜ (bzw Art 38 EuGVO nF) von Amts wegen184 aussetzen, um eine sachlich widersprechende Entscheidung zu vermeiden. Wird im selbständigen Anerkennungsverfahren nach Art 33 II EuGVO/LugÜ auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Ursprungsstaat hingewiesen, kann das Verfahren nach Art 46 EuGVO/LugÜ ausgesetzt werden. (Gleiches gilt gem Art 51 EuGVO nF für das selbständige Feststellungsverfahren nach Art 36 II EuGVO nF.). Frei
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II. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum Basedow, Die Anerkennung von Auslandsscheidungen, 1980; P. Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989; M. Becker, Zwingendes Eingriffsrecht in der Urteilsanerkennung, RabelsZ 60 (1996), 691; Beitzke, Anerkennung inländischer Privatscheidungen von Ausländern? IPRax 1981, 202; Böckstiegel, Vertragspraxis und Streiterledigung im Wirtschaftsverkehr mit arabischen Staaten, 1981; Bohnet, Das Gegenseitigkeitsprinzip bei der Anerkennung von Gerichtsurteilen im deutsch-chinesischen Rechtsverkehr, RIW 1996, Beil. zu Heft 6, S 17; Brüning, Die Beachtlichkeit des fremden ordre public, 1997; Bruns, Der anerkennungsrechtliche ordre public in Europa und den USA, JZ 1999, 278; Bungert, Enforcing US Excessive and Punitive Damages Awards in Germany, Intern. Lawyer 27 (1993), 1075; D. Coester-Waltjen, Deutsches internationales Zivilverfahrensrecht und die punitive damages, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 15; D. Coester-Waltjen, Das Spiegelbildprinzip bei der Anerkennungszuständigkeit, Liber amicorum Buxbaum, 2000, S 101; O. Dörr, Staatenimmunität als Anerkennungs- und Vollstreckungshindernis, in: Leible/Ruffert, Völkerrecht und IPR, 2006, S 175; H. Dolinar, Vollstreckung aus einem ausländischen, einen Schiedsspruch bestätigenden Exequatururteil, FS Schütze, 1999, S 187; T. Doser, Gegenseitigkeit und Anerkennung ausländischer Entscheidungen (§ 328 Abs 1 Nr 5 ZPO), 1999; M. Fadlalla, Die Pro182 Vgl OLG Celle, RIW 1979, 129; Rauscher/Leible Art 36 Brüssel I-VO Rz 1; Kropholler/v Hein Art 36 EuGVO Rz 1. 183 BGH NJW 1992, 627/28. 184 Rauscher/Leible Art 37 Brüssel I-VO Rz 5; Kropholler/v Hein Art 37 EuGVO Rz 5; Joubert/Weller, unalexKommentar Art 37 Rz 6f.
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2. Einführung 102 Das deutsche Recht unterscheidet zwischen der Anerkennung und der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. Ebenso verhalten sich die meisten anderen Staaten. Zwischen Anerkennung und Vollstreckung besteht eine Wechselwirkung. Nach § 723 II 2 ZPO kann aufgrund eines ausländischen Urteils ein Vollstreckungsurteil nur ergehen, wenn die Anerkennung des Urteils nach § 328 ZPO nicht ausgeschlossen ist. Nach klassischem Völkerrecht ist kein Staat verpflichtet, ausländische Entscheidungen anzuerkennen.185 Jeder Staat bestimmt daher grds selbst, inwieweit er ausländische Entscheidungen anerkennen und vollstrecken will. In der Verkündung eines Urteils wird die Gerichtshoheit eines jeden Staats offenkundig. Dieser Hoheitsakt kann grds nur innerhalb der staatlichen Grenzen wirken. Jeder Staat bestimmt deshalb die Voraussetzungen, unter denen er ein ausländisches Urteil anerkennt. Ansätze zur Entwicklung eines Völkergewohnheitsrechts haben sich im Gegensatz zu dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe nicht einmal gezeigt. Es besteht auch darüber keine Einigkeit, dass grds ausländische Entscheidungen anerkannt werden sollten. Noch immer gibt es Staaten, die die Vollstreckung aus ausländischen Urteilen grds nicht zulassen, so dass in solchen Fällen im Ausland noch einmal geklagt werden muss. 103 Für Deutschland ergibt sich aber aus dem Justiz(gewährungs)anspruch ggf sogar eine verfassungsrechtliche Pflicht, ausländische Entscheidungen, zB in Statussachen, anzuerkennen. Wegen dieser Verbindung zum Justizgewährungsanspruch erscheint es problematisch, die Anerkennung vom Erfordernis der Gegenseitigkeit (s u Rz 187ff) abhängig zu machen.186 104 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen sind im autonomen Recht in den §§ 328, 722, 723 ZPO und §§ 107–109 FamFG geregelt. Daneben bestehen EU-Verordnungen sowie eine Reihe von multilateralen und bilateralen Staatsverträgen. Im Allgemeinen haben EU-Recht und Vertragsrecht Vorrang vor dem autonomen Recht der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung. 105 Das EU-Recht beansprucht vorrangige, abschließende Geltung. Soweit das autonome Recht aber sonst anerkennungsfreundlicher ist, hat es nach dem Günstigkeitsprinzip Vorrang gegenüber gewöhnlichen Anerkennungsverträgen, da diese nur Mindeststandards der Anerkennung festlegen, aber grds keinen Staat daran hindern, darüber hinaus Entscheidungen anzuerkennen.187 Das gleiche Prinzip gilt im Zweifel bei einer Kollision mehrerer Anerkennungsverträge. Jedoch gilt ein Vermischungsverbot: Innerhalb von Regelungseinheiten dürfen nicht einzelne Anerkennungsvoraussetzungen oder Verfahrenserfordernisse ausgetauscht werden.188
185 Geimer, Anerkennung, S 10; Nagel ZZP 75 (1962), 408, 435. 186 Vgl Geimer ZfRV 5 (1992), 401, 405f. 187 Geimer, Anerkennung, S 81ff. Für EU-Recht ist ein Rückgriff auf das autonome Recht dagegen ausgeschlossen (s o Rz 4). 188 Siehr, FS Walder, 1994, S 409; Siehr, IPR, 2001, S 528.
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3. Die Art und Weise der Anerkennung Die Anerkennung und Rechtskraftwirkung eines ausländischen Urteils tritt 106 ohne ein besonderes Verfahren ein. Die Anerkennung erfolgt vielmehr kraft Gesetzes, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen.189 Eine besondere Delibation, wie nach dem bis 1994 geltenden autonomen italienischen Recht (Art 796ff cpc) oder eine sog Homologisierung wie in latein- und südamerikanischen Staaten (zB in Brasilien, s u § 16 Rz 62) zur Wirkungsverleihung ist weder erforderlich noch überhaupt vorgesehen. Da die Anerkennung ex lege erfolgt, treten ihre Wirkungen mit Erlass bzw 107 Rechtskraft der Entscheidung ein, wenn die Anerkennungsvoraussetzungen in diesem Zeitpunkt vorliegen. Wird das Anerkennungsrecht später liberalisiert oder tritt erst später ein Rügeverzicht ein, so kann die Anerkennung auch erst zu einem späteren Zeitpunkt wirken. Ein Vertrauensschutz in eine Nichtanerkennungsfähigkeit besteht nicht.190 Ausländische Ehescheidungen bedürfen dagegen der förmlichen Anerkennung 108 durch die zuständige Landesjustizverwaltung (s u § 13 Rz 21ff), ausgenommen sind freilich Entscheidungen aus EU-Staaten (Art 21 EheGVO; s u § 13 Rz 3ff) und Heimatstaatentscheidungen. Besteht jedoch ein Streit der Parteien darüber, ob ein ausländisches Urteil an- 109 zuerkennen ist, so kann eine Partei eine Feststellungsklage gem § 256 ZPO erheben.191 Dieser Fall tritt selten ein, weil in der Mehrzahl der Fälle die Anerkennung mit der Klage auf Vollstreckbarerklärung verbunden ist. Im Rahmen von EuGVO bzw LugÜ kann die (selbständige) Feststellung, dass die Entscheidung anzuerkennen ist, im Beschlussverfahren nach Art 33 II, 38ff EuGVO/LugÜ begehrt werden (s o Rz 17). In der neu gefassten EuGVO gibt Art 36 II die Möglichkeit, die Feststellung zu beantragen, dass kein Anerkennungsversagungsgrund vorliegt (s o Rz 18). Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung stehen also in einem engen Zusammenhang. Ohne (inzidente) Anerkennung kann ein ausländisches Urteil nicht für vollstreckbar erklärt werden (§ 723 II 2 ZPO).
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4. Die Wirkungen der Anerkennung Zwar gibt es keinen Satz des Völkergewohnheitsrechts, wonach die Staaten 111 verpflichtet sind, ausländische Urteile anzuerkennen. Doch steht Deutschland der Anerkennung ausländischer Urteile aufgeschlossen gegenüber. Die Anerkennung solcher Urteile ist also das Normale, sofern die Voraussetzungen der Nrn 1–5 erfüllt sind.
189 Schack Rz 971; Kropholler, IPR, § 60 II 2 (S 662); Linke/Hau, IZVR, Rz 453; Geimer, Anerkennung, S 157. 190 Linke/Hau, IZVR, Rz 452; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 9. 191 Geimer, Anerkennung, S 157f.
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112 a) Ausländischen Urteilen wird durch die Anerkennung dieselbe Wirkung beigemessen, die sie im Urteilsstaat haben. Der objektive Inhalt und die subjektive Reichweite der ausländischen Entscheidung werden auf das Inland erstreckt (Lehre von der Wirkungserstreckung).192 Durch die Anerkennung erhält die Entscheidung aber keine weitergehenden, originär verliehenen Wirkungen.193 Eine Entscheidung aus einem Staat mit enger Rechtskraftpräklusion entfaltet daher in einem Staat mit weiter Rechtskraftspräklusion nicht die weiteren Wirkungen. Jedoch wird die Rechtskraft in Deutschland stets von Amts wegen beachtet, auch wenn sie im Erststaat nur auf Einrede hin berücksichtigt wird.194 113 Wirkungserstreckung tritt nur ein, wenn und solange die ausländische Entscheidung wirksam ist.195 Wird die Entscheidung im Erststaat aufgehoben, entfallen automatisch auch ihre unmittelbaren Inlandswirkungen, eine inländische Vollstreckbarerklärung muss dagegen besonders aufgehoben werden (s u § 15 Rz 73, 244). 114 Andere wollen die ausländische Entscheidung nur einer inländischen gleichstellen und keine weiterreichenden Wirkungen anerkennen, als sie das deutsche Recht kennt; soweit das ausländische Recht hinter dem deutschen zurückbleibt, sollen die Wirkungen durch die Anerkennung freilich nicht verstärkt werden (so die Gleichstellungs- oder besser Kumulationstheorie196). Letztere Einschränkung spricht bereits gegen eine Gleichstellung. Anerkannt werden sollte eine ausländische Entscheidung so, wie sie im Urteilsstaat ergangen ist und nicht in jeweils anderen, von Land zu Land unterschiedlich begrenzten Wirkungen. Die Anerkennung ist daher grds nicht durch die Entscheidungswirkungen nach der inländischen lex fori begrenzt.197 115 Eine Grenze ergibt sich erst, wenn die ausländische Entscheidungswirkung dem deutschem Recht völlig „wesensfremd“ ist. Dies ist aber nur der Fall, wenn sie dem deutschen Recht nicht nur unbekannt ist, sondern ihre Inlandswirkung gegen den deutschen ordre public (§ 328 I Nr 4 ZPO) verstoßen würde.198 116 b) Die Anerkennung der ausländischen Entscheidung hat zur Folge, dass die inländischen Gerichte an die materielle Rechtskraft des ausländischen Urteils 192 OLG Köln FamRZ 2010, 1590, 1591; Geimer, Anerkennung, S 86; Geimer, IZPR, Rz 2776, 2848; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 154–155; Kegel/Schurig, IPR, § 22 V 1a (S 1061); Kropholler IPR, § 60 V 1; Linke/Hau, IZVR, Rz 417; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 160; Schlosser RdC 284 (2000), 41f. 193 Geimer, Anerkennung, S 88; Schütze, IZPR, Rz 319. 194 Martiny, HdbIZVR III/1, Rz 392; aA Geimer, Anerkennung, S 150. 195 OLG Köln FamRZ 2010, 1590, 1591. 196 Dafür Schack, IZVR, Rz 886; Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 141; wohl auch Schütze, IZPR, Rz 319; für die Schweiz Walter, IZPR der Schweiz, S 375 (für IPRG). 197 Ebenso Fischer, FS Henckel, S 199, 204ff. 198 Gottwald ZZP 103 (1990), 257, 261ff; v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 157; Kropholler, IPR, 6. Aufl 2006, § 60 IV 7 (S 676), § 60 V 1b (S 680); Peiffer Rz 153 ff; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 157 Rz 8; Staudinger/Spellenberg, 14. Bearb 2005, § 328 ZPO Rz 125.
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gebunden sind199 und seine Richtigkeit nicht nachprüfen dürfen (keine révision au fond; vgl § 723 I ZPO). Rein formal kann man eine Entscheidung zwar auch nach sachlicher Überprüfung anerkennen; aber in der Sache hat das inländische Gericht den Fall neu entschieden. Die Anerkennung darf nicht versagt werden, weil es den im Ausland zuerkannten Anspruch in gleicher Weise nach inländischem Recht nicht gibt. Sie ist nur zu verweigern, soweit das ausländische Urteil gegen den inländischen ordre public verstößt.200 Wird die Rechtskraft im Inland anerkannt, ist eine neue Klage zwischen den- 117 selben Parteien über den gleichen Streitgegenstand unzulässig („ne bis in idem“).201 Für Schadenersatzklagen wegen Schäden bei Schiffszusammenstößen wird dies in § 738a II 1 HGB ausdrücklich ausgesprochen. Als Sonderregel gestattet § 738a II 2 HGB dem siegreichen Kläger, auf seine Rechte aus dem ausländischen Titel zu verzichten und im Inland neu zu klagen. Soweit das ausländische Urteil nur mittels Vollstreckungsklage (§ 722 ZPO) 118 für vollstreckbar erklärt werden kann, ist nach hM eine neue Leistungsklage zulässig, wobei ein neues Sachurteil unter Bindung an das ausländische Urteil zu erlassen ist.202 Regelmäßig ist die ausländische Entscheidung freilich zu einer präjudiziellen 119 Vorfrage ergangen. Das Gericht ist dann an diese Entscheidung der Vorfrage gebunden und hat sie seinem neuen Urteil unverändert zugrunde zu legen. Teil der Rechtskraftbindung ist auch die Rechtskraftpräklusion von Alttatsa- 120 chen.203 Richtet sich der Umfang der Rechtskraftbindung nach dem Recht des Erststaats, so muss auch der Umfang der Präklusionswirkung aus Gründen prozessualen Vertrauensschutzes nach dem Recht des Erststaats beurteilt werden.204 Anzuerkennen ist nicht nur die Präklusionswirkung einer Erstentscheidung,205 sondern auch die einer ausländischen Zweitentscheidung (zB auf Vollstreckungsgegenklage oder Abänderungsklage).206 Soweit Urteile mit vereinbartem Inhalt (consent judgments) eine verminderte Präklusionswirkung haben, ist dies zu beachten; außerordentliche Rechtsbehelfe, die der Erststaat gegen ein consent judgment eröffnet, müssen dagegen nicht eröffnet werden.207 Rechtskraftfremde Präklusionswirkungen sind keine Entscheidungswirkun- 121 gen, sondern knüpfen meist daran an, dass die Partei es unterlassen hat, einen weiteren Klagegrund in das Erstverfahren einzuführen oder einen Rechtsbehelf 199 Schack Rz 867; vgl Y. Sinai, Reconsidering res judicata: a comparative perspective, Duke J. Comp. & Intern. L. 21 (2011), 353. 200 Anderson ICLQ 42 (1992), 697; Geimer, Anerkennung, S 57ff. 201 Schütze, IZPR, Rz 320. 202 BGH NJW 1964, 1626; MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 47. 203 Vgl MüKo/Gottwald, § 322 ZPO Rz 136ff; Geimer, Anerkennung, S 152. 204 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 236ff, 243; Geimer, IZPR, Rz 2812; Geimer, Anerkennung, S 149. 205 Vgl Peiffer Rz 597ff. 206 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 290ff. 207 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 269ff.
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(zB Einspruch gegen ein Versäumnismittel) einzulegen. Nelle meint, solche Regeln seien nur im Inland nach der lex fori maßgeblich und nur auf inländische Präklusionstatbestände anwendbar.208 Aber dies überzeugt nicht. Es besteht kein Anlass, der Partei im Inland mehr Einwendungen gegen ein Urteil zuzubilligen als im Erststaat. Rechtskraftfremde Präklusionen sind daher ebenfalls anzuerkennen (nicht anders entscheidet die Rechtsprechung seit jeher über Einwendungen gegen einen Schiedsspruch). 122 Nach anglo-amerikanischem Prozessrecht bindet eine Entscheidung nicht nur hinsichtlich des Tenors, sondern auch hinsichtlich der Beurteilung von Vorfragen, die tatsächlich verhandelt und entschieden wurden („collateral estoppel“).209 Inter partes sind solche Wirkungen dem deutschen Recht vergleichbar und anzuerkennen. Gleiches gilt für eine Bindung an präjudizielle Rechtsverhältnisse nach französischem Recht.210 Nicht anzuerkennen ist dagegen eine sog issue preclusion,211 dh eine Bindung an die Feststellung der einzelnen früher entscheidungserheblichen Tatsachen.212 Eine Bindung an durch Zwischenurteil entscheidbare Vorfragen213 dürfte dagegen inter partes anzuerkennen sein.214,215 123 Soweit die materielle Rechtskraft gegenüber Dritten wirkt, ist zu unterscheiden: Zu Lasten eines Dritten kann die Rechtskraft nur wirken, soweit dieser Rechtsnachfolger der Partei ist oder in eine Bindung eingewilligt hat. Ansonsten widerspricht die Bindung der Garantie rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG), die im Rahmen der Urteilsanerkennung Bestandteil des deutschen ordre public (§ 328 I Nr 4 ZPO) ist.216 124 Zugunsten des Dritten wirkt collateral estoppel, sei es zur Verteidigung oder als Angriffsmittel des Dritten,217 sicherlich im gleichen Rahmen. Gegenüber der Hauptpartei sollte die Präklusionswirkung aber auch dann anerkannt werden, wenn das Interesse des Dritten im Erstprozess bereits erkennbar im Spiel
208 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 258. 209 Vgl Casad, Res judicata, 1976, § 5/1–34; § 7–8; Smit, International Res judicata and Collateral Estoppel, UCLA L.Rev. 9 (1962), 44; Schack, Einführung in das USamerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 184ff. 210 Kössinger, S 92ff, 146ff. 211 Vgl Hay, US-amerikanisches Recht, 4. Aufl 2008, Rz 207; Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, 2005, Rz 771ff. 212 Martiny, HdbIZVR III/1, Rz 358, 381; aA Fischer, FS Henckel, S 199, 209 (soweit Bedeutung für Folgeprozess vorhersehbar). 213 Hierfür English Court of Appeal, [1996] ILPr 906. 214 MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 168; Musielak, § 328 ZPO Rz 35; Fischer, FS Henckel, S 199, 208f; aA Schütze, IZPR, Rz 319. 215 Zu den objektiven Rechtskraftgrenzen im Ausland vgl U. Ritter ZZP 87 (1974), 138; Spellenberg, FS Henckel, 1997, S 841; Stürner, FS Schütze, 1999, S 913. 216 Vgl im Einzelnen R. Krause, Urteilswirkungen gegenüber Dritten im US-amerikanischen Zivilprozessrecht, 1994, S 51ff; aA für die class action: Dixon ICLQ 46 (1997), 134; für Bindungswirkung gegenüber allen Mitgliedern der class, die vom Verfahren ordnungsgemäß benachrichtigt wurden Peiffer Rz 489 ff. 217 Vgl Tiedtke Smith DRiZ 1995, 94; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Aufl 2011, Rz 185.
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war.218 Eine eventuelle weitergehende Bindung der Parteien des Erstprozesses gegenüber Dritten ist dagegen nicht anzuerkennen. Die Anerkennung der materiellen Rechtskraft erfolgt rein prozessual. Sie 125 hängt nicht davon ab, ob das ausländische Urteil in Anwendung des nach deutschem IPR anwendbaren materiellen Rechts ergangen ist.219 Die Rechtskraftwirkungen richten sich nur nach dem Recht des Urteilsstaats, 126 nicht nach der Rechtsordnung, die das Gericht auf die Sachentscheidung angewendet hat.220 Die gegenteilige Lehre von der kollisionsrechtlichen Relativität der Rechtskraft möchte Friktionen auf der Ebene der lex causae, insb bei Gestaltungsurteilen, vermeiden.221 Aber sie erkauft diese Einheitlichkeit durch Unsicherheit über die tatsächlichen Rechtsfolgen eines Urteils. Nachdem 1986 jeder kollisionsrechtliche Vorbehalt aus § 328 ZPO gestrichen wurde, kann dieser Lehre nicht mehr gefolgt werden. c) Anzuerkennen ist auch die Gestaltungswirkung einer gerichtlichen Ent- 127 scheidung (zB die Ehescheidung, der Ausschluss eines Gesellschafters, die Herabsetzung einer Vertragsstrafe usw), und zwar ebenfalls rein prozessual nach dem Recht des Urteilsstaats, ohne Rücksicht sowohl auf die nach deutschem IPR anzuwendende Rechtsordnung als (in Statussachen) auf die Haltung des Heimatstaats der oder eines der Beteiligten.222 Bei Statusänderungen ist von der Rechtsfolge auszugehen, die nach der angewandten Rechtsordnung angeordnet werden konnte.223 Danach ist zu entscheiden, ob zu der Entscheidung noch eine Registrierung etc hinzutreten muss, um die Statusänderung herbeizuführen. d) Anzuerkennen sind weiter Drittwirkungen, die der Interventionswirkung 128 (§ 68 ZPO) oder der Streitverkündungswirkung (§§ 74 III, 68 ZPO) des deutschen Rechts entsprechen, auch wenn sie im Ausland ggf materiellrechtlich qualifiziert werden.224 Voraussetzung dafür ist, dass die Entscheidung selbst im Inland anerkannt werden kann. Wenn nach hM sämtliche Anerkennungsvoraussetzungen insoweit gegeben sein müssen,225 so bedeutet dies, dass die Zuständigkeit des Erstgerichts gegenüber dem Beklagten, nicht aber gegenüber dem einem Streitverkündungsempfänger vergleichbaren vauchee bestehen
218 Vgl R. Krause, S 244ff. 219 Geimer, Anerkennung, S 37ff, 44ff, 149 („Emanzipation“ des Anerkennungsrechts). 220 Schack Rz 1007ff, 1020ff; Fischer, FS Henckel, S 199, 202f. 221 Vgl Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, 1980, S 183ff. 222 Geimer, Anerkennung, S 41f, 152f; Peiffer Rz 501ff; MüKo/Gottwald § 328 ZPO Rz 173ff; Schack IZVR, Rz 869; Zöller/Geimer, § 328 ZPO Rz 52ff; Schütze, IZPR, Rz 321. Für eine Rückführung der Gestaltungswirkung auf die Rechtskraftbindung Lakkis, Gestaltungsakte im internationalen Rechtsverkehr, 2007. 223 Staudinger/Spellenberg, 14. Bearb, § 328 ZPO Rz 137. 224 Wieczorek/Mansel § 68 Rz 27, 30ff; Geimer, Anerkennung, S 46, 153ff. 225 Martiny, HdbIZVR III/1 Rz 397; Milleker ZZP 80 (1967), 288; Schack Rz 1018f; MüKo/Gottwald § 328 ZPO Rz 177f; Wieczorek/Mansel § 368 Rz 33.
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muss.226 Den Dritten gegenüber muss aber ein Streitverkündungsgrund vorliegen und die Streitverkündung (analog § 328 I Nr 2 ZPO) ordnungsgemäß zugestellt worden sein. Sie darf analog § 328 I Nr 3 ZPO keiner anderen vorrangig beachtlichen Entscheidung und analog § 328 I Nr 4 ZPO nicht dem deutschen ordre public widersprechen. Im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Dritten braucht aber keine Gegenseitigkeit zu bestehen.227 129 Unter diesen Voraussetzungen ist die Bindungswirkung des vouching in des US-amerikanischen Rechts gegenüber dem vouchee, zB gegenüber dem Verkäufer nach dem Uniform Commercial Code sec. 2–607 (5) (a), im Inland anzuerkennen.228 Nicht gebunden ist der Dritte aber an einen Vergleich zwischen den Hauptparteien. Wegen der funktionellen Vergleichbarkeit soll auch die Bindung an ein consent judgment entfallen.229 130 Anzuerkennen sind auch Garantieklageurteile und Urteile auf Gewährleistungsklage. Art 65 EuGVO und Art II des 1. Protokolls zum LugÜ 2007 schließen zwar die Zuständigkeiten für Gewährleistungs- bzw Interventionsklagen nach den Art 6 Nr 2 und Art 11 EuGVO/LugÜ (bzw Art 8 Nr 2 und Art 13 EuGVO nF), für Deutschland aus, sehen aber ausdrücklich vor, dass die entsprechenden in einem anderen EuGVO- bzw LugÜ-Staat ergangenen Urteile anerkannt und vollstreckt werden (so Rz 27f).230 131 Für gegenüber Dritten auf Garantie- oder Regressklage ergehende Urteile aus anderen Staaten gelten dagegen die allgemeinen Anerkennungsvoraussetzungen, da das Urteil gegenüber dem Dritten eine selbständige vollstreckbare Entscheidung bildet. Solange deshalb nicht ein Art 6 Nr 2 EuGVO bzw LugÜ entsprechender Gerichtsstand in die ZPO eingefügt wird, muss gegenüber dem Dritten eine andere Anerkennungszuständigkeit (analog §§ 12ff ZPO) gegeben sein; der Sachzusammenhang mit dem Hauptprozess genügt nicht.231 Scheitert die Anerkennung danach an § 328 I Nr 1 ZPO, kann dem Drittklageurteil nicht etwa eine anerkennungsfähige Interventionswirkung entnommen werden. Drittklage und Streitverkündung sind ein aliud, die Streitverkündung ist schon wegen der unterschiedlichen Prozessführungslasten kein darin enthaltenes minus.232 132 e) Ob ein ausländisches Urteil im Inland Tatbestandswirkung entfaltet, ist dagegen keine Frage der Wirkungserstreckung eines ausländischen Urteils. In Auslegung der jeweiligen Norm des materiellen Rechts ist vielmehr zu ermitteln, ob und unter welchen Voraussetzungen die dort vorgesehenen Wirkungen
226 Götze, S 146ff; Geimer, Anerkennung, S 155; aA BGH NJW 1970, 387 (Geimer); teilw. abw. M. Meier, Grenzüberschreitende Drittbeteiligung, 1994, S 222ff. 227 Wieczorek/Mansel § 68 Rz 37ff. 228 Vgl Götze, Vouching In und Third-Party Practice, 1993, S 57ff, 126ff, 138, 166. 229 So Götze, S 142ff. 230 Schack Rz 1018. 231 Götze, S 168ff; St. Knöchel, S 297ff, 318ff; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 179; Wieczorek/Mansel § 68 Rz 43ff; aA Zöller/Geimer § 328 ZPO Rz 59; Geimer IZPR, Rz 2820. 232 Götze, S 184ff; Wieczorek/Mansel § 68 Rz 47.
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auch durch eine ausländische Entscheidung (im Wege der Substitution) ausgelöst werden.233 Für die praktisch wichtige Verjährungshemmung bzw Verlängerung der Ver- 133 jährungsfrist (§§ 197 I Nr 3, 204 I BGB) soll nach einer Ansicht jede Klage und jede Streitverkündung bzw jedes Urteil im Ausland genügen,234 nach einer weiteren Ansicht müsse das ausländische Gericht jedenfalls aus deutscher Sicht international zuständig sein.235 Schack will die Wirkung des § 204 I Nr 1 BGB an jede Klageerhebung, bei der rechtliches Gehör gewährt wurde, die Wirkung des § 197 I Nr 3 BGB aber von der Anerkennung des ausländischen Urteils im Inland abhängig machen.236 Die hM verlangt wohl zu Recht für eine Tatbestandswirkung nach deutschem Recht, dass Rechtshängigkeit und Streitverkündung bzw Urteil im Inland anerkannt werden können.237 Die Anerkennungsvoraussetzungen sind für jeden Streitgegenstand gesondert 134 zu prüfen, so dass eine Teilanerkennung in Betracht kommt.238 Auch eine Teilanerkennung eines teilbaren Anspruchs kommt in Betracht. Die Anerkennung schließt nicht aus, die Entscheidung im Inland wegen ver- 135 änderter Umstände abzuändern (s o § 6 Rz 26f). f) Die Vollstreckbarkeit, die eine Entscheidung im Erststaat hat, wird (soweit 136 es sich nicht um Europäische Vollstreckungstitel handelt) de lege lata nicht anerkannt, sondern muss der Entscheidung erst im Inland in rechtsgestaltender Weise verliehen werden.239 Als Ausnahme von dieser Regel sind die Europäischen Vollstreckungstitel, zB 137 gem Art 5 EuVTVO in allen EU-Staaten (außer Dänemark) unmittelbar vollstreckbar (s u § 14 Rz 1ff). Europäische Vollstreckungstitel sind auch der Europäische Umgangstitel, der Europäische Zahlungsbefehl, Titel, die im europäischen small claim Verfahren ergangen sind, sowie Unterhaltsentscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten, die an das Haager Protokoll gebunden sind. Nach Inkrafttreten der Neufassung der EuGVO (zum 10.1.2015) sind alle danach in einem EU-Mitgliedstaat ergehenden Entscheidungen ex lege Europäische Vollstreckungstitel (s u § 14 Rz 56).
5. Anerkennungsfähige Entscheidungen a) Der Kreis der anzuerkennenden ausländischen Entscheidungen ist begrenzt. 138 Anerkannt werden alle rechtskräftigen Entscheidungen, gleichgültig ob sie in einem ordentlichen oder einem summarischen Verfahren (ohne oder nur mit 233 Schack IZVR, Rz 870; Geimer, Anerkennung, S 42f; C. Schulz, Die Subsumtion ausländischer Rechtstatsachen, 1997, S 38, 42ff, 56ff; Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 141; aA Schütze, IZPR, Rz 323. 234 So Frank IPRax 1983, 108. 235 So Geimer IPRax 1984, 83f. 236 Schack, IZVR, Rz 872ff. 237 Taupitz ZZP 102 (1989), 288, 307ff; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 181f. 238 Geimer, Anerkennung, S 95. 239 MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 183; Geimer, Anerkennung, S 163.
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eingeschränkter Beweiserhebung) ergangen sind.240 Diese dürfen nicht mehr mit einer Berufung, Revision, Kassation oder anderen Rechtsmitteln im Erststaat angegriffen werden. Die Entscheidung muss wirksam sein.241 Da jeder Staat selbständig über die Anerkennung (und die Vollstreckbarkeit) entscheidet, können ausländische Exequaturentscheidungen nicht anerkannt werden.242 139 Vorläufig vollstreckbare Entscheidungen werden nicht anerkannt. Das ist von großer praktischer Bedeutung. Es vergehen oft viele Jahre, bis eine ausländische Entscheidung rechtskräftig und damit endgültig geworden ist. Dabei kommt es entscheidend auf den Instanzenzug des Erststaats an. 140 Arreste und einstweilige Verfügungen scheiden aus. Bei einstweiligen Verfügungen und Arresten handelt es sich um vorläufige Maßnahmen. Schon daraus folgt, dass sie nicht unter § 328 ZPO fallen können.243 Es soll durchaus nicht verkannt werden, dass in der Praxis viele einstweilige Verfügungen und Arreste den Streit endgültig bereinigen. 141 Urkunden-, Wechsel- und Scheckurteile werden nicht anerkannt, sofern die Entscheidungen noch mit einem Nachverfahren belastet sind. 142 b) § 328 ZPO spricht vom Urteil eines ausländischen Gerichts. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass alle gerichtlichen Sachentscheidungen gemeint sind, unabhängig von ihrer Bezeichnung.244 Um ein Gericht handelt es sich, wenn ein weisungsfreies staatliches oder staatlich beliehenes245 Organ entschieden hat und den Parteien in dem Verfahren rechtliches Gehör gewährt worden ist. 143 c) Klagabweisende Prozessurteile sollen nach hM nicht anerkennungsfähig sein bzw keinen anerkennungsfähigen Inhalt haben.246 Es besteht aber durchaus ein Bedürfnis, zB die rechtskräftige Klagabweisung wegen wirksamer Schiedsvereinbarung auch in einem anderen Staat anzuerkennen (s o Rz 20). 144 d) Gegenstand der Entscheidung muss eine Zivil- oder Handelssache sein. Maßgeblich ist dafür das inländische Verständnis nach § 13 GVG,247 auf die Bezeichnung des ausländischen Spruchkörpers kommt es nicht an. Anerkennungsfähig sind danach auch Entscheidungen von Arbeitsgerichten oder von Verwaltungsgerichten, soweit diese materiell über zivilrechtliche Ansprüche 240 Geimer, Anerkennung, S 97; Schütze, IZPR, Rz 328. 241 Vgl OLG Düsseldorf VersR 1991, 1161/62; Geimer, Anerkennung, S 87, 111. 242 Kegel, FS Müller-Freienfels, 1986, S 377; Geimer, Anerkennung, S 86f; vgl Glenn, in: Aufbruch nach Europa, 75 Jahre MPI für Privatrecht, 2001, S 705. 243 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, S 668, weist darauf hin, dass die Anordnungen im Ausland nicht erzwungen werden können; Geimer, IZPR, Rz 2857, will darauf abstellen, ob die einstweilige Maßnahme nach dem Recht des Erststaats geeignet ist, die Streitsache endgültig zu erledigen. 244 Kropholler, IPR, 60 III 1 (S 662); Geimer, Anerkennung, S 97. 245 Zur Scheidung durch kirchliche Gerichte s u § 13 Rz 6, 27. 246 Geimer, Anerkennung, S 89ff; Geimer, IZPR, Rz 2788; Linke/Hau, IZVR, Rz 439; vgl MüKo/Gottwald § 328 ZPO Rz 58. 247 Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 60; Geimer, Anerkennung, S 100.
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entschieden haben. Nicht zu den Zivilsachen gehört ein Schadenersatzanspruch gegen einen Hoheitsträger aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse.248 Ein Schadenersatzurteil ist in einer Zivilsache auch dann ergangen, wenn ihm, wie bei einer Entscheidung über punitive damages, auch pönale Elemente innewohnen.249 Im Rahmen von EuGVO/LugÜ kommt es auf die autonome Auslegung dieser Regelwerke an. Strafurteile sind anzuerkennen, soweit im Adhäsionsprozess endgültig über zivilrechtliche Ansprüche entschieden ist.
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Die Vollstreckung ausländischer Strafurteile ist geregelt im Übereinkommen v 13.11.1991 zwischen den Mitgliedstaaten der EU über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen.250
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e) Ausländische Schiedssprüche fallen nicht unter die anzuerkennenden Ent- 147 scheidungen, selbst dann nicht, wenn sie durch ein ausländisches Gericht für vollstreckbar erklärt sind.251 In Erwägungsgrund 12 Abs 3 u. 4 EuGVO nF wird dies ausdrücklich klargestellt. Insoweit gelten das New Yorker UN-Übereinkommen und die Sonderregelung des § 1061 ZPO (s u § 18 Rz 183ff). Etwas anderes gilt auch nicht für ein ausländisches Urteil, das einen Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt.252 Die gegenteilige Ansicht253 beruhte auf einer Fehlinterpretation der merger-Wirkung eines Exequatururteils.254 Der BGH hat sie 2009 ausdrücklich aufgegeben.255 f) Soweit es sich um Entscheidungen internationaler Gerichte handelt, kommt 148 es darauf an, ob Deutschland Vertragspartner des entsprechenden völkerrechtlichen Vertrags ist. Die Anerkennung ist dann idR in dem speziellen Abkommen geregelt, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 328 ZPO bedurfte. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichts erster Instanz sind danach wie inländische Entscheidungen zu behandeln (Art 280, 299 AEUV). Entsprechendes gilt für den Schiedsgerichtshof der Gemischten Kommission für das Londoner Abkommen über deutsche Auslandsschulden, die Zentralkommission in Rheinschifffahrtssachen und den Berufungsausschuss der Mosel-Kommission in Moselschifffahrtssachen. Für deren Entscheidungen ist die Vollstreckbarerklärung besonders geregelt, so dass auch die Inzidentanerkennung nicht zusätzlichen Voraussetzungen nach § 328 ZPO unterliegen kann.
248 249 250 251 252 253
BGHZ 155, 279, 281ff = NJW 2003, 3488. MüKo/Gottwald, ZPO, § 328 ZPO Rz 57, 122. Gesetz v 7.7.1997, BGBl II, 1350; vgl BR-Drucks 320/96. MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 59. BGH NJW 2009, 2826. Vgl BGH RIW 1984, 557 (krit Schütze RIW 1984, 734); BGH NJW 1984, 2763 = RIW 1984, 644 (Mezger) = IPRax 1985, 158 (dazu Schlosser, S 141); OLG Hamburg RIW 1992, 939. 254 Dolinar, FS Schütze, S 187. 255 BGH (2.7.2009) SchiedsVZ 2009, 285 = RIW 2009, 721; dazu Schütze RIW 2009, 817; Plaßmeier SchiedsVZ 2010, 82; Geimer IPRax 2010, 346.
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Handelt es sich dagegen um ein internationales Gericht, an dessen vertraglicher Regelung Deutschland nicht beteiligt ist, so gilt für dessen Entscheidungen § 328 ZPO.256 149 g) Nach hM fallen ausländische Prozessvergleiche und ausländische vollstreckbare Urkunden (§ 794 I Nr 1 und Nr 5 ZPO) nicht unter § 328 ZPO. In beiden Fällen handelt es sich nicht um rechtskräftige ausländische Entscheidungen.257 Eine generelle Gleichstellung wie nach Art 57 EuGVO/LugÜ (bzw Art 59 EuGVO nF) wäre für Prozessvergleiche durchaus sinnvoll, ist aber dem Gesetzgeber vorbehalten. Die in diesen Titeln enthaltenen Parteierklärungen sind freilich wie andere private Willenserklärungen auch ohne formelle Anerkennung im Inland wirksam. Anerkennungsfähig ist dagegen ein sog consent judgment, das auf der Grundlage eines Vergleichs (mit dessen Wortlaut) ergeht.258 Aufgrund der Notwendigkeit einer richterlichen Genehmigung sollte auch ein class action settlement (US-amerikanischen Rechts) anerkannt werden.259 150 h) DDR-Urteile. Nach Art 18 des Einigungsvertrags v 31.8.1990260 bleiben Entscheidungen der Gerichte der DDR wirksam. Jedoch können eventuelle Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze (entsprechend § 328) im Vollstreckungsverfahren oder durch Feststellungsklage geltend gemacht werden.261
6. Anerkennungsvoraussetzungen a) Gerichtsbarkeit des ausländischen Staats 151 Ausländische Entscheidungen werden (analog § 328 I Nr 1 ZPO) nur anerkannt, wenn der ausländische Staat seine Gerichtsbarkeit in der Streitsache ausüben durfte. Entscheidend ist, ob in spiegelbildlicher Anwendung des deutschen Rechts Immunität bestand.262 Ein Urteil, das die Bundesrepublik Deutschland zu Schadenersatz wegen Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg verurteilt, kann daher nicht anerkannt werden.263
256 Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 70; Zöller/Geimer § 328 ZPO Rz 90. 257 Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 58, 59; MüKo/Gottwald § 328 ZPO Rz 74; Geimer, Anerkennung, S 99; aA (für Gleichstellung) Koch, FS Schumann, S 267; Riezler, IZPR, S 530. 258 Vgl T. Frische, S 79, 90, 107, 138ff. 259 Heß JZ 2000, 373, 377; aA Schütze, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1245, 1255; vgl auch J. Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozeßvergleiche unter bes Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, 2001/02. 260 BGBl I 889. 261 Vgl OLG Naumburg FamRZ 2001, 1013 (krit. dazu Andrae NJ 2002, 15); MüKo/ Gottwald, § 328 ZPO Rz 65; Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 44. 262 MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 79; Kegel/Schurig, IPR, § 22 I (S 1047ff); v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 159; Dörr, in: Leible/Ruffert, S 175. 263 BGHZ 155, 279 (Fall Distomo) = NJW 2003, 3488.
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b) Anerkennungszuständigkeit (§ 328 I Nr 1 ZPO, § 109 I Nr 1 FamFG) Die Gerichte des anderen Staats müssen bei hypothetischer Anwendung der 152 deutschen Gesetze bei Klageerhebung zuständig gewesen oder während des Verfahrens zuständig geworden sein (Spiegelbildprinzip). Fehlt die internationale Anerkennungszuständigkeit, kann die Entscheidung nicht anerkannt werden.264 § 328 I Nr 1 ZPO befindet nicht über die internationale Entscheidungszuständigkeit der ausländischen Gerichte. Er legt lediglich als generellen Schutz des Beklagten die deutsche internationale Zuständigkeitsordnung als Maßstab für die Anerkennung der ausländischen Entscheidung fest. Bei der in § 328 I Nr 1 ZPO genannten Zuständigkeit handelt es sich nur um die internationale und nicht um die örtliche Zuständigkeit.265 Es geht daher nicht darum, ob das konkrete Erstgericht zuständig gewesen ist, sondern ob die Gerichte des betreffenden ausländischen Staats nach der deutschen Auffassung überhaupt international zuständig waren. Die Verteilung der einzelnen Sachen auf bestimmte Gerichte durch die ausländische Prozessordnung interessiert den deutschen Zweitrichter nicht. Die Anerkennungszuständigkeit wird durch jede deutsche Entscheidungs- 153 zuständigkeit begründet, auch durch Prorogation oder rügelose Einlassung entsprechend § 39 ZPO. (Die Vorschriften der EuGVO sind insoweit nicht heranzuziehen.266) Für die rügelose Einlassung soll dies nach Ansicht des BGH267 nur gelten, wenn der ausländische Urteilsstaat keine Zuständigkeit unabhängig davon beansprucht. Diese Einschränkung ist aber verfehlt. Denn sie zwingt dazu, die ausländische Zuständigkeitsordnung zu überprüfen, statt den Streit darüber aufgrund der rügelosen Einlassung abzuschneiden.268 Es liegt auf der Hand, dass sich die deutsche internationale Anerkennungs- 154 zuständigkeit in mancher Beziehung nicht immer mit der ausländischen internationalen Entscheidungszuständigkeit deckt269 (s o § 3 Rz 502). Da die Vorschriften über die deutsche internationale Zuständigkeit grds an diejenigen über die örtliche Zuständigkeit geknüpft sind, ergibt sich ein sehr weiter Rahmen. Dieser wirkt sich meist vorteilhaft für ausländische Entscheidungen aus, weil die Anerkennung nach der Voraussetzung Nr 1 damit in sehr vielen Fällen gesichert ist. Es sei nur daran erinnert, dass der so oft angegriffene Gerichtsstand des Vermögens gem § 23 ZPO ausländischen Urteilen eine Anerkennungsmöglichkeit verschafft, während er deutschen Urteilen im Ausland 264 BGHZ 141, 286 = NJW 1999, 3198, 3199; BGH RIW 1996, 966; OLG Düsseldorf RIW 1995, 947; LG München I RIW 1988, 738; Geimer, Anerkennung, S 114ff; Schlosser RdC 284 (2000), 43ff; Schreiner, Internationale Zuständigkeit, S 45ff; Schärtl, S 26ff. 265 Geimer, Anerkennung, S 116. 266 Vgl Schärtl IPRax 2006, 438. 267 BGHZ 120, 334 = NJW 1993, 1073 = WM 1993, 524; BGH RIW 1996, 966; ebenso OLG Düsseldorf RIW 1995, 947, 948; Geimer, Anerkennung, S 120. 268 Schack ZZP 107 (1994), 75, 77ff; Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 719f; Basedow IPRax 1994, 183; Geimer IPRax 1994, 187; aA Winkler v Mohrenfels JR 1994, 281, 282. 269 Vgl Wazlawik RIW 2002, 691.
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hinderlich sein und die Anerkennung und Vollstreckung aus ihnen unmöglich machen kann. Die Bindung der Anerkennungszuständigkeit an die eigenen Regeln über die Entscheidungszuständigkeit schließt in einzelnen Fällen die Anerkennung aber auch dann aus, wenn eine dem deutschen Recht unbekannte Entscheidungszuständigkeit durchaus als sachgerecht erscheint.270 155 Bei Mehrrechtsstaaten wie den USA oder Kanada soll es nach der Rspr teilweise erforderlich sein, dass das Vermögen in dem Bundesstaat belegen ist, dessen Gerichte das anzuerkennende Urteil erlassen haben.271 Dem ist nicht zuzustimmen, da die Anerkennungszuständigkeit einen Staat als Gesamtheit erfasst und die interne Gerichtsorganisation Sache jedes Staats ist. Außerdem sind die US-Bundesgerichte gerade einheitlich organisiert; insoweit bestehen keine selbständigen Gerichte pro Bundesstaat.272 Zu bedenken ist auch, dass umgekehrt § 23 ZPO seinen Sinn einbüßen würde, wenn das Ausland auf die Belegenheit des Vermögens in Bayern, Niedersachsen etc und eine Entscheidung durch die entsprechenden Landesgerichte abstellen würde. Auch in den USA bilden Bundesgerichte und einzelstaatliche Gerichte ein Rechtsschutzsystem, so dass auch bei einer Entscheidung eines Einzelstaatsgerichts nur auf die Zuständigkeit des Gesamtstaats abzustellen ist.273 156 Nicht anerkannt werden können Urteile, die nur aufgrund „transient jurisdiction“ ergangen sind (s o § 3 Rz 508ff). In Fällen von „transacting business“ wird meist eine Zuständigkeit entsprechend §§ 21, 29, 32 oder 23 ZPO vorliegen.274 In Fällen des „Zuständigkeitsdurchgriffs“ kommt idR ein Gerichtsstand nach §§ 21 oder 23 ZPO in Betracht. 157 Der deutsche Zweitrichter muss insb prüfen, ob für den gegebenen Fall eine ausschließliche deutsche Zuständigkeit bestanden hat, denn diese verträgt sich nicht mit der ausländischen internationalen Zuständigkeit.275 Irrelevant ist in jedem Fall, ob der Erststaat ausschließliche Zuständigkeiten eines Drittstaats beachtet hat oder nicht.276 158 Die Anerkennungszuständigkeit ist nach hM von Amts wegen, nicht nur auf Rüge des Beklagten zu prüfen.277 Grds muss sie zur Zeit des Erstprozesses be270 Geimer, Anerkennung, S 115f (Rechtssicherheit); krit. dagegen Gottwald ZZP 103 (1990), 257, 271f; Schlosser RdC 284 (2000), 46; Schreiner, S 104ff. 271 So OLG Hamm RIW 1997, 1039, 1040f m Anm Schütze; Coester-Waltjen, Liber amicorum Buxbaum, S 101, 110ff. 272 Ebenso BGHZ 141, 286 = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 1381, 1382f = IPRax 2001, 230 (dazu Haas S 195); OLG Koblenz NJOZ 2004, 3370, 3371; v Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rz 160; Geimer, Anerkennung, S 117; v Hoffmann/Hau RIW 1998, 344, 351; Schärtl, S 46ff, 115ff, 270f; krit. Roth ZZP 112 (1999), 485; Schütze, IZPR, Rz 331. 273 v Hoffmann/Hau RIW 1998, 344, 351f. 274 Vgl OLG Koblenz RIW 2004, 302; H. Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992, S 221ff; H. Grothe, in: Heldrich/Kono, S 209, 227f. 275 AA Geimer, Anerkennung, S 52f. 276 Geimer, Anerkennung, S 53. 277 BGHZ 59, 116, 121 = NJW 1972, 1671; MüKo/Gottwald § 328 ZPO Rz 76; Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 31, 80, 85; aA Geimer, Anerkennung, S 54.
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standen haben, doch genügt, wenn sie nachträglich als Folge einer Änderung der deutschen Zuständigkeitsregeln entstanden ist.278 Bei seinen Prüfungen ist der deutsche Zweitrichter (außerhalb von staatsver- 159 traglichen Sonderregeln) nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des ausländischen Erstrichters gebunden.279 Da die internationalen Zuständigkeiten nicht übereinstimmen, hat der deutsche Anerkennungsrichter ohne Bindung an die Feststellungen des Ursprungsgerichts zu prüfen und ggf aufzuklären, ob die Voraussetzungen einer Anerkennungszuständigkeit tatsächlich bestehen.280 Soweit im Ursprungsverfahren doppelrelevante Tatsachen für die Entscheidungszuständigkeit wie im deutschen Recht unterstellt wurden, muss deren Bestehen im Anerkennungsverfahren neu festgestellt werden.281 Im Einzelnen können immer wieder Schwierigkeiten auftauchen. So muss zB 160 im Verhältnis zu Brasilien berücksichtigt werden, dass es nach dortigem Recht keinen Gerichtsstand des Erfüllungsortes gibt.282 Dafür gibt es den Gerichtsstand des Vertragsabschlusses (s o § 3 Rz 519). Aber beide Gerichtsstände stehen in enger Beziehung, so dass aus diesem Grunde einem brasilianischen Urteil die Anerkennung nicht versagt werden sollte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich in der brasilianischen Rechtslehre die Ansicht durchzusetzen scheint, die internationale Zuständigkeit nach brasilianischem Recht zu beurteilen.283 Als Ausnahme bezeichnet es Geimer,284 dass sich der Beklagte im Verfahren vor dem Zweitrichter nicht mehr auf die Derogation des an sich international zuständigen Erstgerichts berufen kann, wenn er das nicht im Verfahren vor dem Erstrichter getan hat. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Einwandes, die Parteien hätten ein Schiedsgericht vereinbart.285
c) Rechtliches Gehör bei Verfahrenseinleitung (§ 328 I Nr 2 ZPO, § 109 I Nr 2 FamFG) (1) Schutz für den Beklagten Es handelt sich um eine besondere Schutzvorschrift für den Beklagten (rsp. 161 Antragsgegner). Auf den Schutz des unterlegenen deutschen Beklagten kommt es nicht mehr an. Aus dem Charakter als Schutzvorschrift für den Beklagten ergibt sich, dass dieser sich dagegen wehren muss, wenn ihm das rechtliche Gehör verweigert worden ist oder wenn er nicht genügend Zeit gehabt hat, sei278 KG NJW 1988, 649; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 94; Soergel/Kronke Art 38 Anh Rz 144; Schreiner, S 60ff. 279 Geimer, IZPR, Rz 1871, 2906. 280 AA Spickhoff ZZP 108 (1995), 475, 486ff. 281 BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413 = IPRax 1995, 101 (dazu Gottwald, S 75); Geimer, Anerkennung, S 122. 282 Arruda Alvim, Manual de Direito Procesual Civil, 2nd ed, Vol 2, 1986, S 108. 283 Eva Möllring, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Südamerika, 1985, S 42. 284 Geimer IZPR, Rz 1809f, 2907. 285 AA Bälz/Marienfeld RIW 2003, 51, 54.
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ne Verteidigung vorzubereiten. Hierbei spielt die ordnungsgemäße internationale Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks eine besondere Rolle. 162 Welche Anforderungen an das verfahrenseinleitende Schriftstück zu stellen sind, richtet sich nur nach Art 103 I GG: der Beklagte muss in etwa erfahren, aus welchem Anlass ein Prozess gegen ihn eingeleitet wird. Die Mitteilung eines genauen Klageantrags ist nicht erforderlich.286 163 Als Schutzvorschrift für den Beklagten wird diese nicht von Amts wegen durch den Zweitrichter geprüft. Dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, obliegt es, Zustellungsmängel zu rügen.287 Dabei kommt es darauf an, dass die Zustellung an den Beklagten nach den Vorschriften des Erstrichters erfolgt ist. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass die öffentliche Zustellung als ordnungsgemäße Zustellung gilt, wenn das Prozessrecht des Erststaats die öffentliche Zustellung kennt. Zu dem autonomen Zustellungsrecht des Erststaats kommen die von ihm abgeschlossenen internationalen Übereinkommen hinzu, im gegebenen Fall also das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess, bestehende Zusatzvereinbarungen und das Haager Zustellungsübereinkommen. 164 § 118 Nr 2 der japanischen ZPO schützt den unterlegenen japanischen Staatsangehörigen, der die verfahrenseinleitende Ladung im Wege der öffentlichen Zustellung erhalten hat. Wenn er sich auf eine öffentlich zugestellte Klage nicht eingelassen hat, wird das Urteil, nach dem er unterlegen ist, von dem japanischen Gericht nicht anerkannt, weil er keine Gelegenheit hatte, sich an dem Verfahren zu beteiligen.288 Dabei spielt es keine Rolle, dass die öffentliche Zustellung im Erststaat als ordnungsgemäße Zustellung gilt. 165 Will dagegen ein deutscher Kläger einen Japaner vor einem japanischen Gericht verklagen, hat der Beklagte aber in Japan keinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort und ist ein anderer Gerichtsstand in Japan nicht gegeben, so könnte der Prozess wegen Fehlens einer Zustellung, die öffentliche scheidet ja aus, nicht in Gang gesetzt werden.289 166 Die Anzahl der Fälle, bei denen im Erststaat keine ordnungsgemäße Ladung des Beklagten erfolgt ist, scheint zu wachsen. Ist das das Verfahren einleitende Schriftstück in der Sprache des Erstgerichts abgefasst und keine Übersetzung in die Sprache des Beklagten beigefügt, so kann das Schriftstück nur bei freiwilliger Entgegennahme (gem Art 5 II HZustÜ) ordnungsgemäß zugestellt werden. Für eine förmliche, unfreiwillige Zustellung bedarf es jedenfalls in Deutschland (außerhalb des Anwendungsbereichs der EuZustVO) auch der Zustellung einer deutschen Übersetzung (Art 5 I, III HZustÜ iVm § 3 AusfG).290
286 287 288 289 290
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BGH RIW 1999, 1381, 1384. Zöller/Geimer, § 328 ZPO Rz 153. Takeshita ZZPInt Bd 1 (1996), 305, 311f. Nagel, FS Waseda-Universität, 1988, S 757. Vgl BGH RIW 1999, 1381, 1386f.
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Erforderlich ist, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück kumulativ ord- 167 nungsgemäß und rechtzeitig zugestellt wurde. Rechtzeitig ist die Zustellung, wenn die inländische Einlassungsfrist gewahrt ist. Auch eine kurze Frist kann genügen, wenn diese auf Antrag verlängert werden kann.291 Es genügt nicht, wenn die Zustellung fehlerhaft ist, aber an sich so rechtzeitig erfolgte, dass sich der Beklagte hätte verteidigen können.292 Der Versagungsgrund entfällt auch nicht, wenn dem Beklagten später die ergangene Entscheidung ordnungsgemäß zugestellt wurde und er daher die Möglichkeit hatte, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung im Urteilsstaat einzulegen.293 Hat der Beklagte sich auf das Verfahren eingelassen, so verliert die Schutzvor- 168 schrift des § 328 I Nr 2 ZPO ihre Bedeutung. Da sich die Schutzvorschrift im internationalen Rahmen als hemmend erweist, besteht eine Tendenz, den Begriff der Einlassung des Beklagten weit auszulegen.294 Es genügt, wenn der Beklagte sich überhaupt gegen die Klage wendet. Er gibt damit zu erkennen, dass er Kenntnis von der Klage erlangt hat. Entscheidend bleibt es, dass der Beklagte die Möglichkeit gehabt hat, seine Verteidigung ordnungsgemäß aufzubauen.
(2) Heilung von Zustellungsmängeln Mängel, die bei der Zustellung unterlaufen, können nach dem Recht des Zu- 169 stellungsstaats einschließlich der für ihn geltenden völkerrechtlichen Verträge heilen.295 Es genügt nicht, dass die lex fori am Ort des Empfängers eine Heilungsmöglichkeit vorsieht.296 War die Zustellung nach dem das Haager Zustellungsübereinkommen 1965 auszuführen, soll danach jede Heilung von Zustellungsmängeln ausscheiden, weil das Übereinkommen eine Heilung nicht vorsieht und zugleich exklusiv anzuwenden sei.297 Dies soll selbst dann gelten, wenn das Recht des Erststaats das HZustÜ anders auslegt und eine Heilungsmöglichkeit bejaht.298 Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht.299 Denn weder das Übereinkommen noch der Bericht dazu enthalten irgendeinen Hinweis, dass sie eine nach autonomem Prozessrecht gegebene Heilungsmöglichkeit ausschließen wollten. Zudem unterlaufen Zustellungsfehler beim Vollzug des HZustÜ derart häufig, dass der rigorose Ausschluss jeder Heilung dem berechtigten Vertrauen des Klägers auf effektiven Rechtsschutz mit Hilfe
291 BGH RIW 1999, 1381, 1384f. 292 BGH NJW 1991, 641; aA Stade NJW 1993, 184. 293 BGHZ 120, 305, 313f = NJW 1993, 598, 600; OLG München RIW 1995, 1026; Schütze IZPR, Rz 334; aA Zöller/Geimer, § 328 ZPO Rz 163. 294 Geimer NJW 1973, 2141. 295 BGHZ 120, 305, 308 = NJW 1993, 598; BGH NJW 1991, 641. 296 BGHZ 120, 305, 311 = NJW 1993, 598, 600; OLG München RIW 1995, 1026; aA H. Roth, FS Gerhardt, S 799, 807. 297 BGH RIW 1999, 1381, 1387; H. Roth, FS Gerhardt, S 799, 811f. 298 BGHZ 120, 305, 313 = NJW 1993, 598, 600 = ZZP 106 (1993), 391 (Schütze). 299 Für Heilung auch: Zöller/Geimer, § 328 ZPO Rz 160; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 102.
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eines (durch die Justizbehörden vollzogenen) Rechtshilfevertrags nicht gerecht wird.300 Die ordnungsgemäße Zustellung soll sicherstellen, dass sich ein Beklagter in einem Verfahren angemessen verteidigen kann. Es kann aber nicht Sinn von Zustellungsregeln sein, dem Beklagten lediglich Vorteile eines forum shopping zu sichern.301
(3) Keine Pflicht zur Einlegung von Rechtsmitteln 170 Da Art 34 Nr 2 EuGVO weitergehende Mitwirkungspflichten des Beklagten vorsieht (s o Rz 46, 51), stellt sich die Frage, ob § 328 I Nr 2 ZPO im Sinne des revidierten europäischen Rechts auszulegen ist und eine prozessuale Last besteht, sich in zumutbarem Rahmen am ausländischen Verfahren zu beteiligen.302 Die Rechtsprechung hat eine solche Pflicht bisher jedoch verneint.303
d) Keine Unvereinbarkeit mit anderen Entscheidungen (§ 328 I Nr 3 ZPO, § 109 I Nr 3 FamFG) 171 Diese Vorschrift schützt nicht nur die deutsche Partei. Die Staatsangehörigkeit spielt keine Rolle mehr. Das ausländische Urteil darf nur nicht unvereinbar sein mit einem in Deutschland erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil; ebenso darf das zugrunde liegende Verfahren nicht mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar sein.304
e) Verstoß gegen den ordre public (§ 328 I Nr 4 ZPO, § 109 I Nr 4 FamFG) 172 Der deutsche ordre public ist verletzt, wenn die Entscheidung im Ergebnis mit wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen, insb den Grundrechten, oder mit international anerkannten Menschenrechten305 offensichtlich unvereinbar ist. „Offensichtlich“ meint hier, dass es sich um eine Abweichung von einiger Bedeutung handeln muss. Auch bei den Grundrechten bedarf es sachlich einer Verletzung eines elementaren Schutzbereichs des Grundrechts.306 Der Verstoß kann sich aus Abweichungen im materiellen Recht oder aus Verletzungen der Verfahrensgerechtigkeit ergeben. Der ordre public-Verstoß ist vielfach einleuchtend, wenn die Sache einen gewissen Inlandsbezug hat. Dieser ist aber keine zwingende Voraussetzung. Verstöße gegen ein Minimum an naturrechtlicher Gerechtigkeit oder Menschenrechte verletzen den ordre public auch ohne einen solchen Bezug.307 Ein 300 301 302 303 304 305 306
Vgl Schack IZVR, Rz 588. Vgl aber den Hinweis in BGHZ 120, 305, 309 = NJW 1993, 598. Hierfür Gottwald, FS Schumann, 2001, S 149, 157f; Geimer IZPR Rz 2921. Vgl Linke/Hau IZVR, Rz 475; Schack IZVR Rz 941; Schütze IZPR, Rz 334. Vgl Lenenbach, passim; Schütze IZPR, Rz 335, 336. Vgl Spickhoff, Der völkerrechtsbezogene ordre public, S 275, 292ff. R. Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994, S 172ff, 177. 307 Geimer ZfRV 5 (1992), 401, 411.
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Verstoß kann selbst dann gegeben sein, wenn das ausländische Gericht deutsches Recht angewandt hat.308
(1) Materielle Rechtsverstöße Verletzt ist der materielle ordre public, wenn das Ergebnis der ausländischen 173 Rechtsanwendung mit Grundprinzipien des deutschen Rechts schlechthin unvereinbar ist.309 Dies wäre etwa bei durch Prozessbetrug erschlichenem Urteil der Fall.310 Bei Verstößen gegen sog Eingriffsnormen ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Urteilsergebnis wirklich dem deutschen ordre public widerspricht.311 Bei der Prüfung sind die Kriterien von Art 9 Rom I-VO und Art 26 Rom II-VO zu beachten. Eine Entscheidung, die gegen drittstaatliche Eingriffsnormen verstößt, berührt den deutschen ordre public idR nicht. Noch kein Verstoß liegt darin, dass ein Schadenersatzurteil einen Deutschen zu einem höheren Ersatz als nach Art 40 II EGBGB (vgl Art 26 Rom II-VO) verurteilt.312 Die Verurteilung zu einem im Ausland üblichen Erfolgshonorar (quota litis) ist hinzunehmen.313 Auch die Pflicht zur Leistung überhöhten Unterhalts aufgrund von ausländischen Regeln der Devisenzwangswirtschaft314 ist nicht ordre public-widrig. Der Verstoß gegen den Termin- oder Differenzeinwand bei Devisentermingeschäften gehört ebenfalls nicht mehr zum ordre public.315 Dem ordre public kann die Anerkennung einer Scheidung widersprechen, die auf politischen oder staatlichen Druck erfolgte.316 Der Anerkennung einer Scheidung steht aber nicht entgegen, wenn Scheidungsfolgevereinbarungen unter Druck abgeschlossen wurden, jedenfalls wenn entsprechende Verfahrensmängel im Scheidungsverfahren nicht gerügt wurden.317 Dagegen ist dies bei US-amerikanischen Urteilen über punitive damages318 der 174 Fall, soweit die Urteilssumme den gewöhnlichen Schadenseratz, ein angemessenes Schmerzensgeld und angemessene Anwaltskosten übersteigt. Die Anerkennung (und Vollstreckbarerklärung) ist nur zu verweigern, soweit das Urteil in untragbarem Widerspruch zu inländischen Wertvorstellungen steht.319 Pu308 309 310 311 312
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Geimer, Anerkennung, S 61. Vgl etwa BMW v Gore, 116 S.Ct. 1589 [1996]. BGH RIW 1999, 1381, 1387. Vgl Becker RabelsZ 60 (1996), 691, 724ff. BGHZ 88, 17, 24 = IPRax 1984, 202; BGH ZIP 1992, 1264; Coester-Waltjen, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 15, 29; Bungert ZIP 1992, 1713; Stiefel/Stürner VersR 1987, 833, 837; aA Schütze RIW 1993, 139. BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3101; Geimer, Anerkennung, S 142. Vgl BGH NJW 1990, 2197. BGH IPRax 1999, 466, 468 (dazu Fischer, S 450); vgl Schwark, FS Sandrock, 2000, S 881. BayObLGZ 1992, 195, 198 = FamRZ 1993, 451. BayObLG FamRZ 2001, 1622, 1623. Vgl C. Trapp, Punitive damages in den USA zwischen Mythos und Rückgang, Liber amicorum Rauscher, 2005, S 157. BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096; dazu Koch, S 3073; Schack ZZP 106 (1993), 104; Bungert Intern. Lawyer 27 (1993), 1075; Seibt DAVJ-Newsletter 2/94, 40; Zekoll, Col.J.Transnat’lL. 30 (1992), 641; Zekoll, US-Amerikanisches Produkthaftungs-
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nitive damages müssen nach dem Recht der meisten US-Staaten und nach einer Entscheidung des Supreme Court vom Mai 1996320 in angemessenem Verhältnis zum tatsächlich erlittenen Schaden stehen, so dass die ordre publicWidrigkeit künftig wohl seltener auftreten dürfte. Dennoch gehen die zur Abschreckung verhängten Summen immer noch über großzügig bemessene Beträge zur „Genugtuung“ im Rahmen eines deutschen Schmerzensgeldes hinaus. Entgegen dem BGH sollte nicht (allein) auf eine Aufgliederung der Schadensposten abgestellt, sondern die Gesamtsumme einer gewissen Verhältnismäßigkeitskontrolle unterworfen werden.321 175 US-amerikanische Urteile auf Leistung von treble damages, zB nach dem RICO-Act, haben wirtschaftsstrafrechtliche Funktion und verstoßen daher hinsichtlich der Verdreifachung des Schadenersatzes gegen den deutschen ordre public.322 Ob solche Urteile darüber hinaus wegen der relativen Unbestimmtheit des Haftungstatbestandes nicht anzuerkennen sind,323 erscheint zweifelhaft. Bei anderen Entscheidungen zu treble damages ist zu beachten, ob nicht auch nach deutschem Recht eine ähnliche „abstrakte“ Schadensberechnung, zB im Wettbewerbsrecht oder im Immaterialgüterrecht, zulässig ist.
(2) Verstoß gegen rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze 176 Ausländische Entscheidungen sind nur anzuerkennen, wenn das ausländische Verfahren grundlegenden Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit entsprochen hat324 (Unparteilichkeit des Gerichts;325 rechtliches Gehör im Verfahren; Gleichbehandlung der Parteien; fairer Verfahrensablauf; kein Prozessbetrug326). Das Fehlen von Urteilsgründen ist als solches nicht ordre public-widrig.327 Schriftliche Gründe können zB ersetzt werden durch eine mündliche Begründung in der Verhandlung oder beim Versäumnisurteil durch den Bezug auf die
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pflichtrecht vor deutschen Gerichten, 1987, S 151ff; Stiefel/Stürner/Stadler AmJCompL 39 (1991), 779; Fiebig Ga.J.Int’l & CompL 22 (1992), 635; Nettesheim/ Stahl Texas Int’lL.J. 28 (1993), 415; Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik USamerikanischer punitive damages, 1999; Stürner, Festgabe BGH, Bd 3, 2000, S 677, 678ff; Geimer, Anerkennung, S 141; für grundsätzliche Anerkennung (mit Kappungsgrenze bei 400 000 Euro) P. Müller, Punitive damages und deutsches Schadenersatzrecht, 2000, S 360ff; vgl D. Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland, 2000. Vgl Ebbing RIW 1996, 993, 998. Coester-Waltjen, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 30ff; vgl Rosengarten, Punitive damages, 1994, S 181ff, der nur eine Mehrfachbestrafung zurückweisen will. Vgl Zekoll/Rahlf JZ 1999, 384; Bungert ZIP 1994, 1905, 1913ff; Stiefel/Bungert, FS Trinkner, 1995, S 749, 764ff; Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999; Stürner, FS Schlosser, S 967. Vgl Bungert ZIP 1994, 1905, 1910ff. Vgl BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816; BGHZ 48, 327; Geimer, Anerkennung, S 135. Nach Ansicht von Schütze RIW 2005, 579, 586 sind gewählte Richter an Gerichten von US-Einzelstaaten konzeptionell befangen. Geimer, Anerkennung, S 144f. Geimer, Anerkennung, S 144.
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Klageschrift. Ein US-amerikanisches Urteil verstößt nicht allein deshalb gegen den verfahrensrechtlichen deutschen ordre public, weil es auf ein ausgedehntes pre-trial-discovery hin ergangen ist.328 Eine Zustellung der Klage im Wege des „Zustellungsdurchgriffs“ entspricht 177 nicht dem deutschen Recht, verstößt aber kaum gegen den deutschen ordre public. Gegen den ordre public verstößt nicht, wenn die Partei nicht zum Termin geladen wird.329 Ein auf class action ergangenes Urteil bindet nach US-Recht alle Gruppenmitglieder. Eine Bindung von Deutschen, die sich der Klage nicht aktiv angeschlossen, sondern lediglich nicht ausdrücklich für einen Ausschluss optiert haben, dürfte aber gegen den deutschen ordre public verstoßen.330 Dies gilt freilich nur, wenn deutsche Beteiligte nicht aus der Gruppe ausgenommen wurden.331 Mängel des Erstverfahrens sind aber nur relevant, wenn sie der Beklagte im Erstverfahren in zumutbarer Weise vergeblich gerügt hat; andernfalls ist er mit der Berufung auf den Mangel präkludiert.332
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Die Anerkennung darf aber nicht verweigert werden, weil die Entscheidung 179 gegen den ordre public eines Drittstaats verstößt.333 Der BGH hat die Frage, ob es gegen die deutsche öffentliche Ordnung verstoße, 180 wenn ein englisches Gericht den Beklagten wegen „contempt of court“ von der weiteren Teilnahme an dem Verfahren ausgeschlossen habe, verneint.334 Der Beklagte hatte in einem Unterhaltsrechtsstreit auf eine einstweilige Anordnung des englischen Erstrichters nicht gezahlt. Der BGH meinte, der Beklagte hätte wissen müssen, welches Risiko er durch die Nichtbefolgung der einstweiligen Anordnung einging, zumal er anwaltlich beraten war. Berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit eines Richters müssen im Erststaat 181 rechtzeitig und unter Ausschöpfung der zulässigen Rechtsbehelfe geltend gemacht werden. Wegen eines ordre public-Verstoßes darf die Anerkennung nur
328 BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096 (dazu Koch S 3073) = ZIP 1992, 1707 (Bungert); Zekoll, US-Amerikanisches Produkthaftpflichtrecht, 1987, S 141, 147ff; aA Schütze, FS Stiefel, 1987, S 697, 701ff; Schütze, RIW 2005, 579, 586; Hök, Discovery-proceedings als Anerkennungshindernis, 1993, S 206ff; Stürner/Murray, German Civil Justice, 2004, p 536. 329 BGH RIW 1999, 1381, 1385. 330 Vgl Mark EuZW 1994, 238, 241; Ch. Greiner, Die class action im amerikanischen Recht und deutscher ordre public, Diss München 1997; V. Hoppe, Die Einbeziehung ausländischen Beteiligter in US-amerikanische class actions unter Berücksichtigung des Class Action Fairness Act, 2005; R. Schütze, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1245, 1252f. 331 Vgl Vivendi Universal, S.A. Securities Litigation, 242 F.R.D.76; N. Trocker, Procedural differences, ordre public …, in Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency …, 2011, 273, 295ff. 332 OLG Koblenz RIW 2004, 302, 306; Geimer, Anerkennung, S 61ff, 137; MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 126. 333 Geimer/Schütze I, 1952. 334 BGH NJW 1968, 354.
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verweigert werden, wenn solche Rechtsbehelfe erfolglos waren oder ihre Geltendmachung konkret unzumutbar war.335 182 Abweichungen des Beweisverfahrens vom deutschen Recht verstoßen idR nicht gegen den deutschen ordre public. Ein Vaterschaftsurteil aufgrund der Aussage der Mutter ohne Einholung eines Abstammungsgutachtens ist nicht ordre public-widrig.336 In einem anderen Fall hat der BGH entschieden, dass die Nichteinholung eines erbbiologischen Gutachtens durch ein norwegisches Gericht nicht gegen den ordre public verstoße. Das norwegische Gericht hatte die Mutter des Kindes vernommen und ein serologisches Gutachten eingeholt. Ein ergänzendes Gutachten hatte nicht eingeholt werden können, weil der Beklagte keine Blutprobe zur Verfügung gestellt hatte.337 Eine Vaterschaftsfeststellung kann aber nicht anerkannt werden, wenn das ausländische Gericht den Einwand des Mehrverkehrs und der Zeugungsunfähigkeit nicht geprüft hat.338 Gleiches gilt, wenn die Vaterschaft aufgrund eines bloßen Zeugnisses vom Hörensagen festgestellt wurde, obwohl der Mann bereit war, sich untersuchen zu lassen.339 183 Fehlende Kostenerstattung im Erststaat ist kein Grund, die Anerkennung zu verweigern340 (s aber Rz 216), ebenso nicht die Vereinbarung eines Erfolgshonorars.341 184 Bei der Prüfung, ob die ausländische Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, ist der Zweitrichter nach hM an die tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts gebunden.342 Der BGH lässt jedoch einen neuen Tatsachenvortrag zur Darlegung eines ordre public-Verstoßes (§ 328 I Nr 4 ZPO) zu.343 Geimer344 will danach unterscheiden, ob die Anerkennungsvoraussetzungen unmittelbaren Staatsinteressen dienen oder ob sie nur den Schutz der Parteien bezwecken. Soweit unmittelbare Staatsinteressen auf dem Spiele stehen, komme eine Prüfung von Amts wegen oder sogar eine Tatsachenermittlung von Amts wegen in Betracht. 185 Die Nichtberücksichtigung der Rechtshängigkeit vor einem deutschen Gericht ist als Verstoß gegen den deutschen ordre public gewertet worden.345 Im Ergebnis ist diese Entscheidung allerdings unbefriedigend. 335 336 337 338 339 340
341 342 343 344 345
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Vgl O. Sandrock RIW 2009, 577, 584ff. BGH NJW 1986, 2193 = IPRax 1987, 247; aA Geimer, Anerkennung, S 136. NJW 1979, 1105. AG Würzburg FamRZ 1994, 1596. BGHZ 182, 188, 197ff = FamRZ 2009, 1816 (Henrich). BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3099 (dazu Koch, S 3073); OLG Koblenz RIW 2004, 302, 306; Geimer, Anerkennung, S 137; vgl Neufang, Kostenverteilung im USamerikanischen Zivilprozess und Urteilsanerkennung in Deutschland, 2002; aA Schütze IZPR, Rz 339. OLG Koblenz RIW 2004, 302, 306. BGH NJW 1998, 2358; Spickhoff ZZP 108 (1995), 475, 489ff. BGH RIW 1999, 598, 703 (Prozessbetrug). Geimer IZPR, Rz 2990; Geimer, Anerkennung, S 142f. OLG München NJW 1964, 979.
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Der Verfahrensmangel hindert die Urteilsanerkennung, wenn er das Ergebnis 186 der Entscheidung beeinflusst haben kann; wie sonst bei Verfahrensfehlern kann ein voller Kausalitätsnachweis nicht verlangt werden.346
f) Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr 5 ZPO, § 109 IV FamFG) Anerkennung hat etwas mit Gegenseitigkeit zu tun. Wer selbst anerkannt 187 werden möchte, erkennt anderen gleichen Rang zu. Wer den anderen nicht anerkennt, muss sich nicht wundern, dass ihn dieser seinerseits nicht anerkennt. In einer Rechtsgemeinschaft oder auf vertraglicher Grundlage entstehen hieraus für die Rechtsunterworfenen keine Schwierigkeiten, wohl aber im vertragslosen Rechtsverkehr. Denn hier stellt sich die Frage nach dem ersten Schritt. Solange keine Seite dazu bereit ist, sind die Bürger die Leidtragenden. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit ist daher stets als Fremdkörper in einem System des subjektiven Rechtsschutzes kritisiert worden. Der Gesetzgeber hat hieran aber im Staatsinteresse festgehalten.347 Die Anerkennung der Entscheidung eines ausländischen Gerichts ist aus- 188 geschlossen, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Diese Voraussetzung erweist sich in der Praxis als besonders schwerwiegend, denn sie schließt die Anerkennung von Entscheidungen aus vielen Staaten von vornherein aus. Die Verbürgung der Gegenseitigkeit sollte deshalb zuerst geprüft werden. Ist sie nicht gegeben, so erübrigen sich alle weiteren Prüfungen. Einfach verhält es sich, wenn der ausländische Staat eine förmliche Vereinbarung der Gegenseitigkeit durch Staatsvertrag oder Regierungserklärungen verlangt. Schwieriger verhält es sich, wenn wie im deutschen Recht faktische Gegensei- 189 tigkeit besteht, weil der deutsche Richter dann im konkreten Fall feststellen muss, ob zu dem entsprechenden Land die Gegenseitigkeitslage gegeben ist. Bei der Durchsicht der einschlägigen Kommentare stellt er sehr bald fest, dass im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu vielen Staaten unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Auch alle Hilfsmittel bleiben insoweit unvollständig, als sie mit der tatsächlichen Entwicklung nicht Schritt halten können. Die Unsicherheit beruht teilweise darauf, dass im Verhältnis zu Deutschland keine praktischen Präjudizien feststellbar sind, teilweise darauf, dass die Reichweite mancher Anerkennungsvoraussetzungen unklar ist. Die Gegenseitigkeit ist nur auf die ausländische Entscheidung bezogen. Es 190 geht um die Gleichbehandlung deutscher Entscheidungen im Ausland. Dabei handelt es sich letztlich nicht um ein juristisches, sondern ausschließlich um ein politisches Argument. Die Einführung der Gegenseitigkeit in verschiedenen Vorschriften der ZPO hat allein den Zweck verfolgt, Trümpfe für abzuschließende Staatsverträge in der Hand zu behalten.348 Die Gegenseitigkeit
346 Gottwald ZZP 103 (190), 257, 279; Geimer, Anerkennung, S 138, 143. 347 Vgl Schütze, FS Georgiades, 2005, S 577. 348 Kegel RabelsZ 1975, 131.
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wird also als Druckmittel gegenüber anderen Staaten benutzt.349 Es liegt auf der Hand, dass die Interessen der Rechtsuchenden im In- und Ausland dabei leiden müssen. Das Prinzip der Gegenseitigkeit in den §§ 110, 328 ZPO kann nur durch den Gesetzgeber aufgehoben werden. 191 Die Gegenseitigkeit ist verbürgt, wenn ein Staat die Entscheidungen deutscher Gerichte unter im Wesentlichen gleichartigen Bedingungen anerkennt und die Zwangsvollstreckung aus ihnen zulässt, wie die deutschen Gerichte die Entscheidungen des betreffenden ausländischen Staats.350 Die Bedingungen eines anderen Staats sind insb dann erheblich schwerer, wenn dieser vorschreibt, dass deutsche Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden müssten.351 192 Im Verhältnis zu allen EU-Staaten gilt heute die EuGVO (im Verhältnis zu Dänemark auf staatsvertraglicher Grundlage), ergänzt durch die EheGVO, in Verhältnis zu den EFTA-Staaten das LugÜ. Dadurch ist die Gegenseitigkeit verbürgt. Darüber hinaus lässt sich die Voraussetzung der Gegenseitigkeit gegenüber solchen Staaten verteidigen, deren Entscheidungen nicht dem deutschen Standard entsprechen. Insoweit wirkt die Gegenseitigkeit als Schutzvorschrift für Deutsche, die im Ausland verklagt werden. 193 Die Gegenseitigkeit fehlt partiell, wenn der ausländische Staat weitreichende internationale Zuständigkeiten in Anspruch nimmt, aber für deutsche Entscheidungen keine vergleichbaren Zuständigkeiten akzeptiert.352 194 Die Beweislast für das Bestehen der Gegenseitigkeit trägt die Partei, die im Inland die Anerkennungsfähigkeit geltend macht bzw aus der Entscheidung vollstrecken will.353 195 Auch der deutsche Richter muss eine ausländische Entscheidung in gewisser Hinsicht nachprüfen. Eine solche Prüfung bezieht sich aber immer nur auf die Voraussetzungen des § 328 I Nr 1 bis 4 ZPO. Im Übrigen darf der deutsche Richter eine ausländische Entscheidung weder in verfahrensrechtlicher noch in materiellrechtlicher Hinsicht überprüfen. 196 In der folgenden Auflistung von Staaten ist „ja“ vermerkt, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist, hingegen „nein“, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist; bei „ungewiss“ werden unterschiedliche Auffassungen vertreten: Abu Dhabi nein; Ägypten ja;
349 So Kropholler, IPR, § 60 IV 6 (S 675); Schack IZVR, Rz 964f; Siehr, IPR, 2001, S 532. 350 BGH IPRax 2001, 457, 458 (dazu Schütze S 441); RGZ 82, 30; Geimer, Anerkennung, S 93f. 351 RGZ 7, 409. 352 BGH RIW 1999, 1381, 1386. 353 BGH RIW 1999, 1381, 1386.
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Äthiopien ja;354 Afghanistan nein; Albanien nein; Algerien nein;355 Andorra ja;356 Argentinien ja;357 Australien ja (für alle Einzelstaaten und Territorien); Bahamas ja; Bahrain ja; Bangladesh ja;358 Barbados ja; Belgien ja, alle EU-Verordnungen, dt.-belg. Vertrag; Benin nein; Bermuda ja; Bolivien ja;359 Bosnien-Herzegowina ja;360 Botswana ja;361 Brasilien ja; Bulgarien ja,362 nach Beitritt zur EU: alle EU-Verordnungen; Burkina Faso str.; Burundi ja;
197
Cayman Island ja; Chile ja; China ja;363 Costa Rica ja; Cuba nein;
198
Dänemark ja, EuGVÜ, EuGVO;364 die EuUnthVO gilt für Zuständigkeit, An- 199 erkennung und Vollstreckbarkeit (EheGVO, EuVTVO, EuMahnVO, EuGFVO und EuErbVO gelten nicht); Dominikanische Republik nein;
354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364
AA Zöller/Geimer Anh V; Schütze IZPR, Rz 348. Rauscher, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, S 1004.6. AA Schütze IZPR, Rz 348. Piltz, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, S 1009.11. AA Schütze, IZPR, Rz 348. AA Schütze IZPR, Rz 348. AA OLG Köln IPRax 1996, 268 (dazu Schütze, S 254). Schütze JR 1978, 55. Vgl Jessel-Holst, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, S 1025.13. Schütze RIW 2008, 1; aA Bohnet RIW Beil 2 zu 6/1996, S 17. Gem Übk v 19.10.2005, ABl EG L 299/62.
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200 Ecuador ja; Elfenbeinküste ja; El Salvador ja; Estland ja, alle EU-Verordnungen; 201 Fiji ja (Zahlungsurteile); Finnland ja, alle EU-Verordnungen; Frankreich ja, alle EU-Verordnungen; 202 Gabun nein; Gambia ja;365 Georgien ja; Ghana nein; Griechenland ja, alle EU-Verordnungen, dt.-griech. Vertrag; Guatemala ja; Guinea nein; 203 Haiti nein; Honduras ja; Hongkong ja;366 204 Indien ja;367 Indonesien nein; Irak nein; Iran ja;368 Irland ja, alle EU-Verordnungen; Island ja, LugÜ; Israel ja, dt.-israel. Vertrag; Italien ja, alle EU-Verordnungen; dt.-ital. Vertrag; 205 Jamaika ja; Japan ja; Jemen nein; Jordanien ja;369 Jugoslawien ja; 206 Kamerun ja; Kanada ja (Einzelheiten s u § 16 Rz 54f);
365 AA Zöller/Geimer Anh V. 366 Vgl Luthra RIW 1997, 625, 629. 367 Vgl Martiny, HdbIZVR Rz 1379ff; aA (teilweise révision au fond) Zöller/Geimer Anh V; Schütze IZPR, Rz 349. 368 Bälz, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Lfg 29 (2005), S 1050.9; Wurmnest/Yassari IPRax 2006, 217, 220; aA Schütze IZPR, Rz 349. 369 Schütze RIW/AWD 1977, 766.
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Kenia ja (Zahlungsurteile);370 Kasachstan nein; Kolumbien ja; Kongo nein; Korea (Süd) ja; Kroatien ja; ab Wirksamwerden des Beitritts alle EU-Verordnungen; Kuweit ja; Lesotho ja; Lettland ja, alle EU-Verordnungen; Libanon ja; Liberia nein; Libyen wohl nein;371 Liechtenstein HUVÜ 1958, sonst nein;372 Liechtenstein ist dem LugÜ (noch) nicht beigetreten. Litauen ja, alle EU-Verordnungen; Luxemburg ja, alle EU-Verordnungen;
207
Madagaskar nein; Malaysia ja; Malta ja, alle EU-Verordnungen; Marokko ja (ohne Unterhalt); Mauretanien ja; Mauritius ja; Mazedonien ja; Mexiko ja; Moldau nein; Monaco ja;373 Mongolei ja;374
208
Nepal nein; Neuseeland ja; Nicaragua ja;375 Niederlande ja, alle EU-Verordnungen, dt.-niederl. Vertrag; Niger nein; Nigeria ja;376 Norwegen ja, LugÜ 1998 u. 2007, dt.-norw. Vertrag;
209
370 371 372 373 374 375 376
AA Zöller/Geimer Anh V; Schütze IZPR, Rz 350. Baumbach/Lauterbach/Hartmann Anh § 328 Rz 12. BGH Betr. 1977, 718; Zöller/Geimer Anh V. AA Zöller/Geimer Anh V. Nelle, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, S 1092.6. AA Zöller/Geimer Anh V; Schütze IZPR, Rz 350. AA Zöller/Geimer Anh V.
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210 Österreich ja, alle EU-Verordnungen, dt.-österr. Vertrag; Oman nein; 211 Pakistan nein;377 Panama ja (ohne VU); Paraguay ja;378 Peru ja; Philippinen nein; Polen ja, alle EU-Verordnungen, LugÜ 1988, UNUÜ, CMR; Portugal ja, alle EU-Verordnungen; 212 Ruanda nein Rumänien ja, seit Beitritt zur EU: alle EU-Verordnungen; Russland nein (kein Staatsvertrag); 213 Sambia nein San Marino ja; Saudi Arabien nein; Schweden ja, alle EU-Verordnungen; Schweiz ja, LugÜ 1998 u. 2007, dt.-schweiz. Vertrag; Senegal ja; Serbien ja; Sierra Leone ja;379 Simbabwe ja; Singapur ja; Slowakei ja, alle EU-Verordnungen; Slowenien ja, alle EU-Verordnungen; Somalia nein; Spanien ja, alle EU-Verordnungen, dt.-span. Vertrag; Sri Lanka ja; Sudan ja;380 Südafrikanische Republik ja;381 Swasiland nein; Syrien ja;382
377 378 379 380 381
Otto IPRax 1997, 436, 438f (wegen begrenzter révision au fond). AA Zöller/Geimer Anh V. AA Schütze IZPR, Rz 351. AA Schütze IZPR, Rz 351. Vgl BGHZ 42, 194, 197 = NJW 1964, 2350; BGHZ 52, 251 = NJW 1969, 2090 = MDR 1969, 922; aA Zöller/Geimer Anh V (seit 1978). 382 BGHZ 49, 50 = NJW 1968, 357; vgl A. Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1994, S 416ff.
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Taiwan ja;383 Tansania ja;384 Thailand nein; Togo ja; Trinidad und Tobago nein; Tschad nein; Tschechische Republik ja, alle EU-Verordnungen; Türkei ja (nach IPR-Gesetz v 22.11.1982385); Tunesien ja, dt.-tun. Vertrag;
214
Uganda ja (Zahlungsurteile);386 Ukraine nein; Ungarn ja, alle EU-Verordnungen; Uruguay ja;
215
Vatikan ja; 216 Venezuela ja; Vereinigte Arabische Emirate nein; Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland ja, alle prozessualen EU-Verordnungen, deutsch-brit. Abkommen; Vereinigte Staaten von Amerika ja387 (für Zahlungsurteile mit Ausnahme von Mississippi und Montana). Die Gegenseitigkeit entfällt auch nicht für Entscheidungen unter 100 000 US$ wegen der hohen, nicht erstattungsfähigen Kosten der Vollstreckbarerklärung.388 Vietnam nein; Zaire nein; Zentralafrikanische Republik ja; Zypern ja, alle EU-Verordnungen.
217
Bei der Verbürgung der Gegenseitigkeit wird zT differenziert nach verschiede- 218 nen Urteilsgruppen; deswegen spricht Schütze389 zu Recht von einer partiellen Verbürgung der Gegenseitigkeit. Dabei nehmen Versäumnisentscheidungen eine besondere Stelle ein. Schwierigkeiten scheint es auch im Verhältnis zu solchen Staaten zu geben, die wie Indien, Pakistan, Bangla Desh das Exequatur 383 384 385 386 387
Vgl Etgen RIW 1995, 205. AA Schütze IZPR, Rz 351. IPRax 1988, 30. AA Zöller/Geimer Anh V; Schütze IZPR, Rz 352. BGHZ 141, 286 = IPRax 2001, 230 (dazu Haas, S 195); vgl J. Stunz, Vertrauen in fremde Gerichtsverfahren, 2008. 388 BGHZ 118, 312, 325f = NJW 1992, 3096; OLG Koblenz NJOZ 2004, 3369, 3376f; aA Schütze ZVglRWiss. 98 (1999), 131, 138 u. IZPR, Rz 352; S. Neufang, Kostenverteilung im US-amerikanischen Zivilprozess, 2002, S 148ff; Zöller/Geimer, Anh V Vereinigte Staaten von Amerika; offen gelassen in BGH (IX ZR 134/08, 29.9.2011) (Tz 10). 389 NJW 1973, 2143.
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nur nach einer bestimmten Anzahl von Jahren (fünf) nach Erlass der Erstentscheidung zulassen. Eine weitere Gruppe wird dadurch gebildet, dass im Verhältnis zu einigen Staaten Entscheidungen nicht anerkannt werden, weil der betreffende Staat seine Zuständigkeit auf einen „exorbitanten“ Gerichtsstand, zB den des Vermögens, gegründet hat. 219 Gem § 328 II ZPO wird von dem Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit abgesehen, soweit das Urteil einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch betrifft. Für Familiensachen verzichtet § 109 IV FamFG auf die Gegenseitigkeit ebenfalls nur bei nichtvermögensrechtlichen Entscheidungen. Bei gewöhnlichen nichtvermögens-rechtlichen Streitigkeiten wird zusätzlich verlangt, dass ein deutscher Gerichtsstand fehlt. Da im Übrigen die Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 328 I Nr 1 bis Nr 4 ZPO auch bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen erhalten bleiben, tritt Abs 2 in eine gewisse Konkurrenz zu der Voraussetzung des Abs 1 Nr 1. Es kommt nicht nur darauf an, dass das Gericht des Urteilsstaats international zuständig iS der deutschen Zuständigkeitsbestimmungen gewesen ist. Es darf darüber hinaus kein deutscher Gerichtsstand begründet gewesen sein. Danach kann auf die Voraussetzung der Gegenseitigkeit dann nicht verzichtet werden, wenn neben dem ausländischen zugleich ein inländischer Gerichtsstand gegeben war, beide also konkurrierend nebeneinander bestanden.
7. Folgen der Nichtanerkennung a) Ausländische Entscheidung als Beweismittel 220 Kann die ausländische Entscheidung nicht anerkannt werden, hat sie keine Inlandswirkung. Soweit erforderlich, kann in der gleichen Sache ein Inlandsverfahren ohne Bindung an die ausländische Entscheidung durchgeführt werden. In diesem Verfahren kann die ausländische Entscheidung aber als Beweismittel verwendet werden.390
b) Rückforderung von Leistungen auf nicht anerkannte Entscheidungen? 221 Aus der prozessualen Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung folgt nicht ohne Weiteres, dass eine daraufhin erbrachte Leistung ohne Rechtsgrund (zB nach § 812 BGB) erfolgt ist. Die Rechtslage ist vielmehr selbständig zu prüfen.391 222 Schwieriger ist die Rechtslage, wenn die ausländische Entscheidung an sich richtig ist, ihre Anerkennung aber gegen den deutschen ordre public verstoßen würde. Der im Ausland dort zu Recht Unterlegene kann mittels des ordre pu-
390 Geimer, Anerkennung, S 106. 391 MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 191; Geimer, Anerkennung, S 105; aA wohl Stein/ Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 39 (kein Rechtsgrund).
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blic-Vorbehalts nach deutschem Recht nur die Anerkennung und Vollstreckung der ausländischen Entscheidung im Inland verhindern. Der ordre public bildet aber keine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung einer im Ausland erbrachten deutschen Vorstellungen widersprechenden Mehrleistung. Einen besonderen Erstattungsanspruch in solchen Fällen, wie ihn der englische Protection of Trading Interests Act 1980 (sec. 6 [2]) vorsieht, kennt das deutsche Recht nicht.392
392 MüKo/Gottwald, ZPO, § 328 ZPO Rz 192; aA Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 39.
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§ 13 Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen Inhaltsübersicht I. Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen 1. Europäisches Recht a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . 1 b) Brüssel IIa-Verordnung . . . . . 2 c) Automatische Anerkennung eheauflösender Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 d) Selbständiges Anerkennungsverfahren. . . . . . . . . . . . 11 e) Anerkennungsversagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Autonomes deutsches Recht . . . 21 II. Anerkennung von Entscheidungen in Sorgerechts-/Kindschaftssachen 1. Europäisches Recht . . . . . . . . . . 2. Europäische Titel zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung nach Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Autonomes deutsches Recht . . .
45
54 56 61
III. Anerkennung von Adoptionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Haager Adoptions-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Autonomes deutsches Recht . . . 65 IV. Anerkennung von Entscheidungen in Gewaltschutzsachen . . . . . . 74
VI. Anerkennung von Entscheidungen in Unterhaltssachen 1. Schrifftum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere EU-Unterhaltstitel . . . . 4. Titel aus Vertragsstaaten der Haager Übereinkommen . . . . . . 5. Titel aus Staaten mit Gegenseitigkeitsvereinbarung . . . . . . . 6. Titel aus Drittstaaten . . . . . . . .
77 78 80 83 85 86
VII. Anerkennung von Entscheidungen in Betreuungssachen 1. Anerkennung nach dem ErwSÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Anerkennung nach autonomem Recht . . . . . . . . . . . . . . . 91 VIII. Anerkennung von Entscheidungen in Erbrechtssachen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung nach der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäisches Nachlasszeugnis . 4. Anerkennung nach Staatsverträgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anerkennung in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92 93 95 96 97
IX. Anerkennung von Personenstandsurkunden (Statusverhältnissen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
V. Anerkennung von Entscheidungen in Güterrechtssachen. . . . . . . . 75
I. Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen 1. Europäisches Recht a) Schrifttum 1
– Zur Brüssel IIa-VO (Nr 2201/2003): Andrae, in: Dauner-Lieb, Nomos Kommentar – BGB, Bd 1, Anh I zum III. Abschnitt EGBGB, 2. Aufl 2012, S 2212ff; Coester-Waltjen, Die Berücksichtigung der Kindesinteressen in der neuen EU-Verordnung „Brüssel IIa“; FamRZ 2005, 241; Dörner, Internationale Scheidungszuständigkeit und Anerkennung von Scheidungsurteilen nach der EG-Verordnung Nr 2201/2003, in: Großfeld, Yamauchi ua, Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts, 2006, S 17; Finger,
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Internationale Kindesentführung, FuR 2005, 443; W. Hau, Doppelte Staatsangehörigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, IPRax 2010, 50; B. Heiderhoff, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, StAZ 2009, 328; Ch. Holzmann, Brüssel IIa VO: Elterliche Verantwortung und internationale Kindesentführung, 2008, S 225; S. Lippke, Der Status im Europäischen Zivilverfahrensrecht – Scheidung und Scheidungsfolgen im Anerkennungsrecht, 2008; P. Pietsch, Die Anerkennung von ausländischen Ehescheidungen in Deutschland, FF 2011, 237; Rausch, Elterliche Verantwortung – Verfahren mit Auslandsbezug vor und nach „Brüssel II a“ (2. Teil), FuR 2005, 112; Rauscher/ Rauscher, Brüssel IIa-VO, in EuZPR/EuIPR, Bearb. 2010, B I, S 1; H. Schack, Das Anerkennungsverfahren in Ehesachen nach § 107 FamFG – Vorbild für Europa?, FS Spellenberg, 2010, S 497; A. Schulz, Das Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FamRZ 2011, 1273; Solomon, „Brüssel IIa“ – Die neuen europäischen Regeln zum internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409; I. Toscano, Ehescheidungen mit grenzüberschreitendem Bezug, 2011, S 103. – Zur Brüssel II-VO (Nr 1347/2000): Coester-Waltjen, Die internationale Zuständigkeit und Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen in der Europäischen Union, in: Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002, S 163; Gaudemet-Tallon, Le règlement no 1347/2000 du Conseil du 29 mai 2000: „competence, reconnaissance et exécution des decisions en matière matrimoniale et en matière de responsabilité parentale des enfants communs“, JDI 128 (2001), 381; Gottwald, Kommentierung der Brüssel II-Verordnung, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Bd 3, 2. Aufl 2001, S 2209; Hausmann, Neues internationales Eheverfahren in der EU (II), EuLF 2000/01, 345; Helms, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2001, 257; Hub, Die Neuregelung der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen und das familienrechtliche Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, NJW 2001, 3145; Jäntera-Jareborg, Marriage Dissolution in an Integrated Europe, Yearbook of Private International Law 1 (1999), 1; Lupoi, Brussels II: new rules for transnational matrimonial disputes, in Carpi/Lupoi, Essays on transnational and comparative civil procedure, 2001, S 105; Mosconi, Giurisdizione e riconoscimento delle decisioni in materia matrimoniale secondo il regulamento comunitario de 29 maggio 2000, Riv.dir.proc. 61 (2001), 376; Polyzogopoulos, Internationale Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen in der Europäischen Union, in: Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002, S 133; Schack, Das neue internationale Eheverfahrensrecht in Europa, RabelsZ 65 (2001), 615; Spellenberg, Anerkennung eherechtlicher Entscheidungen nach der EheGVO, ZZPInt 6 (2001), 109; Spellenberg, Der Anwendungsbereich der EheGVO („Brüssel II“) in Statussachen, FS Schumann, 2001, S 423; B. Sturlèse, Compétence, reconnaissance et exécution des décisions en matière matrimoniale et en matière de responsbilité parentale des enfants communs, Juris-Cl. Procédure Civile Fasc. 910–10, 2001; Wagner, Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2001, 73.
b) Brüssel IIa-Verordnung Die EuGVO ist für Ehesachen und Streitigkeiten über das Sorgerecht gemein- 2 samer Kinder zunächst durch die (Europäische) Verordnung Nr 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen v 29.5.20001 („Brüssel II“) ergänzt worden. Diese wurde mit Wirkung vom 1.3.2005 durch die Verordnung Nr 2201/2003 v 27.11.2003 (EheGVO oder „Brüssel IIa-VO“)2 ersetzt. Deren Anwendungsbereich erstreckt 1 ABl EG Nr L 160/19 v 30.6.2000. 2 ABlEG Nr L 338/1.
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§ 13
Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen
sich nunmehr auf alle Sorgerechtsentscheidungen. Nach Art 21 EheGVO werden Entscheidungen der Mitgliedstaaten, auch für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern, ohne besonderes Verfahren anerkannt. Anerkennungsversagungsgründe sind inzident zu prüfen. Wer gestützt auf eine ausländische Entscheidung die Beischreibung im Personenstandsbuch beantragt, hat diese in Ausfertigung unter Rechtskraftbestätigung und Zustellungsnachweis, jeweils mit Übersetzung auf Verlangen des Gerichts, vorzulegen (Art 37 bis 39 EheGVO) (s u Rz 3, 9f).
c) Automatische Anerkennung eheauflösender Entscheidungen 3
Nach Art 21ff EheGVO (Brüssel IIa-VO) sind die in einem Mitgliedstaat der EU (außer Dänemark) ergangenen Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung der Ehe sowie jede aus Anlass eines solchen Verfahrens ergangene Entscheidung über die elterliche Verantwortung der Ehegatten automatisch (dh ohne besonderes Verfahren) anzuerkennen. Über die Anerkennung kann als Vorfrage (Art 21 IV EheGVO),3 bei Bedarf aber auch auf selbständigen (positiven oder negativen) Feststellungsantrag hin entschieden werden. Anerkennung bedeutet Wirkungserstreckung, hier primär der Gestaltungswirkung der Scheidung oder sonstigen Auflösung der Ehe.4 Bedarf es dazu im Erststaat der Registrierung der Entscheidung, so kann die Gestaltungswirkung auch erst an der Registrierung anerkannt werden.5
4
Aufhebungen der eingetragenen Lebenspartnerschaft kann man trotz der Ähnlichkeit zur Ehe nicht gleichbehandeln,6 da die EheGVO sich, wie auch die Entwürfe der Rom IVa- und Rom IVb-Verordnungen zeigen, bewusst auf die Lösung der traditionellen, heterosexuellen Ehe beschränkt.
5
Erwägungsgrund (15) im Eingang zur EheGVO stellt klar, dass (wenig überzeugend) nur eheauflösende Entscheidungen nach der EheGVO anzuerkennen sind.7 Aus dieser Einschränkung folgt, dass (in der Praxis seltene) Klage- bzw Antragsabweisungen nicht anzuerkennen sind. Der in einem Mitgliedstaat erfolglose Scheidungskläger kann daher unter Ausnutzung materieller Rechtsunterschiede sogleich in einem anderen Mitgliedstaat auf Scheidung usf klagen bzw antragen.8
3 4 5 6 7
Vgl P. Pietsch FF 2011, 237, 239. Helms FamRZ 2001, 257, 258; Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 113f, 127. Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 127. AA Wagner IRax 2001, 281, 288. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 21 EuEheVO Vorbem 1b; Wagner IPRax 2001, 73, 76; Spellenberg, FS Schumann, S 423, 432; Lupoi S 144. 8 MüKo/Gottwald Art 2 Brüssel IIa-VO Rz 5; Dörner, S 17, 27f; Hausmann EuLF 2000/01, 345, 348; Jäntera-Jareborg Yearb. PIL 1999, 1, 22, 25; krit. Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 124f; für Anerkennung nach nationalem Recht Helms FamRZ 2001, 257, 258; Spellenberg, FS Schumann, S 423, 433.
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Nach Erwägungsgrund (10) des Eingangs sollen bei einer Scheidung nicht 6 einmal Feststellungen zum Scheidungsverschulden anerkannt werden.9 Der gleiche Erwägungsgrund (10) präzisiert Art 21 I EheGVO dahin, dass nur die Statusentscheidung, nicht aber Entscheidungen über vermögensrechtliche Scheidungsfolgen von der Verordnung erfasst werden.10 Entscheidungen, die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe feststellen, fallen nicht unter die EheGVO,11 wohl aber Entscheidungen religiöser Gerichte, wenn diese im Entscheidungsstaat zuständig sind.12 Privatscheidungen fallen dagegen nicht unter die Verordnung.13 Anerkannt werden sollen aber Kostenbeschlüsse auch nach „negativen“ Sta- 7 tus-Entscheidungen.14 Öffentliche Urkunden und Prozessvergleiche, zB behördlich genehmigte Sorgerechtsvereinbarungen,15 werden Entscheidungen gleichgestellt (Art 13 III EheGVO). Einstweilige Maßnahmen, die ein nach Art 8 ff EheGVO zuständiges Gericht 8 erlassen hat, sind in allen EU-Mitgliedstaaten nach Art 21 ff EheGVO anzuerkennen.16 Hat das Gericht seine Zuständigkeit nur auf Art 20 EheGVO gestützt, sind einstweilige Maßnahmen dagegen nicht nach den Art 21 ff EheGVO in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen.17 Eine Anerkennung ist dann aber auf der Grundlage sonst nachrangiger Übereinkommen oder des autonomen Rechts möglich.18 Art 21 II EheGVO stellt klar, dass die Anerkennung ex lege auch für die Bei- 9 schreibung in Personenstandsbüchern gilt. Für Scheidungsentscheidungen der Gerichte der EU-Mitgliedstaaten (ohne Dänemark) findet daher kein formelles Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG mehr statt.19 Die Rechtskraft der ausländischen Entscheidung kann dem Standesamt gegen- 10 über durch die Bescheinigung nach Art 33 iVm Anhang IV der EheGVO nachgewiesen werden.
9 Für Anerkennung dagegen Spellenberg, FS Schumann, S 423, 434. 10 Hausmann EuLF 2000/01, 345, 348. 11 Spellenberg, FS Schumann, S 423, 433; Helms FamRZ 201, 257, 259; MüKo FamFG/ Gottwald, Art 21 Brüssel IIa-VO Rz 3; aA für negative Feststellungen Rauscher/Rauscher Art 1 Brüssel IIa-VO Rz 13ff. 12 Helms FamRZ 2001, 257, 259; Schack RabelsZ 65 (2001), 615, 627. 13 Helms FamRZ 2001, 257, 260. 14 Polyzogopoulos, in: Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S 133, 154; zweifelnd Schack RabelsZ 65 (2001), 615, 629. 15 Schack RabelsZ 65 (2001), 615, 627. 16 BGHZ 188, 270, 274 (Tz 16ff) = NJW 2011, 855 = FamRZ 2011, 542 (Helms). 17 EuGHE 2010, I-7353 (Bianca Purrucker v Giullermo Vallés Pérez) = NJW 2010, 2861 = FamRZ 2010, 1521; Geimer/Schütze/Geimer Art 20 VO Nr 2201/2003 Rz 13; undeutlich Rauscher/Rauscher Art 20 Brüssel IIa-VO Rz 24. 18 BGHZ 188, 270, 275 (Tz 18) = NJW 2011, 855. 19 MüKo/Gottwald Art 21 EheGVO Rz 6; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 21 EuEheVO Rz 2; Wagner IPRax 2001, 73, 79; Schack RabelsZ 65 (2001), 615, 627.
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d) Selbständiges Anerkennungsverfahren 11
Besteht Streit über die Anerkennungsfähigkeit, kann jede Partei, die ein Interesse hat, ein selbständiges Anerkennungsverfahren nach Art 21 III, 28ff EheGVO einleiten. Zuständig ist das Familiengericht, in dessen Bezirk sich der Antragsgegner gewöhnlich aufhält oder das Interesse an der Feststellung hervortritt (Art 29 III EheGVO iVm §§ 10 [Strich 1], 12, 32 IntFamRVG). Der Kreis der Antragsberechtigten ist nicht auf die Parteien des Erstverfahrens beschränkt. Bestreitet der Standesbeamte die Anerkennungsfähigkeit, muss er die Beteiligten auf dieses Verfahren verweisen; wegen des Vorrangs von Art 21 III EheGVO scheidet ein Vorgehen nach § 45 II PStG,20 aber auch die freiwillige Einleitung eines Verfahrens nach § 107 FamFG21 aus. Anders als Art 33 II EuGVO bzw Art 26 II LugÜ sieht Art 22 III EheGVO auch einen negativen Feststellungsantrag vor. Für eine negative Feststellungsklage (§ 256 ZPO) besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis. Gegen die Entscheidung des Familiengericht gibt es gem § 32 IntFamRVG die Beschwerde nach §§ 24ff IntFamRVG, gegen die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof nach §§ 28ff IntFamRVG.22
12
Soweit die Anerkennung für die Entscheidung des Gerichts in einer anderen Sache erheblich ist, wird darüber wie allgemein üblich, formlos und inzident entschieden (Art 21 IV EheGVO). Die Inzidententscheidung erwächst nicht in Rechtskraft.23 Die Zuständigkeit des Familiengerichts für Verfahren nach Art 21 III EheGVO schließt sinngemäß aus, dass die Statusfrage in jedem beliebigen Verfahren zum Gegenstand einer rechtskraftfähigen Zwischenfeststellung (§ 256 II ZPO) gemacht werden kann.24
13
Ist gegen die anzuerkennende Entscheidung im Ursprungsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden, so kann das Anerkennungsgericht sein Verfahren sowohl im selbständigen Anerkennungsverfahren wie bei Inzidentanerkennung25 zunächst aussetzen (Art 27 EheGVO). Die Regel hat praktisch nur bei Sorgerechtsentscheidungen Bedeutung, da Ehescheidungen generell erst mit Rechtskraft wirksam werden (vgl Art 21 II EheGVO).
20 Ebenso Hub NJW 2001, 3145, 3149; aA für Zulässigkeit Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 129; Helms FamRZ 2001, 257, 261 gibt dem Standesbeamten die Antragsbefugnis. 21 Helms FamRZ 2001, 257, 261; Thomas/Putzo/Hüßtege, Vor Art 21 EuEheVO Rz 4; aA Spellenberg, FS Schumann, S 433, 438 und ZZPInt 6 (2001), 109, 131. 22 Vgl BGH FamRZ 2012, 1561. 23 Thomas/Putzo/Hüßtege Art 21 EuEheVO Rz 13. 24 Für Zwischenfeststellung vor Familiengerichten Helms FamRZ 2001, 257, 262; aA (keine Beschränkung) Vogel MDR 2000, 1045, 1049. 25 Thomas/Putzo/Hüßtege Art 27 EuEheVO Rz 1.
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e) Anerkennungsversagungsgründe Die Anerkennungsvoraussetzungen (bzw -hindernisse) werden in Art 22 und 23 EheGVO für Ehescheidungen und Sorgerechtsentscheidungen getrennt festgelegt.
14
Einheitlich gilt, dass die Entscheidung über die Zuständigkeit des Ursprungs- 15 staats (wie nach der EuGVO) im Zweitstaat nicht nachgeprüft werden darf.26 Auch Entscheidungen, die in Restzuständigkeiten (Art 7 EheGVO) ergangen sind, sind anzuerkennen.27 Zuständigkeitsmängel verstoßen in keinem Fall gegen den ordre public des Anerkennungsstaats (Art 24 EheGVO). Nur bei Entscheidungen, die nach Erlass der Brüssel II-VO, aber vor Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO ergangen sind, ist die Zuständigkeit zu überprüfen (Art 64 IV EheGVO). Sind die beteiligten Eheleute Doppelstaater, hat der Anerkennungsstaat die Zuständigkeit auch des anderen Heimatstaats zu respektieren.28 Auch in der Sache selbst darf die Entscheidung nicht überprüft werden (Art 26 16 EheGVO). Eine Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung wegen veränderter Umstände bleibt zulässig.29 In Ehesachen (Art 22 EheGVO) sind vier Anerkennungshindernisse vorgese- 17 hen: (1) ein offensichtlicher Verstoß gegen den ordre public des Anerkennungsstaats (Art 22 [a]). Zuständigkeitsfehler (Art 24), aber auch Unterschiede im anwendbaren Recht (Art 25 EheGVO) sind nicht als ordre public-Fälle anzusehen. Mit diesen Einschränkungen kann sich der Verstoß aus der materiellen Rechtsanwendung oder aus groben Verfahrensfehlern ergeben.30 (2) Nichteinlassung des Antragsgegners. Sie führt zur Versagung der Anerken- 18 nung, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass er sich verteidigen konnte (Art 22 [b]). Auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kommt es ebenso wie nach Art 34 Nr 2 EheGVO (aber abweichend von Art 27 Nr 2 EuGVÜ/LugÜ) nicht mehr an. Mängel der tatsächlichen Zustellung sind nur noch dann relevant, wenn dadurch die Verteidigungsmöglichkeit beeinträchtigt wurde.31 Eine bloße mündliche oder schriftliche Information vom anhängigen Verfahren durch die Gegenpartei oder deren Anwalt ersetzt nicht den Zugang des verfahrenseinleitenden Schriftstücks.32 Auf Rechtzeitigkeit und Verteidigungsmöglichkeit kommt es aber nicht an, wenn festgestellt wird, dass der Antragsgegner „mit 26 Hausmann EuLF 2000/01, 345, 348; Helms FamRZ 2001, 257, 262. 27 Helms FamRZ 2001, 257, 262; Spellenberg, FS Schumann, S 423, 441 und ZZPInt 6 (2001), 109, 133; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 24 EuEheVO Rz 1. 28 EuGHE 2009, I-6871 (Hadadi v Hadadi) = IPRax 2010, 66 (dazu W. Hau S 50; J. Dilger S 54). 29 Thomas/Putzo/Hüßtege Art 26 EuEheVO Rz 1; MüKo/Gottwald Art 26 EheGVO Rz 2. 30 Helms FamRZ 2001, 257, 262; MüKo/Gottwald Art 22 EheGVO Rz 4; Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 143ff. 31 Helms FamRZ 2001, 257, 264; Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 135. 32 OLG München FamRZ 2012, 1512, 1513.
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der Entscheidung eindeutig einverstanden ist“.33 Dies ist etwa der Fall, wenn der Antragsgegner selbst eine neue Ehe schließen will oder wenn er nachehelichen Unterhalt einklagt.34 Abweichend von Art 34 Nr 2 EuGVO schließt das Nichteinlegen von Rechtsmitteln die Berufung auf den Versagungsgrund nicht ohne Weiteres aus.35 19
(3) Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung des Anerkennungsstaats (Art 22 [c]). Eine inländische Entscheidung hat wie nach der EuGVO stets Vorrang, unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge des Erlasses. Da die EheGVO nur „positive“ Entscheidungen erfassen will, kann sich die Unvereinbarkeit aber nicht aus einer „negativen“, abweisenden Entscheidung ergeben.36 Unvereinbar ist danach etwa ein ausländisches Scheidungsurteil mit einer inländischen Aufhebungsentscheidung.37
20
(4) Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats (Art 22 [d]). Insoweit gilt der Prioritätsgrundsatz. Vorrang hat die frühere Entscheidung, sofern sie selbst anerkannt werden kann. Eine Ehescheidung ist mit der früheren Ehetrennung nicht unvereinbar.38 Ein Ehenichtigkeits- oder -aufhebungsurteil (mit ex tunc-Wirkung) ist mit einem früheren Scheidungsurteil (mit ex nunc-Wirkung) nur vereinbar, wenn die Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit keinen Zusammenhang mit den Scheidungsgründen hat.
2. Autonomes deutsches Recht 21
Schrifttum: Andrae, Internationales Familienrecht, 2. Aufl 2006, S 246; Andrae/Heidrich, Zur Zukunft des förmlichen Anerkennungsverfahrens gemäß Art 7 FamÄndG nach der Großen Justizreform, FPR 2006, 222; Andrae/Heidrich, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen, FPR 2004, 292; Basedow, Die Anerkennung von Auslandsscheidungen, 1980; Geimer, Das Anerkennungsverfahren für ausländische Entscheidungen in Ehesachen, NJW 1967, 1398; P. Gottwald, Zur Anerkennung ausländischer Ehescheidungen – verfahrensrechtliche und kollisionsrechtliche Fragen, FS Rüßmann, 2013, S 771; J. Haecker, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, 3. Aufl 2009; W. Hau, Zum Anwendungsbereich des obligatorischen Anerkennungsverfahrens für ausländische Ehestatusentscheidungen, FS Spellenberg, 2010, S 435; Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken der Gestaltungskraft von Scheidungsurteilen, 1980; K. Hirschfeld, Die Anwendung von Get Statutes und die Anerkennung von auf Get Statutes beruhenden Urteilen in Deutschland, 2007; Kleinrahm/ Partikel, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, 2. Aufl 1970; Krzywon, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, StAZ 1989, 93; Leible, Probleme der Anerkennung ausländischer Ehescheidungen im vereinten Deutschland, FamRZ 1991, 1245; S. Lippke, Der Status im Europäischen Zivilverfahrensrecht. Scheidung und Scheidungsfolgen im Anerkennungsstaat, 2008; Martiny, HdbIZVR Bd III/1 (§ 12), 1984; Th. Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht (EuZPR/EuIPR), 2010; von Sachsen Gessaphe, Keine Anerkennung mexikanischer 33 34 35 36
Wagner IPRax 2001, 73, 78; Hausmann EuLF 2000/01, 345, 349; Lupoi S 146. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 22 EuEheVO Rz 2. AA Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 138. Kohler NJW 2001, 10, 13; Dörner S 17, 28f; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 22 Rz 3; aA Helms FamRZ 2001, 257, 265; NK-BGB/Andrae Art 22 Rz 13. 37 Hausmann EuLF 2000/01, 345, 350. 38 Polyzogopoulos S 133, 156f; Helms FamRZ 2001, 257, 265.
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„Blitzscheidungen“, StAZ 1992, 334; Schack, Das Anerkennungsverfahren in Ehesachen nach § 107 FamFG – Vorbild für Europa?, FS Spellenberg, 2010, S 497; Staudinger/Spellenberg, EGBGB, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, 14. Aufl 2005; Ch. Tsai, Das Scheidungsrecht in Taiwan und die Anerkennung einer taiwanesischen Ehescheidung in Deutschland, Diss. Regensburg, 2001; L. Wardle, International Marriage Recognition: A World Dilemma, in: N. Lowe/G. Douglas, Families across Frontiers, 1996, 75.
Deutschland ist weder dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Ehescheidungen und Ehetrennungen v 1.6.197039 noch dem Luxemburger CIEC-Übereinkommen über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen v 8.9.1967 beigetreten. EuGVO, EuGVÜ bzw LugÜ erfassen Ehescheidungen nicht (Art 1 II Nr 1). Nach autonomem deutschen Recht richtet sich die Anerkennung von Ent- 22 scheidungen in Ehesachen nur im Verhältnis zu Nicht-EU-Staaten und Dänemark. Maßgebend ist insoweit § 107 FamFG: „§ 107 Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (1) Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt worden ist, werden nur anerkannt, wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen. Die Verbürgung der Gegenseitigkeit ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung. Hat ein Gericht oder eine Behörde des Staates entschieden, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehört haben, hängt die Anerkennung nicht von einer Feststellung der Landesjustizverwaltung ab. (2) Zuständig ist die Justizverwaltung des Landes, in dem ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist die Justizverwaltung des Landes zuständig, in dem eine neue Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet werden soll; die Justizverwaltung kann den Nachweis verlangen, dass die Eheschließung oder die Begründung der Lebenspart nerschaft angemeldet ist Wenn eine andere Zuständigkeit nicht gegeben ist, ist die Justizverwaltung des Landes Berlin zuständig. (3) Die Landesregierungen können die den Landesjustizverwaltungen nach dieser Vorschrift zustehenden Befugnisse durch Rechtsordnung auf einen oder mehrere Präsidenten der Oberlandesgerichte übertragen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach Satz 1 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (4) Die Entscheidung ergeht auf Antrag. Den Antrag kann stellen, wer ein rechtliches Interesse an der Anerkennung glaubhaft macht. (5) Lehnt die Landesjustizverwaltung den Antrag ab, so kann der Antragsteller beim Oberlandesgericht die Entscheidung beantragen. (6) Stellt die Landesjustizverwaltung fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, kann ein Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hat, beim Oberlandesgericht die Entscheidung beantragen. Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung wird mit der Bekanntmachung an den Antragsteller wirksam. Die Landesjustizverwaltung kann jedoch in ihrer Entscheidung bestimmen, dass die Entscheidung erst nach Ablauf einer von ihr bestimmten Frist wirksam wird. 39 Vgl dazu v Bar RabelsZ 57 (1993), 63, 113–119; Coester-Waltjen RabelsZ 57 (1993), 263, 294ff; Martiny HdbIZVR III/2 Kap II (§ 4), 1984, S 174.
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(7) Zuständig ist ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Landesjustizverwaltung ihren Sitz hat. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. Für das Verfahren gelten die Abschnitte 4 und 5 sowie § 14 Abs. 1 und 2 und § 48 Abs. 2 entsprechend. (8) Die vorstehenden Vorschriften sind sinngemäß anzuwenden, wenn die Feststellung begehrt wird, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Entscheidung nicht vorliegen. (9) Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen oder nicht vorliegen, ist für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend. (10) War am 1. November 1941 in einem deutschen Familienbuch (Heiratsregister) aufgrund einer ausländischen Entscheidung die Nichtigerklärung, Aufhebung, Scheidung oder Trennung oder das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe vermerkt, steht der Vermerk einer Anerkennung nach dieser Vorschrift gleich.
23
Im Gegensatz zu § 328 I ZPO und § 108 FamFG erfolgt die Anerkennung ausländischer Entscheidungen (von Nicht-EU-Staaten) in Ehesachen nicht automatisch, sondern nach § 107 FamFG „erstinstanzlich“ in einem besonders geregelten Verwaltungsverfahren.40 Darin wird förmlich und generell bindend festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen oder nicht vorliegen. Die Feststellungsbefugnis ist ausschließlich auf die Landesjustizverwaltungen bzw OLG-Präsidenten, also auf Verwaltungsbehörden, übertragen.41 Früher sind dagegen verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden, weil die Feststellung, ob ein ausländisches Urteil in Ehesachen anzuerkennen sei, zu dem Bereich der Rechtsprechung gehöre und daher von den Gerichten entschieden werden müsse. Die hM teilt diese Bedenken nicht.42 Da gegen Entscheidungen der LJV bzw des OLG-Präsidenten das OLG angerufen werden kann, verstößt § 107 FamFG nicht gegen Art 92 GG.43
24
Kommt es in einem Gerichtsverfahren auf die Anerkennung einer ausländischen Scheidung an, so hat das Gericht sein Verfahren von Amts wegen (§ 148 ZPO; § 21 FamFG) auszusetzen, damit die Parteien das Feststellungsverfahren durchführen können.44
25
Von der formellen Anerkennung sind Heimatstaatentscheidungen befreit (§ 107 I 2 FamFG). Bei ihnen wird die Wirksamkeit der Scheidung als evident unterstellt. Ein freiwilliges Anerkennungsverfahren lässt die Rspr jedoch zu, um in Zweifelsfällen Rechtssicherheit zu schaffen.45 Besitzt einer der geschiedenen Ehegatten auch die deutsche Staatsangehörigkeit, so ist das Anerken-
40 Zu den Anforderungen an das Verfahren im Einzelnen vgl Gottwald FS Rüßmann, S 771, 778ff. 41 Vgl Kleinrahm-Partikel, 34; Martiny HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1659ff. 42 Vgl BGHZ 82, 34, 39 = NJW 1982, 517; BayObLGZ 1977, 180 = FamRZ 1978, 243; Staudinger/Spellenberg, 14. Bearb Art 7 § 1 FamRÄndG Rz 8ff. 43 MüKo/Rauscher, 2. Aufl 2013, § 107 FamFG Rz 13; Martiny, HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1682; aA Geimer ZfRV 5 (1992), 401, 417. 44 OLG Köln IPRax 1999, 48. 45 BGHZ 112, 127 = NJW 1990, 3081; OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 778; Martiny, HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1704; für Verfahren nach § 108 II FamFG Zöller/Geimer § 107 FamFG Rz 37.
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nungsverfahren dagegen zwingend.46 Ist zweifelhaft, ob eine Heimatstaatentscheidung vorliegt, ist das Anerkennungsverfahren durchzuführen.47 Antragsberechtigt ist jeder, der ein rechtliches Interesse an der Anerkennung 26 oder Nichtanerkennung hat (§ 107 IV 2 FamFG). Neben den Ehegatten sind dies Erben, ein neuer Ehegatte, ggf auch Erben oder die Verwaltungsbehörde, die Eheaufhebungsklage erheben kann.48 Der Begriff der Entscheidung ist weiter gefasst als der des Urteils gem § 328 I 27 ZPO, obgleich auch dieser extensiv ausgelegt werden sollte. § 107 I FamFG vermeidet es anzugeben, von welcher ausländischen Stelle die Entscheidung ausgegangen sein muss. Von einer gerichtlichen Entscheidung ist nur bezüglich der Entscheidungen des gemeinsamen Heimatstaats die Rede. Daraus folgt, dass es sich nicht um ausländische Gerichtsentscheidungen handeln muss. Es kommen auch Entscheidungen von ausländischen Verwaltungsbehörden und Entscheidungen geistlicher Gerichte hinzu, soweit sie vom zuständigen Staat dazu ermächtigt sind:49 die Entscheidungen durch den norwegischen „Fylkesman“, das isländische Ministerium für Justiz und kirchliche Angelegenheiten, die königliche Bewilligung von Dänemark, den Gnadenakt des Präsidenten der Republik Süd-Vietnam, die Entscheidung des israelischen Rabbinatsgerichts;50 die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde.51 Solche nicht gerichtlichen Entscheidungen sind auch inzident nach § 108 FamFG anzuerkennen, soweit das formelle Anerkennungsverfahren entbehrlich ist.52 Wird die ausländische Entscheidung von den Staaten, denen die Ehegatten angehören, anerkannt, so stehen die Vorschriften des § 98 I Nr 1 bis 3 FamFG einer Anerkennung in der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen. Die Entscheidung muss selbstverständlich echt sein; gefälschte Entscheidungen können nicht anerkannt werden.
28
Hinsichtlich der Anerkennung von Privatscheidungen (Vertrag, Scheidebrief, 29 talàq) ist zu unterscheiden. Soweit sie ohne Mitwirkung einer Behörde geschehen, fallen sie nicht unter das Verfahren nach § 107 FamFG. Die im Ausland ohne Mitwirkung staatlicher Gerichte oder Behörden voll- 30 zogene Privatscheidung wird daher im Inland als privates Rechtsgeschäft nach Art 17 EGBGB anerkannt.53 Dies gilt nicht, sofern nach Art 3 ff. Rom III-VO
46 47 48 49 50 51 52 53
BayObLG FamRZ 1990, 898. Präsidentin des OLG Frankfurt IPRax 2000, 124 (dazu Hohloch, S 96). Vgl Gottwald, FS Rüßmann, S 771, 779; Martiny, HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1715ff. Staudinger/Spellenberg Art 7 § 1 FamRÄndG Rz 30ff; Martiny, HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1684ff. BGHZ 176, 305, 373 (Rz 30) = FamRZ 2008, 1409; Kleinrahm/Partikel, S 64ff; vgl Hirschfeld, S 103ff. OLG Schleswig FamRZ 1957, 223. AA OLG Koblenz IPRax 2005, 354 (krit Geimer, S 325) = FamRZ 2005, 1692 (krit Gottwald). BGHZ 176, 365, 375 (Rn 36) = FamRZ 2008, 1409; BGHZ 110, 267, 272 = FamRZ 1990, 607.
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bzw Art 17, 14 EGBGB deutsches Recht Scheidungsstatut war54 oder die Privatscheidung bei Beteiligung eines Deutschen sonst gegen den deutschen ordre public (Art 6 EGBGB; § 1564 S. 1 BGB) verstößt. Die Privatscheidung von Ausländern in ihrem Heimatstaat berührt den deutschen ordre public nicht, bei Beteiligung eines Deutschen kommt es auf das anwendbare Scheidungsstatut an.55 31
Hat bei der Privatscheidung im Ausland eine Behörde, etwa durch Registrierung, mitgewirkt, ist über die Anerkennung im Verfahren nach § 107 FamFG zu entscheiden.56 Dies ist inzwischen freilich in den meisten Staaten der Fall.57 Rechtspolitisch wäre es deshalb sinnvoll, alle Privatscheidungen dem Anerkennungsverfahren zu unterstellen.58
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Die einseitige Verstoßung einer Ehefrau ist mit Art 3 II GG nicht vereinbar, ein darauf gestütztes Scheidungsurteil tangiert Art 6 EGBGB. Die Anerkennung des Urteils verstößt jedoch nur dann gegen den deutschen ordre public, wenn die Ehefrau mit der Scheidung nicht (auch nicht nachträglich) einverstanden ist (oder selbst geschieden werden will) oder (bei ihrem Widerspruch) kein vom deutschen Recht anerkannter Scheidungsgrund vorliegt.59 Beantragt zB die deutsche Ehefrau selbst die Anerkennung der ausländischen Privatscheidung und hat sie darüber hinaus berechtigte Scheidungsgründe, so wäre nicht einzusehen, warum sie noch ein Scheidungsverfahren gegen ihren ausländischen Ehemann führen sollte.60 Eine Verstoßung einer deutschen Ehefrau im Ausland (Kairo) durch ihren ägyptischen Ehemann ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen widerspricht wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch dann dem deutschen ordre public, wenn die Ehefrau selbst die Scheidung vor einem deutschen Gericht erstrebt.61
33
Eine Privatscheidung kann nicht im Inland vorgenommen werden, weil eine Ehe in der Bundesrepublik Deutschland gem Art 17 II EGBGB nur durch ein 54 BGHZ 176, 365, 375 (Rn 37) = FamRZ 2008, 1409; OLG München FamRZ 2012, 1142, 1144. 55 Vgl Kotzur, Kollisionsrechtliche Probleme christlich-islamischer Ehen, 1988, S 218ff. 56 BGHZ 82, 34 = FamRZ 1982, 44; BGH NJW 1990, 2195; OLG München FamRZ 2012, 1142 (Henrich); Gottwald, FS Rüßmann, S 771, 772; dazu auch Süß BayMittBayNot 2012, 306. 57 Für Marokko vgl H. Kotzur, S 212f; für die Rabbinats-Scheidung in Israel: Scheftelowitz FamRZ 1995, 593; Herfarth, Die Scheidung nach jüdischem Recht im internationalen Zivilverfahrensrecht, 2000, S 420ff; für Japan: Nishitani IPRax 2002, 49, 53. 58 Gottwald FS Rüßmann, S 771, 773; Stein/Jonas/Roth § 328 ZPO Rz 161; für Fälle, in denen Behördenmitwirkung möglich ist, ohne Wirksamkeitsvoraussetzung zu sein: Staudinger/Spellenberg Art 7 § 1 FamRÄndG Rz 39. 59 BayObLG IPRax 1989, 238; OLG Stuttgart IPRax 2000, 427 (dazu Rauscher, S 391); Staudinger/Spellenberg, § 328 Rz 455, 503. 60 Kleinrahm/Partikel, S 166. 61 BayObLG IPRax 1982, 104 (dazu Henrich, S 94). Vgl auch die Entscheidung des Justizministeriums von Nordrhein-Westfalen v 3.12.1980, nach der eine in Thailand vollzogene einverständliche Privatscheidung von Ehegatten, von denen einer deutscher Staatsangehöriger ist, im Inland nicht anerkannt wird, IPRax 1982, 25.
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Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen
§ 13
Gericht geschieden werden kann. Bei konsequenter Durchführung dieser Meinung kann eine Privatscheidung auch dann nicht anerkannt werden, wenn lediglich der Scheidungsbrief der Ehefrau in Deutschland zugestellt worden ist. § 107 I FamFG bezieht sich, wie zuvor Art 7 § 1 FamRÄndG, dem Wortlaut 34 nach nicht auf klageabweisende Entscheidungen. Eine Ausnahme wird nur für den Fall gemacht, dass die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der Ehe abgewiesen ist, denn damit wird zugleich rechtskräftig festgestellt, dass die Ehe besteht. Eine solche Entscheidung kann also förmlich durch die Landesjustizverwaltung anerkannt werden.62 Jede sachliche Abweisung enthält freilich die Feststellung, dass die Ehe fortbesteht bzw die Scheidungs- oder Nichtigkeitsgründe nicht vorlagen. Deshalb gilt § 107 FamFG auch für sachliche Klageabweisungen.63 Ein weiteres Problem bilden die Nebenentscheidungen. Diese sind nach förm- 35 licher Anerkennung der Ehescheidung nicht automatisch anzuerkennen, vielmehr müssen insoweit die Anerkennungsvoraussetzungen von § 328 ZPO bzw § 109 FamFG erfüllt sein.64 Ggf kann also zwar die Hauptentscheidung anerkannt, die Nebenentscheidung aber wegen fehlender Zuständigkeit oder Mangel der Gegenseitigkeit nicht anerkannt werden.65 Sofern die Ehescheidung aber dem Verfahren nach § 107 FamFG unterliegt, kann eine von der Scheidung wirklich abhängige Neben- oder Folgeentscheidung erst nach förmlicher Anerkennung durch die LJV anerkannt werden.66 Die Voraussetzungen für die Anerkennung der ausländischen Entscheidungen 36 richten sich nach der allgemeinen Regel des § 109 FamFG67, die § 328 ZPO weitgehend entspricht (s o § 12 Rz 151ff). Besonderheiten ergeben sich für die Anerkennungszuständigkeit ausländischer Gerichte. Nach § 109 I Nr 1 FamFG muss das ausländische Gericht in spiegelbildlicher Anwendung der deutschen Zuständigkeitsregeln zuständig gewesen sein.68 Schon hieran scheitert meist die Anerkennung von Scheidungen aus sog Scheidungsparadiesen.69 Bestand keine internationale Zuständigkeit analog § 98 FamFG, hat sich der beklagte Ehegatte aber rügelos auf das Verfahren eingelassen, handelt er rechtsmissbräuchlich, wenn er sich im Anerkennungsverfahren auf das Fehlen der Anerkennungszuständigkeit beruft.70 Nach hM steht die Anerkennungszuständig-
62 So Kleinrahm/Partikel, S 78; MüKo/Rauscher, 2. Aufl 2013, § 107 FamFG Rz 23; Keidel/Zimmermann, § 107 FamFG Rz 9. 63 Staudinger/Spellenberg Art 7 § 1 FamRÄndG Rz 50. 64 Staudinger/Spellenberg Art 7 § 1 FamRÄndG Rz 53. 65 Basedow, S 188ff. 66 Martiny, HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1667ff, 1692. 67 BayObLG FamRZ 2001, 1622; Gottwald FS Rüßmann, S 771, 776ff. 68 BayObLG FamRZ 2001, 1622; BayObLGZ 1987, 439, 441 = FamRZ 1988, 860; MüKo/ Rauscher, 3. Aufl 2013, § 109 FamFG Rz 11f. 69 Vgl v Sachsen Gessaphe, Keine Anerkennung mexikanischer „Blitzscheidungen“, StAZ 1992, 334; Keidel/Zimmermann, § 109 FamFG Rz 3. 70 Stein/Jonas/Schlosser, 21. Aufl 2002, § 606a ZPO Rz 22.
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§ 13
Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen
keit aber nicht zur Disposition der Beteiligten und ist stets strikt von Amts wegen zu prüfen.71 37
Für die Anerkennungszuständigkeit nach § 98 I Nr 1 FamFG kommt es nur auf die Zugehörigkeit zum Gerichtsstaat an; eine zusätzliche deutsche Staatsangehörigkeit geht entgegen Art 5 I 2 EGBGB nicht vor.72
38
Soweit die Entscheidungszuständigkeit auf eine einseitige Aufenthaltszuständigkeit gestützt wurde, käme es in Anwendung von § 98 I Nr 4 FamFG wieder auf die Anerkennung in Deutschland an. Diesen Zirkel löst § 109 II FamFG auf.73 Dadurch wird die Anerkennungszuständigkeit erweitert. Wird die Ehescheidung im Staat X vom gemeinsamen Heimatstaat Y oder den Heimatstaaten Y und Z anerkannt, so wird sie auch in Deutschland anerkannt, unabhängig davon, ob der Gerichtsstaat nach § 98 I Nr 1–3 FamFG zur Entscheidung zuständig gewesen wäre. Hatte einer der Ehegatten im Staat X seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so wird die Entscheidung unabhängig von der Prognose über die Anerkennung im Heimatstaat, die § 98 I Nr 4 FamFG sonst erfordert, anerkannt.74
39
Nach § 109 I FamFG kommt es für die Anerkennung von ausländischen Entscheidungen in Ehesachen nicht auf die Gegenseitigkeit an, da die Gegenseitigkeit im FamFG nicht als Anerkennungshindernis aufgeführt ist.
40
Eine Verwirkung der prozessualen Antragsbefugnis ist nicht anzuerkennen, wohl aber eine materielle Verwirkung, sich auf Wirksamkeit bzw Unwirksamkeit der Scheidung zu berufen.
41
In der Praxis scheitert die Anerkennung meist, weil dem Antragsgegner das rechtliche Gehör bei der Einleitung des Verfahrens nicht oder nur unzureichend gewährt wurde.75 Wurde einer Partei etwa der Scheidungsantrag nicht mitgeteilt, so verwirkt sie das Recht, sich auf § 109 I Nr 2 FamFG zu berufen, wenn sie das Scheidungsurteil später jahrelang (solange der „geschiedene“ Ehegatte am Leben ist) als Faktum hinnimmt, auch nachdem sie objektiv die Lebensgemeinschaft wieder hätte aufnehmen können oder objektiv in der Lage war, gegen die Anerkennung des Urteils vorzugehen.76
42
Eine Ablehnung des Antrags kann der Antragsteller durch Antrag auf Entscheidung des Oberlandesgerichts anfechten (§ 107 V FamFG); wird dem Antrag stattgegeben, kann der andere Ehegatte, aber auch jeder Dritte, der an der Fest-
71 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 109 FamFG Rz 3; Staudinger/Spellenberg, IntVerfREhe (2005) § 328 Rz 316 f. 72 MüKo/Rauscher, 2. Aufl 2013, § 109 FamFG Rz 15. 73 Rauscher, S 87. 74 MüKo/Rauscher, 2. Aufl 2013, § 109 FamFG Rz 17 ff. 75 Vgl OLG Bremen FamRZ 2013, 752; Gottwald, FS Rüßmann, S 771, 777. 76 LJV Baden-Württemberg FamRZ 1995, 1411.
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Anerkennung von Entscheidungen in Sorgerechts-/Kindschaftssachen
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stellung des ehelichen Status ein rechtliches Interesse hat,77 den Bescheid entsprechend anfechten (§ 107 VI 1 FamFG).78 Das OLG entscheidet in einem FamFG-Verfahren. Der Antrag ist nach § 107 VI 3 iVm § 63 I, III FamFG innerhalb einer Monats- 43 frist ab Bekanntgabe der Entscheidung der Landesjustizverwaltung zu stellen. Diese kann nach § 68 I 1, 2 FamFG dem Antrag abhelfen, da die Entscheidung über den Anerkennungsantrag formell keine Familiensache ist.79 Die Entscheidung des OLG unterliegt nach § 107 VII 3 iVm § 70 FamFG der 44 Rechtsbeschwerde an den BGH.80 Nach § 107 VII 3 iVm § 48 II FamFG und §§ 578ff ZPO besteht auch die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens.81
II. Anerkennung von Entscheidungen in Sorgerechts-/ Kindschaftssachen 1. Europäisches Recht Für Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung bestehen folgende Anerkennungsvoraussetzungen (Art 23 EheGVO):
45
(1) Kein offensichtlicher ordre public-Verstoß (Art 23 lit a EheGVO), wobei das Kindeswohl aus der Sicht des Anerkennungsstaats zu beachten ist.82 Entspricht die Entscheidung nachträglich nicht mehr dem Kindeswohl, ist sie anzuerkennen, aber auf Antrag abzuändern.83 (2) Nichtanhörung des Kindes (Art 23 lit b EheGVO). Die Anhörung des mate- 46 riell betroffenen Kindes ist ein Sonderfall des verfahrensrechtlichen ordre public. Ob das Kind anzuhören war, ist nicht strikt nach § 159 FamFG,84 sondern nach einem autonomen internationalen Standard zu beurteilen.85 Eine Anhörung etwa durch einen Beauftragten des Gerichts (Sozialbehörde) sollte genügen.86 Fehlt es an der Anhörung, kann die Entscheidung nicht anerkannt werden.87
77 Staudinger/Spellenberg 14. Bearb, Art 7 § 1 FamRÄndG Rz 192. 78 Vgl Gottwald FS Rüßmann, S 771, 784; Martiny, HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1730ff; MüKo/Rauscher, 2. Aufl 2013, § 107 FamFG Rz 53. 79 Gottwald, FS Rüßmann, S 771, 784. 80 Hau FamRZ 2009, 821, 825; Keidel/Zimmermann, § 107 FamFG Rz 50. 81 Gottwald, FS Rüßmann, S 771, 785. 82 Hierfür Thomas/Putzo/Hüßtege Art 23 EuEheVO Rz 1. 83 Coester-Waltjen, S 163, 181. 84 Hierfür Thomas/Putzo/Hüßtege Art 23 EuEheVO Rz 2; NK-BGB/Andrae Art 23 Rz 4. 85 Coester-Waltjen, S 163, 182. 86 MüKoFamFG/Gottwald, 2. Aufl 2013, Art 23 Brüssel IIa-VO Rz 2. 87 OLG Schleswig FamRZ 2008, 1761.
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(3) Nichteinlassung des Verfahrensgegners (Art 23 lit c EheGVO). Es gilt das zu Rz 18 Gesagte.
48
(4) Nichtanhörung des Sorgeberechtigten (Art 23 lit d EheGVO). Wird das Sorgerecht zwischen den Eltern geregelt, obwohl es einem Dritten (Vormund, Jugendamt) zusteht, so kann dieser die Versagung der Anerkennung beantragen, wenn ihm vor Erlass kein rechtliches Gehör gewährt wurde.
49
Ob Eilentscheidungen zum Sorgerecht, die ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners oder des Sorgeberechtigten erlassen wurden, wie im Anwendungsbereich von Art 31 EuGVO nicht anzuerkennen sind, erscheint zweifelhaft. Nach dem Zweck der Verordnung sollte die Möglichkeit nachträglichen Gehörs genügen.88
50
(5) Unvereinbarkeit mit einer späteren Entscheidung des Anerkennungsstaats zum Sorgerecht (Art 23 lit e EheGVO). Die spätere Entscheidung des Anerkennungsstaats hat stets Vorrang. Es genügt insoweit eine spätere isolierte Sorgerechtsentscheidung.89 Erfasst werden soll etwa der Fall, dass nach einer Ehescheidung mit Sorgerechtsregelung eine abweichende Feststellung der Vaterschaft erfolgt.90
51
(6) Unvereinbarkeit mit einer späteren Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats (Art 23 lit f EheGVO). Vorrang hat die spätere Sorgerechtsentscheidung, wenn sie (i) in dem Staat ergangen ist, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und (ii) ihrerseits nach der EheGVO, einem Übereinkommen oder nach § 108 FamFG anerkennungsfähig ist.91 Auch insoweit genügt eine spätere isolierte Sorgerechtsentscheidung.
52
Die Anerkennung der Sorgerechtsentscheidung schließt eine Überprüfung und Abänderung wegen nachträglicher Veränderung der Verhältnisse nicht aus.92
53
Sorgerechtsentscheidungen eines EU-Staats sind nach Art 21 I EheGVO automatisch anzuerkennen. Nach Art 21 III EheGVO kann jede interessierte Partei eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung beantragen. Gegen die Entscheidung gibt es Beschwerde und Rechtsbeschwerde nach §§ 32, 28 IntFamRVG, sofern die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.93
2. Europäische Titel zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes 54
Nach Art 40 I, 41, 42 EuEheVO kann für vollstreckbare Entscheidungen eines Mitgliedsstaats über das Umgangsrecht und über die Rückgabe des Kindes im Ursprungsstaat eine „Bescheinigung über das Umgangsrecht“ bzw eine „Be88 89 90 91 92 93
Helms FamRZ 2001, 257, 261. Coester-Waltjen, S 163, 183. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 23 EuEheVO Rz 5. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 23 EuEheVO Rz 6. Anders (aber kaum zutreffend) Jäntera-Jareborg Yearb. PIL 1999, 1, 26. BGH FamRZ 2012, 1561.
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scheinigung über die Rückgabe des Kindes“ ausgestellt werden. Vor deren Ausstellung hat das Gericht des Ursprungsstaats im Wesentlichen zu prüfen, ob allen Beteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde (Art 42 II EheGVO) (s u § 14 Rz 103). Ist ein Titel mit dieser Bescheinigung versehen worden, so ist er in jedem EUMitgliedstaat anzuerkennen und zu vollstrecken, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf (Art 41 I 1, 42 I 1 EheGVO). Die Gerichte des Anerkennungsstaats dürfen die Entscheidung nicht, auch nicht anhand ihres ordre public überprüfen.94 Einwendungen gegen die Entscheidung können nur im Ursprungsstaat, nicht im Vollstreckungsstaat erhoben werden.95
55
3. Anerkennung nach Staatsverträgen a) Konkurrierende Regelungen. Die Anerkennung von Entscheidungen zur el- 56 terlichen Verantwortung aus Nicht-EU-Staaten kann auf Art 23 KSÜ 1996, Art 7 ESÜ 1980, das HKÜ 1980 und auf Art 7 MSA 1961 gestützt werden. Insoweit herrscht kein strikter Vorrang, vielmehr gilt grds das Günstigkeitsprinzip. Es ist Sache des Antragstellers, sich das Regelwerk auszusuchen, das am Einfachsten zur Anerkennung führt.96 b) EheGVO. Die EheGVO hat jedenfalls in ihrem Anwendungsbereich Vorrang. Ist keiner der beteiligten Staaten ein EU-Mitgliedsstaat, so hat das jüngere Übereinkommen Vorrang vor dem Älteren. HSÜ und HKÜ gehen also dem MSA vor (Art 51 KSÜ; Art 34 HKÜ).97 Das HKÜ geht dem KSÜ vor (Art 50 KSÜ). Nach Art 20 II ESÜ können die Vertragsstaaten anderen Übereinkommenden Vorrang einräumen. c) KSÜ. Nach Art 23 I KSÜ werden Maßnahmen zur elterlichen Verantwortung 57 und zum Kinderschutz in anderen Vertragsstaaten automatisch anerkannt, sofern nicht ein Versagungsgrund nach Art 23 II KSÜ vorliegt. Diese Gründe entsprechen sachlich und nahezu wortgleich den Anerkennungsversagungsgründen von Art 23 EheGVO (s o Rz 45ff). Nach Art 24 KSÜ kann jeder Betroffene bei den zuständigen Behörden eine ausdrückliche Feststellung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer getroffenen Maßnahme beantragen.98 d) MSA. Soweit das MSA noch anwendbar ist (im Verhältnis zur Türkei und 58 China-Macau), sind Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger nach Art 7 S 1 MSA automatisch anzuerkennen. Gegenüber einer Inlandsvollstreckung können aber die Anerkennungsversagungsgründe des § 109 FamFG geltend gemacht werden (Art 7 S 2 MSA).
94 95 96 97 98
Thomas/Putzo/Hüßtege Art 41 EuEheVO Art 41 Rz 1. EuGHE 2010, I-6673 (Povse v Alpago) = FamRZ 2010, 1229, 1232 (Tz 70ff). K. Breuer, Ehe- und Familiensachen in Europa, Rz 332. K. Breuer, Ehe- und Familiensachen in Europa, Rz 333. K. Breuer, Ehe- und Familiensachen in Europa, Rz 335.
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e) HKÜ. Das HKÜ 1980 geht sinngemäß davon aus, dass Entscheidungen eines Vertragsstaats zur Zurückgabe eines Kindes anzuerkennen sind. In den Art 8ff HKÜ ist die Art und Weise der Unterstützung bei der Rückgabe des Kindes geregelt.
60
f) Auch Sorgerechtsentscheidungen, die unter das ESÜ99 fallen, werden automatisch anerkannt, und wenn sie vollstreckbar sind, auch für vollstreckbar erklärt (Art 7 ESÜ).100 Der Sorgeberechtigte kann aber nicht direkt aus der Entscheidung hervorgehen, sondern muss sich an die Zentrale Behörde des ersuchten Staats wenden, die alles Notwendige veranlasst (Art 8, 9 ESÜ).101
4. Autonomes deutsches Recht 61
Schrifttum: F. Klinck, Das neue Verfahren zur Anerkennung ausländische Entscheidungen nach § 108 II S. 1 FamFG, FamRZ 2009, 741.
Sorgerechtsentscheidungen aus Staaten, denen gegenüber weder die EheGVO (Brüssel IIa), noch KSÜ, ESÜ und MSA gelten, sind heute nach den §§ 108, 109 FamFG inzident (automatisch) anzuerkennen.102 Auch nach autonomem Recht verstößt es nicht gegen den ordre public, wenn das Kind nicht durch das Gericht, sondern durch einen beauftragten Gutachter gehört wurde.103 Bei Bedarf kann nach § 108 II, III FamFG in allen nichtvermögensrechtlichen Fällen auch eine direkte Feststellung über Anerkennung oder Nichtanerkennung beantragt werden.104
III. Anerkennung von Adoptionsentscheidungen 62
Schrifttum: Ch. Benicke, Ordre-public-Verstoß ausländischer Adoptionsentscheidungen bei ungenügender Prüfung des Kindeswohls, FS v. Hoffmann, 2011, S 545; Müller/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira, Adoptionsrecht in der Praxis, 2. Teil, 2. Aufl 2011, Rz 258ff.
1. Haager Adoptions-Übereinkommen 63
Ausländische Adoptionen sind nach Art 23 des Haager Übereinkommens über die internationale Adoption v 29.5.1993 (HAÜ)105 kraft Gesetzes anzuerkennen, wenn die zuständige Behörde des Staats, in dem die Adoption abgeschlos-
99 BGBl 1990 II, 206. 100 Vgl Staudinger/Pirrung, (Bearb 2009), Vorbem. zu Art 19 EGBGB Rz E 37f. 101 Staudinger/Kropholler, 14. Bearb 2003, Vor Art 19 EGBGB Rz 438ff, 452ff; zur Reform des MSA s Siehr FamRZ 1996, 1047, 1051. 102 OLG Köln FamRZ 2010, 1590, 1591. Vgl Keidel/Zimmermann, § 108 FamFG Rz 15 ff. 103 OLG Oldenburg FamRZ 2012, 1887, 1888f. 104 Vgl Klinck FamRZ 2009, 741. 105 BGBl 1993 II 1035; vgl C. Rudolf ZfRV 2001, 183, 188.
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Anerkennung von Adoptionsentscheidungen
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sen wurde, bescheinigt, dass die Adoption nach den Regeln des Übereinkommens zustande gekommen ist.106 Die Anerkennung umfasst (a) das Eltern-Kind-Verhältnis zwischen Kind und 64 Adoptiveltern, (b) die elterliche Verantwortung der Adoptiveltern für das Kind und (c) die Beendigung der Rechtsbeziehungen zu den leiblichen Eltern, wenn dies im Adoptionsstatut vorgesehen ist (Art 26 I HAÜ). Ist letzteres der Fall, genießt das Kind im Aufnahmestaat dieselben Rechte wie ein Kind bei einer dortigen Volladoption (Art 26 II HAÜ). Die Anerkennung führt insoweit zu einer Gleichstellung, nicht zu einer Wirkungserstreckung.107
2. Autonomes deutsches Recht a) Adoptionen aus Nichtvertragsstaaten sind nach autonomem Recht anzuer- 65 kennen. Nach § 108 I FamFG werden ausländische Adoptionsentscheidungen „automatisch“ anerkannt, sofern kein Anerkennungshindernis nach § 109 I FamFG vorliegt. Darüber wird grds inzident bei Bedarf entschieden. Die Adoption eines Nichtvertragsstaats ist nicht anzuerkennen, wenn dieser 66 in spiegelbildlicher Anwendung von § 101 FamFG aus deutscher Sicht international nicht zuständig war (§ 109 I Nr 1 FamFG). Eine ausländische Adoption kann wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre 67 public (§ 109 I Nr 4 FamFG) nicht anerkannt werden, wenn das ausländische Gericht keine Prüfung des Kindeswohls vorgenommen und den Auslandsbezug des Falles nicht beachtet hat.108 Gleiches gilt, wenn den leiblichen Eltern vor der Adoption kein rechtliches Gehör gewährt wurde109 oder ein Kind zu Unrecht als Waisenkind angesehen wurde.110 Ausländische Vertragsadoptionen sind nicht nach § 108 FamFG anzuerkennen, 68 sondern nach dem deutschen IPR auf ihre Wirksamkeit zu prüfen („materiellrechtliche“ Anerkennung).111 b) Soweit der Angenommene minderjährig ist, haben die §§ 2, 4 u. 5 AdWirkG jedoch Vorrang (§ 108 II 2 FamFG).
69
Nach §§ 2ff AdWirkG v 9.11.2001 ist die ausländische Adoption auf fakultati- 70 ven Antrag eines nach § 3 Berechtigten vom Familiengericht am Sitz des Oberlandesgerichts förmlich anzuerkennen.112 Die internationale Zuständigkeit 106 Benicke, FS v Hoffmann, 2011, S 454, 549; Krenzler/Borth/Siede, Anwaltshandbuch Familienrecht, 2. Aufl 2012, Kap 4 B Rz 201; Müller/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira Rz 270ff. 107 Müller/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira Rz 272. 108 OLG Celle FamRZ 2012, 1226; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1229 u. 2013, 714; KG FamRZ 2012, 1234. 109 OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1229; Krenzler/Borth/Siede, Kap 4 B Rz 203. 110 OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1229. 111 Rauscher IPR Rz 2509f. 112 Vgl W.-M. Hölzel, Verfahren nach §§ 2 und 3 AdWirkG, StAZ 2003, 289; Müller/ Sieghörtner/Emmerling de Oliveira Rz 281ff. Das Verfahren ist eine Adoptionsund Familiensache, so H.-U. Maurer FamRZ 2013, 90.
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Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen
folgt aus § 101 FamFG, die örtliche Zuständigkeit aus § 187 I, II, IV FamFG (§ 5 AdWirkG). Mit der Anerkennung ist festzustellen, ob das Annahmeverhältnis einem deutschen Annahmeverhältnis gleichsteht (§ 2 II AdWirkG). Die Anerkennung ist nach § 109 I Nr 4 FamFG zu versagen, wenn vor der ausländischen Adoption keine oder nur eine unzureichende Prüfung des Kindeswohls stattgefunden hat.113 71
Entsprechendes gilt, wenn eine inländische Adoption auf der Grundlage eines ausländischen Adoptionsstatuts ergangen ist (§ 2 III AdWirkG).114
72
Gegen die Ablehnung der Anerkennung steht den Beteiligten die Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG offen; dabei ist ein Abhilfeverfahren nach § 68 I 1 FamFG durchzuführen.115
73
Zusätzlich kann das Familiengericht eine „schwache“ ausländische Adoption auf Antrag in eine „starke“ nach inländischem Recht umwandeln, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht (§ 3 AdWirkG).116
IV. Anerkennung von Entscheidungen in Gewaltschutzsachen Vgl Vorschlag einer Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen v 18.5.2011 (KOM (2011) 276 endg).
74
Schutzmaßnahmen, die in einem Mitgliedstaat angeordnet wurden und über die eine Bescheinigung im Ursprungsstaat (E Art 5) ausgestellt wurde, sollen in allen anderen Mitgliedstaaten ex lege anerkannt (E Art 4) und, soweit nötig, ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckt werden (E Art 9).
V. Anerkennung von Entscheidungen in Güterrechtssachen Vgl Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts v 16.3.2011, KOM (2011), 126 endg. Schrifttum: D. Martiny, Die Kommissionsvorschläge für das internationale Ehegüterrecht sowie für das internationale Güterrecht eingetragener Partnerschaften, IPRax 2011, 437.
75
Art 1 II (a) EuGVO bzw LugÜ nimmt derzeit die ehelichen Güterstände vom Anwendungsbereich der europäischen Regelungen aus. Güterrechtliche Entscheidungen sind daher derzeit in Deutschland nach den §§ 108, 109 FamFG anzuerkennen.
113 OLG Düsseldorf StAZ 2012, 175; OLG Celle FamRZ 2012, 1226. 114 Müller/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira Rz 315. 115 OLG Hamm FamRZ 2012, 1230 (Weitzel); OLG Köln FamRZ 2012, 1234; aA OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1233 u. 2013, 714. 116 Vgl Krenzler/Borth/Siede Anwaltshandbuch Familienrecht, Kap 4 B Rz 206f; Müller/Sieghartner/Emmerling de Oliveira Rz 302ff.
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Anerkennung von Entscheidungen in Unterhaltssachen
§ 13
Nach dem Vorschlag der Kommission sollen künftig Entscheidungen in Ehe- 76 güterrechtssachen wie Entscheidungen in Zivilsachen automatisch anerkannt werden (E Art 26 I). Wie in Erbrechtssachen soll aber ein Verfahren der Vollstreckbarerklärung beibehalten werden (E Art 31 iVm Art 38ff EuGVO).
VI. Anerkennung von Entscheidungen in Unterhaltssachen 1. Schrifftum N. Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in Europa, 2011; Fasching/Fucik, Zivilprozessgesetze, Bd 5/2, 2. Aufl 2010, EuUVO, S 1009; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl 2010, Kap 36, S 2109; M. Heger/U. Selg, Die europäische Unterhaltsverordnung und das neue Auslandsunterhaltsgesetz, FamRZ 2011, 1101; S. Lippke, Der Status im Europäischen Zivilverfahrensrecht. Scheidung und Scheidungsfolgen im Anerkennungsrecht, 2008, S 154; Prüttting/Helms/Hau, FamFG, Anh 3 zu § 110: EuUnthVO, 2. Aufl 2011, S 1137; Rauscher/Andrae/Schimrick, EG-UntVO, in EuZPR/EuIPR, Bearb. 2010, B I, S 429; Saenger/ Dörner, in HK-ZPO, 4. Aufl 2011, S 3079; Zöller/Geimer, ZPO, 29 Aufl 2012, S 3240.
77
2. Europäische Vollstreckungstitel Soweit eine Unterhaltsentscheidung aus einem EU-Mitgliedstaat stammt, in 78 dem das Haager Protokoll von 2007117 gilt, wird der Titel ohne Weiteres anerkannt118; die Anerkennung kann nicht angefochten werden (Art 17 I EuUnthVO). Diese Titel bedürfen keiner Vollstreckbarerklärung, sie sind also Europäische Vollstreckungstitel (Art 17 II EuUnthVO; § 30 I AUG). Da es keine Versagungsgründe gibt, ist ein gesondertes Verfahren zur Feststellung der Anerkennung nicht mehr vorgesehen.119 Das Haager Protokoll gilt tatsächlich in allen Mitgliedstaaten außer Großbritannien und Dänemark. Hat der Schuldner von dem Verfahren im Ursprungstaat keine Kenntnis er- 79 langt, so kann er lediglich dort gem Art 19 EuUnthVO eine Nachprüfung der Entscheidung verlangen.120
3. Andere EU-Unterhaltstitel Stammt der Unterhaltstitel aus einem EU-Mitgliedstaat, in dem das Haager 80 Protokoll von 2007 nicht gilt (also aus Großbritannien oder Dänemark), wird er zwar ebenfalls automatisch anerkannt (Art 23 I EuUnthVO)121, bedarf aber der Vollstreckbarerklärung nach Art 26 ff EuUnthVO.122 Das Verfahren entspricht praktisch demjenigen nach den Art 38 ff EuGVO (s u § 15 Rz 10 ff). 117 Vgl U.P. Gruber, FS Spellenberg 2010, S. 177; Rauscher/Andrae/Schimrick Art 17 EG-UntVO Rz 1, 3; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 36 Rz 86. 118 Rauscher/Andrae/Schimrick (2010) Art 17 EG-UntVO Rz 3. 119 Vgl Rauscher/Andrae/Schimrick (2010) Art 17 EG-UntVO Rz 1. 120 Vgl Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 36 Rz 91ff; Rauscher/Andrae/Schimrick Art 19 EG-UntVO Rz 6, 9ff. 121 Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 36 Rz 131f. 122 Heger/Selg FamRZ 2011, 1101, 1105.
649
§ 13
Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen
Da die Anerkennung ggf versagt werden kann, ist in Art 23 II EuUnthVO insoweit ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Anerkennung vorgesehen. 81
Die Anerkennung findet nicht statt, wenn einer der Versagungsgründe des Art 24 EuUnthVO vorliegt. (1) (2) (3) (4)
82
Ordre public-Verstoß Gehörsverletzung bei Verfahrenseinleitung Unvereinbarkeit mit Entscheidung des Anerkennungsstaats Unvereinbarkeit mit früherer Entscheidung eines anderen EU-Mitgliedstaats oder eines Drittstaats.
Die Unvereinbarkeit besteht nicht nur bei Identität der Streitgegenstände, sondern bereits dann, wenn die ausländische Entscheidung ein präjudizielles Rechtsverhältnis betrifft, das der Rechtsfolge der vorrangigen (inländischen oder ausländischen) Entscheidung widerspricht. Unvereinbarkeit kann sich daher insb aus einer Diskrepanz von Statusurteil und Unterhaltsurteil ergeben. Wird etwa die Anerkennung eines Scheidungsurteils im Inland abgelehnt, kann auch eine Entscheidung über nachehelichen Unterhalt nicht anerkannt werden. Wird das Scheidungsurteil anerkannt, kann ein Urteil über Trennungsunterhalt (für die Zeit nach der Scheidung) nicht anerkannt werden.123
4. Titel aus Vertragsstaaten der Haager Übereinkommen 83
a) Titel aus Vertragsstaaten (1) des Haager Übereinkommens über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen v 23.11.2007, und (2) des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen v 2.10.1973 werden gem §§ 57ff, 36ff AUG im gleichen Beschlussverfahren anerkannt wie Titel aus EU-Staaten, gegenüber denen noch ein Exequaturverfahren stattfindet.
84
b) Titel aus Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern v 15.4.1958 sind nicht in das einfache Beschlussverfahren einbezogen. Sie werden wie Schiedssprüche im fakultativen Beschlussverfahren nach dem deutschen AusfG v 18.7.1961 (BGBl I S 1033) anerkannt.
5. Titel aus Staaten mit Gegenseitigkeitsvereinbarung 85
Die Anerkennung von Titeln aus Staaten mit formeller Gegenseitigkeitsvereinbarung (USA, Kanada, Südafrika) ist als solche nicht geregelt. § 64 AUG 123 EuGHE 1988, 645, 649 (Hoffmann v Krieg) = NJW 1989, 663 = IPRax 1989, 159; vgl Lippke, S 155ff.
650
Anerkennung von Entscheidungen in Betreuungssachen
§ 13
ordnet nur die Vollstreckbarerklärung. Die Anerkennung erfolgt daher gem § 108 I FamFG automatisch. Bei Bedarf sollte ein Feststellungsverfahren analog § 35 AUG zugelassen werden.
6. Titel aus Drittstaaten Die Anerkennung solcher Titel erfolgt gem § 108 I FamFG automatisch.
86
VII. Anerkennung von Entscheidungen in Betreuungssachen 1. Anerkennung nach dem ErwSÜ Schrifttum: T. Guttenberger, Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen, 2004; T. Helms, Reform des internationalen Betreuungsrechts durch das Haager Erwachsenenschutzabkommen, FamRZ 2008, 1995.
87
Nach Art 22 ESÜ sind die in einem Vertragsstaat getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens eines Erwachsenen in den anderen Vertragsstaaten „automatisch“ anzuerkennen, sofern nicht ein Versagungsgrund vorliegt.124 Versagungsgründe sind nach Art 22 II ErwSÜ
88
(1) die fehlende internationale Zuständigkeit der anordnenden „Behörde“. Die Zuständigkeit muss sich aus Art 5 ff ErwSÜ ergeben. Dies gilt auch, soweit Schutzmaßnahmen gegenüber einem Minderjährigen angeordnet wurden und gem Art 2 II ErwSÜ nach Volljährigkeit bestehen bleiben.125 (2) die Verletzung des rechtlichen Gehörs des betroffenen Erwachsenen (außer in dringenden Fällen), sofern dadurch ein ordne Public-Verstoß eingetreten ist.126 (3) der offensichtliche Verstoß gegen den ordre public des ersuchten Staats. (4) die Unvereinbarkeit mit einer späteren Maßnahme eines nach dem Vertrag aber zuständigen Nichtvertragsstaats. Vorrang hat die spätere Maßnahme, weil diese vermutlich der Lage des Erwachsenen besser gerecht wird.127 (5) bei Anordnung der Unterbringung ein Verstoß gegen das Konsultationsverfahren des Art 33 ErwSÜ. Jeder Betroffene kann ungeachtet der automatischen Anerkennung im Aner- 89 kennungsstaat eine ausdrückliche Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der in einem anderen Vertragsstaat getroffenen Maßnahme beantragen (Art 23 S 1 ErwSÜ). 124 Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 241; Guttenberger, S 97ff; Helms FamRZ 2008, 1995, 2000f. 125 Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 245. 126 Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 248. 127 Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 253.
651
§ 13 90
Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen
Das Verfahren richtet sich gem § 8 ErwSÜAG nach den §§ 1 ff FamFG (Art 23 S 2 ESÜ). Zuständig ist das Betreuungsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts für dessen gesamten Bezirk (§ 6 I Nr 1 ErwSÜAG).
2. Anerkennung nach autonomem Recht 91
Betreuungsentscheidungen aus Nicht-Vertragsstaaten werden nach § 108 I FamFG automatisch anerkannt, sofern kein Anerkennungshindernis nach § 109 FamFG besteht. Bei Bedarf kann jeder Beteiligte eine gerichtliche Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung beantragen (§ 108 II FamFG). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 108 III FamFG.
VIII. Anerkennung von Entscheidungen in Erbrechtssachen 1. Schrifttum 92
M. Buschbaum/M. Kohler, Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts in Europa, GPR 2010, 162; J. Fitschen, „Recognition“, Acceptance and Enforcement of authentic instruments in the Succession Regulation, JPIL 8 (2012), 323; St. Herzog, Die EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO), ErbR 2013, 2; K.W. Lange, Das geplante Europäische Nachlasszeugnis, DNotZ 2012, 168; W. Rechberger, Das Europäische Nachlasszeugnis und seine Wirkungen, ÖJZ 2012, 14; J. Remde, Die Europäische Erbrechtsverordnung nach dem Vorschlag der Kommission vom 14. Oktober 2009, RNotZ 2012, 65; D. Schäuble, Zur Anerkennung englischer Erbbescheinigungen, ZErb 2011, 267; M. Schauer, Europäisches Nachlasszeugnis, EF-Z 2012, 245; Schroer, Europäischer Erbschein, 2010.
2. Anerkennung nach der EuErbVO 93
Nach Art 39 EuErbVO (VO Nr 650/2012 v 4.7.2012)128 sind Entscheidungen eines Mitgliedstaats in Erbsachen in den anderen EU-Mitgliedstaaten „automatisch“, dh ohne besonderes Verfahren anzuerkennen. Eine Entscheidung ist nicht anzuerkennen, wenn ein Versagungsgrund nach Art 40 EuErbVO vorliegt.129 Die darin aufgeführten Gründe entsprechen voll Art 34 EuGVO (s o § 12 Rn 30ff).
94
Abweichend von der EuGVO sollen in Erbsachen nach Art 59 EuErbVO auch öffentliche Urkunden eines Mitgliedstaats in den anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden, es sei denn, ihre Gültigkeit sei im Ursprungstaat angefochten worden oder der Anerkennung stehe der ordre public des Anerkennungsstaats entgegen. Ziel dieser Regelung ist die freie Zirkulation und Verwendbarkeit von Urkunden in allen EU-Mitgliedstaaten. Formal ist dieses Ziel aber bereits durch Abschaffung der Legalisation erreicht. Für eine wie bei Entscheidungen vergleichbare Wirkungserstreckung besteht bei Urkunden keine
128 ABl EU Nr L 201/107. 129 Vgl Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010) EinfEG-ErbVO-E Rz 36, 39.
652
Anerkennung von Entscheidungen in Erbrechtssachen
§ 13
Grundlage; nach IPR gelten die darin abgegebenen Parteierklärungen entsprechend dem Erbstatut.130
3. Europäisches Nachlasszeugnis Mit der EuErbVO wird ab 17.8.2015 (Art 84 EuErbVO) ein Europäisches Nach- 95 lasszeugnis eingeführt. Nach Art 63 Abs 1 EuErbVO dient dieses Zeugnis dann in allen EU-Mitgliedstaaten als Nachweis für die Stellung als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter.131 Nach Art 62 EuErbVO wird es zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt. Nach Art 69 I EuErbVO entfaltet es seine Wirkung „automatisch“ in allen EUMitgliedstaaten.132 Wie bei einem Erbschein (§ 2365 BGB) geht von dem Europäischen Nachlasszeugnis die Vermutung der Richtigkeit der darin bezeugten Erbfolge aus (Art 49 II 1 EuErbVO). Diese Vermutung erstreckt sich auch auf die Rechte der darin genannten Vermächtnisnehmer (!), Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter (Art 69 II 2 EuErbVO). Wie im deutschen Recht (§ 2367 BGB) darf an den durch das Europäische Nachlasszeugnis Legitimierten befreiend geleistet werden (Art 69 III EuErbVO) und kann von ihm (gutgläubig) wirksam aus dem Nachlass erworben werden (Art 69 IV EuErbVO).133
4. Anerkennung nach Staatsverträgen Erbrechtliche Entscheidungen sind derzeit nur nach bilateralen Verträgen an- 96 zuerkennen. Nach § 17 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens (Anlage zu Art 20 des Konsularvertrags v 29.5.1929)134 genügt ein Zeugnis der zuständigen türkischen Behörde zum Nachweis der Erbberechtigung hinsichtlich des beweglichen Nachlasses.135
5. Anerkennung in anderen Fällen Im Übrigen wird die Ansicht vertreten, dass ausländische Erbbescheinigungen 97 nicht anerkannt werden können, da die Vermutung der Erbberechtigung eine materiell-rechtliche Wirkung sei, die nicht der verfahrensrechtlichen Anerkennung unterliege.136 Denkbar sei zwar eine materielle „Anerkennung“, dh eine Tatbestandswirkung des ausländischen Erbfolgezeugnisses in Form der Substitution. Im Rahmen des Nachweises der Erbfolge nach § 2365 BGB bzw § 35 GBO scheide aber eine solche Substitution aus.137 Überzeugender ist das Argument, dass ein sachlich auf das jeweilige ausländische Vermögen be-
130 Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162, 164. 131 Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162, 165; Kohler/Pintens FamRZ 2012, 1425, 1429; Schauer EF-Z 2012, 245. 132 Vgl St. Herzog ErbR 2013, 2, 13. 133 Vgl Lange DNotZ 2012, 168, 176f. 134 RGBl 1930 II S 748; abgedruckt in Jayme/Hausmann Nr 62. 135 Staudinger/Dörner (2007) vor Art 25 f EGBGB Rz 189f. 136 Schäuble ZErb 2011, 267, 268; Prütting/Helms/Hau § 108 FamFG Rz 17. 137 Schäuble ZErb 2011, 267, 269f; Prütting/Helms/Hau § 108 FamFG Rz 18.
653
§ 13
Die Anerkennung von Entscheidungen in Familien- und Erbrechtssachen
schränktes Erbzeugnis darüber hinaus keine Rechtswirkung im Ausland entfalten kann.
IX. Anerkennung von Personenstandsurkunden (Statusverhältnissen) 98
Schrifttum: M. Buschbaum, Anerkennung von Rechtslagen aufgrund von Personenstandsurkunden?, StAZ 2011, 106; K. Funken, Das Anerkennungsprinzip im internationalen Privatrecht, 2009; Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, Stellungnahme im Auftrag des Deutschen Rates für IPR zum Grünbuch der Europäischen Kommission …, IPRax 2011, 335; C. F. Nordmeier, Stand, Perspektiven und Grenzen der Rechtslagenanerkennung im europäischen Rechtsraum anhand Entscheidungen mitgliedstaatlicher Gerichte, IPRax 2012, 31; J. Rieks, Anerkennung im Internationalen Privatreccht, 2011; Sonnenberger, Anerkennung statt Verweisung?, FS Spellenberg, 2010, S 371; R. Wagner, Anerkennung von Personenstandsurkunden – was heißt das?, DNotZ 2011, 176; R. Wagner, Inhaltliche Anerkennung von Personenstandurkunden – ein Patentrezept?, FamRZ 2011, 609; R. Wagner, Anerkennung im Ausland begründeter Statusverhältnisse – neue Wege?, StAZ 2012, 133. Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM (2010) 747 endg.
99
Aus der Freizügigkeit des Personenverkehrs (Art 18 EGV; jetzt Art 21 AEUV) leitet der EuGH ab, dass behördliche Verwaltungsakte, die dem Betroffenen in einem Mitgliedstaat der EU eine gewisse Rechtsstellung verleihen, auch in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind. Dies gelte auch und gerade dann, wenn die materielle Rechtslage in dem Zweitstaat mit derjenigen im Erststaat nicht übereinstimmt. Im Fall Grunkin ging es um die Namensführung eines deutschen Kindes, das in Dänemark geboren wurde und dort nach dänischem Recht einen aus beiden Namen der Eltern gebildeten Doppelnamen erhielt, während das Kind nach deutschem Recht (Art 10 I EGBGB iVm § 1616 BGB) nur den Ehenamen der Eltern als Geburtsnamen erhält. Nach Ansicht des EuGH muss das Kind den in Dänemark legal erworbenen Namen auch in Deutschland führen dürfen.138
100 Von dieser Rechtsprechung ausgehend beabsichtigt die EU-Kommission, eine allgemeine Anerkennung von Personenstandsurkunden in der EU einzuführen. Gemeint ist damit nicht die Anerkennung der formellen Beweiskraft oder der Echtheit, sondern eine inhaltliche Anerkennung der darin bezeugten Rechtsstellung, die bisher nur über IPR und materielles Sachrecht gewährleistet war.139 101 Wird ein nichtehelicher Vater aufgrund eines wirksam beurkundeten Vaterschaftsanerkenntnisses als Vater in ein französisches Register eingetragen und eine entsprechende Geburtsurkunde in Frankreich ausgestellt, so ist dieses
138 EuGHE 2008, I-7639 (Grunkin) = FamRZ 2008, 2089 (Funken); dazu Wall IPRax 2010, 433; Koritz FPR 2008, 629; Martiny DNotZ 2009, 453. 139 Vgl. R. Wagner DNotZ 2011, 176, 185ff.
654
Anerkennung von Personenstandsurkunden (Statusverhältnissen)
§ 13
Anerkenntnis auch im deutschen Geburtenbuch beizuschreiben, selbst wenn die nach § 1595 BGB erforderliche Zustimmung der Mutter fehlt.140 Mit Gesetz vom 23.1.2013141 hat der deutsche Gesetzgeber auf die Rechtspre- 102 chung des EuGH reagiert. Nach dem neu gefassten Art 48 EGBGB kann danach eine Person, deren Namen deutschem Recht unterliegt, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworbenen und dort im Personenstandsregister eingetragenen Namen wählen, sofern dessen Führung nicht dem deutschen ordre public widerspricht.142
140 KG NJW 2011, 535. 141 BGBl I, 101. Zur Begründung s Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012, BT-Drucks.17/11049, S 15. 142 Vgl R. Freitag, Die Namenswahl nach Art 48 EGBGB, StAZ 2013, 69.
655
§ 14 Europäische Vollstreckungstitel Inhaltsübersicht I. Allgemeines 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens . . . . . . . . . 3. Einwände im Vollstreckungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel a) Titel in einer Zivil- oder Handelssache . . . . . . . . . . . . . b) Titel über eine „unbestrittene Geldforderung“ . . . . . . . . . c) Voraussetzungen für eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . d) Mindestvorschriften für das Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . e) Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsbehelf bei schuldloser Nichtverteidigung . . . . . . . . . g) Bestätigung deutscher Titel . h) Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel . . . 3. Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckung des Europäischen Vollstreckungstitels a) Keine Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorzulegende Urkunden . . . . c) Vollstreckung nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verweigerung der Vollstreckung wegen Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung . . . . . f) Vollstreckungsabwehrklage .
1 2 4
6
7 10
18 23 31 34 37
40 43
44 45 46
IV. Entscheidungen des Einheitlichen Patentgerichts . . . . . . . . . . . . 71 V. Der Europäische Zahlungsbefehl 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Zahlungsbefehl als Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . 3. Überprüfung des Zahlungsbefehls im Ursprungstaat . . . . . 4. Verweigerung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vollstreckungsabwehrklage . . . VI. Entscheidungen im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschaffung des Exequaturverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ablehnung der Vollstreckung . . 5. Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung . . . . . . . 6. Vollstreckungsabwehrklage . . . VII. Entscheidungen in Unterhaltssachen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Exequaturverfahren . . . . . 3. Nachprüfung im Ursprungsland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verweigerung und Aussetzung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . .
72 73 74 79 83
86 87 88 89 90 91
92 93 94 97 98
VIII. Entscheidungen zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 50 2. Besondere Bescheinigung als 52 Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
48
III. Vollstreckungstitel nach der Neufassung der EuGVO 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
656
2. Umfassende Abschaffung des Exequaturverfahrens . . . . . . . . . 56 3. Einwände gegen die Vollstreckung im Vollstreckungsstaat . 63 4. Vollstreckungsabwehrklage . . . 70
Allgemeines
§ 14
I. Allgemeines 1. Schrifttum L. d’Avout, La circulation automatique des titres exécutoires imposée par le règlement 805/2004 au 21 avril 2004, Rev.crit. 2006, 1; I. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, 2008, S 183ff, 358ff, 484ff; Bajons, Von der Internationalen zur Europäischen Urteilsanerkennung und -vollstreckung. Entwicklungsstadien des österreichischen Rechts auf dem Weg zum Europäischen Vollstreckungstitel, FS Rechberger, 2005, S 1; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl 2006, § 55 VII; U. Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, Bestimmung der Grenzen für die Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels, 2004; D.-Ch. Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, 2008; D.-Ch. Bittmann, Der Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 104 ZPO als Europäischer Vollstreckungstitel, Rpfleger 2009, 369; D.-Ch. Bittmann, Der europäische Vollstreckungstitel, AnwBl 2011, 378; A. Burgstaller/M. Neumayr, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ÖJZ 2006, 179; CoesterWaltjen, Einige Überlegungen zu einem künftigen europäischen Vollstreckungstitel, FS Beys, 2003, S 183; Coester-Waltjen, Der Europäische Vollstreckungstitel – Bestandsaufnahme und kritische Bewertung, FS Ansay, 2006, S 47; C. Crifo, First steps towards the Harmonization of Civil Procedure: The Regulation creating an European Enforcement Order for uncontested claims, C.J.Q. 24 (2005), 200; C. Crifo, Cross-Border Enforcement of Debts in the European Union, 2009, S 61; L. d’Avout, La circulation automatique des titres exécutoires imposée par le règlement 805/2004 du 21 avril 2004, Rev crit 95 (2006), 1; M. Ernst, Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, JurBüro 2005, 568; Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd V/1, 2. Aufl 2008; T. Franzmann, Die Verordnung (EG) Nr 805/2004 – notarielle Urkunden europaweit vollstreckbar, MittBayNot 2004, 404; T. Franzmann, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen – Hinweise für die notarielle Praxis, MittBayNot 2005, 470; T. Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006; Th. Garber, Zur Bestätigung einstweiliger Maßnahmen als Europäischer Vollstreckungstitel, in Zivilverfahrensrecht Jahrbuch 2009, S 73; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard/Lakkis, Zwangsvollstreckungsrecht (§ 12), 12. Aufl 2010, S 219; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 28, 2. Aufl 2010, S 1497; Geimer, Verbesserung der Rechtsverfolgung über die Grenze in der Europäischen Union – Einige Bemerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, Festgabe Vollkommer, 2006, S 385; S. Gerling, Die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Vollstreckungstiteln durch die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, 2006; B. Gsell, Die Geltendmachung nachträglicher materieller Einwendungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage bei Titeln aus dem Europäischen Mahn- oder Bagatellverfahren, EuZW 2011, 87; Hess, Europäischer Vollstreckungstitel und nationale Vollstreckungsgegenklage, IPRax 2004, 493; Hüßtege, Der europäische Vollstreckungstitel, in: Gottwald, Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 2004, S 113; Hüßtege, Braucht die Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel eine ordre-public-Klausel?, FS Jayme, 2004, S 371; Ch. Kohler, Von der EuGVVO zum Europäischen Vollstreckungstitel, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Kollisionsrecht, 2004, S 63; Ch. Kohler, Quantensprung im europäischen Justizraum, RIW 2003, Heft 10 (Erste Seite); X. E. Kramer, Enhancing Enforcement in the European Union. The European Order for Payment Procedure and its Implementation in the Member States, in: van Rhee/Uzelac, Enforcement and Enforceability, 2010, S 17; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl 2011, S 763; Leible/Lehmann, Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, NotBZ 2004, 453; Luckey, Der Europäische Vollstreckungstitel (EG-VO Nr 805/2004), ZGS 2005, 420; Luckey, Gerichtsvollzieher ohne Grenzen, ProzRB 2005, 242; P. Man-
657
1
§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
kowski, Europäischer Vollstreckungstitel und prozessualer Verbraucherschutz, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 785; P. Mankowski, Prozessualer Verbraucherschutz beim Europäischen Vollstreckungstitel, VuR 2010, 16; Münch, Die vollstreckbare Notariatsurkunde im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 805/2004, FS Rechberger, 2005, S 395; Oberhammer, Der Europäische Vollstreckungstitel: Rechtspolitische Ziele und Methoden, JBl 2006, 477; M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung in der Europäischen Union, 2012, S 534 ff; Th. Pfeiffer, Einheitliche und unbedingte Urteilsgeltung in Europa, FS Jayme, 2004, S 675; Th. Pfeiffer, Europa als einheitlicher Vollstreckungsraum, BauR 2005, 1541; Rausch, Vereinfachte Unterhaltsvollstreckung in der EU mit dem neuen Europäischen Vollstreckungstitel, FuR 2005, 437; Rausch, Der Europäische Vollstreckungstitel – Erleichterungen bei grenzüberschreitender Unterhaltsvollstreckung, FamRBint 2005, 79; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; Rauscher, Ehegüterrechtlicher Vertrag und Verbraucherausnahme? – Zum Anwendungsbereich der EuVTVO, IPRax 2011, 484; C. H. van Rhee/A. Uzelac, Enforcement and Enforceability, Tradition and Reform, 2010; B. Ringwald, Europäischer Vollstreckungstitel nach EuVTVO und Rechtsbehelfe des Schuldners, 2010; E. Storskrubb, Civil Procedure and EU-Law, 2008, p 153; A. Stadler, Kritische Anmerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, RIW 2004, 801; A. Stadler, Das europäische Zivilprozessrecht – Wie viel Beschleunigung verträgt Europa?, IPRax 2004, 2; Ch. Strasser, Praxisprobleme bei der Zwangsvollstreckung aus einem Europäischen Vollstreckungstitel, Rpfleger 2007, 249; M. Stürner, Rechtsschutz gegen fehlerhafte Europäische Vollstreckungstitel, GPR 2010, 43; M. Stürner, Die EuVTVO als Baustein des Europäischen Zivilprozessrechts, FS Simotta, 2012, S 587; Sujecki, Niederländisches Gesetz zur Durchführung der VO (EG) Nr 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2006, 525; G. Tarzia, Il titulo esecutivo Europeo per i crediti non contestati, FS Schlosser, 2005, S 985; D. Tsikrikas, Einlegung von Rechtsbehelfen im Vollstreckungsverfahren aufgrund eines Europäischen Vollstreckungstitels, ZZPInt 11 (2006), 51; R. Wagner, Der Europäische Vollstreckungstitel, NJW 2005, 1157; R. Wagner, Die neue EG-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2005, 189; R. Wagner, Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr 805/2204 zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2005, 401; Windolf/ Zemmrich, Der europäische Vollstreckungstitel – schon jetzt ein „Dauerbrenner“ im Europäischen Zivilprozessrecht?, JuS 2007, 803.
2. Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens 2
Mit der Europäischen Vollstreckungstitel-Verordnung begann eine „neue Generation“ europäischer Rechtsinstrumente.1 Um ein wirklich reibungsloses Funktionieren des europäischen Binnenmarktes zu gewährleisten, hat sich der Europäische Rat das Ziel gesetzt, eine uneingeschränkte Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu verwirklichen. In einer ersten Phase hat die Verordnung (EG) Nr 805/2004 (EuVTVO) das Vollstreckbarerklärungsverfahren für unbestrittene Forderungen in Zivil- und Handelssachen (Art 2 I 1 EuVTVO) abgeschafft. Art 5 EuVTVO sieht ausdrücklich vor, dass eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedsstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt wird, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.2 Sinngemäß bezieht sich 1 Vgl Frattini ZEuP 2006, 225, 230; Kohler RIW 2003, Heft 10, Erste Seite; MüKo/ Adolphsen, §§ 1079 ZPO Anh EuVollstrTitelVO Vorbem Rz 2. 2 Vgl Kropholler/v. Hein, Art 5 EuVTVO Rz 3; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 1ff.
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Allgemeines
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die in Art 5 EuVTVO vorgesehene Anerkennung auf die Vollstreckbarkeit,3 denn die Anerkennung erfolgt ja bereits nach den Art 33ff EuGVO. § 1082 ZPO wiederholt bzw konkretisiert diese Regel dahin, dass die Zwangsvollstreckung im Inland aus dem Europäischen Vollstreckungstitel stattfindet, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf. Diesen Weg ist der Europäische Rat konsequent weitergegangen. Mit dem Inkrafttreten der neu gefassten EuGVO (VO [EU] Nr 1215/2012 v 12.12.2012)4 wird der Europäische Vollstreckungstitel innerhalb der EU der Normalfall (s u Rz 56) und eine Vollstreckbarerklärung nur noch in Sonderfällen nötig sein. Derzeit hat ein Gläubiger nach der EuVTVO stets die Wahl, ob er einen Titel 3 als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen lässt oder ob er seine Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat beantragt; er kann auch beide Wege gleichzeitig einschlagen (Art 27 EuVTVO).5 Ist der Titel aber auf der einen oder anderen Grundlage vollstreckbar, so entfällt das Rechtsschutzinteresse dafür, einen weiteren Vollstreckungstitel zu erlangen.6
3. Einwände im Vollstreckungsstaat Gegen eine rein technische Vereinfachung des Verfahrens ist kaum etwas ein- 4 zuwenden. Doch besteht verbreitet die Sorge, dass der Rechtschutz entscheidend verkürzt wird, wenn der Schuldner die Vollstreckung selbst trotz gravierender Rechtsverletzungen in seinem Wohnsitzstaat nicht mehr verhindern könnte. Der europäische Gesetzgeber schwankt insoweit in seinen Lösungen. In der EuVTVO gibt es entgegen zahlreichen Stimmen derzeit weder bei der Bestätigungsprüfung noch später im Vollstreckungsstaat irgendeine ordre public-Kontrolle.7 Dadurch sollen die Einheitlichkeit des europäischen Rechtsraums betont und das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege gestärkt werden. Die Versagungsgründe der Art 34, 35 EuGVO können dem Europäischen Vollstreckungstitel nach der EuVTVO nicht entgegengehalten werden. Allerdings wird ein Teil der wesentlich gleichen Gründe im Ursprungsstaat vor der Bestätigung des Titels als Europäischer Vollstreckungstitel geprüft.8
3 Burgstaller/Neumayr ÖJZ 2006, 179, 188. 4 ABlEU Nr L 351/1 v 20.12.2012. 5 Burgstaller/Neumayr ÖJZ 2006, 179, 183; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 199. 6 BGH RIW 2010, 231 (Tz 10) = IPRax 2011, 81 (dazu Bittmann, S. 55); Rauscher/Pabst (2010), Art 27 Eu-VollstrTitelVO Rz 5. 7 Coester-Waltjen, FS Beys, S 183, 193; Kropholler/v. Hein Art 5 EuVTVO Rz 5, 14; vgl Hüßtege, FS Jayme, S 371; Pfeiffer, FS Jayme, S 675; krit Bajons, FS Rechberger, S 1, 18; Schack SchlHA 2006, 115, 118; S. Gerling, S 199ff, 242ff. 8 Kropholler/v. Hein, Art 5 EuVTVO Rz 4; krit. Rauscher/Pabst (2010) Art 5 EuVollstTitelVO Rz 10ff.
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Europäische Vollstreckungstitel
Gegenüber einem Europäischen Zahlungsbefehl und gegenüber einem Titel nach dem Verfahren über geringfügige Forderungen kann sich der Schuldner im Vollstreckungsstaat nur auf die Unvereinbarkeit mit einem anderen Titel berufen (s u Rz 80, 89). Fällt ein Titel dagegen nur unter die neu gefasste EuGVO, kann der Schuldner die Vollstreckung weiterhin durch Berufung auf alle klassischen Versagungsgründe mittels Rechtsbehelf im Vollstreckungsstaat abwehren (s u Rz 63). 5
Frei
II. Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen 1. Schrifttum 6
P. Biavatti, Some remarks about the European Regulation creating an enforcement order for uncontested claims, FS Kerameus, 2009, S 75; D.-Ch. Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, 2008; Ch. Giebel, Fünf Jahre Europäischer Vollstreckungstitel in der deutschen Gerichtspraxis, IPRax 2011, 529; R. HannemannKacik, Die EU-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2011; A. Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2007; C. Klumpp, Die Zustellungsformen der Verordnung (EG) Nr 805/2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels, 2009; Th. Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; W. Rechberger, Die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen und die Europäische Rechtsschutzkultur, FS Kerameus, Bd 1, 2009, S 1141; Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, Der Europäische Vollstreckungstitel, FS Peter Fischer, 2004, S 399; Rellermeyer, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rpfleger 2005, 389; Reichel, Das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz, NZA 2005, 1096; B. Ringwald, Europäischer Vollstreckungstitel nach der EuVTVO und Rechtsbehelfe des Schuldners, 2011; Stein, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft, IPRax 2004, 181; Stein, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, EuZW 2004, 679.
2. Voraussetzungen für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel a) Titel in einer Zivil- oder Handelssache 7
Die Verordnung Nr 805/2004 gilt wie die EuGVO in Zivil- und Handelssachen, ohne Rücksicht auf die Art der Gerichtsbarkeit; sie erfasst daher auch Forderungen, die in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, teilweise auch der Sozialgerichte fallen. Ansprüche aus „acta iure imperii“ sind nicht erfasst (Art 2 I 2 EuVTVO). Die Verordnung gilt nicht (ähnlich wie Art 1 II EuGVO) für den Personenstand, den ehelichen Güterstand, das Erbrecht, das Insolvenzrecht, die soziale Sicherheit und die Schiedsgerichtsbarkeit (Art 2 II EuVTVO). Ansprüche auf Zahlung von Zugewinnausgleich sind daher vom Anwendungsbereich der EuVTVO ausgeschlossen.9 Wird eine nicht ausgeschlossene Forderung (Anwaltsgebühren) als Nebenforderung zu einer ausgeschlossenen Forderung gel9 KG FamRZ 2010, 1596.
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Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen
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tend gemacht, so fällt sie ebenfalls unter die Anwendungssperre von Art 2 II EuVTVO.10 Anwendbar ist die Verordnung im Verhältnis zu allen EU-Mitgliedsstaaten, mit Ausnahme Dänemarks (Art 2 III EuVTVO).
8
Ein Ordnungsmittelbeschluss nach § 890 ZPO ist in einer Zivilsache ergan- 9 gen.11
b) Titel über eine „unbestrittene Geldforderung“ Grundvoraussetzung für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel 10 ist, dass ein Titel über eine „unbestrittene Forderung“ vorliegt. Die Abgrenzung findet sich in Art 3 I 2 EuVTVO in kasuistischer Weise.12 Als unbestritten gilt eine Forderung, wenn (1) ihr der Schuldner im Verfahren durch Anerkenntnis oder durch Zustimmung zu einem vom Gericht gebilligten oder vor ihm geschlossenen Vergleich zugestimmt hat oder (2) der Schuldner der Forderung im Verfahren nach dem Recht des Ursprungsstaats zu keiner Zeit widersprochen hat oder (3) der Schuldner zu einer Gerichtsverhandlung über die Forderung nicht erschienen ist oder dabei nicht vertreten worden ist, nachdem er zuvor der Forderung widersprochen hatte, sofern ein solches Verhalten nach dem Recht des Ursprungsstaats als stillschweigendes Zugeständnis der Forderung oder des vom Gläubiger behaupteten Sachverhalts anzusehen ist, oder (4) der Schuldner die Forderung ausdrücklich in öffentlicher Urkunde anerkannt hat. Mit erfasst sind auch Entscheidungen, die nach Anfechtung von Entscheidungen, Vergleichen oder öffentlichen Urkunden ergangen sind, die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurden (Art 3 II EuVTVO).
11
Unproblematisch an diesem Katalog sind die Fälle des Anerkenntnisurteils, des consent judgment, des Prozessvergleichs und der Anerkennung in öffentlicher Urkunde.13 Die öffentliche Urkunde ist in Art 4 Nr 3 EuVTVO so definiert, dass Anwaltsvergleiche, aber auch Jugendamtsurkunden über Unterhalt mit erfasst sind.14 Als Prozessvergleich sind auch Vergleiche nach § 118 I 3 ZPO und § 492 III ZPO anzusehen.15
12
10 KG FamRZ 2010, 1596. 11 BGHZ 185, 124, 127 (Tz 11ff) = NJW 2010, 1883 = IPRax 2012, 72 (dazu Bittmann, S 62). 12 Vgl MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 3 Rz 2ff. 13 Rauscher/Pabst (2010) Art 3 EuVollstrTitelVO Rz 6–17; Bittmann, S 36. 14 Kropholler/v. Hein Art 4 EuVTVO Rz 8; MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 3 Rz 23, Art 4 Rz 10, Art 24 Rz 2ff. 15 Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 456.
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Europäische Vollstreckungstitel
13
Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, bei denen das Verhalten des Schuldners als stillschweigendes Nichtbestreiten zu bewerten ist. Als Fall, bei dem der Schuldner zu keiner Zeit der Forderung widersprochen hat, ist im deutschen Recht der Vollstreckungsbescheid nach § 699 ZPO anzusehen.16 Als Fall anfänglichen Bestreitens, das aber im Laufe des Verfahrens entfällt, sind die Fälle der §§ 331, 333 ZPO anzusehen, wenn gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil ergeht, weil er der Verhandlung fern bleibt bzw sich nicht wirksam anwaltlich vertreten lässt.17 Erfasst ist auch das Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 III iVm § 276 I 1 ZPO sowie das zweite Versäumnisurteil nach § 345 ZPO.18 Unsubstantiiertes Bestreiten genügt als „Widerspruch“.19
14
Legt der Schuldner gegen ein streitiges Urteil Berufung ein und wird seine Berufung durch Versäumnisurteil zurückgewiesen (§ 539 I ZPO), bleibt das streitige Urteil bestehen; eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist ausgeschlossen. Ergeht dagegen gegen den Berufungsbeklagten ein Versäumnisurteil (§ 539 II ZPO), so liegt ein Fall eines nachträglichen Nichtbestreitens vor; das Versäumnisurteil kann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden.20
15
Notwendig ist ein Titel über eine bestimmte (fällige) Geldsumme (Art 4 Nr 2 EuVTVO). Bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen (Unterhalt) genügt ein fester künftiger Fälligkeitstag.21 Damit auch dynamische Unterhaltstitel als Europäischer Vollstreckungstitel ausgefertigt werden können, können sie auf Antrag nach § 245 FamFG beziffert werden.22 Eine nur Zug-um-Zug zu erfüllende Geldforderung genügt nicht, da die Forderung einredebehaftet und in diesem Sinne nicht uneingeschränkt fällig ist.23
16
Kann der Titel über die Hauptforderung als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, so wird auch der Titel über die Höhe der zu erstattenden Kosten als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, es sei denn, der Schuldner hat der Pflicht zum Kostenersatz ausdrücklich widersprochen (Art 7 EuVTVO).
17
Der Ordnungsmittelanspruch nach § 890 ZPO ist ebenfalls als Geldforderung iS des Art 4 Nr 2 EuVTVO anzusehen.24 16 Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 24; Rauscher/Pabst (2010) Art 3 Eu-VollstrTitelVO Rz 27. Der vorausgehende Mahnbescheid (§ 692 ZPO) ist noch kein Vollstreckungstitel. 17 Hüßtege, FS Jayme, S 371, 373. 18 Kropholler/v. Hein, Art 3 EuVTVO Rz 9; zweifelnd MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 3 Rz 9. 19 Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer, S 399, 405. 20 Kropholler/v. Hein, Art 3 EuVTVO Rz 8, 9; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 26. 21 Kropholler/v. Hein, Art 4 EuVTVO Rz 5; Rauscher/Pabst (2010) Art 4 Eu-VollstrTitelVO Rz 15; MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 4 Rz 21. 22 Wagner IPRax 2005, 401, 409; Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 403. 23 Kropholler/v. Hein, Art 4 EuVTVO Rz 5; Rauscher/Pabst (2010) Art 4 EuVollstrTitelVO Rz 8. 24 BGHZ 185, 124, 129f (Tz 15ff) = NJW 2010, 1883.
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c) Voraussetzungen für eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel Die weiteren Voraussetzungen für eine Bestätigung als Europäischer Vollstre- 18 ckungstitel regeln die Art 6 I, 9, 24, 25 EuVTVO. (1) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel erfolgt nur auf Antrag (Art 6 I EuVTVO). Der Antrag kann jederzeit und daher schon im verfahrenseinleitenden Schriftsatz gestellt werden.25 (2) Erforderlich ist zunächst, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat voll- 19 streckbar ist (Art 6 I lit a EuVTVO). Entgegen ursprünglichen Entwürfen bedarf der Titel nicht der Rechtskraft; wie nach der EuGVO können auch vorläufig vollstreckbare Entscheidungen als Europäischer Vollstreckungstitel ausgefertigt werden.26 Die Bestätigung gilt nur, so lange die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat besteht (Art 11 EuVTVO). (3) Weiter darf die Entscheidung nicht im Widerspruch zu den Zuständigkeits- 20 regeln der Art 8 bis 14 und 22 EuGVO stehen, dh nicht den Zuständigkeitsregeln für Versicherungssachen und ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art 22 EuGVO widersprechen. Das Gericht darf also seine internationale Zuständigkeit nicht unter Verletzung der entsprechenden Normen bejaht haben. Ein Verstoß gegen andere zwingende Schutzregeln der EuGVO schließt die Ausfertigung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht aus.27 Dies ist freilich konsequent, da ein solcher Verstoß auch eine Vollstreckbarerklärung nicht hindert. Sofern kein Verstoß gegen eine zwingende Zuständigkeitsregel vorliegt, kann auch ein in einer reinen Inlandssache ergangener Titel als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden.28 (4) Im Fall eines konkludenten oder stillschweigenden Nichtbestreitens (Art 3 21 I lit b oder c EuVTVO) muss das Verfahren den Voraussetzungen der Art 12ff EuVTVO entsprochen haben.29 Dadurch soll sichergestellt werden, dass dem Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt worden ist, so dass er sich hätte verteidigen können. (5) Zum Schutz des Verbrauchers muss die Entscheidung in dem Mitglieds- 22 staat ergangen sein, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz iS von Art 59, 60 EuGVO hat, sofern die Entscheidung nur auf einem Nichtbestreiten des Schuldners beruht oder die Forderung einen Vertrag betrifft, den ein Verbraucher geschlossen hat, oder wenn der Schuldner Verbraucher ist (Art 6 I lit d
25 BGHZ 185, 124, 130 (Tz 17) = NJW 2010, 1883; Rauscher/Pabst (2010) Art 4 EuVollstrTitelVO Rz 3. 26 Kropholler/v. Hein, Art 6 EuVTVO Rz 5; S. Gerling, S 80f; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 48. 27 Krit S. Gerling, S 83ff. 28 Burgstaller/Neumayr ÖJZ 2006, 179, 181. 29 Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 54; Bittmann, S 60ff.
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Europäische Vollstreckungstitel
EuVTVO). Dadurch soll gesichert werden, dass Art 16 II EuGVO beachtet wird.30
d) Mindestvorschriften für das Verfahren 23
Schließlich müssen im Ursprungsstaat Mindestvorschriften für das Verfahren eingehalten worden sein. Bei Entscheidungen, die auf dem vermuteten Nichtbestreiten durch den Schuldner beruhen (Art 12 EuVTVO), muss das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Schuldner in einer den Anforderungen der Art 13 bis 15 EuVTVO genügenden Weise zugestellt worden sein. Diese Zustellungsanforderungen gelten für grenzüberschreitende und innerstaatliche Zustellungen gleichermaßen.31
24
(1) Zulässig sind nach Art 13 EuVTVO Zustellungen mit Empfangsbestätigung, durch die nachgewiesen wird, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Schuldner (oder gem Art 15 EuVTVO seinem gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter)32 zugestellt worden ist. Aufgelistet werden (a) die persönliche Zustellung mit Empfangsbestätigung des Schuldners, (b) die persönliche Zustellung mit Protokollierung durch die Zustellungsperson, (c) die postalische Zustellung mit Rücksendung einer Empfangsbestätigung durch den Schuldner, und (d) die elektronische Zustellung mit Rücksendung einer Empfangsbestätigung. Eine Ladung zu einer Verhandlung, die nicht mit einer Klagezustellung verbunden ist, kann in gleicher Weise zugestellt werden; es genügt nach Art 13 II EuVTVO aber, dass sie dem Schuldner mündlich in einer Verhandlung, an der er teilgenommen hat, bekannt gemacht wurde, sofern dies im Protokoll festgehalten ist.
25
(2) Zulässig sind nach Art 14 EuVTVO auch Zustellungen ohne Empfangsnachweis, bei denen der Empfang aber in hohem Maße wahrscheinlich ist. Erfasst sind die üblichen (dem deutschen Recht bekannten) Formen der Ersatzzustellung, (a) die Zustellung an eine in der Wohnung des Schuldners lebende33 oder dort beschäftigte Person, (b) die Zustellung in den Geschäftsräumen des Schuldners (selbständige oder juristische Person) an eine dort beschäftigte Person,
30 Vgl Rauscher/Pabst (2010) Art 6 EGVollstrTitelVO Rz 31ff; MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 6 Rz 19ff; krit Schütze, IZPR, Rz 309, 310; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 56. 31 Kropholler/v. Hein, Art 12 EuVTVO Rz 4; Coester-Waltjen, FS Beys, S 183, 188; vgl C. Klumpp, Zustellungsformen, 2009. 32 Wer Vertreter ist, ist nach dem IPR der lex fori zu bestimmen, Gebauer/Wiedmann/ Bittmann Kap 28 Rz 122. 33 MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 14 Rz 3ff.
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Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen
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(c) die Hinterlegung im Briefkasten des Schuldners,34 (d) die Hinterlegung beim Postamt oder der zuständigen Behörde unter konkreter schriftlicher Benachrichtigung im Briefkasten mit Hinweis auf die eintretenden Zustellungswirkungen. In diesen Fällen muss die Zustellung durch die Zustellungsperson konkret bescheinigt worden sein (Art 14 III EuVTVO). Schließlich genügen
26
(e) die einfache postalische Zustellung ohne Empfangsbescheinigung, wenn der Schuldner seine Anschrift im Ursprungsmitgliedsstaat (dem Gerichtsstaat) hat (Art 14 I lit e), und (f) die elektronische Zustellung mit automatisch erstellter Sendebestätigung, wenn der Schuldner mit dieser Art Zustellung vorab ausdrücklich einverstanden war (Art 14 I lit f). Bei einem Fax genügt das Sendeprotokoll des Absendegerätes, bei einer E-Mail eine Bestätigung des Ausgangsservers des Providers des Absenders.35 Das Einverständnis kann zwar vorab generell erklärt werden, da es aber ausdrücklich erklärt werden muss, genügt die bloße Mitteilung einer E-Mail-Adresse nicht. Unzulässig sind die Zustellungsformen des Art 14 I EuVTVO, wenn die An- 27 schrift des Schuldners nicht sicher ermittelt werden kann (Art 14 II EuVTVO). Erst recht sind danach alle fiktiven Zustellungsformen bei unbekannter Anschrift des Schuldners, aber auch die remise au parquet, ausgeschlossen. Wurde in dieser Weise zugestellt, kann der Titel nicht als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden.36 Damit der Schuldner sachgerecht über eine eventuelle Verteidigung entschei- 28 den kann, muss ihn das zugestellte verfahrenseinleitende Schriftstück über alle Essentialia der eingeklagten Forderung (Parteien, Höhe und Grund der Forderung, Höhe und Zeitraum der Zinsen) unterrichten (Art 16 EuVTVO). Zusätzlich muss dem Schuldner zusammen mit dem verfahrenseinleitenden 29 Schriftstück oder einer Ladung zu einer Gerichtsverhandlung eine Belehrung darüber zugestellt worden sein, (1) in welcher Form und Frist und bei welcher Stelle er die Forderung bestreiten kann und ob dafür Anwaltszwang besteht, (2) welche Folgen ein Nichtbestreiten bzw Nichterscheinen für ihn im Hinblick auf die gerichtliche Entscheidung, ihre Vollstreckung und die Pflicht zum Kostenersatz hat (Art 17 EuVTVO). Die §§ 215, 276 II, 338, 499 ZPO sind rechtzeitig an diese Belehrungspflichten angepasst worden. Die Belehrung in der Ladung gem § 215 ZPO muss sich nicht darauf erstrecken, dass ein zweites Versäumnisurteil nur (eingeschränkt) mit Berufung angefochten werden
34 MüKo/Adolphsen, EuVollstrTitelVO Rz 9; krit. S. Gerling, S 103. 35 Kropholler/v. Hein Art 14 EuVTVO Rz 24; Rauscher/Pabst (2010) Art 14 EGVollstrTitelVO Rz 27; MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 14 Rz 11. 36 EuGH (15.3.2012, C-292/10, G v de Visser) (Tz 63ff) EuZW 2012, 381 (Bach); Kropholler/v. Hein Art 14 EuVTVO Rz 26; MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrtTitelVO Art 14 Rz 12; Stadler IPRax 2004, 2, 6.
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§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
kann.37 Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Belehrung über die Einspruchsmöglichkeit hindert aber nicht die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel.38 30
Nicht angepasst wurde dagegen das Verfahren zur Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO, so dass dieses den Anforderungen der EuVTVO derzeit nicht genügt.39
e) Heilung von Zustellungsmängeln 31
Verstöße gegen die Art 13 bis 17 EuVTVO bei der Zustellung der Klage bzw der ersten Ladung werden nach Art 18 I EuVTVO geheilt, wenn (1) die Entscheidung selbst dem Schuldner gem Art 13 oder 14 EuVTVO zugestellt wurde, (2) der Schuldner gegen die Entscheidung einen zur umfassenden Überprüfung führenden Rechtsbehelf (wie den deutschen Einspruch, §§ 338ff ZPO) einlegen konnte und darüber (in Deutschland gem § 215 I ZPO) konkret belehrt wurde, und (3) er es versäumt hat, diesen Rechtsbehelf einzulegen.40
32
Verstöße gegen die Art 13 oder 14 werden außerdem geheilt, wenn sich der Schuldner am Verfahren beteiligt und dadurch nachgewiesen wird, dass er das zuzustellende Schriftstück so rechtzeitig persönlich erhalten hat, dass er sich verteidigen konnte (Art 18 II EuVTVO). Das entspricht in etwa Art 34 Nr 2 EuGVO. Verstöße gegen Belehrungsmängel nach Art 16 und 17 EuVTVO werden dagegen nicht geheilt.41
33
Ist der Zustellungsmangel geheilt, kann die Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden. Das Vorliegen der einzelnen Heilungsvoraussetzungen muss in dem Bestätigungsformular angegeben werden.
f) Rechtsbehelf bei schuldloser Nichtverteidigung 34
Schließlich sichert Art 19 I EuVTVO einen weiteren prozessualen Mindeststandard. Ist dem Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück bzw die Ladung gem Art 14 EuVTVO nicht persönlich zugestellt worden und konnte er sich infolgedessen ohne sein Verschulden nicht (rechtzeitig) verteidigen oder war er infolge höherer Gewalt oder sonstiger außergewöhnlicher Umstände an einer Verteidigung gehindert, so kann die ergangene Entscheidung nur dann das Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn das Recht des Ursprungsstaats dem Schuldner für diese Fälle einen Rechtsbehelf zur Verfügung stellt und er diesen nicht (unverzüglich) genutzt hat.42
37 38 39 40
BGH MDR 2010, 1340 = FamRZ 2010, 1977 (LS). BGH NJW 2011, 522, 524 (Tz 21 ff) = FamRZ 2011, 362. BGHZ 185, 124, 132 (Tz 22) = NJW 2010, 1883. Vgl Hüßtege, in: Gottwald, S 113, 131; MüKo/Adolphsen, §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Rz 5ff; Bittmann, S 63ff; Giebel IPRax 2011, 529, 533. 41 BGHZ 185, 124, 132 (Tz 22) = NJW 2010, 1883; MüKo/Adolphsen, §§ 1079 ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 18 Rz 9; aA Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 140. 42 Bittmann, S 67ff.
666
Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen
§ 14
Das Recht des Ursprungsstaats muss diesen Rechtsbehelf generell zur Ver- 35 fügung stellen, unabhängig davon, ob der Schuldner konkret in seiner Verteidigung behindert war.43 Außerdem muss der Rechtsbehelf zu einer umfassenden Überprüfung der Entscheidung führen.44 Im deutschen Recht genügen der Einspruch gegen Versäumnisurteil bzw Voll- 36 streckungsbescheid (§§ 338, 700 ZPO), der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil (§ 345 ZPO) sowie die ergänzende Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei schuldloser Fristversäumung (§§ 233ff ZPO) diesen Anforderungen.45
g) Bestätigung deutscher Titel Zuständig für die Bestätigung deutscher Titel sind die Gerichte, Behörden oder 37 Notare, die deren vollstreckbare Ausfertigung erteilen (§ 1079 ZPO). Bei Gericht wird die Bestätigung vom Rechtspfleger (§ 20 Nr 11 RPflG),46 bei notariellen Urkunden vom Notar, bei anderen öffentlichen Urkunden von der ausstellenden Behörde erteilt.47 Die Bestätigungen werden in Deutschland ohne Anhörung des Schuldners ausgestellt (§ 1080 I 1 ZPO); eine Ausfertigung der Bestätigung wird dem Schuldner von Amts wegen zugestellt (§ 1080 I 2 ZPO).48
38
Wird der Antrag des Gläubigers auf Erteilung der Bestätigung zurückgewiesen, 39 kann er dagegen sofortige Beschwerde (§ 567 ZPO) bzw Beschwerde nach § 54 BeurkG einlegen (vgl § 1080 II ZPO).49 Dem Schuldner steht gegen die Ausstellung der Bestätigung kein Rechtsbehelf zu (Art 10 IV EuVTVO).50
h) Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel Auf Antrag kann das Gericht des Ursprungsstaats bzw die Stelle, die den Titel 40 geschaffen hat, die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel berichtigen oder widerrufen (Art 10 EuVTVO). Eine Berichtigung erfolgt, wenn Entscheidung und Bestätigung voneinander abweichen. Art 10 I lit a EuVTVO verlangt eine Abweichung aufgrund eines „materiellen Fehlers“. Tatsächlich kann aber nur eine offenbare Unrichtigkeit i S des § 319 ZPO gemeint sein.51
43 Kropholler/v. Hein, Art 19 EuVTVO Rz 5; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 148. 44 Kropholler/v. Hein Art 19 EuVTVO Rz 3. 45 Kropholler/v. Hein Art 19 EuVTVO Rz 11; MüKo/Adolphsen, §§ 1079 ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 19 Rz 9f; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 154. 46 Wagner IPRax 2005, 401, 403; Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 397; Bittmann, S 91. 47 Vgl Franzmann MittBayNot 2005, 470; MüKo/Adolphsen, § 1079 ZPO Rz 15. 48 Bittmann, S 115ff. 49 MüKo/Adolphsen, § 1080 ZPO Rz 7f; Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 400. 50 Bittmann, S 122ff. 51 Kropholler/v. Hein Art 10 EuVTVO Rz 4; vgl MüKo/Adolphsen §§ 1079ff ZPO Anh EuVollstrTitelVO Art 10 Rz 4; Wagner IPRax 2005, 401, 403.
667
§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
41
Ein Widerruf findet statt, wenn das Gericht die Bestätigung zu Unrecht erteilt hat, weil ihre Voraussetzungen „eindeutig“ nicht vorliegen. Mehr als eine Beweislastregel sollte dieser Formulierung aber nicht entnommen werden.52 In Deutschland kann der Widerruf nur befristet, innerhalb eines bzw zweier Monaten nach Zustellung an den Schuldner beantragt werden. Dabei sind die Gründe anzugeben, warum die Bestätigung zu Unrecht erteilt wurde (§ 1081 II ZPO).53
42
In Deutschland entscheidet (wie im Fall des § 319 ZPO) das Gericht, das die Bestätigung erteilt hat (§ 1081 ZPO), durch den Rechtspfleger (§ 20 Nr 11 RPflG).54 Lehnt der Rechtspfleger die Berichtigung oder den Widerruf ab, kann befristete Erinnerung an den Richter eingelegt werden (§ 11 II RPflG).55 Über den Antrag auf Berichtigung oder Widerruf hinaus gibt es gegen die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel keinen Rechtsbehelf.56
3. Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit 43
Entfällt die Vollstreckbarkeit des Titels (zB durch Aufhebung im Rechtsmittelverfahren) oder wird sie eingeschränkt, so stellt das Gericht des Ursprungstaats auf jederzeitigen Antrag auf einem Formblatt eine Bestätigung über die Nichtvollstreckbarkeit bzw die Beschränkung der Vollstreckbarkeit aus (Art 6 II EuVTVO). In Deutschland führt die Vorlage dieser Bescheinigung zur Einstellung bzw Aufhebung der Zwangsvollstreckung nach §§ 775, 776 BGB.57
4. Vollstreckung des Europäischen Vollstreckungstitels a) Keine Vollstreckbarerklärung 44
Nach Art 20 I 2 EuVTVO wird der Europäische Vollstreckungstitel in allen EUStaaten (außer Dänemark) wie ein im Vollstreckungsstaat erlassener Titel vollstreckt. Nach Art 5 EuVTVO bedarf es keiner Vollstreckbarerklärung. Nach § 1082 ZPO bedarf es in Deutschland keiner Vollstreckungsklausel.
b) Vorzulegende Urkunden 45
Der Gläubiger muss dem Vollstreckungsorgan aber Ausfertigungen der Entscheidung und der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel sowie, falls erforderlich, eine Übersetzung der Bestätigung (nicht des Titels) in die 52 Vgl Kropholler/v. Hein Art 10 EuVTVO Rz 7; für weite Auslegung Rauscher/Pabst (2010), Art 10 EG-VollstrTitelVO Rz 15ff. 53 Vgl. Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 90. 54 Vgl Wagner IPRax 2005, 401, 404; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 86; Bittmann, S 123ff. 55 Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 401, Rauscher/Pabst Art 10 EG-VollstrTitelVO Rz 29; MüKo/Adolphsen, § 1081 ZPO Rz 7; Bittmann, S 135ff. 56 Kropholler/v. Hein Art 10 EuVTVO Rz 10; Rauscher/Pabst Art 10 Rz 1ff. 57 Rauscher/Pabst (2010) Art 6 EG-VollstrTitelVO Rz 51, Art 20 Rz 32.
668
Der Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen
§ 14
Sprache des Vollstreckungsstaats vorlegen (Art 20 II EuVTVO; § 1083 ZPO).58 Von dem Gläubiger eines Europäischen Vollstreckungstitels darf weder wegen seiner Ausländereigenschaft noch wegen seines fehlenden Inlandswohnsitzes oder -aufenthalts eine Sicherheitsleistung verlangt werden (Art 20 III EuVTVO). Ein Nachweis für die Zustellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel braucht für die Einleitung der Zwangsvollstreckung nicht vorgelegt zu werden.59
c) Vollstreckung nach nationalem Recht Die Voraussetzungen und die Durchführung der Zwangsvollstreckung richten 46 sich ansonsten nach nationalem Recht (Art 20 I 2 EuVTVO). Das nationale Recht regelt auch die Rechtsbehelfe gegenüber einer Vollstreckung. Auch ein Europäischer Vollstreckungstitel ist notfalls vom Vollstreckungsorgan auszulegen, etwa dahin, wer Gläubiger und Schuldner sein soll (§ 750 I 1 ZPO). Aus einem gegen eine (nicht existierende) GmbH gerichteten Titel kann daher nicht gegen den tatsächlichen Schuldner vollstreckt werden.60
47
d) Verweigerung der Vollstreckung wegen Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung In Anlehnung an Art 34 Nr 3, 4 EuGVO sieht Art 21 I EuVTVO vor, dass die 48 Vollstreckung eines Europäischen Vollstreckungstitels wegen einer früheren, damit unvereinbaren Entscheidung zwischen den Parteien über denselben Streitgegenstand verweigert werden kann. Die frühere Entscheidung muss im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen oder doch dort anerkennungsfähig sein; sie kann auch aus einem Drittstaat stammen.61 Erforderlich ist weiter, dass die Unvereinbarkeit noch nicht geltend gemacht worden ist und auch nicht früher hätte geltend gemacht werden können.62 Ein Antrag auf Verweigerung der Vollstreckung ist nach § 1084 I ZPO beim 49 Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zu stellen.63 Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 1084 II ZPO), gegen den sofortige Beschwerde statthaft ist.64 Zuvor kann es die Zwangsvollstreckung auch einstweilen einstellen oder Sicherheitsleistung anordnen (§§ 1084 II 2, 769, 770 ZPO).
58 Vgl MüKo/Adolphsen § 1083 Rz 1; Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 401; Rauscher/ Pabst Art 20 EG-VollstrTitelVO Rz 7ff; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 164; Bittmann, S 145f. 59 Strasser Rpfleger 2007, 249, 251; Rauscher/Pabst Art 20 EG-VollstrTitelVO Rz 31. 60 BGH NJW 2010, 2137, 2138. 61 Kropholler/v. Hein Art 21 EuVTVO Rz 5; Rauscher/Pabst (2010) Art 21 EG-VollstrTitelVO Rz 5ff; Bittmann S 168, 174f. 62 Für Erweiterung des Art 21 EuVTVO um einen ordre public-Einwand s Gerling, S 245. 63 Vgl Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 402; Rauscher/Pabst Art 21 EG-VollstrTitelVO Rz 11ff. 64 Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 171.
669
§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
e) Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung 50
Das Vollstreckungsgericht ist auch zuständig, um über Anträge auf Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung zu entscheiden (§ 1084 I ZPO), weil (1) im Ursprungsstaat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt wurde, der als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, oder (2) weil eine Berichtigung oder ein Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach Art 10 EuVTVO beantragt wurde (Art 23 EuVTVO). Das Vollstreckungsgericht kann dann nach seinem Ermessen65 (1) die Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen beschränken, (2) eine Sicherheitsleistung anordnen oder (3) das Vollstreckungsverfahren (nur im Ausnahmefall) aussetzen.
51
Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbare einstweilige Anordnung, § 1084 III ZPO.
f) Vollstreckungsabwehrklage Schrifttum: B. Gsell, Die Geltendmachung nachträglicher materieller Einwendungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage bei Titeln aus dem Europäischen Mahn- oder Bagatellverfahren, EuZW 2011, 87.
52
Auch der Europäische Vollstreckungstitel unterliegt der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO (§ 1086 ZPO). Zwar darf der Titel nach Art 21 II EuVTVO, Art 19 EuMahnVO, Art 20 I EuGFVO im Vollstreckungsstaat nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden. Mit der Vollstreckungsabwehrklage können aber nach § 767 II ZPO nachträglich entstandene Einwendungen vorgebracht werden, die der Richter des Ursprungsstaats nicht berücksichtigen konnte.66 Die anfängliche ordre public-Widrigkeit des Titels kann daher nicht geltend gemacht werden.67
53
Die internationale Zuständigkeit hierfür kann sich auf Art 22 Nr 5 EuGVO stützen.68 Örtlich zuständig ist nach § 1086 I ZPO das Gericht am Wohnsitz des Schuldners, hilfsweise das Gericht des Vollstreckungsortes.
54
Problematisch ist die Zulassung der Vollstreckungsabwehrklage allerdings gegenüber nichtrechtskraftfähigen Titeln wie Prozessvergleichen und öffentlichen Urkunden, bei denen keine Rechtskraftpräklusion besteht und infolgedessen gegen entsprechende inländische Titel auch anfängliche Einwendungen
65 Kropholler/v. Hein Art 23 EuVTVO Rz 6; Rauscher/Pabst Art 23 EG-VollstrTitelVO Rz 5f, MüKo/Adolphsen, § 1084 ZPO Rz 5; Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 28 Rz 178; vgl Wagner IPRax 2005, 401, 404; Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 403. Zur Beachtung von Art 6 EMRK s Burgstaller/Neumayr ÖJZ 2006, 179, 189f. 66 Wagner IPRax 2005, 401, 407f; S. Gerling S 132ff, 143; Bittmann, S 184ff; M. Stürner, FS Simotta, 2012, S 587, 593; MüKo/Adolphsen, § 1086 ZPO Rz 1; Rauscher/Pabst Art 20 EG-VollstrTitelVO Rz 36; krit Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 461. 67 Kropholler/v. Hein Art 20 EuVTVO Rz 13. 68 Gsell EuZW 2011, 87, 90.
670
Vollstreckungstitel nach der Neufassung der EuGVO
§ 14
vorgebracht werden können.69 Damit Art 21 II EuVTVO für diese Titel nicht dadurch unterlaufen werden kann, hat der deutsche Gesetzgeber in §§ 1086 II, 1096 II 2, 1109 II ZPO eine entsprechende Anwendung von § 767 II ZPO angeordnet. Die Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Europäischen Vollstreckungstitel kann also auch bei einem Prozessvergleich oder einer vollstreckbaren Urkunde nur auf nachträglich entstandene Einwendungen gestützt werden.70
III. Vollstreckungstitel nach der Neufassung der EuGVO 1. Schrifttum R. Arenas Garcia, Abolition of exequatur: problems and solutions, Yearbook PIL 12 (2010), 351; Cuniberti/Rueda, Abolition of exequatur, RabelsZ 75 (2011), 286; Oberhammer, The abolition of exequatur, IPRax 2010, 197; M. Pohl, Die Neufassung der EuGVVO – im Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Kontrolle, IPRax 2013, 109; Schack, The misguided abolition of exequatur proceedings in the European Union, FS Erecin´ski, 2011, S 1345; L. Timmer, Abolition of Exequatur under the Brussels I Regulation: Ill conceived and premature?, JPIL 9 (2013), 129; Wagner/Beckmann, Beibehaltung oder Abschaffung des Vollstreckbarkeitserklärungsverfahrens in der EuGVVO?, RIW 2011, 44.
55
2. Umfassende Abschaffung des Exequaturverfahrens Die neugefasste EuGVO (VO (EU) Nr 1215/2012 v 12.12.201271 verzichtet ent- 56 sprechend den Plänen der Kommission ganz auf das Verfahren der Vollstreckbarerklärung. Nach Erwägungsgrund 26 S 2 und Art 39 EuGVO nF ist eine in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, die dort vollstreckbar ist, auch in allen anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedürfte (Art 39 EuGVO nF). Gleiches gilt auch für öffentliche Urkunden und für gerichtliche Vergleiche, 57 die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind (Art 58, 59 EuGVO nF). Über die vollstreckbare Verpflichtung wird dem Gläubiger im Ursprungstaat eine Bescheinigung auf einem Formblatt ausgestellt (Art 60 EuGVO nF). Als Folge der Vollstreckbarkeit ex lege hat der Gläubiger nach der Neufassung 58 der EuGVO dieselben Befugnisse, die er nach der bisherigen Fassung nach der Vollstreckbarerklärung hat. Für die Vollstreckung selbst gilt wie bisher das Recht des Vollstreckungsstaats 59 (Art 41 I nF); dies gilt auch für eventuelle Aussetzungs- und Verweigerungsgründe (Art 41 II EuGVO nF). Anders als bisher darf nicht mehr gefordert werden, dass der Vollstreckungsgläubiger im Vollstreckungsstaat über eine Postanschrift verfügt. Auch zur Bestellung eines bevollmächtigten Vertreters ist der Gläubiger nicht mehr verpflichtet, es sei denn, ein solcher Vertreter ist 69 Vgl MüKo/K. Schmidt § 767 ZPO Rz 75; Zöller/Herget, § 767 ZPO Rz 20. 70 Kropholler/v. Hein Art 24 EuVTVO Rz 12, Art 25 EuVTVO Rz 11; Rauscher/Pabst Art 24 EG-VollstrTitelVO Rz 23, Art 25 Rz 23. 71 ABl EU Nr L 351/1 v 20.12.2012.
671
§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
nach dem Recht des Vollstreckungsstaats unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz der Parteien vorgeschrieben (Art 41 III EuGVO nF). 60
Zur Betreibung der Vollstreckung muss der Antragsteller (1) eine Ausfertigung der zu vollstreckenden Entscheidung und (2) eine gem Art 53 nF ausgestellte (formblattmäßige) Bescheinigung vorlegen, in der bestätigt wird, dass die Entscheidung vollstreckbar ist oder unter welchen Voraussetzungen sie vollstreckbar wird (Art 42 I EuGVO nF). Die Bescheinigung ist dem Schuldner vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme zuzustellen; sofern noch nicht zugestellt, wird die zu vollstreckende Entscheidung dieser Zustellung beigefügt (Art 43 I EuGVO nF).
61
Der Schuldner kann außerdem verlangen, dass die Entscheidung in einer Sprache vorgelegt wird, die er versteht oder die der Amtssprache seines Wohnsitzstaats entspricht. Vor Vorlage dieser Übersetzung darf die Vollstreckung nicht über Sicherungsmaßnahmen hinausgehen (Art 43 II Unterabs 2 EuGVO nF), sofern die Entscheidung selbst dem Schuldner nicht in einer dieser Sprachen oder in einer entsprechenden Übersetzung zugestellt wurde (Art 43 III EuGVO nF).
62
Enthält eine vollstreckbare Entscheidung eine Maßnahme oder Anordnung, die im Vollstreckungsstaat unbekannt ist, so ist diese dort soweit möglich an eine dort bekannte Maßnahme mit vergleichbaren Zielen und Wirkungen anzupassen (Art 54 I EuGVO nF). Eine solche Anpassung kann jeder Beteiligte anfechten (Art 54 III EuGVO nF). Wer dafür zuständig ist, ist in der EuGVO nF nicht bestimmt.
3. Einwände gegen die Vollstreckung im Vollstreckungsstaat 63
Während nach der ursprünglichen Konzeption der Kommission mit dem Exequaturverfahren auch sämtliche Einwendungen gegen die Entscheidung im Vollstreckungsstaat ausgeschlossen werden sollten, hat sich im Laufe der rechtspolitischen Diskussion die Meinung durchgesetzt, dass eine solche radikale Lösung den berechtigten Rechtschutzbelangen des Titelschuldners nicht gerecht würde. Nach der Neufassung der EuGVO kann der Titelschuldner beantragen, dass die Vollstreckung aus einem der Gründe des Art 45 versagt wird (Art 46 EuGVO nF). Dies sind sämtliche bisher in Art 34 EuGVO aF vorgesehenen Anerkennungsversagungsgründe72 (s o § 12 Rz 32ff). Über das bisherige Recht hinaus kann auch ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregeln in Arbeitsvertragssachen gerügt werden (Art 45 I lit e [i] EuGVO nF).
64
Im Einzelnen kann die Versagung der Vollstreckung beantragt werden, wenn a) die Anerkennung dem ordre public des Vollstreckungsstaats offensichtlich widersprechen würde (Art 45 I lit a) (s o § 12 Rz 32ff), b) dem Beklagten bei der Verfahrenseinleitung im Ursprungsstaat das rechtliche Gehör nicht hinreichend gewährt wurde, es sei denn, er hat gegen die 72 Vgl Pohl IPRax 2013, 109, 113.
672
Vollstreckungstitel nach der Neufassung der EuGVO
§ 14
Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte (Art 45 I lit b) (s o § 12 Rz 44ff), c) wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung zwischen denselben Parteien unvereinbar ist, die im Vollstreckungsstaat ergangen ist (Art 45 I lit c) (s o § 12 Rz 69ff), d) wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs unvereinbar ist, die im Vollstreckungsstaat anzuerkennen ist (Art 45 I lit d) (s o § 12 Rz 73ff), e) wenn die Entscheidung unvereinbar ist mit den zwingenden Regeln über die internationale Zuständigkeit zum Schutz von Versicherungsnehmern, Versicherten, Geschädigten oder Begünstigten eines Versicherungsvertrags, von Verbrauchern oder individuellen Arbeitnehmern, oder wenn die Regeln über die ausschließliche Zuständigkeiten in Art 24 (nF) verletzt sind (Art 45 I lit e). Wie bisher ist das Gericht bei Prüfung, ob die Zuständigkeiten gewahrt sind, an die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts des Ursprungsstaats gebunden (Art 45 II nF) (s o § 12 Rz 80).
65
Soweit kein Fall des Art 45 I lit e vorliegt, darf die Zuständigkeit des Ur- 66 sprungsgerichts nicht überprüft werden; Fehler dürfen auch nicht als ordre public-Verstöße gewertet werden (Art 45 III EuGVO nF). Schließlich ist der Antrag auf Versagung der Anerkennung gem Art 45 IV EuG- 67 VO nF im Verfahren nach den Art 46 ff, 52ff EuGVO nF zu stellen. Beantragt der Schuldner die Versagung der Vollstreckung, kann das Gericht des Vollstreckungsstaats auf Antrag des Schuldners
68
(1) das Vollstreckungsverfahren auf Sicherheitsmaßnahmen beschränken, (2) die Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, und (3) das Vollstreckungsverfahren ganz oder teilweise aussetzen (Art 44 I EuGVO nF). Ist die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat ausgesetzt worden, ist das Vollstre- 69 ckungsverfahren auf Antrag des Schuldners zwingend auszusetzen (Art 44 II EuGVO nF).
4. Vollstreckungsabwehrklage Sachliche Einwendungen gegen die Entscheidung können nicht unmittelbar 70 als Einwand gegen die Vollstreckung geltend gemacht werden (s u § 15 Rz 28); für sie steht in Deutschland nur die besondere Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zur Verfügung. Solche Einwände können zudem nach § 767 II ZPO nur vorgebracht werden, wenn sie nicht durch die Rechtskraft der zu vollstreckenden Entscheidung präkludiert sind; sie müssen also nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung des Ausgangsverfahrens entstanden sein. 673
§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
IV. Entscheidungen des Einheitlichen Patentgerichts 71
Die Entscheidungen des (künftigen) Einheitlichen Patentgerichts (s o § 1 Rz 82) sind in jedem Vertragsstaat des EPGÜ unter denselben Voraussetzungen wie inländische Entscheidungen vollstreckbar (E Art 82 I, III EPGÜ). Sie stehen damit praktisch europäischen Vollstreckungstiteln gleich.
V. Der Europäische Zahlungsbefehl 1. Schrifttum 72
Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 34, 2. Aufl 2010, S 2001; Freitag, Rechtsschutz des Schuldners gegen den Europäischen Zahlungsbefehl nach der EuMahnVO, IPRax 2007, 509; B. Gsell, Die Geltendmachung nachträglicher Einwendungen … bei Titeln aus dem Europäischen Mahn- oder Bagatellverfahren, EuZW 2011, 87; Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahren und eines Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen, IPRax 2008, 305; J. Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, 2007; Kropholler/v. Hein, Europäisches ZPR, 9. Aufl 2011, S 901; N. Preuß, Erlass und Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls, ZZP 122 (2009), 3; Rauscher/Gruber, EuZPR/EuIPR, Bearb 2010, Teil A I 4, S 267.
2. Der Zahlungsbefehl als Vollstreckungstitel 73
Ebenfalls ohne Vollstreckbarerklärung ist der Europäische Zahlungsbefehl (Art 19 EuMahnVO) vollstreckbar,73 wenn er zuvor vom zuständigen Gericht – wenn kein Einspruch eingelegt wurde – auf dem Formblatt G für vollstreckbar erklärt wurde (Art 18 EuMahnVO). Nach § 1093 ZPO bedarf der Europäische Zahlungsbefehl dann keiner zusätzlichen Vollstreckungsklausel.74
3. Überprüfung des Zahlungsbefehls im Ursprungstaat 74
Nutzt der Antragsgegner die Einspruchsfrist des Art 16 II EuMahnVO nicht, so wird der Europäische Zahlungsbefehl bestandskräftig. Wie ein rechtskräftiges Urteil kann er nur noch ausnahmsweise überprüft werden.
75
a) Nach Art 20 I EuMahnVO ist dies der Fall, wenn er gem Art 14 EuMahnVO ersatzweise zugestellt wurde, die Zustellung nicht rechtzeitig erfolgte oder wenn der Antragsgegner aufgrund höherer Gewalt oder sonstiger außergewöhnliche Umstände den Einspruch schuldlos nicht rechtzeitig einlegen konnte. Dieser Grund soll den Wegfall des Anerkennungsversagungsgrundes von Art 34 Nr 2 EuGVO ausgleichen75 und entspricht in etwa der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.76
73 74 75 76
Vgl X. Kramer, S. 17, 27; C. Crifò, S 103ff. Gebauer/Wiedmann/Sujecki Kap 34 Rz 76. Kropholler/v. Hein Art 20 EuMVVO Rz 6. Rauscher/Gruber (2010) Art 20 EG-MahnVO Rz 2; Hess/Bittmann IPRax 2008, 305, 309.
674
Der Europäische Zahlungsbefehl
§ 14
b) In Parallele zu Art 10 I lit b EuVTVO kann der Europäische Zahlungsbefehl 76 außerdem überprüft werden, wenn er aufgrund außergewöhnlicher Umstände, etwa aufgrund Prozessbetrugs, offensichtlich zu Unrecht erlassen wurde (Art 20 II EuMahnVO). Es geht hier also um die inhaltliche Unrichtigkeit aus Gründen, die ein Wiederaufnahmeverfahren oder eine Schadensersatzklage nach § 826 BGB rechtfertigen würden.77 Analog soll Art 20 II EuMahnVO auf den Fall angewendet werden, dass der Zahlungsbefehl zu Unrecht für vollstreckbar erklärt wurde.78 c) Zuständig für die Überprüfung in Deutschland erlassener Zahlungsbefehle 77 ist nach § 1087 ZPO ausschließlich das Amtsgericht Wedding in Berlin. Der Antragsteller muss die besonderen Umstände glaubhaft machen (§ 1092 II ZPO). Der Richter (§ 20 Nr 7 RPflG) prüft dann, ob sie vorliegen. Findet er, dass die genannten Gründe vorliegen, wird der Zahlungsbefehl durch unanfechtbaren Beschluss für nichtig erklärt (Art 20 III EuMahnVO; § 1092 I ZPO). Das Europäische Mahnverfahren ist dann beendet (§ 1092 III ZPO); es wird nicht in ein streitiges Verfahren übergeleitet.79 Die Sachgerechtigkeit dieser Rechtsfolge wird zum Teil bezweifelt, wenn die Einspruchsfrist unverschuldet versäumt wurde; das Gericht solle dann neben der Nichtigerklärung einen Europäischen Zahlungsbefehl ein zweites Mal erlassen.80 Jedoch würde dies vermutlich nur zu einem erneuten Einspruch und dann zur Überleitung ins streitige Verfahren führen. Gegen eine solche Überleitung hat sich der deutsche Gesetzgeber aber klar in § 1092 III ZPO ausgesprochen. Deshalb muss der Antragsteller in diesen Fällen entweder einen neuen Mahnantrag stellen oder Klage erheben.81 Kann das Gericht die außergewöhnlichen Umstände nicht feststellen, weist es 78 den Antrag auf Nichtigerklärung zurück; der Europäische Zahlungsbefehl bleibt bestehen (Art 20 III EuMahnVO).
4. Verweigerung der Vollstreckung Eine Kontrolle des Europäischen Zahlungsbefehls anhand der Art 34, 35 EuG- 79 VO aufgeführten Anerkennungsversagungsgründe findet nicht statt.82 Auf Antrag prüft das Vollstreckungsgericht im Vollstreckungsstaat gem Art 23 80 EuMahnVO lediglich, ob der Zahlungsbefehl mit einer früheren Entscheidung oder einem früheren Zahlungsbefehl eines EU-Mitgliedstaats oder mit einem anerkennungsfähigen Titel eines Drittstaats unvereinbar ist. Konnte diese Un-
77 78 79 80 81 82
Rauscher/Gruber (2010) Art 20 EG-MahnVO Rz 3. Kropholler/v. Hein Art 20 EuMVVO Rz 11. Rauscher/Pabst (2010) Art 20 EG-MahnVO Rz 56. So N. Preuß ZZP 122 (2009), 3, 15f. Rauscher/Gruber (2010) Art 20 EG-MahnVO Rz 10. Gebauer/Wiedmann/Sujecki Kap 34 Rz 76; Kropholler/v. Hein Art 19 EuMVVO Rz 4.
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§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
vereinbarkeit im Ursprungstaat nicht geltend gemacht werden (Art 22 I lit c), wird die Vollstreckung verweigert.83 81
Sie wird ebenfalls verweigert, wenn der Antragsgegner (Schuldner) den titulierten Betrag nachträglich bezahlt hat (Art 22 II EuMahnVO).84
82
Anträge nach Art 22 I EuMahnVO sind an das örtlich zuständige Vollstreckungsgericht zu stellen (§§ 1096 I, 1084 I ZPO).85 Die nachträgliche Zahlung ist dagegen gem §§ 1096 II, 1086 I, 767 ZPO mittels Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.86 Daneben gilt in Deutschland freilich § 775 Nr 4 und 5 ZPO: Kann der Schuldner die Zahlung durch öffentliche Urkunde, Privatquittung des Gläubigers oder einen Einzahlungsschein bzw Überweisungsbeleg nachweisen, stellt das zuständige Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung ein.87
5. Vollstreckungsabwehrklage 83
Da Art 20 und Art 22 II EuMahnVO nicht alle nachträglichen Einwendungen gegen einen Vollstreckungstitel erfassen, stellt sich die Frage, ob eine Vollstreckungsabwehrklage (oder ein vergleichbarer Rechtsbehelf) gegen den Zahlungsbefehl im Ursprungstaat oder/und Vollstreckungsstaat erhoben werden kann.
84
a) Soll ein in Deutschland erlassener Europäischer Zahlungsbefehl trotz Zahlung im Inland vollstreckt werden, greift Art 22 II EuMahnVO nicht ein, da er eine Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat voraussetzt. Der Schuldner muss sich gleichwohl nach Art 22 Nr 5 EuGVO und § 767 ZPO mit nachträglichen Einwendungen gegen die Vollstreckung mit der Vollstreckungsabwehrklage zur Wehr setzen können (s § 1095 ZPO).88
85
b) Wurde der Europäische Zahlungsbefehl im Ausland erlassen, greift bei Entrichtung des Betrages Art 22 II EuMahnVO.89 Erlischt die Forderung des Gegners aus anderen Gründen (Erlass, Leistung an Erfüllungsstatt), muss dem Schuldner als Rechtsbehelf die Vollstreckungsabwehrklage unmittelbar zur Verfügung stehen.90
83 Vgl Kropholler/v. Hein Art 22 EuMVVO Rz 2ff; Rauscher/Gruber (2010) Art 22 EGMahnVO Rz 3–27. 84 Vgl Kropholler/v. Hein Art 22 EuMVVO Rz 8ff; Rauscher/Gruber (2010) Art 22 EGMahnVO Rz 28–36. 85 Rauscher/Gruber (2010) Art 22 EG-MahnVO Rz 26. 86 Gebauer/Wiedmann/Sujecki Kap 34 Rz 91 ff. 87 Rauscher/Gruber Art 22 Rz 38. 88 Kropholler/v. Hein Art 20 EuMVVO Rz 27ff; Rauscher/Gruber Art 20 EG-MahnVO Rz 59f; N. Preuß ZZP 122 (2009), 3, 20ff. 89 Vgl N. Preuß ZZP 122 (2009), 3, 26ff. 90 Kropholler/v. Hein Art 22 EuMVVO Rz 15; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art 22 EuMVVO Rz 8; Rauscher/Gruber Art 22 EG-MahnVO Rz 40 ff; Freitag IPRax 2007, 509, 513; Hess/Bittmann IPRax 2008, 305, 310; krit N. Preuß ZZP 122 (2009), 3, 29ff.
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Entscheidungen im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen
§ 14
VI. Entscheidungen im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen 1. Schrifttum Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 35, 2. Aufl 2010, S 2057; Ch. Kern, Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, JZ 2012, 389; Kramer, The European Small Claims Procedure, ZEuP 2008, 355; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl 2011, S 1075; H.-P. Mayer/J. Lindemann/G. Haibach, Small Claims Verordnung, 2009; Rauscher/Varga, EuZPR/EuIPR, Bearb 2010, Teil A I 5, S 409.
86
2. Abschaffung des Exequaturverfahrens Jedes im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung bereits vor Rechtskraft vollstreckbar (Art 15 I EuGFVO). Es ist nach Art 20 I EuGFVO in jedem Mitgliedstaat anzuerkennen und ist dort ohne jede Vollstreckbarerklärung vollstreckbar.
87
3. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung Vorzulegen ist lediglich eine Ausfertigung des Urteils, die Bestätigung gem 88 Formblatt D und ggf eine Übersetzung in die Sprache des Vollstreckungsstaats (Art 21 II EuGFVO). Einer Vollstreckungsklausel bedarf es nicht (§ 1107 ZPO). Die Vollstreckung selbst richtet sich nach der jeweiligen lex fori (Art 21 I EuGFVO).
4. Ablehnung der Vollstreckung Der Schuldner kann im Vollstreckungsstaat aber die Ablehnung der Vollstre- 89 ckung nach Art 22 EuGFVO beantragen, wenn (1) ein früheres Urteil zwischen den Parteien über denselben Streitgegenstand vorliegt, (2) dieses frühere Urteil im Vollstreckungsstaat ergangen oder dort anzuerkennen ist und (3) die Unvereinbarkeit beider Entscheidungen im Verfahren für geringfügige Forderungen nicht geltend gemacht werden konnte. Die Regel entspricht Art 21 EuVTVO (s o Rz 48f). Weitere Ablehnungsgründe, insb eine ordre public-Kontrolle, sind wie in der EuVTVO nicht vorgesehen.
5. Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung Hat der Schuldner allerdings eine Überprüfung des Urteils im Entscheidungsstaat nach Art 18 EuGFVO beantragt, so kann die Vollstreckung nach Art 23 EuGFVO (wie nach Art 23 EuVTVO) auf Sicherungsmaßnahmen beschränkt,
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90
§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht oder (unter außergewöhnlichen Umständen) auch ausgesetzt werden (s o Rz 50).
6. Vollstreckungsabwehrklage 91
Nachträglich entstandene Einwendungen, etwa eine erfolgte Leistung, hat der Schuldner in Deutschland als Ursprungstaat oder als Vollstreckungsstaat mittels Vollstreckungsabwehrklage (§§ 767, 1109 II, 1086 ZPO) geltend zu machen.91
VII. Entscheidungen in Unterhaltssachen 1. Schrifttum 92
M. Andrae, Das neue Auslandsunterhaltsgesetz, NJW 2011, 2445; N. Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in Europa, 2011; F. Eichel, Europarechtliche Fallstricke im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem AVAG und dem neuen Auslandsunterhaltsgesetz (AUG), GPR 2011, 193; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 36, 2. Aufl 2010, S 2109; B. Gsell/F. Netzer, Vom grenzüberschreitenden zum potenziell grenzüberschreitenden Sachverhalt – Art 19 EuUnthVO als Paradigmenwechsel im Europäischen Zivilverfahrensrecht, IPRax 2010, 403; M. Heger/U. Selg, Die europäische Unterhaltsverordnung und das neue Auslandsunterhaltsgesetz, FamRZ 2011, 1101; B. Hess/St. Spancken, Die Durchsetzung von Unterhaltstiteln mit Auslandsbezug nach dem AUG, FPR 2013, 27; G. Hohloch, Internationale Vollstreckung familienrechtlicher Titel, FPR 2012, 495, 496; C. Schmidt, Internationale Unterhaltsrealisierung, 2011.
2. Kein Exequaturverfahren 93
Ergeht der Unterhaltstitel in einem EU-Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ist er in den anderen EU-Mitgliedstaaten ohne Weiteres anzuerkennen (Art 17 I EuUnthVO) und ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckbar (Art 17 II EuUnthVO).92 Dies wird durch § 30 AUG 2011 nochmals bestätigt.93
3. Nachprüfung im Ursprungsland 94
Zum Ausgleich steht dem Antragsgegner, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hatte, ein Recht auf Nachprüfung der Entscheidung im Ursprungsstaat gem Art 19 EuUnthVO zu.94 Voraussetzung dafür ist freilich, dass (1) ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so zugestellt wurde, dass er sich verteidigen konnte, (2) er aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne 91 Rauscher/Varga (2010) Art 22 EG-BagatellVO Rz 8; Kropholler/v. Hein Art 21 EuGFVO Rz 1. 92 Rauscher/Andrae/Schimrick (2010) Art 17 EG-UntVO Rz 8f; Gebauer/Wiedmann/ Bittmann Kap 36 Rz 89; G. Hohloch FPR 2012, 495, 498. 93 Vgl Hess/Spancken FPR 2013, 27, 28. 94 Vgl B. Gsell/Netzer IPRax 2010, 403; Rauscher/Andrae/Schimrick (2010) Art 19 EGUntVO Rz 3ff.
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Entscheidungen in Unterhaltssachen
§ 14
Verschulden gehindert war, Einspruch einzulegen, und er (3) nicht eine Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsmittels ungenutzt hat verstreichen lassen. Zuständig für die Nachprüfung ist das Gericht des Ursprungstaats. Die Nach- 95 prüfung muss spätestens innerhalb von 45 Tagen beantragt werden (Art 19 II 2 EuUnthVO). Kann das Gericht keinen Nachprüfungsgrund feststellen, wird der Antrag zu- 96 rückgewiesen. Der Unterhaltstitel bleibt in Kraft (Art 19 III 1 EuUnthVO). Stellt das Gericht einen Nachprüfungsgrund fest, wird der Titel für nichtig erklärt. Der Gläubiger muss ggf eine neue Klage erheben. Die mit der ursprünglichen Klage verbundene Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung bleibt jedoch erhalten (Art 19 III 2 EuUnthVO).95
4. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung Um die Vollstreckung aus einem europäischen Vollstreckungstitel über Unterhalt betreiben zu können, muss der Gläubiger vorlegen:
97
(1) eine Ausfertigung der Entscheidung oder des Vergleichs (in Originalsprache), (2) einen Auszug aus der Entscheidung oder dem Vergleich unter Verwendung des Formblattes in Anhang I der Unterhaltsverordnung, aus dem sich u a die Vollstreckbarkeit ergibt,96 (3) wenn es Unterhaltsrückstände gibt, ein Schriftstück mit Angabe der Höhe und dem Datum der Berechnung; dies ist sinnvoll, wenn die Rückstände nicht direkt tituliert sind, sondern nach Titelerrichtung aufgelaufen sind,97 (4) eine beglaubigte Übersetzung des Auszugs zu (2) (§ 1083 ZPO), wenn das Formblatt individuelle Angaben enthält.98 Die Vorlage einer Übersetzung der Entscheidung selbst bedarf es zur Vollstreckung nicht.99
5. Verweigerung und Aussetzung der Vollstreckung Im Vollstreckungsstaat kann der Verpflichtete beantragen, die Vollstreckung 98 nach Art 21 II EuUnthVO zu verweigern oder auszusetzen, weil der Anspruch nach dem Recht des Ursprungsstaats oder dem des Vollstreckungsstaats bereits verjährt ist (Art 21 II, 1. Unterabs EuUnthVO) oder weil die Entscheidung mit einer anderen vollstreckbaren Entscheidung, die im Vollstreckungsstaat, in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem Drittstaat ergangen ist, unvereinbar ist (Art 21 II, 2. Unterabs. EuUnthVO).100 Solche Anträge sind bei 95 Rauscher/Andrae/Schimrick (2010) Art 19 EG-UntVO Rz 21; Gebauer/Wiedmann/ Bittmann Kap 36 Rz 105. 96 Rauscher/Andrae/Schimrick Art 20 EG-UntVO Rz 16. 97 Rauscher/Andrae/Schimrick Art 20 EG-UntVO Rz 3. 98 Rauscher/Andrae/Schimrick Art 20 EG-UntVO Rz 7f, 10ff. 99 Rauscher/Andrae/Schimrick Art 20 EG-UntVO Rz 9. 100 Gebauer/Wiedmann/Bittmann Kap 36 Rz 125f.
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§ 14
Europäische Vollstreckungstitel
dem Amtsgericht zu stellen, in dessen Bezirk die Vollstreckung stattfinden soll oder stattgefunden hat (§ 31 I AUG 2011; § 764 II ZPO). 99
Wahlweise neben Rechtsschutzmöglichkeiten im Ursprungsstaat steht dem Schuldner im Vollstreckungsstaat über Art 21 I EuUnthVO auch die Vollstreckungsabwehrklage zur Verfügung.101
VIII. Entscheidungen zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes 1. Schrifttum 100 G. Britz, Grundrechtsschutz in der justiziellen Zusammenarbeit – zur Titelfreizügigkeit in Familiensachen, JZ 2013, 105; K. Schulte-Bunert, Die Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung nach der VO (EG) 2201/2003 in Verbindung mit dem IntFamRVG, FamRZ 2007, 1608; A. Schulz, Das Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FamRZ 2011, 1273, 1277.
2. Besondere Bescheinigung als Europäischer Vollstreckungstitel 101 Die Art 40 I, 41ff EheGVO sehen für diese Entscheidungen die Erstellung einer besonderen Bescheinigung (über das Umgangsrecht bzw über die Rückgabe des Kindes, Art 41 II, 42 II EheGVO, § 48 II IntFamRVG) vor.102 Aufgrund dieser Bescheinigung werden diese Titel Europäische Vollstreckungstitel. Sie können also in jedem Mitgliedstaat der EU vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedürfte und ohne dass die Anerkennung im Vollstreckungsstaat angefochten werden könnte (Art 41 I 1, 42 I 1 EheGVO). Gemeint ist mit der letzten Formulierung, dass im Zweitstaat keine Einwendungen gegen die Anerkennungsfähigkeit dieser Titel erhoben werden können.103 Auch eine ordre public-Prüfung ist dadurch ausgeschlossen.104 Allerdings muss vor Erteilung der Bescheinigung im Ursprungsstaat geprüft werden, ob das Verfahren Mindeststandard erfüllt hat.105 Nicht ausreichend ist auch die mündliche Mitteilung von der anhängigen Klage durch den Kläger oder eine entsprechende formlose schriftliche Mitteilung durch dessen Anwalt.106 102 Bei der eigentlichen Vollstreckung nach nationalem Recht (Art 47 I EheGVO) soll eine ordre public-Prüfung zwar möglich sein.107 Soweit ein Vollstreckungsschutz bei sittenwidrigen Härten (analog § 765a ZPO) möglich ist, erscheint eine solche ordre public-Kontrolle des Titels freilich als entbehrlich. 101 Rauscher/Andrae/Schimrick (2010) Art 21 EG-UntVO Rz 9. 102 Vgl EuGHE 2008, I-5271 (Rinau) = FamRZ 2008, 1729 (Schulz) = NJW 2008, 2973 (dazu Rieck, S 2958); Rauscher/Rauscher (2010) Art 40 Brüssel IIa-VO Rz 3. 103 Solomon FamRZ 2004, 1409, 1418. 104 Für eine „reduzierte Grundrechtsprüfung“ im Vollstreckungsstaat aber Britz JZ 2013, 105. 105 Hk-ZPO/Dörner, Art 41 EheGVVO Rz 6ff. 106 So OLG München FamRZ 2012, 1512. 107 So Solomon FamRZ 2004, 1409, 1419; Rauscher/Rauscher (2010) Art 40 Brüssel IIaVO Rz 9; aA Rausch FuR 2005, 112, 115; Schulte-Bunert FamRZ 2007, 1608, 1609.
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Entscheidungen zum Umgangsrecht und zur Rückgabe des Kindes
§ 14
Voraussetzung für die Erteilung der Bescheinigung ist die Prüfung, dass
103
(1) eine von Art 40 I EheGVO erfasste Entscheidung vorliegt, (2) allen Beteiligten das rechtliche Gehör gewährt wurde, und zwar, (i) dass der Partei, die sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass sie sich verteidigen konnte, oder dass festgestellt werden kann, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist, (ii) alle Betroffenen Gelegenheit hatten, gehört zu werden, (iii) das Kind (soweit nach Alter und Reifegrad angebracht) Gelegenheit hatte, gehört zu werden, (iv) das Gericht bei einer Rückgabeentscheidung die Gründe und Beweismittel berücksichtigt hat, die der nach Art 13 HKÜ ergangenen Entscheidung zugrunde liegen. Die Bescheinigung über die Rückgabe des Kindes wird stets von Amts wegen 104 ausgestellt (Art 42 II 3 EheGVO), die Bescheinigung über das Umgangsrecht nur, wenn der Fall bereits bei seiner Entscheidung einen grenzüberschreitenden Bezug hat (Art 41 III 1 EheGVO). Entsteht dieser Bezug erst später, kann die Ausstellung nachträglich beantragt werden (Art 41 III 2 EheGVO).
681
§ 15 Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 1. EuGVO 2001/LugÜ 2007 a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . 5 b) Vollstreckbarerklärung gerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 c) Die Vollstreckung aus öffentlichen Urkunden und Prozessvergleichen. . . . . . . . . 74 (1) Öffentliche Urkunden . . . 75 (2) Prozessvergleiche . . . . . . . 86 d) Verhältnis von EuGVO und LugÜ zu anderen Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. EuGVÜ/LugÜ 1988 . . . . . . . . . . 93 3. Multilaterale Übereinkommen a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Haager Übereinkommen von 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 . . . . . . . . . 101 d) Übereinkommen für besondere Sachgebiete (1) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . 108 (2) Zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden . . . . . . . . . . . . . . . 109 (3) Haftung der Inhaber von Kernenergieanlagen . . . . . 110 (4) Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen . . . . . . . . 111 (5) Streitigkeiten aus Beförderungsverträgen im internationalen Straßengüterverkehr . . . . . . . . . . . . . 112 (6) Seegerichtliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . 116 4. Die Vollstreckung von Kostenentscheidungen nach dem Haager Zivilprozess-Übereinkommen a) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . 120
682
c) Verfahren der Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis zu anderen Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . 5. Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen a) Deutsch-belgisches Abkommen vom 30.6.1958 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivilund Handelssachen . . . . . . . . b) Deutsch-britisches Abkommen vom 14.7.1960 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutsch-griechischer Vertrag vom 4.11.1961 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden . . . . . . . . . . . d) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20.7.1977 (1) Schrifttum . . . . . . . . . . . . (2) Einführung . . . . . . . . . . . . (3) Gründe für die Versagung der Anerkennung . . (4) Die Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . e) Deutsch-italienisches Abkommen vom 9.3.1936 über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . .
121 137
139
141
143
145 146 150 156
165
Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel f) Deutsch-niederländischer Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30.8.1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 g) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 17.6.1977 (1) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . 171 (2) Restgeltung . . . . . . . . . . . . 172 h) Deutsch-österreichischer Vertrag vom 6.6.1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivilund Handelssachen . . . . . . . . 175 i) Deutsch-schweizerisches Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 j) Deutsch-spanischer Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 14.11.1983. . 179 k) Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 über Rechtsschutz, Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit (1) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . 182 (2) Einführung . . . . . . . . . . . . 183
§ 15 (3) Anerkennungszuständigkeiten. . . . . . . . . . . . . . (4) Versagungsgründe für die Anerkennung . . . . . . . (5) Das Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Vollstreckbarerklärung nach autonomem Recht a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vollstreckungsklage. . . .
III. Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckbarerklärung europäischer Unterhaltstitel . . . . . . 4. Unterhaltstitel nach EuGVO 2001/LugÜ 2007 . . . . . . . . . . . . . 5. Vollstreckbarerklärung nach internationalen Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haager Übereinkommen von 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (1) Schrifttum . . . . . . . . . . . . (2) Einführung . . . . . . . . . . . . (3) Kreis der Berechtigten . . . (4) Unterhaltsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . (5) Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . (6) Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . c) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (HUVÜ 1958) (1) Schrifttum . . . . . . . . . . . . (2) Einführung . . . . . . . . . . . . (3) Der vertragliche Zuständigkeitskatalog . . . . . . . . (4) Schutzvorschriften für den Beklagten. . . . . . . . . . (5) Weitere Versagungsgründe für die Anerkennung .
186 200 207
214 215
247 248 249 252
253 254
255 256 258 259
261
266
272 273 277 281 285
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§ 15
Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel (6) Die Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen . . . . . . . . . . . 287 (7) Verfahrensvorschriften . . 291 (8) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . 293 d) New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (UNUÜ 1956) (1) Schrifttum. . . . . . . . . . . . . 294 (2) Vertragsgegenstand . . . . . 295 (3) Geltungsbereich . . . . . . . . 297 (4) Regelung der Verwaltungshilfe . . . . . . . . . . . . . 298 e) Entscheidungen aus Staaten mit formeller Gegenseitigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . 304 f) Vollstreckbarerklärung von Unterhaltsentscheidungen aus anderen Drittstaaten . . . . 317
IV. Andere Familiensachen A. Personenrechtliche Entscheidungen 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Sorgerechtsentscheidungen . . . . 320 3. Erwachsenenschutz . . . . . . . . . . 330 4. Gewaltschutz a) EU-Verordnungsentwurf . . . . 334 b) EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . . 336 c) Autonomes Recht . . . . . . . . . 337
B. Vermögensrechtliche Entscheidungen 1. Kostenentscheidungen in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Güterrechtliche Entscheidungen a) Europäisches Recht (1) Keine Zivil- oder Handelssachen . . . . . . . . . (2) EuGüterRVO (Rom IVa-VO) . . . . . . . . . . b) Autonomes Recht . . . . . . . . . 3. Ehewohnungs- und Haushaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Familiensachen. . . . . . 5. Lebenspartnerschaftssachen . . . a) Güterrechtliche Ansprüche . b) Unterhaltsansprüche . . . . . . c) Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . . . . e) Autonomes Recht . . . . . . . . . V. Erbrechtssachen 1. EuGVO/LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . 2. EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsvertragliche Regelungen a) Bilaterale Anerkennungsund Vollstreckungsverträge . b) Deutsch-türkisches Nachlassabkommen . . . . . . . . . . . . 4. Autonomes deutsches Recht . .
338
345 346 347 349 352 354 355 357 358 359 360 361 362
365 366 367
I. Allgemeines 1
Traditionellerweise muss einem ausländischen Titel nach deutschem Recht die Vollstreckbarkeit (zusätzlich zur Anerkennung) durch inländischen Hoheitsakt besonders verliehen werden. Der Grund hierfür liegt weniger darin, dem Vollstreckungsorgan eine klare Anweisung zu geben, welche ausländische Titel vollstreckbar sind und den Titel, wenn nötig, an inländische Formen anzupassen, als vielmehr vor allem in dem Bestreben, nur solche Entscheidungen zur Zwangsvollstreckung im Inland zuzulassen, die einem qualitativen Mindeststandard verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Art entsprechen. Der ausländische Titel wird deshalb bei der Vollstreckbarerklärung keineswegs sachlich überprüft (Art 45 II EuGVO; Art 31 III EheGVO; § 723 I ZPO) und darf auch nicht inhaltlich verändert werden,1 aber es wird kontrolliert, ob das ausländische Verfahren einem rechtstaatlichen Mindeststandard entspricht oder
1 Vgl Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung in der Europäischen Union, 2012, Rz 666ff.
684
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
§ 15
ein Anerkennungsversagungsgrund der Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung entgegensteht (Art 34, 35, 45 EuGVO; Art 22ff, 31 EheGVO; §§ 328 I, 723 II 2 ZPO). Allerdings unterscheidet sich die Prüfungstiefe im Detail.2 Bei vermögensrechtlichen Titeln kommt zusätzlich ein „politisches“ Element 2 in Form des Erfordernisses der Gegenseitigkeit hinzu. Entscheidungen werden danach nur anerkannt und für vollstreckbar erklärt, wenn auch der jeweilige ausländische Staat dies unter im Wesentlichen gleichen Voraussetzungen tut. Über Gewährung oder Verweigerung von Gegenseitigkeit wird zumindest primär auf politischer Ebene entschieden, und zwar unabhängig von der Einzelqualität sowie von Verfahren und Entscheidung. Die Gegenseitigkeit ist insoweit ein Fremdkörper in einem sonst dem subjektiven Rechtsschutz verpflichteten System.3 Als ein erster gegenseitiger Vertrauensbeweis wird vielfacht in Anerkennungs- 3 und Vollstreckungsverträgen ein summarisches, vereinfachtes Prüfungsverfahren, teilweise auch eine Reduzierung der Prüfungstiefe von Verstößen zu offensichtlichen oder schweren Verstößen, vereinbart.4 Auf die Kontrolle eines Mindeststandards wird erst verzichtet, wenn zwischen 4 den beteiligten Staaten ein generelles Vertrauen in die Justiz des jeweils anderen besteht und das subjektive Rechtsschutzsystem jeweils so hoch entwickelt ist, dass gravierende Verstöße gegen die Verfahrensgerechtigkeit die absolute Ausnahme sind, die den generellen Kontrollaufwand nicht mehr rechtfertigen. An diesem Punkt sind die EU-Staaten mit dem Ziel der Schaffung eines Europäischen Justizraums angelangt, so dass sie Schritt für Schritt auf das Zwischenverfahren der Vollstreckbarerklärung verzichten.5 Allerdings werden Entscheidungen der EU-Mitgliedstaaten innerstaatlichen Entscheidungen noch nicht vollständig gleichgestellt. Denn auch nach der Neufassung der EuGVO kann der Schuldner auf Antrag eine Versagung der Vollstreckung erreichen, wenn einer der klassischen Anerkennungsversagungsgründe vorliegt (Art 45, 46 ff EuGVO nF).
II. Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 1. EuGVO 2001/LugÜ 2007 a) Schrifttum Zur EuGVO 2001: I. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, 2008, S 162ff; Bajons, Von der Internationalen zur Europäischen Urteilsanerkennung und -vollstreckung. Entwicklungsstadien des österreichischen Rechts auf dem Weg zum Europäischen Vollstreckungstitel, FS Rechberger, 2005, S 1; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl 2006, § 55 II; U. Becker, Grundrechtsschutz bei der
2 Vgl Th. Rauscher, Vollstreckung von Zivilentscheidungen aus Europa und Drittstaaten in Deutschland, IJPL 1 (2011), 265. 3 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 157 ZPO Rz 53. 4 Vgl Schack IZVR, Rz 1041 ff. 5 Vgl Hess EuZPR, § 2 Rz 36 ff, § 3 Rz 22ff; § 10 Rz 2ff.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, 2004; A.-K. Bitter, Vollstreckbarerklärung und Zwangsvollstreckung ausländischer Titel in der Europäischen Union, 2009; Botur, Aktuelle Probleme der grenzüberschreitenden Vollstreckung europäischer Unterhaltstitel nach der Brüssel I-VO, FamRZ 2010, 1860; F. Eichel, Europarechtliche Fallstricke im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem AVAG und dem neuen Auslandsunterhaltsgesetz (AUG), GPR 2011, 193; Fleischhauer, Vollstreckbare Urkunden im europäischen Rechtsverkehr, MittBayNot 2002, 15; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard/Lakkis, Zwangsvollstreckungsrecht (§ 12 III), 12. Aufl 2010, S 205; Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl 2010; Geimer, Exequaturverfahren, FS Georgiades, 2005, S 489; Gottwald, Auf dem Weg zur weiteren Vereinfachung der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Europa, Ritsumeikan Law Review 17 (2000), 49; C. Graf, Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der EuGVVO, wbl 2006, 97; B. Heß/Th. Hub, Die vorläufige Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile im Binnenmarktprozess, IPRax 2003, 93; G. Kayser/S. Dornblüth, Anerkennung und Vollstreckbarerklärung italienischer Zahlungsbefehle nach der EuGVVO, ZIP 2013, 57; W. Kennett, The Enforcement of Judgments in Europe, 2000, S 213ff; Krumscheid, Pfändung aus ausländischen Titeln als Sicherungsmaßnahme vor Zustellung des Exequaturbeschlusses, RIW 2003, 389; P. Mankowski, Wie viel Bedeutung verliert die EuGVVO durch den Europäischen Vollstreckungstitel?, FS Kropholler, 2008, S 829; Ch. Mauch, Die Sicherungsvollstreckung gem Art 47 EuGVVO, Art 39 EuGVÜ und Art 39 Luganer Übereinkommen, 2003; C. Meller-Hannich, Materiellrechtliche Einwendungen bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung und die Konsequenzen von „Prism Investment“, GPR 2012, 90 u. 153; Münzberg, Berücksichtigung oder Präklusion sachlicher Einwendungen im Exequaturverfahren, FS Geimer, 2002, S 745; M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung in der Europäischen Union, 2012, S 317ff; P. Schlosser, Vollstreckbarerklärung nicht vollstreckungsfähiger Entscheidungen?, FS Kerameus, 2009, S 1183; P. Schlosser, Brussels I and protective measures in the state to be requested subsequent to the passing of sentence in the state of origin, FS Erecin´ski, 2011, S 1359; Schuschke/Walker/Jennissen, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl 2011, S 2170; S. Seidl, Ausländische Vollstreckungstitel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 2010; A. Stadler, Die Revision des Brüsseler und Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ, 2000, S 37; Stoppenbrink, Systemwechsel im internationalen Anerkennungsrecht, ERPL 2002, 641; B. Sujecki, Zur Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Kostenfestsetzungsbeschlüssen für einstweilige Verfügungen in den Niederlanden, IPRax 2010, 562; Wagner, Vom Brüsseler Übereinkommen über die Brüssel I-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2002, 75; Wagner, Zur Vollstreckung deutscher dynamisierter Unterhaltstitel im Ausland, FS Sonnenberger, 2004, S 727.
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Zur Reform: R. Arenas García, Abolition of exequatur: problems and solutions – Mutual recognition, mutual trust and recognition of foreign judgments: too many words in the sea, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 351; I. Bach, Drei Entwicklungsschritte im europäischen Zivilprozessrecht, ZRP 2011, 97; G. Cuniberti/I. Rueda, Abolition of Exequatur, RabelsZ 75 (2011), 286; E.-M. Kieninger, Die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens in der EuGVVO und die Zukunft des Verbraucherschutzes, VuR 2011, 243; P. Mankowski, Beibehaltung oder Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens in der EuGVVO?, RIW 2011, 44; P. Oberhammer, The Abolition of Exequatur, IPRax 2010, 197; W. Rechberger, Grenzenloses Vertrauen in die Rechtsprechung der anderen Mitgliedstaaten? Überlegungen aus Anlass der geplanten Abschaffung des Exequaturverfahrens in der EuGVVO, FS Erecin´ski, 2011, S 1277; H. Schack, The misguided abolition of exequatur proceedings in the European Union, FS Erecin´ski, 2011, S 1345; R. Wagner/M. Beckmann, Beibehaltung oder Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens in der EuGVVO?, RIW 2011, 44.
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Zum EuGVÜ/LugÜ: A. Atteslander-Dürrenmatt, Sicherungsmittel „a discretion“?, Zur Umsetzung von Art 39 LugÜ in der Schweiz, AJP/PJA 10 (2001), 180; Beraudo, Convention de Bruxelles du 27 Septembre 1968, Exécution des décisions judiciaires, Juris-Cl. Prócedure Civile Fasc. 52–6, 1988; B. Brückner, Unterhaltsregress im internationalen Privatund Verfahrensrecht, 1994; Clemens, Zu den Wirkungen von Geständnis, Nichtbestreiten und Anerkenntnis im Klauselerteilungsverfahren, 1996; Fahl, Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem EuGVÜ, 1993; v. Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel, 1998; Feige, Die Kosten des deutschen und französischen Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach dem GVÜ, 1988; Gaudemet-Tallon, Les Conventions de Bruxelles et de Lugano, 1993; Geimer, Das neue Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz, NJW 1988, 2157; Geimer, Freizügigkeit vollstreckbarer Urkunden im Europäischen Wirtschaftsraum, IPRax 2000, 366; S. Haedicke, Die Vollstreckung deutscher Urteile in Frankreich auf der Grundlage des EuGVÜ, 1999; Hau, Zum Rechtsschutz gegen die Vollstreckbarerklärung gemäß Art 36 bis 38 EuGVÜ, IPRax 1996, 322; G. Hohloch, Grenzüberschreitende Unterhaltsvollstreckung, FPR 2004, 315; P. Kaye, Law of the European Judgments Convention, Vol 5, 1999; Kerameus, Comparative Aspects of Litigation Pertaining to Enforcement, FS Drobnig, 1998, S 549; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd 2, Teil Q, 2000; Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, 1997; Luther, Zur Auslegung von Art 39 des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, IPRax 1982, 120; Mennicke, Berücksichtigung einer Schutzschrift des Antragsgegners bei der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung nach EuGVÜ, IPRax 2000, 294; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000; Oskarsson, The Lugano Convention and Iceland, in: Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992, S 249; Paetzold, Vollstreckung schweizerischer Entscheidungen nach dem Lugano-Übereinkommen in Deutschland (Handelskammer Deutschland-Schweiz), 1995; Reinmüller, Die „Urkunde“ eines französischen Gerichtsvollziehers („huissier“) und ihre Vollstreckung nach dem EuGVÜ, IPRax 2001, 207; H. Roth, Herausbildung von Prinzipien im europäischen Vollstreckungsrecht, IPRax 1989, 14; M. J. Schmidt, Die internationale Durchsetzung von Rechtsanwaltshonoraren, 1991, S 31ff; Schütze, Die Geltendmachung von Einwendungen gegen die Klauselerteilung nach dem EuGVÜ durch eine Schutzschrift, FS Bülow, 1981, S 211; Schütze, Internationalprivat- und -prozessrechtliche Probleme des materiell für vollstreckbar erklärten Anwaltsvergleichs, DZWir 1993, 133; Stürner, Die notarielle Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, DNotZ 1995, 343; Stürner, Rechtliches Gehör und Klauselerteilung im europäischen Vollstreckungsverfahren, IPRax 1985, 254; Stürner, Anerkennungsrechtlicher und europäischer Ordre public als Schranke der Vollstreckbarerklärung, Festgabe BGH, Bd 3, 2000, S 677; Trittmann/Merz, Die Durchsetzbarkeit des Anwaltsvergleichs gemäß §§ 796aff ZPO im Rahmen des EuGVÜ/LugÜ, IPRax 2001, 178; M. Wolf, Einheitliche Urteilsgeltung im EuGVÜ, FS Schwab, 1990, S 561.
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b) Vollstreckbarerklärung gerichtlicher Entscheidungen Von den Europäischen Vollstreckungstiteln abgesehen sind Titel aus den ande- 8 ren EU- bzw EFTA-Staaten im Inland derzeit nicht direkt vollstreckbar. Die Vollstreckbarkeit muss ihnen vielmehr erst verliehen werden. Formeller Vollstreckungstitel ist dann die zweitstaatliche Vollstreckbarerklärung.6 Entsprechend Erwägungsgrund 20 zur EuVTVO steht es dem Gläubiger frei, eine Be-
6 Geimer/Schütze Art 38 EuGVO Rz 5f; Kropholler/v. Hein Art 38 EuGVO Rz 14; MüKo/Gottwald Art 38 EuGVO Rz 23; Rauscher/Mankowski Art 38 Brüssel I-VO Rz 3.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
stätigung des Titels nach Art 6 EuVTVO oder eine Vollstreckbarerklärung nach Art 38ff EuGVO zu beantragen. Ist ein Titel aber bereits als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, scheidet eine Vollstreckbarerklärung nach Art 38ff EuGVO aus.7 9
Die eigentliche Vollstreckung erfolgt nach dem Recht des Vollstreckungsstaats (s u § 19).
10
Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung richtet sich nach den Art 38 bis 52 EuGVO/LugÜ 2007, den Art 31ff EuGVÜ/LugÜ 1988 sowie nach dem AVAG. Diese Regelungen unterscheiden sich hauptsächlich darin, dass nach Art 41 EuGVO in erster Instanz Anerkennungsversagungsgründe (gem Art 34, 35 EuGVO) nicht mehr geprüft werden; diese Prüfung findet nur auf Rechtsbehelf des Schuldners im streitigen Verfahren statt. Außerdem sind die Anforderungen an die vorzulegenden Unterlagen vereinfacht worden. Die Art 38ff EuGVO sind freilich gem Art 66 II EuGVO nur anwendbar, wenn der Ursprungstaat bei Erlass der Entscheidung bereits Mitgliedstaat der EU war.8
11
Soweit die Art 38ff EuGVO/LugÜ bzw Art 31ff EuGVÜ/LugÜ anwendbar sind, scheidet sowohl eine Vollstreckungsklage nach §§ 722, 723 ZPO (s u Rz 215ff) als eine neue Leistungsklage9 (s u Rz 238) aus.
12
aa) Die Vollstreckbarerklärung erfolgt nach Art 38 I EuGVO/LugÜ auf Antrag des Berechtigten. Nach § 4 II AVAG kann der Antrag schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Landgerichts gestellt werden; im ersten Rechtszug besteht in keinem Fall Anwaltszwang (§ 6 III AVAG). Der Antrag kann auf Teile des Titels beschränkt werden (vgl § 9 II AVAG). Er muss nicht in deutscher Sprache gestellt werden, jedoch kann das Gericht dann eine Übersetzung verlangen (§ 4 III AVAG).
13
Ist der Antragsteller nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen inländischen Bevollmächtigten vertreten, so hat er im Antrag einen Zustellungsbevollmächtigten mit Wohnsitz im Gerichtsbezirk, mit Zustimmung des Vorsitzenden Richters auch mit sonstigem Inlandswohnsitz, zu bestellen (§ 5 I 1, II AVAG). Bis zur Benennung des Zustellungsbevollmächtigten kann an den Antragsteller durch Aufgabe zur Post (§§ 184 I 2 ZPO) zugestellt werden (§ 5 I AVAG). Wird der Antrag durch einen Anwalt eines EU-Staats gestellt, muss ein inländischer Anwalt als Zustellungsbevollmächtigter benannt werden, § 5 IV AVAG mit § 31 EuRAG. Bis zur Benennung gilt der Einvernehmensanwalt nach § 31 II 1 EuRAG als Zustellungsbevollmächtigter. Gibt es diesen nicht, wird an die Partei nach allgemeinen Regeln zugestellt (§ 31 II, 2. Halbs. EuRAG).
7 BGH NJW-RR 2010, 571 = IPRax 2011, 81 (dazu Bittmann, S 55); aA Hess EuZPR § 6 Rz 222, § 10 Rz 37. 8 EuGH (C-514/10, 21.6.2012, Wolf Naturprodukte) EuZW 2012, 626. 9 Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 4; Althammer, unalex Kommentar Art 38 Rz 3; Hk-ZPO/Kindl § 723 Rz 7; MüKo/Gottwald Art 38 EuGVO Rz 4.
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Die Entscheidung kann auf Antrag in mehreren EuGVO bzw LugÜ-Staaten gleichzeitig für vollstreckbar erklärt werden.10
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Dem Antrag sind nach der EuGVO folgende Unterlagen beizufügen:
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(1) eine Ausfertigung der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung, Art 53 I EuGVO, zuzüglich zweier Abschriften, § 4 IV AVAG, (2) die Bescheinigung nach Art 54 EuGVO (gem Anhang V). Das Gericht bzw der Notar im Ursprungsstaat bestätigt darin auf einem Formblatt (a) das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, wenn sich der Beklagte nicht eingelassen hat, (b) den Wortlaut der Entscheidung bzw des Prozessvergleichs, (c) welcher Partei Prozesskostenhilfe gewährt wurde und (d) die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat. In Deutschland wird die Bescheinigung durch die in § 56 AVAG genannten Stellen erteilt. (3) Das Gericht kann die Vorlage von beglaubigten Übersetzungen dieser Urkunden verlangen (Art 55 II EuGVO).
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Wird die Bescheinigung nach Art 54 EuGVO nicht vorgelegt, so kann das Gericht eine Frist zur Vorlage bestimmen, sich mit gleichwertigen Urkunden begnügen oder von der Vorlage der Bescheinigung befreien, wenn es sie oder eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält (Art 55 I EuGVO). Nach der Neuordnung prüft die erste Instanz nur noch formell, ob eine zu voll- 17 streckende Entscheidung (im Anwendungsbereich der Verordnung) und die weiteren Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung gem der Bescheinigung vorliegen.11 Materielle Anerkennungsversagungsgründe (s o § 12 Rz 30ff) und materielle Einwendungen (s u Rz 28) sind in erster Instanz irrelevant (s u Rz 44). Das Verfahren entspricht damit praktisch einem Klauselerteilungsverfahren nach §§ 724ff ZPO.12 Dies kann zur Folge haben, dass sogar eine ordre public-widrige Entscheidung zunächst für vollstreckbar erklärt wird.13 Ist ein Titel dagegen bereits als europäischer Vollstreckungstitel vollstreckbar, fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckbarerklärung (s o Rz 8).
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bb) Sachlich zuständig ist in Deutschland der Vorsitzende einer Kammer des 19 Landgerichts (§§ 3 I, III AVAG). Die örtliche Zuständigkeit wird durch den Wohnsitz des Schuldners oder alter- 20 nativ durch das Gericht bestimmt, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung 10 Kreuzer/Wagner Q 389; MüKo/Gottwald Art 38 EuGVO Rz 6. 11 Markus SZW/RSDA 1999, 205, 219f; Stadler, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ, 2000, S 37, 54. 12 Wagner IPRax 2002, 75, 83; MüKo/Gottwald Vor Art 38 EuGVO Rz 1. 13 Kropholler/v. Hein Art 41 EuGVO Rz 5; MüKo/Gottwald Art 41 EuGVO Rz 1; krit. Jayme/Kohler IPRax 2000, 454, 460; Wagner IPRax 2002, 75, 83; Rauscher/Mankowski Art 41 Brüssel I-VO Rz 4f.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
durchgeführt werden soll (Art 39 II EuGVO bzw Art 32 II EuGVÜ/LugÜ). § 3 II 1 AVAG eröffnet die örtliche Zuständigkeit am Vollstreckungsort dagegen nur, wenn der Schuldner im Inland keinen Wohnsitz hat (was aber mit Art 39 II EuGVO nicht übereinstimmt!). Insoweit genügt nicht, dass der Wohnsitz nur unbekannt ist; § 16 ZPO (letzter bekannter Wohnsitz) ist nicht anwendbar.14 Für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung wird also der Gerichtsstand des Vermögens zugelassen. Für die Vollstreckung von Unterlassungstiteln kommt es auf eine Vermögensbelegenheit nicht an.15 Für die Zuständigkeit genügt es, dass der Gläubiger schlüssig behauptet, dort vollstrecken zu wollen; auf konkrete Erfolgsaussichten kommt es nicht an. Jedoch dürfte es nicht genügen, wenn der Gläubiger selbst lediglich mit künftigem Vermögenserwerb im Gerichtsbezirk rechnet oder wenn er darlegt, dass der Schuldner nur vollstreckungsfreies Vermögen im Gerichtsstaat besitzt. 21
Die Vollstreckbarerklärung erfolgt gegenüber dem Schuldner des Titels. Wird eine Person im Inland als Schuldner in Anspruch genommen, so hat der Gläubiger zu beweisen, dass sie mit dem Schuldner identisch ist.16 Sinngemäß sind die Parteien der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung auch im Beschlussverfahren ohne erneute Prüfung als parteifähig anzusehen.17
22
Der Vorsitzende entscheidet grds in einem einseitigen, schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung (Art 41 EuGVO/LugÜ; § 5 AVAG). Er kann jedoch eine mündliche Erörterung mit dem Antragsteller anordnen, wenn dies der Beschleunigung dient. Der Antragsteller braucht auch dann nicht durch einen Anwalt vertreten zu sein (§ 6 III AVAG).
23
Der Gegner wird in diesem Verfahren nicht angehört, denn Art 41 S 2 EuGVO/ LugÜ untersagt ein solches Vorgehen ausdrücklich.18 Nach § 55 I AVAG ist § 7 II AVAG in den von der EuGVO/LugÜ erfassten Fällen nicht anzuwenden. (Nach dieser Regel könnte der Gegner beteiligt werden, wenn der Nachweis besonderer Vollstreckungsvoraussetzungen [Frist, Zug-um-Zug-Leistung etc] durch Urkunden nicht möglich ist, § 7 II AVAG. Ansonsten ist die Zuleitung des Antrags zur Stellungnahme an ihn fehlerhaft.19 Im Rahmen von EuGVO/ LugÜ ist dies aber generell unzulässig).
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Das Gericht prüft rein formal, ob Titel und Bescheinigung über seine Vollstreckbarkeit vorliegen. Soweit notwendig, ist der Titel ggf zu konkretisieren (s u Rz 53).20 Das Gericht hat aber von Amts wegen zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Entscheidung im Erststaat aufgehoben worden ist, da eine
14 15 16 17 18
OLG Saarbrücken EWS 1993, 263 = RIW 1993, 672. OLG München (25 W 1207/10 v 23.8.2010) IPRax 2012, 425. OLG Köln JurBüro 1995, 496. Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren, 1995, S 216ff, 227. Vgl Althammer, unalex Kommentar Art 41 Rz 12; Stein/Jonas/Oberhammer Art 40, 41 Rz 34ff. 19 OLG Koblenz RIW 1991, 860. 20 Stein/Jonas/Oberhammer Art 40, 41 Rz 15ff.
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bereits aufgehobene Entscheidung nicht anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen werden kann.21 Da es sich in erster Instanz um ein einseitiges Verfahren handelt, scheidet eine 25 einseitige Erledigungserklärung durch den Antragsteller aus.22 cc) Einwendungen gegen die Vollstreckbarerklärung kann der Schuldner erst 26 mit Rechtsbehelf gegen die erteilte Klausel (Art 43 EuGVO/LugÜ in Form der Beschwerde gem §§ 11ff, 55 I AVAG) geltend machen.23 Eine etwa (analog zum nationalen einstweiligen Rechtsschutz) eingereichte Schutzschrift nimmt der Vorsitzende daher vor Erteilung der Klausel nicht zur Kenntnis.24 Bisher wurden im Beschwerdeverfahren Einwendungen gegen die titulierte 27 Forderung berücksichtigt. Einwendungen waren aber nur zulässig, soweit sie erst nach Erlass der zu vollstreckenden Entscheidung entstanden sind (§ 12 I AVAG).25 Zu den möglichen Einwendungen des Schuldners gehört auch ein gesetzlicher Forderungsübergang auf einen Sozialhilfeträger.26 Sie mussten auch mit der Beschwerde vorgebracht werden; andernfalls war der Antragsgegner wiederum präkludiert (§ 14 I AVAG). Problematisch hieran ist, dass diese Regelung unterstellt, dass eine § 767 II ZPO entsprechende Präklusion für alle Entscheidungen aus allen EU-Staaten besteht. Dies ist freilich nicht der Fall. Der ausländischen Entscheidung darf aber auch im Rahmen des Verfahrens der Vollstreckbarerklärung nicht eine Präklusionswirkung beigelegt werden, die sie im Erststaat nicht hat.27 Man sollte deshalb § 12 I AVAG iS der allgemeinen Lehre von der Wirkungserstreckung restriktiv auslegen. Art 45 I EuGVO ordnet freilich an, dass die Vollstreckbarerklärung nur aus den 28 Gründen der Art 43 oder 44 EuGVO versagt werden darf. Dies spricht dafür, dass materielle Einwendungen gegen den Anspruch im Verfahren nach der EuGVO ausgeschlossen sind.28 Dies gilt insb. für den Einwand der nachträglichen Erfüllung oder der Aufrechnung. Aus praktischen Gründen hat die deutsche Rechtsprechung eine Ausnahme für liquide (unstreitige oder rechtskräftig 21 BGHZ 171, 310, 316 (Tz 15) = FamRZ 2007, 989 (Gottwald) = IPRax 2008, 38 (dazu Hess, S 25); BGH (IX ZB 143/07, 10.10.2009) IPRspr. 2009, Nr 242, S 625 (Tz 6). 22 BGH NJW-RR 2010, 571 (Tz 7) = IPRax 2011, 81 (dazu Bittmann, S 55); Hau IPRax 1998, 255, 256. 23 BGH NJW 2002, 960 (nachträgliche Restschuldbefreiung im Ursprungsstaat); Wagner IPRax 2002, 75, 83; Graf wbl 2006, 97, 99ff. 24 Kropholler/v. Hein Art 41 EuGVO Rz 10; MüKo/Gottwald Art 41 EuGVO Rz 3; Stein/Jonas/Oberhammer Art 40, 41 Rz 38; Nelle, Anspruch, S 455; aA LG Darmstadt IPRax 2000, 309 (krit Mennicke, S 294); Geimer/Schütze Art 34 EuGVO Rz 7; einschränkend Schlosser Art 41 EuGVVO Rz 2. 25 BGHZ 180, 88, 93 (Rz 12) = FamRZ 2009, 858; Kropholler/v. Hein Art 43 EuGVO Rz 27. 26 BGH FamRZ 2011, 802 (Heiderhoff). 27 Krit Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 272ff, 278. 28 EuGH (13.10.2011, C-139/10, Prism Investments) NJW 2011, 3506 (Tz 30ff); so auch Meller-Hannich GPR 2012, 153; Rauscher/Mankowski Art 45 Brüssel I-VO Rz 6; MüKo/Gottwald Art 43 EuGVO Rz 9f; Althammer, unalex Kommentar Art 43 Rz 28f; Stein/Jonas/Oberhammer Art 43 Rz 15ff; Hess IPRax 2004, 493; aA Kropholler/ v. Hein Art 45 EuGVO Rz 6.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
festgestellte) Einwendungen gemacht.29 Jedoch hat der EuGH in der Prism Investments-Entscheidung eindeutig dargelegt, dass materielle Einwendungen in keinem Fall im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu beachten sind. Durch Gesetz vom 20.2.2013 hat der deutsche Gesetzgeber § 55 AVAG geändert. Die Neufassung stellt klar, dass die §§ 12, 14 AVAG bei der Vollstreckbarerklärung nach europäischem Recht (§ 1 I Nr 2 AVAG) nicht anwendbar sind.30 Soweit sie nicht zulässig sind, steht die Vollstreckungsabwehrklage ohne Weiteres offen.31 Sie wird in einem neuen § 56 AVAG ausdrücklich besonders zugelassen. 29
Der Antragsteller kann das Verfahren der Vollstreckbarerklärung in der Beschwerdeinstanz aufgrund von Umständen für erledigt erklären, die während des Beschwerdeverfahrens vorgefallen sind.32
30
dd) Gebühren des Verfahrens. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung kostet in 1. Instanz (Art 52 EuGVO entsprechend) 200 Euro (GKG-Kostenverzeichnis Nr 1510). Stellt der Anwalt den Antrag, so erhält er eine 1,3 Gebühr nach dem Gegenstandswert, §§ 2 II, 13 I RVG iVm VV Nr 3100. Auch die notwendigen Kosten eines ausländischen Verkehrsanwalts sind zu erstatten.33 Die Ausstellung einer Bescheinigung nach §§ 54 oder 56 AVAG kostet 10 Euro (GKG – KV Nr 1511); der Rechtsanwalt erhält für den Antrag auf Ausstellung keine besondere Gebühr (§ 19 I 2 Nr 9 RVG).
31
ee) Erfasste Titel. Nach Art 38 EuGVO/LugÜ werden grds alle Entscheidungen im Anwendungsbereich der EuGVO bzw des LugÜ (Art 32 EuGVO/LugÜ) für vollstreckbar erklärt, sofern sie im Urteilsstaat vollstreckbar sind und zugestellt wurden.34 Rechtskräftig müssen die Entscheidungen nicht sein. Den Interessen des Schuldners an einem Rechtsmittelverfahren im Ursprungsstaat kann nach Art 46 EuGVO/LugÜ durch Aussetzung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens oder durch Anordnung einer Sicherheitsleistung Rechnung getragen werden. Auch einstweilige Verfügungen können für vollstreckbar erklärt werden, wenn sie in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen sind; auf die tatsächliche Beteiligung des Gegners in dem zugrunde liegenden Verfahren kommt es nicht an. Zwangsgeldentscheidungen sind nur für voll29 So im Ergebnis BGH NJW 2012, 2663 (Tz 15) = RIW 2013, 83; BGHZ 171, 310 = FamRZ 2007, 989 (krit Gottwald) = NJW 2007, 3432; Peiffer Rz 829ff, 850, 930; BGHZ 180, 88, 93 = FamRZ 2009, 858 (zu Art 36 EuGVÜ); OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 803, 804; OLG Düsseldorf RIW 2005, 708, 709; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 435ff, 447ff; Geimer/Schütze Art 45 EuGVO Rz 11; Schlosser Art 43 EuGVVO Rz 14; Münzberg, FS Geimer, 2002, S 750; Hub NJW 2001, 3147; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap 27 Rz 222; Geimer, FS Georgiades, S 489, 505f; Graf wbl 2006, 97, 103ff; krit Hess IPRax 2008, 25. 30 BGBl 2013 I, 273; zur Begründung s Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens v 23.11.2007 (Art 2 Nr 3), BR-Drucks. 311/12 v. 25.5.2012. 31 C. Meller-Hannich GPR 2012, 153, 155ff; Geimer/Schütze Art 45 EuGVO Rz 12; Rauscher/Mankowski Art 45 Brüssel I-VO Rz 7. 32 BGH NJW-RR 2010, 571 (Tz 7) = IPRax 2011, 81. 33 Vgl OLG Düsseldorf RIW 1990, 500. 34 Vgl EuGHE 1999, I-2543 (Coursier v Fortis Bank) = IPRax 2000, 18 (dazu Linke, S 8); Althammer, unalex Kommentar Art 38 Rz 9f; Stein/Jonas/Oberhammer Art 38 Rz 20, 24ff.
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streckbar zu erklären, wenn die Höhe des Zwangsgelds im Ursprungsstaat endgültig festgesetzt wurde (Art 49 EuGVO/LugÜ).35 Erfasst sind auch Entscheidungen nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (EG) Nr 6/2002 v 12.12.2001, da diese in Art 79 I auf das EuGVÜ verweist und diese Verweisung nach Art 68 II EuGVO als Verweisung auf die EuGVO zu verstehen ist.36 Nicht vollstreckbar erklärt werden können ausländische Exequaturentschei- 32 dungen, da die Anerkennungsvoraussetzungen sonst durch Doppelexequierung umgangen werden könnten.37 Erfasst sind dagegen auch Kostenfestsetzungen und andere Nebenentscheidun- 33 gen. Die „ordonnance executoire“ des Präsidenten eines französischen Landgerichts zur Vollstreckbarerklärung einer Festsetzung eines Anwaltshonorars ist ebenfalls Entscheidung iS des Art 32.38 Auch Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind für vollstreckbar 34 zu erklären, insb einstweilige Unterhaltsanordnungen.39 Ausgeschlossen sind aber Entscheidungen, die auf einseitigen Antrag des Gläubigers hin ergangen sind („ex parte“); sie werden nach Ansicht des EuGH (vom EuGVÜ) nicht erfasst.40 Bei Erlass nach Beteiligung des Antragsgegners sind daher auch englische freezing order für vollstreckbar zu erklären. Nicht anzuerkennen sind schließlich Zwischenentscheidungen in gerichtli- 35 chen Verfahren.41 Beweisbeschlüsse, die eine Beweisaufnahme im Ausland anordnen, werden aber auf Ersuchen der EuBewVO, nach dem HBÜ 1970 bzw nach comitas gentium ausgeführt. Insolvenzrechtliche Entscheidungen eines anderen EU-Staats werden gem 36 Art 25 I EuInsVO, soweit erforderlich, nach Art 38ff EuGVO für vollstreckbar erklärt.42 Die zu vollstreckende Entscheidung muss im Urteilsstaat (formell) vollstreck- 37 bar sein (Art 38 I EuGVO).43 Nach Art 53 II, 54 EuGVO wird dieser Nachweis einfach durch die Bescheinigung gem Anhang V erbracht. Es genügt die vorläufige Vollstreckbarkeit. Hängt die Zwangsvollstreckung im Urteilsstaat von einer Sicherheitsleistung, dem Ablauf einer Frist oder dem Eintritt einer anderen 35 Vgl OLG Köln RIW 2004, 868; OLG Oldenburg NJOZ 2003, 3201. 36 OLG München EuZW 2011, 79 (Rz 22). 37 Kropholler/v. Hein Art 32 EuGVO Rz 15; Rauscher/Leible, Art 32 Brüssel I-VO Rz 14; Stein/Jonas/Oberhammer Art 32 Rz 3; Hess EuZPR § 6 Rz 176. 38 BGH NJW-RR 2006, 143; LG Karlsruhe IPRax 1992, 92 (dazu Reinmüller, S 73). 39 Vgl BGH NJW 1980, 2022; Stein/Jonas/Oberhammer Art 32 Rz 4. 40 Vgl EuGHE 1980, 1553 (Denilauler v Couchez Frères) = IPRax 1981, 95; EuGHE 1984, 3971 (Brennero v Wendel) = IPRax 1985, 339. 41 OLG Hamburg IPRax 2000, 530 (dazu Försterling, S 499). 42 Vgl Duursma-Kepplinger, EuInsVO, 2002, Art 25 Rz 5ff; Paulus, EuInsVO, 3. Aufl 2010, Art 25 Rz 13; MüKoInsO/Reinhart Art 25 EuInsVO Rz 6; Geimer/Schütze/Gruber, IRV, Art 25 EuInsVO Rz 16 ff.; Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl 2010, § 130 Rz 55. 43 Stein/Jonas/Oberhammer Art 38 Rz 21, 24ff; Althammer, unalex Kommentar Art 38 Rz 23ff; Rauscher/Mankowski Art 38 Brüssel I-VO Rz 11, 13ff.
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Tatsache ab, so muss der Zweitrichter prüfen, ob der Nachweis durch Urkunden geführt ist. Ausnahmsweise kann der Beweis auch in anderer Weise geführt werden (§ 7 AVAG).44 38
Entfällt die Vollstreckbarkeit (durch Aufhebung der Entscheidung oder Aussetzung der Vollstreckbarkeit während eines Rechtsmittelverfahrens), ist dies während des gesamten Verfahrens der Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigen; eine Vollstreckbarerklärung scheidet dann aus.45
39
Gegen einen Dritten kann die Vollstreckungsklausel nach § 7 I AVAG nur erteilt werden, wenn der Titel nach dem Recht des Ursprungsstaats gegen den Dritten vollstreckt werden könnte.46
40
Im Zweitstaat kann auch aus Vollstreckungsbescheiden vollstreckt werden (vgl § 32 AVAG; § 688 III ZPO). Nach § 32 III 1 AVAG beträgt die Widerspruchsfrist gegen den Mahnbescheid bei Zustellung im Ausland einen Monat; die Einspruchsfrist gegen den Vollstreckungsbescheid ist vom Richter bei der Zustellung zu bestimmen, §§ 700 I, 339 ZPO.
41
Ist die Zwangsvollstreckung im Urteilsstaat aus dem Titel ohne Vollstreckungsklausel zulässig, wie zB bei deutschen Vollstreckungsbescheiden (§ 796 I ZPO), bei Arrestbefehlen und einstweiligen Verfügungen (§§ 929 I, 936 ZPO), hat der Zweitrichter die Zwangsvollstreckung auch ohne Vorlage einer Klausel zuzulassen. Um praktische Probleme zu vermeiden, sind solche Titel auf Antrag in Deutschland aber mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, sofern ihre Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Land betrieben werden soll (§ 31 AVAG).
42
Im Vereinigten Königreich ist die zu vollstreckende Entscheidung nach Art 38 II EuGVO/LugÜ in einem der Rechtsprechungsbezirke England und Wales, Schottland oder Nordirland zu registrieren. Das Registrierungsverfahren entspricht dem der Vollstreckbarerklärung, ist aber förmlicher, da die Registrierung nicht schriftlich beantragt werden kann; der Antragsteller bzw sein Solicitor muss den Antrag vielmehr persönlich stellen.47
43
Nach Art 40 III, 53 II, 54 EuGVO/LugÜ muss der Antragsteller unter Vorlage der Formblattbescheinigung nur nachweisen, dass die Entscheidung im Urteilsstaat vollstreckbar ist. Soweit das LugÜ 1988 gilt, muss der Zweitrichter dagegen prüfen, ob die Entscheidung des Urteilsstaats dem Beklagten ordnungsgemäß zugestellt worden ist.48 Die entsprechenden Zustellungsurkunden sind mit vorzulegen (Art 47 Nr 1 LugÜ). Diese Zustellung ist von der des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zu unterscheiden. Ist Deutschland Urteilsstaat, sind die deutschen Zustellungsvorschriften anzuwenden.49 Bei Ver44 Rauscher/Mankowski Art 38 Brüssel I-VO Rz 13. 45 BGHZ 171, 310, 316 (Tz 15) = FamRZ 2007, 989 (Gottwald); BGH NJW-RR 2010, 1079 (Tz 8); Rauscher/Mankowski Art 38 Brüssel I-VO Rz 12a. 46 OLG Düsseldorf RIW 1999, 540. 47 Kropholler/v. Hein Art 38 EuGVO Rz 19. 48 OLG Frankfurt RIW 1978, 620. 49 Kropholler/v. Hein Art 34 EuGVO Rz 39; Art 38 EuGVO Rz 8.
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säumnisurteilen sind somit zwei Zustellungen nachzuweisen: (1) nach Art 46 Nr 2 LugÜ die Zustellung des den Rechtsstreit einleitenden Schriftstücks (Vorlage der Zustellungsurkunde in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift) und (2) nach Art 47 Nr 1 LugÜ die Zustellungsurkunde über das Versäumnisurteil selbst. Nach Art 41 S 1 EuGVO/LugÜ sind die Anerkennungsvoraussetzungen bzw 44 -hindernisse der Art 34, 35 EuGVO/LugÜ in erster Instanz nicht mehr zu prüfen; das neue Recht unterstellt also, dass Entscheidungen der Mitgliedstaaten generell anzuerkennen sind, so dass es genügt, auf Rechtsbehelf über Einwendungen erst in zweiter Instanz zu entscheiden.50 Für die Beschwerdeinstanz will der BGH allerdings an einer Amtsprüfung (ohne Amtsermittlung der Tatsachen) festhalten.51 Nur im Anwendungsbereich des LugÜ 1988 sind bereits in erster Instanz im 45 Rahmen der Vollstreckbarerklärung die Anerkennungsvoraussetzungen zu prüfen (Art 34 II, III iVm Art 27, 28 LugÜ). Ohne Rüge des Gegners ist diese Prüfung aber häufig nur begrenzt möglich. Liegen alle Voraussetzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel vor, entscheidet der Zweitrichter unverzüglich (Art 41 S 1 EuGVO/LugÜ).
46
Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner wird das erst- 47 instanzliche Verfahren der Klauselerteilung nicht unterbrochen; ein Antrag auf Klauselerteilung kann neu gestellt werden.52 Gleiches gilt für den Antrag auf Vervollständigung eines Anerkenntnisurteils, um die Vollstreckbarerklärung im Ausland beantragen zu können.53 Dagegen wird das Beschwerdeverfahren nach Art 43 EuGVO iVm §§ 11ff AVAG als streitiges Verfahren nach § 240 ZPO unterbrochen.54 Gewöhnlich wird im schriftlichen Verfahren entschieden. In keinem Fall wird 48 der Antragsgegner gehört (Art 41 S 2 EuGVO/LugÜ). Die Vollstreckungsklausel ergibt sich aus § 9 AVAG. Nach Art 42 I EuGVO/LugÜ teilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Antragsteller die Entscheidung des Zweitrichters unverzüglich mit. Diese Mitteilung erfolgt an den benannten Zustellungsbevollmächtigten, hilfsweise durch Aufgabe zur Post (§ 5 AVAG). ff) Nach EuGVO/LugÜ ist der Antragsteller bereits vor der Vollstreckbarer- 49 klärung befugt, aufgrund des anzuerkennenden Titels einstweilige Maßnahmen einschließlich der Sicherungsvollstreckung nach Maßgabe des jeweiligen
50 Althammer, unalex Kommentar Art 41 Rz 10; Stadler, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ, S 37, 56. 51 BGH FamRZ 2008, 586 (krit Gottwald). 52 OLG Bamberg ZIP 2006, 1066; OLG Saarbrücken IPRax 1995, 35 (dazu Heß, S 16); Rauscher/Mankowski Art 40 Brüssel I-VO Rz 6a; aA MüKoInsO/Reinhart, Art 102 EGInsO Rz 172. 53 OLG Frankfurt IPRax 2002, 35, 36 (dazu Rinne/Sejas, S 28, 29). 54 OLG Köln ZIP 2007, 2287; Gruber IPRax 2007, 426, 428; MüKo/Gottwald, Art 38 EuGVO Rz 19.
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nationalen Rechts zu ergreifen (Art 47 I EuGVO/LugÜ).55 Entsprechende Anträge kann der Gläubiger in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig stellen.56 Ein Antrag nach Art 41 EuGVO/LugÜ muss dazu nicht gestellt, doch müssen die nach Art 53 ff EuGVO/LugÜ erforderlichen Urkunden vorgelegt werden.57 50
Die Vollstreckbarerklärung gibt dann (ex lege) definitiv diese Befugnis (Art 47 II EuGVO), ist also sachlich wie ein Arrestbeschluss zu behandeln.58 Diese Befugnis wird in den §§ 19 bis 24 AVAG näher ausgestaltet. Solange die Rechtsbehelfsfrist gegen die Vollstreckbarerklärung läuft und über die eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden ist, darf die Zwangsvollstreckung aber nicht über Sicherungsmaßnahmen hinausgehen (Art 47 III EuGVO; § 22 II AVAG).59
51
Im Fall des Art 47 I EuGVO dürfen die Versagungsgründe der Art 34, 35 EuGVO vor Erlass von Sicherungsmaßnahmen nicht geprüft werden (arg Art 41 EuGVO).60
52
Nach EuGVO und LugÜ ist dem Antragsteller die Vollstreckungsklausel mit der Mitteilung nach Art 42 auszuhändigen. Denn Sinn des einseitigen Klauselerteilungsverfahrens ist, dass der Gläubiger den Schuldner mit der Sicherungsvollstreckung nach Art 47 III EuGVO/LugÜ überraschen kann. Die Aushändigung der Klausel darf daher nicht bis zum Nachweis der Zustellung von Titel und Klausel an den Schuldner (vgl §§ 9 I, 10 III 1 AVAG) zurückgestellt werden.61 § 750 ZPO verlangt keine Zustellung des Titels vor der Vollstreckung, sondern lässt eine Zustellung „gleichzeitig“ mit dem Beginn der Vollstreckung genügen.62
53
gg) Die Vollstreckungsklausel muss bestimmt und eindeutig sein. Schwierigkeiten ergeben sich aus der unterschiedlichen Tenorierungspraxis in den einzelnen Ländern. Ausländische Titel, die nach deutscher Vorstellung unbestimmt sind, sind in der Vollstreckungsklausel zu konkretisieren, soweit die fehlenden Angaben aus ausländischen Gesetzen oder amtlichen Statistiken zu
55 Vgl Althammer, unalex Kommentar Art 47 Rz 1ff; Rauscher/Mankowski Art 47 Brüssel I-VO Rz 1ff, 6ff; Stein/Jonas/Oberhammer Art 47 Rz 4ff; Hess EuZPR § 6 Rz 235ff; Krumscheid RIW 2003, 389; Ch. Mauch, Die Sicherungsvollstreckung, S 44ff; Berger/Otte, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, 2006, Kap 18 Rz 73ff; Peiffer Rz 763ff. 56 Geimer/Schütze, Art 47 EuGVO Rz 10. 57 Berger/Otte Kap 18 Rz 74. 58 Rauscher/Mankowski Art 47 Brüssel I-VO Rz 12; vgl Kropholler/v. Hein Art 47 EuGVO Rz 13; Hess EuZPR § 6 Rz 37. 59 Vgl Althammer, unalex Kommentar Art 47 Rz 10; Stein/Jonas/Oberhammer Art 47 Rz 10ff; Peiffer Rz 756 ff. 60 Magnus/Mankowski/Pålsson Art 47 Rz 4; MüKo/Gottwald Art 47 EuGVO Rz 4; Gebauer/Wiedmann Kap 27 Rz 229; aA Rauscher/Mankowski Art 47 Brüssel I-VO Rz 7; Kropholler/v. Hein Art 47 EuGVO Rz 5; Hk-ZPO/Dörner Art 47 EuGVO Rz 2. 61 Geimer/Schütze Art 42 EuGVO Rz 9ff; Schlosser Art 43 EuGVO Rz 5; aA OLG Saarbrücken RIW 1994, 1048 = IPRax 1995, 244 (dazu Haas, S 223); Rauscher/Mankowski Art 42 Brüssel I-VO Rz 3. 62 Vgl Kropholler/v. Hein Art 47 EuGVO Rz 13; Rauscher/Mankowski Art 47 Brüssel I-VO Rz 12.
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ergänzen sind.63 Hierher gehört die Konkretisierung der Verurteilung zur Zahlung „gesetzlicher Zinsen“,64 „zuzüglich Mehrwertsteuer“65, der Beginn der Zinspflicht66 oder die Verurteilung zu dynamisiertem Unterhalt (entsprechend einem amtlichen Index).67 Nicht konkretisierbar sind Lohnquotentitel, da der jeweilige Monatslohn nicht durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden kann.68 Fremdwährungstitel werden ohne Umrechnung mit der Vollstreckungsklausel versehen.69
54
Handelt es sich um einen Unterlassungstitel, in dem Ordnungsmittel noch 55 nicht angedroht sind (vgl § 890 II ZPO), ist diese Androhung auf Antrag des Gläubigers mit in die Vollstreckungsklausel aufzunehmen. Nach Ansicht des BGH ist dies aber zweifelhaft, wenn die Unterlassungsverfügung im Ursprungsstaat nicht selbst erzwungen werden kann, sondern Zuwiderhandlungen lediglich eine Schadenersatzpflicht auslösen.70 Wird die Vollstreckungsklausel erteilt, muss der mit der Vollstreckungsklausel 56 versehene Schuldtitel und gegebenenfalls seine Übersetzung dem Schuldner von Amts wegen zugestellt werden (Art 42 II EuGVO/LugÜ; § 10 I AVAG). Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften des Vollstreckungsstaats. Dabei gibt es keine Schwierigkeiten, wenn der Schuldner im Vollstreckungsstaat wohnt. Ist dies jedoch nicht der Fall und die Zuständigkeit des Zweitrichters auf dem Gerichtsstand des Schuldnervermögens gegründet, so muss ihm die Entscheidung entweder in Person oder in seiner Wohnung zugestellt werden (Art 43 V 2 EuGVO/LugÜ), sofern er seinen Wohnsitz in einem anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaat hat (§ 55 II AVAG). Diese besondere Schutzvorschrift für den Schuldner schließt nicht nur eine Zustellung im Wege der „remise au parquet“ und eine öffentliche Zustellung aus, sondern auch gewisse Ersatzzustellungen, wie sie in vielen Zivilprozessordnungen vorgesehen sind.71 hh) Die besondere Zustellungsregelung ist deshalb von Bedeutung, weil von 57 der danach bewirkten Zustellung die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs für den Schuldner zu laufen beginnt. Wohnt der Schuldner im Vollstre63 BGHZ 122, 16, 19ff = NJW 1993, 1801 = IPRax 1994, 367 (dazu H. Roth, S 350); Althammer, unalex Kommentar Art 38 Rz 17; Hess EuZPR § 6 Rz 222; vgl Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 492ff. 64 BGH RIW 1990, 497; OLG Zweibrücken IPRax 2006, 49 (dazu H. Roth S 22); S. Seidl, S 208ff; s aber OLG Köln IPRax 2006, 51 (anwendbares Recht muss feststellbar sein). 65 S. Seidl, S 210. 66 OLG Zweibrücken IPRax 2006, 49(dazu H. Roth, S 22); v Falck, S 58ff, 76ff, 148ff, 174ff. 67 S. Seidl, S 210f. 68 S. Seidl, S 211. 69 Stein/Jonas/Oberhammer Art 40, 41 Rz 23; Bachmann, Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung, 1994, S 50ff. 70 Vgl BGH WM 2000, 635, 637f (Vorlage der Frage an den EuGH). 71 Kropholler/v. Hein Art 43 EuGVO Rz 15; Geimer/Schütze/Haß Art 36 EuGVO Rz 8; Rauscher/Mankowski Art 43 Brüssel I-VO Rz 16; Althammer, unalex Kommentar Art 43 Rz 15.
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ckungsstaat, beträgt die Frist einen Monat, wohnt er in einem anderen Mitglied- bzw Vertragsstaat, beträgt sie zwei Monate (Art 43 V 2 EuGVO/LugÜ). Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen. Die Beschwerdefrist beginnt erst mit ordnungsgemäßer Zustellung, nicht bereits mit Kenntnis des Schuldners von der Klauselerteilung zu laufen.72 Da § 55 I AVAG die Anwendung von § 10 II AVAG ausschließt, ist eine Fristverlängerung im Einzelfall nicht zulässig. Wohnt der Schuldner in einem Drittstaat, bleibt es bei der Monatsfrist des Art 43 V 1 EuGVO/LugÜ. Die Literatur meint aber, in diesem (nicht von Art 43 V 2, 3 EuGVO/LugÜ erfassten Fall) sei eine Fristverlängerung zulässig.73 Da § 55 I AVAG aber jede Anwendung von § 10 II AVAG ausschließt, erscheint dies zweifelhaft. 58
Die Beschwerde ist in der Bundesrepublik Deutschland bei dem zuständigen Oberlandesgericht einzureichen (Art 43 II EuGVO/LugÜ m Anh III). Zuständig ist dort der Senat in voller Besetzung.74 Da die Beschwerde auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann, besteht insoweit kein Anwaltszwang (§ 11 I 1 AVAG, § 78 II ZPO). Die Zulässigkeit der Beschwerde wird nicht dadurch berührt, dass sie bei dem Landgericht, das die Vollstreckung zugelassen hat, eingelegt worden ist (§ 11 II AVAG). Das Landgericht darf der Beschwerde in diesem Fall aber nicht abhelfen, sondern hat sie dem Oberlandesgericht vorzulegen.75 Das Oberlandesgericht kann ebenfalls ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 13 I 1 AVAG). Solange eine mündliche Verhandlung nicht angeordnet ist, können Anträge und Erklärungen auch vor dem Oberlandesgericht zu Protokoll abgegeben werden (§ 13 II 1 AVAG). Wird mündliche Verhandlung angeordnet, so sind die Parteien bei der Ladung, soweit nötig, aufzufordern, einen Anwalt zu bestellen (§ 13 II 2 AVAG; § 215 II ZPO).
59
Da es sich um ein kontradiktorisches Verfahren76 handelt, wird es nach § 240 ZPO unterbrochen, wenn nach Einlegung des Rechtsbehelfs über das Vermögen des Schuldners (aber auch des Gläubigers) ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.77
60
ii) Gegen die Entscheidung des OLG findet die Rechtsbeschwerde an den BGH statt, sofern ein entsprechendes Urteil die Revisionsvoraussetzungen erfüllen würde (§§ 15ff AVAG).78 Nach § 15 I AVAG, § 574 II ZPO muss die Sache 72 EuGHE 2006, I-1579 (Gaetano Verdoliva v Van der Hoeven) = RIW 2006, 304 = NJW 2006, 1114. 73 Vgl Stein/Jonas/Oberhammer Art 43 Rz 10; Althammer, unalex Kommentar Art 43 Rz 18; Magnus/Mankowski/Kerameus Art 43 Rz 15; wie hier Kropholler/v. Hein Art 43 EuGVO Rz 21f. 74 OLG Zweibrücken RIW 2005, 779, 780; OLG Köln IPRax 2003, 354. 75 OLG Celle IPRax 2005, 450 (dazu H. Roth, S 438); OLG Zweibrücken RIW 2005, 779. 76 Vgl Pflugmacher, Beweiserhebung und Anerkenntnis im Klauselerteilungsverfahren, 2001. 77 So OLG Zweibrücken RIW 2001, 700; OLG Köln ZIP 2007, 2287; Kropholler/v. Hein Art 43 EuGVO Rz 11; Rauscher/Mankowski Art 43 Brüssel I-VO Rz 14; MüKo/Gottwald Art 38 EuGVO Rz 19; Althammer, unalex Kommentar Art 43 Rz 9. 78 Vgl BGH (IX ZB 28/04 v 8.12.2005) WM 2006, 502 (Rz 3) = NJW-RR 2006, 1290.
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grundsätzliche Bedeutung haben; ansonsten ist die Rechtsbeschwerde unzulässig.79 Das OLG muss die Rechtsbeschwerde auch dann zulassen, wenn es von einer Entscheidung des EuGH abweicht (§ 15 I AVAG). Weist das OLG die Beschwerde des Schuldners zurück oder lässt es auf Be- 61 schwerde des Gläubigers die Zwangsvollstreckung zu, so kann die Zwangsvollstreckung über Sicherungsmaßnahmen hinaus fortgesetzt werden (§ 22 I AVAG). Auf Antrag des Schuldners kann aber bis zum Ablauf der Frist für die Rechts- 62 beschwerde die Zwangsvollstreckung mit oder ohne Sicherheitsleistung auf eine Sicherungsvollstreckung beschränkt werden, wenn die weitergehende Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 22 II AVAG). jj) Nach Art 46 I EuGVO/LugÜ kann das mit dem Rechtsbehelf befasste Ge- 63 richt das Verfahren der Vollstreckbarerklärung auf Antrag aussetzen, wenn gegen die Entscheidung im Urteilsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt wurde oder die Rechtsbehelfsfrist noch läuft. Bei seiner Ermessensentscheidung kann das Gericht die Erfolgsaussichten des ausländischen Rechtsbehelfs berücksichtigen.80 Das Gericht prüft, ob die Entscheidung ersichtlich fehlerhaft und mit ihrer Aufhebung zu rechnen ist. Dabei dürfen nur neue Gründe beachtet werden, die der Schuldner im Ursprungsverfahren noch nicht vorbringen konnte.81 Nach § 22 II, III AVAG führt die Aussetzung aber nur zu einer Beschränkung des Gläubigers auf die Sicherungsvollstreckung.82 Im Rahmen der Sicherungsvollstreckung ist der Schuldner auch verpflichtet, eine eidesstattliche Versicherung über sein Vermögen abzugeben.83 Das Gericht kann diese Aussetzung auch wieder aufheben.84 Wird die Ent- 64 scheidung im Ausland aufgehoben oder abgeändert, wird der Antrag auf (unveränderte) Vollstreckbarerklärung unzulässig; das Verfahren kann für erledigt erklärt werden.85 Was ordentlicher Rechtsbehelf ist, ist autonom nach EuGVO bzw LugÜ zu be- 65 stimmen und weit auszulegen. Erfasst ist jeder Rechtsbehelf, der zur Aufhebung oder Abänderung der dem Verfahren zugrunde liegenden Entscheidung im Erststaat führen kann und für dessen Einlegung eine mit Erlass der Ent79 BGH (8.11.2012, IX ZB 120/11 u IX ZA 12/11) WM 2013, 45. 80 OLG Nürnberg WM 2011, 700 (Tz 86); Peiffer Rz 759ff; Rauscher/Mankowski Art 46 Brüssel I-VO Rz 12; MüKo/Gottwald Art 46 EuGVO Rz 4; Althammer, unalex Kommentar Art 46 Rz 7. 81 EuGHE 1991, I-4743 (Tz 33) (van Dalfsen v van Loon) = EWS 1993, 119; OLG Nürnberg WM 2011, 700 (Tz 86); Stein/Jonas/Oberhammer Art 46 Rz 9; Althammer, unalex Kommentar Art 46 Rz 8. 82 BGH NJW-RR 2006, 996 (Rz 4); Geimer/Schütze Art 46 EuGVVO Rz 27; Rauscher/ Mankowski Art 46 Brüssel I-VO Rz 15. 83 BGH NJW-RR 2006, 996 (Rz 5ff). 84 Hau IPRax 1996, 322, 323. 85 Vgl OLG Düsseldorf IPRax 1998, 279 (dazu Hau, S 255); BGH NJW 1980, 2022; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 399f.
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scheidung laufende Frist besteht.86 Wiederaufnahmeverfahren gehören aber nicht dazu.87 66
Erfasst sind danach auch der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil sowie die Kassation der romanischen Rechtssysteme.88 Nach dem Sinn und Zweck genügt auch die Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage im Erststaat.89
67
Der Zweitrichter braucht seine Entscheidung aber nicht auszusetzen, wenn gegen die Entscheidung des Erstrichters ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt ist. Er kann auch die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen (Art 46 III EuGVO/LugÜ90). Eine solche Sicherung ist aber nicht anzuordnen, wenn der Schuldner bereits durch eine solche nach § 22 II AVAG geschützt ist.91
68
Lehnt das Gericht eine Aussetzung ab oder hebt es eine früher angeordnete Aussetzung auf, so gibt es dagegen keine Rechtsbeschwerde. Auch wenn gegen die Vollstreckbarerklärung Rechtsbeschwerde eingelegt wird, ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht befugt, eine Aussetzung des Verfahrens erstmals oder erneut anzuordnen.92
69
kk) Wird der Antrag des Antragstellers vom Zweitrichter abgelehnt, so kann er Beschwerde an das Oberlandesgericht einlegen (Art 43 I, II EuGVO/LugÜ). Frist und Form der Beschwerde richten sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaats, weil EuGVO bzw LugÜ dafür keine Vorschriften enthalten. Es besteht wiederum kein Anwaltszwang. In diesem Verfahren muss der Schuldner gehört werden (Art 43 III EuGVO/LugÜ). Lässt er sich auf das Verfahren nicht ein, sind Art 26 II-IV EuGVO/LugÜ auch dann anzuwenden, wenn er seinen Wohnsitz nicht in dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds- bzw Vertragsstaats hat. Das Verfahren muss solange ausgesetzt werden, bis der Schuldner im Wege der internationalen Rechtshilfe geladen worden ist.
70
Gegen die Entscheidung des OLG findet die Rechtsbeschwerde an den BGH statt (Art 44 EuGVO/LugÜ mit Anhang IV). Überprüft werden nur Rechtsfehler der zweitinstanzlichen Beschwerdeentscheidung, etwa bei der Beurteilung von Anerkennungsversagungsgründen.93
71
ll) Ist dem Antragsteller in dem Verfahren vor dem Erstrichter Prozesskostenhilfe bewilligt worden, genießt er diese (anders als nach § 114 ZPO) ohne Weiteres auch für das Verfahren vor dem Zweitrichter (Art 50 EuGVO/LugÜ). 86 EuGHE 1977, 2175 (Industrial Diamond Supplies v Riva) = NJW 1978, 1107 (LS). 87 Schuschke/Walker/Jennissen, 5. Aufl 2011, Art 46 EuGVVO Rz 2. 88 MüKo/Gottwald Art 37 EuGVO Rz 4; Hess EuZPR § 6 Rz 242; aA OLG Koblenz RIW 1977, 102 (Schütze). 89 Kropholler/v. Hein Art 46 EuGVO Rz 3; MüKo/Gottwald Art 46 EuGVO Rz 5; aA Rauscher/Mankowski Art 46 Brüssel I-VO Rz 8; Geimer/Schütze EuZPR Art 46 EuGVO Rz 15. 90 Vgl OLG Celle RIW 1979, 129; Althammer, unalex Kommentar Art 46 Rz 10ff. 91 OLG Hamburg RIW 1995, 680, 681. 92 EuGHE 1995, I-2269 (SISRO v Ampersand) = RIW 1995, 940 = IPRax 1996, 366 (dazu Hau, S 322). 93 Althammer, unalex Kommentar Art 44 Rz 2, 4.
700
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
§ 15
Nach Art 51 EuGVO/LugÜ darf einer Partei, die in einem Mitglieds- bzw Ver- 72 tragsstaat eine in einem anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaat ergangene Entscheidung vollstrecken will, wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden (s auch o § 5 Rz 83). Der Schuldner ist durch diese Regelung dann benachteiligt, wenn der Gläubiger in einem Drittstaat ansässig ist und im Verhältnis des Vollstreckungsstaats zu diesem das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess v 1.3.1954 nicht gilt.94 mm) Wird der für vollstreckbar erklärte Titel nachträglich im Erststaat auf- 73 gehoben oder abgeändert, so kann nach § 27 AVAG die Aufhebung oder Änderung der Vollstreckungsklausel bei dem Gericht beantragt werden, das die Klausel erteilt hat.95 Da dieses vereinfachte Verfahren zur Verfügung steht, ist eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) unzulässig.96
c) Die Vollstreckung aus öffentlichen Urkunden und Prozessvergleichen Schrifttum: A. Dürrenmatt-Atteslander, Der Prozessvergleich im internationalen Verhältnis, 2006; T. Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, 2006; F. Guillaume/M. Schwitter, Europäische und schweizerische öffentliche Urkunden als Vollstreckungstitel, AJP 2006, 660; Lambert, Die europäische öffentliche Urkunde, FS G. Weißmann, Wien 2003, S 477; Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, 1997; J. Püls, Die Vollstreckung aus notariellen Urkunden in Europa, FS Spellenberg, 2010, S 481; Rechberger, Die Vollstreckung notarieller Urkunden nach der EuGVVO, FS G. Weißmann, 2003, S 771; Rechberger, Perspektiven der grenzüberschreitenden Zirkulation und Vollstreckung notarieller Urkunden in Europa, FS Geimer, 2002, S 903; Trittmann/Merz, Die Durchsetzbarkeit des Anwaltsvergleichs … im Rahmen des EuGVÜ/LugÜ, IPRax 2001, 178; C. Visinoni-Meyer, Die Vollstreckung einer öffentlichen Urkunde gemäß Art 50 LugÜ in der Schweiz, FS Karl Spühler, 2005, S 419; H. Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde (§ 53 Europäische Urkundenvollstreckung), 3. Aufl 2011, S 708.
74
(1) Öffentliche Urkunden Die Vollstreckung aus ausländischen öffentlichen Urkunden (vgl die Definiti- 75 on in Art 4 Nr 3 lit a EuVTVO) ist in der ZPO nicht vorgesehen. Art 57 EuGVO/LugÜ erleichtert daher den Rechtsverkehr zwischen den Mitglieds- bzw Vertragsstaaten, da danach die in einem derartigen Staat aufgenommenen öffentlichen Urkunden in jedem anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaat für vollstreckbar erklärt werden können. Es muss sich um eine vollstreckbare öffentliche Urkunde97 über Ansprüche in Zivil- oder Handelssachen handeln (Art 1 I 1 EuGVO/LugÜ). Urkunden über öffentlich-rechtliche Ansprüche, aber auch
94 Vgl Kropholler/v. Hein Art 51 EuGVO Rz 2 („gewisse Erschwerung“); Rauscher/Mankowski Art 51 Brüssel I-VO Rz 3. 95 Vgl BGH NJW 1980, 2022. 96 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 333f. 97 Für autonome Auslegung des Begriffs EuGHE 1999, I-3715 (Unibank v Christensen) = IPRax 2000, 409; Ten Wolde/Knot/Hausmann, unalex Kommentar Art 57 Rz 8.
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§ 15
Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
über Ansprüche, die nach § 1 II EuGVO/LugÜ vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, sind nicht erfasst.98 Ab 2015 verweist freilich Art 35 EuErbVO für Urkunden über erbrechtliche Ansprüche auf Art 57 EuGVO. 76
Entscheidend ist, dass die öffentliche Urkunde in einem Mitglieds- bzw Vertragsstaat aufgenommen und vollstreckbar ist. Die Urkunde muss im Ursprungstaat von einer öffentlichen Stelle (Notar, Behörde, sonstige Urkundsperson) ausgestellt bzw vor ihr errichtet worden sein.99 Die Staatsangehörigkeit der Beteiligten und die Verbindung des Rechtsverhältnisses zu irgendeinem Staat sind irrelevant,100 desgleichen auch der Wohnsitz der Parteien.
77
In der Urkunde muss eine private Erklärung beurkundet sein; Verwaltungsakte oder Kostenfestsetzungen der Notare scheiden daher aus.101 Art 57 II EuGVO/ LugÜ stellt klar, dass auch Jugendamtsurkunden nach §§ 59, 60 SGB VIII erfasst sind. (Allerdings hat im Verhältnis der EU-Staaten untereinander insoweit inzwischen Art 48 II EuUnthVO Vorrang.)102 Vollstreckbare Privaturkunden erfüllen nicht die Form.103 Der vom französischen huissier ausgestellte „titre exécutoire“ ist öffentliche Urkunde iS von Art 57 EuGVO/LugÜ.104 Öffentliche Urkunden, die in einem Drittstaat aufgenommen sind, fallen nicht unter Art 57 EuGVO/LugÜ. Anders ist es mit Urkunden, die ein Konsularbeamter eines Mitglieds- bzw Vertragsstaats außerhalb des Entsendestaats aufgenommen hat, weil sie als innerhalb der Hoheitssphäre eines Mitglieds- bzw Vertragsstaats aufgenommen gelten.105 Die Urkunde muss schließlich im Beurkundungsstaat vollstreckbar sein. Dies ist jetzt auch bei vollstreckbaren Urkunden der Fall, die vor Notaren errichtet werden (s Art 347 Schweiz.ZPO).106
78
Zu den öffentlichen Urkunden gehören auch Vergleiche, die nicht vor einem Richter, sondern vor Gütestellen (§§ 794 I Nr 1, 797a ZPO) oder vor Einigungsstellen zur Beilegung von Wettbewerbsstreitigkeiten nach § 15 VI, VII UWG geschlossen werden.107 Der Anwaltsvergleich (§ 796a ZPO) ist zunächst keine öffentliche Urkunde; er wird dazu aber, sobald er vom Gericht oder vom Notar
98 Kropholler/v. Hein Art 57 EuGVO Rz 1; Hess IZPR § 6 Rz 262; aA Geimer/Schütze EuZVR Art 57 EuGVO Rz 24; Wolfsteiner Vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl 2011, Rz 53.8. 99 Kropholler/v. Hein Art 57 EuGVO Rz 3; Stein/Jonas/Oberhammer Art 57 Rz 11. 100 Wolfsteiner Rz 53.3. 101 Schlosser Art 57 EuGVVO Rz 1; Wolfsteiner Rz 53.6. 102 MüKo/Gottwald Art 57 EuGVO Rz 11. 103 EuGHE 1999, I-3715 (Unibank v Christensen) = IPRax 2000, 409 (dazu Geimer, S 367) = ZZPInt 6 (2001), 179 (Geimer). 104 OLG Saarbrücken IPRax 2001, 238 (dazu Reinmüller, S 207). 105 Kropholler/v. Hein Art 57 EuGVO Rz 5; Wolfsteiner Rz 53.3. 106 Vgl Schmid, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizer. ZPO, 2. Aufl 2013, Art 347 Rz 1ff. Krit wegen der möglichen Einwände des Schuldners Stein/Jonas/Oberhammer Art 57 Rz 19, 24. 107 Vgl Kropholler/v. Hein Art 58 EuGVO Rz 1a; MüKo/Gottwald Art 57 EuGVO Rz 1.
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Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
§ 15
für vollstreckbar erklärt worden ist (§§ 796b, 796c ZPO).108 Gleiches gilt für eine Mediationsvereinbarung vor einem privaten Mediator.109 Derartige öffentliche Urkunden werden im Verfahren nach Art 38 ff EuGVO/ LugÜ für vollstreckbar erklärt.
79
Der Antragsteller hat eine Ausfertigung der Urkunde (Art 57 IV, 53 I EuGVO/ LugÜ), zusammen mit zwei Abschriften (§ 4 IV AVAG) zuzüglich auf Verlangen des Gerichts mit Übersetzungen (Art 55 II EuGVO/LugÜ) vorzulegen.
80
Den Nachweis der Vollstreckbarkeit im Aufnahmestaat kann er durch Vorlage 81 der Bescheinigung nach Art 57 IV 2 EuGVO/LugÜ iVm Anhang VI führen. Bei deutschen Urkunden bedarf es zur Ausstellung der Bescheinigung zuvor der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung.110 Eine notarielle Urkunde kann unter den gleichen Voraussetzungen auch von 82 einem Notar für vollstreckbar erklärt werden (§ 55 III AVAG).111 Der Notar erhält hierfür eine Gebühr von 200 Euro (§ 148a III 1 KostO). Für die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 56 AVAG erhält er eine Gebühr von 10 Euro (§ 148a III 2 KostO). Im Gegensatz zu den (endgültigen) Ablehnungsgründen für die Anerkennung 83 bzw Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (Art 34, 35 EuGVO/LugÜ) kann der Antrag bei öffentlichen Urkunden nur abgelehnt werden, wenn die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaats (offensichtlich) widersprechen würde (Art 57 I 2 EuGVO/LugÜ). Ein Verstoß der Urkundsperson gegen nationale Zuständigkeitsregeln ist irrelevant.112 Grobe Mängel des Beurkundungsverfahrens können freilich dazu führen, dass die Beurkundung nicht wirksam ist und damit gar keine vollstreckbare Urkunde vorliegt.113 Gericht oder Notar prüfen wie bei gerichtlichen Entscheidungen nur die for- 84 mellen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung (Titel, Vollstreckbarkeit, Anwendbarkeit von EuGVO/LugÜ). Auch ein eventueller ordre public-Verstoß berechtigt nach dem eindeutigen Wortlaut von Art 57 I 2 EuGVO erst das Beschwerdegericht die Vollstreckbarkeit auf Rechtsbehelf hin zu versagen.114
108 Geimer IPRax 2000, 366, 367; Trittmann/Merz IPRax 2001, 178, 180ff; Rauscher/ Staudinger Art 57 Brüssel I-VO Rz 5; Hk-ZPO/Dörner Art 57 EuGVVO Rz 6; aA Wolfsteiner Rz 53.21. 109 Ten Wolde/Knot/Hausmann, unalex Kommentar Art 57 Rz 14; vgl Rauscher/Staudinger Art 57 Brüssel I-VO Rz 6a. 110 Wolfsteiner Rz 53.27. 111 Vgl Wolfsteiner Rz 53. 36ff.; Fleischhauer MittBayNot 2002, 15, 19f. 112 Geimer IPRax 2000, 366, 369; Wolfsteiner Rz 53.33; Ten Wolde/Knot/Hausmann, unalex Kommentar Art 57 Rz 23. 113 Stein/Jonas/Oberhammer Art 57 Rz 27. 114 Hess IZPR § 6 Rz 263; Kropholler/v. Hein Art 57 EuGVO Rz 11; MüKo/Gottwald Art 57 EuGVO Rz 19; aA (für liquide Verstöße) Wolfsteiner Rz 53.46ff.
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§ 15 85
Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
Mit der Beschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung können nach § 12 II AVAG Einwendungen gegen den Titel auch aus der Zeit vor der Errichtung vorgebracht werden.115 Diese Regelung ist freilich verfehlt. Denn einmal kann sich aus der Parteivereinbarung oder dem ausländischen Errichtungsstatut durchaus eine zeitliche Präklusion ergeben;116 es ist kein Grund ersichtlich, warum diese in Deutschland nicht mehr gelten sollte. Zum anderen widerspricht die allgemeine Zulassung materieller Einwendungen Art 57 I 2 EuGVO. Danach kann nur der ordre public-Verstoß gerügt werden. Alle anderen (streitigen) Einwendungen sind der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) vorbehalten.117
(2) Prozessvergleiche 86
Nach Art 58 EuGVO/LugÜ werden ausländische gerichtliche Vergleiche unter denselben Voraussetzungen wie öffentliche Urkunden vollstreckt. Dies betrifft insb Prozessvergleiche nach § 794 I Nr 1 ZPO, auch wenn sie nach § 278 VI ZPO abgeschlossen wurden.118 Auch der Vergleich muss sich auf eine Zivilund Handelssache beziehen, die nach Art 1 in den Anwendungsbereich von EuGVO bzw LugÜ fällt.119 Für eine Einbeziehung von Vergleichen über ausgeschlossene Angelegenheiten enthalten Art 58 EuGVO/LugÜ keinen Anhaltspunkt. Unterhaltsvergleiche sind jetzt nach Art 48 EuUnthVO, Vergleiche in Erbrechtssachen sind ab 2015 nach Art 33 EuErbVO anzuerkennen und zu vollstrecken.
87
Die Vollstreckbarerklärung erfolgt unter denselben Voraussetzungen wie bei öffentlichen Urkunden (Art 58 S 1 EuGVO/LugÜ). Die nötigen Nachweise kann der Antragsteller durch Vorlage der Bescheinigung nach Formblatt gem Anhang V führen. Für inländische Vergleiche erteilt die Bescheinigung das Gericht, das für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zuständig ist (§ 56 AVAG). Abgelehnt werden darf die Vollstreckbarerklärung auf Rechtsbehelf des Schuldners nur wegen eines ordre public-Verstoßes. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts für das Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wurde, ist irrelevant.120 Der Schuldner kann materielle Einwen115 Rechberger, FS Weißmann, S 771, 779f. 116 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 279f. 117 Kropholler/v. Hein Art 57 EuGVO Rz 14; Rauscher/Staudinger Art 57 Brüssel I-VO Rz 18, Art 58 Rz 16, 18; Hk-ZPO/Dörner Art 57 EuGVVO Rz 12; MüKo/Gottwald Art 57 EuGVO Rz 22f; Stein/Jonas/Oberhammer Art 57 Rz 29; Ten Wolde/Knot/ Hausmann, unalex Kommentar Art 57 Rz 25; Hess EuZPR § 6 Rz 264; Nelle, Anspruch, S 484ff; Leutner, Vollstreckbare Urkunde, S 279ff. 118 Kropholler/v. Hein Art 58 EuGVO Rz 1b; Rauscher/Staudinger Art 58 Brüssel I-VO Rz 9; Ten Wolde/Knot/Hausmann, unalex Kommentar Art 58 Rz 11. 119 Kropholler/v. Hein Art 58 EuGVO Rz 2; Rauscher/Staudinger Art 58 Brüssel I-VO Rz 2; Stein/Jonas/Oberhammer Art 58 Rz 4; Ten Wolde/Knot/Hausmann, unalex Kommentar Art 58 Rz 4f; aA Geimer/Schütze Art 51 EuGVO Rz 4; Schlosser Art 58 EuGVVO Rz 1. 120 Stein/Jonas/Oberhammer Art 58 Rz 5; Ten Wolde/Knot/Hausmann, unalex Kommentar Art 58 Rz 14f; MüKo/Gottwald Art 58 EuGVO Rz 6; Hess EuZPR § 6 Rz 257.
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Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
§ 15
dungen gegen die titulierte Forderung (ebenso wie bei vollstreckbaren Urkunden, s o Rz 85) nicht im Verfahren der Vollstreckbarerklärung vorbringen; die §§ 12, 14 AVAG waren mit den Vorgaben von EuGVO/LugÜ nicht vereinbar.121 Nach der Neufassung von § 55 I AVAG (durch Gesetz vom 20.2.2013) ist ihre Anwendbarkeit ausdrücklich ausgeschlossen.
d) Verhältnis von EuGVO und LugÜ zu anderen Übereinkommen EuGVO und LugÜ ersetzen grds die entsprechenden bilateralen Verträge zwi- 88 schen den Mitglied- bzw Vertragsstaaten (Art 69 EuGVO bzw Art 65 LugÜ). Nach Art 70 EuGVO bzw Art 66 LugÜ behalten aber die Abkommen und Verträge ihre Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, auf die die EuGVO bzw LugÜ nicht anzuwenden sind. Ebenso bleiben die Abkommen bzw Verträge für Altentscheidungen oder Urkunden, die vor dem In-Kraft-Treten von EuGVO bzw LugÜ ergangen oder aufgenommen worden sind, wirksam (Art 70 II EuGVO bzw Art 66 II LugÜ). Im Übrigen gehen EuGVO bzw LugÜ vor; ein Rückgriff auf ein bilaterales Abkommen ist ausgeschlossen, auch soweit es im Einzelfall geringere Anerkennungsvoraussetzungen enthalten sollte.122 (Zur Restbedeutung der bilateralen Vollstreckungsverträge mit anderen EU-Staaten s u Rz 139ff). Das europäische Recht ist ein in sich geschlossenes, abschließendes und vorrangiges Regelwerk, so dass ein (theoretisch denkbarer) Rückgriff auf autonomes Recht nach dem Günstigkeitsprinzip ausscheidet.123 Nach Art 67, 71 I EuGVO bzw Art 67 LugÜ bleiben Rechtsakte der Gemein- 89 schaft und solche Übereinkommen unberührt, denen die Mitglieds- bzw Vertragsstaaten angehören und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regeln. Soweit die Spezialübereinkommen mit der EuGVO bzw dem LugÜ konkurrieren, gehen die ersteren vor, sofern diese für die Anerkennung und Vollstreckung Ausschließlichkeit beanspruchen.124 Hierbei handelt es sich – soweit nicht auf einzelne Ab- oder Übereinkommen in den folgenden Abschnitten eingegangen wird – insb um: – die Revidierte Rheinschifffahrtsakte v 17.10.1868, in der Fassung v 11.3.1969;125 – das Warschauer Abkommen v 12.10.1929 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr;126 – das Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im intern. Luftverkehr v 28.5.1999 enthält keine eigenen Regeln über Anerkennung und Vollstreckung. 121 T. Frische, S 178ff, 202. 122 BGH EWS 1993, 258, 260 = RIW 1993, 673. 123 Geimer/Schütze Art 32 EuGVO Rz 24; Schlosser Art 34–36 EuGVVO Rz 1; Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 3; Hess EuZPR § 4 Rz 41. 124 Vgl Mankowski EWS 1996, 301. 125 BGBl 1976 II, 547; vgl dazu HdbIZVR/Wolff, Bd III/2, 1984 (Kap. IV § 7); Schlosser RdC 284 (2000), 48. 126 BGBl 1964 II, 1295.
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§ 15
Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
– das internationale Übereinkommen v 10.5.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen;127 – das internationale Übereinkommen v 10.5.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffen;128 – den Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel v 27.10.1956;129 – das Londoner Abkommen über Auslandsschulden v 27.2.1953;130 – das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnverkehr (COTIF) v 9.5.1980,131 idF des Änderungsprotokolls v 3.6.1999132 mit Anhängen A u. B (CIV – Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck, CIM – Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern);133 – das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr v 19.5.1956134 (CMR). 90
Soweit die Spezialübereinkommen keine besonderen Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen enthalten, bleibt es insoweit unter den Mitglieds- bzw Vertragsstaaten bei den Regeln der EuGVO bzw des LugÜ.
91
Soweit Sonderregeln bestehen, bestimmt sich die Konkurrenz zwischen Spezialübereinkommen und EuGVO bzw LugÜ nach Art 71 II (b) EuGVO bzw Art 67 III LugÜ. Danach kann eine Entscheidung nach den Regeln des Spezialabkommens für vollstreckbar erklärt werden. Art 71 II (b) EuGVO bzw Art 67 II LugÜ erweitern aber die Freizügigkeit der Titel, indem sie festlegen, dass ein Titel eines Mitglieds- bzw Vertragsstaats des europäischen Rechtsraums stets auch nach Art 33ff, 38ff EuGVO/LugÜ anerkannt und vollstreckt werden kann, selbst wenn die internationale Zuständigkeit für die Entscheidung auf das Spezialübereinkommen gestützt war.135 Für Deutschland ist das Wahlrecht zwischen EuGVO bzw LugÜ und HUVÜ 1973 praktisch irrelevant, weil die Titel nach beiden Regelungen im Beschlussverfahren nach dem AVAG vollstreckbar erklärt werden.
92
Art 31 III, IV CMR legt nur die Pflicht zur Vollstreckbarerklärung von Urteilen und Vergleichen fest, regelt aber nicht das Verfahren dazu. Je nachdem, aus
127 128 129 130 131 132 133 134 135
706
BGBl 1972 II, 653; 1973 II, 169. BGBl 1972 II, 653; 1973 II, 172. BGBl 1956 II, 1838. BGBl 1953 II, 331. BGBl 1974 II, 357. BGBl 2002 II, 2149 (in Kraft seit 1.7.2006). BGBl 1985 II, 130. BGBl 1961 II, 1119. Vgl BGH NJW 2008, 1531, 1532 (Rz 12).
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
§ 15
welchem Vertragsstaat der Titel stammt, richtet sich die Vollstreckbarerklärung daher nach Art 38ff EuGVO/LugÜ bzw §§ 722f ZPO.136
2. EuGVÜ/LugÜ 1988 Nach dem EuGVÜ/LugÜ sind dem Antrag folgende Unterlagen beizufügen:
93
(1) eine Ausfertigung der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung, Art 46 Nr 1 EuGVÜ/LugÜ, zuzüglich zweier Abschriften, § 4 IV AVAG, (2) bei Entscheidungen, die aufgrund von Säumnis ergangen sind, die Zustel- 94 lungsurkunde für das verfahrenseinleitende Schriftstück, und zwar in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift, Art 46 Nr 2 EuGVÜ/LugÜ. Hat sich der Beklagte auf das Verfahren eingelassen, so ist dieser Zustellungsnachweis entbehrlich; auf Mängel der Zustellung kommt es dann nicht an.137 Hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so ist die genannte Zustellungsurkunde, nicht nur das verfahrenseinleitende Schriftstück vorzulegen; die Zustellungsurkunde über das Versäumnisurteil selbst genügt nicht.138 (3) die Urkunde über die Vollstreckbarkeit des Titels im Ursprungsstaat, 95 Art 47 Nr 1 EuGVÜ/LugÜ, Vorliegen muss lediglich die generelle formelle Vollstreckbarkeit, ohne dass die Voraussetzungen für eine tatsächliche Vollstreckung geschaffen werden müssten.139 (4) die Urkunde über die Zustellung des Titels im Urteilsstaat, Art 47 Nr 1 96 EuGVÜ/LugÜ. Der Nachweis kann ggf nachträglich im Verfahren der Vollstreckbarerklärung, auch im Beschwerdeverfahren geführt werden. Nach Ansicht des EuGH genügt der nachträgliche Zustellungsnachweis, sofern (1) der Schuldner über eine angemessene Frist verfügt, um das Urteil freiwillig zu erfüllen, und (2) der Vollstreckungsgläubiger die Kosten eines etwa unnötigen Verfahrens zu tragen hat.140 (5) ggf ein urkundlicher Nachweis über Armenrecht bzw Prozesskostenhilfe 97 im Ursprungsstaat, Art 47 Nr 2 EuGVÜ/LugÜ, (6) sowie auf Verlangen des Gerichts Übersetzungen der Urkunden zu (1) bis 98 (5) (auf Verlangen beglaubigt). In Deutschland sind die Übersetzungskosten Teil der zu erstattenden Vollstreckungskosten, § 788 ZPO, § 8 IV AVAG. Werden die Urkunden zu (2) oder (5) nicht vorgelegt, so hat das Gericht nach Art 48 I EuGVÜ/LugÜ vorzugehen. Es bestimmt also eine Frist zur Vorlage
136 Thume/Demuth, 2. Aufl 2007, 1994, Art 31 Rz 55ff; MüKo/ZPO-Gottwald, Art 1a CMRG Rz 17. 137 Vgl OLG Karlsruhe RIW 1991, 859. 138 Vgl OLG Köln RIW 1990, 229. 139 BGH RIW 2009, 244 (Rz 10). 140 EuGHE 1996, I-1393 (Van der Linden v Berufsgenossenschaft Feinmechanik) = EuZW 1996, 240 = Rev.crit. 1996, 506 (Gaudemet-Tallon) = IPRax 1997, 186 (dazu Stadler, S 171); OLG Hamm IPRax 1998, 202 (dazu Geimer, S 175).
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§ 15
Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
oder begnügt sich mit gleichwertigen Urkunden oder befreit von der Vorlagepflicht, wenn es deren Vorlage nicht für erforderlich hält.
3. Multilaterale Übereinkommen a) Schrifttum 99
B. Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998; Coester-Waltjen, Die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in den Haager Übereinkommen, RabelsZ 57 (1993), 263; J. Fleischhauer, Reasons to include authentic instruments in a worldwide Convention on the Recognition and Enforcement of Judgments, IPRax 1999, 216; F. Juenger, A Hague Judgments Convention?, BrooklynJIntL 24 (1998), 111; F. Juenger, Eine Haager Konvention über die Urteilsanerkennung?, GS Lüderitz, 2000, S 329; C. Kessedjian, Synthesis of the work of the Special Commission of March 1998 on international jurisdiction and the effects of foreign judgments …, Hague Conference (Internet); A. Lowenfeld, Thoughts about a Multinational Judgements Convention, Law & Contemp. Probl. 57 (1994), 289; A.T. v Mehren, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments: A new Approach for the Hague Conference?, Law and Contemp. Problems 57 (1994), 271; A.T. v Mehren, The Case for a Convention-mixte, RabelsZ 61 (1997), 86; A.T. v Mehren, Recognition of United States Judgments Abroad and Foreign Judgments in the United States, RabelsZ 57 (1993), 449; Otto, 1996: Geplante Haager Konvention zu einem weltweiten Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen, DAJV-Newsletter 1996, 81; A. Philip, Global Convention on Foreign Judgments, Liber amicorum Droz, 1997, S 337; G. Rühl, Das Haager Übereinkommen über die Vereinbarung gerichtliche Zuständigkeiten: Rückschritt oder Fortschritt?, IPRax 2005, 410; Schack, Perspektiven eines weltweiten Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommens, ZEuP 1 (1993), 306; Schack, Hundert Jahre Haager Konferenz für IPR – Ihre Bedeutung für die Vereinheitlichung des Internationalen Zivilverfahrensrechts, RabelsZ 57 (1993), 224; P. Schlosser, A New Hague Convention and the United States, Univ.KansasLRev. 45 (1996), 39; M. Storme, Ein einheitlicher Europäischer Vollstreckungstitel als Vorbote eines weltweiten Titels, FS Nakamura, 1996, S 581; P. Trooboff, Proposed Hague Conference General Convention on Jurisdiction and the Recognition and Enforcement of Judgments, Liber amicorum Droz, 1997, S 461; R. Wagner, Die Bemühungen der Haager Konferenz für IPR um ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und ausländische Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 533.
b) Haager Übereinkommen von 1971 100 Das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen v 1.2.1971 ist von Deutschland – im Hinblick auf das EuGVÜ – nicht gezeichnet worden. Das Übereinkommen gilt nur in den Niederlanden, Portugal und Zypern.141 Auch zwischen diesen Staaten hat die EuGVO aber inzwischen Vorrang.
c) Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 101 Auf Vorschlag der USA hat die Haager Konferenz im November 1999 einen verbesserten Entwurf für ein neues weltweites Übereinkommen über die An141 Englischer Text in AmJCompL 15 (1966), 362; vgl Coester-Waltjen RabelsZ 57 (1993), 263, 284–289.
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erkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen fertiggestellt. Nach der Grundidee Arthur von Mehrens142 sollte das Übereinkommen allgemein akzeptierte („weiße“), allgemein nicht akzeptierte („schwarze“) und „graue“ Gerichtsstände enthalten, bei denen jeder Staat frei entscheiden kann, ob er eine Entscheidung anerkennen will. Das Übereinkommen hätte helfen können, die Anerkennungszuständigkeit sicherer als bisher vorab zu beurteilen. Allerdings war von Anfang an zweifelhaft, ob es gelingt, sich über die „weißen“ und „schwarzen“ Gerichtsstände, insb zwischen den USA und Europa zu einigen. Außerdem blieben generelle Zweifel, ob man denn wirklich Urteile weltweit ohne Prüfung des Justizstandards akzeptieren solle.143 Ein Interim-Text vom Juni 2001 versuchte, den US-Vorstellungen ua zur Not- 102 wendigkeit eines anerkannten Gerichtsstandes wegen „transacting business“ gerecht zu werden,144 ist aber letztlich an der Unvereinbarkeit der Positionen gescheitert. Verabschiedet werden konnte am 30.6.2005 lediglich ein Übereinkommen 103 über die Vereinbarung gerichtlicher Zuständigkeiten. Dieses sieht vor, dass die in einem Vertragsstaat aufgrund einer wirksamen Gerichtsstandabrede ergangenen Urteile in allen Vertragsstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken sind (Art 8).145 Eine révision au fond ist ausgeschlossen. Anerkennung und Vollstreckung können ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung im Ausgangsstaat angefochten worden ist (Art 8 IV). Gerichtliche Vergleiche sind (wenig praxisnah) nicht erfasst. Die Anerkennung und Vollstreckung darf nach Art 9 abgelehnt werden, wenn (1) die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des vereinbarten Staats unwirksam ist, (2) einer der Vertragsparteien die erforderliche Geschäftsfähigkeit für den Abschluss der Vereinbarung fehlt, (3) bei der Verfahrenseinleitung das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt wurde, (4) das Urteil durch arglistige Täuschung erwirkt wurde, (5) das Urteil offensichtlich in den ordre public des Anerkennungsstaats, insb gegen seine Prinzipien prozessualer Fairness verstößt, (6) das Urteil mit einem Urteil zwischen den Parteien in dem Anerkennungsstaat oder einem anderen Vertragsstaat in derselben Angelegenheit nicht vereinbar ist. Kein Versagungsgrund liegt insoweit vor, als das Urteil zur Leistung aus einem Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrag wegen einer Angelegenheit verpflichtet, die selbst vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen ist. 142 143 144 145
Vgl Law and Contemp. Problems 57 (1994), 271. Krit Juenger, GS Lüderitz, S 329, 343f. Vgl R. Wagner IPRax 2001, 533. Vgl Rühl IPRax 2005, 410, 413f.
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105 Darüber hinaus brauchen Urteile auf Schadenersatz nur im Umfang tatsächlich erlittener Schäden anerkannt zu werden (Art 11 I). Punitive damages werden also nicht anerkannt.146 106 Ob die Anerkennung Vorfragen erfasst, wird vom Übereinkommen nicht festgelegt. Jedenfalls kann die Anerkennung bezüglich der ausgeschlossenen Vorfragen versagt werden (Art 10 II). 107 Die Anerkennung einer Entscheidung, die sich mit der Gültigkeit eines Immaterialgüterrechts als Vorfrage befasst, darf freilich nur versagt werden, wenn die Entscheidung über die Vorfrage mit einer Entscheidung der zuständigen Behörde des Staats unvereinbar ist, nach dessen Recht das Immaterialgüterrecht besteht, oder, wenn in diesem Staat ein Verfahren über die Gültigkeit des Immaterialgüterrechts anhängig ist. Die Europäische Union hat das Übereinkommen gezeichnet. Es ist noch nicht in Kraft getreten.
d) Übereinkommen für besondere Sachgebiete (1) Schrifttum 108 Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Verfahrensrecht, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd 2, 2000, Q 370ff; Martiny, Anerkennung nach multilateralen Staatsverträgen (§§ 5–7), HdbIZVR Bd III/2, 1984, S 191ff.
(2) Zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden 109 Das Internationale Übereinkommen v 25.5.1984 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden147 (Neufassung des Internationalen Übereinkommens von 1969) regelt die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen in Art X. Diese Bestimmung lautet: „(1) Ein von einem nach Artikel IX zuständigen Gericht erlassenes Urteil, das in dem Ursprungsstaat, in dem es nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann, vollstreckbar ist, wird in jedem Vertragsstaat anerkannt, es sei denn, a) dass das Urteil durch betrügerische Machenschaften erwirkt worden ist oder b) dass der Beklagte nicht binnen angemessener Frist unterrichtet und dass ihm keine angemessene Gelegenheit zur Vertretung seiner Sache vor Gericht gegeben worden ist. (2) Ein nach Absatz 1 anerkanntes Urteil ist in jedem Vertragsstaat vollstreckbar, sobald die in dem betreffenden Staat vorgeschriebenen Förmlichkeiten erfüllt sind. Diese Förmlichkeiten dürfen keine erneute Entscheidung in der Sache selbst zulassen.“
146 Rühl IPRax 2005, 410, 414. 147 BGBl 1988 II, 825; vgl Kreuzer/Wagner Q 380, 429; Martiny HdbIZVR III/2, Rz 465ff.
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(3) Haftung der Inhaber von Kernenergieanlagen Art 13 (d) des Pariser Übereinkommens über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie v 29.7.1960148 regelt die Anerkennung und Vollstreckung besonders. Die Bestimmung lautet:
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„Art 13 (d) Hat ein gemäß diesem Artikel zuständiges Gericht nach einer streitigen Verhandlung oder im Säumnisverfahren ein Urteil gefällt und ist dieses nach dem von diesem Gericht angewandten Rechte vollstreckbar geworden, so ist es im Hoheitsgebiet jeder anderen Vertragspartei vollstreckbar, sobald die von dieser anderen Vertragspartei vorgeschriebenen Förmlichkeiten erfüllt worden sind; eine sachliche Nachprüfung ist nicht zulässig. Dies gilt nicht für vorläufig vollstreckbare Urteile.“
(4) Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen Das Übereinkommen über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen v 111 25.5.1962149 regelt die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Art XI (4). Diese Bestimmung lautet: „(4) (a) Rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen, die von einem nach Artikel X zuständigen Gericht erlassen worden sind, werden im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats anerkannt, es sei denn, i) dass die gerichtliche Entscheidung durch betrügerische Machenschaften erlangt worden ist oder ii) dass dem Inhaber keine angemessene Gelegenheit zur Vertretung seiner Sache vor Gericht gegeben worden ist. b) Wird die Vollstreckung einer anerkannten rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nach den gesetzlichen Förmlichkeiten des Vertragsstaats beantragt, in dem die Vollstreckung nachgesucht wird, so ist die Entscheidung in gleicher Weise zu vollstrecken, als handelte es sich um die Entscheidung eines Gerichts dieses Vertragsstaats. c) Die Begründetheit des dem Urteil zugrunde liegenden Anspruchs unterliegt keiner weiteren gerichtlichen Nachprüfung.“
(5) Streitigkeiten aus Beförderungsverträgen im internationalen Straßengüterverkehr Art 31 I, III, IV des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im interna- 112 tionalen Straßengüterverkehr (CMR) v 19.5.1956150 enthält für die Vollstreckbarkeit folgende besondere Regelung: „(1) Wegen aller Streitigkeiten aus einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung kann der Kläger, außer durch Vereinbarung der Parteien bestimmte Gerichte von Vertragsstaaten, die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet a) der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Hauptniederlassung oder die Zweigniederlassung oder Geschäftsstelle hat, durch deren Vermittlung der Beförderungsvertrag geschlossen worden ist, oder b) der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt. Andere Gerichte können nicht angerufen werden. 148 BGBl 1976 II, 308; vgl Kreuzer/Wagner Q 378f, 428. 149 BGBl 1975 II, 977. 150 BGBl 1961 II, 1119; vgl Martiny, HdbIZVR III/2, Kap II Rz 430ff.
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(3) Ist in einer Streitsache im Sinne des Absatzes 1 ein Urteil eines Gerichtes eines Vertragsstaates in diesem Staat vollstreckbar geworden, so wird es auch in allen anderen Vertragsstaaten vollstreckbar, sobald die in dem jeweils in Betracht kommenden Staat hierfür vorgeschriebenen Formerfordernisse erfüllt sind. Diese Formerfordernisse dürfen zu keiner sachlichen Nachprüfung führen. (4) Die Bestimmungen des Absatzes 3 gelten für Urteile im kontradiktorischen Verfahren, für Versäumnisurteile und für gerichtliche Vergleiche, jedoch nicht für nur vorläufig vollstreckbare Urteile sowie nicht für Verurteilungen, durch die dem Kläger bei vollständiger oder teilweiser Abweisung der Klage neben den Verfahrenskosten Schadenersatz und Zinsen auferlegt werden.“
113 Vertragsstaaten sind Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Belgien, BosnienHerzegowina, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Iran, Irland, Italien, Jordanien, Kasachstan, Kirgisistan, Kroatien, Lettland, Libanon, Litauen, Luxemburg, Malta, Marokko, Mazedonien, Moldau, Mongolei, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, die Schweiz, Serbien, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Syrien, Tadschikistan, Tschechische Republik, Tunesien, die Türkei, Tunesien, Turkmenistan, die Ukraine, Ungarn, Usbekistan, das Vereinigte Königreich und Weißrussland. 114 Vertraglich gesichert ist nach Art 31 III, IV CMR die Vollstreckbarkeit endgültig vollstreckbarer Urteile eines Vertragsstaats, die in einem Streit über einen der CMR unterliegenden Beförderungsvertrag ergangen sind.151 Anerkannt werden Urteile im kontradiktorischen Verfahren, im Versäumnisverfahren sowie Prozessvergleiche (Art 31 IV). Ausdrücklich ausgenommen sind vorläufig vollstreckbare sowie klagabweisende Entscheidungen, bei denen dem Kläger neben den Kosten Schadenersatz und Zinsen auferlegt werden (Art 31 IV CMR). 115 Für die Vollstreckbarerklärung gelten nach Art 31 III die im Vollstreckungsstaat „vorgeschriebenen Formerfordernisse“. Im Verhältnis zu Mitglieds- bzw Vertragsstaaten gelten daher die Art 37ff EuGVO/LugÜ und das AVAG, im Übrigen die §§ 722f ZPO.152
(6) Seegerichtliche Entscheidungen 116 Gem Anlage VI Art 14 zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen v 10.12.1982153 wird bei dem Internationalen Seegerichtshof eine Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten gebildet. Deren Zuständigkeit ist in Art 187ff des Seerechtsübereinkommens geregelt.154 Nach Anlage VI Art 39 zum Seerechts151 Koller, Transportrecht, 7. Aufl 2010, Art 31 CMR Rz 9; Herber/Piper, CMR, Art 31 Rz 30; Staub/Helm, HGB, Bd VII/2, 4. Aufl 2001, Art 31 CMR Rz 52ff. 152 Herber/Piper, CMR, Art 31 Rz 32; Kreuzer/Wagner Q 376, 426. 153 BGBl 1994 II, 1799. 154 Vgl Herber, Seehandelsrecht (§ 42 Seeprozessrecht), 1999 S 433ff; Seidel, Zuständigkeit und Verfahren des internationalen Seegerichtshofs in Angelegenheiten der Schifffahrt, 1986; Treves, Private Maritime Law Litigation, RabelsZ 63 (1999), 350; Talmon, Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg, JuS 2001, 550.
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übereinkommen sind Entscheidungen dieser Kammer in den Vertragsstaaten ebenso vollstreckbar wie Urteile oder Verfügungen des höchsten Gerichts des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Vollstreckung angestrebt wird. Nach Anlage III Art 21 II zum Seerechtsübereinkommen ist außerdem jede 117 endgültige Entscheidung eines aufgrund des Seerechtsübereinkommens zuständigen Gerichts oder Gerichtshofs betreffend die Rechte und Pflichten der Behörde und des Vertragsnehmers in jedem Vertragsstaat vollstreckbar. In Deutschland richtet sich die Vollstreckung nach dem Seegerichtsvollstre- 118 ckungsgesetz (SeeGVG) v 6.6.1995, das als Art 14 des AusfG zum Seerechtsübereinkommen erlassen wurde.155 Nach § 1 SeeGVG sind die in Rz 116, 117 genannten Entscheidungen Vollstreckungstitel und werden nach der ZPO vollstreckt. Die Vollstreckungsklausel erteilt das OLG am Sitz des Seegerichtshofs, also das OLG Hamburg, nach Anhörung des Schuldners durch unanfechtbaren Beschluss (§ 2 SeeGVG). Dieses Gericht nimmt auch die Aufgaben des Prozessgerichts des ersten Rechtszuges als Vollstreckungsorgan wahr (§ 3 SeeGVG). Einwendungen gegen den festgestellten Anspruch können vor inländischen Gerichten nicht geltend gemacht werden (§ 4 SeeGVG).
4. Die Vollstreckung von Kostenentscheidungen nach dem Haager Zivilprozess-Übereinkommen a) Schrifttum Bülow, Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer Kostenentscheidung nach Art 18 HZÜ, Rechtspfleger 1955, 301; Bülow, Das neue Haager Übereinkommen über den Zivilprozess, Rechtspfleger 1959, 141; Bülow, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 1981, S 100.29–31 u 101.18–22; MüKo/Gottwald, ZPO, Bd III, 4. Aufl 2013, IZPR Nr C 4, S 2148; Wolff, Vollstreckbarerklärung, HdbIZVR, Bd III/2, 1984, Kap IV (§ 4), S 460ff.
119
b) Einführung Die Regelung über die Vollstreckung von Kostenentscheidungen in Art 18, 19 120 HZÜ 1954 war bereits im HZÜ 1905 enthalten. Sie bildet mithin die älteste multilaterale Vollstreckungsübereinkunft. Verständlich ist sie nur im Zusammenhang mit Art 17 HZÜ, wonach Angehörige der Vertragsstaaten, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat haben, in einem anderen Vertragsstaat von der Pflicht zur Sicherheitsleistung für Prozesskosten als Ausländer befreit sind (s o § 5 Rz 71ff, 89). Zum Ausgleich für diese Befreiung soll dem siegreichen Beklagten die Vollstreckung der Kostenentscheidung gegen den unterlegenen Kläger in seinem Heimatstaat erleichtert werden. Die Regelung gilt also nur, soweit der Kläger im Gerichtsstaat keinen Wohnsitz hat.156 Zu den Vertragsstaaten s o § 7 Rz 8.
155 BGBl 1995 I, 786. 156 OLG Frankfurt IPRax 1984, 32; MüKo/Gottwald, Art 18, 19 HZÜ Rz 1.
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c) Verfahren der Vollstreckbarerklärung 121 Nach Art 19 I HZÜ werden Kostenentscheidungen ohne Anhörung der Parteien nach den Vorschriften des Vollstreckungsstaats unbeschadet eines späteren Rekurses der verurteilten Partei für vollstreckbar erklärt. Es handelt sich also ähnlich wie nach EuGVO bzw EuGVÜ/LugÜ erstinstanzlich um ein einseitiges Verfahren ohne Anhörung des Vollstreckungsgegners. 122 Das Verfahren ist jedoch nach Art 18 I HZÜ sehr förmlich ausgestaltet, da der Antrag auf Vollstreckbarerklärung auf diplomatischem Wege zu stellen ist. Dadurch ist das Verfahren sehr zeitaufwendig. Positiv an der Regelung ist aber, dass die Kostenentscheidung im Vollstreckungsstaat kostenfrei für vollstreckbar zu erklären ist (Art 18 I HZÜ). 123 In Deutschland kann der Kostengläubiger sein Gesuch um Herbeiführung der Vollstreckbarerklärung bei dem Gericht stellen, das die Kostenentscheidung erlassen hat. Dieses bereitet den von der zuständigen deutschen diplomatischen Vertretung zu stellenden Antrag gem § 66 II–V ZRHO mit Rechtskraftvermerk und Übersetzungen vor. Der so vorbereitete Antrag ist auf diplomatischem Wege beim Außenministerium des ersuchten Staats zu stellen. Der Vollstreckungsstaat ist dann nach Art 18 I verpflichtet, das Gesuch der zuständigen Behörde zuzuleiten und gleichsam im Prozessstandschaft für den ersuchenden Staat die Vollstreckbarerklärung herbeizuführen. 124 Nach Art 18 III HZÜ kann der Kostengläubiger unmittelbar einen eigenen Antrag auf Vollstreckbarerklärung bei dem zuständigen ausländischen Gericht stellen, soweit entsprechende Zusatzvereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten bestehen. Dies ist der Fall im Verhältnis zu Belgien (Art 8 ZV), Frankreich (Art 9 ZV), Griechenland (Art 16 I Rechtshilfeabkommen), Italien (Art 15 deutsch-italienischer Vertrag), den Niederlanden (Art 8 ZV), Norwegen (Art 9 ZV), Österreich (Art 7 ZV), Polen (Art 9 deutsch-polnische Vereinbarung v 21.2.1994),157 der Schweiz (Abkommen v 24.12.1929), der Tschechischen Republik (Art 5 I deutsch-tschechischer Vertrag v 2.2.2000),158 der Türkei (Art 3 II Abkommen v 28.5.1929), Tunesien (Art 36 deutsch-tunesischer Vertrag v 19.7.1966). Ein Teil dieser Zusatzvereinbarungen enthält auch Formerleichterungen für den Antrag.159 125 Soll die Kostenentscheidung in Österreich vollstreckt werden, ist nicht Vollstreckbarerklärung, sondern Bewilligung der Exekution nach § 79ff EO zu beantragen. 126 In der Schweiz bedarf es keines besonderen Antrags auf Vollstreckbarerklärung; der Kostengläubiger kann vielmehr nach Art 67, 69 SchKG v 11.4.1889 beim zuständigen Betreibungsamt per Betreibungsbegehren unmittelbar einen Zahlungsbefehl beantragen. Die Fassung des SchKG v 16.12.1994, die zum 1.1.1997 in Kraft getreten ist, ändert daran nichts.
157 BGBl 1974 II, 364. 158 BGBl 2001 II, 1211, 1212. 159 Vgl Geimer/Schütze § 42 ZRHO Fn 156, S 900.40.
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In Deutschland eingehende Ersuchen um Vollstreckungshilfe nach Art 18, 19 HZÜ werden gem § 138 ZRHO behandelt.
127
Über den Antrag entscheidet das Amtsgericht (§ 4 I AusfG zum HZÜ 1954). 128 Örtlich zuständig ist das Gericht, bei dem der Kostenschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat; beim Fehlen eines solchen das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich Vermögen des Kostenschuldners befindet oder die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll (§ 4 II AusfG). § 5 AusfG regelt, wie die Vollstreckungsklausel zu erteilen ist. Nach § 5 II ist sie dem Kostenschuldner nur bei einem direkten Antrag des Kostengläubigers von Amts wegen zuzustellen. Das Gericht hat bei der Vollstreckbarerklärung nach Art 19 II HZÜ nur formale Anerkennungsvoraussetzungen zu prüfen, nämlich:
129
„1. ob die Ausfertigung der Kostenentscheidung nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem sie ergangen ist, die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt; 2. ob die Entscheidung nach diesen Rechtsvorschriften die Rechtskraft erlangt hat; 3. ob der entscheidende Teil der Entscheidung in der Sprache der ersuchten Behörde oder in der zwischen den beteiligten Staaten vereinbarten Sprache abgefasst oder aber von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet ist, die vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung durch einen diplomatischen oder konsularischen Vertreter des ersuchenden Staates oder einem beeidigten Übersetzer des ersuchten Staates beglaubigt ist.“
Hinsichtlich der Sprache bzw der Übersetzung sind wieder die Zusatzverein- 130 barungen zum HZÜ zu beachten. Eine Sprachvereinbarung enthält Art 4 deutsch-luxemburgischer ZV. Im Verkehr mit Dänemark und der Schweiz beschafft die ersuchte Behörde etwa fehlende Übersetzungen selbst. Aufgrund der Zusatzvereinbarung mit Belgien (Art 10), Frankreich (Art 11), Dänemark (Art 4), den Niederlanden (Art 10), Norwegen (Art 11), Polen (Art 11), Schweden (Art 1) und der Tschechischen Republik (Art 7) können Übersetzungen auch von einem vereidigten Übersetzer des ersuchenden Staats beglaubigt werden. Materielle Versagungsgründe sieht Art 19 II HZÜ nicht vor. Eine ordre public- 131 Prüfung ist damit wohl nicht ausgeschlossen, kommt aber wohl praktisch kaum in Betracht. Das Gericht hat aber zu prüfen, ob die Kostenentscheidung in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. Nach § 6 des deutschen AusfG kann der Kostenschuldner gegen die Vollstreck- 132 barerklärung als Rekurs iS des Art 19 I HZÜ sofortige Beschwerde nach §§ 577ff ZPO einlegen. Mit der Beschwerde können materielle Einwendungen gegen den Kostentitel geltend gemacht werden.160 Wird die Vollstreckbarerklärung abgelehnt, kann der Kostengläubiger dagegen 133 einfache Beschwerde nach § 6 II AusfG einlegen. Wurde der Antrag auf diplomatischem Wege gestellt, steht die Beschwerde dem Staatsanwalt zu, § 6 II 2 AusfG. 160 OLG München JW 1936, 3583; MüKo/Gottwald, Art 18, 19 HZÜ Rz 6; aA Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, 2000, S 429ff.
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134 Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ist nach Art 18 I HZÜ kostenfrei, gleichgültig ob es auf diplomatischem Weg oder durch unmittelbaren Antrag des Kostengläubigers eingeleitet wird. Die Kostenfreiheit gilt aber nur für die Vollstreckbarerklärung selbst. 135 Die in Art 19 IV HZÜ aufgeführten Kosten der Bescheinigung, Übersetzung und Beglaubigung gelten als Vollstreckungskosten und sind zu Lasten des Kostenschuldners zu berücksichtigen. Legt der Kostenschuldner erfolglos Beschwerde ein, ist er kostenpflichtig. Unterliegt der Kostengläubiger im Beschwerdeverfahren, so trägt er die Kosten des Gegners nach § 91 ZPO. 136 Die eigentliche Vollstreckung wird vom HZÜ 1954 nicht erfasst. Sie hat jeder Gläubiger nach dem Recht des jeweiligen Vollstreckungsstaats ohne Rechtshilfe zu betreiben.
d) Verhältnis zu anderen Übereinkommen 137 Das Verfahren nach dem HZÜ bleibt von der EuGVO (Art 71 I) bzw vom LugÜ (Art 67 I) unberührt. Der Kostengläubiger hat daher die Wahl, nach welchem Übereinkommen er vorgehen möchte. Regelmäßig wird ein Vorgehen nach Art 38ff EuGVO/LugÜ schneller sein,161 auch wenn dann die Vollstreckbarerklärung kostenpflichtig ist. Wählt der Kostengläubiger das Verfahren nach Art 38ff EuGVO/LugÜ, so richten sich die Anerkennungsvoraussetzungen gleichwohl gem Art 71 II (b) EuGVO bzw Art 67 V LugÜ nach dem HZÜ. 138 Soweit mit dem Vollstreckungsstaat nur ein bilateraler Vertrag besteht, hat das Verfahren nach den Art 18, 19 HZÜ Vorrang, da die Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen hier einfacher geregelt sind.
5. Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen a) Deutsch-belgisches Abkommen vom 30.6.1958 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen 139 Das deutsch-belgische Abkommen162 ist bereits am 1.2.1973 weitgehend durch das EuGVÜ von 1968 (Art 55) ersetzt worden. Gem Art 56 EuGVÜ behielt es seine Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, auf die das EuGVÜ insb aufgrund der Ausschlüsse von Art 1 II EuGVÜ nicht anwendbar war. Das Abkommen war nicht anwendbar, wenn im Einzelfall ein Versagungsgrund nach Art 27, 28 EuGVÜ vorlag. Das Abkommen war danach noch anwendbar auf (1) Ehe- und Familienstandsachen (Art 4), (2) Erbschaftssachen (Art 3 I Nr 8),
161 Vgl Fasching/Bajons, Zivilprozessgesetze, Bd 1, 2. Aufl 2000, Anh A §§ 38–40 JN Rz 70. 162 BGBl 1961 II, 2408.
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(3) Entscheidungen im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Art 1 III) sowie (4) Schiedssprüche und Schiedsvergleiche (Art 13 I, II). (5) Schließlich fand das Abkommen Anwendung, soweit der Begriff der Zivilsachen hier weiter ausgelegt wurde als im EuGVÜ.163 Zum 1.3.2002 wurde das EuGVÜ auch im Verhältnis zu Belgien durch die neue 140 EuGVO (VO Nr 44/2001) für die danach ergangenen Entscheidungen ersetzt (Art 76 EuGVO). Seit dem In-Kraft-Treten der EG-Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (zum 1.3.2001) und bis zum Inkrafttreten der Verordnung in Erbschaftssachen (Nr 650/2012) zum 17.8.2015164 sowie der geplanten Verordnung in Güterstandsachen hat das Abkommen noch eine Restbedeutung für die Fälle (1) bis (5). Im Hinblick diese geringe Relevanz wird von einer Darstellung abgesehen. Zur näheren Information s 5. Aufl, § 13 Rz 300ff).
b) Deutsch-britisches Abkommen vom 14.7.1960 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Großbritannien ist dem EuGVÜ 1987 beigetreten. Dieses (Art 56 EuGVÜ) bzw 141 seit 1.4.2002 die EuGVO (Art 76) haben Vorrang vor dem deutsch-britischen Abkommen.165 Im Verhältnis zu Großbritannien gilt das deutsch-britische Abkommen daher praktisch nur noch für Erbschaftssachen (Art IV [1] [c]) sowie für Hilfsverfahren zu Schiedssachen.166 Zwar erfasst das Abkommen auch „Familienstands- oder Statussachen einschließlich der Scheidungs- oder anderen Familiensachen“ (Art IV [1] [c]). Jedoch verlangen die Art II (1), V (1), dass die Entscheidung von einem „oberen Gericht“ erlassen wurde; Rechtsmittelentscheidungen gegen Entscheidungen der unteren Gerichte sind ebenfalls ausgenommen. Seit die Familiensachen den Familiengerichten beim Amtsgericht zugewiesen sind, sind sie damit aus dem Anwendungsbereich des Abkommens herausgefallen.167 Entsprechend fallen auch Entscheidungen der englischen Magistrates’ Courts sowie Rechtsmittelentscheidungen des High Court in Familiensachen nicht mehr unter das Abkommen. Seit 1.3.2001 galt auch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich die EheGVO 142 (VO Nr 1347/2000, sog Brüssel II-VO), mit Wirkung zum 1.3.2005 wurde sie durch die neue EheGVO (VO Nr 2201/2003, Brüssel IIa-VO) ersetzt. Mit Inkrafttreten der EuErbVO Nr 650/2012 (v 4.7.2012) zum 17.8.2015 wird das deutsch-britische Abkommen für neue Fälle endgültig gegenstandslos.
163 164 165 166 167
Vgl BGH NJW 1978, 1113. ABl EU Nr L 201/107. BGBl 1961 II, 301. OLG Hamburg RIW 1996, 862. MüKo/Gottwald, 2. Aufl 2001, Art II Rz 2; Schütze RIW 1980, 170.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
Im Hinblick auf die nur noch marginale Restbedeutung wird von einer Darstellung abgesehen. Im Bedarfsfall s 5. Aufl, § 13 Rz 330ff.
c) Deutsch-griechischer Vertrag vom 4.11.1961 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden168 143 Infolge des Beitritts von Griechenland zum EuGVÜ galt der deutsch-griechische Vertrag nur noch, soweit das EuGVÜ nicht eingriff (Art 56 EuGVÜ). Der Vertrag war daher noch für Ehe- und Familiensachen anwendbar (Art 2), auch soweit diese der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind (Art 1 I). Der Vertrag hatte auch in Griechenland Vorrang vor dem autonomen Recht (Art 323 griech. ZPO 1967/1971). Die neue EuGVO (VO Nr 44/2001) löste das EuGVÜ auch im Verhältnis zu Griechenland zum 1.3.2002 (Art 76 EuGVO) ab. 144 Seit dem Inkrafttreten der Europäischen Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen169 am 1.3.2001 („Brüssel II“), abgelöst zum 1.3.2005 durch die sog Brüssel IIa-Verordnung, hat der deutsch-griechische Anerkennungsvertrag nur noch einen marginalen Anwendungsbereich. Deshalb wird von einer näheren Darstellung abgesehen. Bei Bedarf s 5. Aufl, § 13 Rz 380ff.
d) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20.7.1977 (1) Schrifttum 145 L. Garb, Enforcement of Foreign Judgments, in: A. Kaplan, Israeli Business Law, 1999; MüKo/Gottwald, ZPO, 4. Aufl 2013, IZPR Nr C 5a, S 2152; Pirrung, Zu den Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen der BR Deutschland mit Israel und Norwegen, IPRax 1982, 130; Pirrung, Vertrag zwischen der BRD und dem Staat Israel, in: Geimer/ Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Lfg 8), 1983, S 625.1; Schütze, Der deutsch-israelische Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag, in: Internationale Wirtschafts-Briefe 1981, 741; Siehr, Die Anerkennung und Vollstreckung israelischer Zivilentscheidungen in der Bundesrepublik Deutschland, RabelsZ 50 (1986), 586.
(2) Einführung 146 Der deutsch-israelische Vertrag v 20.7.1977170 folgt dem Muster der neueren deutschen Vollstreckungsverträge. Der Vertrag ist dem EuGVÜ nachgebildet,
168 BGBl 1963 II, 109. 169 V 29.5.2000, ABl EG Nr L 160/19 v 30.6.2000. 170 BGBl 1980 II, 925.
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so dass dieses in Zweifelsfällen zur Auslegung herangezogen werden kann.171 Dies gilt vor allem hinsichtlich der Anerkennung (Art 9 II, III) und der Vollstreckung (Art 11; § 3 AVAG). Der Zweitrichter ist hinsichtlich der Beurteilung der Zuständigkeit des Erstrichters (auch bei Versäumnisurteilen) an dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gebunden (Art 8 II). Die Zuständigkeit kann danach nur überprüft werden, wenn die internationale Zuständigkeit ungeprüft unterstellt wurde.172 Der Vertrag erfasst grds alle rechtskräftigen Entscheidungen in Zivil- und Han- 147 delssachen (Art 3). Soweit nach israelischem Recht die Zuständigkeit religiöser Gerichte besteht, werden auch deren Entscheidungen anerkannt.173 Art 4 schließt aber bestimmte Sachbereiche aus. Nicht anerkannt werden da- 148 nach Entscheidungen in Ehe- und Familienstandsachen, bezüglich des Personenstandes, der Handlungsfähigkeit von Personen oder des ehelichen Güterrechts; Entscheidungen auf dem Gebiet des Erbrechts, in Adhäsionsverfahren, in Konkurs- oder Vergleichsverfahren; Entscheidungen in Angelegenheiten der sozialen Sicherheit, in Atomhaftungssachen sowie einstweilige Verfügungen, einstweilige Anordnungen und Arreste. Unterhaltsentscheidungen jedweder Art werden dagegen anerkannt (Art 4 II). Nach Art 3 ist die Anerkennung auf rechtskräftige Entscheidungen beschränkt. 149 Die Regelung ist aber missverständlich. Denn nach Art 4 II, 20, 21 werden alle Unterhaltsentscheidungen zur Zwangsvollstreckung zugelassen; aus anderen nicht rechtskräftigen Entscheidungen wird immerhin eine Sicherungsvollstreckung gestattet (Art 21). Insoweit werden nicht rechtskräftige Entscheidungen also doch anerkannt. Ausgeschlossen sind aber alle Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes.174
(3) Gründe für die Versagung der Anerkennung Die Anerkennung einer Entscheidung darf nur aus den in Art 5 aufgeführten 150 Gründen versagt werden. Erster Versagungsgrund ist das Fehlen der Anerkennungszuständigkeit (Art 5 I Nr 1). Der Zuständigkeitskatalog von Art 7 hält sich im üblichen Rahmen zweiseitiger Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge. Anerkannt werden der Gerichtsstand (1) des Wohnsitzes/Sitzes des Beklagten oder des gewöhnlichen Aufenthalts, (2) der Zweigniederlassung, (3) der Gerichtsstandsvereinbarung, (4) in Unterhaltssachen der Gerichtsstand am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers, (5) der unerlaubten Handlung für Handlungen im Entscheidungsstaat, (6) für unerlaubte Handlungen im Geschäftsverkehr, (7) der unbeweglichen belegenen Sache, (8) des Vermögens, (9) der konnexen Widerklage, (10) der Klage auf Ersatz des Vollstreckungsschadens und (11) der 171 172 173 174
Vgl BGH RIW 2002, 63, 64. Vgl BGH RIW 2002, 63, 64. Siehr RabelsZ 50 (1986), 586, 592. Vgl Goldstein, Provisional relief and international jurisdiction, in Rabello, Essays on European Law and Israel, 1996, S 733.
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rügelosen Einlassung. Ein in Israel schriftlich eingereichtes „statement of defence“ muss bereits die Zuständigkeitsrüge enthalten.175 151 Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes fehlt im Zuständigkeitskatalog. Besonderheiten bestehen insoweit, als der Gerichtsstand des gewöhnlichen Aufenthalts stets neben dem des Wohnsitzes anerkannt wird (Art 7 I Nr 1). Für Gerichtsstandvereinbarungen verlangt Art 7 I Nr 3 Schriftlichkeit oder halbe Schriftlichkeit. 152 Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung wird nach Art 7 I Nr 5 nur anerkannt, soweit am Handlungsort geklagt wird. Eine am Erfolgsort ergangene Entscheidung wird nach dem Übereinkommen nicht anerkannt, kann in Deutschland aber nach autonomem Recht (§§ 328 I Nr 1 iVm 32 ZPO) anerkannt werden.176 Diese Einschränkung gibt es nicht bei Verletzung von Patenten, Gebrauchsmustern, Warenzeichen, Sortenschutzrechten, gewerblichen Mustern und Urheberrechtsverletzungen (Art 7 I Nr 6). 153 Der Vermögensgerichtsstand wird nach Art 7 I Nr 8 anerkannt, soweit der Beklagte in keinem der Vertragsstaaten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, sich im Erststaat aber Vermögen zur Zeit der Verfahrenseinleitung befindet. 154 Ausgeschlossen ist die Anerkennung, soweit der Anerkennungsstaat eine eigene ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht (Art 7 II), zB Deutschland nach § 24 ZPO.177 155 Weitere Versagungsgründe sind (1) der ordre public-Verstoß, (2) vorrangige Rechtshängigkeit im Anerkennungsstaat, (3) die abweichende Beurteilung einer IPR-Vorfrage in Statussachen (Art 6 II) und (4) die Nichteinlassung des Beklagten nach nicht ordnungsgemäßer oder nicht rechtzeitiger Ladung. Die Anforderungen an die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks richten sich nach dem HZustÜ 1965.178 Die Anerkennungsversagungsgründe sind von Amts wegen zu prüfen.179
(4) Die Vollstreckbarerklärung 156 In Deutschland ist das Verfahren der Vollstreckbarerklärung (Art 10f des Vertrags) dem EuGVÜ nachgebildet; entsprechend gilt das AVAG auch für den deutsch-israelischen Vertrag (§ 1 I Nr 1d AVAG). 157 Die §§ 45ff AVAG enthalten jedoch Sonderregeln, weil der Vertrag die Zwangsvollstreckung nur aus rechtskräftigen Entscheidungen mit Ausnahme von Unterhaltsentscheidungen (Art 20) zulässt.
175 176 177 178 179
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BGH RIW 2002, 63, 65. Siehr RabelsZ 50 (1986), 586, 601. Siehr RabelsZ 50 (1986), 586, 594; MüKo/Gottwald, Dt.-israel. Vertr. Art 7 Rz 3. Vgl OLG Köln IPRax 1997, 175 (dazu Kondring, S 158); BGH RIW 2002, 63, 66. MüKo/Gottwald, Dt.-israel. Vertr. Art 5 Rz 6.
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Da Art 21 aus nicht rechtskräftigen Entscheidungen eine Sicherungsvollstre- 158 ckung zulässt, sehen die §§ 45, 46 AVAG vor, dass die Zwangsvollstreckung über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen darf, bis der Gläubiger eine gerichtliche Anordnung oder ein Zeugnis vorlegt, dass die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden darf. Abweichend von anderen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen enthält 159 Art 24 eine besondere Vorschrift, wonach die Anerkennung oder Zulassung der Zwangsvollstreckung verweigert werden kann, wenn 25 Jahre vergangen sind, seitdem die Entscheidung mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angefochten worden ist. Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ist nach Art 14 II des Vertrags das Ge- 160 richt am Wohnsitz des Schuldners, hilfsweise am Ort des Vermögens oder der Zwangsvollstreckung. Wird die Vollstreckung gegen mehrere Schuldner mit verschiedenen Wohnsitzen gleichzeitig betrieben, so hat der Gläubiger die Wahl, das Verfahren der Vollstreckbarerklärung gegen alle Schuldner am Wohnsitz eines von ihnen zu betreiben.180 Art 15 des Vertrags enthält den Katalog der vorzulegenden Urkunden. Dazu ei- 161 ne beglaubigte Abschrift der Entscheidung (Nr 1) sowie der Nachweis ihrer Rechtskraft (Nr 2) und ihrer Vollstreckbarkeit (Nr 3) sowie Übersetzungen in die Sprache des Vollstreckungsstaats (Nr 7). Entscheidungsgründe werden nicht verlangt.181 Nach Art 15 Nr 5 muss auch die Zustellung der Entscheidung urkundlich 162 nachgewiesen werden. Das Zustellungsverfahren muss insoweit nur dem innerstaatlichen Recht, nicht dem Haager Zustellungsübereinkommen entsprechen.182 Bei der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung darf nach 163 Art 16 des Vertrags nur geprüft werden, ob die erforderlichen Urkunden vorliegen und ob ein Versagungsgrund nach Art 5 oder 6 II vorliegt. In Israel findet die Zwangsvollstreckung nach der Verordnung über die Voll- 164 streckung ausländischer Urteile (Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland) 1981183 sowie dem Gesetz über die Zwangsvollstreckung ausländischer Urteile von 1958 statt.184 Nach einer Erklärung des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten des Staats Israel können Anträge, die Zwangsvollstreckung zuzulassen, abweichend von Art 14 I Nr 2 des Vertrags bei jedem zuständigen Gericht Israels gestellt werden.185
180 181 182 183 184 185
H. Roth RIW 1987, 814ff. Vgl BGH RIW 2002, 63, 65. BGH RIW 2002, 63, 66. Nr 4237 v 24.5.1981. Vgl Pirrung, in: Geimer/Schütze, IRV, S 625.16. Bekanntmachung, BGBl 1990 II, 3.
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e) Deutsch-italienisches Abkommen vom 9.3.1936 über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen186 165 Schon das EuGVÜ hatte Vorrang vor diesem Abkommen (Art 55 EuGVÜ). Nach Art 56 EuGVÜ war das Abkommen nur noch für solche Rechtsgebiete wirksam, auf die das EuGVÜ nicht anzuwenden ist. Das waren nach Art 2 Nr 6 Erbschaftsstreitigkeiten, nach Art 3 nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten wie Statussachen, Ehescheidungen und das eheliche Güterrecht sowie nach Art 8 die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen. Zum 1.4.2002 ist das EuGVÜ im Verhältnis zu Italien durch die EuGVO ersetzt worden. 166 Für Entscheidungen in Ehesachen und über die elterliche Sorge hat seit 1.3.2001 die Verordnung (EG) Nr 1347/2000, seit 1.3.2005 die Verordnung (EG) Nr 2201/2003 v 27.11.2003 („Brüssel IIa“) Vorrang vor dem deutsch-italienischen Vertrag (Art 36 I, 38 I EheGVO). 167 Für Erbschaftsstreitigkeiten hat die EuErbVO (Nr 650/2012 v 4.7.2012)187 ab 17.8.2015 Vorrang. Sobald auch die geplante VO über eheliche Güterstände verabschiedet ist, wird das deutsch-italienische Abkommen für neue Fälle praktisch gegenstandslos. 168 Da Deutschland und Italien Vertragsstaaten sind, richten sich die Voraussetzungen für die Anerkennung von Schiedssprüchen heute nach dem UNÜ 1958. Art 8 III garantiert aber zusätzlich die Vollstreckbarkeit von Schiedsvergleichen und Art 8 II gewährt eine Beweiserleichterung für den Nachweis eines Schiedsspruchs. Angesichts dieser nur noch marginalen Restbedeutung wird auf eine Darstellung verzichtet. Zur näheren Information s 5. Aufl, § 13 Rz 420ff.
f) Deutsch-niederländischer Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30.8.1962 169 Der deutsch-niederländische Vertrag v 30.8.1962188 hat derzeit noch Bedeutung für Entscheidungen über Erbstreitigkeiten, auch auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Art 1 I). Nach dem gemeinsamen Bericht der Unterhändler189 sollen darunter auch gerichtliche Verfügungen bei der Vermittlung einer Auseinandersetzung unter Miterben gem §§ 86ff FGG (jetzt §§ 363ff FamFG) sowie Entscheidungen nach der HausratsVO (jetzt §§ 1361a, 1361b, 1568a, 1568b BGB; § 200 FamFG) fallen. Mit dem Inkrafttreten der EuErbVO (Nr 650/2012 v 4.7.2012) zum 17.8.2015 und der Verabschiedung der geplanten
186 187 188 189
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RGBl 1937 II, 154. ABl EU Nr L 201/107. BGBl 1965 II, 26. BT-Drucks, IV/2351, S 13.
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VO über eheliche Güterrechtssachen wird der deutsch-niederländische Vertrag für Zivilsachen vollständig gegenstandslos. Ohne Bedeutung ist inzwischen die Anerkennung von vollstreckbaren Urkunden über Unterhalt gem Art 16 (1) (b), weil auch insoweit das EuGVÜ (Art 50), die EuGVO (Art 57) und jetzt die EuUnthVO (Art 69 II) Vorrang haben. Die Anerkennung von Eintragungen in die Konkurstabelle sowie von bestätig- 170 ten Zwangsvergleichen (im Konkurs, Vergleichsverfahren sowie im niederländischen Verfahren des Zahlungsaufschubs) war bis zum 31.5.2002 nur nach Art 16 (1) (c), (d) des Vertrags gewährleistet, da das EuGVÜ nach Art 1 II Nr 2 auf Insolvenzverfahren generell nicht anwendbar war. Seit dem 31.5.2002 gilt insoweit aber die EG-Verordnung Nr 1346/2000 v 29.5.2000 über Insolvenzverfahren.190 Wegen der schon jetzt nur noch marginalen Restbedeutung wird auf eine nähere Darstellung verzichtet. Zur näheren Information s 5. Aufl § 13 Rz 435ff.
g) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 17.6.1977191 (1) Schrifttum MüKo/Gottwald, ZPO, 2. Aufl 2001, Bd III IZPR Nr 5g (S 2383); Pirrung, Zu den Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen der BR Deutschland mit Israel und Norwegen, IPRax 1982, 130; Pirrung, Vertrag zwischen der BRD und dem Königreich Norwegen, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Lfg 8 u 17), S 645.1.
171
(2) Restgeltung Seit 1.3.1995 gilt das LugÜ auch im Verhältnis zwischen Deutschland und Norwegen. Das LugÜ hat daher Vorrang vor dem deutsch-norwegischen Vertrag (Art 55 LugÜ).
172
Ebenso wie das LugÜ (Art 1 II) erfasst auch dieser Vertrag nicht Entscheidungen, die betreffen: Ehe- und Familienstandsachen, die Rechts- und Handlungsfähigkeit oder die gesetzliche Vertretung einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Gesellschaft, Atomhaftungsschäden, Konkurs- oder Vergleichsverfahren, einstweilige Verfügungen, Anordnungen und Arreste (Art 3). Nach Art 4 I ist der Vertrag auf Unterhaltssachen nicht anzuwenden. Art 4 II verweist auf das HUVÜ 1958. Da Deutschland und Norwegen inzwischen Vertragsstaaten des HUVÜ 1973 sind, gilt dieses (Art 29 HUVÜ 1973) sowie wahlweise das LugÜ.
190 ABl EG Nr L 160/1 v 30.6.2000. 191 BGBl 1981 II, 342.
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174 Infolgedessen gilt der deutsch-norwegische Vertrag nur noch für die Vergangenheit (Art 56 II LugÜ) sowie für die Rechtsgebiete, auf die das LugÜ nicht anwendbar ist (Art 56 I LugÜ). Seit 1.3.1995 erfasst der Vertrag daher nur noch Erbrechtssachen (Art 8 I Nr 1). Im Hinblick auf diesen schmalen Anwendungsbereich wird von einer näheren Erläuterung abgesehen. Im Bedarfsfall s 5. Aufl, § 13 Rz 450ff.
h) Deutsch-österreichischer Vertrag vom 6.6.1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen192 175 Österreich wurde zum 1.1.1995 Mitglied der Europäischen Union. Mit dem 4. Beitrittsübereinkommen v 29.11.1996 ist es zum 1.1.1999 dem EuGVÜ beigetreten, das zum 1.4.2002 durch die EuGVO abgelöst wurde. Als früherer EFTA-Staat hatte Österreich das Luganer GVÜ bereits zum 1.9.1996 ratifiziert. Vom 1.9.1996 an galt also im Verhältnis zu Österreich primär das LugÜ 1988 (Art 54, 54b LugÜ). Für danach erhobene Klagen hatte der deutsch-österreichische Vertrag noch Bedeutung für die vom EuGVÜ/LugÜ nicht erfassten Rechtsgebiete (Art 56 EuGVÜ/LugÜ), dh für Status- und Erbrechtssachen (Art 1 II Nr 1 EuGVÜ/LugÜ). Nach Art 1 I erfasste der Vertrag auch streitige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit,193 nicht aber Sorgerechtsverfahren, Vormundschaftssachen oder Adoptionen.194 Nicht anzuwenden war der Vertrag auf Entscheidungen in Ehesachen und in anderen Familienstandssachen (Art 14 I Nr 1) sowie auf einstweilige Verfügungen, einstweilige Anordnungen und Arreste (Art 14 I Nr 3). 176 Für Ehesachen und Sorgerechtssachen gilt seit 1.3.2001 die sog Brüssel II-VO Nr 1347/2000 v 29.5.2000, seit 1.3.2005 die VO (EG) Nr 2201/2003 („Brüssel IIa“) (s o § 13 Rz 2ff; § 14 Rz 100ff; § 15 Rz 320ff). 177 In Erbrechtssachen gilt ab 17.8.2015 die EuErbVO (Nr 650/2012 v 4.7.2012). Mit der Verabschiedung der geplanten EU-Verordnung über eheliche Güterstandsachen wird der deutsch-österreichische Vertrag nahezu gegenstandslos. Wegen der schon jetzt nur noch marginalen Bedeutung wird von einer näheren Darstellung abgesehen. Bei Bedarf s 5. Aufl, § 13 Rz 460ff.
192 BGBl 1960 II, 1245. 193 Österr. OGH IPRax 2013, 182 (dazu H. Roth S 188). 194 Vgl BayObLG IPRax 1982, 106.
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i) Deutsch-schweizerisches Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929195 Das Luganer Parallel-Übereinkommen von 1988 ist am 1.3.1995 für Deutsch- 178 land in Kraft getreten. Nach Art 55 LugÜ hat es Vorrang vor dem Abkommen von 1929. Gleiches gilt für das Lugano Übereinkommen von 2007 (Art 65). Letzteres hat daher nur noch Bedeutung für die vom LugÜ nicht erfassten Rechtsgebiete (Art 66 LugÜ 2007), dh für Status-, Güterstand- und Erbrechtssachen (Art 1 II Nr 1 LugÜ). Wegen dieses begrenzten Anwendungsbereichs wird von einer weiteren Erläuterung abgesehen. Im Bedarfsfall s 5. Aufl, § 13 Rz 490ff.
j) Deutsch-spanischer Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 14.11.1983 Seit dem In-Kraft-Treten des 3. Beitrittsübereinkommens zum EuGVÜ im Ver- 179 hältnis zwischen Deutschland und Spanien zum 1.12.1994196 war der deutschspanische Vertrag v 14.11.1983197 nur noch für die vom EuGVÜ nicht erfassten Sachgebiete (Art 55 EuGVÜ) und die früheren Entscheidungen relevant. Zum 1.4.2002 ist das EuGVÜ durch die EuGVO ersetzt worden. Anwendbar war der Vertrag danach noch in Ehe- und Familiensachen (Art 8) sowie in Erbschaftsangelegenheiten (Art 7 I Nr 13). In Ehesachen und Sorgerechtsstreitigkeiten hat seit 1.3.2001 die EheGVO (Ver- 180 ordnung [EG] Nr 1347/2000), die sog Brüssel II-VO, Vorrang vor dem Vertrag (Art 36 I, 38 I EheGVO) (s o § 13 Rz 2ff; § 14 Rz 100ff; § 15 Rz 320ff). Der deutsch-spanische Vertrag gilt danach noch für die sonstigen Familiensachen und für Erbrechtssachen. Für Erbrechtssachen wird der Vertrag zum 17.8.2015 durch die EuErbVO (Nr 650/2012 v 4.7.2015) ersetzt. Mit dem geplanten Erlass einer EU-Verordnung über Ehegüterstandsachen würde der Vertrag praktisch gegenstandslos. Wegen des schon jetzt nur noch marginalen Anwendungsbereichs wird von einer näheren Erläuterung abgesehen. Im Bedarfsfall s 5. Aufl, § 13 Rz 510ff.
195 RGBl 1930 II, 1066. 196 BGBl 1994 II, 518. 197 BGBl 1987 II, 34.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
k) Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 über Rechtsschutz, Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit (1) Schrifttum 182 Arnold, Die Problematik von Rechtshilfeabkommen erläutert am Beispiel des deutschtunesischen Vertrages v 19.7.1966, NJW 1970, 1478; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 64. Aufl 2006, Schlussanh V B 8; Ganske, Der deutsch-tunesische Rechtshilfe- und Vollstreckungsvertrag, AWD 1970, 145; MüKo/Gottwald, ZPO, Bd III, 4. Aufl 2013, IZPR Nr C 5b, S 2162.
(2) Einführung 183 Dieser zweiseitige Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag198 fällt aus dem sonst üblichen Rahmen, da er auch die internationale Rechtshilfe mit umfasst (s o § 8 Rz 166ff u § 9 Rz 158f).199 Nach dem Vertrag werden vorläufig vollstreckbare Entscheidungen nicht anerkannt. Art 27 fordert, dass die Entscheidungen Rechtskraft erlangt haben. Damit ist die formelle Rechtskraft gemeint, dh gegen die Entscheidungen dürfen im Urteilsstaat keine ordentlichen Rechtsmittel mehr zulässig sein.200 Es wird nicht darauf abgestellt, in welchem Gerichtszweig die Entscheidung erlassen wurde; es kommt vielmehr lediglich darauf an, dass sie ihrer Natur nach eine Entscheidung in einer Zivil- oder Handelssache ist. Danach fallen Entscheidungen der Arbeitsgerichte und Adhäsionsurteile unter den Vertrag. Auch streitige fG-Entscheidungen werden anerkannt. Die deutsche Denkschrift erwähnt hierzu die gerichtliche Bestätigung einer Auseinandersetzung bei der Vermittlung unter Miterben nach §§ 86ff FGG (jetzt §§ 363 ff FamFG) und Entscheidungen aufgrund der HausratsVO (jetzt gem §§ 200ff FamFG). 184 Als Ausnahme zur Grundregel des Art 27 I werden nach Art 27 IV aber einstweilige Anordnungen, die auf eine Geldleistung lauten, anerkannt. Sinngemäß sind danach auch Unterhaltsverfügungen anzuerkennen.201 185 Nach Art 28 I werden Entscheidungen in Ehe- oder Unterhaltssachen anerkannt, nicht jedoch solche, die die Rechts- oder Handlungsfähigkeit und die gesetzliche Vertretung natürlicher oder juristischer Personen unmittelbar betreffen. Nach Nr 2 des Protokolls zum Vertrag können die ausgeschlossenen Entscheidungen aber nach dem jeweiligen autonomen Recht anerkannt werden. Die deutsche Denkschrift zu Art 28 hebt außerdem hervor, dass deutsche Entscheidungen, durch die nichtehelichen Kindern Unterhalt zugesprochen wird, in Tunesien (gem Art 29 I Nr 2) nur anerkannt werden, wenn der Beklagte die Vaterschaft freiwillig anerkannt hat.
198 199 200 201
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BGBl 1994 II, 518. Arnold NJW 1970, 1478. Deutsche Denkschrift, BT-Drucksache V/3167, S 44ff. MüKo/Gottwald, Deutsch-tunesischer Vertrag, Art 27 Rz 2.
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
§ 15
Nach Art 28 II findet der Vertrag keine Anwendung in Insolvenzsachen und in Sozialrechtsangelegenheiten.
(3) Anerkennungszuständigkeiten Wie alle zweiseitigen Vollstreckungsabkommen regelt der deutsch-tunesische Vertrag nur die Anerkennungszuständigkeit (System der indirekten Kompetenz). Danach werden nach Art 31 I folgende Zuständigkeiten anerkannt:
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Nr 1, wenn der Beklagte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens im Urteilsstaat 187 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte; bei juristischen Personen, Gesellschaften und Vereinigungen wird auf den Sitz oder die Hauptniederlassung abgestellt. Das dem tunesischen Recht bekannte Wahldomizil fällt nicht unter Nr 1.202 Nr 2 betrifft die geschäftliche Niederlassung oder Zweigniederlassung des Be- 188 klagten, wenn er für Ansprüche aus deren Betriebe belangt worden ist. Selbständige Agenturen und Handelsvertreter fallen nicht unter Nr 2. Nr 3 betrifft den Gerichtsstand in Arbeitssachen. Abgestellt wird auf den Ar- 189 beitsort im Betrieb oder in der Arbeitsstelle im Urteilsstaat. Bei einer Entsendung in den anderen Vertragsstaat oder einen Drittstaat genügt es für die Zuständigkeit der Gerichte des Entsendestaats, dass der Arbeitnehmer vom dortigen Unternehmen oder Betrieb Weisungen erhielt. Nr 4 gibt für Unterhaltsklagen einen Klägergerichtsstand am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten.
190
Nr 5 betrifft den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung und der gleichge- 191 stellten Gefährdungshaftung. Notwendig ist, dass der Täter sich bei Begehung der schädigenden Handlung im Urteilsstaate aufgehalten hat. Bei einem Verkehrsunfall muss der Halter des Unfallwagens sich aber nicht ebenfalls im Urteilsstaat aufgehalten haben.203 Nach Nr 6 sind für dingliche Klagen über Rechte an unbeweglichen Sachen die 192 Gerichte des Staats der Belegenheit zuständig. Nr 7 betrifft Klagen aus Erbstreitigkeiten. Anerkannt werden Entscheidungen 193 des Heimatstaats des Erblassers, bei Drittstaatsangehörigen Entscheidungen des Staats des letzten Wohnsitzes des Erblassers. In beiden Fällen gilt dies für Streitigkeiten über den beweglichen und den unbeweglichen Nachlass. Nr 8 akzeptiert den Gerichtsstand der konnexen Widerklage, wenn das Erst- 194 gericht für die Hauptklage nach dem vertraglichen Zuständigkeitskatalog zuständig war. Nr 9 betrifft Klagen auf Ersatz des im Zweitstaat erlittenen Vollstreckungsschadens nach Aufhebung des Titels im Erststaat; in diesem Fall muss der Erststaat die Entscheidung des Zweitstaats anerkennen. 202 Deutsche Denkschrift zu Art 31. 203 Deutsche Denkschrift zu Art 31 Nr 5.
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196 In diesem umfangreichen Katalog fehlen die Gerichtsstände des Erfüllungsortes, der Gerichtsstandsvereinbarung und der rügelosen Einlassung. Gerichtsstandsvereinbarungen sind in Tunesien nach Art 3 tun. CPCC nichtig.204 Die tunesische Haltung gegenüber der Parteifreiheit ist aber ersichtlich gespalten, da in Art 47 deutsch-tunes. Vertrag internationale Schiedsvereinbarungen anerkannt werden. 197 Ein besonderes Problem bereiten die ausschließlichen Gerichtsstände. Nach Art 31 II werden Entscheidungen des Erstrichters nicht anerkannt, wenn nach dem Recht des Anerkennungsstaats dessen Gerichte für die betreffenden Klagen ausschließlich zur Entscheidung zuständig sind. Tunesien nimmt eine ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte in Anspruch, wenn an dem Rechtsstreit als Kläger oder Beklagte tunesische öffentliche Unternehmungen oder Gesellschaften, die im öffentlichen Eigentum stehen oder an deren Kapital der tunesische Staat unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.205 Da solche Unternehmen hauptsächlich am Außenhandel beteiligt sind, stand zu erwarten, dass der deutsch-tunesische Vertrag allein durch diese Tatsachen zum großen Teil gegenstandslos wurde. Deswegen haben die Vertragsstaaten in dem Zusatzprotokoll zum Vertrage bestimmt: „Als eine ausschließliche Zuständigkeit im Sinne des Art 31 II ist es nicht anzusehen, wenn das Recht eines Vertragsstaats für Verfahren von öffentlichen Unternehmungen (offices) oder Gesellschaften, die im Eigentum dieses Staats stehen (sociétés nationales) oder an deren Kapital dieser Staat beteiligt ist, seine Gerichte für ausschließlich zuständig erklärt.“ 198 Art 32 regelt die internationale Anerkennungs-Zuständigkeit in Ehesachen. Danach werden Entscheidungen (1) anerkannt, wenn beide Ehegatten nicht die Staatsangehörigkeit des Anerkennungsstaats besitzen; (2) gehören beide Ehegatten einem dritten Staate an, so wird die Zuständigkeit des Entscheidungsstaats anerkannt, wenn die Entscheidung im Heimatstaat anerkannt wird. Der Fall, dass die Ehegatten verschiedenen Drittstaaten angehören, ist nicht geregelt. Hier sollte analog § 98 I Nr 1 FamFG die Anerkennung in einem Heimatstaat genügen.206 (3) Besaß einer der Ehegatten die Staatsangehörigkeit des Anerkennungsstaats, so sind die Gerichte des Entscheidungsstaats zuständig, wenn der Beklagte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Entscheidungsstaat hatte oder wenn die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Entscheidungsstaat hatten und einer der Ehegatten zur Zeit der Einleitung des Verfahrens sich im Entscheidungsstaat aufhielt. 199 Das tunesische IPRG v 27.11.1998 hat auch die internationale Anerkennungszuständigkeit neu geregelt, so dass ggf eine weitergehende Anerkennung nach autonomem Recht in Betracht kommt.207 204 Vgl Cramer-Frank, Auslegung und Qualifikation bilateraler Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge, 1987, S 137. 205 Deutsche Denkschrift zu Art 31. 206 MüKo/Gottwald Art 32 deutsch-tunes. Vertrag Rz 2. 207 Vgl Menhofer IPRax 1999, 266, 267.
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(4) Versagungsgründe für die Anerkennung Nach Art 29 „darf die Anerkennung … nur versagt werden, wenn …“ Diese 200 Gründe sind nach Art 33 abschließend. Sie sind zugleich zwingend; bei ihrem Vorliegen hat das Gericht im Anerkennungsstaat keinerlei Ermessen. Die Anerkennung ist zu versagen, sofern sie nicht über das Günstigkeitsprinzip nach autonomem Recht doch zulässig ist. Nach Art 29 bestehen folgende Voraussetzungen für die Anerkennung:
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(1) das Erstgericht muss zuständig iS der Art 31 und 32 des Vertrags gewesen sein; (2) die Anerkennung der Entscheidung darf der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaats nicht widersprechen (Nr 2); die Entscheidung darf nicht durch betrügerische Machenschaften erwirkt sein (Nr 3); (3) ein Verfahren darf nicht zuerst vor einem Gericht des Anerkennungsstaats zwischen denselben Parteien und wegen desselben Gegenstandes anhängig gemacht sein (Nr 4), und die Entscheidung des Erstrichters darf nicht mit einer im Anerkennungsstaat ergangenen rechtskräftigen Entscheidung unvereinbar sein (Nr 5). (4) Hat sich der Beklagte auf das Verfahren nicht eingelassen, ist die Anerken- 202 nung zu versagen, wenn die Klage, die Vorladung oder ein anderes der Einleitung des Verfahrens dienendes Schriftstück nicht nach dem Recht des Entscheidungsstaats und, wenn er sich im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens im Anerkennungsstaat befand, nicht auf einem der in Art 8 bis 16 vorgesehenen Wege zugestellt worden ist. Eine Heilung ist nicht vorgesehen.208 Die erste Alternative sieht also auch eine öffentliche Zustellung iS des § 185 ZPO vor. Zur 2. Alternative s o § 8 Rz 166ff. Es fällt auf, dass der besondere Schutz des Beklagten bei der Zustellung, den Art 17 des Vertrags gewährt, nicht auch in Art 29 II in Bezug genommen worden ist. Die deutsche Denkschrift begnügt sich damit, darauf hinzuweisen, dass über Art 17 I hinaus die Rechte des im Anerkennungsstaat ansässigen Beklagten gewahrt sind. Es muss aber beachtet werden, dass nach Art 17 II eine Zustellung als bewirkt vermutet wird, wenn seit der Übermittlung des Zustellungsantrages an die Empfangsstelle des Anerkennungsstaats acht Monate verstrichen sind. Der Zweitrichter muss prüfen, ob der Erstrichter diese Vorschrift beachtet hat. Um dem Beklagten alle Möglichkeiten des rechtlichen Gehörs zu gewähren, 203 ist die Anerkennung trotz ordnungsgemäßer Zustellung versagt werden, wenn der Beklagte nachweist, dass er ohne sein Verschulden von der Zustellung nicht rechtzeitig genug Kenntnis erlangt hat (Art 29 II 2). (5) Die Anerkennung darf nicht allein deshalb versagt werden, weil der Erst- 204 richter nach seinem IPR andere Gesetze angewendet hat, als sie nach dem IPR des Anerkennungsstaats anzuwenden gewesen wären (Art 30 I). Die Anerken-
208 LJV Baden-Württemberg FamRZ 2001, 1015 (Gottwald).
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nung darf jedoch versagt werden, wenn in Statusfragen die IPR-Vorfrage im Ergebnis abweichend beurteilt wurde (Art 30 II). 205 Eine Sonderstellung nehmen Kostenentscheidungen gegen den erfolglosen Kläger ein. Ihre Anerkennung darf nur abgelehnt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaats widerspricht. Dies gilt besonders für die Anerkennung der Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten (Art 29 III und Art 27 III). Nach der deutschen Denkschrift zu Art 29 gehört zum ordre public auch die ordnungsgemäße Ladung des Beklagten bei Einleitung des Verfahrens. 206 Das Protokoll zu dem Vertrag (Nr 2) gestattet schließlich die Anerkennung von Entscheidungen, die in einem einseitigen fG-Verfahren (jetzt FamFG-Verfahren) ergangen sind (Art 27 II 2), und von Entscheidungen über Statusfragen gem Art 28 I. Beide Arten von Entscheidungen können in dem anderen Vertragsstaat nach autonomen Rechtsvorschriften einschließlich des IPR anerkannt werden.
(5) Das Vollstreckungsverfahren 207 Gerichtliche Entscheidungen in Zivil- oder Handelssachen, die in dem einen Staat vollstreckbar sind, werden in dem anderen vollstreckt, wenn sie anerkannt werden und dort für vollstreckbar erklärt sind (Art 34). Das Verfahren richtet sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaats (Art 35). Der Antrag wird in Deutschland an das Landgericht, in der Tunesischen Republik an das „Tribunal de première instance“ gerichtet (Art 37 I). Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat oder die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat die die Vollstreckung betreibende Partei die Wahl (Art 37 II). In Art 38 sind die Urkunden aufgeführt, die der Antragsteller beizubringen hat. 208 Einzelheiten des Verfahrens ergeben sich aus dem deutschen Ausführungsgesetz v 29.4.1969.209 Die Vollstreckbarerklärung erfolgt danach im sog fakultativen Beschlussverfahren (§ 5 AusfG idF von Art 2 § 10 SchiedsVfG 1997). 209 Art 39 legt den Umfang der Prüfungspflicht fest. Diese darf sich nur darauf erstrecken, ob der Antragsteller die in Art 38 aufgeführten Urkunden beigebracht hat und ob einer der in Art 29 I, II und in Art 30 II genannten Versagungsgründe vorliegt. Eine weitere Nachprüfung ist ausgeschlossen (Art 39 II). Art 39 III wiederholt, dass die Vollstreckung von Entscheidungen, durch welche die Kosten dem mit der Klage abgewiesenen Kläger auferlegt worden sind, nur abgelehnt werden darf, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaats widerspricht (Art 27 III). 210 In dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung kann der Schuldner Einwendungen gegen den Anspruch selbst geltend machen, soweit die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der Entscheidung entstanden sind (§ 7 I 209 BGBl 1969 I, 333.
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AusfG).210 Gegen gerichtliche Vergleiche oder öffentliche Urkunden kann der Schuldner Einwendungen gegen den Anspruch selbst ohne diese Beschränkungen geltend machen (§ 7 II AusfG). Ist eine gerichtliche Entscheidung oder ein anderer Schuldtitel bereits für vollstreckbar erklärt, kann der Schuldner Einwendungen gegen den Anspruch selbst in einem Verfahren nach § 767 ZPO nur geltend machen, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Ablauf der Frist, innerhalb derer er Beschwerde hätte einlegen können, oder erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind, in der er die Einwendungen spätestens hätte geltend machen können (§ 7 III AusfG).211 Der Vertrag und das AusfG regeln schließlich die Folgen, die es hat, wenn die 211 Entscheidung des Erstrichters abgeändert bzw aufgehoben wird, und wie eine Sicherheitsleistung oder besondere Voraussetzungen für die Vollstreckung nachgewiesen werden müssen. Die vor einem staatlichen Gericht abgeschlossenen und zu Protokoll genom- 212 menen Vergleiche werden vollstreckt, wenn sie in dem Erststaat vollstreckbar sind (Art 42). Der Vollstreckungsstaat prüft nur, ob die erforderlichen Urkunden beigebracht sind, ob die Parteien nach dem Recht des Vollstreckungsstaats berechtigt sind, über den Gegenstand des Verfahrens einen Vergleich zu schließen, und ob die Vollstreckung der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaats widerspricht (Art 42 III). Öffentliche Urkunden, die in dem einen Staat aufgenommen und vollstreckbar 213 sind, können in dem anderen Staat für vollstreckbar erklärt werden. In dem Vollstreckungsstaat ist die Prüfung darauf beschränkt, ob die Ausfertigung der Urkunde die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen nach dem Recht des Erststaats hat, und ob die Vollstreckbarerklärung der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaats widerspricht (Art 43). Auch die von den Jugendämtern aufgenommenen Verpflichtungserklärungen (§§ 59, 60 SGB VIII) können in Tunesien für vollstreckbar erklärt werden, sofern ihre Vollstreckbarerklärung nicht der öffentlichen Ordnung widerspricht.212 Dazu muss der Vater die Vaterschaft freiwillig anerkannt haben (s o Rz 185).
6. Die Vollstreckbarerklärung nach autonomem Recht a) Schrifttum Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989; Chrocziel-Westin, Die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile und Schiedssprüche, ZVglRWiss 87 (1988), 145; Dopffel, Vollstreckbarerklärung ausländischer Unterhaltstitel mit gesetzlicher Indexierung, DAVorm. 1984, 217; v Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel, 1998; P. Finger, Vollstreckung ausländischer Unterhaltstitel in Deutschland, FamRBint 2006, 38; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard/Lakkis, Zwangsvollstreckungsrecht (§ 12 II), 12. Aufl 2010, S 195; Gei210 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, 2000, S 282ff, plädiert zu Recht für eine restriktive Auslegung unter Präklusion der nach dem Recht des Erststaats präkludierten Einwendungen. 211 Krit Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 425ff. 212 Deutsche Denkschrift zu Art 43.
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mer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, S 163; Geimer, Exequaturverfahren, FS Georgiades, 2005, 489; Gottwald, Grundfragen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen, ZZP 103 (1990), 257; Hanisch, Umrechnung von Fremdwährungsforderungen in Vollstreckung und Insolvenz, ZIP 1988, 341; G. Hohloch, Zur Bedeutung des Ordre-public-Arguments im Vollstreckbarerklärungsverfahren, FS Kropholler, 2008, S 809; Kegel, Exequatur sur exequatur ne vaut, FS Müller-Freienfels, 1986, S 377; Kerameus, Enforcement in the International Context, RdC 264 (1997), 179; Kerameus, Rechtsvergleichende Bemerkungen zur autonomen Urteilsvollstreckung im Ausland, FS G. Lüke, 1997, S 337; Linke, Zum Wert oder Unwert der Vollstreckungsklage, FS Schütze, 1999, S 427; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000; K. Niethammer-Jürgens, Vollstreckungsprobleme im HKÜ-Verfahren, FPR 2004, 306; H. Plaßmeier, Ende des „Doppelexequatur“ bei ausländischen Schiedssprüchen, SchiedsVZ 2010, 82; Schefold, Vollstreckung von Urteilen, die auf Zahlung in fremder Währung lauten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd III, 2. Aufl 2001, § 115 VIII (S 3886ff); P. Schlosser, Vollstreckbarerklärung nicht vollstreckungsfähiger Entscheidungen?, FS Kerameus, 2009, S 1183; R. Schütze, Zur Zuständigkeit im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach § 722 ZPO, NJW 1983, 154; R. Schütze, Überlegungen zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung US-amerikanischer Zivilurteile in Deutschland – zur Kumulierung von Ordre-public-Verstößen, FS Geimer, 2002, S 1025; R. Schütze, Aktuelle Fragen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von US-amerikanischen Schiedssprüchen und Gerichtsurteilen in Deutschland, ZVglRWiss 104 (2005), 427; R. Schütze, Forum non conveniens und Verbürgung der Gegenseitigkeit im deutsch-amerikanischen Verhältnis, FS Kropholler, 2008, S 905; R. Schütze, Die Zustellung US-amerikanischer class actions und die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung US-amerikanischer class actionUrteile und -vergleiche, FS Kerameus, 2009, S 1245; R. Schütze Der Abschied vom Doppelexequatur ausländischer Schiedssprüche, RIW 2009, 817; S. Seidl, Ausländische Vollstreckungstitel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 2010; V. Sich, Die zwischenstaatliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im deutsch/US-amerikanischen Verhältnis nach den Normen des Auslandsunterhaltsgesetzes und des Uniform Interstate Family Support Act, 2004, S 73ff; Stojan, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in Handelssachen, 1986; Stürner/Münch, Die Vollstreckung indexierter ausländischer Unterhaltstitel, JZ 1987, 178; Th. Wazlawik, Persönliche Zuständigkeit im US-amerikanischen Prozessrecht und ihre Bedeutung im deutschen Exequaturverfahren, RIW 2002, 691.
b) Die Vollstreckungsklage 215 Aus einem ausländischen Urteil findet die Vollstreckung im Inland nur statt aufgrund der Bestimmungen der §§ 722 und 723 ZPO. § 722 ZPO: „(1) Aus einem Urteil eines ausländischen Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist. (2) Für die Klage auf Erlass des Urteils ist das Amtsgericht oder das Landgericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und sonst das Amtsgericht oder Landgericht zuständig, bei dem nach § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann.“ § 723 ZPO: „(1) Das Vollstreckungsurteil ist ohne Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Entscheidung zu erlassen. (2) Das Vollstreckungsurteil ist erst dann zu erlassen, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts nach dem für dieses Gericht geltenden Recht die Rechtskraft erlangt hat. Es ist nicht zu erlassen, wenn die Anerkennung des Urteils nach § 328 ausgeschlossen ist.“
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Danach bedarf es einer prozessualen Gestaltungsklage, die dem ausländischen 216 Urteil die im Inland fehlende Vollstreckbarkeit originär verleiht.213 Grundlage der Zwangsvollstreckung im Inland ist nicht der ausländische Titel, sondern nur die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung.214 Während die Anerkennung ausländischer Entscheidungen bis auf solche in Ehesachen (außerhalb der EheGVO) automatisch erfolgt, behält sich der deutsche Gesetzgeber eine gewisse Überprüfung des ausländischen Urteils vor, bevor in diesem neuen Prozess die Vollstreckbarkeit gewährt wird. Andere Staaten haben schon für die Anerkennung ein besonderes Verfahren der Wirkungsverleihung vorgeschaltet, so dass in diesem sowohl über die Anerkennung als auch über die Vollstreckbarkeit entschieden wird (s o § 12 Rz 106). Die vereinfachten Verfahren der Vollstreckbarerklärung in den verschiedenen 217 Beschlussverfahren nach den europäischen Verordnungen und den Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen haben sämtliche Vorrang vor der Vollstreckungsklage.215 Soweit einfachere Verfahren zulässig sind, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsklage.216 Entscheidungen der Europäischen Gerichte (EuGH und EuG) sind wie inländische Urteile vollstreckbar;217 die Vollstreckungsklausel erteilt der Bundesminister der Justiz.218
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Für die sachliche Zuständigkeit des Amts- oder des Landgerichts ist allein der 219 Wert des Gegenstandes, der sich aus dem ausländischen Urteil ergibt, maßgebend.219 Örtlich ist das Gericht zuständig, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen 220 Gerichtsstand hat. Es gelten dafür die §§ 12 bis 39 ZPO. Hat der Schuldner im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners oder der Streitgegenstand befindet (§ 23 ZPO).220 Da für den Gläubiger aus dem ausländischen Urteil ein legitimes Interesse daran besteht, die Vollstreckung dort zu betreiben, wo sich Vermögen des Schuldners befindet, ist es ganz natürlich, wenn ihm ein Gerichtsstand zur Verfügung gestellt wird, sofern der Schuldner im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der Gerichtsstand des § 23 ZPO kann in diesem Zusammenhang nicht als „unerwünscht oder exorbitant“ bezeichnet werden.221 Auf den Inlandsbezug der zu vollstreckenden Forderung kommt es 213 OLG Zweibrücken NJOZ 2005, 3309, 3311; aA Schütze IZPR, Rz 379, 381 (Wirkungserstreckung). 214 BGHZ 112, 16, 18 = NJW 1993, 1801; Geimer, Anerkennung, S 164. 215 MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 7; Zimmermann, § 722 ZPO Rz 2ff, 9. 216 KG RIW 1998, 630; AG Garmisch-Partenkirchen NJW 1971, 2135; Thomas/Putzo/ Hüßtege, §§ 722, 723 ZPO Rz 5. 217 Vgl für Österreich Schoibl, FS Geimer, 2002, S 981, 986. 218 BGBl 1961 II 50. 219 Geimer IZPR, Rz 3128. 220 Geimer, Anerkennung, S 174f, will die Klage bereits antizipiert zulassen, bevor der Schuldner Vermögen im Inland erwirbt. 221 MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 31; vgl auch Geimer IZPR, Rz 1390, 2896; Mankowski RIW 1995, 56.
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nicht an, da der Schuldner ansonsten vollstreckungsfreies Vermögen bilden könnte. Irrelevant ist auch, ob das Vermögen zur Befriedigung des Gläubigers ausreicht.222 Es handelt sich weder bei der sachlichen noch bei der örtlichen Zuständigkeit um eine ausschließliche, denn das Gesetz hat diese Gerichtsstände nicht als ausschließliche bezeichnet. Die Parteien dieses neuen Rechtsstreits könnten also eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. 221 Ob der Gläubiger eine Vollstreckbarerklärung auch dann beantragen kann, wenn der Beklagte kein Inlandsvermögen besitzt, erscheint zweifelhaft. Geimer möchte eine Zuständigkeit am Sitz der Bundesregierung analog §§ 15 I 2, 27 II ZPO, dh wohl des AG Schöneberg in Berlin, bejahen.223 222 Streitgegenstand der Vollstreckungsklage ist nicht der private Anspruch, der dem ausländischen Urteil zugrunde liegt, sondern der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils.224 Daraus folgt zunächst für die Zuständigkeit, dass die Amts- und Landgerichte auch dann zuständig sind, wenn der ursprüngliche materiell-rechtliche Anspruch nach den deutschen Vorschriften vor einem Arbeitsgericht zu entscheiden gewesen wäre.225 In Familiensachen ist das Familiengericht zuständig.226 223 Daraus folgt weiter, dass der Anspruch teilweise der Disposition der Parteien entzogen ist. Es steht dem Kläger zwar frei, ob er die Vollstreckungsklage erheben will. Er könnte aus dem ausländischen Urteil im Ursprungsland oder in einem dritten Staat vollstrecken. Der Beklagte kann jedoch den Anspruch nicht anerkennen, denn die Interessen des deutschen Gesetzgebers gehen dahin, zunächst festzustellen, ob die Vollstreckungsklausel überhaupt gewährt werden kann.227 Der Beklagte könnte allerdings vor Beginn der mündlichen Verhandlung die geschuldete Summe freiwillig zahlen, so dass die Hauptsache erledigt wäre. Die Parteien können sich über den dem ausländischen Urteil zugrunde liegenden Anspruch auch noch in dem Verfahren vor dem Zweitrichter vergleichen. Dieser Vergleich betrifft jedoch nicht den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils. Der Kläger kann aber auf den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Vollstreckbarerklärung verzichten228 oder die Klage zurücknehmen. 224 Im Übrigen handelt es sich um ein gewöhnliches Erkenntnisverfahren, auf das die allgemeinen Vorschriften anzuwenden sind. Die Parteien müssen deshalb parteifähig sein; eine Bindung an die Feststellungen in der anzuerkennenden
222 223 224 225 226
BGH RIW 1997, 238 (Munz). Geimer IZPR, Rz 3127. Stein/Jonas/Münzberg § 722 ZPO Rz 11; Geimer, Anerkennung, S 165. AA v Falck S 49. Vgl BGHZ 88, 113 = NJW 1983, 2775; Schuschke/Walker/Jennissen, 5. Aufl 2011, § 722 ZPO Rz 4. 227 Zimmermann, § 723 ZPO Rz 2; Hk-ZPO/Kindl § 723 ZPO Rz 5. 228 So zu Recht Geimer, IZPR, Rz 3135; missverständlich Stein/Jonas/Münzberg § 722 ZPO Rz 3, wonach der öffentlich-rechtliche Anspruch jeder privaten Vereinbarung entzogen ist.
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Entscheidung besteht nicht.229 Eine Widerklage wird zugelassen. Aus der Natur der Klage folgt jedoch, dass eine Klage im Urkundenprozess unzulässig ist. Einwendungen des Beklagten können wegen der Rechtskraftbindung (vgl § 322 ZPO) nur soweit vorgebracht werden, als sie nicht aufgrund der Präklusionswirkung der ausländischen Entscheidung abgeschnitten sind.230 Wird eine Partei insolvent, wird das Verfahren nach § 240 ZPO unterbrochen.231 Kläger ist der Titelinhaber nach dem Recht des Erststaats, in Fällen gesetzli- 225 cher Prozessstandschaft also der Prozessstandschafter.232 Gegen Dritte kann die Vollstreckbarerklärung nur betrieben werden, soweit das Urteil im Ursprungsstaat gegen den Dritten vollstreckbar wäre.233
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Da es sich um ein inländisches Verfahren handelt, kann eine arme auslän- 227 dische Partei Prozesskostenhilfe (§§ 114ff ZPO) nach allgemeinen Regeln erhalten234 (s o § 5 Rz 120ff). Außerhalb des Vertragsrechts wirkt eine PKH-Bewilligung für das ausländische Erkenntnisverfahren nicht unmittelbar für die Inlandsvollstreckung. Es muss ein Leistungsurteil eines ausländischen Gerichts vorliegen, das im 228 Erststaat vollstreckbar ist.235 Ein Urteil, das nach § 888 III ZPO im Inland nicht vollstreckt werden kann, ist dennoch für vollstreckbar zu erklären, damit der Gläubiger das Interesse geltend machen kann.236 Feststellungsurteile237 und Gestaltungsurteile können nicht für vollstreckbar erklärt werden. Die ausländischen Entscheidungen müssen nach dem Recht des Ursprungs- 229 staats formelle Rechtskraft erlangt haben (§ 723 II 1 ZPO). Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung schadet nicht.238 Auf für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteile kann also die Klage auf Vollstreckbarerklärung nicht gestützt werden. Im Einzelfall kann viel Zeit notwendig werden, ehe der Kläger die Durchsetzung seines Anspruchs verwirklichen kann. Da die Einspruchsfrist für Versäumnisurteile nur 14 Tage beträgt, können diese oft viel schneller die formelle Rechtskraft erreichen als andere Urteile. Die Vernichtbarkeit des Titels nach dem Recht des Ursprungsstaats schließt die Vollstreckbarerklärung nicht aus, solange das Urteil nicht tatsächlich aufgehoben worden239 oder seine Vollstreckbarkeit im Erststaat entfallen ist.240
229 Vgl Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, S 201ff. 230 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, S 236ff, 254ff; T. Frische, S 232ff. 231 BGH FamRZ 2008, 1749. 232 Vgl OLG Stuttgart FamRZ 1999, 312. 233 OLG Düsseldorf RIW 1999, 540. 234 Vgl OLG Zweibrücken NJOZ 2005, 3309. 235 Geimer, Anerkennung, S 164, 176. 236 Geimer, FS Georgiades, S 489, 496. 237 AG Würzburg FamRZ 1994, 1596. 238 BGH RIW 1999, 1381, 1384. 239 BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096. 240 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 327, 330ff, 401f.
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230 Leistungsverfügungen und andere Titel des einstweiligen Rechtsschutzes können nach § 722 ZPO (im Gegensatz zum europäischen Recht, Vertragsrecht und dem AUG) nicht für vollsteckbar erklärt werden.241 231 Da § 722 in § 795 ZPO nicht erwähnt ist, scheidet auch eine Vollstreckbarerklärung von Prozessvergleichen und ausländischen vollstreckbaren Urkunden nach allgemeinem autonomen Recht aus.242 232 Ausländische Exequaturentscheidungen fallen nicht unter § 722 ZPO, gleichgültig ob darin Entscheidungen von Drittstaaten oder Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden. Die Ausnahme, die der BGH lange Zeit für US-amerikanische Exequatururteile über Schiedssprüche gemacht hat,243 hat er mit Urteil v 2.7.2009 zu Recht aufgegeben244 (s o § 12 Rz 147). 233 Entscheidungen gegen einen ausländischen Staat können im Rahmen des Europäischen Übereinkommens über Staatsimmunität von 1972245 (in Kraft seit 16.8.1990 im Verhältnis zu Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und Zypern) nicht vollstreckt und für vollstreckbar erklärt werden246 (s u § 19 Rz 26). 234 Eine bestehende Vollstreckungsimmunität (s u § 19 Rz 24ff) ist ansonsten bei der Vollstreckbarerklärung nicht zu beachten. 235 Der Schwerpunkt einer Klage auf Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung liegt in der Nachprüfung der Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 328 I ZPO (s o § 12 Rz 151ff). Der Beklagte kann dabei insb geltend machen, dass der Erstrichter nicht zuständig gewesen sei. Das gilt auch dann, wenn der Beklagte sich vor dem ausländischen Gericht nicht eingelassen hat, also ein Versäumnisurteil gegen sich hat ergehen lassen, obwohl er die Unzuständigkeit des Erstgerichts bereits hätte rügen können.247 236 Die ausländische Entscheidung wird im Übrigen auf ihre sachliche Richtigkeit nicht nachgeprüft (Verbot der „révision au fond“). Das Gleiche gilt hinsichtlich der Frage, ob das Erstgericht abgesehen von den Vorschriften § 328 I Nr 1 und Nr 2 ZPO seine Verfahrensvorschriften richtig angewendet hat. Soweit ein Verstoß gegen den ordre public des § 328 I Nr 4 ZPO in Betracht kommt, ist ergänzender Parteivertrag zulässig.248 Generell besteht für den deutschen
241 Teilweise abw. Geimer, Anerkennung, S 170. 242 Musielak/Lackmann, § 722 ZPO Rz 3; MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 21; Schuschke/Walker/Jennissen § 722 ZPO Rz 1; H. Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl 2011, Rz 52.6; aA Geimer, Anerkennung, S 169; Geimer, FS Georgiades, S 489, 498; Zöller/Geimer, § 722 ZPO Rz 10. 243 Vgl BGH NJW 1984, 2765. 244 BGH SchiedsVZ 2009, 285 = RIW 2009, 721; dazu Schütze RIW 2009, 817; Plaßmeier SchiedsVZ 2010, 82. 245 BGBl 1990 II, 34. 246 Vgl Kronke IPRax 1991, 141. 247 BGHZ 52, 30 = WM 1969, 571; Stein/Jonas/Münzberg § 723 ZPO Rz 2; Zöller/Geimer, § 328 ZPO Rz 115. 248 BGH RIW 1999, 1381, 1388.
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Beklagten aber aller Anlass, sich vor dem ausländischen Gericht, vor das er ordnungsgemäß geladen ist, wegen des materiellen Anspruchs und wegen der Einhaltung der ausländischen Verfahrensregeln zu verteidigen, sofern nicht offenkundig ist, dass das Urteil wegen einer der in § 328 I genannten Voraussetzungen nicht anerkannt werden kann. Ist eine ausländische Entscheidung im Inland anzuerkennen, ist deren Rechts- 237 kraft zu beachten (s o § 12 Rz 21ff, 116ff). Eine erneute Leistungsklage ist grds unzulässig. Die Rechtsprechung lässt aber im Anwendungsbereich der §§ 722, 723 ZPO 238 auch eine neue Leistungsklage zu.249 Dem Gläubiger soll damit das Risiko der falschen Klageart abgenommen werden. Ist das ausländische Urteil aber anzuerkennen, ist die Bindungswirkung der Rechtskraft zu beachten und ein inhaltlich gleiches Urteil zu erlassen. Der Antrag, den Schuldner zu einer anderen Leistung zu verurteilen, ist unbegründet. Eine andere Leistung wird auch verlangt, wenn statt der titulierten ausländischen Währung Leistung in Euro verlangt wird.250 Bei Schadenersatztiteln nach Seeschiffskollisionen schließt § 738a II HGB eine Wiederholung der Leistungsklage im Inland aus. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine neue Leistungsklage fehlt dagegen, wenn 239 der ausländische Titel bereits für vollstreckbar erklärt ist oder in einem vereinfachten Verfahren für vollstreckbar erklärt werden kann. Das schnellere und billigere Klauselerteilungsverfahren hat stets Vorrang.251 Bloße Schwierigkeiten bei der Beschaffung der nötigen Unterlagen für das Klauselerteilungsverfahren rechtfertigen nicht das Ausweichen auf eine Leistungsklage.252 Da für den Kläger nach § 722 ZPO oft nicht zu übersehen ist, ob die Vorausset- 240 zungen für die Anerkennung und damit für ein Vollstreckungsurteil gegeben sind, ist es auch gerechtfertigt, wenn der Kläger neben dem Hauptantrag, das ausländische Urteil für vollstreckbar zu erklären, hilfsweise den Antrag stellt, den Beklagten zu eben derselben Leistung zu verurteilen, wie er es bereits vor dem Erstrichter getan hatte.253 Kann das Urteil nicht anerkannt werden, so entfällt auch die Rechtskraftwirkung der ausländischen Entscheidung.254 Die Eröffnung eines inländischen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des 241 Schuldners unterbricht nach § 240 ZPO das Verfahren der Vollstreckungsklage.255 Gleiches gilt für die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzver-
249 BGH FamRZ 1987, 370; BGH NJW 1979, 2477; OLG Zweibrücken NJOZ 2005, 3309; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 600; OLG Hamm FamRZ 1991, 718. 250 Vgl KG IPRax 1994, 455 (dazu P. Baumann, S 435, 437). 251 Baumann IPRax 1990, 28, 29; Geimer, Anerkennung, S 181; Gottwald FamRZ 1999, 310; aA OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 309. 252 Baumann IPRax 1994, 435, 438; aA KG IPRax 1994, 455, 457. 253 Vgl OLG Zweibrücken NJOZ 2005, 3309. 254 So zu Recht Schütze DB 1977, 2129. 255 BGH NZI 2008, 681.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
fahrens in einem Nicht-EU-Staat, wenn dieses im Inland anzuerkennen ist (s § 343 InsO).256 242 Bestimmtheit des Titels. Die ausländische Entscheidung muss nach Inhalt und Grenzen ausreichend bestimmt sein, um für vollstreckbar erklärt zu werden. Freilich sind ausländische Tenorierungsgewohnheiten zu beachten. Die ausländische Entscheidung ist daher im Anerkennungs- bzw Vollstreckbarerklärungsverfahren nach formellen deutschen Maßstäben zu konkretisieren, soweit die Maßstäbe hierfür (unter Mitwirkung des Antragstellers gem § 293 ZPO) sicher festgestellt werden können. Entsprechend können ein Titel, der zur Zahlung „gesetzlicher Zinsen“257 oder „zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer“258 verurteilt, oder ein Unterhaltstitel, der einem gesetzlichen Währungsausgleich oder einer sonstigen gesetzlichen Indexierung unterliegt, für die Inlandsvollstreckung konkretisiert werden.259 Der Titel ist in der zulassenden Entscheidung so zu fassen wie ein entsprechender deutscher Titel. Zu unbestimmt sind allerdings Titel, die Unterhalt unter der Bedingung „ernsthaften Studiums“260 oder in Höhe von einem Viertel des Nettoeinkommens des Schuldners zusprechen.261 Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art 49 EuGVO/LugÜ soll es auch zulässig sein, dass der Zweitrichter ein nur in unbestimmter Höhe angedrohtes Zwangsgeld konkret festsetzt.262 243 Von der notwendigen Konkretisierung abgesehen wird der Titel bei der Vollstreckbarerklärung jedoch nicht verändert. Die Pflicht zur Leistung in ausländischer Währung wird unverändert für vollstreckbar erklärt. Eine Umrechnung in Inlandswährung unterbleibt, auch wenn eine Ersetzungsbefugnis nach § 244 I BGB besteht. Die Umrechnung obliegt nach deutschem Recht den Vollstreckungsorganen zum Zeitpunkt der effektiven Zahlung.263 Das Gericht kann aber bei der Klauselerteilung den Umrechnungszeitpunkt klarstellen.264 Erhebliche Veränderungen der Währungsparität berechtigen nicht, die Vollstreckbarerklärung abzulehnen.265
256 MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 39; Zöller/Geimer, § 722 ZPO Rz 4a. 257 Vgl BGH RIW 1990, 497; OLG Düsseldorf VersR 1991, 1161/62; OLG Hamburg RIW 1994, 424, 426; S. Seidl, S 160ff. 258 Vgl BGH NJW 1990, 3084; OLG Celle NJW 1988, 2183. 259 BGHZ 112, 16 = NJW 1993, 1801 = IPRax 1994, 367 (dazu H. Roth, S 350); Stürner/ Münch JZ 1987, 178; Geimer, Anerkennung, S 168; eingehend v Falck, S 7ff, 42ff, 157ff; krit. S. Seidl, S 158ff. 260 OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1430; aA Geimer, FS Georgiades, S 489, 508. 261 AG Wiesbaden FamRZ 2006, 562; aA OLG Zweibrücken NJOZ 2005, 3309, 3312 (Aufklärung durch Gutachten erforderlich); S. Seidl, S 169ff (für Klärung gem §§ 235, 236 FamFG). 262 Geimer, FS Georgiades, S 489, 506. 263 BGH IPRax 1987, 172; MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 44; vgl Hanisch ZIP 1988, 341; Bachmann, Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung, 1994, S 35ff. 264 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, 1996, S 702. 265 AA AG Singen FamRZ 2002, 76 (abl. Jessel-Holst).
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Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen
§ 15
Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) kann nicht gegen den ausländischen 244 Titel, sondern erst gegen das deutsche Vollstreckungsurteil erhoben werden.266 Gegebenenfalls kann aber vor Erhebung der Vollstreckungsklage ein Bedürfnis des Schuldners bestehen, auf Feststellung zu klagen, dass der titulierte Anspruch ganz oder teilweise erloschen ist.267 Die zuvor entstandenen Einwendungen können und müssen im Vollstreckungsverfahren nach § 722 ZPO geltend gemacht werden,268 soweit sie nicht durch die (anzuerkennende) Rechtskraft der Entscheidung präkludiert sind. Mit Einwendungen, die er im Verfahren nach §§ 722, 723 ZPO hätte geltend machen können, ist er nach hM präkludiert; nur später entstandene Einwendungen berechtigen zur Vollstreckungsabwehrklage.269 Eine nachträgliche Aufhebung der Entscheidung im Ursprungsstaat kann aber stets geltend gemacht werden. Die in einem Drittstaat erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage ist als solche ohne Inlandswirkung auf die Vollstreckbarkeit des Titels.270 Die im Ursprungsstaat anhängige Vollstreckungsabwehrklage schließt daher eine entsprechende inländische Klage nicht aus.271 Doch kann das deutsche Verfahren analog § 148 ZPO bis zur Entscheidung im Ausland ausgesetzt werden.272 Ob materiell-rechtlich eine Einwendung besteht, sollte nicht nach der nach 245 deutschem Kollisionsrecht neu bestimmten lex causae, sondern zur Vermeidung von Friktionen nach der vom Erstgericht angewandten Rechtsordnung beurteilt werden.273 Auch Abänderungsgründe können aus prozessökonomischen Gründen im Ver- 246 fahren der Vollstreckungsklage berücksichtigt werden.274 Diese Möglichkeit besteht nicht im Klauselerteilungsverfahren.275
III. Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen 1. Schrifttum F. Eichel, Europarechtliche Fallstricke im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem AVAG und dem neuen Auslandsunterhaltsgesetz (AUG), GPR 2011, 193; B. Gsell, Vom grenzüberschreitenden zum potenziell grenzüberschreitenden Sachverhalt – Art 19 EuUnthVO als Paradigmenwechsel im Europäischen Zivilverfahrensrecht, IPRax 2010, 403; M. Heger/U. Selg, Die europäische Unterhaltsverordnung und das neue Auslandsunter266 MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 52f; aA Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 329f, 342ff, 494ff. 267 Vgl Nelle, Anspruch, S 497f. 268 BGH FamRZ 1987, 1146; BGH NJW 1994, 1413, 1416; Schuschke/Walker/Jennissen, § 723 ZPO Rz 4; MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 52; S. Seidl, S 148; vgl BGH FamRZ 2010, 966; aA (für Berücksichtigung streitiger Einwendungen nur auf Vollstreckungsabwehr-Widerklage) Nelle, Anspruch, S 402ff, 420, 461ff. 269 Geimer, Anerkennung, S 181. 270 Vgl Nelle, Anspruch, S 335ff. 271 Nelle, Anspruch, S 503ff. 272 Nelle, Anspruch, S 506ff. 273 Geimer, FS Georgiades, S 489, 503. 274 Vgl BGH FamRZ 1987, 370; OLG Hamm FamRZ 1989, 1332. 275 Vgl BGH FamRZ 1990, 504 = NJW 1990, 1419.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
haltsgesetz – Die erleichterte Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, FamRZ 2011, 1101; G. Hohloch, Durchsetzung ausländischer Unterhaltstitel im Inland. Zur Rechtslage nach Inkrafttreten des FamFG, GS M. Wolf, 2011, S 429; G. Hohloch, Internationale Vollstreckung familienrechtlicher Titel, FPR 2012, 495, 499.
2. Allgemeines 248 Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers wird seit langem versucht, die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu erleichtern. Der bedeutendste Schritt gelang insoweit mit Art 17 EuUnthVO, wonach Unterhaltstitel eines EU-Mitgliedstaats, der an das Haager Protokoll gebunden ist, kraft Gesetzes Europäische Vollstreckungstitel sind (s o § 14 Rz 93). Soweit dies nicht der Fall ist, werden Unterhaltstitel in EU und EFTA wie allgemeine Titel in Zivilsachen behandelt (s u Rz 249ff, 252). Darüber hinaus sind drei Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen zu beachten.
3. Vollstreckbarerklärung europäischer Unterhaltstitel 249 Unterhaltstitel aus EU-Mitgliedstaaten, die nicht durch das Haager Protokoll gebunden sind, bedürfen der Vollstreckbarerklärung nach Art 26ff EuUnthVO. Die §§ 36ff AUG sind als deutsche Ausführungsvorschriften zu beachten.276 250 In der Sache entsprechen das Verfahren der Vollstreckbarerklärung, die Versagungsgründe und deren Behandlung voll der Regelung der Art 38 ff EuGVO277 (s o Rz 8ff). Abweichend von Art 41 EuGVO schreibt Art 30 EuUnthVO vor, dass die Vollstreckbarerklärung in erster Instanz grds innerhalb von 30 Tagen zu erfolgen hat. 251 Nach Art 75 EuUnthVO sind nach dem 18.6.2011 (dem Tag des Inkrafttretens der EuUnthVO) auch alle zuvor ergangenen Unterhaltstitel eines EU-Mitgliedstaats nach den Art 26ff EuUnthVO für vollstreckbar zu erklären, wenn der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach dem 18.6.2011 gestellt wird.278 Dies gilt auch, wenn der Ursprungsstaat an das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist.279
4. Unterhaltstitel nach EuGVO 2001/LugÜ 2007 252 Nach Art 38 ff EuGVO (s o Rz 8ff) sind nur noch solche Unterhaltstitel für vollstreckbar zu erklären, bei denen der Antrag auf Vollstreckbarerklärung vor dem 18.6.2011 gestellt wurde (Art 75 II EuUnthVO). Die EuUnthVO gilt aber nur zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Unterhaltsentscheidungen aus EFTA-Staaten müssen weiterhin nach Art 38ff LugÜ (s o Rz 8ff) für vollstreckbar erklärt werden. 276 277 278 279
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Vgl Hohloch FPR 2012, 495, 498. Vgl OLG Koblenz FamRZ 2013, 574 (krit Eichel). OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 660; OLG Stuttgart FamRZ 2012, 1510. OLG München FamRZ 2012, 1512.
Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen
§ 15
5. Vollstreckbarerklärung nach internationalen Übereinkommen Unterhaltstitel, die
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(1) unter das Haager Übereinkommen v 23.11.2007 oder (2) unter das Haager Übereinkommen v 2.10.1973 fallen, werden in demselben Beschlussverfahren wie Titel in Zivilsachen aus EU-Staaten für vollstreckbar erklärt (§§ 57, 36ff AUG)280 (s o Rz 8ff).
a) Haager Übereinkommen von 2007 Das Haager Übereinkommen v 23.11.2007 regelt internationale Zusammenar- 254 beit, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in einem Vertragswerk.281 Dieses Übereinkommen hat der Rat der EU am 9./10.6.2011 genehmigt; wann es für die EU in Kraft tritt, ist allerdings noch offen. Das entsprechende deutsche Durchführungsgesetz ist am 20.2.2013 verkündet worden.282 Das Übereinkommen wird danach im Rahmen des entsprechend angepassten AUG (§ 1 I 1 Nr 2a) ausgeführt. Darunter fallende Entscheidungen werden in gleicher Weise wie Entscheidungen nach der EuUnthVO für vollstreckbar erklärt (s o Rz 248, 249ff).
b) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (1) Schrifttum Baumann, Kommentar zum HUVÜ 1973, in: Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Band II, 1989, 795.83ff; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, S 5ff; Boehm, Geltendmachung und Vollstreckung von Unterhalt im Ausland, DAVorm 2000, 1042; Finger, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer (Unterhalts-)Urteile im Inland, FuR 2001, 97; Galster, Zur Vollstreckung übergeleiteter Unterhaltstitel im Ausland nach dem Haager Übereinkommen, IPRax 1990, 146; Grotheer, Kindesunterhalt im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr, 1998; Hohloch, Grenzüberschreitende Unterhaltsvollstreckung, FF 2001, 147; Hohloch, Grenzüberschreitende Unterhaltsvollstreckung, FPR 2004, 315; J. Kropholler/F. Blobel, Unübersichtliche Gemengelagen im IPR durch EG-Verordnungen und Staatsverträge – dargestellt am Beispiel des Internationalen Unterhaltsvollstreckungsrechts, FS Sonnenberger, 2004, S 453; Looschelders/Boos, Das grenzüberschreitende Unterhaltsrecht in der internationalen und europäischen Entwicklung, FamRZ 2006, 373; Martiny, Maintenance Obligations in the Conflict of Laws, RdC 247 (1994 III), 131, 258ff; Martiny, Anerkennung nach multilateralen Staatsverträgen, in: HdbIZVR III/2 Kap. II (§ 3), 1984, S 153; Martiny, Grenzüberschreitende Unterhaltsdurchsetzung nach europäischem und internationalem Recht, FamRZ 2008, 1681, 1684; MüKoZPO/Gottwald, 3. Aufl 2008, Schlussanh C 1a, S 1669; Staudinger/Kropholler, Anh III D zu Art 18 EGBGB, 14. Bearb 2003, S 269; Wolff, Vollstreckbarerklärung, HdbIZVR III/2 Kap III (§ 6), 1984, S 504.
280 Vgl Hohloch FPR 2012, 495, 499. 281 Vgl R. Wagner, Zum Stand der Vereinheitlichung des IZVR, in: Gottwald, Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit, 2004, S 249, 262f. 282 BGBl I, 273; zur Begründung s BT-Drucks 17/10492 v 15.8.2012.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
(2) Einführung 256 Das HUVÜ 1973283 ersetzt nach Art 29 zwischen den Vertragsstaaten das Haager Übereinkommen v 15.4.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern. Inhaltlich ist das HUVÜ 1973 weit umfassender als das Übereinkommen von 1958. Sinn und Zweck von Art 29 HUVÜ ist es, das alte Übereinkommen ganz zu verdrängen. Dazu ist es allerdings noch nicht gekommen. Belgien, Liechtenstein, Österreich, Surinam, Ungarn, Vertragsstaaten des Übereinkommens von 1958 (s u Rz 274ff), haben das HUVÜ 1973 noch nicht ratifiziert. Vertragsstaaten des HUVÜ sind außer Deutschland Albanien (seit 1.12.2012), Andorra (seit 1.7.2012), Australien (1.2.2002), Dänemark, Estland (seit 1.4.1998), Finnland, Frankreich, Griechenland (seit 1.2.2004), Großbritannien, Italien284, Litauen (1.10.2003), Luxemburg, die Niederlande (seit 10.10.2010 auch des karibischen Teils, Curaçao und St. Martin), Norwegen, Polen (seit 1.7.1996)285, Portugal, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanien, die Tschechische Republik und die Türkei. 257 Von Relevanz ist das Übereinkommen seit 18.6.2011 freilich nur noch im Verhältnis zu Nicht-EU-Mitgliedstaaten (s u Rz 271). Norwegen und die Schweiz sind auch Vertragsstaaten des LugÜ. Ein Gläubiger eines Titels aus diesen Staaten hat die Wahl, ob er einen Titel nach dem einen oder anderen Übereinkommen für vollstreckbar erklären lassen will.286
(3) Kreis der Berechtigten 258 Das HUVÜ 1973 hat den Kreis der Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Übereinkommen von 1958 ganz erheblich erweitert. Dabei wird, wie zB bei der Schwägerschaft, auf die autonomen gesetzlichen Verpflichtungen anderer Staaten Rücksicht genommen. Eine Ausgleichsregelung findet sich in Art 26. Danach kann jeder Vertragsstaat Vorbehalte machen, u a hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtungen bei Verwandten in der Seitenlinie, der Schwägerschaft usw. Einen solchen Vorbehalt hat die Bundesrepublik Deutschland erklärt.287
(4) Unterhaltsentscheidungen 259 Die Unterhaltsentscheidungen werden im weitesten Sinn aufgefasst. Auf die Bezeichnung kommt es nicht an. Es fallen darunter Vergleiche, ebenso Titel über Ansprüche zwischen Unterhaltsverpflichteten und einer öffentliche Aufgaben übernehmenden Einrichtung sowie Regressansprüche, Art 1 I Nr 2. Nach Art 4 II gehören zu den anzuerkennenden Entscheidungen auch vorläufig 283 BGBl 1986 II, 826. 284 Zur Vollstreckung deutscher Unterhaltstitel in Italien s Boehm DAVorm 2000, 1054. 285 Zur Geltendmachung von Unterhalt in Polen s Niclas DAVorm 2000, 455. 286 BGH FamRZ 2009, 390; Henrich, Intern. Scheidungsrecht, 3. Aufl 2012, Rz 188. 287 Im Einzelnen Baumann, in: Geimer/Schütze, IRV, Anh zu Art 26 HUVÜ 73, S 795.173.
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Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen
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vollstreckbare Entscheidungen und einstweilige Maßnahmen, sofern im Anerkennungsstaat gleichartige Entscheidungen erlassen und vollstreckt werden können.288 Wegen Abänderungstiteln (Art 2 II) s u Rz 287ff. Exequaturentscheidungen fallen nicht unter die anzuerkennenden und zu vollstreckenden Entscheidungen. Nach Art 26 Nr 3 HUVÜ 1973 kann jeder Vertragsstaat einen Vorbehalt gegenüber der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über Einmalzahlungen erklären. Hiervon haben Großbritannien, Italien, Luxemburg, Polen und die Türkei Gebrauch gemacht.289 Während sonst die Anerkennung einer Annex-Unterhaltsentscheidung (außer- 260 halb des Anwendungsbereichs von Art 21 EheGVO; s o § 13 Rz 3, 9) voraussetzt, dass das Scheidungsurteil zuvor gem § 107 FamFG (früher: Art 7 § 1 FamRÄndG) anerkannt worden ist, soll im Rahmen des HUVÜ 1973 nur die internationale Zuständigkeit für die Ehescheidung zu prüfen sein, der Unterhaltstitel aber unabhängig vom Scheidungsurteil anerkannt werden.290 Zur Begründung beruft man sich auf Art 3, teilweise auch auf Art 8, und darauf, dass das Spezialübereinkommen Vorrang vor den allgemeinen Regeln hat. Relevant ist die Frage allerdings nur beim nachehelichen Unterhalt des Ehegatten, da Kindesunterhalt nicht von der Scheidung der Eltern abhängt.291
(5) Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung Für vollstreckbar erklärt werden können unanfechtbare Entscheidungen, vor- 261 läufig vollstreckbare und einstweilige Entscheidungen (Art 4 I Nr 2, II HUVÜ 1973). Vorausgesetzt wird lediglich, dass sie von einer zuständigen Behörde erlassen wurden (Art 4 I Nr 1, Art 7, 8 HUVÜ 1973). Folgende Versagungsgründe sind bei der Vollstreckbarerklärung zu prüfen:
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(1) Die Anerkennungszuständigkeit nach Art 7, 8 HUVÜ 1973.292 Anerkannt werden (i) (ii) (iii) (iv)
der gewöhnliche Aufenthalt von Schuldner oder Gläubiger, Entscheidungen des gemeinsamen Heimatstaats, die Zuständigkeit kraft rügeloser Einlassung und die Verbundzuständigkeit in Scheidungssachen, nicht aber in Kindschaftssachen.293
288 Vgl OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1480, 1481; OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 1623, 1624 (verneint für englische freezing order); Baumann, in: Geimer/Schütze, IRV, Art 4 HUVÜ 73 IV (S 795.106); Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 163. Hohloch FPR 2004, 315, 320 übersieht Art 4 II HUVÜ. 289 MüKo/Gottwald, ZPO, 3. Aufl 2012, Art 26 HUVÜ 1973 Rz 4; Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 141. 290 Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 156. 291 Vgl OLG München IPRax 1982, 400; Baumann, in: Geimer/Schütze, IRV, Art 3 HUVÜ 1973 II (S 795.99ff); aA OLG Celle FamRZ 1990, 1390. 292 Vgl Galster IPRax 1990, 146, 147; Baumann, in: Geimer/Schütze, IRV, Art 7 I (S 795.127). 293 Vgl MüKo/Gottwald, ZPO, 3. Aufl 2012, Art 8 HUVÜ 1973 Rz 2.
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263 Nach Art 9 HUVÜ ist die Behörde des Vollstreckungsverfahrens an die tatsächlichen Feststellungen der Behörde des Ursprungsstaats hinsichtlich der Zuständigkeit gebunden. 264 (2) Ordre public-Verstoß, Art 5 Nr 1 und 2.294 (3) Ein Verstoß gegen die Rechtshängigkeit im Vollstreckungsstaat, Art 5 Nr 3. (4) Unvereinbarkeit mit einer anderen Entscheidung zwischen den Parteien, Art 5 Nr 4. Dabei ist gleichgültig, in welchem Staat die andere Entscheidung ergangen ist, doch muss sie anerkennungsfähig sein. Die Entscheidungen müssen denselben Gegenstand betreffen; der Widerspruch zu einer vorrangigen Statusentscheidung genügt nicht.295 265 (5) Verstoß gegen das rechtliche Gehör bei der Einleitung des Verfahrens gegenüber Versäumnisentscheidungen, Art 6 HUVÜ 1973. Wie bei Art 27 Nr 2 EuGVÜ bedarf es einer ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks und einer ausreichenden Verteidigungsfrist. Zusätzlich wird verlangt, dass das einleitende Schriftstück die wesentlichen Klagegründe enthält. Große Anforderungen werden jedoch nicht gestellt. Es genügt, Unterhalt zu verlangen.296 Die bloße Ladung zum Gerichtstermin genügt aber nicht.
(6) Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung 266 Das Verfahren richtet sich gem Art 13ff HUVÜ 1973 nach dem Recht des Vollstreckungsstaats, in Deutschland gem § 1 I Nr 2a AUG nach den §§ 36ff, 57ff, 61f AUG.297 Gem Art 17 HUVÜ 1973 hat die Partei, die die Anerkennung und Vollstreckung beantragt, folgende Unterlagen beizubringen: 1. eine vollständige mit der Unterschrift übereinstimmende Ausfertigung der Entscheidung; 2. die Urkunden, aus denen sich ergibt, dass gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist und, gegebenenfalls, dass die Entscheidung dort vollstreckbar ist; 3. wenn es sich um eine Versäumnisentscheidung handelt, die Urschrift oder die beglaubigte Abschrift der Urkunde, aus der sich ergibt, dass das das Verfahren einleitende Schriftstück mit den wesentlichen Klagegründen der säumigen Partei nach dem Recht des Ursprungsstaats ordnungsgemäß zugestellt worden ist; 4. gegebenenfalls jedes Schriftstück, aus dem sich ergibt, dass die Partei im Ursprungsstaat Prozesskostenhilfe oder Befreiung von Verfahrenskosten erhalten hat; 294 Vgl BGH NJW 1990, 2197/98; OLG Köln FamRZ 2008, 1763; Baumann, S 110ff. 295 AA OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 484 (Widerspruch zu inländischer Sorgerechtsentscheidung). 296 Vgl Baumann, in: Geimer/Schütze, IRV, Art 6 HUVÜ 1973 III 2 (S 795.122); dagegen Geimer IPRax 1992, 5, 8 („gravierende Unterschiede“). 297 Vgl Prütting/Helms/Hau, FamFG, § 110 Anh 2 Rz 47f; § 110 Anh 5 Rz 2.
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Vollstreckbarerklärung in Unterhaltssachen
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5. eine beglaubigte Übersetzung der genannten Urkunden, wenn die Behörde des Vollstreckungsstaats darauf nicht verzichtet. Den Antrag kann der Unterhaltsberechtigte, aber auch eine öffentliche Ein- 267 richtung für ihren eigenen Erstattungstitel stellen, wenn auf sie der Unterhaltsanspruch auf Antrag oder kraft Gesetzes übergegangen ist (Art 18ff HUVÜ 1973).298 Dieses Klauselerteilungsverfahren steht ausschließlich zur Verfügung; der Klä- 268 ger kann nicht bereits dann auf eine neue Leistungsklage ausweichen, wenn er die nötigen Unterlagen nicht oder vorübergehend nur mit Schwierigkeiten beschaffen kann, solange er zumindest über § 38 AUG zu einer Vollstreckbarerklärung gelangen kann.299 Nach § 44 AUG kann der Schuldner rechtsvernichtende und rechtshemmende 269 Einwendungen iS des § 767 ZPO mit Beschwerde geltend machen. Bei einem Urteil auf Leistung von Trennungsunterhalt ist dementsprechend der Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu berücksichtigen und die Vollstreckbarkeit auf die Zeit bis zu deren Eintritt zu beschränken.300 Im Verhältnis zu anderen Regelungen sieht Art 23 HUVÜ 1973 ausdrücklich 270 das Günstigkeitsprinzip vor.301 Jedoch dürfen nicht die Einzelvoraussetzungen, die eine Einheit bilden, aus unterschiedlichen Übereinkommen kombiniert werden. Zulässig war aber nach Art 23 HUVÜ 1973 iVm Art 71 II EuGVO, dass die Anerkennungsvoraussetzungen dem HUVÜ, das Verfahren dagegen der EuGVO entnommen wird. Seit dem 18.6.2011 werden Unterhaltstitel im Verhältnis zwischen EU-Mit- 271 gliedstaaten jedoch nur noch nach der EuUnthVO anerkannt und für vollstreckbar erklärt, und zwar auch ältere Titel (Art 75 II EuUnthVO) (s o Rz 251). Da für EuUnthVO und HUVÜ einheitlich die §§ 36ff AUG gelten, ergeben sich aus dieser Kombinationsmöglichkeit (wie schon zuvor nach den §§ 3ff AVAG)302 keine Vorteile.
c) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (HUVÜ 1958)303 (1) Schrifttum Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, S 65ff; Hausmann, Annex-Unterhaltsentscheidungen nach dem EuG298 Vgl Galster IPRax 1990, 146, 148ff; MüKo/Gottwald, ZPO, 3. Aufl 2012, Art 18 HUVÜ 1973 Rz 2. 299 Vgl (noch zum AVAG) Baumann IPRax 1994, 435, 438; Baumann, in: Geimer/ Schütze, IRV, Art 13 HUVÜ 1973 III 3 (S 795.142). 300 BGH FamRZ 2010, 966 (dazu Heiderhoff, S 1060). 301 BGH FamRZ 2008, 390 = NJW 2008, 1531; OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 803, 804; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1762. 302 Vgl Geimer IPRax 1992, 5, 8; Hohloch FPR 2004, 315, 320; Boehm/Faetan FPR 2004, 324, 327; Baumann, in: Geimer/Schütze, IRV, Art 23 HUVÜ 1973 III 2 (S 795.163). 303 BGBl 1962 II 15.
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VÜ, IPRax 1981, 5; Henrich, Die Abänderungsklage gegen ausländische Unterhaltsurteile, IPRax 1982, 140; Lansky, Das Haager Übereinkommen v 15.4.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, Diss. 1960; Leipold, Das anwendbare Recht bei der Abänderungsklage gegen ausländische Urteile, FS Nagel, 1987, S 189; Martiny, Anerkennung nach multilateralen Staatsverträgen (§ 2), HdbIZVR III/2, 1984, 125ff; MüKoZPO/Gottwald, 3. Aufl 2008, Schlussanh Nr 1b, S 1680; Schlosser, Zur Abänderung von Unterhaltsentscheidungen, IPRax 1981, 120; Staudinger/Kropholler, Anh III B zu Art 18 EGBGB, 14. Bearb 2003, S 232; Wolff, Vollstreckbarerklärung, HdbIZVR Bd III/2 Kap. II (§ 5), 1984, S 479.
(2) Einführung 273 Aufgrund des Vorrangs des HUVÜ 1973 gilt das HUVÜ 1958 noch im Verhältnis zu Belgien, Liechtenstein, Österreich, Surinam und Ungarn. 274 Für die Staaten, für die das HUVÜ 1958 neben der EuUnthVO gilt (Deutschland, Belgien, Österreich und Ungarn) hat die EuUnthVO im Verhältnis zueinander Vorrang (Art 69 II EuUnthVO). Da dies auch für alle Titel gilt, deren Anerkennung und Vollstreckung nach dem 18.6.2011 beantragt wird (s o Rz 251), hat das HUVÜ 1958 nur noch einen marginalen Anwendungsbereich.304 275 Praktische Relevanz hat das Übereinkommen daher nur noch im Verhältnis zu den überseeischen Departments Frankreichs, zu Liechtenstein sowie den Niederländischen Antillen und Surinam. 276 Da in einigen Staaten Verwaltungsbehörden über den Unterhalt entscheiden können, wird nicht auf Entscheidungen von Gerichten, sondern von Behörden abgestellt. Die Entscheidungen müssen Unterhaltsansprüche von ehelichen, unehelichen und an Kindes Statt angenommenen Kindern, die unverheiratet sind und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, betreffen (Art 1). Vergleiche, vollstreckbare Urkunden fallen nicht unter das Übereinkommen. Insoweit sind EuUnthVO, EuGVO, LugÜ und das HUVÜ 1973 weiter gefasst.305
(3) Der vertragliche Zuständigkeitskatalog 277 Art 3 HUVÜ 1958 regelt die internationale Zuständigkeit für die Anerkennung von Unterhaltsentscheidungen anderer Vertragsstaaten. Im Gegensatz zum EuGVÜ folgt das HUVÜ dem System der indirekten Zuständigkeit (compétence indirecte), dh es greift nicht in die Zuständigkeitskataloge der Vertragsstaaten ein, sondern regelt nur, unter welchen Voraussetzungen der Zweitrichter/die Behörde die Zuständigkeit des Erstrichters/Behörde als gegeben annehmen muss.
304 Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 119, 122f; MüKo/Gottwald, ZPO, 3. Aufl 2012, Art 11 HUVÜ 1958 Rz 1f. 305 Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 43.
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Die internationale Zuständigkeit ist danach auf drei Gerichtsstände begrenzt:
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1. den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Beklagten, des Unterhaltsverpflichteten. Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist deshalb gewählt worden, weil man sich nicht auf einen einheitlichen Wohnsitzbegriff hat einigen können. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist autonom auszulegen und nach etwa sechsmonatiger Dauer anzunehmen.306 2. International zuständig sind die Behörden des Staats, in dessen Hoheits- 279 gebiet der Unterhaltsberechtigte – forum actoris – im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. Dieser Klägergerichtsstand enthält einen tiefen Eingriff in die alte Regel „actor sequitur forum rei“. Die Regelung des Art 3 Nr 2 HUVÜ 1958 geht noch über den Klägergerichtsstand des § 23a ZPO hinaus, denn dieser ist nur gegeben, wenn der Beklagte im Inland keinen Gerichtsstand hat.307 Da der deutsche Erstrichter nur von der Zuständigkeitsregelung der ZPO ausgehen darf, kommt er zu dem Klägergerichtsstand nur, wenn der Beklagte im Inland überhaupt keinen Gerichtsstand – auch nicht den des Vermögens nach § 23 ZPO – hat. Der Klägergerichtsstand ist also für den deutschen Erstrichter im Gegensatz zu dem Zweitrichter/Behörde erheblich eingeschränkt. 3. Die internationale Zuständigkeit des Erstrichters wird nach Art 3 Nr 3 HU- 280 VÜ 1958 schließlich durch ausdrückliche Unterwerfung des Beklagten (also Prorogation) oder dadurch begründet, dass dieser sich, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache eingelassen hat.
(4) Schutzvorschriften für den Beklagten Die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung in einem anderen 281 Vertragsstaat ist weiter davon abhängig, dass der Beklagte nach dem Recht des Staats, dem die entscheidende Behörde angehört, ordnungsgemäß geladen oder vertreten war. Auf die ordnungsgemäße Ladung des Beklagten braucht nicht abgestellt zu werden, wenn er in dem Verfahren ordnungsgemäß vertreten war. Dadurch wird eine nicht ordnungsgemäße Ladung geheilt.308 Dies beruht offenbar darauf, dass es nicht so sehr auf die formelle Beachtung der Zustellungsvorschriften des Staats, dessen Behörde oder Gericht die Entscheidung erlassen hat, ankommt, als vielmehr auf die Bekanntgabe seitens des Gerichts bzw der Behörde, dass das Verfahren stattfinde.309 War der Beklagte jedoch nicht vertreten, so kann auf die Einhaltung der Zustellungsvorschriften des Erststaats nicht verzichtet werden, denn diese sind zugleich Schutzvorschriften für den Beklagten. Art 2 Nr 2 HUVÜ 1958 weicht erheblich von § 328 I Nr 2 ZPO aF ab. Es wird nicht nur auf den deutschen Beklagten abgestellt. Bei der Zustellung im Wege der internationalen Rechtshilfe wird auch nicht nur auf die
306 307 308 309
Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 99. Vgl dazu Schröder, Internationale Zuständigkeit, 342. Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 64. So Lansky, 104.
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deutschen Zustellungsvorschriften abgestellt. Es genügt, wenn das deutsche Erstgericht die Zustellung nach den Vorschriften des Zustellungsstaats erbeten hat. 282 Eine öffentliche Zustellung und eine Zustellung im Wege der „remise au parquet“ fallen unter eine ordnungsgemäße Ladung.310 Dabei sind auch die Vorschriften der §§ 171, 172, 184 ZPO über die Zustellung an Bevollmächtigte zu berücksichtigen. Für den Fall, dass eine Versäumnisentscheidung gegen den Beklagten ergangen ist, werden die Schutzvorschriften zu seinen Gunsten erweitert. Die Anerkennung und Vollstreckung darf von der Behörde des Zweitstaats dann versagt werden, wenn diese in Anbetracht der Umstände des Falles der Ansicht ist, dass die säumige Partei ohne ihr Verschulden von dem Verfahren keine Kenntnis hatte oder sich in ihm nicht verteidigen konnte. Diese Fälle können insb bei öffentlichen Zustellungen oder bei einer solchen nach dem System der „remise au parquet“ auftreten.311 283 Weitere Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung gem Art 2 Nr 3 HUVÜ 1958 ist grds die Rechtskraft der Entscheidung im Erststaat. Vorläufig vollstreckbare Entscheidungen und einstweilige Maßnahmen können in einem anderen Vertragsstaat für vollstreckbar erklärt werden, wenn in dem Staat gleichartige Entscheidungen erlassen und vollstreckt werden können.312 Hierdurch ist eine starke Begrenzung des HUVÜ 1958 im Verhältnis zu solchen Staaten, die keine vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen kennen und aus solchen auch nicht vollstrecken, geschaffen. 284 Art 7 HUVÜ 1958 erwähnt den Fall der Unterhaltsleistung durch regelmäßig wiederkehrende Zahlungen. Dann kann die Vollstreckung sowohl wegen der bereits fällig gewordenen als auch wegen der künftig fällig werdenden Zahlungen bewilligt werden. Das Verfahren richtet sich im Übrigen nach den Vorschriften des Vollstreckungsstaats. Hat der Entscheidungsstaat einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt, so genießt sie diese auch im Vollstreckungsstaat (Art 9). Für das im Übereinkommen vorgesehene Verfahren braucht keine Sicherheitsleistung für die Prozesskosten geleistet zu werden (Art 9 II). Beigebrachte Urkunden bedürfen keiner weiteren Beglaubigung oder Legalisation (Art 9 III).
(5) Weitere Versagungsgründe für die Anerkennung 285 Art 2 Nr 4 HUVÜ 1958 führt einen weiteren Versagungsgrund für die Anerkennung und Vollstreckung auf: die Entscheidung des Erststaats darf nicht in Widerspruch stehen zu einer Entscheidung, die über denselben Anspruch und zwischen denselben Parteien in dem Zweitstaat erlassen worden ist. Die Voll-
310 Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 66. 311 Lansky, 105, und Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 68 weisen zu Recht darauf hin, dass diese erweiterte Schutzvorschrift dann keine Anwendung finden kann, wenn der Unterhaltsverpflichtete verschwindet, um sich der Ladung zu entziehen. 312 Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 74.
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streckung darf auch dann versagt werden, wenn in dem Staat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, vor ihrem Erlass dieselbe Sache rechtshängig geworden ist. Schließlich darf die Entscheidung des Erststaats nach Art 2 Nr 5 HUVÜ 1958 286 mit der öffentlichen Ordnung des Staats, in dem sie geltend gemacht wird, nicht offensichtlich unvereinbar sein. Entscheidend ist, ob die Geltendmachung dieser Entscheidung gegen den ordre public des Zweitstaats verstößt.313 Aus der Formulierung des Übereinkommens kann geschlossen werden, dass die ausländische Entscheidung im Zweifel anzuerkennen ist. Gegen den ordre public des Anerkennungsstaats wird nicht schon dadurch verstoßen, dass der Erstrichter/Behörde aufgrund seines IPR ein anderes Recht angewendet hat, als der Zweitrichter/Behörde nach seinem Recht anzuwenden hätte. Die Gerichte überprüfen auch, ob die Vaterschaft ordnungsgemäß festgestellt wurde. Eine Feststellung aufgrund einer Zeugenaussage der Mutter widerspricht nicht dem ordre public.314 In diesem Zusammenhang ist auch das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht v 24.10.1956315 zu berücksichtigen.316 Im Übrigen darf die Entscheidung des Erstrichters/Behörde nicht auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden (Verbot einer „révision au fond“).
(6) Die Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen Ein besonderes Problem bildet die Abänderung ausländischer Entscheidungen. 287 Nach Art 8 HUVÜ 1958 gelten die Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung auch für Entscheidungen einer der in Art 3 bezeichneten Behörden, durch die eine Verurteilung zu Unterhaltsleistungen abgeändert wird. Wie das HUVÜ 1958 insgesamt legt auch Art 8 nur eine Anerkennungszuständigkeit fest; das Abänderungsurteil ist also unter denselben Voraussetzungen wie eine Erstentscheidung anzuerkennen, auch in dem Staat, der die Erstentscheidung erlassen hat.317 Das Problem der Abänderung einer ausländischen Entscheidung ist aus völker- 288 rechtlicher Sicht nicht mehr zweifelhaft.318 Ein völkerrechtlicher Gewohnheitsrechtssatz, welcher die Abänderung ausländischer Hoheitsakte allgemein verbietet, besteht nicht. Unabhängig von dem HUVÜ 1958 sind die deutschen Gerichte zur Abände- 289 rung ausländischer Unterhaltsentscheidungen dann befugt, wenn (1) sie international zuständig sind, (2) das ausländische Urteil in Deutschland anerkannt wird und (3) nach dem gem dem IPR festzustellenden Unterhaltsstatut die Ab-
313 314 315 316 317
Vgl dazu im Einzelnen Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 82ff. Vgl OLG Dresden FamRZ 2006, 563. BGBl 1961 II, 1012. Soergel/Kegel, Art 18 EGBGB Rz 162ff. Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 111ff; Soergel/Kegel, Art 18 Rz 146. 318 Schlosser IPRax 1981, 120.
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änderung zulässig ist.319 Irrelevant ist, ob und inwieweit der Erststaat eine Abänderung des Urteils vorsieht.320 290 Prozessual erfolgt die Abänderung in Deutschland auf Antrag gem § 238ff FamFG. Dabei ist streitig, ob eine Abänderung voll nach Maßgabe des Unterhaltsstatuts zulässig ist321 oder ob die Zeitschranke des § 238 III FamFG als prozessuale lex fori stets zu beachten ist.322 Der BGH hat eine eindeutige Entscheidung bisher vermieden.323 Im Hinblick auf Art 10 Nr 1 und 2 HUVÜ 1973 erscheint es sachgerecht, § 238 III FamFG materiell-rechtlich zu qualifizieren und die Zeitgrenzen dem Unterhaltsstatut zu entnehmen.
(7) Verfahrensvorschriften 291 In Art 4 sind die Unterlagen aufgezählt, welche die Partei, die die Vollstreckung beantragt, beibringen muss: eine Ausfertigung der Entscheidung, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt; den Nachweis, dass die Entscheidung vollstreckbar ist; bei Versäumnisentscheidungen eine beglaubigte Abschrift der das Verfahren einleitenden Ladung oder Verfügung und die Urkunden, aus denen sich die ordnungsgemäße Zustellung dieser Ladung oder Verfügung ergibt. 292 Nach § 1 des deutschen AusfG sind sachlich die Amtsgerichte zuständig, und zwar das Familiengericht;324 örtlich ist das Amtsgericht zuständig, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat; beim Fehlen eines solchen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet oder in dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Für die Vollstreckbarerklärung gelten die §§ 1063 I, 1064 II ZPO entsprechend (§ 2 AusfG). Es gilt also das fakultative Beschlussverfahren für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs. Der Schuldner kann Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit vorbringen, als die Gründe dafür erst nach Erlass der Entscheidung entstanden sind.
(8) Kosten 293 Für die Vollstreckbarerklärung fallen an: (1) Gerichtskosten, GKG-KV Nr 1510 eine Gebühr von 200 Euro. (2) Anwaltsgebühren, RVG-VV Nr 3100 1,3 Gebühren nach dem Streitwert.
319 320 321 322
OLG Düsseldorf IPRax 1982, 152 (dazu Henrich, S 140). MüKo/Gottwald, § 323 ZPO Rz 100, 101; MüKo/Dötsch, § 238 FamFG Rz 68. Dafür Gottwald, FS Schwab, 1990, S 151, 158f. So Leipold, FS Nagel, S 189, 206; Baumann IPRax 1990, 28, 31; Schack IZVR Rz 1116; MüKo/Dötsch § 238 FamFG Rz 11, 67. 323 Vgl BGH FamRZ 1993, 43. 324 OLG Frankfurt IPRax 1981, 213; OLG Rostock IPRax 2000, 214, 215 (dazu Mankowski, S 188). Entgegen Hohloch FPR 2004, 315, 320 ist das AVAG für Titel nach dem HUVÜ 58 nicht anwendbar.
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d) New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (UNUÜ 1956) (1) Schrifttum Boehm, Geltendmachung und Vollstreckung von Unterhalt im Ausland, DAVorm 2000, 1041; Boehm/Faetan, Durchsetzung von Kindesunterhalt im Ausland durch das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht, FPR 2004, 324; Böhmer/Siehr, Das gesamte Familienrecht, Bd 2, 2. Lfg 1980; Klinkhardt, Einige Erfahrungen mit der Geltendmachung der Unterhaltsansprüche nichtehelicher Kinder im Ausland, ZBlJugR 1984, 161 u 209; Lansky, Neue Wege zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, FamRZ 1979, 193; Mecke, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Lfg 8 (1983), 794.1ff; MüKo/Gottwald, ZPO, Bd III, 3. Aufl 2008, Schlussanh Nr C1d, S 1686; Niclas, Prozesskostenhilfe für Übersetzungskosten, JAmt 2001, 213; Staudinger/Kropholler, BGB, Anh III F zu Art 18 EGBGB, 14. Bearb 2003, S 320; Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996, S 176ff.
294
(2) Vertragsgegenstand Dieses Übereinkommen v 20.6.1956325 ist eigentlich kein Anerkennungs- und 295 Vollstreckungsvertrag, sondern ein besonderes Rechtshilfeabkommen, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, einander Amts- und Rechtshilfe zur außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung und Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen zu gewähren, und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz der Beteiligten. Das UNUÜ 1956 ist in den Anwendungsbereich des AUG 2011 (§ 1 I Nr 2c) 296 einbezogen worden.
(3) Geltungsbereich Das Übereinkommen ist von über 60 Vertragsstaaten ratifiziert worden. Es gilt 297 im Verhältnis zu Algerien, Argentinien, Australien, Barbados, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Burkina Faso, Chile, China (Taiwan), Dänemark, Ecuador, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Guatemala, Haiti, dem Heiligen Stuhl, Irland, Israel, Italien, den Kap Verden, Kasachstan (seit 27.4.2000), Kirgisistan, Kolumbien, Kroatien, Liberia (seit 16.10.2005), Luxemburg, Marokko, Mazedonien, Mexiko, Moldau, Monaco, Montenegro, Neuseeland, Niederlande, Niger, Norwegen, Österreich, Pakistan, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Serbien, den Seychellen (seit 1.12.2004), der Slowakei, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Surinam, Tschechische Republik, Tunesien, der Türkei, der Ukraine, Ungarn, Uruguay, dem Vereinigten Königreich, Weißrussland, der Zentralafrikanischen Republik und Zypern.
325 BGBl 1959 II, 150.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
(4) Regelung der Verwaltungshilfe 298 Der Berechtigte kann sein Gesuch zur Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs im Ausland bei der Übermittlungsstelle seines Aufenthaltsstaats einreichen; diese leitet das Gesuch an die Empfangsstelle des Aufenthaltsstaats des Verpflichteten weiter (Art 3ff). In Deutschland wird das Bundesamt für Justiz als zentrale Behörde und Empfangs- und als Übermittlungsstelle tätig (§ 1 I Nr 2c, § 4 I 1, § 5 I AUG 2011). Der Berechtigte kann sein Gesuch in Deutschland auch gebührenfrei beim Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, einreichen (§ 7 AUG 2011). 299 Die Empfangsstelle ist verpflichtet, den Anspruch des Berechtigten gebührenund auslagenfrei durchzusetzen (Art 6, 9 UNUÜ). Je nach Sachlage hat die Empfangsstelle den Anspruch im Namen des Berechtigten zu regeln, einzuklagen, die Vollstreckbarerklärung eines anerkennungsfähigen Titels und die eigentliche Vollstreckung zu betreiben.326 Der Berechtigte kann in seinem Antrag festlegen, in welcher Weise die Empfangsstelle vorgehen soll, um den Anspruch durchzusetzen. 300 Die einzureichenden Urkunden (Art 3 III UNUÜ) sind in die Gerichtssprache des Empfangsstaats zu übersetzen.327 301 Die Empfangsstelle wird nach Art 6 UNUÜ (§ 5 IV AUG 2011) als Bevollmächtigter des Unterhaltsberechtigten tätig. Sie darf den Unterhalt auch durch Vergleich oder Anerkenntnis regeln (§ 5 IV 2 AUG). Je nach Sachlage kann sie auch einen Anwalt oder das Jugendamt zum Prozessbevollmächtigten bestellen. 302 Das Übereinkommen regelt die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Unterhaltstitel nicht selbst, sondern verweist in den Art 5 III, 6 I UNUÜ lediglich auf das jeweilige nationale Recht. Die Vollstreckbarerklärung hat daher in dem Verfahren zu erfolgen, das im Verhältnis zu dem Ursprungsstaat gilt. Der deutsche Gesetzgeber sieht in § 57 AUG für Unterhaltstitel aus Vertragsstaaten des UNUÜ 1956 generell eine Vollstreckbarerklärung gem §§ 36 ff AUG vor, also in dem Beschlussverfahren, das für Titel aus EU-Staaten gilt, die nicht durch das Haager Protokoll gebunden sind (s o Rz 249ff). 303 Nach Art 9 I UNUÜ erhält der Unterhaltsberechtigte für eine Klage und für die Vollstreckung Prozesskostenhilfe (vgl § 23 AUG).
e) Entscheidungen aus Staaten mit formeller Gegenseitigkeitserklärung 304 Schrifttum: a) Zum AUG 2011: Andrae, Das neue Auslandsunterhaltsgesetz, NJW 2011, 2545; Prütting/Helms/Hau, FamFG, 2. Aufl 2011, Anh 2 zu § 110, S 1108. b) zum AUG 1986: Bach, Zehn Jahre Auslandsunterhaltsgesetz, FamRZ 1996, 1250; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unter326 Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 260. 327 Vgl Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art 18 EGBGB Rz 252. Zur Übernahme der Übersetzungskosten durch die Bundesländer s Niclas JAmt 2001, 213.
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haltssachen, 1989, S 107ff; Böhmer, Das Auslandsunterhaltsgesetz, IPRax 1987, 139; MüKo/Gottwald, ZPO. Bd III Schlussanh Nr C 1e, 3. Aufl 2008, S 1690; Sich, Die zwischenstaatliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im deutsch/amerikanischen Verhältnis nach den Normen des Auslandsunterhaltsgesetzes und des Uniform Interstate Family Support Act, 2004; Uhlig/Berard, Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Inland und Ausland nach dem AUG, NJW 1987, 1521.
Da die common law-Staaten dem UNUÜ 1956 nicht beigetreten sind, bestand 305 im Verhältnis zu ihnen eine empfindliche Rechtsschutzlücke. Diese Lücke wurde weitgehend durch das AUG v 19.12.1986328 geschlossen (das durch das AUG 2011 abgelöst wurde). Es hat das gleiche Ziel wie das UNUÜ 1956, erreicht es aber auf dem Wege der Parallelgesetzgebung mit förmlicher Gegenseitigkeitserklärung. Für Unterhaltsansprüche besteht im Verhältnis zu common law-Staaten wei- 306 terhin eine Sonderregelung. Das AUG v 19.12.1986329 sah ein dem UNUÜ 1956 entsprechendes Verwaltungsverfahren für die Geltendmachung deutscher Unterhaltsansprüche im Ausland (§§ 3ff) und ausländischer Ansprüche im Inland (§§ 7f) vor (s o Rz 298ff). Soweit ein Titel bereits vorliegt, wollte das Gesetz die Voraussetzungen für die Anerkennung durch förmliche Feststellung der Gegenseitigkeit mit US-Staaten und anderen common law-Staaten schaffen. Das Gesetz war deshalb ähnlich wie der US-amerikanische RURESA (Revised Uniform Reciprocal Enforcement of Support Act) konzipiert.330 Bei der Neufassung des AUG 2011 wurde diese Konzeption beibehalten. Das Bundesamt für Justiz ist zentrale Behörde in Deutschland und wird als Empfangsbehörde für eingehende Besuche sowie als Übermittlungsbehörde für ausgehende Gesuche tätig (§ 5 I AUG) und unternimmt alles Nötige, um den Unterhaltsanspruch durchzusetzen (§ 5 II AUG). Wie beim UNUÜ kann sich ein Unterhaltsberechtigter in Deutschland an das 307 Amtsgericht am Sitz des für seinen gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Oberlandesgerichts als Justizverwaltungsbehörde wenden, damit diese über die Empfangsstelle des ausländischen Staats den Unterhaltsanspruch geltend macht (§§ 7ff AUG). Liegt bereits ein gerichtlicher Unterhaltstitel vor, so kann der Unterhalts- 308 berechtigte beantragen, dass die Entscheidung im Ausland registriert wird (§ 12 AUG). Der Antrag kann nicht nur für gerichtliche Entscheidungen, sondern auch für „sonstige Titel“ gestellt werden. Leider genügen die beliebten vollstreckbaren Urkunden der Jugendämter oder notarielle Urkunden insoweit nicht. Bei Gesuchen, die vom Ausland in Deutschland eingehen, hat das Bundesamt 309 für Justiz als zentrale Behörde den Anspruch im Namen des Berechtigten außergerichtlich oder gerichtlich geltend zu machen (§§ 4, 5 AUG) (s o Rz 298). Liegt ein Titel vor, hat er die Vollstreckbarerklärung mittels Vollstreckungsantrag herbeizuführen (§ 5 IV AUG). 328 BGBl 1986 I, 2563. 329 BGBl 1986 I, 2563. 330 Vgl Sich, S 23ff.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
310 Durch die Vereinbarung mit dem common law-Staat ist lediglich die Gegenseitigkeit eindeutig festgelegt (§ 1 I Nr 3 AUG 2011). Mit welchen Staaten, Teilstaaten und Provinzen die Gegenseitigkeit förmlich vereinbart ist, ist durch Bekanntmachung v 18.6.2011 neu festgestellt worden.331 Die Gegenseitigkeit besteht danach im Verhältnis zu folgenden Einzelstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika (zum Teil mit Einschränkungen): Alaska, Arizona, Arkansas, Colorado (nur Kindesunterhalt), Connecticut, Delaware, Florida, Georgia, Hawaii, Idaho, Illinois, Indiana, Iowa (Kindesunterhalt; Ehegattenunterhalt nur in Verbindung mit Kindesunterhalt), Kalifornien, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maryland, Massachusetts, Michigan, Minnesota, Missouri, Montana, Nevada, New Hampshire (nur Kindesunterhalt), New Jersey, New Mexiko, New York, North Carolina, North Dakota, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina (nur Kindesunterhalt) South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia (Kindesunterhalt; Ehegattenunterhalt nur, wenn zusammen mit Kindesunterhalt), Washington, West Virginia, Wisconsin (nur Kindesunterhalt) and Wyoming; in Kanada mit Alberta, British Columbia, Manitoba, Neu-Braunschweig, Neufundland und Labrador, Neu-Schottland, Nordwest-Territories, Ontario, Prince Edward Island, Saskatchewan und Yukon-Territory. Die Gegenseitigkeit ist außerdem mit Südafrika vereinbart. 311 Für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel enthält § 64 AUG 2011 eine Modifizierung. Die Bestimmung lautet: „Vollstreckbarkeit ausländischer Titel. (1) Die Vollstreckbarkeit ausländischer Titel in Verfahren mit förmlicher Gegenseitigkeit nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 richtet sich nach § 110 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Rechtskraft der Entscheidung ist für die Vollstreckbarerklärung nicht erforderlich. (2) Ist der ausländische Titel für vollstreckbar zu erklären, so kann das Gericht auf Antrag einer Partei in seinem Vollstreckungsbeschluss den in dem ausländischen Titel festgesetzten Unterhaltsbetrag hinsichtlich Höhe und Dauer der zu leistenden Zahlungen abändern. Ist die ausländische Entscheidung rechtskräftig, so ist eine Abänderung nur nach Maßgabe des § 238 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zulässig.“
312 Bei der Neufassung des AUG 2011 wurde die bisherige Regelung an das FamFG angepasst. Die Vollstreckbarkeit ist nunmehr auf Antrag durch Beschluss auszusprechen (§ 110 II FamFG). Nach der ausdrücklichen Klarstellung in § 64 I 2 AUG hängt die Vollstreckbarerklärung nicht von der Rechtskraft der Entscheidung ab. 313 Unterhaltsentscheidungen, die in einem einseitigen Verfahren (ex parte) ergangen sind, werden nicht anerkannt; sie gelten aber als Gesuch für die Geltendmachung des Anspruchs im Inland (§ 15 AUG 2011). 314 Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ist das Familiengericht, da es sich um eine Familienstreitsache handelt. § 110 III FamFG ist nach § 64 I AUG 331 BGBl 2011 I, 1109.
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Andere Familiensachen
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nicht anwendbar. Nach der Korrektur durch das Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens von 2007 vom 20.2.2013 gilt § 35 AUG auch für Vollstreckbarerklärungen nach Abschnitt 5, also auch für § 64 AUG.332 Zuständig ist daher nach § 35 I AUG ausschließlich das Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk (1) sich der Titelschuldner gewöhnlich aufhält, oder (2) die Vollstreckung durchgeführt werden soll. In Berlin (Bezirk des Kammergerichts) ist das Amtsgericht Pankow-Weißensee zuständig. Außerdem kann der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach § 64 II AUG 2011 315 mit einem Abänderungsantrag verbunden werden. Ist die ausländische Entscheidung rechtskräftig, darf die Abänderung nur nach Maßgabe des § 238 FamFG erfolgen.333 Das AUG gilt auch für übergegangene oder übergeleitete Unterhaltsansprüche, also für Regressgläubiger.334
316
f) Vollstreckbarerklärung von Unterhaltsentscheidungen aus anderen Drittstaaten Unterhaltsentscheidungen aus sonstigen Drittstaaten werden vom AUG 2011 317 nicht erfasst. Sie sind daher auf Antrag im Beschlussverfahren nach § 110 II, III (iVm § 95 I Nr 1) FamFG für vollstreckbar zu erklären.335 Voraussetzung ist insoweit die Rechtskraft der ausländischen Entscheidung (§ 110 III 2 FamFG). Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemei- 318 nen Gerichtsstand hat oder in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet (§ 110 III 1 FamFG).
IV. Andere Familiensachen A. Personenrechtliche Entscheidungen 1. Schrifttum Dornblüth, Die europäische Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Ehe- und Kindschaftsentscheidungen, 2003; M. Frank, Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 29, 2. Aufl 2010, S 1591; U.P. Gruber, Das neue Internationale Familienverfahrensgesetz, FamRZ 2005, 1603; T. Hub, Die Neuregelung der Anerkennung und Vollstreckung in Zi332 BGBl I, 273; vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15.8.2012, BT-Drucks 17/10492. 333 MüKo/Gottwald, § 722 ZPO Rz 54; zum inhaltsgleichen § 10 II AUG 1986 vgl Böhmer IPRax 1987, 139; Uhlig/Berard NJW 1987, 1521; Sich, S 99ff; für separate Abänderungsklage S. Seidl, S 142ff (unter Berufung auf Entscheidungen, die nicht zum AUG ergangen sind). 334 B. Brückner, Unterhaltsregress im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1994, S 163f. 335 D. Henrich, Intern. Scheidungsrecht, Rz 190 ff, 207; G. Hohloch FPR 2012, 495, 499.
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vil- und Handelssachen und das familienrechtliche Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, NJW 2001, 3145; K. Schulte-Bunert, Die Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung nach der VO (EG) 2201/2003 in Verbindung mit dem IntFamRVG, FamRZ 2007, 1608; D. Solomon, „Brüssel IIa“ – Die neuen europäischen Regeln zum Internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409; Wagner, Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2001, 73; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorgeund Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, 2001.
2. Sorgerechtsentscheidungen 320 a) Nach den Art 28ff EheGVO (VO [EG] Nr 2201/2003, „Brüssel IIa-VO“) können Entscheidungen eines Mitgliedstaats über die elterliche Verantwortung für ein Kind, die im Erlassstaat vollstreckbar und zugestellt worden sind, nach Vollstreckbarerklärung auch in einem anderen Mitgliedsstaat vollstreckt werden. Entscheidungen, die die elterliche Sorge neu regeln, sie einem anderen Elternteil oder einem Dritten zuweisen, sind freilich rechtsgestaltender Art und bedürfen daher keiner Vollstreckung. Für eine Vollstreckung in Betracht kommen daher nur Umgangsregelungen336 und Titel über die Herausgabe oder Unterbringung337 eines Kindes sowie Kostenentscheidungen bei Sorgerechtsverteilungen und den entsprechenden Kostenfestsetzungen. 321 Öffentliche Urkunden und Vergleiche sind (soweit solche überhaupt zulässig sind) den Entscheidungen gleichgestellt (Art 46 EheGVO).338 322 Umgangsregelungen und Anordnungen über die Rückgabe eines Kindes nach Art 11 VIII EheGVO können auf Antrag des Trägers der elterlichen Verantwortung nach den Art 28ff EheGVO für vollstreckbar erklärt werden.339 Der Sorgeberechtigte hat die freie Wahl, ob er den Titel im Ursprungsstaat als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen (s o § 14 Rz 101) oder ob er ihn im Vollstreckungsstaat für vollstreckbar erklären lassen will (Art 40 II EheGVO). 323 Unterbringungsentscheidungen, die mit Freiheitsentziehung gegenüber einem Kind verbunden sind, müssen vor ihrem Vollzug im ersuchten Vollstreckungsstaat für vollstreckbar erklärt werden. Da solche Entscheidungen idR rasch vollzogen werden müssen, hat die Vollstreckbarerklärung besonders schnell zu erfolgen. Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckbarerklärung dürfen in solchen Fällen keine aufschiebende Wirkung haben.340 Wird eine Unterbringung zunächst nur befristet angeordnet, so bedarf eine Verlängerungsentscheidung einer erneuten Vollstreckbarkeitserklärung.341 336 MüKo/Gottwald, Art 28 EheGVO Rz 2; aA Winkel, Grenzüberschreitendes Sorgeund Umgangsrecht, S 136 (nur wirkliche Leistungsurteile). 337 EuGH (C-92/12 PPU, 26.4.2012, HSE v S.C. u A.C.) (Tz 107ff) FamRZ 2012, 1466. 338 Krit Geimer IPRax 2000, 366, 368. 339 Vgl Gruber FamRZ 2005, 1603, 1607f. 340 EuGH (C-92/12 PPU, 26.4.2012, HSE v S.C. u A.C.) (Tz 118ff, 128ff, 133) FamRZ 2012, 1466. 341 EuGH (C-92/12 PPU, 26.4.2012, HSE v S.C. u A.C.) (Tz 134ff, 143f) FamRZ 2012, 1466.
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Andere Familiensachen
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b) Nach Art 7 Europ. Sorgerechtsübereinkommen (ESÜ) v 20.5.1980342 werden 324 Sorgerechtsentscheidungen der Vertragsstaaten (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Moldau, Montenegro, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Serbien, der Slowakei, der Tschechischen Republik, der Türkei, der Ukraine, Ungarn, dem Vereinigten Königreich und Zypern) anerkannt und, wenn sie im Ursprungsstaat vollstreckbar sind, auch für vollstreckbar erklärt. Im Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedstaaten hat aber die Brüssel IIa-VO (Art 60 lit d EheGVO) Vorrang (s o § 13 Rz 56ff). Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung richtet sich nach §§ 16ff, 19 Int- 325 FamRVG.343 Örtlich zuständig ist (sofern keine Ehesache anhängig ist) das Familiengericht, (1) in dessen Bezirk sich das Kind zur Zeit des Eingangs des Antrags gewöhnlich aufhält, (2) hilfsweise in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge besteht, hilfsweise das im Bezirk des Kammergerichts zuständige Familiengericht (§ 10 IntFamRVG). Nach § 16 I IntFamRVG wird der Titel mit einer Vollstreckungsklausel versehen. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ist in den Fällen der Art 8, 9 sowie 10 I (a) oder (b) ESÜ ausgeschlossen (§ 19 IntFamRVG).344
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Titel, die nicht unter § 95 I FamFG fallen, bedürfen im Gegenschluss aus § 110 327 II FamFG weiterhin keiner Vollstreckbarerklärung. Die Vollstreckung erfolgt unmittelbar nach §§ 88ff FamFG. Das zuständige Vollstreckungsorgan prüft dann die Anerkennungsfähigkeit inzident (vgl § 110 I FamFG).345 In Betracht kommen insoweit Entscheidungen über die Kindesherausgabe oder zum Umgangsrecht, soweit die EheGVO nicht eingreift.346 Auch Entscheidungen über die Herausgabe eines Kindes aus Nicht-EU-Vertragsstaaten des ESÜ 1980 sind nach Art 7ff ESÜ iVm §§ 16ff IntFamRVG für vollstreckbar zu erklären und mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen.347
328
Andere ausländische FamFG-Entscheidungen, auch Rückführungsentschei- 329 dungen nach dem HKÜ,348 werden nach §§ 89f FamFG vollstreckt, ohne dass ihnen die inländische Vollstreckbarkeit zuvor förmlich verliehen wurde. Die Anerkennung gem § 108 I FamFG wird dabei inzident als Vorfrage geprüft.349 Nach Rauscher erfolgt die Vollstreckbarerklärung in diesen Fällen durch Zwischenentscheidung.350 342 343 344 345 346 347 348 349 350
BGBl 1990 II, 220. BGBl 2005 I, 162. Vgl M. Jorzik, Das neue zivilrechtliche Kindesentführungsrecht, 1995. Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff, § 110 FamFG Rz 5. Prütting/Bork/Hau, § 110 FamFG Rz 13. Vgl Jorzik, Das neue zivilrechtliche Kindesentführungsrecht, 1995. Vgl K. Niethammer-Jürgens FPR 2004, 306. Prütting/Helms/Hau, § 110 FamFG Rz 15. MüKo/Rauscher, § 110 FamFG Rz 8.
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3. Erwachsenenschutz 330 Vollstreckbare Entscheidungen, die unter das ErwSÜ 2000 fallen, werden gem Art 25 I ErwSÜ in jedem Vertragsstaat nach seinem eigenen Verfahrensrecht für vollstreckbar erklärt oder zur Vollstreckung registriert. Die Vollstreckbarerklärung ist zu versagen, wenn ein Anerkennungshindernis gem Art 22 II ErwSÜ vorliegt.351 Jeder Vertragsstaat wendet dabei ein einfaches und schnelles Verfahren an (Art 25 II ErwSÜ). In Betracht kommen Entscheidungen zur zwangsweisen Unterbringung oder ärztlichen Behandlung des Betroffenen, aber auch etwa die Zwangsveräußerung eines Grundstücks zur Bestreitung von Pflegekosten.352 In Deutschland richtet sich das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach den §§ 108, 109 FamFG (§ 8 I 1 ErwSÜAG). 331 Gem § 10 ErwSÜAG erfolgt die Vollstreckbarerklärung (parallel zu § 20 IntFamRVG) dadurch, dass der ausländische Titel mit einer Vollstreckungsklausel versehen wird. 332 Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ist das Amtsgericht – Betreuungsgericht – am Sitz des Oberlandesgerichts für dessen Bezirk (§ 6 I ErwSÜAG). Örtlich zuständig ist das Betreuungsgericht, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei Antragstellung hat (§ 6 III 1 ErwSÜAG). Fehlt ein solcher Aufenthalt oder ist er nicht feststellbar, so ist das Betreuungsgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Fürsorgebedürfnis hervortritt (§ 6 III 2 ErwSÜAG). Hilfsweise ist das AG Schöneberg in Berlin zuständig (§ 6 I 2, III 3 ErwSÜAG). 333 Betrifft die Entscheidung eine Unterbringung oder eine ärztliche Behandlung, ist der Betroffene vor der Vollstreckbarerklärung persönlich anzuhören (§ 8 II ErwSÜAG). Der Beschluss über die Vollstreckbarerklärung ist zu begründen (§ 8 IV ErwSÜAG). Er unterliegt der Beschwerde (§ 8 VI ErwSÜAG).
4. Gewaltschutz a) EU-Verordnungsentwurf 334 Unterlassungsanordnungen zum Gewaltschutz bedürfen der Vollstreckung nur insoweit, als Sanktionen bei einem Verstoß zu verhängen sind. Als vollstreckungsbedürftige Schutzmaßnahmen,353 die in einem EU-Mitgliedstaat angeordnet wird, sollen sie künftig in jedem anderen EU-Mitgliedstaat ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckbar sein (E Art 9 I). 335 Die Vollstreckung selbst soll sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaats richten; Gleiches gilt für Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung sowie für die 351 Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 286. 352 Staudinger/v. Hein (2008), Vorbem zu Art 24 EGBGB Rz 281; Guttenberger, Das Haager Übereinkommen, 2004, S 210ff. 353 Vorschlag für Verordnung … über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen v 18.5.2011, KOM (2011) 276 endg.
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Andere Familiensachen
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Übertragung einer ausländischen Schutzmaßnahme in eine im Vollstreckungsstatt vorgesehene, sofern insoweit Unterschiede bestehen (E Art 8, 9 II).
b) EuGVO/LugÜ Entscheidungen zum Gewaltschutz liegt in der Regel eine unerlaubte Hand- 336 lung zugrunde,354 so dass entsprechende Entscheidungen nach Art 38ff EuGVO/ LugÜ anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären sind (s o § 12 Rz 16ff, § 15 Rz 8ff).
c) Autonomes Recht Gewaltschutzentscheidungen ergehen in der Regel im Rahmen einstweiliger 337 Anordnungen bzw Verfügungen. Da diese nicht in der Rechtskraft erwachsen, können Entscheidungen aus Nicht-EU-Staaten nach § 723 II 1 ZPO im Inland nicht für vollstreckbar erklärt werden.
B. Vermögensrechtliche Entscheidungen 1. Kostenentscheidungen in Ehesachen Über Art 49 EheGVO sind die Art 28ff EheGVO auch auf die Vollstreckbarerklärung von Kostenentscheidungen in Ehesachen anwendbar.355
338
Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung entspricht weitgehend dem nach 339 Art 38ff EuGVO.356 Seine Details sind in dem neuen Internationalen Familienverfahrensgesetz (IntFamRVG) v 26.1.2005 geregelt.357 Sinn der Abweichungen und Ergänzungen ist die Anpassung an die sonstigen Regeln des FamFG-Verfahrens. Zuständig ist in erster Instanz das Familiengericht am Sitz des Oberlandes- 340 gerichts (§ 12 IntFamRVG). Örtlich zuständig ist das Gericht, das für den gewöhnlichen Aufenthalt des Vollstreckungsgegners bzw des betroffenen Kindes, oder falls sich diese im Ausland befinden, für den Ort der Vollstreckung zuständig ist (Art 29 EheGVO). In erster Instanz findet ein einseitiges Klauselerteilungsverfahren statt; weder der Vollstreckungsgegner noch das Kind werden gehört (Art 31 I EheGVO; § 18 IntFamRVG).
341
Abweichend von Art 41 S 1 EuGVO hat aber bereits die erste Instanz etwaige 342 Versagungsgründe nach den Art 22, 23 und 24 EheGVO von Amts wegen zu prüfen (Art 31 II EheGVO).358 Eine sachliche Überprüfung der Entscheidung ist unzulässig (Art 31 III EheGVO). 354 Prütting/Helms/Hau § 105 FamFG Rz 13. 355 Vgl BGHZ 163, 248, 264 = FamRZ 2005, 1540, 1545 = NJW 2005, 3424 (zur Brüssel II-VO); Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem vor Art 28–55 EheGVO Rz 1. 356 Vgl Winkel, S 117ff; Wagner IPRax 2001, 73, 79. 357 Vgl Gruber FamRZ 2005, 1603ff. 358 Hub NJW 2001, 3145, 3148; Ancel/Muir Watt Rev.crit. 2001, 403, 453.
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Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
343 Wie in der EuGVO darf auch in der EheGVO die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats nicht nachgeprüft werden (Art 24 S 1 EheGVO). Eine Überprüfung ist auch im Rahmen der ordre public-Kontrolle untersagt (Art 24 S 2 EheGVO). Dieses Verbot erstreckt sich aber nicht auf die Zuständigkeit aufgrund einer Verweisung an das besser geeignete Gericht nach Art 15 EheGVO. Da diese Zuständigkeit nur durch Zusammenwirken der Gerichte des abgebenden und des aufnehmenden Staats begründet werden kann, ist es aber erst recht nicht gerechtfertigt, sie im Rahmen einer ordre public-Prüfung zu kontrollieren.359 344 Gegen die positive oder negative Entscheidung steht jeder Partei ein Rechtsbehelf (Beschwerde) an das OLG zu (Art 33 I, II iVm Art 68 EheGVO; § 24 IntFamRVG). Gegen dessen Entscheidung gibt es bei Zulassung durch das OLG die Rechtsbeschwerde an den BGH (Art 34, 68 EheGVO iVm §§ 28ff IntFamRVG). Bei Zweifeln über die Auslegung der EheGVO kann bereits das OLG die Rechtsfrage dem EuGH nach Art 267 AEUV vorlegen.360
2. Güterrechtliche Entscheidungen a) Europäisches Recht (1) Keine Zivil- oder Handelssachen 345 Verfahren, die die ehelichen Güterstände betreffen, sind vom Anwendungsbereich der EuGVO und des LugÜ ausgenommen (Art 1 II lit a EuGVO/LugÜ). Unter die Ausnahme fallen nicht nur Streitigkeiten aus dem Güterrecht im engeren Sinne, sondern alle Verfahren über vermögensrechtliche Beziehungen zwischen den Parteien, die sich aus der Ehe oder ihrer Auflösung ergeben.361
(2) EuGüterRVO (Rom IVa-VO) 346 Die EU bereitet freilich eine Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts vor.362 Wie in Erbrechtssachen (s u Rz 362) sollen güterrechtliche Entscheidungen im Vollstreckungsstaat in einem zunächst einseitigen, auf die Überprüfung der vorgelegten Schriftstücke beschränkten Verfahren (entsprechend Art 38ff EuGVO) für vollstreckbar erklärt werden (E Art 31). Erst wenn der Vollstreckungsgegner Einspruch erhebt (Art 43 EuGVO), prüft das Gericht, ob etwaige Versagungsgründe nach E Art 27 gegeben sind (vgl Art 45 EuGVO).
359 So zu Recht Solomon FamRZ 2004, 1409, 1418. 360 Hub NJW 2001, 3145, 3149. 361 Kropholler/v. Hein Art 1 EuGVO Rz 27; Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rz 12. 362 KOM (2010) 126/2 v 16.2.2011.
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b) Autonomes Recht Güterrechtliche Entscheidungen sind nach autonomen deutschen Recht für 347 vollstreckbar zu erklären, wenn sie rechtskräftig sind (§ 110 III 2 FamFG). Die Vollstreckbarerklärung erfolgt im Beschlussverfahren nach § 110 II FamFG (§ 95 I Nr 1 FamFG). Sie kann nicht erfolgen, wenn ein Anerkennungsversagungsgrund nach § 109 FamFG vorliegt (§ 110 I FamFG). Zuständig ist das Familiengericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat oder in dessen Bezirk Vermögen des Schuldners belegen ist (§ 110 III 1 FamFG).
348
3. Ehewohnungs- und Haushaltssachen Verfahren über die Zuweisung von Ehewohnung und Haushalt sind iS des 349 Art 1 II lit a EuGVO/LugÜ güterrechtlich zu qualifizieren,363 werden also von EuGVO/LugÜ nicht erfasst. Entsprechende Entscheidungen auf Herausgabe sind also nur nach autonomem 350 Recht anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Herausgabetitel für bewegliche364 und unbewegliche Sachen (§ 95 I Nr 2 FamFG) werden nach § 110 II FamFG auf Antrag durch Beschluss für vollstreckbar erklärt, sobald sie rechtskräftig geworden sind (§ 110 III 2 FamFG). Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemei- 351 nen Gerichtsstand hat oder in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet (§ 110 III 1 FamFG).
4. Sonstige Familiensachen Die sonstigen Familiensachen des § 266 FamFG bilden international keine 352 einheitliche Gruppe (s o § 4 Rz 113). Soweit es sich um Zivilsachen handelt, werden Titel aus EU- bzw EFTA-Staaten nach Art 38 ff EuGVO/LugÜ für vollstreckbar erklärt bzw sind ab Inkrafttreten der Neufassung der EuGVO Europäische Vollstreckungstitel (s o § 14 Rz 56). Andere Zahlungstitel sind im Beschlussverfahren nach § 110 II FamFG für 353 vollstreckbar zu erklären (s o Rz 350f).
5. Lebenspartnerschaftssachen Lebenspartnerschaftssachen gem § 269 FamFG werden international ebenfalls nicht einheitlich behandelt.
363 Prütting/Helms/Hau § 105 FamFG Rz 11; Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I VO Rz 12; vgl Kropholler/v. Hein Art 1 EuGVO Rz 27. 364 Für Hausrat Prütting/Helms/Hau § 110 FamFG Rz 16.
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a) Güterrechtliche Ansprüche 355 Soweit über vermögensrechtliche Ansprüche zwischen eingetragenen (Ex-)Lebenspartnern zu entscheiden ist, handelt es sich in autonomer Auslegung um „Güterrecht“, so dass die EuGVO bzw das LugÜ gem Art 1 II lit a nicht anwendbar sind.365 Erfasst sind insoweit Ansprüche nach § 269 I Nr 5, 6, 7 und 10 FamFG. 356 Parallel zu dem Vorschlag für eine Verordnung über das eheliche Güterrecht hat die EU-Kommission am 16.3.2011 einen Entwurf für eine Verordnung über die güterrechtliche Auseinandersetzung zwischen eingetragenen Lebenspartnern vorgelegt.366 Nach dem Vorbild der EuErbVO (Nr 650/2012) sollen entsprechende Entscheidungen im Verfahren nach den Art 38ff EuGVO für vollstreckbar erklärt werden (E Art 27). Anerkennungsversagungsgründe können also vom Antragsgegner erst im Rechtsbehelfsverfahren (Art 43, 45 EuGVO) geltend gemacht werden.
b) Unterhaltsansprüche 357 Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern werden von der EuUnthVO erfasst.367 Die entsprechenden Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll gebunden sind, sind danach Europäische Vollstreckungstitel (Art 17 EuUnthVO). Titel aus anderen Mitgliedstaaten und Titel aus der Zeit vor dem 18.6.2011 sind im Verfahren nach den Art 26ff EuUnthVO für vollstreckbar zu erklären.
c) Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten 358 In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Lebenspartnern ist die EheGVO (Brüssel IIa-VO) für Ehesachen nicht anwendbar, da diese Verordnung unter „Ehe“ nur die traditionelle, heterosexuelle Lebensgemeinschaft versteht.368 Dagegen ist die Brüssel IIa-VO für Streitigkeiten zwischen Lebenspartnern über die elterliche Sorge, das Umgangsrecht und die Herausgabe eines gemeinsamen Kindes (§ 289 I Nr 3 FamFG) anwendbar, da Kindschaftssachen keinen Bezug zu einer Ehesache haben müssen.369 Entsprechende Entscheidungen eines EU-Mitgliedstaats (ohne Dänemark) werden im Verfahren nach den Art 28ff EheGVO (Brüssel IIa-VO) für vollstreckbar erklärt.
d) Sonstige Lebenspartnerschaftssachen 359 Entscheidungen in sonstigen Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 II Nr 2 und 3 FamFG sind wie die entsprechenden Streitigkeiten nach § 266 I Nr 2 und 3 FamFG als allgemeine Zivilsachen zu qualifizieren, so dass insoweit 365 366 367 368 369
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Hein Art 1 EuGVO Rz 27; Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rz 14a. KOM (2011), 127/2. Prütting/Helms/Hau § 103 FamFG Rz 14. Rauscher/Rauscher Art 1 Brüssel IIa-VO Rz 7. Prütting/Helms/Hau § 103 FamFG Rz 20.
Erbrechtssachen
§ 15
EuGVO und LugÜ anwendbar sind. Entsprechende Titel sind daher nach Art 38 ff EuGVO/LugÜ für vollstreckbar zu erklären.
e) Autonomes Recht Soweit die europäischen Verordnungen (bzw unterhaltsrechtliche Überein- 360 kommen) nicht anwendbar sind, werden Entscheidungen in Lebenspartnerschaftssachen im Beschlussverfahren nach § 110 II (iVm § 95 I) FamFG für vollstreckbar erklärt.
V. Erbrechtssachen 1. EuGVO/LugÜ Erbrechtssachen sind gem Art 1 II lit a EuGVO/LugÜ vom Anwendungs- 361 bereich dieser Regelwerke ausgeschlossen. Erbrechtliche Titel können also derzeit nicht nach europäischem Regeln für vollstreckbar erklärt werden.
2. EuErbVO Die EuErbVO (Nr 650/2012) tritt zum 17.8.2015 in Kraft (Art 84 EuErbVO). 362 Erbrechtliche Titel eines EU-Mitgliedstaats (gerichtliche Entscheidungen, Prozessvergleiche und vollstreckbare Urkunden) werden ab diesem Zeitpunkt in einem den Art 38ff EuGVO (Brüssel I-VO) entsprechenden Beschlussverfahren für vollstreckbar erklärt (Art 43ff EuErbVO).370 Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Entscheidung und eine Bescheini- 363 gung über deren Vollstreckbarkeit vorzulegen (Art 46 EuErbVO). Die Vollstreckbarerklärung erfolgt erstinstanzlich in einem einseitigen Verfahren ohne Beteiligung des Gegners (Art 48 EuErbVO). Die Vollstreckbarerklärung kann aber auf Rechtsbehelf nach Art 50, 51 EuErbVO versagt oder aufgehoben werden, wenn ein Grund für die Nichtanerkennung der Entscheidung gem Art 40 EuErbVO vorliegt (Art 52 EuErbVO). Die Anerkennungsversagungsgründe entsprechen Art 34 EuGVO. Im Einzelnen handelt es sich (a) um einen offensichtlichen Verstoß gegen den nationalen ordre public des Vollstreckungsstaats, (b) einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Gegners bei der Verfahrenseinleitung, es sei denn, dieser habe keinen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt, obwohl er dies konnte, (c) die Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung des Vollstreckungsstaats und (d) die Unvereinbarkeit mit einer anzuerkennenden früheren Entscheidung eines anderen EU-Mitgliedstaats oder eines Drittstaats.
370 Vgl St. Herzog ErbR 2013, 2, 11f.
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§ 15
Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
3. Staatsvertragliche Regelungen a) Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge 365 Von den bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen Deutschlands sind die Verträge mit Belgien (Art 3 I Nr 8; s o Rz 139), Großbritannien (Art IV [1] [c]; s o Rz 141), Italien (Art 2 Nr 6; s o Rz 165), den Niederlanden (Art 1 I; s o Rz 169), Norwegen (Art 8 I Nr 1; s o Rz 171), Österreich (Art 1 I; s o Rz 175), der Schweiz (Art 1; s o Rz 178), Spanien (Art 7 I Nr 13; s o Rz 179f) und Tunesien (Art 31 I Nr 7; s o Rz 182ff) auf Erbrechtsstreitigkeiten anwendbar. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt nach den jeweiligen Ausführungsgesetzen in einem fakultativen Beschlussverfahren, das inhaltlich dem Verfahren bei der Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen entspricht (Einzelheiten s 4. Aufl, § 13 Rz 300ff).
b) Deutsch-türkisches Nachlassabkommen 366 Das deutsch-türkische Nachlassabkommen sieht in § 15 nur die Anerkennung von Entscheidungen über Erbschaftsansprüche, Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche vor. Die Vollstreckbarerklärung dieser Entscheidungen ist nicht geregelt, erfolgt also nach autonomem Recht.
4. Autonomes deutsches Recht 367 Soweit kein bilateraler Staatsvertrag und künftig die EuErbVO eingreifen, sind rechtskräftige (§ 110 III 2 FamFG) erbrechtliche Entscheidungen im Beschlussverfahren nach § 110 II (§ 95 I Nr 1 oder 2) FamFG für vollstreckbar zu erklären. 368 Zuständig ist das Amtsgericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat oder in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet (§ 110 III 1 FamFG). Solange der Nachlass nicht geteilt ist, ergibt sich damit über den Vermögensgerichtsstand eine gemeinsame Zuständigkeit, um einen Titel gegen Miterben, die in verschiedenen Gerichtsbezirken wohnen, in einem Verfahren für vollstreckbar erklären zu können.
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§ 16 Anerkennung und Vollstreckung im Ausland Inhaltsübersicht I. Einführung 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennungsgrundsätze a) Keine Anerkennungspflicht . b) Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . c) Révision au fond. . . . . . . . . . .
1 2 4 7
II. Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten 1. Anerkennung in den USA . . . . . 8 2. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in common law-Staaten . . . . . . . . . 35
3. Anerkennung in Lateinamerika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anerkennung in civil law-Staaten des europäischen Rechtsraums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anerkennung und Vollstreckung in ost- und südosteuropäischen Staaten . . . . . . . . . . . . 6. Anerkennung in arabisch-/ islamischen Staaten . . . . . . . . . . 7. Anerkennung in Ostasien . . . . .
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93 107 116
I. Einführung 1. Schrifttum Basedow, Die Anerkennung von Auslandsscheidungen, 1980; Bruns, Der anerkennungsrechtliche ordre public in Europa und den USA, JZ 1999, 278; D. Campbell, International execution against judgment debtors, Vol 1 (Loseblatt), 1993; R. Casad, Civil Judgment Recognition, 1981; Cromie, International Commercial Litigation, 1990, S 459ff; G. Delaume, Law and Practice of Transnational Contracts, 1988 (S 199–222); B. Etgen, Die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Zivilurteile in der Republik China auf Taiwan, RIW 1995, 205; E. Gaillard, Anti-suit injunction et reconnaissance des sentences annulées au siège, J.D.I. 2003, 1105; L. Garb/J. Lew, Enforcement of Foreign Judgments, 2 vol., 1994 ff; P. Glenn, The prospective effect of res judicata, FS Kerameus, Athen 2009, S 435; T. Hartley, The modern approach to private international law (Part IV Recognition and enforcement of foreign judgments), RdC 319 (2006), 279; P. Hay, On Comity, Reciprocity, and Public Policy in U.S. and German Judgments Recognition Practice, Liber amicorum Siehr, 2000, S 237; P. Herzog u J. Hitters, The effect T of foreign judgments and arbitral awards, in: Andolina, Transnational aspects of procedural law, Bd 3, 1998, S 845; A.-M. Karl, Die Anerkennung von Entscheidungen in Spanien, 1993; Kono/N. Tada/M. Shin, Recognition and enforcement of foreign judgments relating to IP rights and unfair competition: the Transparency proposal, in Basedow/Kono/Metzger, Intellectual property in the Gobal Arena, 2010, p 293; Koshiyama, Rechtskraftwirkungen und Urteilsanerkennung, 1996; A. Lowenfeld, International Litigation and the Quest for Reasonableness, RdC 245 (1994 I), 9, 157ff; Lutz, Enforcement of Foreign Judgments, Part I: A Selected Bibliography on United States Enforcement of Judgments Rendered Abroad, Intern. Lawyer 27 (1993), 471; H. Matsumoto, Probleme der Rechtskraft im internationalen Zivilprozess, in: Kroeschell/Cordes, Vom nationalen zum transnationalen Recht, 1995, S 77; A. von Mehren, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments – General Theory, RdC 167 (1980 II), 9; P. de Miguel Asensio, Recognition and Enforcement of Judgments in Intellectual Property Litigation: The CLIP Principles, in Basedow/Kono/Metzger, Intellectual Property in the Global Arena, 2010, p 239; H. Müller/G. Hök, Deutsche Vollstreckungstitel im Ausland, 1990 (Loseblatt); H. Muir Watt, Effets en France des Decisions Etrangeres, Juris-Cl. Procédure Civile, Fasc. 124–3ff, 1990; Y. Piantino, Switzerland’s Treatment of US Money Judgments, AmJCompL 46 (1998), 181; Ch. Platto/W. Horton,
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Enforcement of Foreign Judgments Worldwide, 2nd ed 1993; N. Rosner, Cross-Border Recognition and Enforcement of Foreign Money Judgments in Civil and Commercial Matters, 2004; Schlosser, Jurisdiction and international judicial and administrative co-operation, Rec.d.Cours 284 (2000), 9, 31ff.; Schütze, Die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile im Ausland, 1977; Schütze, Die Geltendmachung deutscher Urteile in Afrika, 1966; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 4. Aufl 2009; Sieg, Internationale Anerkennungszuständigkeit bei US-amerikanischen Urteilen, IPRax 1996, 77; J. Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003; Szászy, International Civil Procedure, Budapest, 1967; Verschuur, Vrij verkeer van vonnissen, 1995; R. Wagner, Zur Vollstreckung deutscher dynamischer Unterhaltstitel im Ausland, FS Sonnenberger, 2004, S 727; G. Walter/S. Baumgartner, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments outside the scope of the Brussels and Lugano Conventions, 2000.
2. Anerkennungsgrundsätze a) Keine Anerkennungspflicht 2
Völkerrechtlich ist kein Staat verpflichtet, Entscheidungen ausländischer Gerichte anzuerkennen und die Vollstreckung aus ihnen in seinem Hoheitsgebiet zuzulassen. Die Wirkung von Entscheidungen in Zivilsachen müsse grds auf das Hoheitsgebiet des Ursprungsstaats begrenzt werden, weil sie ggf auf governmental principles beruhen, die anderen Staaten unbekannt seien.1
3
Der weltweite Handels-, Kapital- und Personenverkehr erfordert aber praktisch, dass ausländische Entscheidungen anerkannt und vollstreckt werden. Über die Voraussetzungen und die Art und Weise der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung entscheidet freilich jeder Staat in autonomer Weise. Eine Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung besteht nur im Rahmen von Staatsverträgen, in der EU aufgrund der EU-Verordnungen.
b) Gegenseitigkeit 4
Außerdem wirkt sich der Grundsatz von der Gegenseitigkeit besonders hemmend aus. Auch der deutsche Gesetzgeber hat in § 328 I Nr 5 ZPO und § 109 IV FamFG für vermögensrechtliche Streitigkeiten am Erfordernis der Gegenseitigkeit festgehalten. Es kann nicht erwartet werden, dass andere Staaten die Anerkennung und Vollstreckung aus deutschen Entscheidungen erleichtern. Das Hindernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit steht also in vielen Staaten der Anerkennung und Vollstreckung deutscher Gerichtsentscheidungen entgegen.
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Aus der Übersicht in § 12 Rz 196–217 ist ersichtlich, im Verhältnis zu welchen Staaten die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist und im Verhältnis zu welchen Staaten Unklarheiten bestehen. Noch unübersichtlicher wird die Lage dadurch, dass die Gegenseitigkeit im Verhältnis zu einigen Staaten nur teilweise verbürgt ist. In den Staaten, zu denen die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist
1 Szászy, International Civil Procedure, S 545.
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oder wo dies zweifelhaft ist, werden deutsche Entscheidungen schon deswegen im Zweifel nicht anerkannt. Ist die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Ausland entweder ausgeschlossen oder nur in einem aufwendigen Verfahren zu erreichen, so sollte sich ein Gläubiger vorab fragen, ob es nicht sinnvoller ist, sogleich im Ausland zu klagen.2
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c) Révision au fond Eine ansehnliche Reihe von Staaten besteht zwar nicht auf dem Prinzip der 7 Gegenseitigkeit, überprüft aber stattdessen ausländische Urteile auf ihre sachliche Richtigkeit. Das Prinzip der „révision au fond“ geht zurück auf die französische Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts.3 Der Exequaturrichter musste danach nachprüfen, „qu’un point quelconque, de fait ou de droit, a été mal jugé“.4 Die luxemburgische Rechtsprechung gab als erste die „révision au fond“ mit der Begründung auf, der Exequaturrichter dürfte sich nicht zum Berufungsrichter über seinen ausländischen Kollegen machen.5 Es folgte der französische Kassationshof in der berühmten Entscheidung v 7.1.1964 in Sachen Munzer gegen Munzer.6 Heute ist das System der „révision au fond“ in den meisten, aber nicht in allen Staaten überwunden.
II. Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten 1. Anerkennung in den USA Schrifttum: Born/Rutledge, International Civil Litigation in United States Courts, 5th ed 2011; R. Brand, Enforcing Foreign Judgments in the United States and United States Judgments Abroad, 1992; Ebke/Parker, Foreign Country Money-Judgments and Arbitral Awards and the Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, Int.Lawyer 24 (1990), 21; P. Hay, On Comity, Reciprocity, and Public Policy in US and German Judgments Recognition Practice, Liber amicorum Siehr, 2000, 237; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010; F. Juenger, The recognition of money judgments in civil and commercial matters, AmJCompL 36 (1988), 1; Kohl/Reus, Anerkennung und Durchsetzung deutscher Zahlungstitel in Florida, RIW 2000, 773; R. v Mehren, Transnational Litigation in American Courts, Dickinson J.Int.L. 3 (1984), 43, 56; Rassmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel in den USA, RIW 1996, 817; N. Rosner, Cross-Border Recognition and Enforcement of Foreign Money Judgments in Civil and Commercial Matters (Ch. 7), 2004, S 323; G. Rühl, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in den USA, RIW 2006, 192; H. Schack, 2 Vgl Nagel, Durchsetzung von Vertragsansprüchen im Auslandsgeschäft, 1978, S 177ff. 3 Batiffol/Lagarde, no 729; Schlachter AcP 1957, 510. 4 Batiffol/Lagarde, no 729. 5 Tribunal civil d’Arrondissement de Luxembourg v 21.11.1956, Pasicrisie lux. Vol XVII, 180. 6 Rev crit 1964, 344.
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Einführung in das US-amerikanische Recht, 4. Aufl 2011; I. Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet, 2004; Schütze, Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, 1992; Schurtmann/Walter, Der amerikanische Zivilprozess, 1978; Siegel, New York Practice, 4th ed 2005; D. Stewart, Recognition and enforcement of foreign judgments in the United States, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 179; Weinschenk, Die Anerkennung und Vollstreckung bundesdeutscher Urteile in den Vereinigten Staaten, 1988.
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Die einzelnen Bundesstaaten (nicht der Bund selbst) erkennen ausländische Entscheidungen grds nach „comity“ an,7 wenn die Entscheidung bestimmten prozessualen und materiellen Standards entspricht. Auf die Gegenseitigkeit kommt es mit wenigen Ausnahmen nicht an. Anerkannt werden Zahlungsurteile, Status-Entscheidungen und Eigentumsfeststellungen. Die Voraussetzungen unterscheiden sich im Detail von Bundesstaat zu Bundesstaat (und sonstigem Territorium).8 Bundesgerichte wenden die Regeln des jeweiligen Bundesstaats an. Das American Law Institute hat den Entwurf eines Bundesgesetzes („Foreign Judgments Recognition and Enforcement Act“) verabschiedet.9
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Die Anerkennungsvoraussetzungen sind im Uniform Foreign Money-Judgment Recognition Act von 196210 (in revidierter Fassung von 2005) im Einzelnen festgelegt, damit die Staaten, die die Voraussetzung der Gegenseitigkeit kennen, diese besser beurteilen können. Dieses Modellgesetz wurde von Alaska, California,11 Colorado, Connecticut, Florida (FS § 55.603),12 Georgia, Idaho, Illinois, Iowa, Maryland, Massachusetts, Michigan, Minnesota, Missouri, Montana, New Mexico, New York (CPLR §§ 5301–5309), North Carolina, Ohio,13 Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Texas, Virgin Islands, Virginia und Washington (mit Änderungen im Detail) übernommen. Die Neufassung von 2005 ist von California, Colorado, Hawaii, Idaho, Michigan, Montana, New Mexico, Nevada, North Carolina, Oklahoma, Oregon und Washington umgesetzt worden.14 Der Act erfasst jedes ausländische Urteil wegen Zahlung einer Geldsumme (Steuern, Ordnungs- und Geldstrafen sowie Unterhalt in Ehe- und Familiensachen ausgenommen, § 1 II UFMJRA). Nahezu die gleichen Voraussetzungen enthält das Restatement of the Law 3rd Foreign Relations Law von 1987 (§§ 481, 482). 7 Somportex v Philadelphia Chewing Gum, 453 F. 2d 435 (3rd Cir. 1971); Hay, Liber amicorum Siehr, S 237, 239ff. 8 Vgl Schütze, Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, S 7; Schütze, in: Geimer/ Schütze, Intern. Rechtsverkehr, Lfg 27 (2004), S 1157.15ff; Clark AmJCompL 42 (Suppl.) (1994), 23, 36. Zur Gegenseitigkeit zwischen den US-Staaten s K. Voegele, Full Faith and Credit – Die Anerkennung zivilgerichtlicher Entscheidungen zwischen den US-amerikanischen Bundesstaaten, 2003. 9 Vgl G. Rühl RIW 2006, 192. 10 13 ULA 261 (1968). 11 Cal. CCP §§ 1713–1724; vgl Rassmann RIW 1996, 817. 12 Vgl Kohl/Reus, Anerkennung und Durchsetzung in Florida, RIW 2000, 773. 13 Vgl Black Gold Potato Sales v Garibaldi, [1996] ILPr 171. 14 Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 24.36 (p 1495).
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Das Urteil muss „final and conclusive“ sowie im Heimatstaat vollstreckbar 11 sein.15 Es muss danach für die Instanz bindend sein, so dass Versäumnisurteile ausscheiden, solange sie dem Einspruch unterliegen. Endurteile müssen dagegen nicht rechtskräftig sein. Solange die Rechtsmittelfrist läuft und der Beklagte Rechtsmittel einlegen will, kann das Gericht aber das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung einstellen. Das ausländische Urteil wird insoweit wie das eines amerikanischen Bundesstaats (sister state) behandelt. Ein deutscher Prozessvergleich wird einem „consent judgment“ gleichgestellt 12 und kann für vollstreckbar erklärt werden.16 Zu den Urteilen, die final sind, gehören auch Entscheidungen, durch die ein Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird.17 Urteile wegen Kindesunterhalt werden, da abänderbar, nach dem Uniform Act nicht anerkannt.18 Der Uniform Foreign-Money Judgment Recognition Act kennt folgende Gründe die Anerkennung zu versagen:19
13
(1) Die ausländische Entscheidung ist nicht „conclusive“, weil das Gericht nicht unabhängig war oder den Standards von „due process of law“ entsprach. (2) Aus dem gleichen Grund ist die Anerkennung zu versagen, wenn das Ge- 14 richt international nicht zuständig war („did not have personal jurisdiction over the defendant“). Das Fehlen der internationalen (Anerkennungs-)Zuständigkeit ist der häufigste Grund, die Anerkennung bzw Vollstreckung zu versagen. Ähnlich wie die deutschen Gerichte prüfen die amerikanischen Gerichte, ob nach eigenem Recht eine Grundlage für die Ausübung von jurisdiction im Urteilsstaat bestand (ebenso § 482 Restatement [Third] Foreign Relations Law 1987). Nach § 5 des Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act wird die internationale Zuständigkeit nicht beanstandet, wenn (1) die Klage dem Beklagten im Urteilsstaat persönlich zugestellt wurde; (2) sich der Beklagte auf das Verfahren rügelos eingelassen hat; (3) eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt;20 (4) der Beklagte seinen Wohnsitz bei Klageerhebung im Gerichtsstaat hatte bzw eine juristische Person ihre Hauptniederlassung oder ihren Gründungssitz dort hatte oder auf andere Weise den Status einer juristischen Person im Gerichtsstaat erlangt hat; (5) der Beklagte eine Geschäftsstelle („business office“) im Gerichtsstaat hatte und die Klage mit dieser Tätigkeit im Zusammenhang steht;21 (6) der Beklagte ein Kraftfahrzeug oder ein Flug15 Vgl Dresdner Bank (New York Branch) v Edelmann, 493 NYS 2d 703 (1985). 16 Mailender Druckmaschinen v Otto Issenschmid, 88 A.D. 2d 654, 450 NYS 2d 533 (1982). 17 Seetransport Willing Trader Schiffahrtsgesellschaft v Navimpex Centrala Navala, 837 F.Supp. 79 (S.D.N.Y. 1993). 18 Mandel v Treves, 103 Misc. 2d 700 (1980). 19 Vgl Schütze, Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, S 12ff; Rassmann RIW 1996, 817. 20 Tonga Air Services v Fowler, 826 P. 2d 204 (1992). 21 Zur Anerkennung von Urteilen bei Urheberrechtsverletzungen im Internet s Ginsburg RdC 273 (1998), 282ff.
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zeug im Gerichtsstaat betrieben hat und das Verfahren darauf beruht. Wenn die Zuständigkeit nur auf „personal service“ beruht, darf das Forum für den Beklagten nicht „seriously inconvenient“ gewesen sein (§ 4 [b] [6] Uniform Act). Andere Zuständigkeiten können anerkannt werden, wenn die Anforderungen von „minimum contacts“ und „adequate notice“ erfüllt sind. Ein japanisches Urteil wurde anerkannt, weil der Beklagte in Japan ausreichend geschäftlich tätig war („doing business“).22 15
Der deutsche Vermögensgerichtsstand (§ 23 ZPO) hat im US-amerikanischen Recht keine direkte Entsprechung. Seitdem der BGH aber einen hinreichenden Inlandsbezug verlangt,23 werden meist andere Zuständigkeiten des amerikanischen Rechts (wie „doing business“ oder sonstige long-arm Statutes) erfüllt sein.24
16
(3) Das Gericht muss sachlich zuständig gewesen sein („jurisdiction over the subject matter“).
17
(4) Das Urteil wird weiter nicht anerkannt, wenn der Beklagte vom ausländischen Verfahren nicht so rechtzeitig benachrichtigt wurde, dass er sich verteidigen konnte. Die ordnungsgemäße Ladung muss im Urteil genau festgestellt worden sein.25 Bei einer Zustellung nach dem HZustÜ 1965 muss das dort vorgesehene Verfahren eingehalten worden sein.26
18
(5) Das Urteil darf nicht durch „extrinsic fraud“ erwirkt worden sein.27
19
(6) Das Urteil darf im Ergebnis nicht dem ordre public des Anerkennungsstaats widersprechen. Die Anerkennung eines deutschen Urteils über die Geschäftsgebühr eines Anwalts wurde etwa abgelehnt, weil es über Art und Umfang einer „15–20 Tage dauernden Studie“ keine Unterlagen in den Handakten des Anwalts gab.28 Einem englischen Schadenersatzurteil wegen „libel“ durch Verbreitung falscher Nachrichten wurde die Anerkennung versagt, weil die englische Beweislastverteilung zu Lasten des Beklagten die Garantie der Meinungsfreiheit nach dem First Amendment der US-Verfassung verletzt.29 Die Anerkennung entsprechender Entscheidungen ist inzwischen nach dem sog SPEECH Act vom 10.8.2010 zu versagen.
20
(7) Das Urteil darf nicht einem anderen abschließenden Endurteil widersprechen.
22 23 24 25 26 27 28 29
Nippon Emo-Trans v Emo-Trans, 744 F.Supp. 1215 (EDNY 1990). BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3093. Vgl Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 718f. Gondre v Silberstein, 744 F.Supp. 429 (EDNY 1990). Ackermann v Levine, 788 F. 2d 830 (2nd Cir. 1986). Bank of Nova Scotia v Tschabold Equipment Ltd., 754 P. 2d 1290 (1988). Ackermann v Levine, 788 F. 2d 830, 841ff (2nd Cir. 1986). Bachchan v India Abroad Publications Inc., 154 Misc. 2d 228 (1992); ähnlich: Matsusevitch v Telnikoff [1996] ILPr 181.
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(8) Das Verfahren vor dem Erstgericht darf nicht einer Parteivereinbarung wi- 21 dersprechen, wonach der Rechtsstreit in anderer Weise erledigt werden sollte. Erfüllt das ausländische Urteil die Anerkennungsvoraussetzungen, so bindet 22 es (ohne Weiteres) die Parteien, soweit darin der Geldzahlungsanspruch zuerkannt oder aberkannt wurde (§ 3 S 1 UFMJRA). Das Urteil kann wie das Urteil eines anderen US-Staats vollstreckt werden, 23 aber erst nachdem auf Klage ein Vollstreckungsurteil ergangen ist (action upon the judgment). Jurisdiction für die action upon the judgment kann auf domicile oder residence des Beklagten oder darauf beruhen, dass dieser vollstreckungsfähiges Vermögen im Gerichtsstaat besitzt. Die sonst bestehenden Vorbehalte gegenüber dem Vermögensgerichtsstand gelten nicht für das Vollstreckungsverfahren. Handelt es sich, wie meist, um die Klage eines Ausländers gegen einen Bewohner des betreffenden US-Staats, so ist nach der diversity rule (28 USC § 1332) das Bundesgericht für die Klage zuständig.30 Bestehen Einwände nur gegen Teile des Urteils, so wird es „to the greatest extent consistent with … ideals of justice and fair play“ teilweise anerkannt.31 Nach dem Uniform Foreign-Money Claims ersetzt das Judgment on Foreign Money Claims in der Währung, die im anzuerkennenden Urteil zugesprochen wurde (§ 7 I FMCA).32 In den meisten Staaten kann das ausländische Urteil im beschleunigten Ver- 24 fahren per summary judgment für vollstreckbar erklärt werden, sofern der Beklagte keine ernstlichen Einwendungen erhebt (zB New York CPLR § 5303). Das Registrierungsverfahren, das für Sister State-Urteile nach dem Uniform 25 Enforcement Foreign Judgments Act 1964 vorgesehen ist, ist dagegen gegenüber ausländischen Urteilen meist ausgeschlossen (so zB in Kalifornien, § 1713.3 CCP).33 Unterhaltsurteile werden nach dem Revised Uniform Reciprocal Enforcement 26 of Support Act (RURESA) 1968 in einfacherer Weise anerkannt. Der Act ist für jede Art von Ehegatten- und Kindesunterhalt anwendbar. Der Act gilt nicht nur gegenüber einem Staat der USA, sondern auch gegenüber „any foreign jurisdiction in which this or a substantially similar reciprocal law is in effect“ (§ 2 [m]). Im Hinblick darauf hat Deutschland das AUG erlassen und mit vielen USStaaten die Gegenseitigkeit nach dem Revised Enforcement of Support Act 1968 vereinbart (s o § 15 Rz 304ff).34 Nach § 8 RURESA kann auch ein staatlicher Regressgläubiger seinen Anspruch nach diesem Act geltend machen. Soweit dies der Fall ist, kann der deutsche Unterhaltstitel dem Clerk des zuständigen Gerichts zur Registrierung vorgelegt werden (§§ 36ff RURESA). 30 31 32 33 34
Bank of Montreal v Kough, 430 F.Supp. 1243 (D.C. 1977). Ackermann v Levine, 788 F. 2d 830, 844/45 (2nd Cir. 1986). Vgl Hay RIW 1995, 113, 118. Für Washington D.C. s Matusevitch v Telnikoff, [1996] ILPr 181. Vgl Schütze, Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, S 19ff.
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§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
Nach der Registrierung wird der Titel dem Schuldner per Einschreiben zugesandt. Zugleich wird der „prosecuting attorney“ benachrichtigt, damit er die Beitreibung des Titels für den Gläubiger betreibt (§ 39 RURESA). Der Schuldner kann innerhalb von 20 Tagen Einwendungen gegen den Titel vorbringen (§ 40 RURESA).35 27
Der deutsche Gläubiger stellt seinen Antrag auf Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs beim Amtsgericht seines gewöhnlichen Aufenthalts (§ 3 AUG). Nach Vorprüfung und Übersendung der Unterlagen wird das Gesuch an die Zentrale Behörde (das Bundesamt für Justiz) weitergeleitet. Dieser sendet es an das zuständige Gericht im Wohnsitzstaat des Schuldners.
28
Außerhalb des Anwendungsbereichs des RURESA werden Unterhaltsurteile nach Restatement 3rd Foreign Relations Law, § 486, anerkannt, wenn (1) bei Eheleuten beide ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Urteilsstaat hatten, als die Unterhaltsforderung entstand, (2) der Schuldner zur Zeit des Urteils Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder (3) der Gläubiger Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Urteilsstaat hatte und sich der Schuldner auf das Verfahren eingelassen hat.
29
Regelmäßig kann der anerkannte ausländische Unterhaltstitel in den USA auf Antrag einer Partei abgeändert werden, sofern das Gericht auch gegenüber dem Gegner jurisdiction ausüben kann (Restatement 3rd Foreign Relations, § 486 II).
30
Deutsche Scheidungsbeschlüsse. Die Anerkennung von Scheidungsentscheidungen ist Angelegenheit der Einzelstaaten. Sie werden anerkannt, wenn das deutsche Gericht „personal jurisdiction“ hatte. Nach § 484 I Restatement of the Law 3rd Foreign Relations Law 1987 werden Entscheidungen am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt beider Parteien zur Zeit der Scheidung immer anerkannt. Nach § 484 II Restatement 3rd Foreign Relations können, aber müssen nicht anerkannt werden Entscheidungen, wenn (a) eine Partei zur Zeit der Scheidung Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Scheidungsstaat hatte, oder (b) wenn das Gericht jurisdiction über beide Parteien hatte, eine persönlich erschienen war und die andere Partei zum Verfahren geladen war und Gelegenheit hatte daran teilzunehmen.36 Eine Scheidung kann in den Fällen des Abs 2 auch dann anerkannt werden, wenn sie im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat zZ der Scheidung anerkannt wird (§ 484 III). Nicht gesichert ist die Anerkennung daher bei einer Scheidung Deutscher, die nur auf die Heimatstaatszuständigkeit nach § 98 I Nr 1 FamFG gestützt war. In Fällen, in denen eine Partei vor Gericht erschienen und die andere nur durch Anwalt vertreten war, ist die Haltung der Staaten gespalten und wird die Anerkennung eher überwiegend versagt.
35 Vgl Mockenhaupt DAVorm 1985, 1; ferner: Müller-Freienfels, FS Kegel, 1987, S 389. 36 Vgl Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 5th ed 2010, § 15.17–23 (S 714ff); Baade, Marriage and Divorce in American Conflicts Law, Colum.L.Rev. 72 (1972), 329.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
Auch wenn die Scheidung danach nicht anerkannt wird, kann eine Partei doch gehindert sein, sich auf die Unwirksamkeit der Scheidungsentscheidung zu berufen, wenn (1) sie das Verfahren im Ausland selbst begonnen hatte, (2) eine oder beide Parteien wieder verheiratet sind, oder (3) seit der Scheidung erhebliche Zeit verstrichen ist. Sorgerechtsentscheidungen werden von den US-Staaten anerkannt, wenn (1) 31 das Kind bei Verfahrensbeginn seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Entscheidungsstaat hatte, (2) das Kind und ein Elternteil sonst eine wesentliche Beziehung zu dem Staat hatten, oder (3) sich das Kind in dem Staat aufgehalten hat und ein dringender Fall zum Schutze des Kindes vorlag (Restatement 3rd Foreign Relations Law, § 485 I). Amerikanische Gerichte ändern ausländische Sorgerechtsentscheidungen nur ab, wenn das ausländische Gericht dazu nicht mehr zuständig ist oder seine Zuständigkeit nicht mehr ausübt (§ 485 II). Entscheidungen werden in der Fremdwährung anerkannt, in der sie ergangen 32 sind.37 Der Staat New York wird als besonders anerkennungsfreundlich hinsichtlich 33 ausländischer Geldurteile bezeichnet.38 Ein ausländisches Urteil wird für vollstreckbar erklärt „by an action on the judgment, a motion for summary judgment in lieu of complaint, or in a pending action by counterclaim, crossclaim or affirmative defense“ (New York CPLR § 5303). Dabei wird der „Uniform Foreign Country Money-Judgments Recognition Act“ angewendet. Das ausländische Urteil muss „final and conclusive“ sein, es darf also in der Instanz vom Erstrichter nicht mehr abgeändert werden können. Soweit der Erststaat „jurisdiction in rem“ hatte, wird auf die Belegenheit im Territorium abgestellt bzw bei Ehesachen auf das Domizil, das in New York auf 12 Monate vor Erhebung der Klage begründet gewesen sein muss. Bei „Personal Jurisdiction“ wird an die persönliche Zustellung der Klageschrift an den Beklagten im Erststaat abgestellt, auf die Unterwerfung des Beklagten unter das Verfahren im Erststaat, auf eine Gerichtsstandsvereinbarung des Gerichts des Erststaats, auf die Einlassung im Erststaat, auf die geschäftliche Tätigkeit im Erststaat. Soweit es um das rechtliche Gehör geht, wird auf das Restatement 3rd Foreign Relations Law 1987 abgestellt. Die Gegenseitigkeit ist ebenso wie in Kalifornien begründet. Hinsichtlich der übrigen amerikanischen Staaten sollte Folgendes berücksich- 34 tigt werden: Ein gewisser Einfluss geht von dem „Restatement Second of Conflict of Laws“ von 1971 aus.39 In dem (privat erstellten) Restatement ist die Rechtsprechung berücksichtigt. Dadurch wirkt es indirekt wieder auf die Rechtsprechung zurück. Folgende Grundsätze können zusammengefasst werden: Ausländische Urteile können im Wege der „action on the foreign judgment“ vollstreckt werden, wobei sich die Lehre von der „Conclusiveness“ auswirkt, wenn sie in den USA anerkannt werden. An Voraussetzungen dafür wird gefordert, dass das Urteil im Urteilsstaat Wirksamkeit erlangt hat, ein 37 Hay RIW 1995, 113, 118. 38 Schütze JR 1986, 322. 39 Vgl Ehrenzweig, Conflict of Laws I, 1959, S 22.
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§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
deutsches Urteil muss also in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar sein, wobei es genügt, dass es vorläufig vollstreckbar ist.40 Das Urteil muss aufgrund einer fairen mündlichen Verhandlung im streitigen Verfahren ergangen sein.41 Versäumnisurteile werden anerkannt, wenn das Erstgericht international zuständig gewesen und der Beklagte ordnungsgemäß geladen worden ist.42 Das Urteil darf nicht durch betrügerische Machenschaften erschlichen worden sein, und der Beklagte muss hinreichend Gelegenheit zur Verteidigung gehabt haben.43 Im Allgemeinen gehen die amerikanischen Gerichte davon aus, dass der Erstrichter international zuständig gewesen ist; man kann von einer Vermutung zugunsten der Zuständigkeit des Erstrichters sprechen. Der deutsche Vermögensgerichtsstand hat im US-amerikanischen Recht keine direkte Entsprechung. Seitdem der BGH einen ausreichenden Inlandsbezug verlangt,44 werden zumeist Anknüpfungen des amerikanischen Rechts (wie doing business oder andere long arm-statutes) erfüllt sein.45
2. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in common law-Staaten 35
Schrifttum: Binchy, Irish Conflict of Law, 1988 (Ch 33); D. Buchhold, Die Vollstreckung deutscher Titel in Großbritannien, NJW 2007, 2734; Doser, Gegenseitigkeit und Anerkennung … dargestellt am Beispiel Südafrika, 1999; H. Glenn, Codification of private international law in Quebec, RabelsZ 60 (1996), 231, 262ff (Recognition and enforcement of foreign decisions); E.-M. Henke, Ausländische Gerichtsentscheidungen in Südafrika, ZfRV 2011, 166; G. Hoffmann, Urteilsanerkennung im deutsch-australischen Rechtsverkehr, 2010; McClean, The reciprocal enforcement of judgments within the Commonwealth, 1975; McClean, Recognition of family judgments in the Commonwealth, 1983; Phadnis/Otto, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedsentscheidungen in Indien, RIW 1994, 471; D. Sikora, Die Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Urteile in England, 1998; Tepper, Die Anerkennung deutscher Zahlungsurteile in Kanada, Festgabe Sandrock, 1995, 89.
36
a) In Großbritannien werden deutsche Titel nach den EG-Verordnungen Nr 44/2001 (EuGVO), Nr 805/2004 (EuVTVO), Nr 1896/2006 (EuMahnVO), Nr 861/2007 (EuGFVO), Nr 2201/2003 (EheGVO) und Nr 4/2009 (EuUnthVO) anerkannt und vollstreckt. In England muss der Antrag auf Registrierung beim High Court in London (CPR r. 74), in Schottland beim Court of Session (RCS r. 62) gestellt werden.46
37
Die common law-Regel geht davon aus, dass ein ausländisches Urteil aufgrund comity ohne Rücksicht auf Gegenseitigkeit anerkannt wird. Das ausländische Urteil begründet eine „obligation“, die wie ein im Ausland geschlossener Vertrag in England durch „action of debt“ eingeklagt werden kann und muss. Ein 40 Perret, La reconnaissance et l’exécution des jugements étrangers aux Etats Unis, 1951, S 155. 41 Deutsch ZZP 71 (1958), 329. 42 Brenscheidt RIW/AWD 1976, 554. 43 Perret (70), S 156. 44 BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092. 45 Vgl Grothe RabelsZ 58 (1994), 686, 718f. 46 Vgl D. Buchhold NJW 2007, 2734.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
Rückgriff auf die ursprüngliche Verbindlichkeit ist jedoch ausgeschlossen. Diese ist im ausländischen Urteil aufgegangen („merged“); dieses darf in der Sache nicht nachgeprüft werden.47 Als Folge davon wird das ausländische Urteil nicht wie in „Civil Law“-Län- 38 dern für vollstreckbar erklärt, sondern es bedarf grds einer Klage, um die Verpflichtung aus dem ausländischen Urteil geltend zu machen. „… English Courts enforce foreign judgments because the foreign adjudication is considered to create a legal obligation that may be enforced in England by an action of debt.“
Die Beweiskraft des ausländischen Urteils geht danach sehr weit. In der in 39 England erhobenen „action on the foreign judgment“ entfalten die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des deutschen Erstrichters „conclusive evidence“, grds wird der englische Richter durch sie gebunden. Eine Überprüfung ist ausgeschlossen, so dass von einer unwiderlegbaren Vermutung für die Richtigkeit des der Entscheidung zugrunde liegenden Anspruchs gesprochen werden kann. Cohn48 hat diese Regelung damit erklärt, dass die Frage der rechtskräftig entschiedenen Sache – res judicata – dem Beweisrecht zugerechnet werden müsse. Unter dieser Voraussetzung werde der unterlegene Beklagte des ausländischen Urteils in dem neuen Prozess vor dem englischen Richter daran gehindert, Tatsachen, auf die er sich bereits in dem früheren ausländischen Verfahren gestützt hatte, nochmals vorzutragen und zu beweisen. Die für den englischen Prozess entwickelte Lehre von dem „Estoppel“ 40 schränkt die Beweismöglichkeiten des Beklagten in der „action on the foreign judgment“ ein. Praktisch nähert sich diese Klage stark der Vollstreckungsklage gem §§ 722, 723, 328 ZPO. Ein common law-Gericht erkennt die Verpflichtung aus dem ausländischen Urteil an, sofern dieses gewisse Mindestvoraussetzungen, also Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt.49 (1) Das Erstgericht muss international zuständig gewesen sein. Englische Richter legen dieser Prüfung nicht streng die eigenen Zuständigkeitsregeln zugrunde wie ein deutscher Richter nach § 328 I Nr 1 ZPO, sondern fragen, ob das ausländische Gericht „jurisdiction in the international sense“ hatte.50 Hierfür genügt gegenüber natürlichen Personen gewöhnlicher Aufenthalt („residence“) oder einfache freiwillige Anwesenheit im Gerichtsstaat. Eine juristische Person kann danach am Sitz der Hauptniederlassung oder einer Zweigniederlassung verklagt werden, wenn der Streit aus Geschäften dieser Niederlassung herrührt. Eine Tochtergesellschaft wird im Allgemeinen nicht als Niederlassung angesehen.51 Die Zuständigkeit wird auch begründet durch eigene Kla47 Godard v Gray, 6 LR-QB 139, 152 (1870); Schibsby v Westenholz, 6 LR-QB 155 (1870); Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, 14th ed, Vol 1, Rule 34, no 14-006 et seq; Gwynne/Harwood, England and Wales, in: Campbell, International Execution, 1993. 48 FS Nipperdey, Bd I, 1975, S 875. 49 Vgl Jacob, S 68ff. 50 Cheshire, North & Fawcett, Private international law, 14th ed 2008, pp 516 et seq. 51 Adams v Cape Industries Plc [1990] Ch 433.
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41
§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
ge, Zuständigkeitsvereinbarung oder rügelose Einlassung. Eine Einlassung, um primär die Zuständigkeit zu bestreiten, genügt nicht (Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, sec 33).52 42
(2) Der verurteilten Partei muss ausdrücklich rechtliches Gehör gewährt worden sein. „Natural justice“ verlangt, dass die Klage ordentlich zugestellt und der Partei hinreichendes Gehör gewährt wurde.
43
(3) Das ausländische Urteil darf nicht sonstigen fundamentalen Anforderungen prozessualer oder materieller Gerechtigkeit widersprechen und darf nicht auf „fraud“ beruhen. Das Urteil wird sachlich überprüft, ob „fraud“ vorliegt oder ob es der „public policy“ des englischen Rechts widerspricht. Ein Urteil wird ferner nicht anerkannt, wenn es dem „Protection of Trading Interest Act 1980“ widerspricht, etwa weil es „multiple damages“ zuspricht (sec 5 [2]).
44
Das ausländische Urteil wird ferner nicht anerkannt, wenn es einem früheren englischen Urteil widerspricht.53
45
(4) Das Urteil muss „final and conclusive“ sein, darf also in derselben Instanz nicht mehr geändert werden können. Soweit Unterhaltsentscheidungen für künftige Zeiträume geändert werden können, sind sie nicht „final“.54 Eine Abänderung auf appeal schließt nicht aus, dass das Urteil „final“ ist.55
46
Seit 1976 können auch in England Urteile auf Leistung in fremder Währung ergehen.56 Urteile, die unter die EuGVO fallen, werden in der Fremdwährung registriert und können zum Kurs am Zahlungstag in Pfund Sterling erfüllt werden. Andere Urteile werden ebenfalls auf den Zahlungstag, praktische aber auf den Tag der Zulassung der Vollstreckung umgerechnet.57
47
Bei Entscheidungen eines „oversea country“ wird außerdem geprüft, ob sie entgegen einer abweichenden Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung ergangen sind (Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, sec 32). Die Vereinbarung muss nach englischer Ansicht wirksam sein, und das ausländische Verfahren muss vereinbarungswidrig ohne rügelose Einlassung des Gegners durchgeführt worden sein.58
48
In dem Verfahren „on the foreign judgment“ wird grds weder das Verfahren im Ausland noch der Inhalt des ausländischen Urteils nachgeprüft. Auch offen-
52 Vgl Cheshire, North & Fawcett, Private International Law, 14th ed 2008, pp 521 et seq. 53 Vervaeka v Smith, [1983] 1 AC 145 (H.L.). 54 Harrop v Harrop, [1920] 3 KB 386. 55 Arrowmaster v Unique Forming, Ontario Court of Justice [1995] ILPr 505. 56 Miliangos v Georg Frank (Textiles) LtdAC 544 (H.L.); Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, 14th ed, Vol 2, Rule 242 (1), No 36-082 et seq. 57 Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, 14th ed, Rule 242 (2), No 36-092 et seq. 58 Cheshire, North & Fawcett, Private International Law, 14th ed 2008, pp 569 et seq.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
sichtliche Fehler bei der Anwendung englischen Rechts müssen im ursprünglichen Verfahren gerügt werden.59 Das anerkennungsfähige Urteil ist „res iudicata“. Jede Partei (oder ihr Rechts- 49 nachfolger) „is estopped in any subsequent litigation from disputing or questioning such decision on the merits“.60 Die estoppel-Regel wird konstruktiv als Beweisregel verstanden. Estoppel greift bei gleichem Streitgegenstand ein oder als Bindung hinsichtlich einer präjudiziellen Vorfrage.61 Auch eine Klagabweisung wegen einer Gerichtsstandsvereinbarung bindet hinsichtlich der Auslegung der Vereinbarung und der Zuordnung.62
50
Entscheidungen von Superior Courts von Commonwealth-Staaten werden da- 51 gegen nach dem Administration of Justice Act 1920 „registriert“. Als Folge der Registrierung wird die Entscheidung wie ein Urteil des registrierenden Gerichts behandelt. Soweit Gegenseitigkeit durch „Order in Council“ formell anerkannt ist, können Urteile auch anderer Staaten nach dem Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 registriert werden. Nach diesem Gesetz werden auch deutsche obergerichtliche Entscheidungen „registriert“, soweit sie nicht unter die EuGVO fallen. Die Registrierung muss innerhalb von sechs Jahren nach Erlass des Urteils erfolgen (sec. 2). Ausländische Scheidungsurteile fallen nicht unter das Gesetz,63 sondern wer- 52 den nach dem Recognition of Divorces and Legal Separations Act 1971 (as amended by Family Law Act 1986) anerkannt, soweit sie nicht unter die EheGVO fallen. b) In Irland werden ausländische Entscheidungen aus EU-Staaten nach der 53 EuGVO und der EheGVO („Brüssel IIa“) anerkannt. Die Anerkennung anderer ausländischer Zivilurteile richtet sich nach common law-Prinzipien.64 Ehescheidungen aus anderen Staaten werden nach sec. 5 (1), (4) The Domicile and Recognition of Foreign Divorces Act 1986 anerkannt.65 Danach werden Scheidungsurteile anerkannt, die in dem Land erlassen wurden, in dem beide oder einer von beiden Ehegatten sein Domizil hat. Hat keiner der Ehegatten sein Domizil im Gerichtsstaat, so wird die Entscheidung anerkannt, wenn sie im Domizilstaat bzw den Domizilstaaten anerkannt wird. Zweifelhaft ist, ob außergerichtliche Scheidungen anerkannt werden.66
59 Godard v Gray 6 LR-QB 139 (1870). 60 Carl Zeiss Stiftung v Rayner and Keeler Ltd. (no 2), [1967] 1 AC 853. 61 Vgl Cohn, Die materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS Nipperdey, Bd I, 1975, S 875; P. Barnett, Res Judicata, Estoppel and Foreign Judgments, 2001. 62 The Sennar (no 2), [1985] 1 WLR 490 (H.L.). 63 Maples v Maples, [1987] 3 All ER 188. 64 Vgl Schütze, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 26 (2003), S 1051.9f. 65 W. Binchy, Irish Conflicts of Law, 1988, S 281 (2nd ed 2012 im Erscheinen). 66 Hill, The recognition of foreign divorces in Ireland, ICLQ 50 (2001), 144, 155.
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§ 16
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54
c) Die common law-Provinzen Kanadas kennen Gesetze über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen durch Registrierung.67 Zugunsten deutscher Urteile ist die Anwendbarkeit aber nur in British Columbia (durch order in council) erklärt worden.68 Zu den anderen common law-Provinzen (Alberta, New Brunswich, New Foundland, Nova Scotia, Ontario, Prince Edward Island, Saskatchewan, North West Territories und Yukon Territory) ist zwar die Gegenseitigkeit verbürgt,69 die Anerkennung erfolgt aber nur durch Klage (action upon the judgment).70 Gegenüber der deutschen Vollstreckungsklage ist diese jedoch erleichtert, weil der Kläger ein „summary judgment proceeding“ betreiben kann, solange der Beklagte keine substantiierten Einwendungen erhebt. Der Beweis kann im summarischen Verfahren mittels affidavits geführt werden.
55
Seit der Neuregelung des IPR ist die Gegenseitigkeit nunmehr auch mit Quebec gewährleistet. Nach Art 3155 CC werden ausländische Entscheidungen in Quebec anerkannt und vollstreckt. Eine révision au fond findet nicht mehr statt (Art 3158 CC). Eine Verbürgung der Gegenseitigkeit wird nicht verlangt, ein IPR-Vorbehalt besteht nicht (Art 3157 CC). Anerkennungsvoraussetzungen (Art 3155 CC) sind (1) Anerkennungszuständigkeit (sie baut wie in Deutschland auf dem Spiegelbildprinzip auf und verlangt stets, dass die Sache eine wesentliche Verbindung zum Entscheidungsstaat hat), (2) die Entscheidung muss endgültig sein und darf nicht (3) gegen fundamentale Verfahrensprinzipien, (4) die vorrangige Rechtskraft oder (5) den ordre public verstoßen.71 Bei Versäumnisurteilen muss das verfahrenseinleitende Schriftstück nach dem deutsch-britischen Abkommen über den Rechtsverkehr 1928 zugestellt worden sein.72
56
Eine Pflicht zur Zahlung in ausländischer Währung wird in kanadische Währung umgerechnet zum Umtauschkurs am Tag, ab dem die Entscheidung am Ort ihres Erlasses vollstreckbar war (sec. 3161 Civil Code Quebec).
57
d) In Australien richtet sich die anerkennung ausländischer Entscheidungen nach dem Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1991.73 Australien und Neuseeland haben die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen im „Agreement on Trans-Tasman Court Proceedings and Regulatory Enforcement“ von 2008 näher geregelt.74
67 Vgl Branson/McLean, Canada, in: Campbell, International Execution, 1993. 68 BGH IPRax 2001, 457 (dazu Schütze S 441); Sareika RIW 1975, 616; Tepper, Festgabe Sandrock, 1995, 89, 90. 69 MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 146; Stein/Jonas/Roth, § 328 ZPO Rz 138. 70 Bachmann, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 27 (2004), S 1065.21. 71 Text in RabelsZ 60 (1996), 351; dazu Glenn RabelsZ 60 (1996), 262; Bachmann (Fn 68), S 1065.24. 72 Tepper, Festgabe Sandrock, 1995, 89, 98ff. 73 Vgl G. Hoffmann, Urteilsanerkennung im deutsch-australischen Rechtsverkehr, 2010. 74 Vgl O. Knöfel, Internationales Zivilverfahrensrecht „Down Under“ – Australischneuseeländisches Binnenmarktprozessrecht, RIW 2009, 603.
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§ 16
e) Die common law-Prinzipien sind auch Ausgangspunkt für die Urteilsaner- 58 kennung in Israel. Sie ist geregelt im Enforcement of Foreign Judgments Law 1958.75 f) Nach common law-Prinzipien werden ausländische Entscheidungen auch in 59 Indien anerkannt.76 g) In Südafrika werden ausländische Entscheidungen nach comity, der aquired 60 rights theory oder der most significant relationship theory anerkannt.77 Die Anerkennung ausländischer Zahlungstitel ist im Enforcement of Judgments Act (Act No 32 of 1988) geregelt. Ob Prozessvergleiche nach comity anzuerkennen sind, ist streitig.78 Voraussetzungen der Anerkennung79 sind (1) Jurisdiction des Erststaats, (2) die Entscheidung muss „final and conclusive“ sein, (3) sie darf nicht gegen den südafrikanischen ordre public verstoßen, insb nicht durch fraud erlangt sein, nicht Grundsätzen von „natural justice“ oder dem Protection of Business Act No 99 of 1978 widersprechen. Für Unterhaltstitel ist die Gegenseitigkeit förmlich durch Erklärungen gem § 1 I 1 Nr 3, s 2 AUG 2011 verbürgt.80 Entsprechend der common law-Praxis wird die ausländische Entscheidung nicht für vollstreckbar erklärt, sondern auf deren Grundlage eine neue (inländische) Sachentscheidung gefällt.81
3. Anerkennung in Lateinamerika Schrifttum: N. de Araujo/F. do valle Malgalhães Marques, Recognition of Foreign Judgments in Brazil, Yearbook of PIL VII (2005), 119; Arruda Alvim, Manual de Direito Procesual Civil, 2d Ed Vol 2, 1986; Barbosa Moreira, Comentários ao Código de Proceso Civil, Vol V, 12. Aufl 2005; Barbosa Moreira, Problems in International Litigation, National Report on Brazilian Law, in: The International Symposium on Civil Justice in the Era of Globalization, Tokyo 1993, S 89; J. C. Hitters, Effectos de las sentencias y de los laudos arbitrales extranjeros, Taormina World Congress of Procedural Law, 1995; Möllring, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Südamerika, 1985; Samtleben, Ausschließliche Scheidungszuständigkeit der peruanischen Gerichte, IPRax 1982, 119.
75 Vgl C. Wasserstein Fassberg, Israeli Foreign Judgments Law: A case for codification?, Liber amicorum Siehr, 2010, S 671. 76 Phadnis/Otto RIW 1994, 471; Otto, Länderbericht Indien, in: Geimer/Schütze, Intern. Rechtsverkehr, Lfg 20 (1997), S 1046.6ff. 77 Doser, Gegenseitigkeit, S 294ff. 78 Doser, S 302f. 79 Doser S 304ff; Doser, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 29 (2005), S 1133.8ff; Henke ZfRV 2011, 166, 167. 80 Vgl aber Doser, in: Geimer/Schütze, IRV, S 1133.7f. 81 Henke ZfRV 2011, 166, 169.
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61
§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
62
a) Das brasilianische System verbietet die „révision au fond“. Auch das Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit ist abgeschafft worden. Brasilien hält aber an der förmlichen Homologisierung durch das Oberste Bundesgericht als Voraussetzung für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung fest (Art 102 brasil. Verf. 1988). Für die Homologisierung einer ausländischen Entscheidung erfordert Art 15 EinfG zum ZGB folgende Voraussetzungen: a) ein zuständiger Richter muss die ausländische Entscheidung erlassen haben; b) die Parteien müssen gesetzmäßig geladen worden sein; c) die ausländische Entscheidung muss im Urteilsstaat vollstreckbar sein; d) die ausländische Entscheidung muss durch einen autorisierten Dolmetscher übersetzt sein; e) die ausländische Entscheidung darf die nationale Souveränität nicht verletzen, der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten nicht widersprechen.82
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Die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts muss nach den Art 88, 89 brasil. ZPO bestehen. Dies ist nur der Fall, wenn ein Gerichtsstand in Brasilien nicht bestand, die Parteien wirksam den ausländischen Gerichtsstand durch ausdrückliche Vereinbarung oder rügelose Einlassung gewählt haben oder wenn der Beklagte wegen Aktivitäten im Ausland aufgrund einer Zuständigkeit in Anspruch genommen wurde, die brasilianischen Zuständigkeitsregeln entsprach.83
64
b) In Mexiko werden ausländische Urteile anerkannt, wenn (1) um die Vollstreckung per letter rogatory ersucht wird, (2) das Ausgangsgericht international zuständig war, (3) die Klage persönlich zugestellt wurde, (4) die Entscheidung endgültig und (5) die Sache nicht in Mexiko rechtshängig ist. Außerdem darf es sich (6) nicht um eine Klage in rem handeln und (7) der mexikanische ordre public nicht verletzt sein.84
65
c) Zwischen den MERCOSUR-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) richten sich die Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen nach dem Inter-amerikanischen Übereinkommen von Montevideo v 8.5.1979 über die extraterritoriale Gültigkeit ausländischer Urteile85 sowie nach dem Protokoll von Las Leñas über gerichtliche Zusammenarbeit und Hilfeleistung v 27.6.1992.86 Art 20 des Protokolls verlangt a) die formelle Authentizität der ausländischen Entscheidung, b) ggf ihre Übersetzung mit den erforderlichen Urkunden, c) die internationale Zuständigkeit des Entscheidungsstaats, d) die ordentliche Ladung und die Möglichkeit der Verteidigung des Beklagten, e) die Rechtskraft bzw Vollstreckbarkeit der Entscheidung sowie f) keinen Verstoß gegen den ordre public. 82 Vgl Barbosa Moreira, in: The International Symposium on Civil Justice, 1993, S 89, 99ff; Samtleben, in: Geimer/Schütze, Intern. Rechtsverkehr, Lfg 25 (2003), S 1023.22ff; Corra Freire, Brazil, in: Campbell, International Execution, 1993. 83 Samtleben, in: Geimer/Schütze, IRV, S 1023.22f. 84 Vazquez Pando IntLawyer 23 (1989), 995, 1006; v Sachsen Gessaphe, in: Geimer/ Schütze, IRV, Lfg 25 (2003), S 1090.15ff. 85 Vgl Casad, Civil Judgment Recognition, S 169ff. 86 Abgedruckt in RabelsZ 63 (1999), 147; vgl auch Pabst IPRax 1999, 76, 77; Pabst, Mercosul – IZVR in Südamerika, in: Jayme, Das Recht der lusophonen Länder, 2000, S 43, 44.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
Anders als im europäischen Recht entscheidet jeder Staat selbst über die Anerkennungszuständigkeit.87 Nur teilweise ist bereits die Entscheidungszuständigkeit im Protokoll von Bue- 66 nos Aires über internationale Zuständigkeit für Schuldverträge v 5.8.199488 vereinheitlicht. Dieses Protokoll gilt nur für Verträge von Privatpersonen (Art 1). Anerkannt werden Gerichtsstandsvereinbarungen (Art 4 I), der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art 7, 8), des Wohnsitzes des Beklagten (Art 9), aber auch des Klägers nach Erbringung der Gegenleistung (Art 7c).89 In internationalen Handelsgeschäften können die Parteien auch vorab schriftlich die Zuständigkeit der Gerichte eines Staats vereinbaren, sofern die Vereinbarung nicht missbräuchlich ist und zwischen Streitgegenstand und Forum eine hinreichende Beziehung besteht.90 d) In Kolumbien richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländi- 67 scher Entscheidungen nach Art 693ff c.proc.civ 1970. Art 693 verlangt Gegenseitigkeit; es genügt „legislative Gegenseitigkeit“. Im Verhältnis zu Deutschland ist die Gegenseitigkeit anerkannt.91 e) In Peru ist die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen 68 und Schiedssprüchen in den Art 2102–2110 Código Civil v 14.11.1984 geregelt.92 Grundvoraussetzung für die Anerkennung ist die Gegenseitigkeit (Art 2102 II, 2103, 2104 Nr 8 CC). Im Verhältnis zu Deutschland ist sie gegeben.93 An weiteren Anerkennungsvoraussetzungen werden verlangt: (1) die Zuständigkeit des Erststaats nach „den allgemeinen Grundsätzen“ der internationalen Zuständigkeit (Art 2104 Nr 2 CC); (2) kein Verstoß gegen die ausschließliche peruanische Zuständigkeit (Art 2104 Nr 1 CC); (3) Ladung des Beklagten nach dem Recht des Urteilsstaats, ausreichende Zeit zur Einlassung und Möglichkeit der Verteidigung (Art 2104 Nr 3 CC); (4) kein Verstoß gegen eine vorherige peruanische Rechtshängigkeit; (5) kein Verstoß gegen eine anerkennungsfähige Entscheidung eines Drittstaats; (6) die Rechtskraft der anzuerkennenden Entscheidung nach dem Prozessrecht des Urteilsstaats (Art 2104 Nr 4 CC) und (7) kein Verstoß gegen den ordre public Perus (Art 2104 Nr 7 CC).
87 88 89 90 91 92 93
Samtleben RabelsZ 63 (1999), 1, 24. In englischer Übersetzung abgedruckt in ILM 1997, 1263. Vgl Samtleben RabelsZ 63 (1999), 1, 35ff. Vgl Samtleben RabelsZ 56 (1992), 1, 21f. Vgl Martiny, HdbIZVR Bd III/1 Kap I Rz 1418. Samtleben RabelsZ 49 (1985), 486, 513ff. Samtleben RabelsZ 49 (1985), 486, 515; vgl auch M. Söhngen, Das internationale Privatrecht von Peru, 2006.
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§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
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Für die Scheidung der eigenen Staatsangehörigen nimmt Peru keine ausschließliche Zuständigkeit mehr in Anspruch. Deutsche Scheidungsurteile sind also grds anerkennungsfähig.
70
Ausländische Entscheidungen werden im Exequaturverfahren nach den Art 2106–2108 CC durch den Corte Superior für vollstreckbar erklärt. In dem gleichen Verfahren erfolgt auch die (notwendige) förmliche Anerkennung; lediglich nichtstreitige Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden inzident anerkannt.94
71
f) Ausländische Urteile sind in Venezuela gem Art 53 IPRG v 6.8.1998 wirksam, wenn sie (1) in Zivil- oder Handelssachen ergangen, (2) rechtskräftig sind, (3) weder dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen in Venezuela noch sonstige Fälle ausschließlicher Zuständigkeit der venezuelanischen Gerichte betreffen, (4) Anerkennungszuständigkeit parallel zur venezuelanischen Entscheidungszuständigkeit besteht, (5) die Verteidigung des Beklagten ausreichend garantiert war und (6) keine Unvereinbarkeit mit einem früheren Urteil oder keine frühere Rechtshängigkeit der Sache in Venezuela besteht.95 Auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit wird dagegen verzichtet.96
4. Anerkennung in civil law-Staaten des europäischen Rechtsraums 72
Schrifttum: Bogdan, The recognition in Sweden of money judgments in civil and commercial matters, Nordisk Tidsskrift for International Ret 54 (1985) (Fasc. 3–4) 85; A. Firsching, Schweden: Zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Vollstreckungstitel, ZfRV 2003, 4; Fischler, Schwedisches Handels- und Wirtschaftsrecht mit Verfahrensrecht, 3. Aufl 1978; Fricke, Die Anerkennung ausländischer Urteile in Frankreich nach autonomem Recht, IPRax 1989, 202; St. Haedicke, Die Vollstreckung deutscher Urteile in Frankreich auf der Grundlage des EuGVÜ, 1999; I. v d Heyde, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Italien gemäß Artt. 64–66 IPRG, IPRax 2000, 441; G. Jónsson, Verfolgung von Forderungen vor isländischen Gerichten, AnwBl 2002, 644; Lupoi, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments outside the scope of application of the Brussels and Lugano conventions: Italy, in: Walter/Baumgartner, Recognition and Enforcement, 2000, S 347; Mezger, Anerkennung deutscher Vaterschafts- und Unterhaltsurteile in Frankreich, IPRax 1981, 103; Muir Watt, Effets en France des Decisions Etrangers, Juris-Classeur, Procédure civile, 1990, Fasc. 124–3 bis 124–10; H. Peroz, La réception des jugements étrangers dans l’ordre juridique français, 2005; N. Rosner, CrossBorder Recognition and Enforcement of Foreign Money Judgments in Civil and Commercial Matters (Ch. 4, 6), 2004, S 222 u 290; I. Schwander, Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Scheidungsurteile, FamPra.ch 4/2009, 832; O. Seggewiße, Die Vollstreckung deutscher Titel in den Niederlanden, NJW 2008, 2156; G. Walter, Reform des internationalen Zivilprozessrechts in Italien, ZZP 109 (1996), 3. 94 Samtleben RabelsZ 49 (1985), 486, 516. 95 Text abgedruckt in IPRax 1999, 196, 199. 96 Hernandez-Breton IPRax 1999, 194, 196.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
a) Das autonome französische Recht ist für die von EuGVO und EheGVO nicht 73 erfassten Sachgebiete nach wie vor maßgeblich. Davon nicht erfasste Urteile, die den Personenstand und die Geschäftsfähigkeit betreffen, werden ohne besonderes Verfahren anerkannt, sofern die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt sind. Urteile in vermögensrechtlichen (erbrechtlichen) Streitigkeiten bedürfen für ihre Anerkennung eines vorherigen Exequatur.97 Im Fall Munzer hat die Cour de Cassation folgende fünf Anerkennungsvoraussetzungen aufgestellt:98
74
(1) Das Erstgericht muss international zuständig gewesen sein.99 Die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts wird nicht anerkannt, soweit Frankreich selbst eine ausschließliche Zuständigkeit in Anspruch nimmt. Wann dies der Fall ist, ist im Einzelnen unklar, weil nicht eindeutig geregelt ist, wann international ausschließliche Zuständigkeiten bestehen. Tendenziell wird aber aufgrund der Art 14, 15 Code civil eine ausschließliche französische Zuständigkeit in Anspruch genommen, wenn ein Franzose am streitigen Rechtsverhältnis beteiligt ist, sofern er nicht selbst im Ausland geklagt hat oder sich dort rügelos eingelassen hat.100 Im Übrigen wird die Anerkennungszuständigkeit des Auslands akzeptiert, wenn der Fall eine hinreichende Beziehung zum Gerichtsstaat hatte, so dass dessen Zuständigkeit nicht willkürlich, gekünstelt oder betrügerisch ist.101 (2) In Anwendung des französischen IPR muss das richtige Recht angewendet 75 worden sein. Nicht erforderlich ist, dass gleiche Normen angewendet worden sind, sondern nur dass sich gleichartige Rechtsfolgen ergeben.102 Auch Rechtsanwendungsfehler sind grds unbeachtlich. (3) Es darf kein Rechtsmissbrauch vorliegen. Dieser könnte im Fall der Gesetzesumgehung oder des forum shopping gegeben sein.103
76
(4) Das ausländische Urteil darf nicht dem französischen ordre public wider- 77 sprechen. Der ordre public hat wie üblich eine verfahrensrechtliche und eine materiellrechtliche Seite.104 Verfahrensrechtlich werden ggf hohe Anforderungen an den Nachweis der Vaterschaft gestellt.105 (5) Vollstreckungsfähige Entscheidungen müssen im Ursprungsstaat voll- 78 streckbar sein; vorläufige Vollstreckbarkeit genügt.
97 Fricke IPRax 1989, 202, 203; Batiffol/Lagarde, No 730ff; Lécuyer-Thieffry, France, in: Campbell, International Execution, 1993; Rosner S 222ff; Schütze, in: Geimer/ Schütze, IRV, Lfg 23 (2000), S 1039.10. 98 Cass.civ. 7.1.1964, Rev.crit. 1964, 344; Batiffol/Lagarde, no 718ff. 99 Muir Watt, J.-Cl., P.C. Fasc. 124–5 no 21ff. 100 Im Einzelnen vgl Fricke IPRax 1989, 202, 204. 101 Fall Simitch, Cass.civ. Rev.crit. 1985, 369. 102 Muir Watt, J.-Cl., P.C. Fasc. 124–5, no 86ff. 103 Fricke IPRax 1989, 202, 205f; Muir Watt, J.-Cl., P.C. Fasc. 124–6 no 1ff. 104 Muir Watt, J.-Cl., P.C. Fasc. 124–6 no 27ff, 79ff. 105 Vgl Fricke IPRax 1989, 202, 206.
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§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
79
Die Vollstreckbarerklärung erfolgt im streitigen Exequaturverfahren durch Klage nach Art 55, 56 CPC vor dem Tribunal de Grande Instance (Art L.311–11 C.Org.Jud.). Die Klage ist gegen den Vollstreckungsgegner zu richten. Ein einseitiges Antragsverfahren nach Art 493ff CPC, Art 38ff EuGVO/LugÜ kommt nicht in Betracht.106
80
b) Das autonome italienische Recht ist durch das IPR-Gesetz v 31.5.1995 (legge n. 218/1995) reformiert und weitgehend der Rechtslage nach dem EuGVÜ angepasst worden.107 Anders als bisher sind ausländische Entscheidungen jetzt nach Art 64 IPRG automatisch anzuerkennen, wenn die üblichen Voraussetzungen gegeben sind. Das vorher erforderliche besondere Delibationsverfahren (Art 796 I cprc aF) wurde bereits mit Wirkung zum 1.1.1997108 abgeschafft.
81
Voraussetzungen für die Anerkennung ex lege sind nach Art 64 I:109 (1) Die (spiegelbildliche) Zuständigkeit des ausländischen Gerichts nach italienischen Regeln (nach Art 3 [2] Legge n. 218/95 gelten allgemein die Zuständigkeitsregeln des EuGVÜ), (2) die ordnungsgemäße Bekanntgabe des verfahrenseinleitenden Akts gegenüber dem Beklagten nach den Regeln des Prozessgerichts und die grundsätzliche Wahrung der Rechte der Verteidigung, (3) die Einlassung der Parteien auf das Verfahren nach dem Prozessrecht des Verfahrensortes, (4) die Rechtskraft des Urteils nach ausländischem Recht, (5) kein Widerspruch des Urteils gegen ein italienisches rechtskräftiges Urteil, (6) kein Verstoß gegen die Rechtshängigkeit eines Verfahrens vor einem italienischen Gericht mit gleichem Streitgegenstand zwischen den gleichen Parteien, das vor dem ausländischen Prozess eingeleitet wurde, und schließlich (7) kein Verstoß gegen den italienischen ordre public. Eine révision au fond ist generell ausgeschlossen.110
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Die Gestaltungswirkung von ausländischen Scheidungsurteilen und anderen ausländischen Anordnungen bezüglich der Handlungsfähigkeit oder des Bestehens familiärer Beziehungen oder von Persönlichkeitsrechten wird nach Art 65 IPRG 1995 kollisionsrechtlich anerkannt, wenn sie von Behörden des Staats erlassen wurden, dessen Recht nach dem IPRG in der Sache anwendbar ist. Drittstaatentscheidungen werden anerkannt, wenn sie im Staat des anwendbaren Rechts anerkannt werden. Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass
106 Vgl Muir Watt, J.-Cl., P.C.Fasc. 124–9. 107 Text in: ZZP 109 (1996), 4 und Riv.dir.int.priv.proc. 31 (1995), 511; vgl Walter ZZP 109 (1996), 3; Pesce RIW 1995, 977, 982; Pocar IPRax 1997, 145, 160; Sturm, Festgabe Schnyder, 1995, 761, 772ff; Carpi Riv.dir.proc. 52 (1997), 981. 108 IPRax 1997, 141; Pocar IPRax 1997, 145, 160. 109 Vgl Walter ZZP 109 (1996), 3/23ff; v d Heyde IPRax 2000, 441, 442; Pfeifer, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 25 (2003), S 1056.10ff. 110 Walter ZZP 109 (1996), 3, 23.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
die Entscheidungen nicht dem ordre public widersprechen und die Verteidigungsrechte des Beklagten gewahrt werden.111 Danach kann aber ein neues Verfahren in den Niederlanden durchgeführt wer- 83 den. Freilich übernimmt das niederl. Gericht idR die ausländische Entscheidung, soweit die Parteien daran gebunden sind. Dafür muss (1) das ausländische Gericht zuständig gewesen sein, (2) die Entscheidung darf nicht dem niederländischen ordre public widersprechen, und schließlich (3) muss sie in einem due process entsprechenden Verfahren ergangen sein.112 c) Soweit deutsche Zahlungsurteile weder unter die EuGVO noch den deutsch- 84 niederländischen Vertrag fallen, können sie in den Niederlanden nicht anerkannt werden (Art 431 R.V.). Entscheidungen zum persönlichen Status fallen nicht unter Art 431 R.V. Bis vor kurzem wurden sie einem IPR-Test unterzogen und geprüft, ob das ausländische Gericht das gleiche Recht wie ein niederl. Gericht angewandt hat. Seit einigen Jahren wird jedoch nur noch darauf abgestellt, ob das ausländische Gericht international zuständig war.113 d) Liechtenstein. Vgl M. Frick, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen im Fürstentum Liechtenstein, 1992.
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e) In der Schweiz richtet sich die Anerkennung außerhalb von LugÜ 1988 und 86 LugÜ 2007 nach Art 25ff IPRG (v 18.12.1987). Nach Art 25 IPRG wird eine ausländische Entscheidung anerkannt, wenn (1) das ausländische Gericht zuständig war, (2) die Entscheidung endgültig ist und (3) kein Weigerungsgrund nach Art 27 IPRG vorliegt. Weigerungsgründe sind (1) der Verstoß gegen den schweizer ordre public, (2) die fehlerhafte Ladung zum Verfahren, es sei denn die Partei habe sich vorbehaltlos eingelassen, (3) die Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizer Verfahrensrechts und (4) die frühere Anhängigkeit eines Rechtsstreits zum gleichen Gegenstand in der Schweiz oder dessen frühere Entscheidung in der Schweiz oder in einem Drittstaat, wenn dessen Entscheidung anzuerkennen ist (Art 27 IPRG). f) Im Verhältnis zu Schweden galt seit 1.4.1995 das Lugano Übereinkommen, 87 also das System des EuGVÜ. Nachdem Schweden zum 1.1.1999 Mitglied der EU wurde, galt das EuGVÜ.114 Seit 1.3.2002 gelten im Verhältnis zu Schweden die EuGVO (s o § 12 Rz 16ff), seit 1.3.2001 die EheGVO115 und nunmehr auch die alle neueren EU-Verordnungen. Im Verhältnis zu Schweden gelten außerdem das Haager Zivilprozessübereinkommen 1954, das HUVÜ 1973 und das HUVÜ 1958. Für die davon nicht erfassten vermögensrechtlichen Entscheidungen gilt Folgendes: Das schwedische Prozessgesetz kennt keine Anerkennung und Voll111 112 113 114 115
Vgl Walter ZZP 109 (1996), 3, 24f. De Boer/Kotting, in: Chorus/Gerver, Introduction to Dutch Law, 3rd ed 1999, S 285f. De Boer/Kotting, in: Chorus/Gerver, Introduction to Dutch Law, 3rd ed 1999, S 286. Vgl Wagner RIW 1998, 590. Vgl A. Firsching ZfRV 2003, 4, 5f.
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Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
streckung ausländischer Urteile. Die Gerichte prüfen ausländische Urteile aber im Allgemeinen nicht nach, sondern behandeln sie als „Beweis“ für den darin festgestellten Anspruch.116 Überprüft wird, ob schwedisches Kollisionsrecht befolgt ist. Beruhte die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts auf vertraglicher Vereinbarung, so wird das Urteil nicht überprüft, wenn das ausländische Verfahren fair war und die Entscheidung nicht dem schwedischen ordre public widerspricht. In der Sache wird das ausländische Urteil somit ähnlich wie in England als Beweis für den geltend gemachten Anspruch behandelt und auf Klage ein Urteil „upon the judgment“ erlassen.117 89
Außerhalb von EuGVO/LugÜ werden ausländische Urteile in Schweden ausnahmsweise anerkannt, wenn schwedische Gerichte für eine Entscheidung über den Streitgegenstand nicht zuständig waren (zB über ein ausländisches Grundstück). Anerkannt werden auch ausländische Entscheidungen im Bereich des Familienrechts118 und des Erbrechts (nach dem Gesetz [1937:81]).119
90
Schweden ist Vertragsstaat des Haager Übereinkommens über die Anerkennung von Ehescheidungen von 1970.120 Außerhalb von Staatsverträgen werden solche Entscheidungen anerkannt, wenn die Sache eine ausreichende Beziehung zum Entscheidungsstaat hat und die Entscheidung nicht gegen den schwedischen ordre public verstößt.121
91
g) Im Verhältnis zu Finnland gelten neben den EU-Verordnungen das HUVÜ 1973, das HUVÜ 1958 sowie das HZÜ 1954.122 Außerhalb des Anwendungsbereiches des EU-Rechts und dieser Übereinkommen werden ausländische Entscheidungen nicht anerkannt. Als Beweismittel, das eine neue Sachprüfung ausschließt, werden sie nur gewertet, wenn das Verfahren auf einer Gerichtsstandsvereinbarung beruhte oder ausländische Immobilien betraf.123
92
h) Im Verhältnis zu Island galt lange Zeit nur das Haager Zivilprozessübereinkommen von 1905. Als Mitglied der EFTA hat Island aber das LugÜ 1988 mit Wirkung zum 1.1.1995 ratifiziert.124 Seit 1.1.2011 gilt das LugÜ 2007 auch im Verhältnis zu Island (s o § 3 Rz 10).
5. Anerkennung und Vollstreckung in ost- und südosteuropäischen Staaten 93
Schrifttum: Boguslavskij, Internationales Zivilprozessrecht in den GUS-Staaten, in Boguslawskij/Trunk, Reform des Zivil- und Wirtschaftsprozessrechts in den Mitgliedsstaa116 Pålsson, in: Geimer/Schütze, IRV, S 1120.11. 117 Bogdan Nordish Tidsskrift Int’L Ret 1985 (no 3–4), 85, 86f; Juenger AmJCompL 36 (1988), 1, 27; vgl auch Schütze RIW 1983, 417. 118 Vgl Pålsson, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 25 (2003), S 1120.1, 12. 119 A. Firsching ZfRV 2003, 4, 7, 9. 120 Abgedruckt bei Jayme/Hausmann, 11. Aufl, Nr 183 (nicht mehr in späteren Auflagen). 121 Bogdan, in: Tiberg/Sterzel/Cronhult, Swedish Law, 1994, S 585. 122 Vgl Uusitalo, Finland, in: Campbell, International Execution, 1993. 123 Juenger AmJCompL 36 (1988), 1, 28. 124 Die Darstellung von Stefánsson in: Geimer/Schütze, IRV, S 1053.1ff ist überholt.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
ten der GUS, 2004, S 19; Bytomski, Zur Frage der Anerkennung und Vollstreckung polnischer Urteile über vermögensrechtliche Ansprüche in der Bundesrepublik Deutschland, FamRZ 1997, 986; P. Dobiáš, Die Neuregelung des IPR in der Tschechischen Republik, RIW 2012, 671; E. Gerasimchuk, Die Anerkennung und Vollstreckung von zivilrechtlichen Urteilen im deutsch-russischen Rechtsverkehr, 2007; Gralla, Das polnische internationale Zivilverfahrensrecht, Jahrbuch für Ostrecht, X (1969), 167; Halili, Das albanische internationale Zivilverfahrensrecht, in: Jayme, Ein inertnationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992, S 35; Jodlowski, Les Conventions relatives à la coopération judiciaire en matières civile et commerciale entre les Etats socialistes el les Etats occidentaux, RdC 158 (1977 V), 281; Kiliç, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Scheidungsurteile durch türkische Gerichte, IPRax 1994, 477; Krüger, Vollstreckung deutscher Gerichtsentscheidungen in der Türkei, RIW 1986, 639; Krusche, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile in Polen, Tschechien und Ungarn, WiRO 1999, 173; Kuèera, Tschechische und Slowakische Föderative Republik – Internationale Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile, in: Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht, 1992, S 53; E. Kurzynski-Singer, Anerkennung ausländischer Urteile durch russische Gerichte, RabelsZ 74 (2010), 493; Maczyñski, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Polen, in: Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht, 1992, S 103; E. Nomer, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in der Türkei, FS Kitagawa, 1992, S 771; Pikó, Ungarn im Blickfeld des Internationalen Zivilverfahrensrechts, WiRO 1994, 242; Rumpf, Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Unterhaltsentscheidungen in der Türkei, IPRax 1998, 48; Sajko, Das EuGVÜ und das jugoslawische Recht, in: Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht, 1992, S 65; V. Šaula, Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen in Bosnien und Herzegowina, insbesondere in der Republik Srpska, IPRax 2004, 361; Sawczuk, Poland, in: Walter/Baumgartner, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments Outside the Scope of the Brussels and Lugano Convention, 2000, S 449; Schwenzfeier, Zwangsvollstreckung aus deutschen Titeln in Ungarn, DGVZ 2006, 97; Seiffert, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Osteuropa, 1994; H. Sikiriæ, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile in Kroatien, JbOstR 45 (2004), 63; Y. Skrdlik, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Tschechien, 2000; Steinbach, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Russischen Föderation, 2003; Tekinalp, Über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Türkei, in: Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht, 1992, S 143; Tschipev, Die internationale Zuständigkeit bulgarischer Gerichte und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile in Bulgarien, in: Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992, S 45; D. Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997.
a) Soweit es sich um vertragliche Ansprüche handelt, hat sich die Frage in Wirt- 94 schaftsstreitigkeiten bisher kaum gestellt, weil die bisherigen staatlichen Handelsunternehmen grds auf die Schiedsgerichtsbarkeit ausgewichen sind. Entscheidungen ausländischer Gerichte werden in vielen osteuropäischen Staaten nur anerkannt und vollstreckt, soweit die Gegenseitigkeit durch Staatsvertrag gewährleistet ist. Für Russland folgt dies aus Art 409 Pkt 1 ZPO u Art 241 Pkt 1 APO (beide von 2002).125 Da ein solcher Vertrag mit Russland nicht besteht, werden deutsche Entscheidungen generell nicht anerkannt.126
125 Boguslawskij, S 19, 27; Trunk/Jarkov, in: Geimer/Schütze, Intern. Rechtsverkehr, Lfg 27 (2004), S 1118.11. 126 S. aber Kurzynski-Singer RabelsZ 74 (2010), 493.
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§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
Ausnahmen bestehen für Kostenentscheidungen im Rahmen von Art 18 HZÜ 1954, für Entscheidungen, die unter das Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden v 29.11.1969 sowie für von der CMR erfasste Entscheidungen, da Russland diesen Übereinkommen beigetreten ist. Dem Übereinkommen über den Ersatz des Dritten auf der Erdoberfläche durch ausländische Luftfahrzeuge zugefügte Schäden von 1952 ist zwar die Sowjetunion, nicht aber Deutschland beigetreten. Entscheidungen, die keiner Vollstreckung bedürfen, wie Ehescheidungen, werden dagegen auch ohne Staatsvertrag anerkannt (Art 413–415 ZPO).127 95
b) In den anderen Nachfolgestaaten der UdSSR, etwa in der Ukraine und in Kirgisistan, besteht derzeit die gleiche Rechtslage. In Kasachstan richtet sich die Anerkennung ausländischer Entscheidungen nun nach Art 425, 426 Zivilprozessgesetzbuch v 1.7.1999.128 Art 425 (1) verlangt für die Anerkennung von Leistungsurteilen wie bisher gesetzliche oder staatsvertragliche Gegenseitigkeit.
96
c) Ungarn ist seit 1.4.2004 EU-Mitglied, so dass seither alle EU-Verordnungen gelten. In Ungarn kann ein Europäischer Zahlungsbefehl vom Notar ausgestellt werden.129 Ausländische Entscheidungen aus Drittstaaten werden gem §§ 70–74 IPRG von 1979 (Gesetzesverordnung Nr 13/1979130 idF v 17.12.2000) anerkannt und vollstreckt. Voraussetzungen sind: (1) keine entgegenstehende ausschließliche ungarische Zuständigkeit, (2) ordnungsgemäße Ladung der unterlegenen Partei, (3) Vereinbarkeit mit dem ungarischen ordre public und (4) faktische Gegenseitigkeit (bei vermögensrechtlichen Ansprüchen).131 Ungarn ist außerdem Vertragsstaat des HZÜ 1954 (s o § 8 Rz 142ff) und des HUVÜ 1958 (s o § 15 Rz 273ff).
97
d) Rumänien ist seit 1.1.2007 EU-Mitgliedstaat; seither gelten alle EU-Verordnungen. Für ältere Entscheidungen und im Verhältnis zu Drittstaaten richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach Art 165–178 IPRG 1992.132 Ex lege anerkannt werden Urteile zum Personenstand von Angehörigen des Staats, in dem es ergangen ist, oder entsprechende Drittstaatentscheidungen, die der Heimatstaat jeder Partei anerkennt (Art 166 IPRG). Andere Entscheidungen werden nach Art 168 IPRG anerkannt, wenn sie (1) rechtskräftig sind, (2) das Erstgericht nachseinem Recht zuständig war,
127 Trunk/Jarkov, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 27 (2004), S 1118.11. 128 Abgedruckt in IPRax 2002, 60, 62. 129 V. Harsági, The Notarial Order for Payment Procedure as a Hungarian Peculiarity, Revista de Processo 37 (2012), 177, 190. 130 Deutsche Übersetzung in StAZ 1980, 78. 131 Vekás IPRax 2002, 142, 144f; Pikó WiRO 1994, 242, 244f; Martiny, in: HdbIZVR Bd III/1 Kap I Rz 1506; Kengyel, in: Geimer/Schütze, IRV, 1995, S 1151.1, 7ff; Schwenzfeier DGVZ 2006, 97. 132 Jb. f. Ostrecht 34 (1993), 192, 229f.
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(3) faktische Gegenseitigkeit besteht, (4) im Ausland ein ordnungsgemäßes Verfahren stattgefunden hat, (5) die Entscheidung nicht gegen den rumänischen ordre public und (6) in der Sache nicht eine rumänische Entscheidung vorliegt oder die rumänische Rechtshängigkeit missachtet wurde. In Personenstandsfragen darf außerdem im Ergebnis eine Abweichung von den rumänischen IPR-Regeln bestehen. Die Gegenseitigkeit ist im Verhältnis Deutschland zu Rumänien zu bejahen.133 e) Im Verhältnis zu Polen galt seit 1.2.2000 das LugÜ (s o § 3 Rz 7).134 Seit 98 1.4.2004 gelten alle EU-Verordnungen. Soweit diese nicht anwendbar sind, erkennt Polen ausländische nicht vollstreckungsfähige Entscheidungen gem Art 1146 KPC (poln. ZPO) unter folgenden Voraussetzungen an: (1) Gegenseitigkeit, (2) keine ausschließliche polnische Zuständigkeit, (3) Rechtskraft, (4) Gewährleistung des Rechtsschutzes im Verfahren, (5) Anwendung eines dem polnischen Recht äquivalenten Rechts, (6) kein entgegenstehendes inländisches Urteil und (7) kein Verstoß gegen den polnischen ordre public.135 Seit der Neufassung des Art 1150 § 1 poln. ZPO genügt faktische Gegenseitigkeit; das bisherige Erfordernis staatsvertraglich vereinbarter Gegenseitigkeit ist aufgegeben worden.136 Art 1150 poln. ZPO legt die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile seit 1.7.1996 wie folgt fest: „§ 1. Entscheidungen ausländischer Gerichte in Zivilsachen, für die in Polen der Gerichtsweg gegeben ist und die zur Vollstreckung im Wege der Zwangsvollstreckung geeignet sind, sind Vollstreckungstitel und in Polen vollstreckbar, unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit, wenn 1) die Entscheidung in dem Staat, aus dem sie herrührt, der Vollstreckung unterliegt, 2) die in Art 1146 § 1 Nr 1–6 KPC genannten Voraussetzungen gegeben sind. § 2. Die Vorschrift des vorstehenden Paragraphen findet entsprechende Anwendung auf Entscheidungen von Schiedsgerichten, die im Ausland erlassen wurden.“
Die bisherige Sonderregelung für Unterhaltsurteile in Art 1150 § 3 (aF) ist entfallen. Vollstreckt werden auch ausländische vollstreckbare öffentliche Urkunden (Art 1151 § 3) und ausländische Prozessvergleiche (Art 1152).137
133 OLG Hamm IPRax 1986, 234; Leonhardt, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 29 (2005), S 1116.10ff. 134 Vgl R. Wagner WiRO 2000, 47; H. Trzeciakowska WiRO 2000, 404. 135 Vgl Bytomski FamRZ 1997, 986; D. Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997; Sawczuk, FS Schütze, 1999, S 733, 740; Sawczuk, in: Walter/Baumgartner, S 452ff. 136 D. Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997, S 146f; Gralla, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 23 (2000), S 1113.10f. 137 Sawczuk, in: Walter/Baumgartner, S 451.
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§ 16 99
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
Jeder, der ein rechtliches Interesse hat, kann das förmliche, streitige Anerkennungsverfahren (Art 1147, 1148 poln. ZPO) einleiten; ein vereinfachtes Beschlussverfahren ist im autonomen Recht nicht vorgesehen.138
100 Die deutsch-polnische Vereinbarung v 21.2.1994 bezieht sich nur auf den Rechtshilfeverkehr, nicht auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Polen ist außerdem Vertragsstaat des HUVÜ 1973, der CMR, des COTIF sowie des HZPÜ 1954. 101 f) Die Tschechische Republik ist seit 1.4.2004 Mitglied der EU. Seither gelten dort alle EU-Verordnungen. Soweit diese für ausgeschlossene Sachgebiete und Altentscheidungen nicht anwendbar sind sowie im Verhältnis zu Drittstaaten ist die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in §§ 63–68 IPRG (v 25.1.2012), die Anerkennung von Schiedssprüchen in §§ 17–19 IPRG geregelt.139 Rechtskräftige ausländische Entscheidungen können anerkannt werden, sofern nicht (1) eine ausschließliche Zuständigkeit der tschechischen Gerichte besteht, (2) in der gleichen Sache bereits ein tschechisches Gericht entschieden hat, ein Verfahren in derselben Sache vor einem tschechischen Gericht früher anhängig gemacht wurde oder eine anerkannte Entscheidung eines Drittstaats vorliegt, (3) der unterlegenen Partei kein rechtliches Gehör bei Verfahrenseinleitung gewährt, insb die Klage nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, (4) die tschechische ordre public verletzt und (5) keine Gegenseitigkeit (bei Beteiligung eines Tschechen) gewährleistet ist. Entscheidungen in Ehesachen sowie Vaterschaftsfeststellungen sind in einem besonderen Verfahren vor dem Obersten Gericht anzuerkennen. Die Gegenseitigkeit wird grds durch einen Anerkennungsvertrag hergestellt, kann aber auch vom Justizministerium entsprechend praktischer Übung bestätigt werden.140 Die Tschechische Republik ist Vertragsstaat der Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen von 1958 und 1973, der CMR sowie des HZÜ 1954. Darüber hinaus ist eine generelle Erklärung zur Gegenseitigkeit nicht erfolgt; diese ist also generell nicht gegeben.141 Der Rechtshilfevertrag v 2.2.2000 enthält keine Gegenseitigkeitsvereinbarung. Entbehrlich ist die Gegenseitigkeit aber in Tschechien in Ehesachen und hinsichtlich der Vaterschaftsfeststellung.142
138 Sawczuk, in: Walter/Baumgartner, S 456. 139 Vgl P. Dobiáš RIW 2012, 671, 673. 140 Vgl L. Tichy, Záhlady uzniní cizích sozedních sochodnutí v ceském a europském právu, 1995. 141 Skrdlik, S 148ff. 142 Skrdlik, S 152, 180ff; vgl Martiny, HdbIZVR III/1 Kap I Rz 1501.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
g) Im Verhältnis zu Serbien und Montenegro ist die Gegenseitigkeit verbürgt. 102 Serbien scheint von der ausschließlichen Zuständigkeit seiner Gerichte für die Scheidung jugoslawischer Staatsangehöriger auszugehen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein absolutes Hindernis für die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile. Eine ausländische Ehescheidung kann anerkannt werden, wenn der Beklagte die Anerkennung beantragt oder gegen den Antrag des Klägers auf Anerkennung kein Widerspruch erhoben wird. Das Bestehen der Gegenseitigkeit wird vermutet, solange das Gegenteil nicht bewiesen ist. In Ehesachen wird auf die Gegenseitigkeit ganz verzichtet.143 h) Ähnlich ist die Rechtslage in Kroatien.144 Durch die Anerkennung werden 103 ausländische Entscheidungen kroatischen gleichgestellt (Art 86 IPRG). Anerkannt werden rechtskräftige Entscheidungen, wenn dem Beklagten rechtliches Gehör gewährt worden war (Art 88 IPRG), keine ausschließliche Zuständigkeit Kroatiens bestand (Art 89 IPRG), die Entscheidung nicht mit früherer kroatischer Rechtshängigkeit oder kroatischer Rechtskraft kollidiert (Art 90 IPRG), kein ordre public-Verstoß vorliegt (Art 91 IPRG) und faktische Gegenseitigkeit besteht (Art 92 I IPRG). Diese besteht im Verhältnis zu Deutschland.145 In Familiensachen kommt es nicht auf die Gegenseitigkeit an (Art 92 II IPRG). i) Slowenien146 ist seit 1.4.2004 Mitglied der EU; es gelten sämtliche EU-Ver- 104 ordnungen. Soweit diese nicht anwendbar sind, werden ausländische Urteile nach dem bisherigen (jugoslawischen) Gesetz zur Regelung der Kollision der Gesetze mit Vorschriften anderer Staaten von 1982 (Art 86–95) anerkannt und für vollstreckbar erklärt. Die Anerkennungsvoraussetzungen ähneln denen des § 328 dt. ZPO. Die Gegenseitigkeit wird vermutet und im Verhältnis zu Deutschland bejaht. j) Deutsche Urteile über vermögensrechtliche Ansprüche werden in der Türkei 105 grds anerkannt. Nach Art 54, 58 türk. IPRG (Nr 5718 v 27.11.2008)147 müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: (1) es darf keine ausschließliche Zuständigkeit türkischer Gerichte bestehen; (2) die Entscheidung darf nicht gegen den türkischen ordre public verstoßen; (3) die unterlegene Partei darf sich nicht (zu Recht) darauf berufen, nicht ordnungsgemäß geladen, nicht gesetzlich vertreten oder per Versäumnisurteil ungesetzlich verurteilt worden zu sein. Auf die Gegenseitigkeit kommt es nur noch für die Vollstreckbarkeit, nicht für die Anerkennung an (Art 58 I IPRG). Damit das ausländische Urteil als Beweismittel oder als rechtskräftige Entscheidung anerkannt wird, muss das Gericht zuvor feststellen, dass es die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen erfüllt.
143 Varady, Zur Anerkennung deutscher Scheidungsurteile in Jugoslawien, IPRax 1984, 249; Urteil des OLG Karlsruhe v 2.8.1983, IPRax 1984, 270. 144 Vgl Sikiriæ JbOstR 45 (2004), 63. 145 Vgl Sikiriæ JbOstR 45 (2004), 63, 74. 146 Vgl A. Lunder WiRO 1998, 70. 147 In deutscher Übersetzung abgedruckt in IPRax 2008, 283.
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§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
Auf schriftlichen Antrag an das Grundgericht (Landgericht) am Wohnsitz des Schuldners, hilfsweise an seinem Aufenthaltsort, hilfsweise bei den Gerichten in Ankara, Istanbul oder Izmir ist die Vollstreckung im summarischen Verfahren durch Vollstreckungsurteil zuzulassen (Art 50ff türk. IPRG).148 106 Da die Türkei nicht mehr die ausschließliche Zuständigkeit für ihre Staatsangehörigen in Anspruch nimmt (Art 41 türk. IPRG), ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Scheidung türkischer Eheleute eröffnet worden. Dies hat zur Folge, dass nunmehr auch deutsche Scheidungsbeschlüsse in der Türkei anerkannt werden können.149
6. Anerkennung in arabisch-/islamischen Staaten 107 Schrifttum: E. Abdallah, La Convention de la Ligue Arabe sur l’Exécution des Jugements, RdC 138 (1973-I), 503; K. Bälz, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und Schiedssprüche in den arabischen Golfstaaten, RIW 2011, 118, K. Bälz, Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Zivilurteilen und Schiedssprüchen in arabischen Staaten, RIW 2012, 354; K. Bälz, Die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und Schiedssprüchen in den arabischen Staaten Nordafrikas, RIW 2013, 55; Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996; Dilger, Schiedsgerichtsbarkeit und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in den Golfstaaten, in: Böckstiegel, Vertragspraxis und Streiterledigung im Wirtschaftsverkehr mit arabischen Staaten, 1981, 101; Krüger, Grundzüge des internationalen Zivilverfahrensrechts der Vereinigten Arabischen Emirate, RIW 1993, 384; Krüger, Zur Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Oman, IPRax 1998, 127; Krüger, Das internationale Zivilprozessrecht Jordaniens, IPRax 2000, 435; Krüger, Keine Verbürgung der Gegenseitigkeit im Verhältnis Deutschland – VE, IPRax 2001, 376; Krüger, Internationalrechtliche Probleme in Saudi-Arabien, IPRax 2005, 386; Krüger, Anerkennung ausländischer Titel in den VAE, IPRax 2005, 472; Krüger, Zur Anerkennung ausländischer Urteile in arabischen Golfstaaten, GS Konuralp, Bd. 1, 2009, S 631; Meyer-Reumann, Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile, Schiedssprüche … in den Vereinigten Arabischen Emiraten, RIW 1994, 780; Otto, Schwierigkeiten bei der Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedsentscheidungen in Pakistan, IPRax 1997, 436; Wurmnest/ Yassari, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile im Iran, IPRax 2006, 217.
108 a) Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwischen den arabischen Staaten richtet sich nach dem Übereinkommen der Arabischen Liga über die Vollstreckung von Urteilen v 14.9.1952.150 Zwischen den arabischen Golfstaaten ist die Anerkennung und Vollstreckung besonders geregelt, und zwar in der Konvention von Riyadh über die justizielle Zusammenarbeit von 1983 sowie in dem Übereinkommen über die Vollstreckung von Urteilen, die Vertretung und gerichtliche Zustellung unter den arabischen Staaten des Golf Kooperationsrates von 1996.151
148 IPRax 2008, 283, 288f; vgl E. Nomer, FS Kitagawa 1992, S 771. 149 Türk. Kassationshof FamRZ 2002, 77; Krüger IPRax 1986, 304; Kiliç IPRax 1994, 477. 150 Vgl E. Abdallah RdC 138 (1973-I), 503, 522ff. 151 Vgl K. Bälz RIW 2011, 118, 119.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
b) In Syrien werden ausländische Titel nach Art 306ff syr. ZPO anerkannt und 109 vollstreckt,152 nach Art 310 syr. ZPO auch ausländische vollstreckbare Urkunden.153 Die Anerkennung setzt stets Gegenseitigkeit voraus (Art 306, 309, 310 syr. ZPO). Anerkennungsbereitschaft nach dem Gesetz genügt; eine formelle Feststellung durch Staatsvertrag oder Regierungserklärung ist nicht erforderlich.154 Anerkannt werden rechtskräftige Titel. Die Verletzung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit Syriens ist Anerkennungshindernis.155 Zusätzlich muss das ausländische Gericht nach seiner eigenen lex fori zuständig gewesen sein (Art 308 [a] syr. ZPO).156 Der Beklagte muss im Erststaat ordnungsgemäß geladen worden sein. Verfahren und Inhalt der Entscheidung dürfen nicht gegen den syrischen ordre public verstoßen.157 c) In Jordanien werden ausländische Entscheidungen auf Geldleistung, Heraus- 110 gabe einer beweglichen Sache oder auf Rechnungslegung nach dem Gesetz Nr 8/1952 anerkannt.158 Art 7 dieses Gesetzes enthält die üblichen Anerkennungsvoraussetzungen. Das Urteil muss rechtskräftig sein. Gegenseitigkeit kraft tatsächlicher Handhabung muss bestehen.159 d) In Tunesien richtet sich die Anerkennung ausländischer Entscheidungen 111 (außerhalb des deutsch-tunesischen Vertrags) nach Art 11 Code de Droit International Privé v 1.12.1998.160 e) In den Vereinigten Arabischen Emiraten werden ausländische Urteile nur 112 anerkannt, wenn keine eigene internationale Zuständigkeit besteht. Außerdem muss die Gegenseitigkeit durch Staatsvertrag verbürgt sein (Art 235 Nr 1 ZPO).161 Hieran fehlt es im Verhältnis zu Deutschland. Aus demselben Grund scheitert auch die Anerkennung von deutschen Urteilen in Saudi-Arabien.162 f) Im Sultanat Oman werden ausländische Urteile anerkannt, wenn keine eige- 113 ne internationale Zuständigkeit besteht (stets bei eigenen Staatsangehörigen als Beklagten) und der Entscheidungsstaat zuständig war. Gegenseitigkeit wird verlangt, muss aber nicht durch Staatsvertrag garantiert sein (Art 119, 120 des Gesetzes über das Verfahren in Handelsstreitigkeiten).163 152 153 154 155 156 157 158 159 160
Börner, S 43ff. Börner, S 74ff. Börner, S 130ff; Börner, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 22 (1999), S 1135.10. Börner, S 170ff. Börner, S 206ff. Börner, S 210ff, 223ff. Abgedruckt in IPRax 2000, 447. Zu Einzelheiten s Krüger IPRax 2000, 435, 437ff. Abgedruckt in IPRax 1999, 292 u RabelsZ 65 (2001), 102, 107; vgl Mezghani RabelsZ 65 (2001), 78, 96ff; Menhofer IPRax 1999, 266, 267; Rauscher, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 22 (1999), S 1147.9ff. 161 Krüger IPRax 2001, 376 und IPRax 2005, 472; Bälz, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 28 (2005), S 1155.7; Bälz RIW 2011, 118, 124. 162 Krüger IPRax 2005, 386, 388; Bälz RIW 2011, 118, 123. 163 Krüger IPRax 1998, 127, 128; gegen eine Verbürgung Schütze, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 24 (2001), S 1106.7.
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§ 16
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
114 g) In Pakistan werden ausländische Urteile nach s 13 Civil Procedure Code von 1908 anerkannt. Überprüft wird ua, ob das ausländische Gericht das pakistanische Recht nicht angewandt hat, obwohl es nach pakistanischer Sicht anwendbar gewesen wäre, sowie ob die ausländische Entscheidung auf einem „Bruch pakistanischen Rechts“ beruht. Ob sich die Anwendung beider Regeln im Rahmen der üblichen kollisionsrechtlichen und ordre public-Kontrolle hält oder zu einer generellen révision au fond führt, ist zweifelhaft.164 Deshalb dürfte es insgesamt an der Gegenseitigkeit fehlen.165 115 h) Im Iran richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach Art 169 VollstreckungsG v 16.11.1977.166 Dessen Voraussetzungen entsprechen weitgehend § 328 ZPO. Für die Gegenseitigkeit genügt generelle Anerkennungsbereitschaft. Eine revision au fond findet nicht statt.167
7. Anerkennung in Ostasien 116 Schrifttum: Czernich, Die Vollstreckung fremder Urteile und Schiedssprüche in der VR China, RIW 1995, 650; A. Ishikawa/M. Haga, Anerkennung ausländischer punitive damages Urteile in Japan, FS Kerameus, Athen 2009, S 513; Kitagawa, Doing Business in Japan, 1986, § 4. 07 2b; Kono/Trunk, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Japan, ZZP 102 (1989), 319; Menkhaus, Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung deutscher zivilgerichtlicher Entscheidungen in Japan, RIW 1988, 189; Nagata, Anerkennung und Vollstreckung eines deutschen Leistungsurteils auf Geldzahlung in Japan, Nihon U.Comp.L. 1987, 121; Nishitani, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer punitive damages-Urteile in Japan, IPRax 2001, 365; Ong, Cross-Border Litigation within ASEAN, 1997; P. Oser, Die Vollstreckung fremder Urteile und Schiedssprüche in der VR China, RIW 1995, 651; A. Petersen, Das internationale Zivilprozessrecht in Japan, 2003; A. Petersen, Japan, in: Geimer/Schütze, Intern. Rechtsverkehr, Lfg 25 (2003), S 1058.1; T. Sawaki, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments in Japan, Int. Lawyer 23 (1989), 29; T. Sawaki, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in Singapur und Hongkong, RIW/AWD 1982, 722; T. Sawaki, in: Bülow/Böckstiegel, Intern. Rechtsverkehr, 1989, S 1058.1; H. Tagata, Probleme der Urteilsanerkennung im japanischen Zivilprozessrecht, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilprozessrechts, 1994, S 49; Takeshita, Neuere Tendenzen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Japan, ZZPInt Bd 1 (1996), 305, 323.
117 a) Japan erkennt ausländische Entscheidungen nach § 118 jap. ZPO unter vier Voraussetzungen an: (1) Zuständigkeit des ausländischen Gerichts wird bejaht; (2) ist der unterlegene Beklagte Japaner, hat er die Zustellung der für die Einleitung des Verfahrens nötigen Ladung in anderer Weise als durch öffentliche Zustellung erhalten oder sich auf die Klage eingelassen, ohne diese erhalten zu haben; (3) das Urteil des ausländischen Gerichts verstößt nicht gegen den japanischen ordre public; 164 165 166 167
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Vgl Otto IPRax 1997, 436, 438f. Otto, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 16 (1994), S 1109.6ff. Vgl Wurmnest/Yassari IPRax 2006, 217, 218. Vgl Wurmnest/Yassari IPRax 2006, 217, 221.
Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
(4) die Gegenseitigkeit ist verbürgt.168 Erfüllt das ausländische Urteil diese Voraussetzungen und wird seine Rechtskraft nachgewiesen, so wird es ohne Weiteres anerkannt. Anerkennungsfähige Feststellungs- und Scheidungsurteile gelten also ohne Weiteres in Japan. Die erste Voraussetzung wird ähnlich wie in Deutschland beurteilt. Es kommt darauf an, ob ein japanisches Gericht, wäre es unter entsprechenden Voraussetzungen angerufen worden, zuständig gewesen wäre.169 Der Sinn der zweiten Voraussetzung besteht darin, dem Beklagten das recht- 118 liche Gehör zu gewährleisten. Deswegen erfasst die zweite Voraussetzung nicht nur die öffentliche Zustellung, sondern auch die Ladung auf einem Wege, durch den ein japanischer Staatsangehöriger tatsächlich keine rechtzeitige Kenntnis von der Einleitung des Verfahrens erlangen konnte. Dagegen kann ein ausländisches Urteil trotz öffentlicher Zustellung in Japan anerkannt werden, wenn sich der japanische Beklagte auf die Klage eingelassen hat.170 Zusätzlich verstößt die direkte Postsendung der Klageschrift ohne Übersetzung gegen diese Vorschrift.171 Der japanische ordre public erstreckt sich wie in Deutschland und den meis- 119 ten Staaten nicht nur auf den Inhalt des Urteils, sondern auch auf Art und Weise seines Zustandekommens. „Punitive damages“ in einem US-amerikanischen Urteil verstoßen gegen den japanischen ordre public,172 soweit darin „compensatory damages“ enthalten sind, werden sie aber anerkannt.173 Auch widersprechende ausländische Urteile werden nach japanischem ordre 120 public nicht anerkannt.174 Obwohl sich die Anerkennungsvoraussetzungen nach deutschem und japanischem Recht gleichen, wurde die Gegenseitigkeit lange Zeit verneint, weil es keinen praktischen Anerkennungsfall gab. Das japanische Oberste Gericht hat jedoch 1983 entschieden, dass es für die Gegenseitigkeit genügt, dass Entscheidungen unter im Wesentlichen gleichen Voraussetzungen im Ausland anerkannt werden müssten. Im Anschluss daran hat das Distriktgericht Nagoya175 die Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Deutschland als verbürgt angesehen. Damit ist von einer grundsätzlichen Gewährleistung der Gegenseitigkeit auszugehen.176
168 Petersen, in: Geimer/Schütze, IRV, S 1058.11; Sawaki IntLawyer 23 (1989), 29, 30. 169 Y. Taniguchi, in: Baum/Drobnig, Japanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 1994, S 641, 685; H. Takata, in: Heldrich/Kono, S 49, 57ff; Takeshita ZZPInt Bd 1 (1996), 305, 309ff. 170 Takeshita, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, ZZPInt Bd 1 (1996), 305, 311f. 171 LG Tokyo v 26.3.1990, Kinyushojihomu H. 857 S 39; LG Tokyo v 11.11.1988, Hanrei Taimuzu H. 703 S 96. 172 Japanischer Oberster Gerichtshof, Urteil v 11.7.1997, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen, Bd 51, H. 6 S 2573. 173 Nishitani IPRax 2001, 365. 174 Sawaki IntLawyer 23 (1989), 29, 35. 175 GRUR Int. 1988, 860. 176 Kono/Trunk ZZP 102 (1989), 319; Menkhaus RIW 1988, 189.
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Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
121 b) China. Nach § 204 chin. Zivilprozessordnung v 9.4.1991 können ausländische Zivilurteile anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden. Voraussetzungen hierfür sind Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit des Entscheidungsstaats, kein Verstoß gegen den chinesischen ordre public sowie Verbürgung der Gegenseitigkeit.177 Im Verhältnis zur Volksrepublik China ist die Gegenseitigkeit zu bejahen.178 Rechtskräftige deutsche Urteile und Prozessvergleiche werden auch in Taiwan anerkannt.179 122 c) Hongkong ist seit 1.7.1997 chinesische Sonderverwaltungszone. Das deutsch-brit. Abkommen gilt nicht mehr.180 In Hongkong werden deutsche Entscheidungen nach der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Ordinance (Cap 319) vollstreckt, die weitgehend auf dem englischen Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 beruht. Das Vollstreckungsverfahren ist in R.S.C.O. 71 geregelt. Das ausländische Urteil muss beim High Court registriert werden. Dem Schuldner wird erst die Registrierung zugestellt; er kann deren Aufhebung beantragen. Vollstreckt werden darf erst nach Ablauf der Aufhebungsfrist bzw nach Zurückweisung eines Aufhebungsantrags. Jedoch ist weiterhin von Gegenseitigkeit auszugehen.181 123 d) In Südostasien (den ASEAN-Staaten) ist die Rechtslage uneinheitlich.182 Wie früher in den Niederlanden können ausländische Urteile in Indonesien grds nicht anerkannt werden (sec. 436 Indonesian Code on Civil Procedure). Auch in Thailand werden ausländische Urteile nicht anerkannt; sie dienen lediglich als Beweismittel in einem neuen Verfahren.183 124 e) In den früheren britischen Kolonien Brunei, Malaysia184 und Singapur185 werden ausländische Urteile bei Gegenseitigkeit anerkannt. In Malaysia richtet sich die Anerkennung nach dem Reciprocal Enforcement of Judgment Act 1958 (Rev. 1972), in Singapur nach dem Reciprocal Enforcement of Commonwealth Judgment Act (Cap 264) und dem Reciprocal Enforcement of Foreign Judgments Act (Cap 262).
177 Schütze, in: Geimer/Schütze, IRV, 1989, S 1027.4f; v. Senger/Xu, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht der Volksrepublik China, 2. Teil, 1994, S 519ff. 178 Czernich RIW 1995, 650; Schütze (Fn 166), S 1027.5; aA U. Bohnet RIW 1996, Beil 2 zu H 6, S 17. 179 Vgl Etgen RIW 1995, 205. 180 Luthra RIW 1997, 625, 626f. 181 Zinser RIW 1998, 941, 944. 182 Vgl P. Koh ICLQ 45 (1996), 844. 183 Vgl Falder, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 21 (1998), S 1140.6. 184 Vgl Schütze, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 12 (1990), S 1086.5f. 185 Schütze, in: Geimer/Schütze, IRV, Lfg 11 (1989), S 1127.5f.
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Anerkennung und Vollstreckung in wichtigen ausländischen Staaten
§ 16
f) In den Philippinen können ausländische Urteile zwar nach sec. 50 (b), r 39 125 Rev. Rules of Court anerkannt werden; das Oberste Gericht kann ausländische Urteile aber sachlich (auf Sach- und Rechtsfehler) nachprüfen. g) In Vietnam richtet sich die Urteilsanerkennung nach der Ordinance on the 126 Recognition and Enforcement of Civil Judgments and Devisions of Foreign Courts of 26 April 1993. Welche Urteilsarten danach anerkannt werden, ist nicht klar.
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§ 17 Internationaler einstweiliger Rechtsschutz Inhaltsübersicht I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Europäisches Recht und Staatsverträge 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Europäisches Recht . . . . . . . . . . 3 3. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Arreste a) Internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung. . . . . . . . . c) Persönlicher Arrest . . . . . . . . d) Der Arrestanspruch . . . . . . . . e) Arrestverfahren . . . . . . . . . . . f) Arrestvollziehung . . . . . . . . . 3. Internationale einstweilige Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollzug der einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadenersatz nach § 945 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Probleme der Befriedigungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einstweilige Anordnungen im Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Familiensachen (1) Elterliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unterhalt . . . . . . . . . . . . . (3) Unterhalt im Abstammungsverfahren . . . . . . . . (4) Prozesskostenvorschuss .
29
30 33 38 39 43 46 49 50 54 55 56 61 62
64 69 71 72
(5) Ehewohnung, Hausrat, Gegenstände des persönlichen Gebrauchs . . . . . . (6) Gewaltschutz, Kontaktverbote . . . . . . . . . . . . . . . (7) Zugewinnausgleich . . . . . 5. Selbständiges Beweisverfahren. a) Inländisches Beweissicherungsverfahren für Beweismittel im Ausland . . . . . . . . . b) Selbständiges Beweisverfahren ohne Hauptsachezuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwertung des ausländischen Beweises . . . . . . . . . . . d) Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . 6. Vollstreckung ausländischer einstweiliger Maßnahmen im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Belgien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frankreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preliminary injunction . . . . . b) Temporary Restraining Order . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Attachment . . . . . . . . . . . . . .
76 78 80 84
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97 99 100 108 116 122 123 127 129 134 136 137 138 139
I. Einführung 1
Gesteigerte Bedeutung erlangt in internationalen Zivilprozessen der einstweilige Rechtsschutz. Zu den sonstigen Gründen für eine vorläufige Sicherung eines Anspruchs treten noch einige Besonderheiten internationaler Prozesse, die die Verfahren häufig verlängern und dadurch ein gesteigertes Sicherungs-
798
Europäisches Recht und Staatsverträge
§ 17
bedürfnis begründen. Zu nennen sind hier insb die eventuell komplizierte Zustellung, Sprachprobleme, größere Schwierigkeiten bei der Terminierung mit im Ausland ansässigen Prozessbeteiligten und die Notwendigkeit von Rechtsgutachten bei der Anwendung ausländischen Rechts.1 Zudem gestaltet sich in der Regel auch die Vollstreckung eines Titels schwieriger, wenn der Schuldner im Ausland sitzt.
II. Europäisches Recht und Staatsverträge 1. Schrifttum H.-J. Ahrens, Internationale Beweishilfe bei Beweisermittlungen im Ausland nach Art 7 der Enforcementrichtlinie, FS Michael Loschelder, 2010, S 1; Albrecht, Das EuGVÜ und der einstweilige Rechtsschutz in England und in der Bundesrepublik Deutschland, 1991; Albrecht, Art 24 EuGVÜ und die Entwicklung des einstweiligen Rechtsschutzes in England seit 1988, IPRax 1992, 184; N. Andrews, Towards a European protective order in civil matters, in M. Storme, Procedural Laws in Europe, 2003, S 267; Ch. Berger/K. Otte, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, Kap 18, 2006; J. Brinkhof, Cross-border injunctions: a blessing or a curse?, in: W. Heere, International law and the Hague’s 750th anniversary, 1999, S 103; I. Carl, Einstweiliger Rechtsschutz bei Torpedoklagen, 2007; C. Consolo, Avoiding the Risk of Babel after Van Uden and Mietz, ZZPInt 6 (2001), 49; C. Consolo, The subtle interpretation of the case law of the European Court on provisional remedies, ZSR 124 (2005), II 359; Eilers, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1991; F. Eisermann, Einstweilige Maßnahmen auf dem Gebiet der Brüssel I-VO, 2011; K. Fohrer/P. Mattil, Der „grenzüberschreitende“ dingliche Arrest im Anwendungsbereich des EuGVÜ, WM 2002, 840; Th. Garber, Einstweiliger Rechtsschutz nach der EuGVVO, 2011; Giardina, Provisional Measures in Europe: Some Comparative Observations, Études en l’Honneur de Lalive, 1993, 499; Gronstedt, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, 1994; Ch. Groß, Die internationale Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, 2010; Grundmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer einstweiliger Maßnahmen nach IPRG und Lugano-Übereinkommen, 1996; Ch. Heinze, Internationaler einstweiliger Rechtsschutz. Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel der freezing injunction des englischen Rechts, RIW 2003, 922; Ch. Heinze, Europäische Urteilsfreizügigkeit von Entscheidungen ohne vorheriges rechtliches Gehör, ZZP 120 (2007); 303; Ch. Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz im Europäischen Immaterialgüterrecht, 2007; Heiss, Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1987; Heß, Die begrenzte Freizügigkeit einstweiliger Maßnahmen im Binnenmarkt II, IPRax 2000, 370; Heß/G. Vollkommer, Die begrenzte Freizügigkeit einstweiliger Maßnahmen nach Art 24 EuGVÜ, IPRax 1999, 220; R. Hye-Knudsen, Marken-, Patent- und Urheberrechtsverletzungen im europäischen Internationalen Zivilprozessrecht (6. Kap), 2005, S 198; K. Kerameus, Subjektive Anwendungsgrenzen des Brüsseler Übereinkommens vom 10.5.1952 über den Arrest in Seeschiffe, FS Nagel, 1987, S 133; K. Kerameus/J. Normand, La necessité de procedures provisoires dans les litiges transnationaux, in: Andolina, Transnational aspects of procedural law, 1998, S 1139 u 1167; C. Kessedjian, Note on Provisional and Protective Measures in Private International Law and Comparative Law, Hague Conference, Prel. Doc. No 10, 1998; C. Kessedjian, Mesures provisoires et conservatoires. A propos d’une résolution adoptée par d’association de droit international, JDI 1997, 103; S. Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005; Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung 1 Spellenberg/Leible, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 293; Berger/Otte Kap 18 Rz 1.
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einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 171; Koch, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1994, S 85; B. König, Einstweilige Maßnahmen (einstweilige Verfügungen) und die Brüssel I-Verordnung, in König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich III, 2012, S 65; X. Kramer, Harmonisation of provisional and protective measures in Europe, in M. Storme, Procedural Laws in Europe, 2003, S 305; C. Kurtz, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, 2004; I. Meier, Besondere Vollstreckungstitel nach dem Lugano-Übereinkommen (1. Teil: Vorsorgliche Maßnahmen und Arrest) in: Schwander (Hrsg), Das Lugano-Übereinkommen, 1990, S 157; O. Merkt, Les mesures provisoires en droit international privé, Zürich 1993; S. Mossler, Beschleunigter Rechtsschutz für Zahlungsgläubiger in Europa, 2004; S Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997; Otte, Verfahrenskoordination und einstweiliger Rechtsschutz bei der Verletzung eines europäischen Patents, IPRax 1999, 440; L. Pålsson, Interim Relief under the Brussels and Lugano Conventions, Liber amicorum Siehr, 2000, S 621; Th. Pfeiffer/H. Wais, Einstweilige Maßnahmen im Anwendungsbereich der EuGVO, IJPL 2 (2012), 274; R. Pansch, Die einstweilige Verfügung zum Schutze des geistigen Eigentums im grenzüberschreitenden Verkehr, 2003; L. Querzola, Notes about the conditions for interim relief in E.C. Law, in Carpi/Lupoi, Essays on transnational and comparative civil procedure, 2001, S 219; Renke, Der Prozesskostenvorschuss im Ehescheidungsverfahren und Art 24 EuGVÜ, FuR 1990, 149; Schlosser, Jurisdiction and international judicial and administrative co-operation, RdC 284 (2000), 156ff; Schlosser, Brussels I and protective measures in the state to be requested subsequent to the passing of sentence in the state of origin, FS Erecin´ski, 2011, S 1359; Schmutz, Maßnahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes im Lugano-Übereinkommen aus schweizerischer Sicht, 1995; F. Schneider, Die Leistungsverfügung im niederländischen, deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 2012; Schulz, Einstweilige Maßnahmen nach dem Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, ZEuP 2001, 805; Spellenberg/Leible, Die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes bei transnationalen Streitigkeiten, in: Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, S 293; A. Stadler, Erlass und Freizügigkeit einstweiliger Maßnahmen im Anwendungsbereich des EuGVÜ, JZ 1999, 1089; Stickler, Das Zusammenwirken von Art 24 EuGVÜ und §§ 916ff ZPO, 1992; D. Stoll, Die britische Mareva-Injunction als Gegenstand eines Vollstreckungsbegehrens unter dem Lugano-Übereinkommen, Schweiz. JZ 1996, 104; Stürner, Der einstweilige Rechtsschutz in Europa, FS Geiß, 2000, S 199; Stürner, Einstweiliger Rechtsschutz: Generalbericht, in: Storme, Procedural laws in Europe, 2003, 143; G. Theocharidis, Jurisdiction for provisional relief under the Brussels Convention in maritime context, RHDI 55 (2002), 453; P. Treichel, Die französische Saisie-contrefaçon im europäischen Patentverletzungsprozeß. Zur Problematik der Beweisbeschaffung im Ausland nach Art 24 EuGVÜ, GRUR Int 2001, 690; G. Uecker, Zur Frage der Zulässigkeit von einstweiligen Anordnungsverfahren zur Regelung des Trennungsunterhalts für Auslandsdeutsche vor deutschen Gerichten, FPR 2013, 35; S Walther, Das Zusammenwirken von Art 24 EuGVÜ und §§ 916ff ZPO, Diss Regensburg 1991; Wastl, Die Vollstreckung deutscher Titel auf der Grundlage des EuGVÜ in Italien, 1991 (290ff: Der einstweilige Rechtsschutz im deutsch-italienischen Rechtsverkehr); M. Weinert, Vollstreckungsbegleitender einstweiliger Rechtsschutz, 2007; V. Willeitner, Vermögensgerichtsstand und einstweiliger Rechtsschutz im deutschen, niederländischen und europäischen Zivilverfahrensrecht, 2003; Ch. Wolf, Konturen eines europäischen Systems des einstweiligen Rechtsschutzes, EWS 2000, 11; Wolf/Lange, Das Europäische System des einstweiligen Rechtsschutzes – doch noch kein System?; RIW 2003, 55; Zeiler, Europäisches Sicherungsverfahren: Die Regelung des Europäischen GVÜ über einstweilige Maßnahmen, österr. JBl 1996, 635; C. Zhou, Einstweiliger Rechtsschutz in China und im europäischen Justizraum, 2008.
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International Law Association, Principles on Provisional and Protective Measures in International Litigation („Helsinki Principles“), (1996) 67 I.L.A.Rep. 202, abgedruckt in RabelsZ 62 (1998), 128 und in AmJCompL 45 (1997), 941. Zur Reform: A. Dickinson, Provisional measures in the „Brussels I“ Review – Disturbing the status quo?, IPRax 2010, 203.
2. Europäisches Recht a) In der Europäischen Union bzw im Europäischen Rechtsraum ist der einst- 3 weilige Rechtsschutz nicht vereinheitlicht, und zwar weder die möglichen Rechtsschutzbehelfe noch die internationalen Zuständigkeiten (s Art 31 EuGVO/LugÜ bzw Art 35 EuGVO nF). Jedoch ergibt sich aus Art 32 EuGVO/LugÜ bzw Art 36 EuGVO nF, dass auch Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes in allen Mitglied- bzw Vertragsstaaten anzuerkennen sind. Der EuGH hat diese Pflicht allerdings auf solche Entscheidungen begrenzt, die nach Anhörung des Gegners ergangen sind, sog ex parte-Entscheidungen dagegen ausgenommen (s o § 12 Rz 8).2 In wirklich eiligen Fällen, in denen eine Überraschung des Gegners erforderlich ist, muss einstweiliger Rechtsschutz daher parallel in jedem Vollstreckungsstaat beantragt werden (s u Rz 20ff).3 Diese unbefriedigende Rechtslage soll mit der Neufassung der EuGVO verbes- 4 sert werden. In Erwägungsgrund 33 EuGVO nF wird präzisiert, dass ex parteEntscheidungen zwar grds nicht nach der Verordnung anerkannt werden. Doch soll dies anders sein, wenn „die die Maßnahme enthaltende Entscheidung … dem Beklagten vor der Vollstreckung zugestellt worden“ ist. Ansonsten bleibt es dabei, dass ex parte-Entscheidungen nur im Erlassstaat anerkannt und vollstreckt werden können. Auch Maßnahmen, die von einem nicht in der Hauptsache zuständigen Gericht erlassen werden, bleiben in ihrer Wirkung auf den Erlassstaat begrenzt (Erwägungsgrund 33 S 4 EuGVO nF). Schon jetzt ist der einstweilige Rechtsschutz aber durch Art 47 EuGVO/LugÜ 5 insoweit verbessert worden, als der Inhaber einer anzuerkennenden Entscheidung eines Mitglied- bzw Vertragsstaats auf deren Grundlage einstweiligen Rechtsschutz in jedem anderen Mitglied- bzw Vertragsstaat beantragen kann, ohne dass die anzuerkennende Entscheidung zuvor für vollstreckbar erklärt werden müsste (s o § 15 Rz 49f).4 (Da mit dem Inkrafttreten der Neufassung der EuGVO das Verfahren der Vollstreckbarerklärung entfällt, ist diese Befugnis künftig entbehrlich.) Der damit erreichte Zustand ist noch immer unbefriedigend. Deshalb wird vorgeschlagen, den einstweiligen Rechtsschutz in der EU zB auf der Grundlage der Helsinki Principles der International Law Association zu vereinheitli-
2 EuGHE 1980, 1553 (Denilauler v Couchet Frères) = IPRax 1981, 95 (dazu Hausmann, S 79); krit W. Kennett, The enforcement of judgments in Europe, 2000, 150ff. 3 Walter, IZPR der Schweiz, S 431; für Reform: Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rz 12. 4 Vgl Berger/Otte Kap 18 Rz 73ff.
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chen5 bzw einen „European protective order“ einzuführen.6 Diese Vorschläge haben sich aber auch bei der Reform der EuGVO nicht durchgesetzt. 6
b) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich sowohl nach den Grundsätzen des deutschen internationalen Zivilprozessrechts aus den §§ 916ff ZPO und einer Reihe speziellerer Normen des nationalen deutschen Verfahrensrechts (als letztere sind insb die §§ 98ff FamFG zu nennen) ergeben, als auch aus europäischen Regelungen und internationalen Abkommen, in Zivil- und Handelssachen aus Art 31 EuGVO/LugÜ7 bzw Art 35 EuGVO nF, in Unterhaltssachen aus Art 14 iVm Art 3ff EuUnthVO,8 in Erbrechtssachen aus Art 19 EuErbVO, in Güterrechtssachen künftig aus Art 14 Rom IVa-VO.
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Hat der Gegner (in einem von Art 1 EuGVO/LugÜ erfassten Rechtsgebiet) Wohnsitz/Sitz in einem Staat des europäischen Rechtsraums, ist von Art 31 EuGVO/LugÜ bzw Art 35 EuGVO nF auszugehen. Der Gläubiger hat danach die Wahl, ob er sich an ein nach dem europäischen Recht zuständiges Gericht oder an eines, das nach autonomem Prozessrecht zuständig ist, wendet.9 Gleiches gilt in Unterhaltssachen (Art 14 EuUnthVO), in Erbrechtssachen (Art 19 EuErbVO) und künftig in Güterrechtssachen (Art 14 Rom IVa-VO).
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Ein Gericht, das nach Art 2 ff EuGVO/LugÜ bzw Art 4 ff EuGVO nF in der Hauptsache zuständig ist oder hypothetisch sein könnte, besitzt uneingeschränkte Eilzuständigkeit, ist also auch für die Anordnung aller einstweiligen oder sichernden Maßnahmen zuständig.10 Es kann selbst Leistungsverfügungen ohne Einschränkung erlassen.11 Auf die Vollstreckbarkeit im Erlassstaat kommt es nicht an.12 Eine rügelose Einlassung auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begründet aber nicht eine Hauptsachezuständigkeit nach Art 24 EuGVO/LugÜ13 bzw Art 26 EuGVO nF, begründet also insoweit keine Zuständigkeit zum Erlass einstweiliger Maßnahmen.
9
Nach Art 31 EuGVO/LugÜ (bzw Art 35 EuGVO nF) können einstweilige oder sichernde Maßnahmen bei den Gerichten des betreffenden Staats auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitglied- bzw Vertragsstaats zuständig ist, sofern hierfür eine
5 N. Andrews, Judicial Co-operation: Recent Progress, Referat für den 1. Europäischen Juristentag, 2001, S 33; X. Kramer, in: Storme, Procedural laws in Europe, 2003, 305. 6 N. Andrews, in: Storme, Procedural laws in Europe, 2003, 267. 7 Berger/Otte Kap 18 Rz 15ff, 18ff. 8 Vgl G. Uecker FPR 2013, 35. 9 Berger/Otte Kap 18 Rz 20, 23, 53. 10 Th. Garber, S 73ff; Berger/Otte Kap 18 Rz 16; Tsikrikas/Hausmann, unalex Kommentar Art 31 Rz 19. 11 EuGHE 1999, I-1597 (Rz 41, 46) (Trasporti Castelletti v Trumpy) = JZ 1999, 1105, 1107f (dazu Stadler S 1089) = IPRax 2000, 411 (dazu Heß, S 370) = ZZPInt 4 (1999), 205 (Spellenberg/Leible). 12 EuGHE 1998, I-7091 (Rz 19, 22) (Van Uden v Deco-Line) = JZ 1999, 1103 (krit. Stadler, S 1089, 1092) = RIW 1999, 776 (Pörnbacher); Berger/Otte Kap 18 Rz 46ff. 13 EuGHE 1999, I-1597 (Rz 52) (Trasporti Castelletti v Trumpy) = JZ 1999, 1105, 1108; Berger/Otte Kap 18 Rz 51; Stein/Jonas/Wagner Art 31 EuGVO Rz 44.
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Zuständigkeit nach autonomem Recht besteht. Die Auslegung dieser Regelung ist streitig. Zweifelhaft ist einmal, ob eine besondere Zuständigkeit im Verhältnis zu Mit- 10 glied- bzw Vertragsstaaten fortbesteht, soweit das autonome Recht wie § 919 ZPO für den Arrest oder § 937 I ZPO für einstweilige Verfügungen das „Gericht der Hauptsache“ für zuständig erklärt. Manche meinen, das Gericht der Hauptsache sei nicht „hypothetisch“ nach autonomem Recht, sondern ausschließlich nach dem EuGVO bzw LugÜ zu bestimmen.14 Aber diese Ansicht überzeugt nicht, da sie die Öffnung von Art 31 EuGVO/LugÜ (bzw Art 35 EuGVO nF) für die nationalen Zuständigkeitsregeln weitgehend gegenstandslos machen würde.15 Dies gilt auch für die Ansicht, wonach die exorbitanten nationalen Zuständig- 11 keitsregeln, die Art 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 5 EuGVO nF) für Klagverfahren ausschließe, auch im Rahmen von Art 31 EuGVO/LugÜ (Art 35 EuGVO nF) ausgeschlossen sein sollen.16 Art 31 EuGVO/LugÜ (Art 35 EuGVO nF) ist indes dahin zu interpretieren, dass die entsprechenden Bestimmungen der nationalen Gerichtsstände bei einstweiligen Maßnahmen erhalten bleiben. Wenn der Schuldner im Ausland wohnt und kein anderer Gerichtsstand zur Verfügung steht, wären die Rechte des Gläubigers zu sehr beschnitten, wenn er sich nicht auf den Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO stützen könnte. Der Vorbehalt des Art 31 EuGVO/LugÜ (bzw Art 35 EuGVO nF) ist umfassend 12 zu verstehen. Einstweiliger Rechtsschutz kann danach auch im Verhältnis zu Staaten des Europäischen Rechtsraums in einem Gerichtsstand nach autonomem Recht beantragt werden, den EuGVO/LugÜ nicht vorsehen oder unter die exorbitanten Zuständigkeiten des Art 3 II EuGVO/LugÜ (bzw Art 5 II EuGVO nF) einordnen.17 Diese Möglichkeit steht auch dann offen, wenn die Hauptsache bereits anhängig ist. Insoweit besteht kein Rechtshängigkeitseinwand.18 Die Eilzuständigkeit kann sich dann aber auch aus Art 2ff EuGVO/ LugÜ (bzw Art 4ff EuGVO nF) ergeben.19 Einstweiliger Rechtsschutz kann in beiden Fällen auch dann im EU-Staat B beantragt werden, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache im Staat A anhängig ist und dadurch für das Hauptverfahren die Rechtshängigkeitssperre nach Art 27ff EuGVO/LugÜ (bzw Art 29ff EuGVO nF) eingetreten ist.20
14 So Zeiler österr. JBl 1996, 635ff. 15 Ebenso Berger/Otte Kap 18 Rz 21. 16 So OLG Koblenz RIW 1977, 359; Puttfarken RIW 1977, 360; Gronstedt, S 19ff; vgl Hornung ZVglRWiss 95 (1996), 305, 309ff. 17 EuGHE 1998, I-7091 (Rz 42) (Van Uden v Deco-Line) = JZ 1999, 1103, 1105; Th. Garber, S 102ff; Berger/Otte Kap 18 Rz 27. 18 Vgl Berger/Otte Kap 18 Rz 32; Tsikrikas/Hausmann, unalex Kommentar Art 31 Rz 20. 19 Stadler JZ 1999, 1089, 1094; Berger/Otte Kap 18 Rz 29. 20 Pålsson, Liber amicorum Siehr, S 621, 623; Schulz ZEuP 2001, 805, 812; Berger/Otte Kap 18 Rz 18, 54; vgl auch LG Düsseldorf IPRax 1999, 461 (dazu Otte, S 440) (einstweiliger Rechtsschutz bei Verletzung eines europäischen Patents).
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Soweit der Arrest bei dem Gericht begehrt wird, bei dem die Hauptsache anhängig ist, genügt die (nicht zu überprüfende) Rechtshängigkeit der Hauptsache dann nicht, wenn sich dieses Gericht für international unzuständig erklären müsste.21 Stellt ein Gericht, bei dem die Hauptsache anhängig ist, bei der Überprüfung im Zusammenhang mit einem Arrestantrag fest, dass es nach EuGVO bzw LugÜ international für die Hauptsache nicht zuständig ist, muss das aber nicht zu einer Unzuständigkeit für die Arrestentscheidung führen. Das Gericht kann das Arrestverfahren weiterführen, sofern es nur nach den §§ 12ff ZPO zuständig ist.
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Eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung für die Hauptsache bezieht sich im Zweifel nicht auf Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes; sie lässt also insoweit die gesetzlichen Zuständigkeiten nach Art 2 ff EuGVO/ LugÜ (Art 4 ff EuGVO nF) unberührt. Wird die Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich auf den einstweiligen Rechtsschutz erstreckt, bleiben doch Eilzuständigkeiten nach autonomem Recht bestehen, jedenfalls wenn sie wie im deutschen Recht nach § 802 ZPO derogationsfest sind.22
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Haben die Parteien den staatlichen Rechtsschutz durch eine Schiedsvereinbarung ausgeschlossen, besteht zwar keine Hauptsachezuständigkeit nach EuGVO/LugÜ, ja Art 1 II Nr 4 EuGVO/LugÜ (bzw Art 1 II lit d EuGVO nF) schließt die Schiedsgerichtsbarkeit insgesamt vom Anwendungsbereich des europäischen Rechts aus. Nach Ansicht des EuGH wird damit aber nicht der einstweilige Rechtsschutz in solchen Fällen aus dem europäischen Regelwerk ausgenommen. Denn einstweilige Maßnahmen seien nicht auf Durchführung des Schiedsverfahrens gerichtet, sondern würden parallel dazu stattfinden. Art 31 EuGVO/LugÜ (Art 35 EuGVO nF) begründeten eine Zuständigkeit des Gerichts für den vorläufigen Rechtsschutz daher nur nach autonomem nationalem Recht, wenn das Hauptverfahren vor einem Schiedsgericht stattfinden müsste.23
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c) Die Wahrnehmung der rein nationalen Zuständigkeiten hat der EuGH aber durch qualifizierte Anforderungen an jede einstweilige Maßnahme eingeschränkt. Er verlangt, dass zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Mitglieds- bzw Vertragsstaats eine reale Verknüpfung besteht. Dadurch versucht er vor allem, ein mögliches forum shopping einzuschränken.24 Die Maßnahme, zB ein Arrest, dürfe nur bestimmte (vom Gericht festzulegende) Vermögensgegenstände des 21 OLG Koblenz RIW 1990, 316; aA Hanisch IPRax 1991, 215f; Berger/Otte Kap 18 Rz 99. 22 Rauscher/Leible Art 31 Brüssel I-VO Rz 33f. 23 EuGHE 1998, I-7091 (Rz 34) (Van Uden v Deco-Line) = JZ 1999, 1103, 1104 = IPRax 1999, 240 (dazu Heß/Vollkommer S 220); BGH RIW 2009, 238; Rauscher/Leible Art 31 Brüssel I-VO Rz 19; Tsikrikas/Hausmann, unalex Kommentar Art 31 Rz 21f; Stein/Jonas/Wagner Art 31 EuGVORz 45f; Berger/Otte Kap 18 Rz 24ff; Th. Garber, S 198f. 24 EuGHE 1998, I-7091 (Van Uden v Deco-Line) = JZ 1999, 1103; Kropholler/v. Hein Art 31EuGVO Rz 15; Tsikrikas/Hausmann, unalex Kommentar Art 31 Rz 2, 26ff; Stein/Jonas/Wagner Art 31 EuGVO Rz 49ff.
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Antragsgegners betreffen, die sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befinden.25 Die Zulässigkeit grenzüberschreitender Unterlassungsverfügungen ohne Hauptsachezuständigkeit26 erscheint demnach nicht mehr als zulässig. d) Das europäische Recht gestattet auch Leistungsverfügungen unabhängig 17 von der europäischen Zuständigkeitsordnung. Damit diese nicht einfach umgangen werden könne, müsse das Gericht, das aufgrund von Art 31 EuGVO/ LugÜ (bzw Art 35 EuGVO nF) in Verbindung mit nationalen Zuständigkeitsregeln tätig werde, sicherstellen, dass der einstweilige oder sichernde Charakter der angeordneten Maßnahme gewahrt bleibe. Zur Sicherung der Wirksamkeit eines Urteils in der Hauptsache könne es sogar erforderlich sein, die vorläufige Erbringung der vertraglichen oder außervertraglichen27 Hauptleistung anzuordnen, doch müsse für den Fall, dass der Antragsteller nicht obsiegt, gewährleistet sein, dass der zugesprochene Betrag zurückgezahlt werden könne.28 Die bloße Ersatzpflicht entsprechend § 945 ZPO genügt hierfür nicht; vielmehr muss das Gericht Sicherheitsleistung oder die Stellung einer Bürgschaft anordnen.29 Die territoriale Beschränkung der Maßnahme bedeutet bei Leistungsverfügungen nach hM, dass der Antragsteller eine gewisse Wahrscheinlichkeit darlegen muss, dass sie im Erlassstaat aus dem dort belegenen Vermögen des Schuldners realisiert werden kann,30 die Leistungsverfügung ist aber inhaltlich nicht auf das im Erlassstaat belegene Vermögen beschränkt.31 Für eine freezing order (Mareva-injunction) folgt daraus, dass diese in europäi- 18 schen Fällen mit europaweiter Wirkung nur noch erlassen werden darf, wenn englische Gerichte in der Hauptsache zuständig sind32 (s o Rz 8). Eine territoriale Wirkungsbegrenzung33 würde der Maßnahme viel von ihrer Wirksamkeit nehmen; sie ist auch nicht von Art 31 EuGVO/LugÜ geboten. e) Der zu sichernde Anspruch richtet sich ggf nach den Regeln des Interna- 19 tionalen Privatrechts nach ausländischem Recht. Auch bei Eilverfahren ist dessen Inhalt zu beachten und zu ermitteln. Die Ermittlung darf sich aber entsprechend der Eilbedürftigkeit auf präsente Quellen beschränken. Nur in dringenden Fällen, wenn innerhalb angemessener Zeit keine Kenntnis zu gewin-
25 EuGHE 1998, I-7091 (Rz 40, 47); Berger/Otte Kap 18 Rz 42; aA Heß/Vollkommer IPRax 1999, 220, 224. 26 Hierfür Heß IPRax 2000, 370, 373. 27 Stadler JZ 1999, 1089, 1097. 28 EuGHE 1998, I-7091 (Rz 47) = JZ 1999, 1103; EuGHE 1999, I-1597 (Trasporti Castelletti v Trumpy) = JZ 1999, 1105, 1107; EuGHE 1999, I-2277 (Mietz v Intership Yachting) = JZ 1999. 1105 (Stadler) = IPRax 2000. 411 (dazu Heß, S 370); vgl Th. Garber, S 134ff; Volken SZIER 1999, 460. 29 Stadler JZ 1999, 1089, 1097; Schack, IZVR, Rz 486; krit. Heß IPRax 2000, 370, 373 (das Zweitgericht könne analog Art 38 III EuGVÜ die Sicherheit anordnen). 30 Rauscher/Leible Art 31 Brüssel I-VO Rz 25f; Stein/Jonas/Wagner Art 31 EuGVO Rz 52; Tsikrikas/Hausmann, unalex Kommentar Art 31 Rz 31. 31 Stein/Jonas/Wagner Art 31 EuGVO Rz 33. 32 Tsikrikas/Hausmann, unalex Kommentar Art 31 Rz 29. 33 Hierfür Stein/Jonas/Wagner Art 31 EuGVO Rz 53.
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nen ist, darf unter Außerachtlassung des Kollisionsrechts nach deutschem Recht entschieden werden34 (s o § 11 Rz 41ff). 20
f) Vollstreckung. Im Anwendungsbereich von EuGVO bzw LugÜ sind Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären, sofern dem Gegner vor Erlass rechtliches Gehör gewährt wurde (s o § 12 Rz 8 u § 15 Rz 31, 34). Eine englische freezing order (Mareva injunction) kann danach in den anderen Staaten des europäischen Rechtsraums für vollstreckbar erklärt werden, sofern sie nach Anhörung des Gegners erlassen wurde.35 Für Österreich wird die Ansicht vertreten, dass nur solche Maßnahmen anerkennungsfähig und vollstreckungsfähig sind, bei denen Bewilligung und Vollzug getrennt erfolgen.36
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Im Anwendungsbereich von EuGVO bzw LugÜ sind Arrestbeschlüsse, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, zu vermeiden, wenn eine Vollziehung im Ausland erforderlich sein kann. Nach der Rechtsprechung des EuGH fallen diese unter Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit b EuGVO nF) und können nicht vollstreckt werden37 (s künftig Erwägungsgrund 33 S 2 EuGVO nF). Wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens gilt zwar die Einlassungsfrist des § 274 III ZPO im einstweiligen Rechtsschutz nicht38 und die Ladungsfrist des § 217 ZPO kann gem § 226 I ZPO verkürzt werden. Eine auf dieser Basis anberaumte baldige mündliche Verhandlung wird dennoch häufig den Anforderungen des Art 34 Nr 2 EuGVO/LugÜ nicht genügen. Ob es sachgemäß ist, die mündliche Verhandlung als zwingendes Erfordernis einer Anerkennung zu behandeln, kann bezweifelt werden. Immerhin ist die Gewährung rechtlichen Gehörs ja auch in einem schriftlichen Verfahren möglich.39
22
Ein nach EuGVO/LugÜ sicher nicht überwindbares Vollstreckungshindernis ist es aber, wenn auch die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme nicht gewährt wird. § 921 I ZPO gestattet eine solche Entscheidung ohne Anhörung des Gegners nicht nur, die Praxis sieht sie sogar als den Normalfall an. Eine schriftliche Anhörung kommt nach verbreiteter Ansicht nur in Frage, wenn dadurch der Zweck des Arrestes nicht gefährdet wird.40 Solche Überraschungsentscheidungen können aber sinnvollerweise nur in dem Staat beantragt werden, in dem sie auch vollstreckt werden sollen. Besteht die Gefahr, dass ein im Ausland belegener Vermögensgegenstand der Vollstreckung entzogen wird, wenn der Schuldner angehört wird, empfiehlt es sich, im Staat der Belegenheit nach dortigem Prozessrecht besonders vorzugehen. 34 Linke/Hau IZVR Rz 324; ähnlich MüKo/Prütting § 293 ZPO Rz 56; Stein/Jonas/Leipold § 293 Rz 56ff. 35 OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 1178; OLG Karlsruhe ZZPInt. 1996, 96 m Anm Zuckerman/Grunert; Koch, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992 S 257; Stoll Schweiz. JZ 1996, 104; Th. Garber, S 238ff. 36 Zeiler österr. JBl 1996, 635, 639ff. 37 AA Gronstedt, S 74ff. 38 Thomas/Putzo/Reichold § 274 ZPO Rz 3 u § 922 ZPO Rz 1. 39 Für eine Anerkennung dieser Entscheidungen Spellenberg/Leible, S 321. 40 MüKo/Drescher, § 922 ZPO Rz 4.
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Europäisches Recht und Staatsverträge
§ 17
Kommt es zu Eilverfahren in mehreren EuGVO/LugÜ-Staaten, besteht die Ge- 23 fahr einander widersprechender Entscheidungen. Der Widerspruch zwischen einer inländischen und einer ausländischen Eilentscheidung ist entsprechend Art 34 Nr 3 EuGVO/LugÜ (bzw Art 45 I lit c EuGVO nF) zugunsten der inländischen Entscheidung zu klären.41
3. Staatsverträge Eine einheitliche Regelung zulässiger einstweiliger Maßnahmen enthält 24 Art 50 TRIPS-Übereinkommen v 15.4.1994 (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums).42 Die Bestimmung lautet: „1. Die Justizbehörden sind befugt, unverzügliche und wirksame einstweilige Maßnahmen anzuordnen: a) um die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern, und insbesondere, um zu verhindern, dass Waren, einschließlich eingeführter Waren, unmittelbar nach der Zollabfertigung in die innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegenden Handelswege gelangen; b) um einschlägige Beweise im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung zu sichern. 2. Die Justizbehörden sind befugt, falls erforderlich, einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei zu treffen, insbesondere dann, wenn durch eine Verzögerung dem Inhaber des Rechts wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht oder wenn nachweislich die Gefahr besteht, dass Beweismaterial vernichtet wird. 3. Die Justizbehörden sind befugt, den Antragsteller aufzufordern, soweit zumutbar alle Beweismittel vorzulegen, um sich mit ausreichender Sicherheit davon überzeugen zu können, dass der Antragsteller der Inhaber des Rechts ist und dass das Recht des Antragstellers verletzt wird oder dass eine solche Verletzung droht, und den Antragsteller anzuweisen, eine Kaution zu stellen oder eine entsprechende Sicherheit zu leisten, die ausreicht, um den Antraggegner zu schützen und einem Missbrauch vorzubeugen. 4. Wenn einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei getroffen wurden, sind die betroffenen Parteien spätestens unverzüglich nach der Durchführung der Maßnahmen davon in Kenntnis zu setzen. Auf Antrag des Antraggegners findet eine Prüfung, die das Recht zur Stellungnahme einschließt, mit dem Ziel statt, innerhalb einer angemessenen Frist nach der Mitteilung der Maßnahmen zu entscheiden, ob diese abgeändert, widerrufen oder bestätigt werden sollen. 5. Der Antragsteller kann aufgefordert werden, weitere Informationen vorzulegen, die für die Identifizierung der betreffenden Waren durch die Behörde, die die einstweiligen Maßnahmen durchführt, notwendig sind. 6. Unbeschadet des Absatzes 4 werden aufgrund der Absätze 1 und 2 getroffene einstweilige Maßnahmen auf Antrag des Antragsgegners widerrufen oder auf andere Weise außer Kraft gesetzt, wenn das Verfahren, das zu einer Sachentscheidung führt, nicht innerhalb einer angemessenen Frist eingeleitet wird, die entweder von der die Maßnahme anordnenden Justizbehörde festgelegt wird, sofern dies nach dem inner41 EuGHE 2002, I-4995 (Italian Leather v WECO) = NJW 2002, 2087 = IPRax 2005, 33 (dazu Hess, S 23); Berger/Otte Kap 18 Rz 33. 42 BGBl 1994 II, 1730; vgl C. Markfort, Geistiges Eigentum im Zivilprozess, 2001, S 122ff; Grosheide GRURInt 2000, 310; Hye-Knudsen, S 234ff; H.-J. Ahrens, FS M. Loschelder, 2010, S 1.
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Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
staatlichen Recht des Mitglieds zulässig ist, oder, wenn es nicht zu einer solchen Festlegung kommt, 20 Arbeitstage oder 31 Kalendertage, wobei der längere der beiden Zeiträume gilt, nicht überschreitet. 7. Werden einstweilige Maßnahmen widerrufen oder werden sie aufgrund einer Handlung oder Unterlassung des Antragstellers hinfällig oder wird in der Folge festgestellt, dass keine Verletzung oder drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums vorlag, so sind die Justizbehörden befugt, auf Antrag des Antragsgegners den Antragsteller anzuweisen, dem Antragsgegner angemessenen Ersatz für den durch diese Maßnahme entstandenen Schaden zu leisten.43 8. Soweit einstweilige Maßnahmen aufgrund verwaltungsrechtlicher Verfahren angeordnet werden können, entsprechen diese Verfahren im Wesentlichen den in diesem Abschnitt dargelegten Grundsätzen“.
Die Bestimmung sieht also (a) (vorbeugende) Unterlassungsverfügungen und (b) Verfügungen zur Beweissicherung vor, regelt aber nicht im Einzelnen die Verfahrensmodalitäten für gerichtliche Rechtsbehelfe.44 25
Soweit es für den Bereich des geistigen Eigentums Gemeinschaftsrecht gibt (wie etwa im Gemeinschaftsmarkenrecht), haben die nationalen Gerichte bei dem Erlass von Anordnungen des einstweiligen Rechtschutzes soweit wie möglich Wortlaut und Zweck von Art 50 TRIPS-Übereinkommen zu berücksichtigen.45 Das autonome deutsche Recht der §§ 935, 940, 936 ZPO wird den Anforderungen des Art 50 TRIPS-Übereinkommen gerecht.46 Art 50 II TRIPS gibt dem Einzelnen aber innerstaatlich kein Recht, dass einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der Gegenpartei erlassen werden.47 Auch das deutsche Verfahren der selbständigen Beweisaufnahme soll den Anforderungen an die Beweissicherung genügen.48 Dies ist aber zweifelhaft, da Zwang nicht möglich ist und § 485 ZPO nicht alle verfügbaren Beweismittel erfasst. Zweifelhaft ist auch, ob das deutsche Recht ausreichende Möglichkeiten zur Durchsetzung von Besichtigungsansprüchen und zur Vorlage von Urkunden bereitstellt.49 Zur Reform im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes s u Rz 92 u o § 10 Rz 19f.
26
Für den Arrest von Luftfahrzeugen ist das Abkommen v 29.5.1933 zur Vereinheitlichung der Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen50 zu beachten.
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Die Zuständigkeit für den Arrest in Seeschiffe richtet sich nach dem internationalen Übereinkommen v 10.5.1952.51 Das Genfer Internationale Überein43 Die Aufhebung setzt insoweit entgegen § 926 I ZPO keinen Antrag des Antragsgegners voraus (Berger/Otte Kap 18 Rz 85). 44 EuGHE 2001, I-5851 (Schieving-Nijstad v Groeneveld) = GRURInt 2002, 41, 44. 45 EuGHE 2000, I-11307 (Tz 47) (Dior v TUK) = GRUR 2001, 235; vgl Th. Groh/S. Wündisch GRUR 2001, 497. 46 Vgl Markfort, S 124ff, 138f. 47 Schulte, Patentgesetz, 6. Aufl 2001, § 139 Rz 282; vgl auch EuGH (Fn 30) Rz 55. 48 Markfort, S 163ff. 49 Markfort, S 189f; krit Treichel GRUR Int 2001, 690. 50 RGBl 1935 II, 301. 51 BGBl 1972 II, 653; vgl S. Nieschulz, Der Arrest in Seeschiffe, 1997; Berlingieri, Arrest of Ships, 2. Aufl 1996; D. Dalfino, In the Matter of „Arrest of Ships“ in Stürner/Ka-
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§ 17
kommen für den Arrest in Seeschiffe von 1999 ist noch nicht in Kraft getreten. In Deutschland bedarf es für den Arrest einer Glaubhaftmachung von Arrestanspruch und Arrestgrund (§ 920 II ZPO). Nach einem Beschluss des Bundestages eines Gesetzes zur Reform des Seehandelsrechts v 13.12.2012 soll der Arrest in Seeschiffe erleichtert werden. Wie in anderen Fällen einer evidenten Anspruchsgefährdung soll die Glaubhaftmachung eines Arrestgrundes künftig entbehrlich sein (E § 917 II ZPO).52 Für den Arrest von Forderungen eines Eisenbahnunternehmens ist Art 12 § 4 28 COTIF 1999;53 für den Arrest von Eisenbahnfahrzeugen ist Art 12 § 5 COTIF zu beachten.54 Sonderegeln über die Arrestvollziehung enthält auch das Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung v 16.11.2001 (Art 13).55 Das Übereinkommen ist noch nicht in Kraft getreten.
III. Autonomes deutsches Recht 1. Schrifttum Ch. Berger/K. Otte, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht (Kap 18), 2006; Ehricke, Zur teleologischen Reduktion des § 917 II ZPO, NJW 1991, 2189; R. Freitag, Schadenersatzansprüche gemäß § 935 ZPO nach einstweiligem Rechtsschutz im Ausland?, IPRax 2002, 287; H.-F. Gaul, Tendenzen zur vorzeitigen Erlangung von Zahlungstiteln und einstweiliger Rechtsschutz, Festgabe Vollkommer, 2006, S 61; Gieseke, Neue Entwicklungen zum Arrestgrund der Auslandsvollstreckung im Europarecht, EWS 1994, 149; Gronstedt, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, 1994; Hornung, Auswirkungen der Einschränkung des Vermögensgerichtsstandes auf die internationale Zuständigkeit im dinglichen Arrestverfahren, ZVglRWiss 95 (1996), 305; Kropholler/Hartmann, Die Europäisierung des Arrestgrundes der Auslandsvollstreckung, FS Drobnig, 1998, S 337; C. Kurtz, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, 2004; Mankowski, Zum Arrestgrund der Auslandsvollstreckung in § 917 II ZPO, NJW 1992, 599; Mankowski/Kerfack, Arrest, einstweilige Verfügung und die Anwendung ausländischen Rechts, IPRax 1990, 372; Morbach, Einstweiliger Rechtsschutz in Zivilsachen, 1988; Pansch, Die einstweilige Verfügung zum Schutz geistigen Eigentums im grenzüberschreitenden Verkehr, 2003; Ress, Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung nach § 917 II ZPO und das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, JuS 1995, 967; Rohe, Schadensfälle durch Zivilprozess, IPRax 1997, 14; F. Schneider, Die Leistungsverfügung im niederländischen, deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 2012; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl 2011; Sessler, Die Anwendbarkeit des § 917 Abs 2 S 1 ZPO auf Urteile aus EuGVÜStaaten, WM 2001, 497; Thümmel, Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung im Fa-
52 53 54 55
wano, Comparative Studies on Enforcement and Provisional Measures, 2011, S 369; V. R. Abou-Nigm, The Arrest of Ships in Private International Law, 2011; Herber, Seehandelsrecht, 1999 (§ 14, S 116ff); Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, 10. Kap, S 337ff; Kerameus, FS Nagel, S 133. Zum Regierungsentwurf s BT-Drucks. 17/10309. BGBl II 2002, 2149. Zum COTIF idF 1980 s Berger/Otte Kap 18 Rz 87. Abgedruckt in IPRax 2003, 276; vgl Henrichs IPRax 2003, 210; Berger/Otte Kap 18 Rz 89ff.
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Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
denkreuz des Europäischen Rechts, EuZW 1994, 242; Thümmel, Inlandsvermögen – Achillesferse des Arrestgrundes der Auslandsvollstreckung?, FS Rothoeft, 1994, S 97; Thümmel, Einstweiliger Rechtsschutz im Auslandsrechtsverkehr, NJW 1996, 1930; G. Wagner, The purpose and importance of preliminary and summary procedures, in: Gilles/Pfeiffer, Prozessrecht und Rechtskulturen, 2004, S 69; M. Weinert, Vollstreckungsbegleitender einstweiliger Rechtsschutz, 2007; Ch. Wolf, Sind auch ausländische Urteile Urteile im Sinne von § 917 Abs 1 ZPO?, FS Schütze, 1999, S 983.
2. Internationale Arreste a) Internationale Zuständigkeit 30
Nach autonomem deutschen IZPR richtet sich die internationale grds nach der örtlichen Zuständigkeit (s o § 3 Rz 419ff). Das gilt auch für den einstweiligen Rechtsschutz.
31
Der Arrest kann nach § 919 ZPO sowohl beim Gericht der Hauptsache als auch bei dem Gericht beantragt werden, in dessen Bezirk sich der zu beschlagnahmende Gegenstand oder die in ihrer Freiheit zu beschränkende Person befindet. Aus § 919 ZPO folgt somit eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, wenn sich diese Anknüpfung im Inland befindet.56
32
Ist eine Hauptsache noch nicht anhängig, steht dem Antragsteller also die ganze Palette von Gerichtsständen der §§ 12ff ZPO zur Verfügung. Wichtigster Arrestgerichtsstand ist der des (Inlands-)Vermögens nach § 23 ZPO.57 Durch das Erfordernis eines „hinreichenden Inlandsbezuges“ (s o § 3 Rz 435) ist mittelbar freilich auch die Hauptsachezuständigkeit nach § 919 (1. Alt) ZPO eingeschränkt worden, so dass vielfach nur die Belegenheitszuständigkeit nach § 919 (2. Alt) ZPO übrig bleibt.58 Eine ausschließliche Prorogation in der Hauptsache hat grds keine Wirkung für den einstweiligen Rechtsschutz.59
b) Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung 33
Die ZPO hat in § 917 II einen besonderen Arrestgrund für Fälle mit Auslandsberührung. Das Erfordernis einer Auslandsvollstreckung stellt für sich bereits (als abstrakte Gefährdung) einen Arrestgrund dar. Deren Notwendigkeit entfällt, wenn der Schuldner ein zur Befriedigung des Gläubigers ausreichendes Inlandsvermögen besitzt und keine Gefahr der Vollstreckungsvereitelung besteht. Bei ausländischen Reedereien mit Liniendienst besteht idR kein Anlass, eine Gefährdung anzunehmen.60 Der ausländische
56 MüKo-ZPO/Drescher, § 919 ZPO Rz 3. 57 Vgl OLG Hamburg RIW 1990, 225; zur Belegenheit von Forderungen s Gronstedt, S 32ff. 58 Vgl Hornung ZVglRWiss 95 (1996), 305. Gegen das Erfordernis des „Inlandsbezugs“ Berger/Otte Kap 18 Rz 102. 59 Schack Rz 478; aA Gronstedt, S 42ff; Berger/Otte Kap 18 Rz 105f. 60 OLG Hamburg MDR 1971, 767; Thümmel, FS Rothoeft, 1994, S 97, 105; Schuschke/ Walker § 917 ZPO Rz 6; Berger/Otte Kap 18 Rz 118.
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Wohnsitz oder Sitz des Schuldners allein genügt nicht für die Annahme des Arrestgrundes.61 Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung (§ 917 II ZPO) war ursprünglich auch gegeben, wenn die Entscheidung in einem anderen Staat der Europäischen Union vollstreckt werden musste.62 Nachdem der EuGH am 10.2.199463 entschieden hatte, dass § 917 II ZPO aF 34 bei einer Vollstreckung in einem anderen EU-Land dem Diskriminierungsverbot des Art 6 EGV (jetzt Art 18 AEUV) widerspreche, wurde Abs 2 durch Satz 2 ergänzt. Danach war der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung im Anwendungsbereich von EuGVO bzw EuGVÜ/LugÜ nicht mehr anwendbar. Durch Gesetz v 4.11.2003 wurde § 917 II ZPO nochmals neu gefasst. Nunmehr 35 muss zur Notwendigkeit der Auslandsvollstreckung generell die fehlende Gegenseitigkeit hinzutreten. Allerdings kann das Gericht den Arrest auch dann anordnen, wenn der Arrest- 36 grund nicht glaubhaft gemacht ist, der Antragsteller aber ausreichende Sicherheit bietet (§ 921 S 1 ZPO). Der „normale“ Arrestgrund der drohenden Vollstreckungsvereitelung oder Er- 37 schwerung weist in internationalen Fällen keine Besonderheiten auf. Vorsicht ist allenfalls da geboten, wo ein Antragsteller versucht, sich durch einen Arrest in Deutschland vor Unzulänglichkeiten der heimischen Rechtsordnung zu schützen. Das Erfordernis der internationalen Zuständigkeit sollte hier aber genug Filterwirkung ausüben.
c) Persönlicher Arrest Lediglich subsidiär zulässig ist der persönliche Arrest, § 918 ZPO.64 Er ist auch gegen Ausländer zulässig.65 Art 26 HZÜ 1954 schränkt seine Zulässigkeit nicht ein.66
38
d) Der Arrestanspruch Für den Arrestanspruch gelten die Regeln des IPR. Das bedeutet, dass die Ge- 39 richte auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eventuell ausländisches Recht anzuwenden haben.67 Die Einholung von Gutachten zum ausländischen Recht ist ein Grund für die häufig längere Prozessdauer internationaler Verfahren, begründet also gerade das Interesse für einstweiligen Rechtsschutz. 61 AA wohl Thümmel, FS Rothoeft, 1994, S 97, 108. 62 Ehricke NJW 1991, 2189. 63 EuGHE 1994, I-467 (Mund & Fester v Hatrex) = NJW 1994, 1271 = IPRax 1994, 439 (dazu Geiger, S 415); Schlosser ZEuP 1995, 250; Ress JuS 1995, 967. 64 Thomas/Putzo/Reichold § 918 ZPO Rz 1. 65 Schuschke/Walker § 918 ZPO Rz 1. 66 MüKo-ZPO/Drescher, § 918 ZPO Rz 5. 67 Spellenberg/Leible, S 317.
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40
Daraus folgerten manche Gerichte, dass im einstweiligen Rechtsschutz ausländisches Recht eben doch nicht anzuwenden sei.68 Diese Lösung ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß; sie wird so pauschal wohl auch nicht mehr vertreten. Stattdessen wird in manchen jüngeren Entscheidungen dem Antragsteller die Glaubhaftmachungslast für das ausländische Recht auferlegt.69 Gelingt ihm das nicht, wird die deutsche lex fori angewandt.
41
Diese Anwendung des § 294 ZPO auf ausländisches Recht lässt sich damit rechtfertigen, dass § 293 ZPO ausländisches Recht ähnlich wie Tatsachen behandelt. Gleichwohl ist zu fordern, dass der Richter über die von den Parteien beigebrachten hinaus die Erkenntnisquellen nutzt, die ihm unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit zur Verfügung stehen.70 Die von § 293 ZPO eingeräumte Befugnis zu eigenen Ermittlungen ist längst als Verpflichtung zu interpretieren.71 Von den Parteien ist gleichzeitig zu verlangen, dass sie, schon im eigenen Interesse, das Gericht unterstützen, zB durch Beibringung eines Parteigutachtens.72
42
Die Anwendung der lex fori als Ersatzrecht muss extremen Ausnahmefällen vorbehalten bleiben.73 Will das Gericht die lex fori anwenden, muss es besonders begründen, warum das Risiko einer Fehlentscheidung aufgrund einer unterschiedlichen Rechtslage im Ausland geringer erscheint, als das Risiko des Rechtsverlustes während der Zeit, die bis zur Ermittlung des ausländischen Rechts, regelmäßig also bis zur Einholung eines Gutachtens verstreicht.74 Auch bei der Anordnung der Sicherungsmittel sollte das Gericht im Rahmen seines Ermessens besondere Vorsicht walten lassen. In Fällen der Leistungsverfügung (im Einzelnen dazu unten), bei denen also notwendig die Hauptsache vorweggenommen wird, ist die Anwendung der lex fori als Ersatzrechtsordnung grds abzulehnen.
e) Arrestverfahren 43
Die ZPO lässt für die Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz verschiedene Vereinfachungen gegenüber dem Hauptsacheverfahren zu. Zu nennen sind hier insb der Wegfall der Einlassungsfrist des § 274 III,75 die mögliche Verkürzung der Ladungsfrist nach § 226 I und, als wichtigste Besonderheit, das Absehen von der mündlichen Verhandlung nach § 921 I. 68 OLG Karlsruhe IPRspr. 1975 Nr 48 = StAZ 1976, 19; IPRspr. 1972 Nr 64a und b; OLG Hamburg IPRspr. 1968/69 Nr 101. 69 OLG Hamburg VersR 1989, 1164; OLG Frankfurt NJW 1969, 991, 992; MüKo/Drescher § 920 ZPO Rz 13. 70 So auch MüKo/Drescher, § 920 ZPO Rz 13. 71 Zöller/Geimer § 293 ZPO Rz 19; Schack Rz 704; Schütze WM 1980, 1438, 1440. 72 BGH NJW 1976, 1581, 1583; OLG Frankfurt MDR 1983, 410: Stein/Jonas/Grunsky § 920 ZPO Rz 8. 73 So auch Spellenberg/Leible, S 318; Berger/Otte Kap 18 Rz 122. 74 So wohl auch Schack Rz 704. 75 Thomas/Putzo/Reichold § 274 ZPO Rz 3; Thomas/Putzo/Seiler § 922 ZPO Rz 2; Schellhammer, Zivilprozess, 13. Aufl 2010, Rz 1913; Schuschke/Walker, § 922 ZPO Rz 2.
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Diese gelten grds auch in internationalen Fällen, da das Prozessrecht der lex fori Anwendung findet.76 Zu beachten ist allerdings, dass manche dieser Vereinfachungen zu Schwierigkeiten bei der Anerkennung der Arrestentscheidung im Ausland führen können. Die Auswirkung verschiedener Möglichkeiten der Verfahrensvereinfachung auf die Vollstreckbarkeit im Ausland muss daher in die gerichtliche Ermessensentscheidung einfließen, wie das Verfahren zu gestalten ist. Andere Abweichungen des einstweiligen Rechtsschutzes vom Normalverfah- 44 ren sind dagegen auch mit Blick auf eine eventuelle Auslandsvollstreckung unproblematisch und gelten uneingeschränkt auch in internationalen Fällen. Auch in Fällen mit Auslandsbezug herrscht nach §§ 920 III, 78 III ZPO kein Anwaltszwang. Jeder, auch ein ausländischer Antragsteller, muss in Verfahren des einstwei- 45 ligen Rechtsschutzes keinen Gerichtskostenvorschuss einzahlen, weil diese Verfahren in § 12 I GKG nicht aufgeführt sind. Umstritten ist allerdings, ob eine Ausländersicherheit nach § 110 ZPO zu leisten ist. Die wohl hM lehnt das allerdings ab, solange nicht mündlich verhandelt wird.77 Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Staat des europäischen Rechtsraums sind nach § 110 I ZPO in jedem Fall von der Pflicht zur Sicherheitsleistung befreit (s o § 5 Rz 83).
f) Arrestvollziehung Der Territorialitätsgrundsatz schließt nicht aus, dass eine deutsche Arrestent- 46 scheidung gegenüber einem ausländischen Arrestgegner im Inland vollzogen werden kann. Nach der deutschen ZPO kann mittels Arrestpfändung durchaus auf Vermögen eines Ausländers zugegriffen werden, selbst wenn die internationale Zuständigkeit zum Erlass des Arrestes nur auf § 23 ZPO beruht. Schwierigkeiten ergeben sich aber, wenn der Arrestbefehl mit der Pfändungsanordnung (bezüglich des im Inland belegenen Gegenstandes) ins Ausland zugestellt werden muss. Wegen der damit verbundenen Beschlagnahmewirkung, soll eine solche Zustellung unzulässig sein.78 Eindeutig ist in jedem Fall, dass ein deutsches Gericht nicht durch Arrestpfändung einen im Ausland belegenen Gegenstand pfänden kann. Besonderheiten bei der Arrestvollziehung im Ausland können sich auch dann 47 ergeben, wenn Dritte beteiligt sind, etwa die kontoführende Bank oder ein sonstiger Drittschuldner. Hier ist in der Regel eine Beteiligung des betroffenen Dritten am Arrestverfahren erforderlich,79 jedenfalls aber eine Zustellung an
76 Spellenberg/Leible, S 320. 77 OLG Köln ZIP 1994, 326; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 110 ZPO Rz 3; Zöller/Herget, § 110 ZPO Rz 3; aA Schütze, IZPR, Rz 423 (nur solange kein Antrag gestellt wird). 78 Vgl Gronstedt, S 124ff; Schütze, IZPR, Rz 432. 79 Koch, in: Heldrich/Kono, S 90.
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Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
ihn. Ein Auslandsbezug mit den damit verbundenen Schwierigkeiten kann also allein darauf beruhen, dass ein Drittschuldner im Ausland sitzt. 48
Bilaterale Verträge befassen sich mit dem Arrest nur in wenigen Fällen. Viele bilaterale Vollstreckungsabkommen schließen Arrest und einstweilige Verfügungen ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich aus (vgl Art 12 deutschitalienisches Abkommen v 3.9.1936; Art 14 deutsch-österreichischer Vertrag v 6.6.1959; Art I [3] deutsch-britisches Abkommen v 14.7.1960; Art 17 I Nr 2 deutsch-griechischer Vertrag v 4.11.1961; Art 3 Nr 5 deutsch-spanischer Vertrag v 14.11.1983). Moderner ist insoweit nur der deutsch-niederländische Vertrag v 30.8.1962, der Arreste und einstweilige Verfügungen in Art 1 (2) ausdrücklich als anerkennungsfähige Entscheidungen aufzählt. Die Arrestvollziehung richtet sich auch dann nach autonomem Recht.
3. Internationale einstweilige Verfügungen 49
Entsprechend der Systematik der ZPO gilt auch in dieser Darstellung für die einstweilige Verfügung im Wesentlichen das für den Arrest Gesagte.
a) Internationale Zuständigkeit 50
Die (internationale, örtliche und sachliche) Zuständigkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung folgt aus § 937 I ZPO.80 Hierfür gilt alles zu § 919 1. Alt. ZPO Gesagte entsprechend (s o Rz 30ff), gerade auch bezüglich des Verhältnisses zur Zuständigkeitsordnung der EuGVO bzw des LugÜ. Hinsichtlich einstweiliger Verfügungen in Bezug auf den Besitz oder die Pacht von Grundstücken sind die Gerichte des Lagestaats ausschließlich zuständig (Art 22 Nr 1 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF; §§ 24, 29a ZPO).81 Soweit die Parteien eine Schiedsabrede getroffen haben, bestimmt der Sitz des Schiedsgerichts den Ort des Gerichts der Hauptsache.82
51
Daneben treten noch die Zuständigkeiten des § 942 ZPO. Bei § 942 I ZPO fragt sich, ob dieser doppelfunktional ist, also eine internationale Zuständigkeit begründen kann, wenn Gericht der Hauptsache ein ausländisches Gericht ist. Problematisch erscheint das deshalb, weil die Norm vorauszusetzen scheint, dass das Gericht der Hauptsache auf Basis der gleichen Verfahrensordnung entscheidet. § 942 I ZPO schreibt zwingend eine Anordnung eines Rechtfertigungsverfahrens vor, das vom Hauptsachegericht durchzuführen ist. Gleichwohl wird die Ansicht vertreten, auch § 942 I ZPO begründe eine internationale Zuständigkeit, ohne dass jedoch das Problem des Rechtfertigungsverfahrens erörtert würde.83 Eingeschränkt wird § 942 I ZPO nur insoweit, als die gewöhnlichen Verzögerungen einer Rechtsverfolgung im Ausland nicht ausreichen können, um die besondere Dringlichkeit zu begründen, die für eine Zu80 Vgl Gronstedt, S 288ff; Schuschke/Walker § 937 ZPO Rz 1; Berger/Otte Kap 28 Rz 110. 81 OLG Düsseldorf IPRax 2000, 547. 82 OLG Hamburg RIW 1996, 857. 83 Geimer RIW 1975, 81, 86; Eilers, S 11; Spellenberg/Leible, S 310.
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ständigkeit nach § 942 I ZPO erforderlich ist.84 Dem kann nicht zugestimmt werden. § 942 I ZPO ist nicht doppelfunktional. Vielmehr setzt er eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund von § 937 I zwingend voraus. Diese wird in der Regel auch bestehen, da die Hauptsachezuständigkeit hier ja autonom bestimmt werden kann. Ansonsten müsste nämlich das Amtsgericht der Belegenheit des Streitgegenstandes dem Antragsteller eine Frist zur Fortsetzung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens im Ausland setzen. Das ist schon allein deshalb nicht möglich, weil ausländische Gerichte nicht zur Kooperation verpflichtet werden können.85 Vertretbar ist eine internationale Zuständigkeit daher allenfalls bei § 942 II 52 ZPO, der ein Rechtfertigungsverfahren nicht zwingend vorschreibt.86 Tatsächlich ist hier die Anwendung als internationale Zuständigkeitsnorm allerdings vor allem deshalb weniger problematisch, weil bei grundstücksbezogenen Ansprüchen eine ausländische Hauptsachenzuständigkeit wenig wahrscheinlich ist, zumindest aber das ausländische Gericht deutsches materielles Recht anwenden müsste. Ein im Ausland anhängiges Hauptsacheverfahren sperrt ein inländisches Ver- 53 fahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht. Beide Verfahren haben einen verschiedenen Streitgegenstand.87 Bei parallelen Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes kommt die Rechtshängigkeitssperre des § 261 III ZPO in Betracht, scheitert aber wohl meist, weil die ausländische Entscheidung im Inland nicht anerkannt wird.88
b) Vollzug der einstweiligen Verfügung Auch eine einstweilige Verfügung muss nach §§ 936, 929 II ZPO innerhalb ei- 54 nes Monats vollzogen werden.89 Soweit es dazu einer Auslandszustellung an den Verfügungsschuldner bedarf, wird die Monatsfrist durch den Antrag auf Auslandszustellung gewahrt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt (vgl § 167 ZPO).90 Diese Zustellung ist keine Vollstreckungsmaßnahme iS der Art 38ff EuGVO/LugÜ (bzw Art 39ff EuGVO nF), selbst wenn in der Verfügung bereits gem § 890 II ZPO Ordnungsmittel angedroht werden.91
c) Schadenersatz nach § 945 ZPO Erweist sich die einstweilige Verfügung als ungerechtfertigt, so hat der Gegner 55 einen entstandenen Vollziehungsschaden zu ersetzen. Ein solcher entsteht
84 85 86 87 88 89 90
Eilers, S 11; Spellenberg/Leible, S 310. Zust. Berger/Otte Kap 18 Rz 110. Ebenso Berger/Otte Kap 18 Rz 111. Berger/Otte Kap 18 Rz 112. Berger/Otte Kap 18 Rz 114. Vgl Gronstedt, S 313ff. KG IPRax 2001, 236 (dazu Mennicke, S 202); Schütze, IZPR, Rz 434; Berger/Otte Kap 18 Rz 124. 91 KG IPRax 2001, 236; Schack IZVR Rz 1083; Berger/Otte Kap 18 Rz 125.
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aber nach Ansicht des BGH nur, wenn der Verfügungskläger mit der Vollziehung begonnen hatte. Enthalte eine Unterlassungsverfügung keine Androhung von Zwangsmitteln nach § 890 ZPO, so sei dies nicht der Fall, selbst wenn deren Androhung nur wegen des Auslandssitzes des Antragsgegners unterlassen wurde. Die bloße Parteizustellung der einstweiligen Verfügung ohne deren Vollstreckbarerklärung im Sitzstaat des Gegners löst daher keinen Ersatzanspruch aus.92 Der Ersatzanspruch ist ein selbständiger Anspruch. Die internationale Zuständigkeit für eine auf § 945 ZPO gestützte Klage ist daher unabhängig davon, ob das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im In- oder Ausland durchgeführt wurde.93 Als materielle Anspruchsgrundlage ist § 945 ZPO aber nur bei inländischen Entscheidungen anwendbar.94 Ansonsten ist der Anspruch nach internationalem Deliktsrecht95 (jetzt Art 4 Rom II-VO) zu bestimmen.
d) Probleme der Befriedigungsverfügung 56
In Abweichung von dem Grundsatz, dass eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz die Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, hat die Rechtsprechung die sog Befriedigungsverfügung entwickelt. Hauptfall ist die Leistungsverfügung im Unterhalts- oder Schadenersatzrecht. Ähnlich zu behandeln ist die Unterlassungsverfügung im Wettbewerbs- und Presserecht.96
57
Die Befriedigungsverfügung ist problematisch, weil sie in einem summarischen Verfahren ergeht, dennoch aber über eine bloße Sicherung des Antragstellers hinausgeht.97 Die zumindest faktische Endgültigkeit solcher Verfügungen lässt die im einstweiligen Rechtsschutz bestehenden Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung in einem anderen Licht erscheinen, weil sie zwangsläufig zu einer Verkürzung des rechtlichen Gehörs führen und das Gericht auf weniger sicherer Tatsachengrundlage entscheidet. Umgekehrt führt in bestimmten Situationen eine Verweisung auf das Hauptverfahren faktisch zu einer Verweigerung des Rechtsschutzes. Innerhalb des EuGVO- bzw LugÜSystems hat der EuGH die Zulässigkeit von Leistungsverfügungen in Staaten, in denen keine Hauptsachezuständigkeit nach europäischem Recht besteht, stark eingeschränkt (s o Rz 8, 16).
58
Dieser Konfliktlage wird Rechnung getragen, indem nur unter besonders strengen Voraussetzungen eine solche Befriedigungs- oder Unterlassungsverfügung zugelassen wird. Es bestehen in derartigen Fällen gesteigerte Anforderungen an den Verfügungsgrund. Eine Zahlungspflicht kann durch einstweilige Verfügung nur (zeitlich befristet) angeordnet werden, wenn der Dauerberechtigte
92 93 94 95 96 97
BGH IPRax 1997, 36 (krit. Rohe, S 14). Berger/Otte Kap 18 Rz 128. Berger/Otte Kap 18 Rz 129; Schack IZR Rz 365; Freitag IPRax 2002, 267. Rohe IPRax 1997, 14, 16ff. Spellenberg/Leible, S 295. MüKo/Drescher, § 938 ZPO Rz 13ff.
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auf die Zahlung dringend angewiesen ist und prozessual unverschuldet nicht rechtzeitig zu einem endgültigen Titel kommen kann.98 Darüber hinaus muss dem Antragsteller von Amts wegen aufgegeben werden, 59 binnen einer in der Verfügungsentscheidung zu bestimmenden Frist die Hauptsache anhängig zu machen, sofern sie nicht schon anhängig ist.99 Im Rahmen der Anerkennung ausländischer Entscheidungen sind Leistungs- 60 verfügungen dagegen einfacher zu handhaben, als „normale“ Sicherungs- oder Regelungsverfügungen. Die Tatsache nämlich, dass es sich um endgültige Entscheidungen handelt, macht Befriedigungsverfügungen nach zahlreichen biund multilateralen Abkommen anerkennungsfähig, sobald sie formell rechtskräftig sind (in materielle Rechtskraft erwachsen dagegen Befriedigungsverfügungen nicht). Auch das deutsche Recht erkennt lediglich solche endgültigen Regelungen in summarischen Verfahren an, während andere ausländische Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz nicht anerkennungsfähig sind (s im Einzelnen u Rz 94, 96). Zum Teil beschränkt sich die Anerkennung allerdings auf die unterhaltsrechtlichen Leistungsverfügungen (vgl Art 17 II deutsch-griechischer Vertrag v 4.11.1961).
4. Einstweilige Anordnungen im Familienrecht Schrifttum: P. Finger, Einstweilige Anordnungen nach §§ 49 ff FamFG, MDR 2012, 1197; M. Löhnig/G. Heiß, Die Neuregelung des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem FamFG, FamRZ 2009, 1101; G. Uecker, Zur Frage der Zulässigkeit von einstweiligen Anordnungsverfahren zur Regelung des Trennungsunterhalts für Auslandsdeutsche vor deutschen Gerichten, FPR 2013, 35.
Die wichtigsten einstweiligen Maßnahmen neben Arrest und einstweiliger 61 Verfügung sind die einstweiligen Anordnungen im Familienrecht. In diesem Bereich ist das autonome deutsche Recht von zahlreichen internationalen Abkommen überlagert. Viele dieser Verfahren zählen aber zur freiwilligen Gerichtsbarkeit und sind somit nicht Gegenstand dieser Darstellung. Allerdings soll auf Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit dennoch eingegangen werden, soweit sie zum Scheidungsverbund zählen oder im Zusammenhang mit Scheidungsverfahren stehen.
a) Internationale Zuständigkeit Für Verfahren zur Ehescheidung und über die elterliche Verantwortung sieht 62 Art 20 EheGVO vor, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats einstweilige Maßnahmen nach ihrem jeweiligen Recht erlassen können, und zwar (1) immer, wenn eine internationale Zuständigkeit nach Art 3ff, 8ff EheGVO besteht, oder (2) darüber hinaus in dringenden Fällen in Bezug auf die in dem betreffenden Staat befindlichen Personen oder Vermögensgegenstände. In diesem Fall sowie außerhalb des Anwendungsbereichs der EheGVO ergibt sich die interna98 Vgl Thomas/Putzo/Seiler § 940 ZPO Rz 7/8; Schuschke/Walker/Schuschke Vor § 935 Rz 44. 99 MüKo/Drescher, § 938 ZPO Rz 17.
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tionale Zuständigkeit auch für den Erlass einstweiliger Anordnungen nach § 49 FamFG aus §§ 98–105 FamFG. 63
Nach dem FamFG kann eine einstweilige Anordnung gem §§ 49ff FamFG in allen Familiensachen unabhängig von der Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens beantragt werden. In Antragsverfahren muss das Gericht dem Antragsteller auf Antrag der Gegenseite eine Frist zur Einleitung eines Hauptsacheverfahrens oder zur Stellung eines VKH-Antrags setzen (§ 52 II 1 FamFG). Stellt der Antragsteller keinen entsprechenden Antrag, wird die einstweilige Anordnung aufgehoben (§ 52 II 3 FamFG).
b) Die einzelnen Familiensachen (1) Elterliche Verantwortung 64
Innerhalb der EU (ohne Dänemark) gelten für Verfahren über die elterliche Verantwortung die Art 8ff EheGVO. Danach sind grds die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind bei Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 8 I EheGVO). Bei einem rechtmäßigen Umzug ins Ausland bleiben die Gerichte des früheren Aufenthaltsstaats noch drei Monate lang zuständig (Art 9 I EheGVO).
65
Bei einer Kindesentführung bleiben die Gerichte des bisherigen Aufenthaltsstaats zuständig, bis alle Sorgeberechtigten dem neuen Aufenthalt zugestimmt haben oder sich das Kind wenigstens ein Jahr in dem neuen Staat aufhält, ohne dass ein Rückgabeantrag gestellt wurde (Art 10 EheGVO).
66
Über einen Antrag auf Rückgabe eines entführten Kindes haben die Gerichte des neuen Aufenthaltsstaats mit „der gebotenen Eile“ und nach „dem zügigsten Verfahren des nationalen Rechts“ zu entscheiden (Art 11 III EheGVO). Einzelheiten des Verfahrens sind in Art 12f HKÜ und in Art 11 II–VIII EheGVO geregelt.
67
Die elterliche Sorge ist nach § 1671 BGB im Scheidungsfall und nach § 1672, 1671 BGB für das Getrenntleben der Eltern in einem FamFG-Verfahren zu regeln. Gleiches gilt für den Herausgabeanspruch des Sorgeberechtigten aus § 1632 BGB und das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils aus § 1634 BGB.
68
Eine vorläufige Regelung kann nach § 49 ff FamFG durch einstweilige Anordnung erfolgen. Auf die Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens kommt es insoweit nicht mehr an. In internationalen Fällen besteht eine Eilzuständigkeit nach Art 20 I EheGVO.100 Das Gericht erlässt in dringenden Fällen Maßnahmen zum Schutz von Personen oder Sachen in dem betreffenden Staat nach seinem eigenen Recht. Außerhalb des Anwendungsbereichs der EheGVO besteht eine Eilzuständigkeit nach Art 11 KSÜ bzw Art 9 MSA; das Gericht erlässt seine Maßnahmen nach der lex fori.101 100 Vgl Berger/Otte Kap 18 Rz 165ff; MüKo/Gottwald, FamFG, Art 20 Brüssel IIa-VO Rz 1ff. 101 Staudinger/Kropholler (2003), Vorbem zu Art 19 EGBGB Rz 493ff.
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(2) Unterhalt Im Bereich des Unterhaltsrechts unterscheidet sich die einstweilige Anord- 69 nung nach §§ 246–248 FamFG von der allgemeinen Regelung. Einstweilige Anordnungen für den Kindesunterhalt, den Ehegattenunterhalt und die Unterhaltsansprüche der mit dem Mann nicht verheirateten Mutter können in voller Höhe geltend gemacht werden; ein Nachweis besonderer Dringlichkeit ist entbehrlich. Zuständig ist das Gericht der Hauptsache (§ 50 FamFG). Innerhalb der EU- 70 Staaten folgt die internationale Zuständigkeit aus Art 3ff EuUnthVO102 bzw §§ 105, 232 FamFG (Art 14 EuUnthVO), im Verhältnis zu Drittstaaten nur aus den §§ 105, 232 FamFG. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 232 FamFG.
(3) Unterhalt im Abstammungsverfahren Sobald ein Rechtsstreit auf Feststellung des Bestehens der Vaterschaft in 71 Deutschland anhängig ist, können Kind und Mutter nach § 248 FamFG bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragen, die den Unterhalt für Kind und Mutter regelt. Das Gericht kann Zahlung oder Sicherheitsleistung anordnen und die Höhe des Unterhalts regeln.
(4) Prozesskostenvorschuss Sofern materielles deutsches Recht anwendbar ist, ergibt sich der materiell- 72 rechtliche Anspruch auf einen Prozesskostenanspruch (Verfahrenskostenvorschuss) gegen den Ehegatten während der Ehe aus § 1360a IV BGB, während des Getrenntlebens aus §§ 1361 IV S 4, 1360a IV BGB. Nach der Scheidung gibt es nach deutschem Recht keinen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss mehr.103 Im Eltern-Kind-Verhältnis zählt ein Prozesskostenvorschuss zum angemessenen Unterhalt nach § 1610 BGB, Anspruchsgrundlage ist demnach § 1601 BGB.104 Nach § 246 Abs. 1 FamFG kann in all diesen Fällen die Verpflichtung zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren durch einstweilige Anordnung geregelt werden.105
73
Einschlägige Kollisionsnorm für den Anspruch auf Prozesskostenvorschuss 74 ist Art 15 EuUnthVO iVm Art 3ff UnthProt, da der Prozesskostenvorschuss zum Unterhaltsrecht gehört106 (s o § 5 Rz 160ff). Es ist nicht einfach an die lex fori als Prozesskostenhilfestatut anzuknüpfen. Nach Art 15 EuUnthVO iVm 102 103 104 105
Vgl Uecker FPR 2013, 35. BGHZ 89, 33 = FamRZ 1984, 465; Palandt/Diederichsen, § 1578 BGB Rz 45. MüKo/Born, § 1610 BGB Rz 156ff. Vgl Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rz 17ff. Schulte-Bunert/Weinreich/ Schwonberg, § 246 FamFG Rz 18ff; Musielak/Borth, § 246 FamFG Rz 20ff. 106 Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Anh Rz 28; MüKo/Siehr Art 18 EGBGB Anh 1 Rz 34.
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Art 3ff UnthProt ist deutsches Recht grds dann anzuwenden, wenn der Unterhaltsgläubiger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Hat der Unterhaltsgläubiger die Gerichte im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verpflichteten angerufen, so ist das Recht im Staat des angerufenen Gerichts maßgeblich und nur hilfsweise das Recht des Aufenthaltsstaats des Berechtigten (Art 4 III UnthProt). 75
Die Qualifikation des Prozesskostenvorschusses als Unterhalt führt grds zur Anwendbarkeit der EuUnthVO bzw des LugÜ. Soweit die internationale Zuständigkeit für das Scheidungsverfahren nur auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien beruht, ist das Gericht nicht unbedingt auch für die Unterhaltssache zuständig (Art 3 lit c EuUnthVO; Art 5 [2] lit c LugÜ 2007). Soweit die Zahlung des Prozesskostenzuschusses aber mittels einstweiliger Anordnung begehrt wird, ist dies irrelevant, da eine Zuständigkeit nach nationalem Recht insoweit genügt (Art 14 EuUnthVO; Art 31 LugÜ 2007).
(5) Ehewohnung, Hausrat, Gegenstände des persönlichen Gebrauchs 76
Einstweilige Anordnungen zur Regelung der Benutzung der Ehewohnung und des Hausrats können, während ein Scheidungsverfahren anhängig ist, aufgrund von § 49 FamFG getroffen werden. Die Verfahrensnormen der §§ 49ff FamFG sind auch dann anwendbar, wenn sich die materielle Rechtslage nicht nach deutschem Recht richtet, weil insoweit die lex fori gilt.107 Für die im Inland belegene Ehewohnung und die im Inland belegenen Haushaltsgegenstände hat der Gesetzgeber in Art 17a EGBGB108 angeordnet, dass sich die Zuteilung nach deutschem Sachrecht richtet. Über eine im Ausland belegene Wohnung oder dort belegene Haushaltsgegenstände hat ein deutsches Gericht wohl nur selten zu entscheiden. Anzuwenden ist dann nicht das Belegenheitsstatut, sondern das Ehewirkungs- bzw Scheidungsstatut.109
77
Nicht zum Hausrat zählen Gegenstände, die zum persönlichen Gebrauch eines einzelnen Familienmitglieds bestimmt sind, insbesondere Ausweise, Urkunden, Kleidung oder Schmuck.110 Auch insoweit können einstweilige Anordnungen nach Art 20 EheGVO bzw §§ 98, 99 FamFG iVm §§ 49ff FamFG ergehen. Materielle Anspruchsgrundlage kann Art 43 I EGBGB iVm § 985 BGB sein. Der Herausgabeanspruch ist jedoch von der Eigentumslage unabhängig. Die verfahrensrechtliche Regelung dient in Fällen, in denen der Nichteigentümer die Herausgabe beantragt, zugleich als materiellrechtliche Anspruchsgrundlage.111 Problematisch ist das allerdings dann, wenn nicht deutsches materielles Recht anzuwenden ist. Diese Fälle sind jedoch zumindest dann selten, wenn man auch diese Herausgabepflicht zum Unterhaltsrecht zählt. Nach anderer Ansicht ergibt sich der Herausgabeanspruch bei einem Ehegat107 MüKo/Weber-Monecke, § 1361a BGB Rz 7. 108 Eingefügt durch Gesetz v 11.12.2001 (BGBl I 3513). 109 MüKo/Winkler v. Mohrensfels, Art 17a EGBGB Rz 13f; D. Henrich, Internationales Scheidungsrecht, 2. Aufl 2012, Rz 153. 110 v. Heintschel-Heinegg, Das Verfahren in Familiensachen, 6. Aufl, Rz 461. 111 v. Heintschel-Heinegg (vorherige Fn) Rz 461.
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ten vor der Rechtskraft der Scheidung aus § 1353 BGB, bei einem Kind aus § 1601 BGB. Die internationale Zuständigkeit für Ehewohnungs- und Haushaltssachen folgt für Eilmaßnahmen im Zusammenhang mit der Scheidung aus Art 20 EheGVO, sonst aus §§ 105, 200 FamFG112.
(6) Gewaltschutz, Kontaktverbote Bei einem gemeinsamen Haushalt kann das Gericht über Art 17a EGBGB auch 78 Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen (§ 1 GewSchG) treffen sowie anordnen, dass die gemeinsam benutzte Wohnung dem Antragsteller zur Alleinbenutzung überlassen wird (§ 2 GewSchG). Nach der geplanten EU-Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von 79 Schutzmaßnahmen in Zivilsachen113 sind Schutzmaßnahmen in allen EUMitgliedstaaten anzuerkennen (E Art 4). Titel über Schutzmaßnahmen werden ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckt (E Art 9). Zur Vollstreckung muss die Partei lediglich die Schutzanordnung und eine Bescheinigung der Vollstreckbarkeit (E Art 5, 6), ggf auch in Übersetzung (E Art 5 IV) vorlegen.
(7) Zugewinnausgleich Nach der Neuregelung des Zugewinnausgleichs zum 1.9.2009 kann mit dem 80 Antrag auf Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zugleich unmittelbar Zahlung des Zugewinns beantragt werden (§§ 1385, 1386 BGB). Verlangt der Ausgleichsberechtigte danach vorzeitigen Zugewinnausgleich, so kann er den zukünftigen Anspruch durch Antrag auf Erlass eines Arrests nach § 916 ZPO sichern lassen.114 Dies gilt auch, wenn eine Ehesache anhängig ist.115 Durch einstweilige Anordnung nach § 49 FamFG kann die Zahlung von Zugewinnausgleich jedenfalls nicht angeordnet werden.
81
Die internationale Zuständigkeit für Eilmaßnahmen im Bereich des Zuge- 82 winnausgleichs ergibt sich zur Zeit nur aus dem autonomen Recht. International zuständig ist das Gericht der Hauptsache (§ 919 ZPO; §§ 105, 262 FamFG), dh das Gericht der Ehesache oder das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners.116 Nach Inkrafttreten der geplanten EU-Güterrechtsverordnung117 folgt die inter- 83 nationale Zuständigkeit aus Art 4ff EuGüterRVO (Rom IVa-VO). Das Gericht der Ehesache ist dann nur nach Vereinbarung der Ehegatten zuständig. Ohne eine solche Vereinbarung sind die Gerichte des Staats (1) des gemeinsamen Aufenthalts, (2) des letzten gemeinsamen Aufenthalts, (3) des Aufenthalts des 112 113 114 115 116 117
MüKo/Erbarth, ZPO, 3. Aufl 2012, § 200 FamFG Rz 84f. KOM (2011) 276 endg; abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 188. Brudermüller FamRZ 2009, 1184, 1189; Prütting/Helms/Stößer, § 49 FamFG Rz 15. Prütting/Helms, § 119 FamFG Rz 7ff. D. Henrich, Internationales Scheidungsrecht, 2. Aufl 2012, Rz 257. Vgl KOM (2011) 126/2; abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 33.
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Antragsgegners, (4) der Staatsangehörigkeit beider Ehegatten oder (5) des für den ehelichen Güterstand gewählten Rechts zuständig.
5. Selbständiges Beweisverfahren 84
Schrifttum: Ahrens, Grenzüberschreitende selbständige Beweisverfahren, FS Schütze, 1999, S 1; Ahrens, Internationale Beweishilfe bei Beweisermittlungen im Ausland nach Art 7 der Enforcementrichtlinie, FS M. Loschelder, 2010, S 1; L. Dörschner, Beweissicherung im Ausland, 2000 (Deutschland, Schweiz, Frankreich); Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland und ihre Verwendung im deutschen Zivilprozess, 2002; Gronstedt, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, 1994, S 172ff, 216ff; N. v. Hartz, Beweissicherung im gewerblichen Rechtsschutz und Verkehrsrecht, Diss Freiburg 2003/04; Ch. Heinze, Beweissicherung im europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 480; Mankowski, Selbständige Beweisverfahren und einstweiliger Rechtsschutz in Europa, JZ 2005, 1144; Meilicke, Beweissicherungsverfahren bei Auslandssachverhalten, NJW 1984, 2017; Stürner, Das ausländische Beweissicherungsverfahren, IPRax 1984, 299; Wussow, Zur Sachverständigentätigkeit im Ausland bei anhängigen (deutschen) Beweissicherungsverfahren, FS Korbion, 1986, S 493.
a) Inländisches Beweissicherungsverfahren für Beweismittel im Ausland 85
Grenzüberschreitende selbständige Beweisverfahren nach §§ 485ff ZPO waren bisher selten. Denn generell war es einfacher, die Beweissicherung im Staat des Hauptsacheverfahrens zu betreiben. International zuständig für das selbständige Beweisverfahren sind nach § 486 I, II ZPO die Gerichte der Hauptsache, lediglich in dringenden Fällen kann der Antrag auch beim Amtsgericht gestellt werden, in dessen Bereich sich das Beweismittel befindet (§ 486 III ZPO).118 In europäischen Fällen sind die Art 31 EuGVO/LugÜ nach hM nicht anwendbar.119 (Die neu gefasste EuGVO bezieht dagegen Anordnungen zur Beweiserhebung oder Beweissicherung iS der Art 6 u 7 der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG v 29.4.2004 in den Begriff der einstweiligen Maßnahmen mit ein.) Folglich ist das Gericht der Hauptsache wie bei Arrest und einstweiliger Verfügung autonom zu bestimmen; die Beweissicherung kann bei dem nach autonomem Recht zuständigen Gericht beantragt werden. Soweit eine Beweissicherung im EU-Ausland erforderlich wird, kann sie nach der EuBewVO durchgeführt werden, da die Verwendung in einem „zu eröffnenden gerichtlichen Verfahren“ genügt (s o § 9 Rz 9ff).120 Die französische Literatur subsumiert freilich die „saisie-contrefaçon“, dh eine Beweissicherung für eine Patentverletzung (gem Art L 615-5 CPI) unter Art 31 EuGVO.121
86
Ein nach diesen Grundsätzen international zuständiges deutsches Gericht wendet die ZPO als lex fori an.122 Soweit sich das Beweismittel im Ausland 118 Dörschner, S 153ff. 119 EuGHE 2005, I-3497 (St. Paul Dairy v Unibel Exser) = RIW 2005, 538 = JZ 2005, 1166, 1167 (Rz 17ff); aA Mankowski JZ 2005, 1144; Berger/Otte Kap 18 Rz 141; Ch. Besso, Provisional measures and taking of evidence, in Stürner/Kawano, Comparative studies on enforcement and provisional measures, 2011, S 390. 120 Rauscher/v. Hein Art 1 EG-BewVO Rz 52. 121 Vgl Treichel GRUR Int 2001, 690, 698. 122 Dörschner, S 169f (gegen Beachtung der lex causae bei der Beweissicherung).
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befindet, kommt im Rahmen von Art 17 EuBewVO eine Beweisaufnahme des deutschen Gerichts im Ausland, eine Beweisaufnahme durch deutsche diplomatische oder konsularische Vertreter im Ausland nach Art 15ff HBÜ 1970 oder eine Beweisaufnahme durch das ausländische Gericht nach einem Rechtshilfeersuchen gem Art 1ff HBÜ in Betracht. Streitig ist, ob ein in Deutschland bestellter Sachverständiger im Ausland (ohne Zwang) tätig werden kann. Da er selbst nicht hoheitlich tätig wird, bestehen jedoch keine Bedenken.123 Ebenso kann das deutsche Gericht einen zur Tätigkeit bereiten Sachverständigen mit Aufenthalt im Ausland bestellen (s o § 9 Rz 115, 141f).124 Zum Teil wird allerdings die Ansicht vertreten, eine Bestellung sei nur im Wege der Rechtshilfe zulässig.125
b) Selbständiges Beweisverfahren ohne Hauptsachezuständigkeit Das widerspricht in vielen Fällen aber den Interessen an einer schnellen Be- 87 weissicherung, weil Rechtshilfeverfahren langwierig sein können. Deshalb kann entsprechend dem Grundgedanken des § 486 III ZPO ein Beweisverfahren der Schnelligkeit halber auch ohne Hauptsachezuständigkeit im jeweiligen Ausland angestrengt werden, wenn der entscheidende Beweis dort zu erheben ist.126
c) Verwertung des ausländischen Beweises Deutsche Gerichte haben gelegentlich die Verwertung derart gewonnener Be- 88 weise im deutschen Hauptsacheverfahren nach § 493 I ZPO verweigert.127 Aber diese Rechtsprechung entspricht im Ergebnis nicht den Erfordernissen des internationalen Wirtschaftsverkehrs.128 Sie ist auch deshalb nicht überzeugend, weil das über ein Rechtshilfeersuchen angerufene ausländische Gericht bei der Beweisaufnahme in der Regel sein eigenes Beweisrecht anwendet. § 486 I ZPO begründet keine ausschließliche deutsche internationale Zuständigkeit, so dass die Ergebnisse einer ausländischen (sichernden) Beweiserhebung im Inland verwertbar sind.129 Einer formellen Anerkennung bzw Vollstreckbarerklärung bedarf es nicht. Allerdings ist das ausländische Beweisergebnis nicht nach § 493 ZPO zu übernehmen,130 sondern im Wege des
123 Geimer, IZPR, Rz 445; Wussow, FS Korbion, S 493, 495; Stein/Jonas/Berger, § 363 ZPO Rz 17; aA Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, 1989, S 42; Dörschner, S 176ff. 124 Geimer, IZPR, Rz 441; Stein/Jonas/Berger § 363 ZPO Rz 6. 125 Stein/Jonas/Berger, § 363 ZPO Rz 17. 126 Vgl Rauscher/v. Hein Art 1 EG-BewVO Rz 53f; H.-J. Ahrens, FS Loschelder, 2010, S 1, 11. 127 OLG Köln NJW 1983, 2779; krit. Stürner IPRax 1984, 299. 128 So auch Meilicke NJW 1984, 2017, der eine Einordnung unter die einstweiligen Maßnahmen nach Art 24 EuGVÜ (jetzt Art 31 EuGVO) propagierte. 129 Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland und ihre Verwertung im inländischen Zivilprozess, 2002, S 236ff; Schütze, IZPR, Rz 241. 130 Für analoge Anwendung in geeigneten Fällen Dörschner, S 199.
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frei zu würdigenden Urkundenbeweises in das inländische Verfahren einzuführen.131 Das ausländische Verfahren muss dann nicht voll dem deutschen entsprechen, sondern lediglich funktionell vergleichbar sein.132 Unter diesen Voraussetzungen hemmt auch der Beweissicherungsantrag im Ausland die Verjährung gem § 204 I Nr 7 BGB.133 89
Die Verwertung eines solchermaßen gewonnenen Beweises kann auch keinesfalls verweigert werden. Lediglich bei der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO kann berücksichtigt werden, wenn das konkrete Vorgehen der Parteien oder das ausländische Beweisverfahren Zweifel an der Glaubwürdigkeit aufkommen lassen.134
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Sofern ein ausländisches Beweisverfahren nicht von einem deutschen Gericht angeordnet wurde, können die Kosten für dieses Verfahren nicht im Rahmen der Kostenentscheidung ausgeglichen werden.135 Allerdings wird die obsiegende Partei diese Kosten als Schadenersatz aufgrund einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage fordern können.
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Umgekehrt ist fraglich, ob ein selbständiges Beweisverfahren nach § 486 III ZPO am deutschen Amtsgericht der Belegenheit des Beweismittels beantragt werden kann, wenn (beabsichtigtes) Gericht der Hauptsache ein ausländisches Gericht ist.136 Um der Effektivität des Rechtsschutzes willen sollte diese Möglichkeit auch dann bejaht werden, wenn das ausländische Gericht ein entsprechendes Beweissicherungsverfahren kennt und das deutsche Gericht im Wege der Rechtshilfe um die Beweiserhebung ersuchen könnte.137
d) Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums 92
Die Richtlinie 2004/48/EG v 29.4.2004138 stellt in Art 7 Anforderungen an Maßnahmen zur Beweissicherung, denen die §§ 485ff ZPO nicht genügen. Zur Umsetzung wurden deshalb materielle Auskunftsansprüche (§ 140c PatG, § 24c GebrMG, § 46a GeschmMG, § 101a UrhG und § 19a MarkenG) eingeführt, die durch einstweilige Verfügung durchgesetzt werden können.139
131 132 133 134 135
136 137 138 139
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Ahrens, FS Schütze, S 1, 12f; Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 139. Spickhoff IPRax 2001, 37, 38ff. LG Hamburg IPRax 2001, 45, 46f (dazu Spickhoff, S 37). Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, S 147. Insoweit richtig OLG Hamburg IPRax 2000, 530 (dazu Försterling, S 499); OLG Köln NJW 1983, 2779; aA wohl Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, S 147; Ahrens, FS Schütze, S 1, 13. Vgl Stürner IPRax 1984, 299, 300. Ahrens, FS Schütze, S 1, 11. ABl EU L 157 v 30.4.2004; ber. ABl EU L 195 v 2.6.2004. Vgl Seichter WRP 2004, 391, 396; Ch. Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht, 2007; C. Götz, Tatsachen- und Informationsbeschaffung im Immaterialgüterrechtsprozess, 2012, S 209ff.
Autonomes deutsches Recht
§ 17
6. Vollstreckung ausländischer einstweiliger Maßnahmen im Inland Ob eine ausländische Entscheidung im Inland vollstreckt wird, entscheidet 93 sich im autonomen Recht grds nach §§ 723 II S 2, 328 ZPO. Ist die Entscheidung nach § 328 ZPO anerkennungsfähig, kann auch eine Vollstreckungsklausel für sie erteilt werden. Vorrangig gelten zwar zunächst multi- und bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen, diese schließen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz aber in zahlreichen Fällen aus ihrem Anwendungsbereich aus, so dass in den meisten Fällen ein Rückgriff auf §§ 723 II, 328 ZPO erforderlich ist. Nach § 723 II ZPO ist nur eine rechtskräftige ausländische Entscheidung in Deutschland vollstreckbar. Sofern damit eine materielle Rechtskraft gemeint ist, sind einstweilige Entscheidungen nicht vollstreckbar, was auch der hM entspricht.140 Zwingend ist das deshalb nicht, weil auch Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz jedenfalls in formelle Rechtskraft erwachsen.141 Von dieser Behandlung ausgenommen, dh einer Anerkennung und Vollstre- 94 ckung in Deutschland fähig, sind jedoch Leistungsverfügungen.142 Soweit mit ausländischen Staaten bilaterale Abkommen bestehen, führen die- 95 se idR nicht zu erleichterter Anerkennung und Vollstreckung. Zahlreiche Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge schließen vorläufige Entscheidungen aus ihrem Anwendungsbereich aus. Das geht zum Teil auf deutsche Initiative zurück.143 Nicht anerkannt werden Arreste und einstweilige Verfügungen nach Art 1 deutsch-schweizerisches Abkommen v 2.11.1929, Art 12 deutschitalienisches Abkommen v 3.9.1936, Art 14 deutsch-österreichischer Vertrag v 6.6.1959, Art I (3) deutsch-britisches Abkommen v 14.7.1960, Art 3 Nr 4 deutsch-norwegischer Vertrag v 17.6.1977 und Art 3 Nr 5 deutsch-spanischer Vertrag v 14.11.1983. Eine zweite Gruppe von bilateralen Abkommen nimmt Entscheidungen des 96 einstweiligen Rechtsschutzes zwar grds von der Anerkennung aus, erlaubt aber die Anerkennung von Leistungsverfügungen. Das ist der Fall nach Art 17 I Nr 2, II deutsch-griechischer Vertrag v 4.11.1961, Art 1 (1) deutsch-belgisches Abkommen v 30.6.1958, Art 4 (1) Nr 7, (2) deutsch-israelischer Vertrag v 20.7.1977 (der allerdings nur einstweilige Verfügungen im Unterhaltsrecht einbezieht) und Art 27 (1), (4) deutsch-tunesischer Vertrag v 19.7.1966. Moderner ist der deutsch-niederländische Vertrag v 30.8.1962, der Arreste und einstweilige Verfügungen in Art 1 (2) ausdrücklich als anerkennungsfähige Entscheidungen aufzählt.
140 141 142 143
Berger/Otte Kap 18 Rz 134. Koch, S 86. Vgl MüKo/Gottwald, § 328 ZPO Rz 66, 68f, § 723 ZPO Rz 3f. Geimer/Schütze I, 2. Halbbd, S 1441 in Fn 56.
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§ 17
Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
IV. Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten 1. Schrifttum 97
I. Andolina, New perspectives for provisional measures (Italy), ZZPInt 9 (2004), 87; Ch. Berger/K. Otte, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, 2006, Kap 18 Rz 187ff; Bermann, Ristau, McLachlan and Schlosser, Provisional and Protective Measures, in: Goldsmith, International Dispute Resolution, 1997, S 99–209; S Campbell, Attacking foreign assets, 1992; Capper, The Trans-Jurisdictional Effects of Mareva Injunctions, Civil Justice Q. 15 (1996), 211; Collins, The Territorial Reach of Mareva Injunctions, L.Q.Rev. 1989, 262; Collins, Provisional and Protective Measures in International Litigation, RdC 234 (1992-III), 9–238 = Collins, Essays in international litigation, 1994, S 1; M. de Cristofaro, Provisional and Protective Measures in Globalized Transnational Litigation, in Stürner/Kawano, Comparative Studies on Enforcement and Provisional Measures, 2011, S 345; Cromie, International Commercial Litigation, 1990, S 285ff (Interlocutory relief); Deren-Yildirim, Der Einfluss des Fremdenrechts im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes, Dike Int. 2000, 1159; Dohmann/Briggs, „Worldwide Mareva“ Injunctions and the enforcement of Foreign Judgments in England, in: Schlosser (Hrsg), Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 157; J. Epp, World-Wide Mareva injunctions in common law Canada, M.L.R. 59 (1996), 460; E. Gaillard, Anti-suit injunctions et reconnaisance des sentences annulées au siège, J.D.I. 130 (4, 2003), 1105; R. Gassmann, Arrest im internationalen Rechtsverkehr, Zürich 1998; F. Gerhardt, L’exécution forcée transfrontière des injonctions extraterritoriales non pécuniaires en droit privé, 2000; Greiner, Der vorsorgliche Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, ZBernJV 130 (1994), 649; J. Grunert, Interlocutory remedies in England and Germany, Civil Justice Quarterly 15 (1996), 18; J. Grunert, Die „world-wide“ Mareva Injunction: eine Zwischenbilanz, 1998; Hartwieg/ Grunert, Bedarf und Möglichkeiten provisorischer Eilverfügungen im E-Commerce, ZIP 2000, 721; Ch. Heinze, Internationaler einstweiliger Rechtsschutz, RIW 2003, 922; Ingenhoven, Grenzüberschreitender Rechtsschutz im europäischen Zivilrechtsverkehr, 2001; C. Kessedjian, Note on Provisional and Protective Measures in Private International Law and Comparative Law, Hague Conference, Prel. Dok. No 10, 1998; Killias, Internationale Zuständigkeit für Arrest- und Arrestprosequierungsverfahren in der Schweiz, RIW 1996, 1005; B. Knothe, Einstweiliger Rechtsschutz im spanischen und deutschen Zivilprozessrecht, 1999; C. McLachlan, The continuing controversy over provisional measures in international disputes, Intern. Law Forum 7 (2005), 5; Matthews, Provisional and protective measures in England and Ireland at common law and under the convention, Civil Justice Q. 14 (1995), 190; I. Meier, „Swiss-Worldwide-Mareva“ im Scheidungsprozess?, FS Heini, 1995, S 277; Merkt, Les mesures provisoires en droit international privé, 1993; B. Müller, Die worldwide Mareva injunction, 2002; L. Newman/M. Burrows, The Practice of International Litigation, 1998 (Part II); P. Norrenberg, Die Anton Piller Order, 1998; P. Nygh, Provisional and protective measures in international litigation, The Helsinki Principles, RabelsZ 62 (1998), 115; B. Rodger, Interim relief in support of foreign litigation?, CJQ 18 (1999), 199; L. Schrader, Einstweiliger Rechtsschutz von Zahlungsansprüchen des Wirtschaftsverkehrs im spanischen und deutschen Zivilprozess, 1999; Stolper, Einstweiliger Rechtsschutz im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, Jahrbuch f. Ital. Recht Bd 7, 1994, S 213; Treichel, Die französische Saisie-contrefaçon im europäischen Patentverletzungsprozess. Zur Problematik der Beweisbeschaffung im Ausland nach Art 24 EuGVÜ, GRUR Int 2001, 690; N. Trocker, Provisional Remedies in transnational Litigation: A comparative outline in forms of judicial cooperation, in Stürner/Kawano, Comparative studies on enforcement and provisional measures, 2011, S 271; P. de Vareilles-Sommières, La compétence internationale des tribunaux français en matière de mesures provisoires, Rev crit 1996, 397; Verheul/Wade, Prejudgment attachment of movables in french, dutch and english law, Essays in honour of Voskuil, 1992, 377; Walter, Vorläufiger Rechtsschutz in der Schweiz, FS Nakamura, 1996, S 657; P. Yessiou-Faltsi, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz nach autonomem
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Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten
§ 17
griechischen Recht, FS Schlosser, 2005, S 1141; Zeiler, Internationales Sicherungsverfahren, 1996; G. Zondler, Schweizer Arrest auf Vermögenswerte im Ausland?, AJP/PJA 2005, 573. Materialien: International Law Association, The Helsinki Principles on Provisional and Protective Measures in International Litigation, RabelsZ 62 (1998), 128.
Für eine detaillierte Darstellung des einstweiligen Rechtsschutzes im Ausland 98 ist dies nicht der richtige Rahmen. Es sollen aber einige Grundprinzipien dargestellt werden. Die Ausführungen beschränken sich auf einige wichtige Staaten. Welche Behelfe des einstweiligen Rechtsschutzes angeboten werden, ist eine Frage der jeweiligen lex fori: Die Abgrenzung von einstweiligem und endgültigem Rechtsschutz ist innerhalb der EU autonom vorzunehmen. Einstweilige Maßnahmen sollen einen Status quo sichern, damit eine spätere Hauptsacheentscheidung noch durchgesetzt werden kann.144
2. Belgien Die Sicherung von Geldforderungen kann in Belgien durch die saisie conser- 99 vatoire erreicht werden, die in den Art 1413–1493 Code judiciaire (c.j.) geregelt ist. Die saisie conservatoire gibt es in drei Erscheinungsformen, die jeweils nach dem Sicherungsgegenstand unterschieden werden. Die Sicherung aus beweglichem Vermögen erfolgt durch den saisie mobilière conservatoire (Art 1422–1428 c.j.), die Sicherung aus unbeweglichem Vermögen durch die saisie immobilière conservatoire (Art 1429–1444 c.j.) und die Pfändung von Forderungen durch die saisie-arrêt conservatoire (Art 1445–1460 c.j.). Weiteres Instrument des einstweiligen Rechtsschutzes, das in etwa der deutschen einstweiligen Verfügung entspricht, ist der référé (Art 1035–1040 c.j.).145
3. Frankreich Für den einstweiligen Rechtsschutz gibt es grds zwei Verfahrensarten, ein An- 100 tragsverfahren ohne Anhörung des Gegners – ordonnance sur requête – und ein streitiges Verfahren – ordonnance de référé.146 Aufgrund dieser Verfahren können verschiedenartige Maßnahmen erlassen bzw angeordnet werden. Das requête-Verfahren führt zu einer Anordnung ohne Anhörung des Gegners. Daher steht es nur zur Verfügung, wenn eine Kenntnis des Gegners von der Maßnahme deren Erfolg zu gefährden droht.147 Ansonsten kann in Fällen besonderer Dringlichkeit („cas d’urgence“) ein réfé- 101 ré-Verfahren eingeleitet werden. Neben der urgence ist Zulässigkeitsvoraussetzung, dass keine Vorwegnahme der Hauptsache angestrebt wird. Über Punkte,
144 EuGHE 1992, I-2149 (Reichert v Dresdner Bank) = IPRax 1993, 26 (dazu Schlosser, S 17). 145 Vgl Eilers, Maßnahmen, S 107; Berger/Otte Kap 18 Rz 220. 146 Eilers, S 89; Kessedjian No 82ff; Berger/Otte Kap 18 Rz 211ff. 147 Morbach, Einstweiliger Rechtsschutz, S 138.
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Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
die zwischen den Parteien streitig sind („sérieusement contésté“), darf nur im Hauptsacheverfahren entschieden werden.148 Da es unter Beteiligung des Gegners durchgeführt wird, können bestimmte Maßnahmen nur durch référé, nicht aber durch requête angeordnet werden. Zudem kann es als Rechtfertigungsverfahren für eine Maßnahme dienen, die im requête-Verfahren erlassen wurde. Die référé-Entscheidung wirkt wie ein vorläufig vollstreckbares Urteil, Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung.149 Vor der Vollstreckung kann eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. 102 Mit die größte Bedeutung haben auch im französischen Recht die Maßnahmen der Vollstreckungssicherung (mesures conservatoires). Daneben können aber zB auch Beweissicherungsverfahren angestrengt werden.150 Die mesures conservatoires finden ihre Grundlage im loi n° 91–650 v 9. Juli 1991 und im décret n° 92–755 v 31.7.1992. Das Verfahren bestimmt sich zum Teil nach dem CPC.151 103 Die saisie conservatoire, die dem deutschen dinglichen Arrest vergleichbar ist, dient der Erhaltung des beweglichen Vermögens als Vollstreckungsgegenstand durch Erlass eines Verfügungsverbotes.152 Gegenstand eines solchen Verfügungsverbots können neben beweglichen Sachen auch Geldforderungen, Wertpapiere und Anteilsrechte sein. Dagegen ist eine Lohnpfändung zu Sicherungszwecken nicht möglich.153 Voraussetzungen sind neben der urgence (s o Rz 101) ein Anspruch und eine Gefährdung der Erfüllung.154 Die Maßnahme wird in einer bestimmten Höhe bewilligt155 und befristet. Bei einer Anordnung durch ordonnance de requête ist eine Überprüfung durch référé oder im Hauptsacheverfahren zur Vermeidung der Ungültigkeit erforderlich. 104 Es gibt auch verschiedene Unterformen der saisie conservatoire, die in besonderen Fällen angeordnet werden können. Im Rahmen dieser Darstellung ist hauptsächlich die saisie foraine interessant. Hat der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, befindet er sich aber vorübergehend in Frankreich, kann aufgrund einer saisie foraine das Vermögen beschlagnahmt werden, das er bei sich führt.156
148 149 150 151 152 153 154 155 156
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Morbach, S 131; Eilers, S 89. Eilers, S 85; Morbach, S 133. Morbach, S 140; vgl Försterling IPRax 2000, 499. Vgl Traichel, Die Reform des französischen Zwangsvollstreckungsrechts, 1995. Eilers S 84f; E. du Rusquec, Juris-Cl. Procédure Civile, Fasc. 2420 (1998); M. Defossez, Juris-Cl. Procédure Civile, Fasc. 2430 (1993). Traichel, Die Reform des französischen Zwangsvollstreckungsrechts, 1995, S 207. Eilers, S 84. Eilers, S 84f. Eilers, S 85f.
Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten
§ 17
Neben der saisie conservatoire zählen zu den mesures conservatoires noch die 105 sasie revendication zur Sicherung von Herausgabeansprüchen und die sûretés judidicaires (Zwangssicherheiten157). Die internationale Zuständigkeit folgt im Grundsatz der örtlichen Zuständig- 106 keit. Subsidiär zu dieser compétence internationale ordinaire kann sich aufgrund von Art 14, 15 cc eine compétence internationale privilégiée ergeben.158 Schließlich hat die Rechtsprechung eine Eilzuständigkeit für einstweilige Maßnahmen entwickelt, wenn in der Hauptsache eine Rechtsverfolgung im Ausland erforderlich ist.159 In Fällen der Verletzung von Patenten oder anderen gewerblichen Schutzrech- 107 ten sieht Art L 615-5 CPI eine sog saisie contrefaçon vor. Danach kann der Verletzte die angebliche Verletzungshandlung auf Anordnung des Präsidenten des Tribunal de grande instance durch jeden Gerichtsvollzieher mit Unterstützung durch Sachverständige seiner Wahl genau mit oder ohne Beschlagnahme patentverletzender Erzeugnisse oder Verfahren feststellen lassen. Es handelt sich um eine über das allgemeine Zivilprozessrecht hinaus gehende Möglichkeit der Beweissicherung.160
4. England Schrifttum: N. Andrews, Injunctions in Support of Civil Proceedings and Arbitration, in Stürner/Kawano, Comparative Studies on Enforcement and Provisional Measures, 2011, S 319; A. Zuckerman, On Civil Procedure, Chapter 9, 2nd ed 2006, p 296.
Der einstweilige Rechtsschutz in England gehörte zur Equity-Gerichtsbarkeit. 108 Das bedeutet, dass es keinen Anspruch auf Erlass einstweiliger Maßnahmen gibt, sondern die Gerichte solche nach ihrem Ermessen erlassen können.161 Grundform der einstweiligen Maßnahme ist die interim injunction. Ihre Funk- 109 tion ist „to preserve the matters in statu quo pending the trial“.162 Zulässig ist diese aber nur, um „substantial and irreparable damage“ zu verhindern; sind die drohenden Schäden weniger schwer, ist der Antragsteller auf eine Schadenersatzklage zu verweisen.163 In der Regel werden „prohibitive injunctions“ erlassen, dem Antragsgegner also ein bestimmtes Verhalten verboten. Seltener sind „mandatory interim injunctions“, mit denen dem Antragsgegner aufgegeben wird, eine bestimmte Handlung vorzunehmen.164 Gestaltende oder feststellende vorläufige Entscheidungen gibt es dagegen nicht.165 In Fällen der 157 Vgl Traichel, Die Reform des französischen Zwangsvollstreckungsrechts, 1995, S 216ff. 158 Vgl de Vareilles-Sommières, Rev crit 1996, 397. 159 Eilers, S 91. 160 Vgl Treichel GRUR Int 2001, 690. 161 S. section 37 (1) of the Supreme Court Act 1981. 162 Gordon Cottage Ltd. v Milk Board [1984] A.C. 130, 140 [H.L. (E.)]; Zuckerman, para. 9.12. 163 Albrecht, S 45. 164 Zuckerman para. 9.86. 165 Albrecht, S 46.
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mandatory injunctions wird eventuell auch eine, jedenfalls befristete Befriedigung des Gläubigers hingenommen.166 Die Anordnung ist aber in ihrer Wirksamkeit in der Regel bis zur Hauptsacheentscheidung oder bis zum Erlass einer neuen injunction begrenzt. 110 Eine unmittelbare Vollstreckung der angeordneten Maßnahme ist nicht möglich. Vielmehr ist ein Verstoß gegen die Anordnung contempt of court, und wird als solches sanktioniert. Die Sanktionen, die das Gericht in seinem Ermessen erlassen kann, sind ihrem Charakter nach Strafsanktionen und ähneln zumeist den Zwangsmitteln der Unterlassungsvollstreckung nach der ZPO. Mit der Entwicklung der mandatory injunction hat sich aber auch der Katalog der Zwangsmittel erweitert und umfasst mittlerweile auch die Ersatzvornahme oder Vermögensbeschlagnahme.167 111 Als Voraussetzung wurde früher ein prima facie case verlangt, was praktisch oft zu einer zwangsläufigen Vorwegnahme der Hauptsache führte. Mittlerweise ist nur noch erforderlich, dass die Klage weder mutwillig noch offensichtlich aussichtslos ist.168 Darüber hinaus muss eine Interessenabwägung (balance of convenience) ergeben, dass dem Kläger irreparable Schäden entstünden, wenn er nicht bis zum Abschluss der Hauptsache durch die injunction gesichert würde, die ihn härter träfen als der Erlass der Maßnahme den Beklagten träfe, selbst wenn dieser die Hauptsache gewönne.169 112 Grds ist eine Anhängigkeit der Hauptsache erforderlich, in besonders dringenden Fällen kann davon jedoch abgesehen werden. Die injunction kann ohne mündliche Verhandlung durchgeführt werden und sogar ohne jegliche Anhörung des Gegners als sog ex parte injunction. Letztere Anordnungen werden aber in der Regel befristet und müssen durch eine Anordnung aufgrund mündlicher Verhandlung bestätigt werden. Zudem ist der Antragsteller der ex parte injunction verpflichtet, auch für den Antragsgegner günstige Tatsachen vorzutragen. Auch die Beweisführung ist erleichtert, die Glaubhaftmachung durch affidavits ist zulässig.170 113 Zur Sicherung seines Hauptanspruchs kann ein Gläubiger gem s 37 (3) Supreme Court Act 1981 und CPR r 25.1 (f) eine freezing order (früher: Mareva injunction) beantragen. Mit dieser erst 1975 entwickelten Form der einstweiligen Verfügung kann das Gericht dem Schuldner verbieten, Vermögen aus der Gerichtsbarkeit englischer Gerichte abzuziehen oder es sonst der Vollstreckung eines künftigen Urteils zu entziehen.171 In neueren Entscheidungen
166 167 168 169 170 171
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Parker v Camden London Borough Concil [1986] Ch 162 (C.A.). Albrecht, S 47. American Cynamid v Ethicon [1975] 1 All E.R. 504 (H.L.). Albrecht, S 47. Albrecht, S 50. Mareva Compania Naviera S.A. v International Bulk carriers S.A. (1975) 2 Lloyd’s Rep 509; Albrecht S 52; Schack Rz 488; Berger/Otte Kap 18 Rz 188; Zuckerman para 9.139 et seq.
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§ 17
wurde auch im Ausland belegenes Vermögen in die Entscheidung miteinbezogen („World-wide Mareva injunction“).172 Voraussetzung der freezing order sind der Verfügungsanspruch („good arguable 114 case“), sowie die Glaubhaftmachung der Gefährdung der Vollstreckung. Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen steht die Anordnung im Ermessen des Gerichts.173 Verbunden werden kann die freezing order mit einer Anordung zur Auskunftserteilung („order of discovery“). Zur Sicherung von Beweismitteln dient die search order gem CPR Art 25 (1) 115 (h) (früher: Anton Piller Order), ein Unterfall der mandatory injunction.174 Sie gibt dem Antragsgegner auf, bestimmte Auskünfte zu erteilen oder bestimmte Nachforschungen und Beweiserhebungen des Antragstellers zu dulden. Der wichtigste Anwendungsbereich ist das Urheberrecht.175 Die search order ist an strengere Voraussetzungen geknüpft als andere einstweilige Maßnahmen. Der Antragsteller muss einen „strong prima facie case“ vortragen.176 Zumeist wird die search order ex-parte, also ohne vorherige Anhörung des Gegners erlassen.177
5. Italien Für den vorläufigen Rechtsschutz sind italienische Gerichte international zu- 116 ständig, wenn die Entscheidung in Italien zu vollziehen ist oder wenn die italienischen Gerichte für die Hauptsache zuständig sind (Art 10 IPRG 1995). Die procedimenti cautelari nach den Art 670ff c. proc. civ. ähneln in ihrer 117 Struktur denen der deutschen ZPO, auch wenn sie nicht völlig vergleichbar sind.178 Die wichtigsten Formen sind die arrestähnlichen Beschlagnahmen sequestro giudiziario (Art 670 c. proc. civ.) und sequestro conservativo (Art 671 c. proc. civ.), sowie die provvedimenti d’urgenza nach Art 700 c. proc. civ., die in etwa der einstweiligen Verfügung entsprechen. Daneben gibt es spezielle Besitzschutzverfahren (procedimenti possessori, Art 703ff c. proc. civ.), Beweissicherungsverfahren (procedimenti di istruzione preventive, Art 692ff c. proc.
172 Crédit Suisse Fides Trust v Cuoghi, ILPr [1998], 41 (C.A.); Durby & Co. Ltd. v Weldon (1989) 2 WLR 413; Republic of Haiti v Duvalier (1989) 2 W.L.R. 261; Kropholler IPR S 256f; vgl Extra-territorial jurisdiction and Mareva relief, Civil Justice Q. 15 (1996), 6; Dohmann, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, S 157, 169; J. Grunert, Die „worldwide“ Mareva Injunction, Diss Hannover 1997; Gronstedt S 225ff; B. Müller, Die worldwide Mareva injunction, 2002. 173 Zuckerman para 14.175 et seq. 174 Albrecht, S 57; Berger/Otte Kap 18 Rz 200. 175 Eilers, S 137. 176 Albrecht, S 58. 177 Eilers, S 137; vgl Anton Pillers after the Practice Direction, Civil Justice Q. 15 (1996), 13; P. Norrenberg, Die Anton-Piller-Order, 1998; M. Dockray & K. Reece Thomas, Anton Piller orders: the new Statutory Scheme, CJQ 17 (1998), 272. 178 Wastl, Die Vollstreckung deutscher Titel auf der Grundlage des EuGVÜ in Italien, S 295, Fn 15; Berger/Otte Kap 18 Rz 237ff.
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Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
civ.) und ein spezielles Unterlassungsverfahren in Bausachen (Art 688f c. proc. civ.), die hier keine detailliertere Erörterung erfahren sollen. Die verschiedenen Maßnahmen unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, während sich die Voraussetzungen entsprechen. Der Antragsteller muss jeweils glaubhaft machen, dass ein Arrest- oder Verfügungsanspruch besteht („fumus boni juris“) und dass ein Arrest- oder Verfügungsgrund vorliegt („periculum in moras“). Für Letzteres muss er also Tatsachen dartun, aus denen sich ergibt, dass der jeweilige Anspruch ohne die einstweilige Maßnahme gefährdet ist. 118 Das italienische Recht unterscheidet zwei Beschlagnahmeverfahren, eine Sicherungsbeschlagnahme und eine Sicherstellungsbeschlagnahme. Die Sicherungsbeschlagnahme, sequestro giudiziario (Art 670 c. proc. civ.) dient der Sicherung eines Anspruchs auf Herausgabe einer Sache. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann sich dieser Anspruch nur aus Eigentum oder Besitz ergeben, nach der Rechtsprechung kann ein sequestro giudiziario aber auch zur Sicherung schuldrechtlicher Herausgabeansprüche angeordnet werden.179 Darüber hinaus kann nach Art 670 Nr 2 c. proc. civ. eine Sicherungsbeschlagnahme auch der Sicherstellung von Beweismitteln dienen, sofern ein Anspruch auf Vorlage im Streit steht. 119 Die Sicherstellungsbeschlagnahme, sequestro conservativo (Art 671 c. proc. civ.), dient dagegen dazu, die Deckung für eine andere Forderung zu garantieren, und entspricht somit dem dinglichen Arrest. Eine Anhörung des Gegners ist nur bei einer Beschlagnahme von unbeweglichen Sachen oder Sachgesamtheiten erforderlich, Art 672 IV c. proc. civ., oder wenn ein Rechtsstreit zwischen den Parteien schon anhängig ist, Art 673 III c. proc. civ. In Fällen besonderer Dringlichkeit kann aber auch auf diese verzichtet werden. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Die Beschlagnahme muss innerhalb von 30 Tagen vollzogen werden, Art 675 c. proc. civ., sonst verliert sie ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus ist ein Bestätigungsverfahren nach Art 680 oder 681 c. proc. civ. durchzuführen. Wird diese versäumt, verliert die Beschlagnahme ebenfalls ihre Wirksamkeit, Art 683 c. proc. civ. Grds ist das Bestätigungsverfahren vor dem Gericht der Hauptsache durchzuführen. Ist Hauptsachegericht ein ausländisches Gericht, ist das Gericht der Anordnung zuständig. Dieses setzt eine Frist, innerhalb derer ein ausländisches Urteil zu erwirken und in Italien anzuerkennen bzw für vollstreckbar zu erklären ist, Art 680 III c. proc. civ. 120 Die einstweilige Verfügung, provvedimento d’urgenza, Art 700 c. proc. civ., ist als Auffangtatbestand ausgestaltet, der zu allen anderen Formen des einstweiligen Rechtsschutzes subsidiär ist.180
179 Wastl, Die Vollstreckung deutscher Titel, S 295. 180 Wastl, Die Vollstreckung deutscher Titel, S 309.
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Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten
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Der Anwendungsbereich der provvedimenti d’urgenza ist umstritten. In der Literatur wird zum Teil eine Begrenzung auf den Schutz absoluter Rechte vertreten, die Rechtsprechung vertritt jedoch einen weiten Anwendungsbereich.181 Ausgeschlossen ist die Sicherung von Ansprüchen auf Vornahme unvertretbarer Handlungen. Hinsichtlich des Verfahrens verweist Art 702 c. proc. civ. auf die Art 689ff c. proc. civ., also auf die Bestimmungen über das Unterlassungsverfahren in Bausachen. Diese entsprechen im Wesentlichen den Vorschriften über das Beschlagnahmeverfahren.182 In internationalen Fällen ist problematisch, ob eine einstweilige Verfügung bei im Ausland anhängiger Hauptsache möglich ist. Die Rechtsprechung scheint dies überwiegend abzulehnen.183 Ausländische Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes werden in Italien 121 im Rahmen des EuGVÜ anerkannt. Das IPRG 1995 hat die Anerkennungsfähigkeit von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geregelt.184
6. Japan Nach § 118 jap. ZPO werden nur rechtskräftige Urteile eines ausländischen 122 Gerichts anerkannt. Darunter fallen zivilrechtliche streitbeendende Entscheidungen, die eine die Gerichtsbarkeit ausübende Organisation über einen zivilrechtlichen Streit in einem prozessualen Verfahren getroffen hat, in dem beiden Parteien Gelegenheit gewährt wurde, sich an dem Verfahren zu beteiligen. Dieses Kriterium wird nach der ausländischen Verfahrensordnung beurteilt. Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes werden nicht anerkannt; ausländische einstweilige Anordnungen und ausländische Arreste werden nicht zur Vollstreckung in Japan zugelassen. Eine Entscheidung auf dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (zB Sorgerechtsentscheidung) wird nicht als eine anzuerkennende Entscheidung qualifiziert, aber aufgrund dieser Entscheidung kann ein Vollstreckungsurteil erlassen werden, falls die Voraussetzungen nach § 118 Nr 1 und Nr 3 jap. ZPO erfüllt sind. Bei der Prüfung dieser Entscheidung berücksichtigt das japanische Gericht auch nachträglich eingetretene tatsächliche Umstände.185
181 182 183 184 185
Vgl im Einzelnen Wastl, Die Vollstreckung deutscher Titel, S 310 mwN. Wastl, Die Vollstreckung deutscher Titel, S 311. Wastl, Die Vollstreckung deutscher Titel, S 312. Walter ZZP 109 (1996), 3, 27. Tokyo OLG v 15.11.1993, Zivilrechtliche Entscheidungen des OLG, Bd 46, H. 3 S 98; Takeshita ZZPInt Bd 1 (1996), 305, 316ff; K. Matsumoto Nihon Univ. Comparative Law 13 (1996), 181; Y. Honma, Current problems of provisional measures in Japan, in Stürner/Kawano, Comparative studies on enforcement and provisional measures, 2011, S 219; M. Haga, Comment on international provisional measures, in Stürner/Kawano, S 223.
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§ 17
Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
7. Niederlande 123 Der einstweilige Rechtsschutz in der Niederlande kennt das kort geding,186 das der einstweiligen Verfügung entspricht, und verschiedene Arten von Arresten.187 124 Wichtigste Form des Arrests ist der conservatoir beslag, Art 764–770 R.V., eine Beschlagnahme beweglichen Vermögens und von Forderungen zur Sicherung von Geldforderungen. Im internationalen Kontext besonders wichtig ist der Vremdelingen beslag nach Art 767 R.V. Er kann erlassen werden, wenn keine der Parteien einen Wohnsitz in den Niederlanden hat, der Schuldner dort aber Vermögen besitzt. Die Beschlagnahme beschränkt sich nicht auf das in den Niederlanden belegene Vermögen. Weitere Formen des Arrestes gibt es für bestimmte Ansprüche, zB den vindicatoir beslag zur Sicherung des Herausgabeanspruchs des Eigentümers oder den marital beslag, mit dem verhindert werden kann, dass ein Ehegatte während des Scheidungsverfahrens Vermögen zur Seite schafft. 125 Wie im deutschen Recht folgt die internationale der örtlichen Zuständigkeit.188 Örtlich zuständig ist zunächst das Gericht am Wohnsitz oder Aufenthalt des Beklagten, Art 126 Nr 1 u 2 R.V. Hat der Beklagte weder Wohnsitz noch Aufenthalt in den Niederlanden, ist nach Art 126 Nr 3 R.V. das Gericht am Wohnsitz des Klägers örtlich und somit auch international zuständig. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung aufgrund von Art 289 R.V. eine zusätzliche Eilzuständigkeit entwickelt. Zuständig ist auch der Gerichtspräsident des Gerichtsbezirks, in dem die Maßnahme vollstreckt werden soll. Umstritten ist, ob diese Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen ist.189 126 Art 126 Nr 3 R.V. ist ein exzessiver Gerichtsstand, der in Art 3 II EuGVO/ LugÜ ausgeschlossen ist. Art 31 EuGVO/LugÜ erlaubt jedoch auch hier eine autonome Anknüpfung. Auch eine Entscheidung eines nur nach Art 126 Nr 3 R.V. zuständigen Gerichts wird in Deutschland aber jedenfalls dann anerkannt, wenn einer der Fälle des Art 4 deutsch-niederländischer Vertrag vorliegt. Der deutsch-niederländische Vertrag schließt Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes ausdrücklich mit ein, vgl Art 1 (2).
8. Österreich 127 Nach §§ 370ff EO kann zur Sicherung von noch nicht rechtskräftig titulierten Geldforderungen die sog Exekution zur Sicherstellung bewilligt werden.
186 187 188 189
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Vgl Berger/Otte Kap 18 Rz 203f. Vgl Eilers, S 118ff; Kessedjian No 109ff; Berger/Otte Kap 18 Rz 205ff. Eilers, S 120. Vgl Eilers, S 121f.
Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten
§ 17
Ansonsten kennt das österreichische Recht als Mittel des einstweiligen 128 Rechtsschutzes die einstweilige Verfügung in verschiedenen Formen, die in den §§ 378–402 EO geregelt sind.190
9. Schweiz Nach der Generalklausel von Art 262 schweiz. ZPO (v 19.12.2008) kann das 129 Gericht jede Anordnung treffen, die geeignet ist, einen drohenden Nachteil abzuwenden. Es kann dementsprechend Sicherungsmaßnahmen, Leistungsmaßnahmen und Regelungsmaßnahmen erlassen.191 Zur Sicherung der Vollstreckung einer Geldforderung steht aber ausschließlich der Arrest nach Art 271ff SchKG zur Verfügung.192 Bundeseinheitlich geregelt ist im schweiz. IPRG die internationale Zuständigkeit schweizerischer Gerichte. Das IPRG hat zahlreiche besondere Vorschriften, die die internationale Zuständigkeit für Verfahren in bestimmten Rechtsgebieten regeln, zB Art 51 für das Ehegüterrecht, Art 61 für Ehescheidungen oder Art 89 für erbrechtliche Streitigkeiten. Diese Zuständigkeiten umfassen jeweils „Klagen und Massnahmen“, so dass Hauptsachezuständigkeit und Zuständigkeit für den einstweiligen Rechtsschutz parallel laufen.193 Besteht keine solche besondere internationale Zuständigkeit, kann sich die Zuständigkeit aus allgemeinen Grundsätzen oder aus Art 10 schweiz. IPRG ergeben.
130
Nach Art 10 schweiz. IPRG können schweiz. Gerichte vorsorgliche Maßnah- 131 men treffen, auch wenn sie für die Entscheidung in der Sache selbst nicht zuständig sind. Diese Befugnis bleibt nach Art 31 LugÜ ausdrücklich bestehen.194 Art 4 schweiz. IPRG bietet darüber hinaus einen subsidiären Arrestgerichtsstand, wenn kein anderer schweiz. Gerichtsstand besteht.195 Der Gerichtsstand aufgrund von Art 4 IPRG ist als exorbitante Zuständigkeit durch Art 3 LugÜ ausgeschlossen.196 Voraussetzung für den Erlass vorsorglicher Maßnahmen ist die Glaubhaftma- 132 chung des zu sichernden Anspruchs, sowie des Nachteils, der bei Unterlassung der Maßnahme droht.197 Der zu sichernde Anspruch kann sich nach den Grundsätzen des schweiz. IPR auch aus ausländischem Recht ergeben. In diesen Fällen reicht die bloße Glaubhaftmachung nicht nur für die tatsächlichen, sondern auch für die rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten An-
190 Vgl Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren, 2. Aufl 1992, S 487ff; Rechberger/ Oberhammer Exekutionsrecht, 4. Aufl 2005, S 219ff; König, Zum Curriculum der Regelungsverfügung, FS Sprung, 2001, S 233; Berger/Otte Kap 18 Rz 224ff. 191 Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger/Huber, Kommentar zur Schweiz. ZPO, 2. Aufl 2013, Art 262 Rz 6, 9ff, 15ff, 24ff. 192 Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger/Huber, Art 261 Rz 11. 193 Walder, S 226f. 194 Walter, IZPR der Schweiz, S 508ff. 195 Walter, IZPR der Schweiz, S 118f, 511f. 196 Walter, IZPR der Schweiz, S 512. 197 Walder, S 231.
835
§ 17
Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
spruchs.198 Als Maßnahmen kommen insb Beschlagnahme, Eintragung von Verfügungsbeschränkungen im Grundbuch oder einstweiliger Entzug der Vertretungsmacht in Frage.199 133 Wichtigste Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Arrest, der in den §§ 271ff SchKG bundeseinheitlich geregelt ist. Anders als die anderen vorsorglichen Maßnahmen ist der Arrest von einer Hauptsache unabhängig.200 Wohl auch deshalb gelten für den Arrestgrund strengere Maßstäbe, als sie sonst im Bereich der vorsorglichen Maßnahmen angelegt werden.201 Seit 1.1.1997 ist das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes nur noch dann Arrestgrund, wenn die Forderung ausreichenden Bezug zur Schweiz hat oder auf einem vollstreckbaren gerichtlichen (inländischen und ausländischen) Urteil oder einer Schuldanerkennung besteht (Art 271 I Nr 4 SchKG).202 Ob diese Regel gegenüber einer natürlichen Person mit Wohnsitz in einem Vertragsstaat des LugÜ noch anwendbar ist, ist zweifelhaft.203 Eine (persönlich wirkende) freezing order englischen Rechts (mit einer weltweiten Sperre von Bankkonten) wird in der Schweiz anscheinend über Art 47 III LugÜ durch Anordnung eines Arrests auf die schweiz. Bankkonten nach Art 271 I Nr 6, III SchKG vollzogen.204 Ob der Antragsteller vor Durchsetzung der einstweiligen Maßnahme Sicherheit zu leisten hat und die Schadenersatzpflicht bei zu Unrecht angeordneten Maßnahmen ist eine Frage des kantonalen Rechts.205
10. Spanien 134 Das spanische Zivilprozessgesetz (LEC) v 7.1.2000 hat den vorläufigen Rechtsschutz (Medidas Cautelares) neu und einheitlich geregelt (Art 721–747 LEC).206 Art 727 LEC listet elf verschiedene Einzelmaßnahmen auf. Funktional dem Arrest entspricht die vorläufige Pfändung von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen (embargo preventivo de bienes) nach Art 727 Nr 1 LEC. 135 Die anderen Maßnahmen betreffen Einzelfälle einstweiliger Anordnungen. Vorgesehen sind: – die gerichtliche Intervention oder Verwaltung von Produktionsgütern (Art 727 Nr 2), – die Verwahrung beweglicher Gegenstände (Art 727 Nr 3), 198 199 200 201 202
203 204 205 206
836
Walter, IZPR der Schweiz, S 517. Walder, S 232; Greiner, S 650f. Greiner, S 665. Greiner, S 664. Vgl Gani SchweizJZ 1996, 227; Stoffel, Das neue Arrestrecht, AJP 1996, 1401; Meier-Dieterle, Der „Ausländerarrest“, AJP 1996, 1416; Killias RIW 1996, 1005; R. Gassmann, Arrest im internationalen Rechtsverkehr, 1998. Walter, IZPR der Schweiz, S 515. Grolimund/Schnyder, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, 2011, S 108f. Walder, S 234. Vgl Fröhlingsdorf/Lincke RIW 2001, 357, 358; C. Esplugues-Mota, in Stürner/Kawano, S 207.
Einstweiliger Rechtsschutz vor ausländischen Gerichten
§ 17
– die Errichtung eines Vermögensinventars (Art 727 Nr 4), – die vorläufige Eintragung von Klagen in öffentlichen Registern (Art 727 Nr 5), – andere Registereintragungen, die einen Erwerb kraft öffentlichen Glaubens ausschließen (Art 727 Nr 6), – das einstweilige Verbot eine Handlung vorzunehmen oder das einstweilige Unterlassungsgebot, insb das einstweilige Verbot eine Tätigkeit auszuüben (Art 727 Nr 7), – der Einzug und die Verwahrung von Einnahmen aus rechtswidrigen Handlungen (Art 727 Nr 8), – bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten die einstweilige Verwahrung von Erzeugnissen, Gegenständen und der zur Herstellung erforderlichen Materialien (Art 727 Nr 9), – die Aussetzung von Gesellschafterbeschlüssen (Art 727 Nr 10), und – sonstige vorläufige Maßnahmen, die in Sondergesetzen vorgesehen sind (Art 727 Nr 11). Der Antragsteller hat seinen Anspruch und dessen Gefährdung glaubhaft zu machen sowie Sicherheit zu leisten (Art 728 LEC). In der Regel wird einstweiliger Rechtsschutz nach Klage zur Hauptsache gewährt (Art 730 I LEC). In dringenden Fällen können einstweilige Maßnahmen auch vorher beim Gericht der Hauptsache beantragt werden. Die vorläufige Maßnahme wird aber wirkungslos, wenn Klage zur Hauptsache nicht innerhalb von 20 Tagen erhoben wird (Art 730 II LEC). In der Regel hört das Gericht den Gegner innerhalb von fünf Tagen. In dringenden Fällen kann die Anordnung auch vor einer Anhörung ergehen (Art 733 II LEC). Der Gegner kann gegen eine solche Anordnung innerhalb von 20 Tagen Einwendungen erheben (Art 730ff LEC). Einstweilige Anordnungen werden längstens für sechs Monate erlassen; sie werden zuvor mit Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung zur Hauptsache unwirksam. Die bisher im Wettbewerbsrecht und im Werberecht besonders vorgesehene Eilverfügung ist nunmehr entfallen.207
11. USA Für die Federal Districts Courts regeln die FRCP 64ff die möglichen Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (provisional remedies).
136
a) Preliminary injunction Einstweilige Verfügungen auf Unterlassung oder auf Vornahme bestimmter Handlungen können nach Rule 65 (a) FRCP nur nach Benachrichtigung und 207 Fröhlingsdorf/Lincke RIW 2001, 357, 359.
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§ 17
Internationaler einstweiliger Rechtsschutz
Anhörung des Gegners ergehen. Das Gericht kann anordnen, dass die Verhandlung über die injunction mit der zur Hauptsache verbunden wird. Ein Beweis im Verfügungsverfahren kann auch ohne eine solche Verbindung im Hauptsacheverfahren berücksichtigt werden. Der Erlass der Verfügung steht im Ermessen des Gerichts; sie ergeht zum Schutz von Eigentums- und Vermögensrechten, wenn irreparable Schäden drohen und Schadenersatz in Geld unzureichend wäre.208 Auch in den USA kann ein Verfügungsverbot mit weltweiter Wirkung angeordnet werden.209
b) Temporary Restraining Order 138 Bei besonderer Dringlichkeit kann eine solche Unterlassungsverfügung auch ohne vorherige Benachrichtigung des Gegners ergehen, FRCP Rule 65 (b). Ihre Geltung ist dann aber auf 10 Tage ab Kenntnis des Gegners beschränkt, sofern das Gericht die Geltung nicht auf begründeten Antrag verlängert oder sich der Gegner mit einer längeren Geltung einverstanden erklärt. Die zunächst unterbliebene Anhörung ist während der Geltungsdauer so schnell wie möglich nachzuholen.210
c) Attachment 139 Nach Erhebung der Hauptsacheklage kann der Gläubiger nach State law auch ein attachment order beantragen, wodurch das in den USA befindliche Vermögen des Schuldners bis zur Beendigung des Rechtsstreits beschlagnahmt („eingefroren“) wird, FRCP Rule 64. Meist wird der Arrest nur gegen Sicherheitsleistung gewährt.211 Vor Erhebung der Hauptsacheklage kann ein attachment order (anders als in England) nicht ergehen.212 Zulässig ist auch ein attachment order zur Sicherung der Erfüllung eines künftigen Schiedsspruchs213 oder einer ausländischen Entscheidung.214 Nach gerichtlichem Ermessen können ausländische preliminary injunctions anerkannt werden.215
208 Hay, US-amerikanisches Recht, 4. Aufl 2008, Rz 191; Kessedjian No 36ff. 209 962 F. 2d 1355 (1989); In re Marcos Human Rights Litigation 25 F. 3d 1467 (9th Cir. 1994); Schlosser RdC 284 (2000), 182. 210 Hay, US-amerikanisches Recht, 4. Aufl 2008, Rz 192. 211 Hay, US-amerikanisches Recht, 4. Aufl 2008, Rz 193. 212 H. Buxbaum, Asset Freezes in US Federal Courts, IPRax 2000, 39; P. Murray, in Stürner/Kawano, Comparative Studies on Enforcement, 2011, S 229, 234. 213 Newman/Burrows, The Practice of International Litigation, 2nd ed 1998, II-27ff. 214 Newman/Burrows, The Practice of International Litigation, 2nd ed 1998, II-87ff. 215 Newman/Burrows, The Practice of International Litigation, 2nd ed 1998, II-67ff.
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§ 18 Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Inhaltsübersicht I. Einführung 1. Allgemeines Schrifttum. . . . . . . 2. Rechtsnatur der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. . . . . 3. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationale Schiedsvereinbarungen 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unabhängigkeit vom Hauptvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Objektive Schiedsfähigkeit . . . . 6. Subjektive Schiedsfähigkeit, Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vertretungsmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Bindung Dritter an die Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Mehrparteienschiedsgerichte . . 10. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . 11. Auslegung und Reichweite der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . 12. Einseitig eingesetzte Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 6 8
10 11 17 24 25 44
55 56 60 64 69 72
III. Das Schiedsverfahrensrecht 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Ad hoc- oder Institutionelles Schiedsverfahren. . . . . . . . . . . . . 76 3. Bestellung der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. Schiedsrichtervertrag . . . . . . . . . 85 5. Sitz des Schiedsgerichts . . . . . . . 86 6. Verfahren vor dem Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 7. Kostenvorschuss, Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 8. Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . 98 9. Beschlussfassung, Abfassung eines Schiedsspruchs . . . . . . . . . 100 10. Kosten des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 11. Rechtskraft, Registrierung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . 104 12. Schiedsgerichts- und Schlichtungsordnungen . . . . . . . . . . . . . 106
IV. Das in der Sache anzuwendende Recht 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtswahl der Parteien . . . . . . 3. Rechtswahl des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lex mercatoria . . . . . . . . . . . . . . 5. Tronc commun. . . . . . . . . . . . . . 6. Handelsbräuche . . . . . . . . . . . . . 7. Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . 8. Ermittlung des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Billigkeitsentscheidungen . . . . V. Verhältnis staatliches Gericht – internationales Schiedsgericht 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schiedseinrede . . . . . . . . . . . . . . 3. Kompetenz-Kompetenz . . . . . . . 4. Anti-suit Injunction. . . . . . . . . . 5. Aufrechnung vor dem Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ersatzbestellung von Schiedsrichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abberufung von Schiedsrichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verfahrensverzögerungen . . . . . 9. Hilfestellung bei der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122 123 127 128 131 133 135 137 138
139 140 146 155 157 159 160 162 163
VI. Einstweiliger Rechtsschutz 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Einstweiliger Rechtsschutz vor dem staatlichen Gericht . . . . . . 167 3. Einstweiliger Rechtsschutz durch das Schiedsgericht . . . . . . 169 VII. Aufhebung inländischer Schiedssprüche sowie Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Inländische – ausländische Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . 175 3. Aufhebung und Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Voraussetzungen für Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs in Deutschland . . . . . . . 183
839
§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 5. Verfahren der Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 6. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 196 7. Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . 200 8. Ausländische Schiedsvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 9. Doppelexequatur des Schiedsspruch-Exequatururteils . . . . . . 227
VIII. Anerkennung und Vollstreckung nach Vertragsrecht 1. New Yorker UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen . . . 228 2. Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 . . . . . . . . . . . . . . . 235 3. Genfer Protokoll und Genfer Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 4. Investitionsstreitigkeiten a) Weltbank-Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.3.1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (MIGA) vom 11.10.1985 . . . . 258
5. Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bilaterale Verträge a) Deutsch-schweizerisches Abkommen vom 2.11.1929 . b) Deutsch-italienisches Abkommen vom 9.3.1936 . . . . . c) Deutsch-belgisches Abkommen vom 30.6.1958 . . . . . . . . d) Deutsch-niederländischer Vertrag vom 30.8.1962 . . . . . e) Deutsch-österreichischer Vertrag vom 6.6.1959 . . . . . . f) Deutsch-griechischer Vertrag vom 4.11.1961 . . . . . . . . g) Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 . . . . . . . . . . . . h) Deutsch-amerikanisches Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsabkommen vom 29.10.1954 . . . . . . . . . . . i) Deutsch-sowjetisches Handels- und Schifffahrtsabkommen vom 25.4.1958 . . . .
259
260 261 263 266 267 268 269
272
275
IX. Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
I. Einführung 1. Allgemeines Schrifttum 1
M. Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl 2003; Adolphsen, Grundfragen und Perspektiven der Sportschiedsgerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2004, 169; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003; Aksen/von Mehren, International Arbitration between private parties and governments, 1982; American Arbitration Association, Handbook on International Arbitration & ADR, 2nd ed 2010; N. Andrews/E. Loquin, Arbitration between Law and Equity, General reports XIV World Congress of Procedural Law, 2011; H. Arfazadeh, Ordre public et arbitrage international à l’épreuve de la mondalisation, 2005; O. Ashenfelter/R. Iyengar, Economics of Commercial Arbitration and Dispute Resolution, 2009; E.-M. Bajons, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in einer globalisierten Welt, in: Nautz/Brix/Luf, Das Rechtssystem zwischen Staat und Zivilgesellschaft, 2001, S 101; M. Barth/G. Wegen, International Arbitration in Germany, 2013; A. J. van den Berg, International Handbook on Commercial Arbitration, 3 Vol 1993; K. P. Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992 (= International Economic Arbitration, 1993); K. P. Berger, Devisenrecht in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, ZVglRWiss 96 (1997), 316; K. P. Berger, International Arbitral Practice and the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, AmJCompL 46 (1998), 129; K. P. Berger, Power of Arbitrators to Fill Gaps and Revise
840
Einführung
§ 18
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841
§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
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Einführung
§ 18
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
2. Rechtsnatur der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit 2
Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ist staatlich zugelassene und geregelte private Schiedsgerichtsbarkeit zur Entscheidung privater, grenzüberschreitender Streitsachen. Sie untersteht einem bestimmten nationalen Recht (idR am „Sitz“ des Schiedsgerichts), das meist der Parteiautonomie weiteren Raum lässt als im nationalen Prozessrecht.1 Da viele Staaten nationale und internationale Schiedsverfahren unterschiedlichen Regeln unterstellen, ist zu unterscheiden. Damit der Streit international ist, genügt jedes grenzüberschreitendes Element, sei es des Erfüllungsortes oder der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit der Parteien.2
3
Manche vertreten die Auffassung, Schiedsvereinbarungen, Schiedsverfahren und internationale Schiedssprüche könnten durch Parteivereinbarung einem anationalen bzw transnationalen Rechtsraum zugeordnet werden.3 Diese Ansicht widerspricht aber dem weltweit akzeptierten New Yorker Übereinkommen, das in Art V der Schiedsgerichtsbarkeit klare Grenzen nach nationalem Recht vorgibt.
4
Einige Staaten unterstellen die internationale Schiedsgerichtsbarkeit aber einer besonderen, meist liberaleren Ordnung als das innerstaatliche Schiedswesen, so zB Frankreich, die Schweiz,4 Irland und Griechenland, während andere, wie Deutschland, nationale und internationale Schiedsgerichtsbarkeit denselben Regeln unterwerfen.5
5
Davon zu unterscheiden sind völkerrechtliche Schiedsgerichte zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten.6
3. Vorteile 6
Soweit Streitigkeiten im internationalen Handel überhaupt förmlich entschieden werden, geschieht dies vielfach durch Schiedsgerichte.7 Denn Verträge im internationalen Wirtschaftsverkehr enthalten meist Schiedsklauseln. Die Parteien wollen damit erreichen, dass ihre künftigen Streitigkeiten von einem (örtlich und personell) „neutralen“ Spruchkörper entschieden werden,8 dessen Zusammensetzung und dessen Verfahren sie direkt oder durch Vereinbarung eines institutionellen Schiedsgerichts indirekt bestimmen. Dies erleichtert insb die Austragung von Verfahren, in denen ein Staat direkt (oder indirekt) als
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Vgl Habscheid ZZP 114 (2001), 109f. Redfern/Hunter Rz 1.16ff. Vgl Poudret/Besson Rz 120ff, 180ff. Vgl U. Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991, S 24ff, 42ff. Vgl Poudret/Besson Rz 22ff. Vgl E. Decaux, Arbitrage entre sujets du droit international, Juris-Cl. Droit Intern. Fasc. 245 (1990), 246 (1991), 247 (1992), 248 (1996). Vgl H. Hoffmann SchiedsVZ 2010, 96. Redfern/Hunter Rz 1.89.
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Partei beteiligt ist.9 Die Parteien können erfahrene Juristen oder Fachleute, etwa in internationalen Bausachen, zu Schiedsrichtern berufen. Das Schiedsgericht kann an einem frei vereinbarten Ort tagen, in einer den Beteiligten zugänglichen Sprache verhandeln; sein Verfahren kann frei und flexibel gestaltet werden, ohne Bindung an nationale Besonderheiten. Zustellungen können formlos ohne Bindung an nationale Regeln oder Rechtshilfeverträge erfolgen.10 Die Parteien können sich durch die eigenen Anwälte vertreten lassen und müssen in den meisten Ländern keinen ortsansässigen Anwalt beauftragen. Das Verfahren ist nicht öffentlich; über den Inhalt des Verfahrens kann Vertraulichkeit vereinbart werden. Der Schiedsspruch ist idR endgültig und kann nur ausnahmsweise angefochten werden. Soweit die Beteiligten daran interessiert sind, kann auf diese Weise eine sachkundige Entscheidung schneller als vor einem staatlichen Gericht erlangt werden.11 Da sich die Parteien sachverständige Schiedsrichter aussuchen können, kön- 7 nen sie dem Schiedsgericht auch Aufgaben eines Schiedsgutachters zuweisen, insb Vertragslücken zu füllen oder langfristige Verträge an veränderte Bedingungen anzupassen.12 Ansonsten unterscheidet sich der Schiedsgutachter vom Schiedsrichter darin, dass er nicht den Streit verbindlich entscheidet, sondern einzelne Streitelemente verbindlich festlegt, etwa durch bindende Wertgutachten.13 Von entscheidendem Vorteil ist weiter, dass ein Schiedsspruch nach dem New Yorker Übereinkommen von 1958 (UNÜ) nahezu weltweit vollstreckbar ist (s u Rz 228ff), während die Vollstreckung staatlicher Gerichtsentscheidung vielfach an fehlender Gegenseitigkeit scheitert.
4. Nachteile Versucht jedoch eine der Parteien, das Verfahren zu verzögern, kann seine Ab- 8 wicklung auch länger dauern, möglicherweise sogar ganz vereitelt werden. Auch die Schiedsrichter selbst können das Verfahren verschleppen. Schließlich macht die Organisation eines Verfahrens mit mehreren Parteien unter Beteiligung von Regreßschuldnern etc erhebliche Schwierigkeiten. Da das Schiedsverfahren vollständig privat zu organisieren ist, haben die Parteien die Kosten der Schiedsrichter (Honorar, Reise- und Aufenthaltskosten)
9 Vgl L. Bouchez, The prospects for international arbitration, JIntArb 8 (1) (1991), 81; Kreindler/Bimboese, Wahl zwischen ordentlichen Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren, in: Rechtsanwalts-Handbuch, 8. Aufl 2004, S 1185. 10 Walter, IZPR der Schweiz, S 534. 11 Zur praktischen Verbreitung s Schmidt-Diemitz DB 1999, 369; Hesse, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, 277. 12 Vgl Berger ArbInt 17 (2001), 1; Kröll, Ergänzung und Anpassung von Verträgen durch Schiedsgerichte, 1998; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 174 Rz 15. 13 Vgl OLG München SchiedsVZ 2006, 286; M. Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, 2001; A. Sieveking, Schiedsgutachtenverträge nach deutschem und New Yorker Recht, 2007.
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
und alle Verwaltungs- und Verhandlungskosten (Miete für Verhandlungsraum, Kosten für Schreibkräfte, Telefonkosten) einschließlich der Kosten einer beauftragten Schiedsinstitution selbst zu tragen. Das Verfahren ist deshalb meist nicht billiger als ein Verfahren über zwei Instanzen vor einem staatlichen Gericht.14 Ein wesentlicher Vorteil ist aber, dass die Vollstreckung von Schiedssprüchen durch das UNÜ 1958 besser gesichert ist als die von staatlichen Urteilen.15 9
Das deutsche internationale Schiedsrecht war lange Zeit reformbedürftig. Durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz v 22.12.199716 wurde das deutsche Schiedsrecht einheitlich an das UNCITRAL-Modellgesetz von 198517 angepasst.18
II. Internationale Schiedsvereinbarungen 1. Schrifttum 10
Schiedsvereinbarungen: J.-M. Ahrens, Die subjektive Reichweite internationaler Schiedsvereinbarungen und ihre Erstreckung in die Unternehmensgruppe, 2001; V. Anurov, Autonomy of the arbitration agreement: danger of broad interpretation, CYArb 2 (2012), 3; A. Beˇhlolávek, B2C Arbitration – Consumer Protection in Arbitration, 2012; A. Beˇhlolávek, Autonomy in B2C arbitration: Is the European model of consumer protection really adequate?, CYArb 2 (2012), 17; Böckstiegel/Berger/Bredow, Die Beteiligung Dritter an Schiedsverfahren, 2005; G. Born, International Arbitration and Forum Selection Clauses, 3rd ed 2010; S. Brekoulakis, Third parties in international commercial arbitration, 2010; Busse, Die Bindung Dritter an Schiedsvereinbarungen, SchiedsVZ 2005, 118; D. CoesterWaltjen, Einige Überlegungen zu Schiedsgerichtsvereinbarungen und ihrer Wirksamkeit, Liber amicorum Siehr, 2010, S 595; G. Cordero Moss, Legal capacity, arbitration and private international law, Liber amicorum Siehr, 2010, S 619; D. Eckhardt, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit und Schiedsverfahren, FS v. Hoffmann, 2011, S 934; F. Eichel, Inhaltskontrolle von AGB-Schiedsklauseln im internationalen Handelsverkehr, IPRax 2010, 219; Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, 1999; F. Ferrari/St. Kröll, Conflict of Laws in International Arbitration, 2011; P. Friedland, Arbitration Clauses for International Contracts, 2nd ed 2007; E. Gaillard, Arbitrage Commercial International, Convention d’arbitrage, Juris-Classeur Droit International Fasc. 586–1-6 (1994); E. Gaillard/P. di Domenico, Enforcement of Arbitration Agreements and International Awards, 2008; D. Girsberger, The Effects of Assignment on Arbitration Agreements, Liber amicorum Siehr, 2010, S 723; D. Girsberger, The law applicable to the assignment of 14 Vgl J.-P. Lachmann BRAK-Mitt. 2005, 217, 220; Hawickhorst BRAK-Mitt. 2005, 222, 223. 15 Vgl Stumpf, FS Bülow, 1981, S 217; Nerz RIW 1990, 350. 16 BGBl I, 3224. 17 Vgl P. Binder, UNCITRAL Model Law on International Arbitration, 2000; Calavros u Herrmann, in: Habscheid, Grundfragen des Zivilprozessrechts, 1991, S 235 u 309; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1990; Broches, Commentary on the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 1990; Neuteufel, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 118–257. 18 Vgl BR-Drucks 211/96 u BT-Drucks 13/9124; Zerbe, 1995. Inzwischen haben über 60 Staaten ihr Recht anhand des UNCITRAL-Modellgesetzes reformiert.
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Internationale Schiedsvereinbarungen
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
Stoll, 2001, S 619; K. Hempel, Zur Schiedsfähigkeit von Rechtsstreitigkeiten über Beschlussmängel in der GmbH, FS Krejci, Bd 2, 2001, S 1669; F. Heukamp, Schiedszusagen in der Europäischen Fusionskontrolle, 2006; N. Holzner, Die objektive Schiedsfähigkeit von Immaterialgüterrechtsstreitigkeiten, 2001; R. Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007; B. Karabelnikov/A. Makovskij, Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten: der russische Ansatz, FS Boguslavskij, 2004, S 271; J. Kleinheisterkamp, Eingriffsnormen und Schiedsgerichtsbarkeit, RabelsZ 73 (2009), 818; W. Kühn, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechtlichen Beschlussstreitigkeiten, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 443; J. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, 1989; Lazic, Insolvency Proceedings and Commercial Arbitration, 1998; M. Lehmann, Wertpapierhandel als schiedsfreie Zone? – Zur Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen nach § 37h WpHG, SchiedsVZ 2003, 219; E. Loquin, Les illusions perdues du contrôle de l’arbitrabilité du litige international, Études à Normand, 2003, S 339; L. Mistelis/St. Brekoulakis, Arbitrability: International and Comparative Perspectives, 2009; J. Münch, Der Beschlussmängelstreit im Schiedsverfahren, ZZP 123 (2010), 3; T. Niedermaier, Schiedsgerichtsbarkeit und Finanztermingeschäfte – Anlegerschutz durch § 37h WpHG und andere Instrumente, SchiedsVZ 2012, 177; Pfaff, Grenzbewegungen der Schiedsfähigkeit – Patentnichtigkeit im Schiedsverfahren, FS Nagel, 1987, S 278; D. Quinke, Börsenschiedsvereinbarungen und prozessualer Anlegerschutz, 2005; H. Raeschke-Kessler, 60 Jahre … Rechtsprechung zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten, FS Goette, 2011, S 381; J. Rosell/H. Prager, International Arbitration and Bankruptcy, J.Int.Arb. 18 (4) (2001), 417; G. Rosenberg, State as Party to Arbitration, ArbInt 2004, 387; G. Roth, Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen, FS Nagel, 1987, S 318; J. Samtleben, Schiedsgerichtsbarkeit und Finanztermingeschäfte – Der Schutz der Anleger vor der Schiedsgerichtsbarkeit durch § 37h WpHG, IPRax 2011, 469; O. Sandrock, The Extension of Agreements to Non-Signatories, Liber amicorum Buxbaum, 2000, S 461; A. Sayed, Corruption in international trade and commercial arbitration, 2004; P. Schlosser, Die objektive Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes, FS Fasching, 1988, S 405; Schwab, Wandlungen der Schiedsfähigkeit, FS Henckel, 1995, S 803; N. Voser, Arbitrability and the Applicable Law in the Claims Resolution Process for Dormant Accounts in Switzerland, ASA Special Series No 13 (2000), 50.
2. Rechtsnatur 11
a) Eine Schiedsvereinbarung ist nach der Definition in Art 7 I UNCITRAL-ML „eine Vereinbarung der Parrteien, alle oder bestimmte Streitigkeiten, die zwischen ihnen in bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis, vertraglicher oder nichtvertraglicher Art, entstanden sind oder künftig entstehen, einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterbreiten“. Die Schiedsvereinbarung ist ein Prozessvertrag; Zulässigkeit und Wirkungen bestimmen sich nach der jeweiligen lex fori.19 Der wirksame Abschluss selbst richtet sich – abgesehen von der (durch Art II UNÜ bestimmten) Form – nach dem von den Parteien gewählten Vertragsstatut.20 Dieses kann, muss aber nicht mit dem Statut des Hauptvertrags übereinstimmen.21 Fehlt eine besondere Rechtswahl, ist das für den Hauptvertrag geltende Recht anzuwenden.22 Wie sonst tritt die vertragliche 19 Vgl OLG Frankfurt IPRax 2013, 83, 86 (Tz 67); G. Wagner, Prozessverträge, S 578ff. 20 BGH ZIP 2010, 2505, 2508; Weigand/Haas Art II Rz 76, 85ff; Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 18ff; Kreindler/Schäfer/Wolff Rz 117ff. 21 Vgl Poudret/Besson Rz 278ff. 22 BGH ZIP 2010, 2505, 2508; für Anknüpfung an „widely-accepted principles of transnational law: L. Graffi, Law applicable to the validity of the arbitration agreement, in Ferrari/Kröll, S 19, 51, 61.
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Bindung auch ein, wenn die Partei die Vereinbarung ungelesen unterschreibt oder gar nicht lesen kann.23 Grundanforderungen an den Bezug der Vereinbarung auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis ergeben sich aus Art II (1) UNÜ und aus § 1029 I ZPO. Die Rechtsordnungen der meisten westlichen Staaten erkennen die Freiheit 12 von Kaufleuten, eine Schiedsvereinbarung als selbständigen Vertrag oder als Klausel innerhalb eines Hauptvertrags abzuschließen, an (§ 1029 II ZPO; Art 7 I 2 UNCITRAL-ML).24 In Lateinamerika begründeten Schiedsvereinbarungen über künftige Streitigkeiten dagegen bislang nur eine nicht erzwingbare Pflicht, einen Schiedsvertrag nach Entstehen der Streitigkeit abzuschließen. Die Vereinbarung ist aber nur gültig, wenn das berufene Schiedsgericht ein- 13 deutig bestimmt oder doch bestimmbar ist (§ 1029 I ZPO)25 oder nicht später wegfällt.26 b) Von Schiedsvereinbarungen zu unterscheiden sind in der Praxis zunehmend 14 übliche internationale Schlichtungsvereinbarungen.27 Viele Schiedsinstitutionen, auch UNCITRAL, stellen auch Regeln für Schlichtungsverfahren bereit.28 Schließlich gibt es auch Mischformen, etwa Vereinbarungen, dass ein Schiedsverfahren erst nach erfolgloser Mediation oder Schlichtung stattfinden soll.29 Zulässig ist auch eine Schiedsvereinbarung, wonach es jeder Partei freistehen soll, binnen einer Frist nach Erlass eines Schiedsspruches Klage vor dem staatlichen Gericht zu erheben.30 c) Eine internationale Mediationsvereinbarung31 ist schuldrechtlich zu qualifi- 15 zieren, so dass die Parteien das darauf anwendbare Recht frei vereinbaren können (Art 3 I 1 Rom I-VO). Ohne Rechtswahl ist nach Art 4 Rom I-VO auf das Recht abzustellen, dem der Hauptvertrag untersteht. Wählen die Parteien ein institutionelles Mediationsverfahren, so ist auf das Recht am Sitz der Mediationsorganisation abzustellen.32
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Wilske SchiedsVZ 2004, 238. Vgl Lionnet, S 59ff. OLG Hamm RIW 1995, 681, 682. Vgl Hochbaum, Missglückte internationale Schiedsvereinbarungen, 1995. Vgl Rubino-Sammartano, p 7 ff. Einen Überblick über die verschiedenen ADR-Formen gibt Ch. Liebscher, Using ADR Techniques in Arbitration, in Medenî Usûl ve I˙cra I˙flâs Hukukçuları Toplantısı, S 26. Vgl Draft Guide to Enactment and Use of the UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation. A/CN 9/514 v 27.5.2002; J. Sekolec YCA 2002, 398; D. Cimmino, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADR-Verfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, 2008. Vgl Eidenmüller, Hybride ADR-Verfahren bei internationalen Wirtschaftskonflikten, RIW 2002, 1; K. P. Berger, Law and Practice of Escalation Clauses, ArbInt 22 (2006), 1. BGHZ 171, 245, 249f = SchiedsVZ 2007, 160. Vgl C. Esplugues Mota/J.L. Iglesias/G. Palao, Civil and Commercial Mediation in Europe, Vol II Cross-Border Mediation, 2013. Unberath, Internationale Mediation – Die Bestimmung des anwendbaren Rechts, FS v. Hoffmann, 2011, S 500, 505.
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§ 18 16
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d) Schließlich ist die Schiedsabrede von der Vereinbarung eines Schiedsgutachtens zu unterscheiden.33 Soll ein Dritter Sachmängel feststellen und die entsprechende Kaufpreisminderung bindend festlegen (sog Commodity arbitration), liegt eine Mischform von Schiedsgutachten und schiedsrichterlicher Tätigkeit vor. Der Spruch über den zu zahlenden Preis ist als Schiedsspruch zu behandeln und vollstreckbar.34
3. Form 17
Viele Staaten verlangen eine schriftliche Vereinbarung; manche lassen auch formlose Übereinkünfte genügen. Mittelbar wird die Schriftform durch Art II UNÜ 1958 geregelt.35 Nach Abs 1 erkennt jeder Vertragsstaat „eine schriftliche Vereinbarung an, durch die sich die Parteien verpflichten … Streitigkeiten … einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen.“ Art II (2) UNÜ lautet: „Unter einer ‚schriftlichen Vereinbarung‘ ist eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder einer Schiedsabrede zu verstehen, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben.“
18
Dieses Formerfordernis gilt auch für Schiedsvereinbarungen unter Kaufleuten. Die Schriftform ist nach § 1031 ZPO (bzw Art 7 II 2 UNCITRAL-ML)36 erfüllt, wenn die Parteien ein Schriftstück unterschrieben haben oder die Vereinbarung in einem Schriftwechsel enthalten ist.37 Dieser kann per Brief, Telefax, Telegramm oder durch andere Telekommunikationsmittel geführt werden, bei denen die Vereinbarung dokumentiert werden kann.38 Art II (2) UNÜ ist unter Berücksichtigung von Art 7 II UNCITRAL-Modellgesetz ebenfalls so auszulegen, dass die elektronische Schiedsvereinbarung gültig ist.39
19
Verweist der Vertrag auf Geschäftsbedingungen mit der Schiedsklausel, so müssen diese nach allgemeinen Regeln Vertragsbestandteil geworden sein.40 Eine separate Urkunde ist nur bei Beteiligung eines Verbrauchers erforderlich (§ 1031 V ZPO). Ausreichend ist die allgemeine schriftliche Antwort auf eine Auftragsbestätigung, die die Schiedsklausel enthielt.41 Im kaufmännischen Verkehr reicht es, dass der Vertragstext einen Hinweis auf AGB enthält, ohne dass diese der Gegenseite bei Abschluss vorliegen.42 Nach § 1031 II ZPO genügt schließlich, dass die Schiedsklausel in einem kaufmännischen Bestä33 Vgl Poudret/Besson Rz 15ff. 34 Poudret/Besson Rz 18. 35 BGH SchiedsVZ 2005, 306, 307; Weigand/Haas Art II Rz 23ff; MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art II UNÜ Rz 12, 17ff; Poudret/Besson Rz 188ff. 36 Vgl Poudret/Besson Rz 195f; Redfern/Hunter Rz 2.16 ff. 37 Vgl BGH ZIP 2010, 2505, 2507. 38 Vgl Kaufmann-Kohler, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 355. 39 Boele-Woelki, Internet und IPR, BerDGVölkR 39 (2000), 307, 322. 40 Vgl Poudret/Besson Rz 213ff. 41 Schiedsgericht der Bundeskammer Wien RIW 1995, 590; Weigand/Haas Art II Rz 44; Kreindler/Schäfer/Wolff Rz 150ff. 42 OLG Schleswig RIW 2000, 706, 707; A. Samuel, Études Poudret, 1999, S 505.
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§ 18
tigungsschreiben im Schlussschein eines Maklers enthalten ist.43 § 1031 IV ZPO sieht ausdrücklich die Bindung des Empfängers eines Konnossements an eine darin enthaltene Schiedsklausel vor.44 Ansonsten führt das Schweigen auf ein Vertragsangebot mit Schiedsklausel nicht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung.45 Schweigen auf die Übersendung von Kontoauszügen, denen ein Merkblatt mit Schiedsklausel beigefügt ist, führt nicht zu einer Schiedsvereinbarung.46 Ist eine Schiedsvereinbarung formnichtig, so verhält sich die Partei, die unter- 20 schrieben hat, nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Unwirksamkeit beruft, wenn sich die Gegenseite ebenfalls widersprüchlich verhalten hat, weil sie für sich selbst keine Unterschrift vorgesehen hat.47 Diese Anforderungen werden aber ggf nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz 21 des Art VII Abs 1 UNÜ und im Anwendungsbereich des EuÜ 1961 durch einen Rückgriff auf das liberalere nationale Recht aufgelockert.48 Nach Art I (2) (a) EuÜ genügt „im Verhältnis zwischen Staaten, die in ihrem Recht für Schiedsvereinbarungen nicht die Schriftform fordern, jede Vereinbarung, die in den nach diesen Rechtsordnungen zulässigen Formen geschlossen ist“.
Gem § 1031 II ZPO genügt etwa nach deutschem Recht die widerspruchslose Hinnahme der Schiedsklausel in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben. Soweit Staaten keine Schriftform verlangen, ist die formlose Vereinbarung gültig,49 die Schriftform aber aus Beweisgründen dringend anzuraten. Ist an der Schiedsvereinbarung ein Verbraucher beteiligt, bedarf es nach § 1031 22 V ZPO einer besonderen schriftlichen, von beiden Parteien eigenhändig unterschriebenen Vereinbarung, die – außer bei notarieller Beurkundung – keine andere Vereinbarung enthält. In internationalen Fällen gilt allerdings nur Art II UNÜ. Der Verbraucherschutz des § 1031 V ZPO kann allenfalls über dessen teleologische Reduktion erreicht werden.50 Schließlich kann die Schiedsvereinbarung nachträglich durch Behauptung in 23 der Schiedsklage und schriftliche rügelose Einlassung51 darauf, ggf auch durch
43 Schlosser, in: Gottwald, S 163, 184; Schlosser, FS Medicus, 1999, S 543, 546. 44 Vgl K. Schmidt FS Herber, 2000, S 281. 45 Zur Auslegung von Art II UNÜ s Weigand/Haas Art II Rz 49ff.; MüKo/Adolphsen § 1061 ZPO Anh 1 Art II UNÜ Rz 19. 46 BGHZ 187, 126 = ZIP 2010, 2505, 2507. 47 BGH ZIP 2010, 2512. 48 BGHZ 187, 126 = ZIP 2010, 2505, 2508; Kindler, FS Kaissis, 2012, S 481, 482f; ablehn Poudret/Besson Rz 187. 49 Vgl BGH SchiedsVZ 2005, 306, 307f. 50 Vogl EWiR § 1031 ZPO 1/11, 791; vgl dagegen BGH ZIP 2011, 2325. 51 OLG Schleswig RIW 2000, 706, 707; österr. OGH IPRax 2006, 496, 500 (dazu Spickhoff, S 22); österr. OGH IPRax 2006, 496, 500 (dazu Spickhoff, S 522); krit. Kollhosser, Liber amicorum Esser, 1995, 77.
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§ 18
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nachträgliche Unterwerfungsvereinbarung (submission agreement)52 zustande kommen.
4. Unabhängigkeit vom Hauptvertrag 24
Für die praktische Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung ist entscheidend, dass sie generell von der Wirksamkeit des Hauptvertrags unabhängig ist.53 Das Schiedsgericht, das über alle Streitigkeiten aus einem Vertrag zu entscheiden hat, entscheidet also auch und gerade in internationalen Fällen über die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Hauptvertrags.54
5. Objektive Schiedsfähigkeit 25
Die Schiedsvereinbarung ist nur wirksam, wenn der Streitgegenstand (objektiv) schiedsfähig ist. Die Schiedsfähigkeit wird in den meisten Ländern gem Art V (1) (a) UNÜ nach dem vereinbarten Verfahrensrecht, hilfsweise nach der lex fori am Sitz des vereinbarten Schiedsgerichts55 und nicht nach der lex contractus des Hauptvertrags beurteilt. Ruft eine Partei ein staatliches Gericht an und beruft sich die Gegenpartei auf die Schiedsvereinbarung, ist die objektive Schiedsfähigkeit in der Einredesituation zusätzlich nach der lex fori des angerufenen Gerichts zu beurteilen.56 In dieser Einredesituation ist eine evtl Schiedsunfähigkeit nach dem Recht eines denkbaren Vollstreckungsstaats (Art V Abs 2 (a) UNÜ) nicht zu berücksichtigen, da sonst der schiedsunfreundlichste Staat Schiedsverfahren blockieren könnte. Die von französischen Gerichten und Autoren favorisierte „de-nationale“ Anknüpfung der Schiedsvereinbarung steht mit Art V UNÜ kaum in Einklang; die Bestimmung zulässiger Grenzen aus allgemeinen Prinzipien und aus dem ordre public international ist zudem viel zu unbestimmt.57 Damit ein Schiedsverfahren am Ende zu einem praktischen Erfolg führt, sollten daher das Statut der Schiedsvereinbarung und das Recht des voraussichtlichen Vollstreckungsstaats kumulativ beachtet werden.
26
Das neue deutsche Recht lässt Schiedsvereinbarungen nach schweizer Vorbild (Art 177 I schweiz. IPRG) über jeden vermögensrechtlichen Anspruch zu (§ 1030 I 1 ZPO).58 Daher sind auch vermögensrechtliche Gestaltungsklagen (zB nach §§ 117, 127, 140 HGB)59 und Unterhaltsansprüche60 schiedsfähig. Über nichtvermögensrechtliche Ansprüche kann eine Schiedsvereinbarung nur geschlossen werden, wenn die Parteien über den Anspruch verfügen können (§ 1030 I 2 52 53 54 55 56
57 58 59 60
Redfern/Hunter Rz 2.106ff. Weigand/Haas Art II UNÜ Rz 73; Gottwald, Intern. Schiedsgerichtsbarkeit, S 21. Vgl Poudret/Besson Rz 163ff; Redfern/Hunter Rz 2.89ff. Vgl Poudret/Besson Rz 134f. Vgl MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art II UNÜ Rz 11, Art V UNÜ Rz 67; für ausschließliche Anwendung der lex fori des angerufenen staatlichen Gerichts Geimer, IZPR, Rz 3811. Vgl Sandrock, FS H. Stoll, S 661, 663ff, 671. Die praktische Unsicherheit betont Weigand, Handbook, 2nd ed 2009, para 1.121. Schlosser, in: Gottwald, S 163, 179ff; MüKo/Münch, § 1030 ZPO Rz 13ff. Vgl G. Wagner, Prozessverträge, S 584ff. OLG München FamRZ 2012, 1962.
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§ 18
ZPO). Über Ausschnitte aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht kann der Urheber grds disponieren und daher auch insoweit einen Schiedsvertrag schließen.61 Über den Bestand von Mietverhältnissen über Wohnraum in Deutschland 27 kann keine Schiedsvereinbarung geschlossen werden (§ 1030 II ZPO). § 1031 V ZPO sieht für Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern lediglich als 28 besondere Form eine von beiden Parteien eigenhändig unterzeichnete Urkunde vor.62 Die einseitige Unterschrift des Verbrauchers wahrt diese Form nicht.63 Eine Kontrolle von Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern anhand von § 307 BGB ist aber weiterhin zulässig.64 Jedoch erscheint es zweifelhaft, ob die Prorogationsschranken von Art 17 EuGVO/LugÜ auf europäische Schiedsvereinbarungen übertragen werden können.65 Andere Rechtsordnungen gehen hier weiter. Nach österreichischem Recht (§ 879 III ABGB) ist eine Vertragsbestimmung in AGB nichtig, die einen Vertragspartner gröblich benachteiligt. Diese Regel wird auch auf Schiedsvereinbarungen angewendet.66 Grenzen der Schiedsfähigkeit ergeben sich in vielen Staaten aus dem nationa- 29 len ordre public.67 Auch Regeln über ausschließliche Gerichtszuständigkeiten (zB Art 22 EuGVO/LugÜ) können (müssen aber nicht) sinngemäß die Schiedsfähigkeit ausschließen.68 Nach deutschem Recht bleiben sondergesetzliche Schranken der Schiedsfähig- 30 keit unberührt (§ 1030 III ZPO). Eine Sonderregelung enthält Art 22 UN-Convention on the Carriage of Goods by Sea von 1978.69 Nach deutschem Recht sind Ansprüche aus individuellen Arbeitsverträgen 31 grds nicht schiedsfähig (vgl §§ 101ff ArbGG).70 Das US-amerikanische Recht ordnet Arbeitsverträge dagegen als Handelsverträge ein und bejaht deren Schiedsfähigkeit.71 Bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen richtet sich die Zulässigkeit einer Schiedsvereinbarung freilich nach dem jeweiligen 61 Frost, S 97ff. 62 Vgl BGH RIW 2010, 879 = IPRax 2011, 499, 502 (dazu J. Samtleben, S. 469, 472); MüKo/Münch, § 1031 ZPO Rz 44ff. 63 BGH RIW 2010, 885, 886 (Tz 21). 64 Vgl EuGHE 2006, I-10421 (Mostaza Claro v Centro Móvil Milenium) = NJW 2007, 135; G. Wagner, Prozessverträge, S 596ff; zweifelnd Zöller/Geimer, § 1031 ZPO Rz 30, 32, 35. Zur Haltung von US-Gerichten s Brower v Gateway 2000, Inc, 246 A.D. 2d 246 (1998). 65 Hierfür aber Reich ZEuP 1998, 984, 992. 66 OLG Bremen MDR 2009, 465; krit Thorn/Grenz, S 187, 190ff. 67 Poudret/Besson Rz 343. 68 Poudret/Besson Rz 345b; A. Uzelac, (Un)Arbitrability and exclusive jurisdiction, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 451. 69 Vgl Mankowski TransportR 1992, 301, 307. 70 Vgl Birk, Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit in Arbeitssachen, 1. Erlanger FS Schwab, 1990, S 305. 71 Circuit City Stores Inc v Adams, 532 US 105 (2001); Lobo v Celebrity Cruises Inc, US District Court Southern District of Florida, YCA 33 (2008), 820, 829.
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Arbeitsvertragsstatut.72 Die Unterwerfung eines deutschen Handelsvertreters unter ein Schiedsverfahren vor der AAA hat das OLG München für unwirksam angesehen, weil die Gefahr bestand, dass dieses die zwingenden Regeln über den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters (§ 89b HGB) nicht anwenden würde.73 32
Schiedsfähig sind dagegen nach Ansicht des BGH Beschlussmängelstreitigkeiten bei Aktiengesellschaft und GmbH, obgleich deren Entscheidung nach §§ 248 I, 249 I AktG bzw in deren entsprechender Anwendung Rechtskraft für und gegen alle Gesellschafter wirkt, auch wenn sie am Schiedsverfahren nicht beteiligt sind. Vorausetzung ist aber, dass eine Schiedsvereinbarung im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben oder nachträglich unter allen Gesellschaftern vereinbart wurde und die notwendigen Mitwirkungsrechte aller Gesellschafter bei der Schiedsrichterbestellung gewahrt sind (s u Rz 62, 82).74 Da sich bei Aktiengesellschaften eine Beteiligung aller Aktionäre kaum erreichen lässt, sind diese Streitigkeiten im praktischen Ergebnis doch meist nicht schiedsfähig. Streitigkeiten über die Leistung von Stammeinlagen sind ohne Weiteres schiedsfähig.75
33
Kartellsachen sind nach deutschem Recht schiedsfähig; die frühere Beschränkung gem § 91 I GWB aF ist durch § 19 SchiedsVfG 1996 aufgehoben worden.76 Die Art 101, 102 AEUV sind zwar als zwingendes Recht vom Schiedsgericht zu beachten, beschränken aber nicht die objektive Schiedsfähigkeit.77
34
Im Bereich des Patentrechts sind nicht nur vertragliche Lizenzstreitigkeiten, sondern auch Verletzungsstreitigkeiten über deutsche und europäische Patente (auf Unterlassung und Schadensersatz) schiedsfähig.78 Gleiches gilt für Streitigkeiten im Bereich des Markenrechts.79 Die Schiedsfähigkeit von Nichtigkeitsstreitigkeiten wird dagegen unterschiedlich beurteilt: In der Schweiz und in Schweden wird sie bejaht, auch in England, aber nur mit Wirkung inter par72 Germelmann, in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Gloge, ArbGG, 7. Aufl 2009, § 101 Rz 4. 73 OLG München IPRax 2007, 322; dazu Rühl IPRax 2007, 294; Quinke SchiedsVZ 2007, 246; Thorn/Grenz, S 187, 195ff. 74 BGHZ 180, 221 (GmbH) = NJW 2009, 1962 = ZZP 123 (2010), 94; dazu J. Münch ZZP 123 (2010), 3; anders noch BGHZ 132, 278 = ZIP 1996, 830 = JZ 1996, 1017 mit Anm Schlosser; krit. Timm ZIP 1996, 445; G. Wagner, Prozessverträge, S 588ff; vgl Schwab, FS Gaul, 1997, S 729; Timm/Witzorek § 248 AktG 1/96; M. Schröder, Schiedsgerichtliche Konfliktbeilegung bei aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen, 1999; aA Kühn, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 443; für Österreich: K. Hempel, FS Krejci, Bd 2, 2001, S 1669. Zur positiven Beschlussfeststellungsklage s BGH NJW 2001, 2176. 75 BGH JZ 2005, 154 (Schlosser) = SchiedsVZ 2004, 259. 76 Vgl Günther, Liber amicorum Böckstiegel, S 253. International ist die Haltung aber nicht einheitlich, vgl Redfern/Hunter Rz 2.120ff. 77 Vgl A. Komninos, Arbitration and EU Competition Law, in Basedow/Franq/Idot, International Antitrust Litigation, 2012, S 191, 194ff; (noch zu Art 81, 85 EGV) Poudret/Besson Rz 349ff. 78 Frost, S 41ff, 89ff; Adolphsen, Europ. ZPR in Patentsachen, 2. Aufl 2009, Rz 990; Redfern/Hunter Rz 2.118. 79 Frost, S 110ff.
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tes. In Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden wird sie verneint. Hier besteht insoweit eine ausschließliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte, in Deutschland des Bundespatentgerichts (§§ 65, 81 PatG).80 Die Gegenansicht, nach der auch Verfahren über die Nichtigkeit deutscher Patente schiedsfähig sind,81 hat sich nicht durchsetzen können. Vermögensrechtliche Fragen sind auch dann schiedsfähig, wenn sie national vor Verwaltungsgerichten auszutragen wären.82 Schiedsvereinbarungen über künftige Streitigkeiten aus Wertpapierdienstleis- 35 tungsverträgen und Finanztermingeschäften sind nach § 37h WpHG nur zwischen Kaufleuten oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts zulässig.83 Bejaht wird auch die Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten aus internationalen Devisenverträgen84 und internationalen Anleihen.85 Eine Schiedsvereinbarung ist grds nicht deshalb unwirksam, weil der Haupt- 36 vertrag wegen Betrugs oder Korruption sittenwidrig und nichtig ist. Denn die Schiedsvereinbarung ist ein selbständiger Vertrag; das Schiedsgericht entscheidet daher im Zweifel auch über die Nichtigkeit des Hauptvertrags und die Folgen der Nichtigkeit.86 Eine umfassende Schiedsvereinbarung für alle Streitigkeiten aus einem Geschäft erfasst auch Ansprüche aus Wechseln, die im Zusammenhang mit dem Geschäft begeben wurden.87
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Eine Schiedsvereinbarung wird nicht nach Art II (3) UNÜ „hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar“, weil Dritte ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Hinblick auf Regress- oder Folgeansprüche haben.88
38
Nach Art 2059 c.c. kann in Frankreich jede Person ein Recht, über das sie frei 39 verfügen kann, der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen. Art 2060 Abs 1 c.c. schränkt diese Befugnis für Fragen der Geschäftsfähigkeit, der Scheidung und allgemein für alle Bereiche ein, die den ordre public betreffen (zB Abstammung).89 In den USA haben die Gerichte nach und nach die Schiedsfähigkeit sämtlicher Ansprüche aus internationalen Handels- und Wirtschaftsgeschäften bejaht, 80 Vgl Adolphsen, Europ. ZPR in Patentsachen, 2. Aufl 2009, Rz 991; Poudret/Besson Rz 354ff. 81 Schlosser, in: Gottwald, S 163, 182f; Frost S 41ff, 49ff, 89ff. 82 Zu Kunststreitigkeiten s Jayme IPRax 2001, 68. 83 Vgl BGHZ 184, 365 = ZIP 2010, 786, 787 (Rz 21); BGH IPRax 2011, 499 (dazu J. Samtleben, S 469, 474); R. Jordans, S 110ff. 84 O. Sandrock Int.Lawyer 23 (1989), 933; Berger ZVglRWiss 96 (1997), 316. 85 Sandrock JIntArb 11 no 3 (1994), 33. 86 Vgl A. Sayed, Corruption in international trade and commercial arbitration, 2001; Hilmarton v Omnium de traitement, YCA 20 (1995), 663; Omnium de taitement v Hilmarton, YCA 24 (1999), 777; A. M. Martin, International Arbitration and Corruption, 2012; Poudret/Besson Rz 364. 87 BGH JZ 1994, 370; OLG München RIW 1990, 585. 88 Diesselhorst, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, 1994, S 140f. 89 Gaillard, Juris Classeur, Droit International 11, Fasc. 586–3, Nr 27.
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auch soweit Ansprüche auf multiple oder punitive damages geltend gemacht werden.90 Private Schiedsvereinbarungen schließen aber Verfahren der US International Trade Commission wegen Wettbewerbsverstößen nicht aus.91 41
Nach Art 806 cprc. sind in Italien alle Streitigkeiten schiedsfähig, die Gegenstand eines Rechtsgeschäfts sein können und nicht durch Sondergesetz ausgeschlossen sind. Die Schiedsfähigkeit entfällt nicht, wenn ein Sachzusammenhang mit einer bei Gericht anhängigen Streitsache besteht (Art 819 bis cprc.).
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Im Bereich der internationalen Wirtschaft von besonderer Bedeutung ist die Schiedsfähigkeit von Handels-, Konzessions- und Investitionsschutzverträgen, die Staaten selbst oder durch staatliche Organisationen abschließen.92 Viele Staaten der „Dritten Welt“ oder sog „Schwellenländer“ schließen in ihren Rechtsordnungen die Schiedsfähigkeit von Verträgen über Technologietransfer und industrielle Entwicklung sowie Investitionsverträge ganz oder doch insoweit aus, als ein Schiedsspruch die Souveränität dieser Staaten berührt, und wollen diese Streitigkeiten den eigenen Gerichten vorbehalten.93 Wendet eine Partei die Schiedsunfähigkeit ein, so behält das Schiedsgericht zwar die Kompetenz, über die Schiedsfähigkeit zu entscheiden (s u Rz 146ff). Das letzte Wort haben aber die staatlichen Gerichte bei einer etwaigen Anfechtung oder bei Einwendungen gegen die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Der Vorbehalt kann aber zu Schwierigkeiten bei der Durchsetzung eines Schiedsspruchs führen, selbst wenn das Recht am Sitz des Schiedsgerichts schiedsfreundlicher ist.
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In den letzten Jahren sind auch in rein völkerrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Bereichen Schlichtungs- und Schiedsverfahren vereinbart worden.94
6. Subjektive Schiedsfähigkeit, Immunität 44
a) Wer Verträge schließen kann, ist im Allgemeinen auch schiedsfähig.95 Probleme ergeben sich praktisch nur bei Beteiligung ausländischer Staaten und staatlicher Organisationen, da deren eigenes Recht vielfach die Schiedsfähig-
90 Vgl Scherk v Alberto-Culver, 417 US 506, 419 US 885 (1974); Mitsubishi v Soler, 473 US 614 (1985); Newman/Burrows V-1ff. 91 Farrel Corp. v US Intern. Trade Commission, 949 F. 2d 1147 (Fed. Cir. 1991); krit. R. Brand Col.J.Transn.L. 31 (1993), 181. 92 Vgl Markert, Rohstoffkonzessionen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1989; A. Broches, Selected Essays, World Bank, ICSID, and other subjects, 1995, S 447ff; Theodorou, Investitionsschutzverträge vor Schiedsgerichten, 2001; Happ, Schiedsverfahren zwischen Staaten und Investoren nach Art 26 Energiecharta, 2000; S. Wolfgramm, Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nach dem Vertrag über die Energiecharta, 2001. 93 Vgl K. Bälz, Schiedsklauseln in Verträgen mit der iranischen öffentlichen Hand, SchiedsVZ 2006, 28. 94 Vgl K. Oellers-Frahm/A. Zimmermann, Dispute Settlement in Public International Law, 2nd ed, 2001. 95 Poudret/Besson Rz 269; Redfern/Hunter Rz 2.34.
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keit ausschließt oder nur unter Einschränkungen zulässt.96 Jeweils entsteht dann die Frage, ob sich die staatliche Organisation unter Berufung auf ihr eigenes Recht einem Schiedsverfahren widersetzen kann, dem sie zuvor vertraglich zugestimmt hatte.97 Nach Art II (1) EuÜ 1961 besitzen „juristische Personen des öffentlichen 45 Rechts“ die Schiedsfähigkeit, soweit der Staat bei der Ratifikation nicht Beschränkungen erklärt. Belgien hat insoweit die Schiedsfähigkeit dem Staat selbst vorbehalten. Diese Regelung gilt aber nur zwischen den Vertragsstaaten. Art V (1) (a) UNÜ 1958 bestimmt dagegen, dass sich jede Seite gegen die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs wehren kann, wenn sie „nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, in irgendeiner Hinsicht (zum Abschluss der Schiedsvereinbarung) nicht fähig“ war. Solange ein Schiedsspruch nicht ergangen ist, ist nach Art V (2) (a) UNÜ auf das Personalstatut nach dem IPR des mit der Sache befassten Gerichts abzustellen.98 Ist ein Schiedsspruch ergangen, ist das IPR des jeweiligen Exequaturstaats maßgeblich.99 Art 177 II schweiz. IPRG 1987 will das Vertrauen in die Gültigkeit der mit einer staatlichen Partei geschlossenen Schiedsvereinbarung schützen. Er sieht deshalb vor:
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„Ist eine Partei ein Staat, ein staatlich beherrschtes Unternehmen oder eine staatlich kontrollierte Organisation, so kann sie nicht unter Berufung auf ihr eigenes Recht ihre Parteifähigkeit im Schiedsverfahren oder die Schiedsfähigkeit einer Streitsache in Frage stellen, die Gegenstand der Schiedsvereinbarung ist.“
Dadurch soll verhindert werden, dass ein Staat oder eine staatlich beherrschte Organisation ein Schiedsverfahren unter Berufung auf die eigene Gesetzgebungshoheit, ggf noch durch nachträgliche Gesetzesänderung, vereitelt.100 Überwiegend wird dieser Schutz auch auf die Vertretungsbefugnis für die staat- 47 liche Partei erstreckt. Sinngemäß ist damit auch festgelegt, dass sich die staatliche Partei im Schiedsverfahren nicht auf eine etwaige völkerrechtliche Immunität berufen kann.101 1991 hat die ILA einen Entwurf „on Jurisdictional Immunities of States and their property“ vorgelegt.102
48
Art 177 II schweiz. IPRG entspricht tatsächlich internationaler Schiedspraxis, 49 nach Ansicht von Berger zugleich einem identischen Prinzip des Völkergewohnheitsrechts und einem transnationalen ordre public, der sich gegenüber 96 Vgl BGH IPRax 1999, 104 (krit. dazu Schütze S 87); Delaume, Transnational Contracts, 1988, § 10.02; Poudret/Besson Rz 228ff, 235f. 97 Vgl Delaume § 10.04. 98 S Poudret/Besson Rz 270ff; Weigand/Haas Art II Rz 55ff. 99 Hierfür generell MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art V UNÜ Rz 20. 100 Vischer, in: Heini/Keller, IPRG-Kommentar, 1993, Art 177 Rz 23ff; Poudret/Besson Rz 234. 101 Vischer, in: Hein/Keller, IPRG-Kommentar, 1993, Art 177 Rz 27. 102 V 11.9.1991, ILM 1991, 1563.
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§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
widersprechendem nationalen Recht durchsetze.103 Die Mehrheit der Staaten erkennt die subjektive Fähigkeit von Staaten, Partei eines Schiedsverfahrens zu sein, an.104 Allerdings verweist Art V (1) lit a UNÜ auf das Personalstatut des jeweiligen Staats, so dass Fälle subjektiver Schiedsunfähigkeit nicht auszuschließen sind. Innerstaatliche Beschränkungen gelten jedenfalls nicht ohne Weiteres auch im internationalen Kontext.105 50
In einem Schiedsverfahren genießt der Staat keine Immunität (auch nicht in staatlichen Verfahren zur Ergänzung oder Unterstützung von Schiedsverfahren), da die Immunität nur gegenüber der Hoheitsgewalt eines anderen Staats besteht.106 Durch den Schiedsvertrag unterwirft sich der Staat aber nicht ohne Weiteres Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs und der anschließenden Zwangsvollstreckung.107 Die französische Cour de Cassation hat allerdings entschieden, dass die Vereinbarung einer ICC-Schiedsklausel, in der sich die Partei auch zur Erfüllung des Schiedsspruchs verpflichtet, sinngemäß einen Verzicht auf eine Vollstreckungsimmunität enthält.108
51
b) Verbraucher sind nach deutschem Recht subjektiv schiedsfähig.109 Zum Schutze des Verbrauchers verlangt § 1031 V ZPO aber, dass Schiedsvereinbarungen, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, vom Verbraucher eigenhändig unterzeichnet und (abgesehen von notariellen Urkunden) in einer besonderen Urkunde enthalten sein müssen.110 Ist diese Form nicht gewahrt, ist die Schiedsvereinbarung unwirksam, selbst wenn sich der Verbraucher selbst auf diese beruft.111
52
c) Schiedsvereinbarungen über künftige Streitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder Finanztermingeschäften können nach § 37h WpHG (idF v 9.9.1998) nur Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts schließen. Dies gilt auch im Anwendungsbereich des New Yorker Übereinkommens (UNÜ).112 Doch gilt die Norm unmittelbar nur, wenn für das materielle Geschäft nach IPR deutsches Recht Anwendung findet.113 Andere stellen darauf ab, ob die Schiedsvereinbarung 103 104 105 106 107 108 109 110
111 112 113
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Intern. Economic Arbitration, 1993, S 184f. Vgl Poudret/Besson Rz 229. Vgl Poudret/Besson Rz 233. Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, 1989, S 51ff; vgl Redfern/ Hunter Rz 1.209ff. BGH SchiedsVZ 2006, 44, 46 (Raeschke-Kesssler); Langkeit, S 203ff. Cour de Cass. (6.7.2000) JDI 2000, 1054; krit Kröll IPRax 2002, 439. Rechtsvergleichende Übersicht bei A. Beˇlohlávek, B2C Arbitration: Consumer Protection in Arbitration, 2012, S 161ff. Vgl BGH ZIP 2010, 2505; L. Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005; Wagner/Quinke, Ein Rechtsrahmen für die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit, JZ 2005, 932; A. Beˇlohlávek, S 261ff. BGH NJW 2011, 2976 = JR 2012, 340 (Elsing) = SchiedsVZ 2011, 227. BGH ZIP 2010, 2505, 2507 (Tz 21f) = SchiedsVZ 2011, 46; BGH RIW 2011, 321, 323 (Tz 22). Fuchs/Jung, WpHG, 2009, § 37h Rz 44.
Internationale Schiedsvereinbarungen
§ 18
selbst deutschem Recht unterliegt, etwa weil sich der Schiedsort in Deutschland befindet.114 § 37h WpHG gehört aber zum deutschen ordre public, so dass eine nichtschiedsfähige Partei die Unwirksamkeit der Vereinbarung jedenfalls im Anerkennungsstadium geltend machen kann.115 d) Armut der Partei. Eine Schiedsvereinbarung bildet ein Prozesshindernis für 53 die Klage vor dem staatlichen Gericht, es sei denn, dass sie „undurchführbar ist“ (§ 1032 I ZPO). Undurchführbar wird die Vereinbarung, wenn der Schiedskläger oder der Schiedsbeklagte die Gebühren des Schiedsgerichts nicht bezahlen kann, sofern nicht die Gegenpartei den Kostenanteil der mittellosen Partei übernimmt; einer Kündigung der Schiedsvereinbarung bedarf es nicht.116 e) Insolvenz einer Partei führt nicht notwendig zur Unwirksamkeit der 54 Schiedsvereinbarung117 oder zur Unterbrechung eines laufenden Schiedsverfahrens.118 Ob hierüber die lex fori am Sitz des Schiedsgerichts oder das Heimatrecht der insolventen Partei entscheidet, ist zweifelhaft.119 Laufende Verfahren werden jedenfalls gem Art 15 EuInsVO nur nach Maßgabe der lex fori unterbrochen.120 Grds ist auch der Insolvenzverwalter an eine Schiedsvereinbarung gebunden.121 Dies gilt freilich nicht für originäre Ansprüche des Insolvenzverwalters wie das Insolvenzanfechtungsrecht.122 Zu den originären Ansprüchen zählt der BGH gar Ansprüche nach der Erklärung der Nichterfüllung eines Vertrags durch den Insolvenzverwalter.123 Allerdings kann das Insolvenzgericht in manchen Ländern eine Unterbrechung bzw Einstellung des Schiedsverfahrens anordnen.124
114 Hirte, in Kölner Komm. z. WpHG, 2007, § 37h Rz 33; Assmann/Schneider/Sethe, WpHG, 6. Aufl 2012, § 37h Rz 43. 115 Assmann/Schneider/Sethe, WpHG, 6. Aufl 2012, § 37h Rz 48ff; aA Niedermaier SchiedsVZ 2012, 177, 183. 116 BGHZ 145, 116 = NJW 2000, 3720 = JZ 2001, 258 (Schlosser) = ZZP 114 (2001), 97 (G. Walter); dazu auch Kremer/Weimann MDR 2004, 181; Labes, Financial capacities of the parties, 2004; krit. Schütze, FS Schlosser, 2005, S 867. 117 Jestaedt, Schiedsverfahren und Konkurs, 1985; G. Wagner KTS 2010, 39, 41ff.; aA Häsemeyer, Insolvenzrecht, 2. Aufl, Rz 13, 28; vgl D. Eckhardt FS v. Hoffmann, 2011, S 934; V. Lazic´, Cross-border insolvency and arbitration, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 337. 118 OLG Brandenburg BB 2001, Beilage 6, S 21; Gottwald/Gerhardt, Handbuch des Insolvenzrechts, 4. Aufl 2010, § 32 Rz 11. 119 Vgl St. Brekoulakis, Arbitrability and conflict of jurisdictions, in Ferrari/Kröll, S 117, 132f; Kröll, in Ferrari/Kröll, S 211, 226ff. 120 English Court of Appeal (9.7.2009) YCA 24 (2009), 313. Das Schweiz. BG, für das die EuInsVO nicht gilt, stellt dagegen auf das Personalstatut der insolventen Partei ab, YCA 24 (2009), 286. 121 Poudret/Besson Rz 290. 122 BGH NJW 1957, 791; BGH SchiedsVZ 2008, 148; krit T. Heydn SchiedsVZ 2010, 182. 123 BGH ZZP 126 (2013), 111 (U. Haas); zust. A. Kuhli, SchiedsVZ 2012, 321. 124 So in USA: J. Rosell/H. Prager J.IntArb. 18 (4) (2001), 417, 418ff.
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
7. Vertretungsmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung 55
Die internationalen Regelwerke enthalten keine Normen über die Vollmacht zum Abschluss eines Schiedsvertrags. Abzustellen ist daher auf das nach IPR anwendbare nationale Recht. Die Vertretungsmacht von Gesellschaftsorganen richtet sich danach nach dem Gesellschaftsstatut, die Vertretungsmacht anderer Bevollmächtigter nach dem Vollmachtsstatut.125
8. Bindung Dritter an die Schiedsvereinbarung 56
Über die Bindung Dritter an die Schiedsvereinbarung entscheidet das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht.126 Gebunden sind zunächst nur die konkreten Parteien, auch deren Rechtsnachfolger (und zwar sowohl nach einer Abtretung127 als nach einem Forderungsübergang kraft Gesetzes)128, Drittberechtigte aus einem echten Vertrag zugunsten Dritter sowie persönlich haftende Gesellschafter von OHG und KG.129 Eine persönliche Bindung von Stellvertretern, Geschäftsführern, Vorstand oder gar eines Mehrheitsaktionärs wurde bisher abgelehnt.130 Ein bilateraler Investitionsschutzvertrag enthält idR eine Schiedsvereinbarung zugunsten des jeweiligen Investors.131
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Bürgen, Garanten etc sind nicht an die Schiedsvereinbarung des Hauptschuldners gebunden, Konzernunternehmen sind nicht an Schiedsvereinbarungen anderer Konzernunternehmen, sei es der Mutter- oder einer Tochtergesellschaft gebunden.132 Denkbar ist aber, dass ein Vertreter (sinngemäß) mit Vollmacht für mehrere Konzernunternehmen gehandelt hat.133 Auch im Verhältnis Staat und Staatsunternehmen besteht keine gegenseitige Bindung.134
125 126 127 128 129
130 131 132
133 134
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Poudret/Besson Rz 274ff. Poudret/Besson Rz 264; vgl ICC Award No 11869, YCA 36 (2011), 47. Vgl Poudret/Besson Rz 284ff; Redfern/Hunter Rz 2.47 f. Poudret/Besson Rz 289. Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 34; Hanotiau JIntArb 18 (3) (2001), 251, 261; Ambrose J.B.L. 2001, 415; J. Werner JIntArb 8 (2) (1991), 13; Busse SchiedsVZ 2005, 118; vgl Girsberger, in Ferrari/Kröll, S 379. Hanotiau JIntArb 18 (3) (2001), 251, 288ff. Vgl OLG Frankfurt IPRax 2013, 83, 87 (dazu Tietje, S 64). Sandrock, Etudes Lalive, 1993, 625; Sandrock, Liber amicorum Buxbaum, S 461; Berger, International Economic Arbitration, 1993, 159ff; J.-M. Ahrens, Die subjektive Reichweite internationaler Schiedsvereinbarungen, 2001; F. Martens, Wirkungen der Schiedsvereinbarung und des Schiedsverfahrens auf Dritte, 2005; vgl C. Jürschik, Die Ausdehnung von Schiedsvereinbarungen auf konzernzugehörige Unternehmen, 2011; anders zT französische Gerichte und Schiedsgerichte, s Dow Chemical France v ISOVER YCA 9 (1984), 131; Hanotiau JIntArb 18 (3) (2001), 251, 280ff; Poudret/Besson Rz 252ff; M. Wahab, Extension of arbitration agreements, in Ferrari/Kröll, S 137, 154ff. Poudret/Besson Rz 264; O. Sandrock, Liber amicorum Buxbaum, S 461, 466ff. Poudret/Besson Rz 266ff.
Internationale Schiedsvereinbarungen
§ 18
Indirekt gebunden ist aber ein Haftpflichtversicherer. Soweit er Personen- oder 58 Sachschäden versichert, auch in Form von Freistellung oder Anspruchsabwehr, muss er auch einen Schiedsspruch gegen sich gelten lassen.135 Eine Sammelklage (class action) vor einem Schiedsgericht ist nur zulässig, 59 wenn alle Mitglieder der Gruppe durch eine entsprechende Schiedsklausel gebunden sind.136
9. Mehrparteienschiedsgerichte a) Schrifttum: I. Dore, Theory and Practice of Multiparty Commercial Arbitration, 1990; Diesselhorst, Mehrparteienschiedsverfahren, 1994; J. Frick, Arbitration and Complex International Contracts, 2001; B. Hanotiau, Problems Raised by Complex Arbitrations Involving Multiple Contracts – Parties – Issue – An Analysis, JIntArb. 18 (2001) (3), 251; v Hoffmann, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit und Internationale Handelskammer, FS Nagel, 1987, S 112; ICC, Multiparty Arbitration, 2010; B. Macmahon, Multiple Party Actions in International Arbitration, 2009; Massuras, Dogmatische Strukturen der Mehrparteien-Schiedsgerichtsbarkeit, 1998; K. H. Schwab, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit und Streitgenossenschaft, FS Habscheid, 1989, S 258; T. Varady, Observation of Group Affiliation (or: Cohabitation with the Impossible) in International Commercial Arbitration, Liber amicorum Siehr, 2010, S 745.
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b) An Grossprojekten sind häufig mehrere Unternehmen beteiligt, die aber 61 nicht alle miteinander durch Schiedsvertrag verbunden sind. Gleichwohl besteht ein erhebliches praktisches Bedürfnis, Schadensursachen, die Verantwortung dafür und den Aufwand zur Beseitigung einheitlich festzustellen; dies gilt sowohl im Verhältnis zwischen Mitschuldnern als in der Gewährleistungsbzw Regresskette.137 Ein einheitliches Schiedsverfahren für oder gegen mehrere Beteiligte kann aber 62 nur stattfinden, wenn alle durch dieselbe Vereinbarung oder durch sachlich identische oder aufeinander Bezug nehmende Vereinbarung gebunden sind oder nachträglich eine Konsolidation bereits anhängiger Verfahren beschließen.138 Eine konkrete, moderne Regelung des Vorgehens bei Mehrparteienverfahren und der Zusammenlegung anhängiger Schiedsverfahren findet sich in Art 6 (4-7), 7–10 ICC-Rules 2012. Nach deutschem Recht kann das Schiedsgericht verschiedene Schiedsverfahren nicht ohne Zustimmung aller Parteien miteinander verbinden, selbst wenn jeweils der gleiche Spruchkörper zuständig ist. Gegen eine eventuelle parallele bzw gleichzeitige Verhandlung inhaltlich zusammengehöriger Verfahren bestehen aber keine Bedenken.
135 R. Koch, Schiedsgerichtsvereinbarungen und Haftpflichtversicherungsschutz, SchiedsVZ 2007, 281. 136 US Supreme Court, (27.4.2010, Stolt-Nielsen v Animalfeeds International Corp.) EWiR § 10 FAA 1/10, S 39 (Th. Vogl). 137 Vgl Poudret/Besson Rz 237. 138 Hanotiau JIntArb 18 (3) (2001), 251, 299ff; Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 35ff; Poudret/Besson Rz 240ff, 245ff.
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
Auch das staatliche Gericht hat nach deutschem Recht keine Befugnis, mehrere Schiedsverfahren vor oder nach Beginn zusammenzulegen.139
10. Anwendbares Recht 64
Das New Yorker UN-Übereinkommen enthält keine direkte Regelung, sondern verweist indirekt in Art V (1) lit a auf das von den Parteien gewählte Recht. Haben die Parteien keine Wahl getroffen, so ist nach Art V (1) lit a UNÜ das Recht am Sitz des Schiedsgerichts maßgebend.140 In letzterem Fall ist das materielle Recht des Sitzstaats, nicht dessen IPR anzuwenden.141 Diese Anknüpfung entspricht praktisch der an das hypothetische Vertragsstatut.142 Obwohl sich Art V UNÜ unmittelbar nur an das staatliche Gericht im Anerkennungsstadium richtet, sollte die Regel bereits vom Schiedsgericht beachtet werden.143
65
Nach Art VI (2) EuÜ gelten beide Anknüpfungen auch, wenn ein staatliches Gericht über Bestehen oder Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung zu entscheiden hat.144 Ist der Sitz des Schiedsgerichts noch nicht bestimmt, so ist nach Art VI (2) lit c EuÜ auf das Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts abzustellen.
66
Im nationalen Recht sieht Art 178 II schweiz. IPRG vor, dass sich die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung nach dem von den Parteien gewählten Recht, hilfsweise nach dem auf den Hauptvertrag anwendbaren Recht oder nach schweizerischem Recht richtet. Das deutsche Recht enthält keine eigene Regelung.
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Untersteht eine Schiedsvereinbarung deutschem Recht, so unterliegt sie, wenn sie in AGB enthalten ist, der Inhaltskontrolle nach §§ 305ff BGB.145
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Eine Schiedsvereinbarung darf (aus Gründen des ordre public) nicht dazu führen, dass die Haftungsgrenzen nach den Hague-Visby Rules für Seetransporte unterschritten würden.146
139 Vgl Diesselhorst, Mehrparteienschiedsverfahren, 1994; Massuras, Dogmatische Strukturen der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, 1998, S 278ff; International Law Association, Complex Arbitrations, Report of the 66th Conference, 1994, S 689; vgl auch Nöcker, Mehrparteienschiedsverfahren – Quo vadis?, Festgabe für Sandrock, 1995, 193; Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S 205ff. Zum US-Recht s Newman/Burrows V-93ff; Carbonneau, in: Gottwald, S 878f. 140 Poudret/Besson Rz 296; aA Kreindler/Schäfer/Wolff Rz 119 (Schiedsverfahrensstatut). 141 Poudret/Besson Rz 298. 142 Hierfür OLG Düsseldorf RIW 1996, 239 (Tz 12). 143 Poudret/Besson Rz 302. 144 Vgl Poudret/Besson Rz 299. 145 OLG Dresden IPRax 2010, 241 (zum österr. Recht); dazu F. Eichel IPRax 2010, 219. 146 BGH NJW 1983, 2772.
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Internationale Schiedsvereinbarungen
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11. Auslegung und Reichweite der Schiedsvereinbarung Die Auslegung der Schiedsvereinbarung richtet sich nach dem auf sie anwend- 69 baren Recht.147 Unklarheiten, welches Schiedsgericht vereinbart ist, sind durch Auslegung der Schiedsvereinbarung in Verbindung mit dem Hauptvertrag zu klären.148 Eine Schiedsvereinbarung ist ein vom Hauptvertrag unabhängiger Vertrag (vgl 70 § 1040 Abs. 1 S 2 ZPO). Sie ist im Zweifel weit auszulegen und erfasst nicht nur Ansprüche aus dem Hauptvertrag, sondern auch Streitigkeiten über dessen Gültigkeit oder Ungültigkeit, über die Abwicklung sowie gesetzliche Ansprüche, die mit vertraglichen Ansprüchen konkurrieren.149 Ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln ist, ob eine Schiedsvereinbarung, die 71 sich auf Streitigkeiten aus einem bestimmten Vertrag bezieht, auch den Streit aus ergänzenden oder Folgevereinbarungen mit umfasst.150
12. Einseitig eingesetzte Schiedsgerichte Schrifttum: M. Beckmann, Statutarische Schiedsklauseln im deutschen Recht und internationalen Kontext, 2007; U. Haas, Beruhen Schiedsabreden in Gesellschaftsverträgen nicht doch auf Vereinbarungen i.S. des § 1066 ZPO?, SchiedsVZ 2007, 1; U. Haas, Schiedsgerichte in Erbsachen und das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollsstreckung ausländischer Schiedssprüche, SchiedsVZ 2011, 289; Schiedsgerichte in Erbsachen, Zürich 2012.
72
Schiedsgerichte sind parteiautonom eingesetzte Spruchkörper. Im Regelfall be- 73 ruht ihre Macht daher auf einer konkreten Parteivereinbarung. Statutarische Schiedsklauseln in Satzungen von Aktiengesellschaften, Verbänden etc sind durch den Erwerb der Aktie bzw den Beitritt zum Verband rechtsgeschäftlich legitimiert und daher Schiedsvereinbarungen, auch iS des UNÜ gleichzustellen.151 Ob eine einseitig vom Erblasser in einem Testament angeordnete Schiedsklau- 74 sel nicht nur national (s § 1066 ZPO), sondern auch international im Rahmen des UNÜ bindet, ist zweifelhaft. Für eine Bindung spricht, dass auch im Rahmen des UNÜ eine Bindung Dritter, zB bei Ansprüchen aus einem Vertrag zugunsten Dritter anerkannt wird.152
147 Poudret/Besson Rz 304. 148 OLG München SchiedsVZ 2012, 159. 149 MüKo/Münch, § 1029 ZPO Rz 72; Reithmann/Martiny/Hausmann, 7. Aufl 2010, Rz 6650f; vgl Poudret/Besson Rz 305ff. 150 Vgl Poudret/Besson Rz 308ff. 151 Vgl Beckmann, S 117ff, 383 ff. 152 Vgl U. Haas SchiedsVZ 2011, 289, 291ff.
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III. Das Schiedsverfahrensrecht 1. Schrifttum 75
a) Allgemein: Bartels, Bedeutung der Streitverkündung vor dem staatlichen Gericht für das nachfolgende schiedsrichterliche Verfahren, BB 2001, Beiheft 7, S 20; A. J. van den Berg, Planning efficient arbitration proceedings – The law applicable in international arbitration, 1996; Ch. Berger, Schiedsrichtervertrag und Insolvenz der Schiedspartei, FS v. Hoffmann, 2011, S 903; K. P. Berger, Die Aufrechnung im internationalen Schiedsverfahren, RIW 1998, 426 (engl. Fassung in ArbInt 1999, 53); W. v. Bernuth/N. Hoffmann, Nach der Schuldrechtsreform: Verjährungshemmung bei Klagen vor einem ordentlichen Gericht trotz Schiedsklausel, SchiedsVZ 2006, 127; K.-H. Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, 2001; X. Bozcobza/Y.-M. Serinet, Les principes du procès équitable dans l’arbitrage international, JDI 139 (2012), 41; Bühler/Dorgan, Witness Testimony Pursuant to the 1999 IBA-Rules of Evidence in International Commercial Arbitration, JIntArb 2000 (1), 3; J. Butchers/Ph. Kimbrough, The arbitral tribunal’s role in default proceedings, ArbInt 22 (2006), 233; Th. Clay, L’arbitre, 2001; R. Doak Bishop, The Art of Advocacy in International Arbitration, 2004; P. Fouchard, Arbitrage commercial international, Tribunal arbitral, Juris Classeur, Droit International 11, Fasc. 586–7, 1991–94; Gaillard, Arbitrage Commercial International, Instance arbitrale, Juris-Classeur Droit Intern. Fasc. 586–8 (1994); J. Geiben, Die Privatsphäre und Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, 2001; R. Goode, The Role of the Lex Loci Arbitri in International Commercial Arbitration, ArbInt 17 (2001), 19; J. Gotanda, Bringing efficiency to the awarding of fees and costs in international arbitrations, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 141; P. Griffin, Recent Trends in the Conduct of International Arbitration, JIntArb 2000 (2), 19; U. Haas, Aufrechnung im Schiedsverfahren und Art 19 ICC-SchO, FS Kaissis, 2012, S 949; K. Haase, Das Erfordernis der Prozesskostensicherheit i.S. des § 110 ZPO im schiedsgerichtlichen Verfahren, BB 1995, 1252; A. K. Hoffmann, Duty of Disclosure and Challenge of Arbitrators, ArbInt 2005, 427; B. v Hoffmann, Der internationale Schiedsrichtervertrag, FS Glossner, 1994, S 143; D. Holder, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2009; G. Horvath, Costs in International Arbitration, 2008; H. van Houtte, Die Übermittlung des Schiedsspruchs an die Parteien, FS Schlosser, 2005, S 997; ICC, Confidentiality in Arbitration, 2009; Karrer/Desax, Security for costs in international arbitration, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, 339; C. Kern, Internationale Schiedsverfahren zwischen Civil Law und Common Law, ZVglRWiss 109 (2010), 78; J. Kleinschmidt, Die Widerklage gegen einen Dritten im Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2006, 142; Knof, Tatsachenfeststellung in Streitigkeiten des internationalen Wirtschaftsverkehrs, 1995; Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, Rz 696ff; Kühn/Gantenberg, Confidentiality in Arbitration, FS Schlosser, 2005, S 461; M. Kurkela, Due process in International Commercial Arbitration, 2005; C. Leaua, The applicability of party autonomy in the appointment of arbitrators, CYArb 2 (2012), 133; Ch. Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012; P. Mankowski, Schiedsgerichte und die Verordnungen des europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, FS v. Hoffmann, 2011, S 1012; J. Misra/R. Jordans, Confidentiality in international arbitration, JIntArb 23 (2006) (1), 39; L. Mistelis, Reality test: Current state of Affairs in theory and practice relating to „lex arbitri “, FS Norbert Horn, 2006, S 1005; L. Mistelis, Arbitral seats – choices and competition, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 363; B. Moreau, Le prononcé de la sentence entraîne-t-il le dessaissement des arbitres?, Études en l’honneur Poudret, 1999, S 453; R. Mosk/T. Ginsburg, Evidentiary privileges in international arbitration, ICLQ 50 (1991), 345; P. Neill, Confidentiality in Arbitration, ArbInt 12 (1996), 287; L. Newman/R. Hill (ed), The Leading Arbitrator’s Guide to International Arbitration, 2004; K. Noussia, Confidentiality in International Commercial Arbitration, 2010; R. Oldenstam/J. von Pachelbel, Confidentiality and arbitration, SchiedsVZ 2006, 31; J.-M. Oppermann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit und Verjährung, 2009; B. Osterthun, Schadensfälle im Schiedsverfahren, 2001; G. Petro-
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Das Schiedsverfahrensrecht
§ 18
chilos, Procedural Law in International Arbitration, 2004; D. Poelzig, Die Diskriminierung von Schiedsrichtern durch Schiedsparteien, ZEuP 2012, 955; Th. Ritz, Die Geheimhaltung im Schiedsverfahren nach Schweizerischem Recht, 2007; K. Sachs/T. Lörcher, Conduct of Arbitral Proceedings, in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2007, Ch. V, S 275; O. Sandrock, Die „Terms of Reference“ und die Grenzen ihrer Präklusionswirkung, RIW 24 (1987), 649; O. Sandrock, Zur Prozesskostensicherheit in internationalen Schiedsverfahren, FS Gaul, 1997, S 607; O. Sandrock, Compound Interest in International Arbitration, Études en l’honneur Poudret, 1999, S 519; O. Sandrock, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Verjährung nach deutschem Recht, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, 671; J. Schäfer, Einführung in die internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Welche Verfahrensregeln gelten vor einem internationalen Schiedsgericht?, Jura 2004, 153; M. Schäfer, Die Verträge zur Durchführung des Schiedsverfahrens, 2010; M. Schneider/J. Knoll, Performance as a remedy: Non-monetary relief in international arbitration, 2011; N. Schoibl, Zur Sicherheitsleistung für Prozesskosten im schiedsgerichtlichen Verfahren, FS Jelinek, 2002, 263; R. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 4. Aufl 2007; R. Schütze, Die Bedeutung des effektiven Schiedsortes im internationalen Schiedsverfahren, FS v. Hoffmann, 2011, S 1077; R. Schütze, Die Besetzung eines internationalen Schiedsgerichts und das anwendbare Recht, FS Kaissis, 2012, S 887; R. Schütze, Die Mehrfachbenennung von Schiedsrichtern als Ablehnungsgrund, FS Simotta, 2012, S 519; I. Schwytz, Schiedsklauseln und Schiedsrichtervertrag, 3. Aufl 2000; T. Varady, Observation of group affiliation (or: cohabitation with the impossible) in international commercial arbitration, Liber amicorum Siehr, 2010, S 745; V. Veeder, L’indépendance et l’impartialité de l’arbitre dans l’arbitrage international, in: Cadiet/Clay/Jeuland, Médiation et arbitrage, 2005, 219; J. Waincymer, Procedure in international arbitration, 2012; R. Ward, The Flexibility of Evidentary Rules in International Trade Dispute Arbitration, JIntArb 1996 (3), 5; Th. Webster, Obtaining Documents from Adverse Parties in International Arbitration, ArbInt 17 (2001), 41; M. Wilke, Verfahrenseinleitung und Verjährungshemmung in AAA-, DIS- und ICC-Schiedsverfahren, RIW 2007, 189; R. Wolff, Streitwertfestsetzung bei wertabhängiger Schiedsrichtervergütung – Schiedsrichter in eigener Sache?, SchiedsVZ 2006, 131. UNCITRAL, Notes on Organizing Arbitral Proceedings, 1996. Dazu: R. Ceccon, UNCITRAL Notes on Organizing Arbitral Proceedings, JIntArb 14 (2) (1995), 67; Ph. Habegger/A. v. Mühlendahl, UNCITRAL Notes on Organizing Arbitral Proceedings, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 207. b) Online Arbitration: Herrmann, Some legal E-flections on Online Arbitration („cybitration“), Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 267; Kaissis, Die Internet-Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gottwald, Effektivität des Rechtsschutzes vor staatlichen und privaten Gerichten, 2005, S 219; A. Splittgerber, Online-Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und den USA, 2003.
2. Ad hoc- oder Institutionelles Schiedsverfahren Zweckmäßigerweise legen die Parteien bereits in der Schiedsvereinbarung fest, 76 ob sie ein „institutionelles Schiedsgericht“ oder ein „ad hoc-Schiedsgericht“ bestellen wollen und wieviele Schiedsrichter (einer, drei usf.) den Streit entscheiden sollen. Ein „institutionelles Schiedsgericht“ wird administrativ durch eine Schieds- 77 organisation unterstützt; das Verfahren wird idR nach der von der Institution bereits gestellten Verfahrensordnung abgewickelt. Zwischen den Parteien und der Schiedsorganisation wird ein Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen.153 153 Vgl Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 41f.
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§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
Die Institution achtet darauf, dass die eigenen Regeln (Fristen) eingehalten werden. Sie bereitet alle „technischen“ Fragen vor, damit das Schiedsgericht an einem bestimmten Ort tätig werden kann. Größte Bedeutung hat insoweit das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Paris154 mit der Schiedsgerichtsordnung v 1.1.2012 (s u Rz 107). Von Bedeutung155 sind weiter (1) der London Court of International Arbitration, (2) das American Arbitration Association International Center for Dispute Resolution, (3) die Kommission für Wirtschafts- und internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in China (CIETAC),156 (4) das Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer, (5) die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit,157 (6) das Internationale Schiedsgericht der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft in Wien, (7) die Schiedsgerichte der Schweizerischen Handelskammern (von Basel, Bern, Genf, Lausanne, Lugano, Neuchâtel und Zürich), (8) das Hong Kong International Arbitration Centre und (9) das Singapore International Arbitration Centre. Hinzuweisen ist ferner auf – das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) bei der Weltbank,158 – das Schiedszentrum der WIPO in Genf159 sowie – die Internet Corporation for Assigned Names (ICANN), die ein besonderes Verfahren für Uniform Domain Name Disputes anbietet (s u Rz 111). In den letzten Jahren hat auch die – Sportschiedsgerichtsbarkeit des CAS160 Aufmerksamkeit erregt.161 154 Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer, 38, Cours Albert 1er, F-75008 Paris. 155 Angaben zum Fallaufkommen der wichtigsten Institutionen bei L. Mistelis, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 363, 365. 156 Vgl L. Kniprath, Die Schiedsgerichtsbarkeit der Chinese International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC), 2004. 157 DIS, Beethovenstr. 5–13, 50674 Köln. 158 Vgl Lionnet, S 245ff. 159 Vgl Kaboth, Das Schlichtungs- und Schiedsgerichtsverfahren der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), 2000. 160 Avenue de Beaumont, 2, CH-1012 Lausanne, [email protected]. 161 Vgl I. Blackshaw, Sport, Mediation and Arbitration, 2009; F. Osthülz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, 2005; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S 484ff; Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169; U. Haas, Die Streitbeilegung durch Schiedsgerichte im internationalen Sport, in Gilles/Pfeiffer, Neue Tendenzen im Prozessrecht, 2008, S 9; J. Hochtritt, Internationale Sportschiedssprüche vor deutschen Gerichten, 2007; M. Pereira Borges, Verbandsgerichtsbarkeit und Schiedsgerichts-
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Das Schiedsverfahrensrecht
§ 18
Bei einem ad hoc-Schiedsgericht müssen Parteien und Schiedsrichter selbst für 78 die verwaltungsmäßige und verfahrensmäßige Abwicklung sorgen;162 außerdem muss Vorsorge für den Fall getroffen werden, dass eine Partei oder ein Schiedsrichter seine Mitwirkung verweigert oder verzögert. Notfalls kann dazu das staatliche Gericht zur Vornahme einer Ersatzbestellung angerufen werden (§ 1035 III-V ZPO). In den meisten Ländern muss dazu aber eine Einigung über den Ort des 79 Schiedsverfahrens bzw über den Sitz, dh die Nationalität des Schiedsgerichts vorliegen.163 Als Musterordnung für internationale ad hoc-Schiedsgerichte stehen die UNCITRAL-Rules bereit (s u Rz 120). Vielfach sind Schiedsorganisationen auch bereit, für ad hoc-Schiedsgerichte Service-Funktionen zu übernehmen, Schiedsrichter zu ernennen usf. Die Parteien können das Verfahren der Schiedsrichterbestellung frei verein- 80 baren (§ 1035 I ZPO). Ist ein Dreierschiedsgericht vorgesehen, bestellt jede Partei „ihren“ Schiedsrichter; beide bestellen den Vorsitzenden. Verzögert eine Seite die Bestellung ihres Richters oder können sich beide Richter nicht auf einen Vorsitzenden einigen, wird der fehlende auf Antrag vom zuständigen Gericht bestellt (§ 1035 III ZPO). Dies gilt jedoch nicht, wenn ein benannter Schiedsrichter zurücktritt oder von der Gegenseite abgelehnt wird.164 Manche Organisationen sehen stattdessen ein Listenverfahren vor: Beide Sei- 81 ten erhalten eine (ergänzbare) Liste möglicher Schiedsrichter und streichen auszuschließende Personen. Aus dem Kreis der Nichtgestrichenen bestellt dann die Schiedsinstitution das Schiedsgericht. Wird das Verfahren von oder gegen Streitgenossen eingeleitet (Mehrparteien- 82 verfahren), so muss sich jede Seite auf „ihren“ Richter einigen. Art 12 (7), (8) ICC Rules 2012 sieht dies ausdrücklich vor und bestimmt ergänzend, dass der „Schiedsgerichtshof“ notfalls den Schiedsrichter für jede Partei bestellen kann.165 Anders als sec. 1 (7) des englischen Arbitration Act 1996 gibt das deutsche Recht dem staatlichen Gericht nicht die Befugnis, bei fehlender Einigung den Schiedsrichter zu bestellen oder ein Verfahren zur Bestellung festzulegen.166
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barkeit im internationalen Berufsfußball, 2009; A. Rigozzi, L’arbitrage international en matière du sport, 2005; Ch. Weber, Die Sportschiedsgerichtsbarkeit nach dem World Anti-Doping Code, SchiedsVZ 2004, 193; M. Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, 2006; M. Reeb u. J. Nafziger, The Court of Arbitration for Sport, in: W. Heere, International law and the Hague’s 750th Anniversary, 1999, S 233 u 239; Schweiz: BG SchiedsVZ 2004, 208 (CAS als Schiedsgericht); W. Seitz, Sportrecht International, FS Heldrich, 2005, S 1035. Zur Aufhebung eines CAS-Schiedsspruchs s BG SchiedsVZ 2007, 330 (Haas/Reichl). Vgl UNCITRAL, Notes on Organizing Arbitral Proceedings, 1996. Vgl Lionnet, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 477. KG SchiedsVZ 2008, 200. Vgl Hanotiau JIntArb 18 (3) (2001), 251, 241f; Poudret/Besson Rz 242ff. Schlosser, Neues deutsches Recht, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ, 2000, S 163, 167.
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§ 18 83
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
Die Schiedsrichter sollen unabhängig von der Art ihrer Bestellung als Spruchkörper zusammenarbeiten.167 Alle Schiedsrichter müssen wie Richter unabhängig sein und können wegen Befangenheit abgelehnt werden (§ 1036 ZPO).168 Damit über mögliche Ablehnungsgründe frühzeitig entschieden werden kann, sieht § 1036 I 1 ZPO vor, dass die als Schiedsrichter ausgewählte Person alle Umstände offenzulegen hat, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können.169 In der Praxis werden vielfach unterschiedlich strenge Anforderungen an parteiernannte Schiedsrichter und den neutralen Vorsitzenden gestellt. Kein Ablehnungsgrund ist es, wenn der parteiernannte Schiedsrichter den anderen Schiedsrichtern (und den Parteien) die Rechtslage nach der ihm vertrauten Rechtsordnung erläutert.170 Kein Ablehnungsgrund ist es, wenn der Schiedsrichter eine Partei vor Jahren punktuell anwaltlich beraten hat171 oder wenn der gleiche Schiedsrichter von einer Partei mehrfach in parallelen Verfahren benannt wird.172 Die Parteien können (vorbehaltlich des § 1037 III ZPO) ein Ablehnungsverfahren vereinbaren (§ 1037 I ZPO).173
3. Bestellung der Schiedsrichter 84
Die Parteien können das gesamte Schiedsverfahren einschließlich der Bestellung der Schiedsrichter frei regeln. Das deutsche Recht sieht im Zweifel ein Dreierschiedsgericht vor (§ 1034 I 2 ZPO). Nach Art 1451 I CPC können in Frankreich nur natürliche Personen als Schiedsrichter benannt werden. Dies wird jedoch als eine auf die interne französische Schiedsgerichtsbarkeit bezogene Beschränkung angesehen. Sobald die Interessen des internationalen Handels betroffen sind, kann auch eine juristische Person unabhängig von ihrem Sitz und ihrer Nationalität zum Schiedsrichter bestellt werden. Dies soll sogar dann gelten, wenn das französische Verfahrensrecht von den Parteien gewählt wurde.174 Die Parteien können besondere persönliche Anforderungen an ihre Schiedsrichter (Sprache, Religion, Sachkunde) stellen, ohne dass darin ein Verstoß gegen Antidiskriminierungsgesetze liegen würde.175 Kommt eine Partei ihrer Pflicht zur Bestellung eines Schiedsrichters nicht nach, geht die Befugnis zur Bestellung auf eine nach den vereinbarten Schiedsregeln zuständige Stelle über;176 fehlt eine solche Vereinbarung, kann das Gericht am Sitz des Schiedsgerichts angerufen werden (s u Rz 159).
167 168 169 170 171 172 173 174 175 176
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A. Lowenfeld, International litigation and arbitration, 1993, S 337/38. Vgl S. Luttrek, Bias challenges in international commercial arbitration, 2009. Vgl OLG Frankfurt SchiedsVZ 2008, 199. A. Lowenfeld, International litigation and arbitration, 1993, S 337; Lionnet, S 107ff. OLG Hamburg SchiedsVZ 2006, 55. Schütze, FS Simotta, 2012, S 519. Vgl OLG Hamburg SchiedsVZ 2006, 55. Fouchard, Juris Classeur, Droit international 11, Fasc. 586–7-1, Nr 13. Vgl Poelzig ZEuP 2012, 955. Vgl Ch. Kee, The evolving role of an appointing authority, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 301.
Das Schiedsverfahrensrecht
§ 18
4. Schiedsrichtervertrag Mit Annahme seines Amtes tritt der Schiedsrichter in ein vertragliches Schuld- 85 verhältnis zu beiden Parteien.177 Der Vertrag ist ein besonderer Geschäftsbesorgungsvertrag; er unterliegt dem gewählten Recht (Art 3 Rom I-VO),178 hilfsweise dem Recht am Sitz des Schiedsgerichts (Art 4 III Rom I-VO). Die Schiedsrichter sind ua grds verpflichtet, den Schiedsspruch korrekt abzufassen, so dass er vollstreckt werden kann.179 Bei etwaigen Pflichtverletzungen haftet der Schiedsrichter den Parteien nach dem Vertragsstatut.180 In der Praxis finden sich hier Haftungsbeschränkungen in unterschiedlichem Umfang.
5. Sitz des Schiedsgerichts Die Parteien legen in ihrer Vereinbarung autonom fest, wo das Schiedsgericht 86 seinen Sitz haben soll (§ 1043 I 1 ZPO). Mit dieser Vereinbarung wird mittelbar festgelegt, welches Recht mangels Vereinbarung auf die Schiedsvereinbarung, aber auch in der Sache selbst anzuwenden ist, welches Gericht während des Verfahrens um Hilfe angerufen werden kann, welche Nationalität der spätere Schiedsspruch hat, dh in welchem Staat er angefochten, aufgehoben oder für nichtig erklärt werden und in welchen Ländern sich der Beklagte nur gegen seine Vollstreckung wehren kann.181 Haben die Parteien den Sitz auch nicht mittelbar durch den Auftrag an eine Schiedsorganisation bestimmt, so wird der Sitz vom Schiedsgericht nach billigem Ermessen festgelegt (§ 1043 I 2, 3 ZPO). Haben die Parteien nur den Sitzstaat, aber keinen Ort festgelegt, ist von einem Sitz in der Landeshauptstadt auszugehen.182 Durch Änderung des Schiedsvertrags können die Parteien den Sitz des Schiedsgerichts nachträglich verlegen; das Schiedsgericht selbst ist dazu nicht befugt.183 In Sonderfällen ist die Wahl des Schiedsortes jedoch gesetzlich eingeschränkt.
177 K. P. Berger, International Economic Arbitration, 1993, S 232; Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 47f. 178 Berger, S 233; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl 2005, Kap 48 Rz 3; Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 48 (No 27). Für Anknüpfung an das Recht der Schiedsvereinbarung Schütze, IZPR, Rz 521. 179 Vgl G. Horvath, The Duty of the Tribunal to Render an Enforceable Award, JIntArb 18 (2) (2001), 135. 180 Vgl J. Gal, Die Haftung des Schiedsrichters in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2008; M. Maisner, Liability and independence of the arbitrator, CYArb 2 (2012), 149; K. Pörnbacher/I. Knief, Liability of arbitrators – judicial immunity versus contractual liability, CYArb 2 (2012), 211. 181 Vgl L. Mistelis, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 363. 182 Schlosser, in: Gottwald, S 163, 201. 183 Vgl P. Lalive, On the transfer of seat in international arbitration, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, 515.
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§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
Nach Art 34 I Montrealer Übereinkommen bzw Art 32 S 2 WA sind Schiedsklauseln in Luftbeförderungsverträgen zwar zulässig, doch muss das Verfahren in einem der in Art 33 Montrealer Übereinkommen bzw in Art 28 I WA bezeichneten Gerichtsstände (s o § 3 Rz 311ff) stattfinden.
6. Verfahren vor dem Schiedsgericht 88
Die Parteien können das Schiedsverfahrensrecht frei bestimmen (§ 1042 III ZPO);184 in der Vereinbarung eines institutionellen Schiedsgerichts liegt in der Regel auch das Einverständnis mit der Schiedsordnung der Institution. Haben die Parteien eines ad hoc-Schiedsgerichts nichts Konkretes vereinbart, bestimmt das Schiedsgericht selbst (von Fall zu Fall) sein Verfahren nach billigem Ermessen (§ 1042 IV ZPO). Alle Rechtsordnungen verlangen lediglich, dass die Parteien prozessual gleichbehandelt und ihnen Gelegenheit zum rechtlichen Gehör gewährt wird (§ 1042 I ZPO). Das Verfahren ist idR nicht öffentlich, so dass die Beteiligten darüber ein gewisses Maß an Vertraulichkeit zu wahren haben.185 Eine strikte Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten muss aber besonders vereinbart werden.186 Die Verfahrenssprache wird frei vereinbart.
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Das bestimmte Verfahrensrecht entscheidet darüber, in welcher Form die Schiedsklage zu erheben ist. Nach § 1044 ZPO beginnt das Schiedsverfahren über eine bestimmte Streitigkeit an dem Tag, an dem der Beklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat. Dieser Antrag muss lediglich die Bezeichnung der Parteien, die Angabe des Streitgegenstandes und einen Hinweis auf die Schiedsvereinbarung enthalten. Zustellungs- und Übersetzungserfordernisse bestehen grds nicht. Doch können die Parteien anderes vereinbaren. Nach vielen Schiedsordnungen muss der Kläger etwa gleichzeitig einen Schiedsrichter ernennen oder zur Bestätigung vorschlagen.187
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Der Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, auch vor einem ausländischen Schiedsgericht hemmt die Verjährung des Anspruchs (§ 204 I Nr 11 BGB).188
184 Vgl Lionnet, S 137ff; Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 54ff. 185 Vgl Geiben, Privatsphäre, passim; R. Oldenstam/J. von Pachelbel SchiedsVZ 2006, 31; Misra/Jordans JIntArb 23 (2006) (1), 39; J. Soneureanu, Confidentiality in International Commercial arbitration, 2011; M. Hwang/N. Thio, A proposed Model Procedural Order on Confidentiality in International Arbitration, JIntArb 29(2012), 137; Ch. Leisinger, Vertraulichkeit in internationalen Schiedsverfahren, 2012; J. Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, 2010. 186 Prütting, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 629, 632ff; P. Nacimiento, Abschied von der Vertraulichkeit im Schiedsverfahren?, BB 2001, Beilage 6, S 7; H. Bagner, Confidentiality – A Fundamental Principle?, JIntArb 18 (2) (2001), 245; Kühn/Gantenberg, FS Schlosser, S 461. 187 Schlosser, Neues deutsches Recht, in: Gottwald, Reform des EuGVÜ, 2000, S 163, 172. 188 Vgl O. Sandrock, Liber amicorum Böckstiegel, S 671; Hauck, „Schiedshängigkeit“ und Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, 1996; Wilke RIW 2007, 189.
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Das Schiedsverfahrensrecht
§ 18
Müssen zuerst Schiedsrichter bestellt werden, wird die Verjährung dadurch gehemmt, dass der Schiedskläger das dazu seinerseits Erforderliche getan hat. Auch die Klage vor dem staatlichen Gericht hemmt die Verjährung, selbst wenn die Parteien eigentlich die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart haben.189 Die Anhängigkeit eines Schiedsverfahrens sollte dieselben Sperrwirkungen ge- 91 genüber einem weiteren Schiedsverfahren haben wie bei parallelen Verfahren vor staatlichen Gerichten.190 Eine Streitverkündung mit Interventionswirkung (§§ 74, 68 ZPO) vor dem 92 staatlichen Gericht ist vom Schiedsgericht in einem nachfolgenden Schiedsverfahren grds zu beachten.191 Das Schiedsgericht kann Dritte zum Verfahren beiladen und eine Streitverkündung im Schiedsverfahren mit Zustimmung der Parteien zulassen. Wirkungen gegen den Dritten haben solche Akte aber nur, wenn der Dritte Partei der Schiedsvereinbarung ist192 (s o Rz 56ff, 60ff). Eine Gewährleistungs- oder Interventionsklage gegen einen nicht durch Schiedsvereinbarung gebundenen Dritten (analog Art 6 Nr 2 EuGVO) ist nicht möglich. Nach den vereinbarten Verfahrensregeln richtet sich auch, welche Folgen die 93 Säumnis einer Partei (keine schriftliche Äußerung; Nichterscheinen in mündlicher Verhandlung) hat. Im Allgemeinen kann die säumige Partei das Verfahren nicht blockieren. Es kann vielmehr einseitig weiter verhandelt und auf der dadurch ermittelten Grundlage entschieden werden.193 Eine Widerklage gegen einen Dritten kann im Schiedsverfahren nur erhoben 94 werden, wenn dieser an die Schiedsvereinbarung gebunden ist (s o Rz 56ff, 60ff) oder alle Beteiligten damit nachträglich einverstanden sind. Das Einverständnis der bisherigen Parteien kann sich auch mittelbar aus der Wahl einer Schiedsordnung ergeben, die eine Widerklage gegen Dritte zulässt.194 Eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung, für die keine Schiedsverein- 95 barung besteht, ist ähnlich zu behandeln. Eine Schiedsvereinbarung hat kein Verbot einer Aufrechnung zum Inhalt. Wird im Schiedsverfahren mit einer Gegenforderung aufgerechnet, die vor den staatlichen Gerichten eingeklagt ist oder einzuklagen wäre, soll der Schiedsbeklagte prozessual gehindert sein, das Erlöschen der Forderung aufgrund einer streitigen Gegenforderung vorzutragen. Erst nachträglich soll er den Aufrechnungseinwand mittels Vollstreckungsabwehrklage geltend machen können.195
189 190 191 192 193 194 195
Vgl W. von Bernuth/N. Hoffmann SchiedsVZ 2006, 127. H.-P. Mansel, FS Kühne, 2009, S 809. Bartels BB 2001, Beiheft 7, S 20ff. Vgl Schlosser, FS Geimer, S 947. Vgl J. Butchers/Ph. Kimbrough ArbInt 22 (2006), 233. Vgl J. Kleinschmidt SchiedsVZ 2006, 142. Stein/Jonas/Schlosser § 1029 Rz 31; vgl MüKo/Münch, ZPO, § 1046 ZPO Rz 36; Zimmerli, Die Verrechnung im Zivilprozess und in der Schiedsgerichtsbarkeit, 2003. Zur Aufrechnung nach Art 19 ICC-SchO s U. Haas, FS Kaissis, 2012, S 949.
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§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
7. Kostenvorschuss, Sicherheitsleistung 96
Die meisten Schiedsordnungen sehen vor, dass das Schiedsgericht die voraussichtlichen Gesamtkosten des Verfahrens per Kostenvorschuss zu gleichen Teilen von beiden Schiedsparteien einfordern kann.196 Diese Befugnis besteht auch ohne ausdrückliche Regelung (analog § 110 ZPO).197 Werden die Vorschüsse nicht fristgerecht bezahlt, kann das Schiedsgericht seine Tätigkeit unterbrechen bzw (vorläufig) einstellen. Kann das Schiedsverfahren wegen Mittellosigkeit einer Partei nicht durchgeführt werden, so entfällt nach deutschem Recht die Bindung an die Schiedsvereinbarung.198
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Dagegen kann der Schiedsbeklagte ohne besondere Vereinbarung keine Sicherheitsleistung (entspr § 110 ZPO) für seine eigenen Prozesskosten verlangen.199 Manche wollen ihm dieses Recht immerhin bei nachträglicher Verschlechterung der finanziellen Lage des Schiedsklägers zubilligen. Sandrock will dem Schiedsgericht über § 1041 I ZPO die Befugnis geben, Sicherheitsleistung „soweit erforderlich“ als sichernde Maßnahme anzuordnen.200
8. Beweisverfahren 98
Schrifttum: K.-H. Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, 2001; M. Burianski/M. Reindl, Truth or dare? The conflict between E-discovery in internatonal arbitration and German data protection rules, SchiedsVZ 2010, 187; S. Elsing, Internationale Schiedsgerichte als Mittler zwischen den prozessualen Rechtskulturen, BB 2002, IDR-Beil, S 19; T. Giovannini/A. Mourre, Written evidence and Discovery in International Arbitration, 2009; O. Glossner/H. Raeschke-Kessler, The preamble of the IBA Rules of evidence, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 503; S. Greenberg/F. Lautenschlager, Adverse inferences in international arbitral practice, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 179; ICC, Written evidence and discovery in international arbitration, 2009; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 2003; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, 2007; A. Meier, The production of electronically stored information in international commercial arbitration, SchiedsVZ 2008, 179; N. O’Malley, Rules of evidence in international arbitration, 2011; R. Pietrowski, Evidence in International Arbitration, ArbInt 22 (2006), 373; H. Raeschke-Kessler, The production of documents in international arbitration, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, 641; M. Roth, False testimony at international arbitration hearings, JIntArb 11 (1) (1994), 5; Schäffler, Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der Anwendung angloamerikanischer Beweisverfahren in Schiedsverfahren, 2003; P. Schlosser, Der Privatvertrag mit Zeugen und Forumexperten, RIW 2005, 81; Schütze, Die Ermessensgrenzen des Schiedsgerichts bei der Bestimmung der Beweisregeln, SchiedsVZ 2006, 1; P. Shaughnessy, Dealing with Privileges in International Commercial Arbitration, Scandinavian Studies in Law 51 (2007), 451; J. Tief, Discovery und Informationspflichten der Parteien in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2000; V. Triebel/J. Zons, Dis196 Vgl Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 91f. Zur Anforderung getrennter Vorschüsse bei Klage und Widerklage s Mack SchiedsVZ 2006, 36. 197 Haase BB 1995, 1252; Karrer/Desax, Liber amicorum Böckstiegel, S 339, 343ff; Schwab/Walter, 7. Aufl 2005, Kap 12 Rz 16. 198 BGHZ 145, 116 = NJW 2000, 3720; krit Schütze, FS Schlosser, S 867. 199 AA Schütze, in: Gottwald, Effektivität des Rechtsschutzes, 2005, S 169, 190; Haase BB 1995, 1252; anders auch für Österreich: Schoibl, FS Jelinek, 2002, 263. 200 O. Sandrock JIntArb 14 (1) (1997), 17, 30, 36; O. Sandrock, FS Gaul, 1997, S 607, 624, 644.
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Das Schiedsverfahrensrecht
§ 18
covery of Documents in internationalen Schiedsverfahren – Theorie und Praxis, IDR 2002, 26; V. Triebel/J. Zons, Die Befragung von Zeugen vor dem Hearing in internationalen Schiedsverfahren, IDR 2004, 5; I. Varga, Die Anknüpfung von „legal professional privileges“ in internationalen Schiedsverfahren, Liber amicorum Rauscher, 2005, S 169; I. Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren, 2006; J. Waincymer, Procedure and evidence in international arbitration, 2012; St. Wilske/T. Fox, Corruption in international arbitration and problems with standard of proof, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 489.
Das Beweisverfahren in internationalen Schiedsverfahren richtet sich nach der 99 von den Parteien vereinbarten Verfahrensordnung. Zwingende Regeln am Sitz des Schiedsgerichts sind zu beachten (vgl § 1042 III ZPO). Soweit keine Vorgaben bestehen, kann das Schiedsgericht zumeist selbst Beweisregeln nach eigenem Ermessen bestimmen (vgl § 1042 IV ZPO). Ein Missbrauch kann aber einen Aufhebungsgrund für den Schiedsspruch (§ 1059 II Nr 1 d ZPO) bilden.201 In internationalen Fällen ist dann entscheidend, ob das Beweisverfahren von den Schiedsrichtern oder von den Parteien dominiert wird.202 Die IBA-Rules über die Beweisaufnahme in internationalen Schiedsverfahren v 1.6.1999 versuchen, zwischen diesen Polen zu vermitteln und einen internationalen Verfahrensstandard festzuschreiben.203 Zum 29.5.2010 hat die IBA eine revidierte Fassung dieser Beweisregeln verabschiedet.204 Auch die UNCITRAL Notes on Organizing Arbitral Proceedings (vom März 2012) enthalten unter Nr 48 bis 73 Empfehlungen für das Vorgehen bei Beweisaufnahmen in internationalen Fällen. Vielfach werden die Zeugen von den Parteien befragt, aber unter der Kontrolle des Schiedsgerichts, das jederzeit eigene Fragen stellen kann.205 Zeugnisverweigerungsrechte sollten nicht nach der lex fori des Schiedsgerichts, sondern bereits gewährt werden, wenn dies den berechtigten Erwartungen der Parteien entspricht. Abzustellen ist analog Art 4 III Rom I-VO darauf, mit welcher Rechtsordnung der Zeuge bzw die Beweisfrage die engste Verbindung hat.206
9. Beschlussfassung, Abfassung eines Schiedsspruchs Das Recht am Sitz des Schiedsgerichts, ergänzt durch die vereinbarte Verfahrensordnung, legen fest, welche Anforderungen an die Beschlussfassung, Ab201 Schütze SchiedsVZ 2006, 1, 5. 202 Vgl Böckstiegel (Hrsg), Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, 2001; Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 68ff. 203 Vgl H. Raeschke-Kessler, in: Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, 2001, S 41; H. Raeschke-Kessler, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, 1999, S 211; H. Raeschke-Kessler, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, S 641. 204 H. Raeschke-Kessler, Beweisrecht für die Schiedsgerichtsbarkeit, NJW-Editorial Heft 25/2010; K. Pörnbacher/A. Loos/S. Baur BB 2011, 711, 713. Zur vollständigen Kommentierung s T. Zuberbühler/D. Hofmann/Ch. Oetker/Th. Rohner, IBA Rules of Evidence, 2012. 205 Bühler, in: Böckstiegel (Hrsg), Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, 2001, S 94, 98; Triebel/Zons IDR 2004, 5. 206 Vgl R. Mosk/T. Ginsburg ICLQ 50 (2001), 345, 367ff; I. Varga, Liber amicorum Rauscher, S 169.
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§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
fassung und Begründung eines Schiedsspruchs zu stellen sind.207 Nach deutschem Recht ist ein Einheitsschiedspruch zu verfassen (§ 1054 ZPO); ein überstimmter Schiedsrichter darf ohne besondere Ermächtigung den Parteien kein dissenting opinion bekanntgeben.208 101 Ein Schiedsrichterkollegium kann nach deutschem Recht mit Mehrheit entscheiden (§ 1052 I ZPO). Verweigert ein Schiedsrichter, der mit seiner Ansicht zu unterliegen droht, die (weitere) Mitwirkung an der Abstimmung und die Unterzeichnung des Schiedsspruches, so kann ohne ihn entschieden werden (§ 1052 II ZPO). Der Grund hierfür ist in dem Schiedsspruch anzugeben. Diese pragmatische Lösung entspricht dem UNCITRAL Model Law (vgl Art 29 S 1; 31 I 2 UNCITRAL-ML).209 Vorrangig ist freilich die Regelung der vereinbarten Schiedsordnung zu beachten.
10. Kosten des Schiedsverfahrens 102 In dem Schiedsspruch kann das Schiedsgericht auch die Kostentragungspflicht zwischen den Parteien festlegen,210 nicht aber zu eigenen Gunsten einen Titel für Gebühren und Auslagen schaffen. Soweit diese durch Vorschüsse nicht gedeckt sind, müssen sie notfalls selbständig eingeklagt werden. 103 Das Schiedsgericht kann aber den Streitwert festsetzen und dadurch mittelbar über die Vergütung der Schiedsrichter befinden,211 und zwar auch dann, wenn die maßgebliche Schiedsordnung den Schiedsrichtern ein Ermessen bei der Wertfestsetzung einräumt.212
11. Rechtskraft, Registrierung des Schiedsspruchs 104 Nach deutschem Recht hat der Schiedsspruch mit seinem Erlass die Wirkungen eines rechtskräftigen Gerichtsurteils (§ 1055 ZPO).213 Dies gilt auch für den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut.214 Einer Niederlegung oder Registrierung bei Gericht bedarf es nicht. Der Schiedsspruch muss den Parteien lediglich bekannt gegeben werden.215 105 Die Rechtsordnungen sind hierzu aber nicht einheitlich. Soweit erforderlich bestimmt das Schiedsverfahrensstatut, ob der Schiedsspruch zu seiner Wirk-
207 Vgl Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 72ff. 208 Vgl H. P. Westermann, FS Kerameus, 2009, S 1571; R. Schütze FS Nakamura, 1996, S 526. 209 Ebenso Art 31 I, 32 IV Swiss Rules; Art 26 I, 27 III Vienna Rules; Art 33 I, 34 IV UNCITRAL Rules. 210 Zum praktischen Vorgehen s J. Gotanda, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 141. 211 BGH SchiedsVZ 2012, 154; R. Wolff SchiedsVZ 2006, 131. 212 OLG München SchiedsVZ 2012, 287. 213 Vgl G. Wagner, Die Bindung des Schiedsgerichts, in: Böckstiegel, Die Beteiligung Dritter an Schiedsverfahren, 2005, S 7. 214 T. Frische S 254ff; Gottwald, in Konsensuale Streitbeilegung, Symposium für Schlosser, 2001, S 31, 39; Spohnheimer, FS Kaissis, 2012, S 933, 938. 215 Vgl H. van Houtte, FS Schlosser, S 997.
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Das Schiedsverfahrensrecht
§ 18
samkeit einer Niederlassung oder sonstigen Registrierung bei Gericht bedarf.216
12. Schiedsgerichts- und Schlichtungsordnungen Schrifttum: Glossner/Bredow, ICC, LCIA und DIS-Schiedsgerichtsordnung Unterschiede und Gemeinsamkeiten, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, 219; P. Gola/C. Götz Staehelin/K. Graf, Institutional Arbitration, 2009; J. Greenblatt/P. Griffin, Towards the Harmonization of International Arbitration Rules, ArbInt 17 (2001), 101; B. Horn, Arbitration Law Handbook, 2007; L. Mistelis/L. Shore, Arbitration Rules – International Institutions, 3rd ed 2011; L. Mistelis/L. Shore, Arbitration Rules – National Institutions, 2nd ed 2010; Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl 2010 (in Englisch: Institutional Arbitration, 2013); Schütze, DIZPR, 2. Aufl 2005, Rz 483–506; S. Thacher & Bartlett, Comparison of International Arbitration Rules, 3rd ed 2008; Th. Thalhofer Handbuch ITLitigation (B III Schiedsinstitutionen), 2012, S 345; Wegen/Esin/Shore, Materials on International Arbitration, 2007.
106
(1) ICC Paris: Schiedsgerichtsordnung v 1.1.2012 M. Buhler/Th. Webster, Handbook of ICC Arbitration, 2012; C. Calvo Goller, The 2012 ICC Rules of Arbitration, JIntArb 29 (2012), 323; J. Grierson/A. van Hooft, Introduction to the ICC Rules of Arbitration, 2012; H. Raeschke-Kessler, Zur ICC-Schiedsgerichtsbarkeit, BB 2011, Heft 43 Erste Seite; K. Pörnbacher/S. Baur, Die Reform der Schiedsgerichtsordnung der ICC, BB 2011, 2627; A. Sessler/N. Voser, Die revidierte ICC-Schiedsgerichtsordnung – Schwerpunkte, SchiedsVZ 2012, 120; B. H. Steindl, Party autonomy under the 2012 ICC Arbitration Rules, CYArb 2 (2012), 231; Thalhofer/Meier, Handbuch IT-Litigation, 2012, B III Rz 1. Baier, Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC), in: Kronke/ Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 350–477; Bühler, Grundsätze und Praxis des Kostenrechts im ICC-Schiedsverfahren, ZVglRWiss 87 (1988), 431; Bühler/Jarvin, The Arbitration Rules of the ICC, in Weigand, Practitioner’s Handbook, 2nd ed 2009, p 1133; M. Bühler/Th. Webster, Handbook of ICC Arbitration, 2005; W. Craig/W. Park/J. Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, 3rd ed 2000; Y. Derains/E. Schwartz, A Guide to the New ICC Rules of Arbitration, 2nd ed 2005; W. Habscheid, Die sog Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer, RIW 1998, 421; Ch. Koch, Die neue Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer, RIW 1999, 105; Kreindler, Aktuelle (Streit-)Fragen bei der Anwendung der ICC-Schiedsgerichtsordnung, RIW 2002, 249; D. Kühner, ICC Arbitration in Germany, in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2007, Part IV, S 837; M. Mack, Getrennte Kostenvorschüsse für Klage und Widerklage im ICC-Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2006, 36; A. Nerz, Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens nach der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer, RIW 36 (1990), 350; A. Reiner/Jahnel, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 25; Schäfer/ Verbist/Imhoos, ICC Arbitration in Practice, 2005; Schütze, Die Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer, WM 1986, 345.
107
(2) LCIA: Arbitration Rules (adopted on January 1, 1998; im Internet abrufbar); abgedruckt auch in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, S 754.1–22; Erläuterung von N. Beale, in Gola/Götz Staehelin/Graf, 2009, S 141; J. Lew/L. Mistelis/J. Davies, LCIA Rules, in Weigand, Practitioner’s Handbook, 2nd ed 2009, p 1615; Triebel/ Hunter, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 345; Marriott, Eng-
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216 Vgl Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 95; D. Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2006.
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§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
lisches Schiedsverfahrensgesetz von 1996 und der Londoner Internationale Schiedsgerichtshof (LCIA), in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 1103–1155; Thalhofer/Meier, IT-Litigation, B III Rz 70ff; P. Turner/R. Mohtashami, A guide to the LCIA Arbitration Rules, 2008; S. Wade/St. York, A Commentary on the LCIA Rules, 2012.
109 (3) WIPO Arbitration Centre, Genf: WIPO Arbitration Rules, 2002; WIPO Expedited Arbitration Rules, 2002 (beide abgedruckt in Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl 2005, S 562); WIPO Mediation Rules, 2002; T. Zuberbühler, in Gola/Götz Staehelin/Graf, 2009, S 293. I. Frost, Schiedsgerichtsbarkeit im Bereich des geistigen Eigentums, 2001, S 213ff; A. Jungk, Das Schiedsgericht für Domainstreitigkeiten bei der WIPO in Genf, BB 2001, Beilage 6, S 4; D. Kaboth, Das Schlichtungs- und Schiedsgerichtsverfahren der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), 2000; E. Schäfer, Die Schlichtungs- und Schiedsordnungen der WIPO, DB 1996, Beil. 5, S 10; E. Schäfer, Arbitration of Intellectual Property Law Disputes in Germany, in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, 2007, Part IV, S 953; Thalhofer/Meier, IT-Litigation, B III Rz 50ff; Wichard, Streitbeilegung im Rahmen der WIPO, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 743–851.
110 (4) Bauverträge: Ch. Benedict, Construction Arbitration in Germany, in Böckstiegel/ Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2007, Part IV, S 899; C. Chatterjce, Settlement of Disputes Procedure and Arbitration under FIDIC, JIntArb 2000 (3), 103–114; Royé, Die Schiedsgerichtsbarkeit bei internationalen Bau- und Anlagenverträgen in Europa, 2001.
111 (5) Uniform Domain Name Disputes: (a) ICANN-Verfahren v 1.1.2000, vgl Davis, The new new thing, JIntArb 2000 (3), 115; Donahey, The Uniform Domain Name Dispute Resolution Process, JIntArb 2002 (1), 33; A. Kaissis, Die Internet-Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gottwald, Effektivität des Rechtsschutzes, 2006, S 221; Strömer, Das ICANN-Schiedsverfahren, 2002. (b) Vgl Stoller, Streitschlichtung bei UK-Domains, MMR 2002, 11; Wichard BB 2002, IDR-Beil S 13 (WIPO).
112 (6) DIS-Schiedsordnung (v 1.7.1998), in Deutsch und Englisch abgedruckt in Geimer/ Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Bd 4, S 751.1–36 sowie DIS-Schlichtungsordnung 2001; Bredow, Die Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 478–633; J. Bredow/I. Mulder ua, Commentary on the Arbitration Rules of the German Institution of Arbitration (DIS Rules), in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2007, Part III, S 655; Theune, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 159.
113 (7) Schweizerische Schiedsordnung (Swiss Rules – Internationale Schiedsordnung der Schweizerischen Handelskammern v 1. Juni 2012; im Internet abrufbar); Ch. Brunner, The Swiss Rules of International Arbitration, SchiedsVZ 2010, 243; B. Ehle/W. Jahnel, Revision der Swiss Rules – erhöhte Effizienz und Flexibilität, SchiedsVZ 2012, 169; Ph. Habegger/A. Masser, Die revidierte Schweizerische Schiedsgerichtsordnung (Swiss Rules), IPRax 2012, 459; A. Jolles/L. Bühlmann, in: Mitteilungen zum Deutsch-Schweizerischen Rechtsverkehr 2/2004, S 1; Karrer, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 309; L. Michaela Pair, Consolidation in International Commercial Arbitration: ICC and Swiss Rules, 2012; Oetiker/Burkhalter, in Gola/Götz Staehelin/Graf, S 233; Thalhofer/Meier, IT-Litigation, B III Rz 73ff; Zuberbühler/Müller/Habegger, Swiss Rules of International Arbitration, 2005.
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Das Schiedsverfahrensrecht
§ 18
(8) Court of Arbitration for Sport (CAS): Statutes of the Bodies Working for the Settlement of Sports-Related Disputes (Stand 1.1.2012). I. Blackshaw, Sport, Mediation and Arbitration, 2009; M. Holmes/St. Free, International Sports Arbitration, 2012; A. Rigozzi, L’arbitrage international en matière de sport, 2005; Stebler, in Gola/Götz Staehelin/Graf, S 253.
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(9) Wiener Regeln: Schieds- und Schlichtungsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Wien v 3.5.2006; Baier, Schiedsund Schlichtungsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 634–742; Liebscher, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 255; F. Schwarz/Ch. Konrad, The Vienna Rules: A Commentary on International Arbitration in Austria, 2009; Thalhofer/Meier, IT-Litigation, B III Rz 82ff.
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(10) American Arbitration Association – International Centre for Dispute Resolution (ICDR): International Arbitration Rules v 1.6.2009; G. Born, International Commercial Arbitration in the United States, 1994; Th. Carbonneau/J. Jaeggi, AAA – Handbook on International Arbitration & ADR, 2nd ed 2010; Th. Carbonneau/J. Jaeggi, AAA – Handbook on Mediation, 2006; Grant/Hanessian, ICDR Awards and Commentaries, 2012; M. Gusy/J. Hosking/F. Schwarz, ICDR International Arbitration Rules, in Weigand, Practitioner’s Handbook, 2nd ed 2009, p 1535; Thalhofer/Meier, IT-Litigation, B III Rz 85ff.
116
(11) Schiedsordnung des Internationalen Handelsschiedsgerichts (MKAS) bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation v 1.3.2006: Hofmann/Kulkov, in Gola/Götz Staehelin/Graf, S 191; A. Komarov/M. Barth, Die neue Schiedsordnung des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation (MKAS), SchiedsVZ 2007, 89; Kurotschin ROW 1996, 33; Schmitt/ Ahmad RIW 1996, 809; Trunk/Boguslavskij, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 431.
117
(12) China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC): Arbitration Rules 2012; S. Lu, The new CIETAC Arbitration Rules of 2012, JIntArb 29 (2012), 299; Thalhofer/Meier, IT-Litigation, B III Rz 108ff; J. Yu/A. Neelmeier, CIETAC Arbitration Rules 2012 – Another More Forward, SchiedsVZ 2012, 134. Schiedsordnung v 1.5.2005: Vgl L. Kniprath, Die Schiedsgerichtsbarkeit der Chinese International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC), 2004; L. Kniprath, Neue Schiedsordnung der Chinese International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC), SchiedsVZ 2005, 197; U. Schroeter, Schiedsverfahren im China-Geschäft: Die neue Schiedsordnung der China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC), RIW 2006, 296; Stricker-Kellerer/Moser, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 447; J. Tao, Arbitration Law and Practice in China, 2nd ed, 2008; Trappe, Zur Schiedsgerichtsbarkeit der CIETAC, SchiedsVZ 2006, 258.
118
(13) Stockholmer Regeln des Schiedsgerichtsinstituts der Stockholmer Handelskammer v 1.1.2010 (SCC Rules, Arbitration Rules and Rules for Expedited Arbitrations): Franke, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 799; Pavlica, in Gola/Götz Staehelin/Graf, S 217; Thalhofer/Meier, IT-Litigation, B III Rz 77ff.
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(14) UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung v 25.6.2010: D. Caron/L. Caplan, The UNCITRAL Arbitration Rules, 2012; Croft/Kee, Update of the UNCITRAL Arbitration Rules Revision, EuJLReform 11 (2009), 445; J. Fellas/S. Nappert, Commentary on the UNCITRAL arbitration Rules 2010, 2012; J. Paulsson/G. Petrochilos, The revised UNCITRAL Arbitration Rules, 2012; K. Pörnbacher/A. Loos/S. Baur, Aktuelle Neuerungen im internationalen Schiedsrecht, BB 2011, 711; S. Nappert, Commentary on the UNCITRAL Arbitration Rules 2010, 2012; V. Vigoriti, La riforma delle Rules of Arbitration dell’UNCI-
120
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§ 18
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
TRAL, Revista de Processo 36 (193) 2011, 153; Th. Webster, Handbook of UNCITRAL Arbitration, 2010. UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung v Dezember 1976. In Deutsch und Englisch abgedruckt in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Bd 4, S 753.1–34; D. Caron/M. Pellonpää/L. Caplan, The UNCITRAL Arbitration Rules, 2006; J. van Hof, Commentary on the UNCITRAL arbitration Rules, 1991; K. Lionnet, Die UNCITRALSchiedsgerichtsordnung aus der Sicht der Parteien, BB 1993, Beilage 17; Melis, UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2005, Teil O Rz 254–349; Patocci, in: Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2006, S 665.
121 (15) UNCITRAL-Schlichtungsordnung v 19.11.2002: UNCITRAL, Draft Guide to Enactment and Use of the UNCITRAL Model Law on International Conciliation (27.5.2002) (AICN.9/514); D. Cimmino, Das UNCITRAL-Modellgesetz über internationale ADRVerfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten, 2008; Friedrich, UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation, SchiedsVZ 2004, 297.
IV. Das in der Sache anzuwendende Recht 1. Schrifttum 122 T. Ansay, The content of applicable law in arbitration cases, FS Heldrich, 2005, S 487; Basedow, Vertragsstatut und Arbitrage nach neuem IPR, JPS 1 (1987), 3; A. Belohlávek, Law applicable to the merits of international arbitration and current developments in European private international law, Czech Yearbook of International Law 2010, 25; A. J. van den Berg, Planning efficient arbitration proceedings – The law applicable in international arbitration, 1996; K. P. Berger, Allgemeine Rechtsgrundsätze in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, FS v. Hoffmann, 2011, S 914; G. Bermann, Mandatory rules of law in international arbitration, in Ferrari/Kröll, Conflict of Laws in International Arbitration, 2011, S 325; G. Bermann/L. Mistelis, Mandatory rules in international arbitration, 2011; G. Blanke/P. Landolt, EU and US Antitrust Law, 2010; M. Blessing, Choice of Substantive Law in International Arbitration, JIntArb 14 (2) (1997), 39; K.-H. Böckstiegel, Die Anerkennung der Parteiautonomie in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, FS Schütze, 1999, S 141; M. Bonell, A ‚global‘ arbitration decided on the basis of the UNIDROIT principles, ArbInt. 17 (2001), 249 = 75 Jahre MPI für Privatrecht, 2001, S 771; J. Beulker, Die Eingriffsnormenproblematik in internationalen Schiedsverfahren, 2005; Th.; O. Chukwumerije, Choice of Law in International Commercial Arbitration, 1994; Th. Eilmansberger, Die Bedeutung der Art 81 und 82 EG für Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2006, 5; F. Ferrari/St. Kröll, Conflict of Laws in international arbitration, 2011; E. Gaillard, Arbitrage Commercial international, Sentence arbitrale, Droit applicable au fond du litige, Juris Classeur, Droit International 11, Fasc. 586–9-1, 1996; E. Gaillard, Transnational Law: A Legal System or a Method of Decision Making?, ArbInt 2001, 59; Goldman, Les conflits des lois dans l’arbitrage international de droit privé, RdC 109 (1963-II), 1347; H. Grigera Naón, Choice-of-Law Problems in International Commercial Arbitration, RdC 289 (2001), 9; H. Grigera Naón, International Commercial Arbitration – The Law Applicable to the Substance of the Dispute, Essays in Honor of F. Juenger, 2001, S 65; A. Grimm, Applicability of the Rom I and II Regulations to International Arbitration, SchiedsVZ 2012, 189; Habscheid, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Privatautonomie, FS Walder, 1994, S 323; B. Handorn, Das Sonderkollisionsrecht der deutschen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2005; R. Hausmann, Anwendbares Recht vor deutschen und italienischen Schiedsgerichten – Bindung an die Rom I – Verordnung oder Sonderkollisionsrecht, FS v. Hoffmann, 2011, S 971; N. Horn, Zwingendes Recht in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2008, 209; A. Junker, Deutsche Schiedsgerichte und internationales Privat-
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Das in der Sache anzuwendende Recht
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recht (§ 1051 ZPO), FS Sandrock, 2000, S 443; J. Kleinheisterkamp, Eingriffsnormen und Schiedsgerichtsbarkeit, RabelsZ 73 (2009), 818; A. Komarov, Die Anwendung materiellen Rechts in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, FS Boguslavskij, 2004, S 313; A. Komninos, The application of EU competition law by international arbitration tribunals, in Basedow/Franq/Idot, International Antitrust Litigation, 2012, S 198; A. Komninos/L. Radicati di Bronzolo, International Commercial Arbitration and EU Competition Law, 2012; N. N. Kulpa, Das anwendbare (materielle) Recht in internationalen Handelsschiedsgerichtverfahren, 2005; M. Lepschy, § 1051 ZPO – Das anwendbare materielle Recht in internationalen Schiedsverfahren, 2003; M.-R. McGuire, Grenzen der Rechtswahlfreiheit im Schiedsverfahrensrecht? Über das Verhältnis zwischen der Rom I-VO und § 1051 ZPO, SchiedsVZ 2011, 257; P. Mankowski, Rom I-VO und Schiedsverfahren, RIW 2011, 30; P. Mankowski, Schiedsgerichte und die Verordnungen des europäischen Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, FS v. Hoffmann, 2011, S 1012; Martiny, Die Bestimmung des anwendbaren Sachrechts durch das Schiedsgericht, FS Schütze, 1999, S 529; P. Mayer, L’autonomie de l’arbitrage international, Rec.d.Cours 217 (1989-V), 319; P. Mayer, Reflections on the International Arbitrator’s Duty to Apply the Law, ArbInt 17 (2001), 235; N. Natov, The autonomy of arbitrators in determining the law applicable to the merits of a case, CYArb 2 (2012), 171; S.-U. O, Die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2004; P. Ostendorf, Wirksame Wahl ausländischen Rechts auch bei fehlendem Auslandsbezug im Fall einer Schiedsvereinbarung und ausländischem Schiedsort?, SchiedsVZ 2010, 234; A. S. Papeil, Conflict of overriding mandatory rules in arbitration, in Ferrari/Kröll, Conflict of laws in international arbitration, 2011, S 341; G. Para-Aranguren, Choice of Law Applicable to the Dispute in Recent Legislation on International Commercial Arbitration, Liber amicorum Siehr, 2000, S 557; M. Piers/J. Erauw, Application of the UNIDROIT principles of international commercial contracts in arbitration, JPIL 8 (2012), 441; M. Pilich, Law applicable to the merits of the dispute submitted to arbitration in the absence of the choice of law by the parties, CYArb 2 (2012), 191; O. Remien, Europäisches Kartellrecht (Artt. 81f EG-Vertrag) als Eingriffsnorm oder ordre public in neueren internationalen Schiedsrechtsfällen, FS Kropholler, 2008, S 869; O. Sandrock, Die objektive Anknüpfung von Verträgen nach § 1051 Abs 2 der deutschen ZPO, FS Sturm, 1999, S 1645; O. Sandrock, Compound Interest in International Arbitration, Études en L’honneur de Poudret, 1999, S 519; J. Schiffer, Normen ausländischen öffentlichen Rechts in internationalen Handelsschiedsverfahren, 1990; K. Schmidt, Kartellrecht im Schiedsverfahren – Neuorientierung durch VO 1/2003 und 7. GWB-Novelle?, BB 2006, 1397; Schütze, Die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Schiedsverfahren und die Feststellung seines Inhalts, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, 715; Ch. Séraglini, Lois de police et justice arbitrale internationale, 2001; N. Shelkoplyas, The Application of EC Law in Arbitration Proceedings, 2003; L. Silberman/F. Ferrari, Getting to the law applicable to the merits in international arbitration and the consequences of getting it wrong, in Ferrari/Kröll, Conflict of Laws in international arbitration, 2011, S 257; D. Thalhammer, Die Rolle der Schiedsgerichte bei der Durchsetzung von EG-Kartellrecht unter dem Regime der VO 1/2003, wbl 2005, 62; J. Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes staatliches Recht, in: Vieweg, Spektrum des Sportrechts, 2003, S 75; Ungeheuer, Die Beachtung von Eingriffsnormen in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1996; Wagner, Rechtswahlfreiheit im Schiedsverfahren, FS Schumann, 2001, S 535; G. Wegen, Die objektive Anknüpfung von Verträgen in deutschen internationalen Schiedsverfahren nach Inkrafttreten der Rom I-Verordnung, FS Kühne, 2009, S 933; P. Zobel, Schiedsgerichtsbarkeit und Gemeinschaftsrecht im Spannungsverhältnis zwischen Integration und Exklusion, 2005.
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2. Rechtswahl der Parteien 123 Nach dem Prinzip der Parteiautonomie wählen die Parteien das in der Hauptsache anwendbare Recht frei (§ 1051 I ZPO; Art VII [1] S 2 EuÜ; Art 3 Rom I-VO).217 Im internationalen Schuldrecht ist die kollisionsrechtliche Parteiautonomie in den meisten Ländern anerkannt. Die Rechtswahl der Parteien erstreckt sich aber nicht auf das eigene Personalstatut (s Art 1 II lit a, f, g Rom I-VO). Ob der Vorstand eine Gesellschaft wirksam verpflichtet hat, richtet sich daher nach dem Gesellschaftsstatut, nicht nach dem gewählten Recht.218 Die Parteien müssen sich nicht auf die Anwendung eines staatlichen Rechts verständigen, sondern können auch die Anwendung sonstiger „Regeln“, zB der sog lex mercatoria,219 der allgemeinen principles of equity oder der UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts220 vereinbaren. Dies wird durch Erwägungsgrund (13) der Rom I-VO bestätigt. Allerdings wird die Ansicht vertreten, § 1051 I ZPO gewähre keine absolute Rechtswahlfreiheit, vielmehr müssten die Parteien zwingendes Kollisionsrecht beachten.221 Aber diese Ansicht überzeugt nicht. Soweit das Schiedsgericht das gewählte Recht anwendet, besteht in keinem Fall ein Aufhebungsgrund bzw ein Grund, die Anerkennung zu versagen (vgl § 1059 II ZPO; § 1061 I ZPO iVm Art V UNÜ). 124 Schließen die Parteien eines internationalen Gütertransports zur See eine Schiedsvereinbarung, die den Hamburg Rules unterliegt, so ist das Schiedsgericht nach deren Art 22 verpflichtet, die Regeln dieses Übereinkommens anzuwenden.222 125 Im Einzelfall kann das Schiedsgericht aber an zwingendes Recht gebunden sein. So gestattet Art 33 CMR die Anrufung eines Schiedsgerichts wegen Streitigkeiten aus internationalen Beförderungsverträgen nur, wenn das Schiedsgericht die CMR zwingend anzuwenden hat. Ist dies nicht der Fall, ist die Schiedsvereinbarung nach Art 41 CMR nichtig.223 Auch EU-Kartellrecht
217 Vgl Mankowski RIW 2011, 30. 218 Vgl ICC Award No 13954, YCA 35 (2010), 218, 228. 219 Vgl U. Stein, Lex mercatoria – Realität und Theorie, 1995; H. J. Mertens, FS Odersky, 1996, S 857; ferner K. P. Berger, Formalisierte oder „schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts, 1996; A. Giardina, La lex mercatoria, Hommage à Rigaux, 1993, 223; G. Teubner, FS Zöllner, Bd 1, 1999, S 565; Schroeder/Oppermann ZVglRWiss 99 (2000), 410, 425; krit. v Breitenstein, FS Sandrock, S 111; zur praktischen Verbreitung s Berger ua, ZVglRWiss 101 (2002), 12. 220 Piers/Erauw JPIL 8 (2012), 441, 449ff; vgl UNIDROIT Principles of International Commercial Law 2010; zu früheren Fassungen s M. Bonell ArbInt 17 (2001), 249; M. Bonell, The UNIDROIT Principles and Transnational Law, Uniform Law Review 2000, 199. 221 OLG Düsseldorf IPRax 1997, 115, 117 (dazu Thorn, S 98, 104f); Wagner, FS Schumann, S 535, 552ff; Sandrock, FS H. Stoll, 2001, S 661, 677. 222 Vgl M. Aboul-Enein JIntArb 14 (2) (1997) 87, 92. 223 OLG Hamm BB 2001, Beilage 6, S 22.
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(Art 101f AEUV; früher Art 81ff EGV) hat das Schiedsgericht zwingend zu beachten.224 Die Rechtswahl der Parteien kann explizit erfolgen; sie kann sich auch kon- 126 kludent aus den Umständen des Falles ergeben und schließlich nachträglich vor dem Schiedsgericht erklärt werden.
3. Rechtswahl des Schiedsgerichts Liegt keine Parteivereinbarung vor, legt ein deutsches Schiedsgericht das an- 127 wendbare Recht unter Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse fest (§ 1051 II ZPO). Während die Parteien das anwendbare Sachrecht direkt bestimmen können, verlangen Art VII (1) S 2 EuÜ und manche Rechtsordnungen, auch Art 28 (2) UNCITRAL Model Law, dass das Schiedsgericht zunächst ein anwendbares Kollisionsrecht festlegt. § 1051 II ZPO gestattet auch dem Schiedsgericht eine direkte Wahl des Sachstatuts (sog voie directe).225 Unterschiede ergeben sich freilich insb, wenn die Rechtswahl rein „objektiv“ kollisionsrechtlich getroffen wird.226 Wenn das Schiedsgericht die materiellen Folgen der Wahl eines Kollisionsrechts bedenkt, sollte dieser Unterschied freilich keine zu große Bedeutung haben. Für ein ausländisches Schiedsgericht ist § 1051 ZPO unmittelbar ohne Bedeutung; eine fehlerhafte Rechtswahl kann allenfalls als Kompetenzüberschreitung oder als ordre public-Verstoß bei der Anerkennung sanktioniert werden.227
4. Lex mercatoria Schrifttum: K. P. Berger, The Translex Principles, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 33; v Breitenstein, Rechtsordnung und „Lex Mercatoria“ – Zur vergeblichen Suche nach einem „anationalen“ Recht für die internationale Arbitrage, FS Sandrock, 2000, S 111; Th. Carbonneau, Lex mercatoria and arbitration, 1990; H.-P. Schroeder, Die lex mercatoria arbitralis, 2007.
Da das Handelsrecht vieler Staaten große Gemeinsamkeiten aufweist, ist die 128 Vorstellung von einer einheitlichen, gleichsam transnationalen lex mercatoria entstanden. Tatsächlich geht die Autonomie des internationalen Handels und der Schiedsgerichte aber nicht so weit. Transnationale Prinzipien gelten nur, soweit sie durch nationales Recht oder Völkerrecht gestützt werden.228 Nach deutschem Recht kann das Schiedsgericht selbst (ohne Parteivereinbarung) ei-
224 EuGHE 1999, I-3055 (Eco Swiss) = EuZW 1999, 565; vgl D. Thalhammer wbl 2005, 62; Eilmansberger SchiedsVZ 2006, 5; K. Schmidt BB 2006, 1397, 1399; Philip, The Eco Swiss Judgment and International Arbitration, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, 527; A. Komninos, in Basedow, S 194ff. Auch Art 101 III AEUV kann von Schiedsgerichten angewendet werden (Komninos aaO S 197). 225 Vgl Martiny, FS Schütze, S 529, 538ff; aA Sandrock, FS Sturm, 1999, S 1645, 1652ff; Sandrock, FS H. Stoll, S 661, 681. 226 Hierfür Lowenfeld, International Litigation, 1993, S 388. 227 Vgl Junker, FS Sandrock, S 443, 449. 228 M. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 9. Aufl 2011, § 3 Rz 38ff.
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ne Entscheidung nur nach einem staatlichen Recht treffen und nach § 1051 II ZPO kein anationales Recht wählen.229 Anationale Regeln wie die UNIDROIT Principles können insoweit nur zur Auslegung, etwa des CISG, oder von Handelsbräuchen herangezogen werden. 129 In anderen Staaten, etwa in Frankreich, ist dagegen anerkannt, dass das Schiedsgericht in der Sache auch anationale oder übernationale Rechtsregeln, die sog lex mercatoria bzw die UNIDROIT Principles, anwenden kann. IPRRegeln sind dann nur Anregungen für eine angemessene Rechtsfindung.230 Dabei ist die zu verwendende Terminologie jedoch kaum definiert. In der Vertragspraxis verwenden die Parteien (leider) sehr unterschiedliche Formulierungen, um ihren Willen auszudrücken, der Vertrag solle transnationalen Regeln unterliegen; zB: allgemeine Prinzipien des internationalen Handels, allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze, Rechtsgrundsätze, die mehreren Rechtsordnungen inhärent sind, etc. Sehr umstritten ist dabei der Inhalt der einzelnen Klauseln. Zur Abgrenzung wurde in der Rechtsprechung der Begriff des „droit anational“ verwandt. Um sicherzugehen, sollte in der Vertragspraxis der in der Literatur vorherrschende Begriff der lex mercatoria verwendet werden. Dieser umfasst sowohl die transnationalen Regeln als auch die Gebräuche des internationalen Handels.231 In den meisten anderen Staaten müssen die Parteien eine solche Vereinbarung eindeutig treffen; ansonsten müssen die Schiedsrichter nationales Recht anwenden. Weichen sie davon ab, so überschreiten sie ihren Schiedsauftrag.232 130 Auch bei Streitigkeiten aus internationalen Investitionsschutzverträgen hat das Schiedsgericht die Rechtswahl der Parteien in den Grenzen des ordre public zu beachten. Dies gilt auch bei einer Wahl des Völkerrechts oder seiner allgemeinen Rechtsgrundsätze als Vertragsstatut.233 Zu beachten sind auch sonstige als Entscheidungsmaßstab vorgegebene Rechtsregeln oder -prinzipien.234 Fehlt eine Rechtswahl, ist das nationale Recht des Konzessionsgebers anzuwenden.235
229 Schroeder/Oppermann ZVglRWiss 99 (2000), 410, 429; Stein/Jonas/Schlosser § 1051 ZPO Rz 8. 230 Piers/Erauw JPIL 8 (2012), 441, 459ff; krit MüKo/Münch, § 1051 ZPO Rz 58ff. Das Ausland ist aber nicht an § 1051 II ZPO gebunden. 231 Gaillard, Juris Classeur, Droit international 11, Fasc. 586–9-1, Nr 27, 28. 232 Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 87; aA für lex mercatoria: v. Hoffmann, Anwendung der „lex mercatoria“ durch internationale Schiedsgerichte, FS Kegel, 1987, S 215. 233 C. McLachlan/L. Shore/M. Weiniger, International Investment Arbitration, 2008; Theodorou, Investitionsschutzverträge vor Schiedsgerichten, 2001, S 362ff, 359ff; vgl auch Cremades, Arbitration in Investment Treaties, Liber amicorum Böckstiegel, 2001, 149; Ch. Dugan/D. Wallace, Jr./N. Rubens, Investor-State Arbitration, 2006. 234 Theodorou, S 374ff. 235 Theodorou, S 382ff.
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5. Tronc commun Die Grenzziehung ist in der Praxis freilich nicht einfach. Soweit die Heimat- 131 rechtsordnungen der Parteien und das Recht am Sitz des Schiedsgerichts in den entscheidenden Fragen übereinstimmen, kann das Schiedsgericht unstreitig die Rechtswahl offen lassen und auf der Grundlage der gemeinsamen Rechtsgrundsätze („tronc commun“) entscheiden. Je nach Fallgestaltung kann tatsächlich „Treu und Glauben“ bzw „good faith“ im internationalen Handel die einzige den beteiligten Rechtsordnungen gemeinsame Rechtsgrundlage sein. Möglicherweise ist zwischen den Parteien nicht die mögliche vertragliche Rechtsfolge, sondern nur der wirkliche Sachverhalt streitig. Auch in diesem Fall ist eine nähere Festlegung der angewandten Rechtsordnung überflüssig.236 Kann ein Fall nach der anwendbaren Rechtsordnung mangels feststellbarer 132 Regeln nicht oder nicht zweifelsfrei gelöst werden, weil gesetzliche Regeln oder richterliche Entscheidungen zu dem betreffenden Geschäftstyp etc bisher nicht vorliegen, so kann das Schiedsgericht wie ein staatliches Gericht in rechtsfortbildender Weise entscheiden und dazu ggf auf vorbildhafte Regeln eines anderen nationalen Rechts zurückgreifen.
6. Handelsbräuche In allen Fällen hat das Schiedsgericht etwa bestehende Handelsbräuche und -übungen zu berücksichtigen (§ 1051 IV ZPO; Art 28 [4] UNCITRAL-ML).
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Mit Hilfe all dieser Möglichkeiten dürfte ein Schiedsfall in aller Regel in An- 134 wendung „nationalen Rechts“ sachgerecht zu entscheiden sein. Haben die Parteien freilich eine „sachwidrige“ Rechtswahl getroffen und einigen sie sich nicht vergleichsweise, ist das Schiedsgericht nicht befugt, diese Rechtswahl unter Berufung auf anationale Rechtsgrundsätze zu korrigieren.
7. Eingriffsnormen Ein allgemeines, nicht auf Schiedsgerichte beschränktes Problem der Rechts- 135 anwendung in internationalen Fällen ist, inwieweit neben der primär anwendbaren Rechtsordnung zwingende Eingriffsnormen einer anderen Rechtsordnung zu beachten sind, wie dies etwa Art 9 Rom I-VO vorsieht. Grds wird eine solche Berücksichtigung als sachgerecht angesehen.237 Sofern zwischen zwei Rechtsordnungen mit zwingenden Eingriffsnormen Widersprüche bestehen, sollte darauf abgestellt werden, mit welcher von ihnen der Fall eine engere Be-
236 Vgl Lowenfeld, International Litigation, S 338f; B. Ancel, The tronc commun doctrine, J.Int.Arb. 7 (3) (1990), 65; Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 1997, S 76. 237 Vgl U. Drobnig, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und wirtschaftsrechtliche Eingriffsnormen, FS Kegel, 1987, S 95ff; A. Schnyder RabelsZ 59 (1995), 293; Ungeheuer, Die Beachtung von Eingriffsnormen, 1996; J. Beulker, Die Eingriffsnormenproblematik in internationalen Schiedsverfahren, 2005.
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ziehung hat.238 Das Problem wird auch als Frage der exterritorialen Anwendung nationalen Rechts auf Sachverhalte mit Auslandsberührung diskutiert.239 Dem eigenen Recht sollen auch Auslandssachverhalte unterstellt werden, die sich auf das eigene Land auswirken, so zB § 130 II GWB.240 136 Selbst wenn die anwendbare Rechtsordnung die Mit-Anwendung solcher Eingriffsnormen nicht zulassen sollte, läge in einer gleichwohl erfolgten Anwendung lediglich ein nichtangreifbarer Rechtsanwendungsfehler des Schiedsgerichts, nicht aber die Überschreitung seines Schiedsauftrags.
8. Ermittlung des anwendbaren Rechts 137 Schrifttum: C. P. Alberti, Iura novit curia in international commercial arbitration, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 3; F. Heidinger/J. Hof, Pleading and Proving Foreign Law – From a European Perspective, SchiedsVZ 2008, 174; J. Lew, Proof of Applicable Law in International Commercial Arbitration, FS Sandrock, 2000, S 581.
Wie bei staatlichen Gerichten (s o § 11) besteht auch für das Schiedsgericht ggf die Schwierigkeit, das anzuwendende (ausländische) Recht tatsächlich festzustellen. Sofern eine anwendbare Verfahrensordnung nicht insoweit eine Beweisführung durch die Parteien vorsieht, ist das Schiedsgericht befugt, den Inhalt ausländischen Rechts in jeder Weise festzustellen und auch die Parteien zur Mithilfe zu verpflichten.241 Das Schiedsgericht hat die lex causae grds auch vor Erlass einstweiliger Maßnahmen zu ermitteln. Nur wenn dies im Einzelfall nicht rechtzeitig möglich ist, darf das Schiedsgericht die lex loci arbitri oder allgemeine Grundsätze des internationalen Handelsrechts anwenden.242
9. Billigkeitsentscheidungen 138 Schrifttum: G. Schulze, Billigkeitsentscheidungen im internationalen Schiedsrecht auf der Grundlage von § 1051 Abs. 3 ZPO, FS Kaissis, 2012, S 875.
Die Parteien können das Schiedsgericht von der Pflicht zur Rechtsanwendung entbinden und ausdrücklich ermächtigen, einen Billigkeitsschiedsspruch zu erlassen (§ 1051 III ZPO).243 Auch dann hat das Schiedsgericht aber die Bestimmungen des Vertrags und bestehende Handelsbräuche zu beachten (§ 1051 IV ZPO; ebenso Art 28 IV UNCITRAL-ML; Art 33 III Swiss Rules; Art 23.4 DIS Rules).
238 239 240 241
A. S. Papeil, in Ferrari/Kröll, S 341ff. M. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 9. Aufl 2011, § 3 Rz 58ff. M. Herdegen (Fn 239) § 3 Rz 61ff. Vgl Lew, FS Sandrock, S 581, 599; F. Heidinger/J. Hof SchiedsVZ 2008, 174; Alberti, Liber amicorum Bergsten, S 3. 242 Ch. Boog, The laws governing interim measures, in Ferrari/Kröll, Conflict of Laws in International Arbitration, 2011, S 409, 431. 243 G. Schulze, FS Kaissis, S 875, 877.
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V. Verhältnis staatliches Gericht – internationales Schiedsgericht 1. Schrifttum Ahrendt, Der Zuständigkeitsstreit im Schiedsverfahren, 1996; G. Bermann, The „Gateway“ Problem in international commercial arbitration, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 55; R. Cafari Panico, Jurisdiction and applicable law in the case of so-called pathological arbitration clauses, in Ferrari/Kröll, Conflict of laws in international arbitration, 2011, S 81; E. Gaillard, L’effet négatif de la compétence-compétence, Études en l’honneur Poudret, 1999, S 387; E. Gaillard/Y. Banifatemi, The use of anti-suit injunctions in international arbitration, 2004; J. Gorskie, US Courts and the Anti-Arbitration Injunction, ArbInt 28 (2012), 295; J. Graves/Y. Davydan, Competence-competence and separability – American style, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 157; R. Harbst, Die Rolle der staatlichen Gerichte im Schiedsverfahren, 2002; D. Hascher, Le juge d’appui, in: Cadiet/Clay/ Jeuland, Médiation et arbitrage, 2005, 243; M. Ilmer, Der Arglisteinwand an der Schnittstelle von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit, 2007; Karrer, Parallel proceedings – A thing to be a voided?, FS Horn, 2006, S 977; O. Knöfel, Judicial assistance in the taking of evidence abroad in aid of arbitration: a German perspective, 5 JPIL (2009), 281; Saathoff, Möglichkeiten und Verfahren gerichtlicher Hilfe bei der Beweisaufnahme zugunsten fremdnationaler Handelsschiedsgerichtsverfahren, 1987; P. Schlosser, Anti-suit injunctions zur Unterstützung im internationalen Schiedsverfahren, RIW 2006, 486; Schoibl, Europäische Rechtshilfe bei der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen durch ordentliche Gerichte für Schiedsgerichte, FS Rechberger, 2005, S 513; E. Schwartz/R. Johnson, Court-assisted Discovery in Aid of International Commercial Arbitrations, JIntArb 15 (3) (1998), 53; H. Seriki, Anti-suit injunctions and arbitration, JIntArb 23 (2006) (1), 25; B. Steinbrück, US-amerikanische Beweishilfe für ausländische private Schiedsverfahren, IPRax 2008, 448; B. Steinbrück, Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte, 2008; B. Steinbrück, Orders compelling performance of arbitration agreements – lessons to be learnt from US-law, SchiedsVZ 2010, 177; D. Synatschke, Die Unzuständigkeitserklärung des Schiedsgerichts, 2006; Wirth/Hoffmann-Nowotny, Rechtshilfe deutscher Gerichte zugunsten ausländischer Schiedsgerichte bei der Beweisaufnahme, SchiedsVZ 2005, 66.
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2. Schiedseinrede Wird ein gerichtliches Verfahren entgegen einer wirksamen Schiedsabrede ein- 140 geleitet, so wird die Klage auf Einrede des Beklagten (§ 1032 I ZPO; Art II [3] UNÜ) als unzulässig abgewiesen. Die Einrede ist nach deutschem Prozessrecht rechtzeitig zu erheben,244 auch wenn die Schiedsvereinbarung ausländischem Recht untersteht.245 Die Schiedseinrede greift auch gegenüber (Vor-)Verfahren im Urkunden- und Wechselprozess,246 nicht jedoch gegenüber Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Soweit andere Staaten Schiedsvereinbarungen anerkennen, ist die Rechtslage vergleichbar. Parallele Verfahren vor dem staatlichen Gericht und dem Schiedsgericht werden nicht zuge-
244 Vgl BGHZ 147, 394 = NJW 2001, 2176; Weigand/Haas Art II UNÜ Rz 112. 245 OLG Düsseldorf RIW 1996, 776, 777. Zur Rechtslage im Ausland s M. Cobb, Domestic Court’s Obligation to Refer Parties to Arbitration, ArbInt 17 (2001), 313. 246 BGHZ 165, 376 = NJW 2006, 779 = SchiedsVZ 2006, 646; BGH SchiedsVZ 2007, 215, 216; OLG Celle SchiedsVZ 2006, 52, 54; aA OLG Düsseldorf DB 1996, Beil 15, S 23; vgl Ch. Annen/F. Schmidt SchiedsVZ 2007, 304.
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lassen.247 Die rechtskräftige Klagabweisung im Staat A wegen wirksamer Schiedsvereinbarung ist auch in anderen Staaten zu beachten.248 141 Die Schiedseinrede ist nach § 1032 I ZPO unbegründet, wenn die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist. Insoweit steht dem staatlichen Gericht eine indirekte Kompetenzentscheidung zu.249 Undurchführbar ist eine Schiedsvereinbarung etwa bei Mittellosigkeit des Klägers; einer Kündigung des Schiedsvertrags bedarf es dann nach Ansicht des BGH nicht.250 142 Erklärt sich ein (ausländisches) Schiedsgericht auf Klage für unzuständig, ist der Kläger (trotz möglicherweise bestehenden Schiedsvertrags) nicht gehindert, seinen Anspruch vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen.251 143 Bis zur Bildung des Schiedsgerichts kann vor dem staatlichen Gericht die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens beantragt werden (§ 1032 II ZPO). In jedem Fall kann ein Schiedsverfahren eingeleitet und fortgesetzt werden sowie darin ein Schiedsspruch ergehen (§ 1032 III ZPO). 144 Der Schiedseinrede kann die Arglisteinrede entgegengesetzt werden, wenn der Gegner die notwendigen Kostenvorschüsse nicht leisten kann oder will.252 Gleiches gilt, wenn sich der Beklagte zuvor beim Versuch einer Einleitung des Schiedsverfahrens selbst darauf berufen hat, dass die Streitigkeit nicht von der Schiedsabrede erfasst sei.253 Umgekehrt kann die Berufung auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung arglistig und unzulässig sein, wenn sich der Beklagte zuvor vor dem staatlichen Gericht selbst auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung berufen hat.254 145 Verneint das staatliche Gericht die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und erlässt es ein Sachurteil, ist dieses im Rahmen von EuGVO bzw EuGVÜ/LugÜ anzuerkennen (s o § 12 Rz 84); ansonsten entscheidet das Anerkennungsgericht selbständig über die Zuständigkeit des Erstgerichts.255
247 Zur Rechtslage in Alberta/Kanada s Burowski v Heinrich Fiedler, Court of Queen’s Bench. Alberta [1996] ILPr 373. 248 Kessedjian JIntArb 18 (1) (2001), 1, 2f. 249 Vgl Poudret/Besson Rz 488ff. 250 BGHZ 145, 116 = NJW 2000, 3720, 3721 = BB 2001 Beilage 6, S 17 (krit. dazu Risse, S 11). 251 OLG Düsseldorf RIW 1996, 239. 252 BGH NJW 1988, 1215; OLG Hamm RIW 1995, 681, 682; OLG Hamburg RIW 1996, 510, 511. 253 OLG Frankfurt RIW 1999, 461, 463 = IPRax 1999, 247, 251 (dazu Hau, S 232, 233). 254 Schiedsgericht der IHK Kassel SchiedsVZ 2006, 167; Schiedsgericht der Bundeskammer Wien RIW 1995, 590. 255 Kessedjian JIntArb 18 (1) (2001), 1, 4; vgl auch Dutson ArbInt 2000, 89.
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Verhältnis staatliches Gericht – internationales Schiedsgericht
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3. Kompetenz-Kompetenz Über Wirksamkeit und Umfang der Schiedsabrede entscheidet nach dem Mus- 146 ter in Art 16 UNCITRAL-ML in fast allen Staaten (Ausnahme: USA) vorläufig primär das angerufene Schiedsgericht.256 Selbständigkeit der Schiedsvereinbarung. Da die Schiedsvereinbarung als un- 147 abhängiger, selbständiger Vertrag angesehen wird, steht dem Schiedsgericht nach allgemeiner Ansicht auch die Befugnis zu, über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Hauptvertrags zu entscheiden. Art V (3) EuÜ lautet: „Vorbehaltlich einer dem staatlichen Gericht nach seinem Recht zustehenden späteren Überprüfung kann das Schiedsgericht, dessen Zuständigkeit bestritten wird, das Verfahren fortsetzen; es ist befugt, über seine eigene Zuständigkeit und über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung oder des Vertrages, in dem diese Vereinbarung enthalten ist, zu entscheiden.“
Gleiches ist in Art 178 III schweiz. IPRG vorgesehen. Verneint das Schiedsgericht seine Kompetenz, weist es die Schiedsklage ab. 148 Der Kläger kann seine Ansprüche vor dem staatlichen Gericht verfolgen; der Beklagte kann wegen der Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs (§ 1055 ZPO) keine Schiedseinrede mehr erheben. Jede Partei kann allerdings nach § 1059 ZPO Aufhebung des zuständigkeitsverneinenden Prozessschiedsspruchs beantragen, allerdings nur gestützt auf die dort genannten Aufhebungsgründe.257 Bejaht das Schiedsgericht nur inzident seine Kompetenz, kann der Beklagte 149 diese „Entscheidung“ zunächst nicht vor einem staatlichen Gericht anfechten. Erst gegen den Schiedsspruch kann Aufhebungsklage erhoben werden, weil eine wirksame Schiedsvereinbarung tatsächlich nicht vorlag (§ 1059 I Nr 1 a ZPO). Die endgültige Kompetenz-Kompetenz liegt daher beim staatlichen Gericht am Sitz des Schiedsgerichts.258 Auch gegen die Vollstreckbarerklärungeines ausländischen Schiedsspruchs kann in jedem Vollstreckungsstaat eingewandt werden, dass eine wirksame Schiedsvereinbarung fehlt, weil der Schiedsspruch dann idR unwirksam ist (§ 1061 I ZPO; Art V [1] [a] UNÜ). Der BGH hatte freilich den Schiedsgerichten vor der ZPO-Reform eine weit- 150 gehende endgültige Kompetenz-Kompetenz zuerkannt. Eine entsprechende Vereinbarung hat er als zweite Schiedsabrede über die Wirksamkeit der ersten ausgelegt, so dass nur noch die Wirksamkeit der zweiten Abrede und damit idR nichts nachgeprüft werden kann.259 § 1040 III 2 ZPO ist dieser Ansicht nach dem Vorbild von Art 16 (3) UNCI- 151 TRAL-Modellgesetz260 zu Recht nicht gefolgt. Die Vorschrift bestimmt, dass 256 Vgl Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 66ff; Cafari Panico S 81, 85ff; Poudret/Besson Rz 457ff; P. Binder, Intern. Commercial Arbitration, 3rd ed 2010, para 4-001et seq. 257 BGHZ 151, 79 = NJW 2002, 3031 = IDR 2002, 40 (Sandrock). 258 Poudret/Besson Rz 478ff. 259 BGHZ 68, 356 = NJW 1977, 1397; BGH RIW 1991, 673; BGH JZ 1989, 201; OLG Düsseldorf DZWir 1997, 123 (dazu Kornblum, S 126). 260 Vgl V. Pavic´, (In)Appropriate Compromise, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 387.
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das Schiedsgericht über eine Rüge seiner Unzuständigkeit durch den Schiedsbeklagten durch Zwischenentscheid befindet. Gegen diesen kann jede Partei innerhalb eines Monats nach schriftlicher Mitteilung eine Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragen (§§ 1040 III 2, 1062 I Nr 2 ZPO). Die Wirksamkeit der Schiedsabrede kann auf diese Weise stets vom staatlichen Gericht überprüft werden.261 152 Das US-amerikanische Recht weist dagegen die Kompetenz-Entscheidung ausschließlich dem staatlichen Gericht zu. Ist die Schiedsvereinbarung vor dem Schiedsgericht streitig, so muss es sein Verfahren aussetzen und der Beklagte kann das staatliche Gericht anrufen. 153 Das englische Recht gestattet dem Gericht, auf Antrag bereits während des laufenden Schiedsverfahrens die Schiedsvereinbarung für ungültig zu erklären.262 Vorzuziehen ist die mittlere Lösung, die Art 16 (3) UNCITRAL ML vorsieht. 154 Umgekehrt kann das Schiedsgericht seine Tätigkeit nicht einfach verweigern, indem es die Schiedsvereinbarung als unwirksam ansieht. Die französischen Gerichte kontrollieren auf Antrag einer Seite, ob die Vereinbarung nicht doch wirksam ist und halten das Schiedsgericht an, einen übernommenen Schiedsauftrag auszuführen.263
4. Anti-suit Injunction Schrifttum: N. Andrews, Injunctions in Support of Civil Proceedings and Arbitration, in Stürner/Kawano, Comparative Studies on Enforcement and Povisional Measures, 2011, S 319; A. Dutta/Heinze, Enforcement of arbitration agreements: Anti-suit injunctions in Europe, YearbookPIL 9 (2007), 415; A. Dutta/Heinze, Anti-suit injunctions zum Schutz von Schiedsvereinbarungen, RIW 2007, 411; G. Fischer, Anti-suit injunctions to restrain foreign proceddings in breach of an arbitration agreement, Bond Law Rev. 22 (2010), 1; E. Gaillard, Anti-suit Injunction in International Arbitration, 2003; I. Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, 2008.
155 Bis zur Bildung eines Schiedsgerichts kann nach § 1032 II ZPO bei Gericht Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens gestellt werden. Nach Bildung des Schiedsgerichts muss dessen Unzuständigkeit im Schiedsverfahren nach § 1040 II ZPO gerügt werden.264 Trotz Rüge kann das Schiedsgericht sein Verfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch in der Sache erlassen (§ 1040 III 3 ZPO). Hieraus folgt, dass ein deutsches Gericht dem Schiedsgericht nicht durch einstweilige Verfügung verbieten kann, sein Verfahren fortzusetzen.265 Ob im Ausland die Möglichkeit zum
261 S OLG Frankfurt IPRax 2013, 83, 85 (Tz 45 ff) (dazu Tietje S 64); vgl BGHZ 162, 9, 13f = NJW 2005, 1125; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl 2005, Kap 6 Rz 9, Kap 16 Rz 10ff. 262 Hill § 16.2 (S 463); vgl Merkin, Arbitration Act, 2nd ed 2000. 263 Cour d’appel de Paris, Rev.arb. 1995, 107 note S. Jarvin. 264 Schwab/Walter Kap 7 Rz 17. 265 Schwab/Walter Kap 7 Rz 19.
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Erlass einer solchen anti-suit injunction266 gegen ein Schiedsgericht besteht, richtet sich nach dem Recht am Sitz des Schiedsgerichts. Umgekehrt besteht in den common law-Staaten die Praxis, dass bei Bestehen einer Schiedsvereinbarung ein Anspruch auf Unterlassung einer Klage vor einem staatlichen Gericht, der ggf mittels anti-suit injunction durchgesetzt werden kann.267 Innerhalb der EU ist der Erlass einer anti-suit injunction zugunsten eines Schiedsgerichts allerdings unzulässig.268 Auch im Rahmen des UNÜ ist der Erlass zweifelhaft, weil nach Art II (3) UNÜ das mit einer Klage angerufene Gericht darüber zu entscheiden hat, ob die Schiedsvereinbarung wirksam ist oder nicht, und dessen Entscheidung nicht durch die Unterlassungsverfügung eines anderen Gerichts vorweggenommen werden darf. Englische Gerichte gewähren aber im Verhältnis zu Drittstaaten weiterhin eine anti-suit injunction, sei es, um die Einleitung oder Fortsetzung eines Gerichtsverfahrens zugunsten eines Schiedsverfahrens, sei es, um die Einleitung oder Fortsetzung eines Schiedsverfahrens zugunsten des staatlichen Gerichtsverfahrens zu verbieten.269 Der teilweise beschrittene Ausweg der Vereinbarung einer Schadenersatz- 156 pflicht bei einer vereinbarungswidrigen Klage vor dem staatlichen Gericht hindert diese Klage nicht und bringt Schwierigkeiten beim Schadensnachweis mit sich.270
5. Aufrechnung vor dem Schiedsgericht Schrifttum: K. P. Berger, Die Aufrechnung im internationalen Schiedsverfahren, RIW 1998, 426; Ch. Fountoulakis, Set-off Defences in International Commercial Arbitration, 2011; Kawano, Aufrechnung und Schiedsgerichtsbarkeit, ZZPInt 4 (1999), 393.
Die Aufrechnung ist unabhängig von ihrer Konstruktion ein Verteidigungsmit- 157 tel, keine Widerklage. Materiellrechtlich ist die Aufrechnung zulässig, wenn das Recht der Hauptforderung (gegen die aufgerechnet werden soll) sie zulässt.271 Davon zu unterscheiden ist die prozessuale Zulässigkeit nach der lex loci arbitri. Mit einer konnexen Gegenforderung, die derselben Schiedsvereinbarung unterliegt, kann ohne Weiteres (auch bei Streit über die Gegenforderung) aufgerechnet werden. Die Schiedspraxis lässt die Aufrechnung auch mit Forderungen aus „closely related contracts“ zu.272 266 Vgl Gaillard, 2003; H. Seriki JIntArb 23 (1) (2006), 25; G. Fischer Bond Law Rev 22 (2010), 1; J. Gorskie ArbInt 28 (2012), 295. 267 The Angelic Grace [1995] 1 Lloyd’s Rep 87 (CA); Schlosser RIW 2006, 486, 491f. 268 EuGHE 2009, I-663 (Allianz SpA v West Tankers) = NJW 2009, 1655 (Lehmann, S 1645) = IPRax 2009, 33 (Illmer, S 312); dazu J. Grierson JIntArb 26 (2009), 891; I. Naumann, Englische anti-suit injunctions, 2008. 269 Vgl N. Andrews, S 329, 333f. 270 Vgl S. Manner/O.L. Mosimann, Damages and fixed sums for breach of arbitration agreement, FS Schwenzer, 2011, S 1197. 271 BGHZ 38, 254, 256 = NJW 1963, 243f = MDR 1963, 125f. 272 Vgl Berger RIW 1998, 426, 427f (in engl. Sprache: ArbInt 1999, 53); H. Jauch, Aufrechnung und Verrechnung in der Schiedsgerichtsbarkeit, 2001.
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Aufgerechnet werden kann auch mit anderen Gegenforderungen, für die keine andere (ausschließliche) gerichtliche oder schiedsgerichtliche Zuständigkeit besteht. 158 Unterliegt die Aufrechnungsforderung dagegen einer abweichenden Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung, ist die Zulässigkeit der Aufrechnung streitig. Nach einer Ansicht ist wie bei streitigen rechtswegfremden Gegenforderungen zu verfahren. Das Schiedsverfahren ist auszusetzen, damit über die streitige Forderung vor dem zuständigen Gericht oder Schiedsgericht273 entschieden werden kann. Das Ergebnis ist dann vom Schiedsgericht bei seinem Spruch zu beachten. Die pragmatischere Ansicht behandelt die Aufrechnung als materielle Einwendung, für deren Beachtung es keiner besonderen Zuständigkeit bedarf.274 Die dritte Ansicht stellt die Aufrechnung in diesen Fällen einer Widerklage gleich. Danach ist die Aufrechnung grds unzulässig, es sei denn, die Aufrechnungsforderung sei unstreitig, der Kläger bestreite die Zulässigkeit der Aufrechnung nicht oder beide Parteien ergänzen ihre Schiedsvereinbarung entsprechend.275
6. Ersatzbestellung von Schiedsrichtern 159 Soweit kein anderes Verfahren vereinbart ist, kann jede Partei vom Gericht die Bestellung eines Schiedsrichters anstelle der Gegenpartei verlangen, wenn diese mit der Bestellung in Verzug kommt oder sie ganz ablehnt (§ 1039 I ZPO). Eine Ersatzbestellung scheidet dagegen in Deutschland aus, wenn ein bestellter Schiedsrichter zurücktritt oder abgelehnt wird.276 Angerufen werden kann das Gericht am Sitz des Schiedsgerichts (so ausdrücklich § 1062 I ZPO; Art 179 II 1 schweiz. IPRG).277 Dem Antrag ist stattzugeben, es sei denn, es bestehe offensichtlich keine Schiedsvereinbarung (vgl Art 179 III schweiz. IPRG).
7. Abberufung von Schiedsrichtern 160 Wird ein Schiedsrichter wegen Befangenheit abgelehnt (§ 1036 ZPO) oder wird die Beendigung seines Amtes wegen Unfähigkeit oder Unmöglichkeit vereinbart (§ 1038 ZPO), entscheidet das Gericht über die Berechtigung des Antrags (§ 1062 I Nr 1 ZPO), sofern der Schiedsrichter sein Amt nicht freiwillig niederlegt. Das Schiedsgericht kann trotz des Ablehnungsantrags weiter verhandeln; ein etwa erlassener Schiedsspruch ist dann aber „auflösend bedingt“, dh unterliegt der Aufhebung, wenn der Antrag für begründet erklärt wird. 161 Nach englischem Recht kann das Gericht das Schiedsverfahren durch injunction einstellen oder einen Schiedsrichter abberufen, an dessen Unabhängigkeit
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Vgl Binder, Intern. Commercial Arbitration, 3rd ed 2010, para 11-012f. Vgl Berger RIW 1998, 426, 429; Poudret/Besson Rz 323ff. Berger RIW 1998, 426, 430. KG SchiedsVZ 2008, 200. Vgl BayObLG SchiedsVZ 2004, 316.
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Zweifel bestehen, der sich „misconduct“ während des Verfahrens schuldig gemacht hat oder seine Pflichten nicht erfüllt (Arbitration Act 1996, sec. 24).
8. Verfahrensverzögerungen Bei Verfahrensverzögerungen durch Schiedsrichter oder Schiedsparteien darf 162 das staatliche Gericht nicht direkt eingreifen. Wird ein Schiedsrichter nicht tätig, kann nach § 1038 I ZPO notfalls bei Gericht die Feststellung über die Beendigung des Amtes beantragt werden. Auf die Säumnis des Schiedsklägers kann das Schiedsgericht mit Klagabweisung, auf die Säumnis des Schiedsbeklagten mit einseitiger streitiger Entscheidung reagieren (§ 1048 ZPO). Ähnlich kann ein englisches Schiedsgericht gem sec. 41 Arbitration Act 1996 entscheiden.
9. Hilfestellung bei der Beweisaufnahme Schrifttum: O. Knöfel, Judicial Assistance in the Taking of Evidence Abroad in Aid of Arbitration: A German Perspective, JPIL 5 (2009), 281; J. Kraayvanger/J. Wendler, US-Beweishilfe in Schiedsverfahren – ein Anschlag auf die internationale Schiedsgerichtsbarkeit?, SchiedsVZ 2008, 161; P. Martinez-Fraga, Anwendung und Vermeidung der Discovery nach 28 U.S.C. § 1782 im internationalen Handelsschiedsverfahren, SchiedsVZ 2010, 85; L. Wyss, Vorsorgliche Maßnahmen und Beweisaufnahme – die Rolle des staatlichen Richters bei internationalen Schiedsverfahren aus Schweizer Sicht, SchiedsVZ 2011, 194.
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Nach § 1050 ZPO kann das Schiedsgericht selbst oder eine Partei mit Zustimmung des Schiedsgerichts die Unterstützung des staatlichen Gerichts bei der Beweisaufnahme beantragen.278 Zuständig ist nach § 1062 IV ZPO das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Beweisaufnahme stattfinden soll. Das Gericht erledigt den Antrag nach seinem eigenen Verfahrensrecht; die Schiedsrichter dürfen aber an der Beweisaufnahme teilnehmen und Fragen stellen. Das Antragsrecht nach § 1050 ZPO ist nicht auf Schiedsgerichte mit Sitz in Deutschland beschränkt; nach § 1025 II ZPO besteht vielmehr eine internationale Zuständigkeit für die Hilfestellung auch, wenn der Ort des Schiedsverfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist.279
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In den USA können Schiedsgerichte oder Parteien beim Bundesgericht bean- 165 tragen, dass die Gegenpartei Unterlagen nach Discovery-Regeln vorlegt.280 Nach 28 USC § 1782 besteht diese Möglichkeit auch zugunsten ausländischer Schiedsgerichte.281
278 Zu Art 27 ML s Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 70f. 279 MüKo/Münch, § 1050 ZPO Rz 14; vgl Wirth/Hoffmann-Nowotny SchiedsVZ 2005, 66; O. Knöfel JPIL 5 (2009), 281, 295ff. 280 Vgl Schwartz/Johnson J.Int.Arb. 15 (3) (1998), 53. 281 Vgl B. Steinbrück IPRax 2008, 448; J. Kraayvanger/J. Wendler SchiedsVZ 2008, 161; P. Martinez-Fraga, SchiedsVZ 2010, 85.
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VI. Einstweiliger Rechtsschutz 1. Schrifttum 166 M. Appel, Interim measures in international commercial arbitration, 2007; Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000; A. Bösch, Provisional remedies in international commercial arbitration, 1994; A. Bösch, Einstweiliger Rechtsschutz in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1988; Ch. Boog, The laws governing interim measures in international arbitration, in Ferrari/Kröll, Conflict of laws in international arbitration, 2011, S 409; Ch. Brower/W. M. Tupman, Court-ordered provisional measures under the New York Convention, AmJIntL 80 (1986), 24; L. Ebb, Flight of Assets from the Jurisdiction: Pre and Post-Award Conservatory Relief in International Commercial Arbitration, JIntArb. 7 (1990), 1; P. Giessen, Der Pre-Arbitral-Referee und der Emergency Arbitrator in der internationalen Schiedssgerichtsbarkeit, 2012; D. Hascher, L’exécution provisoire en arbitrage international, Études en l’honneur de Poudret, 1999, S 403; K. Hempel, Einstweiliger Rechtsschutz durch Schiedsgerichte – Cui bono?, FS R. Welser, Wien 2004, S 269; F. Knoepfler, Les measures provisoires et l’arbitrage, in: Cadiet/Clay/Jeuland, Médiation et arbitrage, 2005, 269; B. Kohl, Vorläufiger Rechtsschutz in internationalen Handelsschiedsverfahren, 1990; T. Kojovic, Court Enforcement of Arbitral Decisions on Provisional Relief, JIntArb 18 (2001), (5), 511; Krimpenfort, Vorläufige und sichernde Maßnahmen im schiedsrichterlichen Verfahren, 2001; S. Kröll, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für einstweiligen Rechtsschutz bei ausländischem Schiedsort, IHR 2005, 142; D. Leipold, Interim protection before Arbitral Tribunals under German Law, in Stürner/Kawano, International Contract Litigation, Arbitration …, 2011, S 92; E. Loquin, L’arbitre d’urgence, un objet juridique non identifié, IJPL 2012, 261; P. Mayer, Imperium de l’arbitre et mesures provisoires, Études en l’honneur de Poudret, 1999, S 437; L. Newman/M. Burrows, The Practice of International Litigation, 2nd ed 1998, II-9 (Provisional remedies in aid of international arbitration), V-4 (International Arbitration, Provisional Remedies); A. Reiner, Les mesures provisoires et conservatoires et l’Arbitrage international, JDI 125 (1998), 853; G. Wagner, Provisional Measures in Arbitration Procedure, in Stürner/Kawano, International contract Litigation, Arbitration …, 2011, S 99; L. Westphal/D. Busse, Vorläufige Maßnahmen durch ein bei Großprojekten vereinbartes ständiges Schiedsgericht, SchiedsVZ 2006, 21; A. Yes¸ilirmak, Provisional measures in international commercial arbitration, 2005; J. Zekoll/Ph. Giessen, Das ex parte-Eilverfahren und das Exequaturverfahren für schiedsrichterliche Eilmaßnahmen im UNCITRAL Model Law, SchiedsVZ 2010, 137.
2. Einstweiliger Rechtsschutz vor dem staatlichen Gericht 167 Die Schiedsvereinbarung schließt nach § 1033 ZPO nicht aus, vor dem staatlichen Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen.282 Dazu gehört auch die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens, solange das Schiedsgericht nicht konstituiert ist.283 Aus dem gleichen Grund bleibt eine Rechtsverfolgung im Wechselprozess regelmäßig zulässig.284 Die Zuständigkeit richtet sich nach dem für die Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruches zuständigen Gericht.285 Nach in Deutschland hM können die Parteien den einstweiligen Rechtsschutz vor dem staatlichen Gericht nicht ausschlie282 Vgl Bandel, S 267ff. 283 OLG Koblenz BB 2001, Beilage 6, S 22; aA OLG Düsseldorf SchiedsVZ 2008, 258 (ablehn. P. Schlosser). 284 BGH JZ 1994, 370 mit Anm Schütze; krit. Smid DZWir 1996, 234. 285 OLG Hamburg RIW 1996, 857.
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ßen.286 Auch die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsorts schließt die inländische Zuständigkeit für den einstweiligen Rechtsschutz nicht aus.287 Freilich wird zunehmend die Ansicht vertreten, durch besondere Vereinbarung könne dies doch geschehen, wenn bei einem institutionalisierten Schiedsgericht ein Spruchkörper bereitstehe, der effektiven Eilrechtsschutz gewährleiste.288 Nach der van Uden-Entscheidung des EuGH ist der einstweilige Rechtsschutz 168 des staatlichen Gerichts in diesen Fällen territorial begrenzt (s o § 17 Rz 15f), so dass eine freezing order (Mareva injunction) mit grenzüberschreitender Wirkung jedenfalls gegenüber Parteien mit europäischem Wohnsitz/Sitz nicht mehr erlassen werden kann.289
3. Einstweiliger Rechtsschutz durch das Schiedsgericht Umgekehrt kann das Schiedsgericht auf Antrag einer Partei vorläufige oder si- 169 chernde Maßnahmen anordnen, die es im Hinblick auf den Streitgegenstand für erforderlich hält, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart,290 die entsprechende Kompetenz des Schiedsgerichts also ganz oder teilweise ausgeschlossen haben. Das Schiedsgericht kann auch eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen (§ 1041 I ZPO). Das deutsche Recht ist insoweit an das UNCITRAL-Modellgesetz angepasst worden.291 Die Schiedsordnungen der institutionellen Schiedsgerichte bieten meist aus- 170 drücklich einstweiligen Rechtsschutz an. Art 37 der AAA/ICDR Rules sieht seit 2009 einen durch den Administrator bestellten Emergency Arbitator vor.292 Seit 2012 bietet auch die ICC Paris ausdrücklich einstweiligen Rechtsschutz durch einen Eilschiedsrichter (Art 29 ICC Rules 2012) und eine besondere Eilschiedsrichterverfahrensordnung (Anhang V zu den ICC Rules 2012) an.293 Dieser Eilrechtsschutz gilt grds als vereinbart, sofern er nicht in der Schiedsvereinbarung ausgeschlossen wurde (Art 29 [6] [b] ICC Rules). Die DISRegeln (§ 20), die Wiener Regeln (Art 22) und die Swiss Rules (Art 26) sehen einstweiligen Rechtsschutz nur durch das bereits endgültig bestellte Schiedsgericht vor. Wie ein staatliches Gericht hat das Schiedsgericht beim Erlass einstweiliger Maßnahmen die in der Hauptsache anwendbare lex causae zu beachten. Dazu
286 Musielak/Voit, § 1033 ZPO Rz 3; aA MüKo/Münch, § 1033 ZPO Rz 1, 9, 17f (nach der Konstitution des Schiedsgerichts). 287 Schütze IPRax 2006, 442; aA OLG Nürnberg IPRax 2006, 468. 288 Schütze DB 1998, 1650; Bandel, S 309ff, 337f; vgl Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S 61ff. 289 Vgl Kessedjian JIntArb 18 (1) (2001), 1, 7. 290 Vgl Bandel, S 11ff, 16ff, 81ff; Poudret/Besson Rz 606ff; zum UNCITRAL-ML s Binder, Intern. Commercial Arbitration, 3rd ed 2010, para 4A-001 et seq. 291 Zur Rechtslage in USA, England und Frankreich s Brower/Tupman AmJIntL 80 (1986), 24. 292 Vgl P. Giessen aaO. 293 Krit E. Loquin IJPL 2012, 261.
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gehören auch eventuelle Eingriffsnormen von Drittstaaten. Beachtet werden sollte auch das Recht des Vollstreckungsstaats. Nur wenn das anwendbare Recht nicht rechtzeitig hinreichend sicher ermittelt werden kann, sind die lex loci arbitri oder allgemeine Grundsätze des internationalen Handelsrechts anzuwenden.294 171 Das staatliche Gericht kann die Vollziehung solcher einstweiligen Maßnahmen zulassen, sofern nicht bei ihm einstweiliger Rechtsschutz beantragt worden ist (§ 1041 II ZPO).295 Die Vollziehungsanordnung kann aufgehoben oder geändert werden (§ 1041 III ZPO). 172 Einstweilige Maßnahmen ergehen nicht durch endgültigen Schiedsspruch iS des UNÜ. Sie müssen daher im Ausland weder nach dem UNÜ noch nach sonstigen Übereinkommen anerkannt und vollstreckt werden.296 Die deutschen Gerichte können aber analog § 1041 II, III, IV ZPO auch die Vollziehung einstweiliger Maßnahmen ausländischer Schiedsgerichte in Deutschland zulassen.297 173 Nach § 1041 IV ZPO ist die begünstigte Partei verpflichtet, dem Gegner einen Vollstreckungsschaden zu ersetzen, der aus der Vollziehung einer ungerechtfertigten einstweiligen Anordnung des Schiedsgerichts entsteht.298 Der Anspruch kann im anhängigen Schiedsverfahren geltend gemacht werden.
VII. Aufhebung inländischer Schiedssprüche sowie Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche 1. Schrifttum 174 C. Alfons, Recognition and Enforcement of Annulled Foreign Arbitral Awards, 2010; M. Alvarez de Pfeifle, Der Ordre Public-Vorbehalt als Versagungsgrund der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung internationaler Schiedssprüche, 2009; H. Arfazadeh, Ordre public et arbitrage international à l’épreuve de la mondalisation, 2005; R. Arnold/M. Meindl, The EU Charter of fundamental rights and public policy in international arbitration law, Czech Yearbook of Arbitration 1 (2011), 87; E.-M. Bajons, Enforcing annulled arbitral awards, Croat.Arbit.Yearb. 7 (2000), 55; M.-L. von Bernuth, Die Doppelkontrolle von Schiedssprüchen durch staatliche Gerichte, 1995; R. D. Bishop, Enforcement of Arbitral Awards against Sovereigns, 2009; Borges, Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen nach neuem Recht, ZZP 111 (1998), 487; Ch. Borris/L. Schmidt, Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen und materielle Einwendungen des Schiedsbeklagten, SchiedsVZ 2004, 273; G. Broggini, Le contrôle des sentences arbitrales internationales par le juge du siège et par le juge de l’exécution, Liber amicorum Siehr, 2000, S 95; L. Chedly, L’exècution des sentences internationaler annulées dans leur pays d’origine: cohérenees en droit eompare’ et intohérence du droit Tunesien, J. D. I. 136 (2009), 1139; H. Dolinar, Vollstreckung aus einem ausländischen, einen Schiedsspruch bestätigenden Exequatururteil, FS Schütze, 1999, S 187; W. Eberl, As night follows day,
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Vgl Ch. Boog, The laws governing interim measures, S 409, 430f. Bandel, S 197ff. Bandel, S 340ff. Schlosser in: Gottwald, S 163, 201; Bandel, S 361ff. Bandel, S 231ff.
Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen
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2. Inländische – ausländische Schiedssprüche 175 Das deutsche Recht unterscheidet ebenso wie die Rechte vieler anderer Staaten zwischen inländischen und ausländischen Schiedssprüchen (§§ 1060, 1061 ZPO). Nach früherem deutschen Recht entschied das Verfahrensrecht, welches das Schiedsgericht in seinem Verfahren angewendet hat, darüber, ob der Schiedsspruch als inländischer oder als ausländischer zu beurteilen ist (Verfahrenstheorie).299 Führten also Schiedsrichter in Deutschland ein Schiedsgerichtsverfahren nach ausländischem Verfahrensrecht durch, so handelte es sich nach deutschem Recht um einen ausländischen Schiedsspruch; ebenso führte ein im Ausland nach deutschem Verfahrensrecht durchgeführtes Schiedsverfahren zu einem inländischen Schiedsspruch. 176 Dieser Ansicht stand international ganz überwiegend die Sitztheorie vom ausländischen Schiedsspruch gegenüber.300 Da die Parteien den „Sitz“ frei vereinbaren könnten und das Schiedsgericht auch an anderen Orten verhandeln kann (so § 1043 II ZPO; Art 20 II UNCITRAL Model Law), hatte der Streit um die Theorien seine Schärfe verloren.
299 So BGHZ 96, 40 = NJW 1986, 1436; Schwab/Walter, 7. Aufl 2005, Kap 30 Rz 4ff; krit. Mann, FS Oppenhoff, S 215ff; aA Wunderer, Der deutsche „ordre public d’arbitrage international“, 1993, S 28ff. 300 So für Österreich Fasching, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 1972, S 178; Matscher JBl 1975, 412, 469; § 5 schwedisches Lag (1929:147) om utländska skiljeavtal och skiljedomar; Szászy, International Civil Procedure, S 612; Abdallah RdC 138 (1973-I), 503, 540 für die Mitgliedstaaten der arabischen Liga.
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Da sich Verfahrens- und Sitztheorie somit im praktischen Ergebnis nicht wesentlich unterschieden, ist das Schiedsverfahrensgesetz 1996 (§§ 1025 I, 1043 ZPO) auf die Sitztheorie übergegangen.301
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Da die Parteien bestimmen können, an welchem Ort ein Schiedsgerichtsver- 178 fahren durchgeführt werden soll, bestimmen sie letztlich über den Charakter des Schiedsspruchs als inländisch oder ausländisch.
3. Aufhebung und Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche Inländische Schiedssprüche können auf Antrag nach § 1059 ZPO aufgehoben 179 werden. Die Aufhebungsgründe des § 1059 II ZPO entsprechen praktisch den Anerkennungsversagungsgründen des Art V UNÜ302 (s u Rz 200ff). Auch das Aufhebungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (§§ 1062 I Nr 4, 1063ff ZPO) unterscheidet sich nicht von dem Verfahren bei der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche. Da die Nationalität der Parteien für die Einordnung des Schiedsspruchs als inländisch oder ausländisch irrelevant ist, kommt ein Aufhebungsantrag auch in „internationalen“ Fällen in Betracht. Sofern kein Aufhebungsgrund vorliegt, kann der inländische Schiedsspruch 180 nach §§ 1060, 1062 I Nr 4 ZPO vom Oberlandesgericht für vollstreckbar erklärt werden. Dies gilt auch für einen Schiedsspruch, der unter einer befristeten auflösenden Bedingung steht, wenn die Frist abgelaufen ist.303 Die Fälligkeit des Anspruchs ist keine Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung.304 Nach der Neuregelung kann der Antragsgegner Aufhebungsgründe, nicht aber 181 nachträglich entstandene materielle Einwendungen vorbringen. Diese sind vielmehr mittels besonderer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen.305 Unstreitig sind solche Einwendungen auf jeden Fall ausgeschlossen, wenn für ihre Geltendmachung wiederum ein Schiedsverfahren vorgesehen ist.306 Hat das Schiedsgericht eine Aufrechnung nicht berücksichtigt, so ist der Aufrechnungseinwand im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigen. Unterliegt die (streitige) Aufrechnungsforderung selbst einer Schiedsabrede, kann das Gericht aber nicht über die Aufrechnung entscheiden.307 Das Gericht kann einen Schiedsspruch lediglich aufheben, nicht aber dem 182 Schiedsgericht konkrete Sachanweisungen erteilen oder in der Sache selbst
301 Vgl BGH RIW 2001, 538, 539. 302 Vgl Hausmann, FS H. Stoll, 2001, S 593, 595ff; OLG Köln SchiedsVZ 2012, 161, 164ff. 303 BGHZ 171, 245, 250 = SchiedsVZ 2007, 160. 304 OLG Naumburg SchiedsVZ 2010, 177, 278. 305 BayObLGZ 2000, 124 = NJW-RR 2001, 1363; OLG Stuttgart MDR 2001, 595; Borris/ Schmidt SchiedsVZ 2004, 273; F. Spohnheimer, FS Simotta, 2012, S 559; aA Schwab/Walter Kap 27 Rz 12f; MüKo/Münch, § 1060 ZPO Rz 35 (können, nicht müssen). 306 OLG München SchiedsVZ 2006, 165, 166. 307 Schweizer BG SchiedsVZ 2008, 202.
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entscheiden.308 In geeigneten Fällen kann das staatliche Gericht die Sache aber auf Antrag neben der Aufhebung an das Schiedsgericht zurückverweisen (§ 1059 IV ZPO).309 Unabhängig von der Zurückverweisung lebt die Schiedsvereinbarung im Zweifel mit der Aufhebung des Schiedsspruchs wieder auf (§ 1059 V ZPO).
4. Voraussetzungen für Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs in Deutschland 183 Das neue deutsche Schiedsverfahrensrecht verweist in § 1061 I 1 ZPO für die Anerkennungsvoraussetzungen bzw -versagungsgründe einheitlich auf das New Yorker UNÜ 1958310 (s u Rz 200ff). Den bisherigen Vertragsstaatenvorbehalt (gem Art I [3] UNÜ) hat Deutschland zurückgenommen,311 so dass nunmehr jeder im Ausland ergangene Schiedsspruch in Deutschland nach dem UNÜ anerkannt werden kann.312 „Rechtskräftig“ muss er nicht sein.313 Ausländische Schiedssprüche mit vereinbartem Inhalt (agreed awards) fallen uneingeschränkt unter § 1061 ZPO.314 184 Nach § 1061 I 2 ZPO bleiben Vorschriften anderer Staatsverträge unberührt. Anerkennungsfreundlichere Regeln mulitlateraler oder bilateraler Anerkennungsverträge über Schiedssprüche (und Schiedsvergleiche)315 und damit auch die Meistbegünstigungsklausel des Art VII Abs. 1 UNÜ316 bleiben also weiterhin anwendbar. EuGVO/LugÜ erfassen Schiedssprüche jedoch nicht.317 185 Die Vollstreckbarerklärung dient primär dazu, die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch zu ermöglichen. Deshalb ist in diesem Verfahren ggf die Identität der beteiligten Parteien aufzuklären.318 Die deutsche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ist außerdem so bestimmt zu fassen, dass sie innerstaatlichen Bestimmtheitserfordernissen genügt. Wie bei einem Urteil ist daher auch ein ausländischer Schiedsspruch (ggf nach Beweisaufnahme zum ausländischen Recht) zu konkretisieren.319 186 Zusätzlich soll die Vollstreckbarerklärung auch die Bestandskraft des Schiedsspruchs gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern. Des-
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BGH SchiedsVZ 2010, 275. Vgl N. Wighardt, SchiedsVZ 2010, 252. BGH RIW 2001, 538, 539. BGBl 1999 II, 7; vgl BGH RIW 2001, 458. BGH SchiedsVZ 2006, 161, 163. BayObLG RIW 2003, 385. Lörcher BB 2000, Beil. 12 S 2 = ArbInt 17 (2001), 275; Gottwald, Symposium für Schlosser, 2001, S 31, 35, 41; Mankowski ZZP 114 (2001), 37, 39f; Schütze, FS W. Lorenz, 2001, S 275, 276; T. Frische, S 297ff. BGH SchiedsVZ 2006, 161, 163. BGHZ 187, 126 (Tz 6) = SchiedsVZ 2010, 332 = RIW 2011, 82; krit. Quinke SchiedsVZ 2011, 169. Hascher ArbInt 12 (1996), 233; s o § 3 Rz 29. OLG München SchiedsVZ 2013, 62, 63. BGH WM 2012, 179 (Tz 6) = SchiedsVZ 2012, 41.
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halb kommt es für die Vollstreckbarerklärung insoweit nicht darauf an, ob der Schiedsspruch einen vollstreckbaren Inhalt hat.320 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sind im Verfahren der Voll- 187 streckbarerklärung aber nicht nur Aufhebungs- bzw Anerkennungsversagungsgründe, sondern auch sachliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch zu berücksichtigen, sofern sie in Analogie zu § 767 II ZPO erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entstanden sind. Der Schiedsbeklagte kann sich also in diesem Verfahren nur dann auf eine Aufrechnung berufen, wenn seine Gegenforderung erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entstanden ist. Gleiches muss gelten, wenn es das Schiedsgericht abgelehnt hatte, sich mit einem Aufrechnungeinwand auseinanderzusetzen oder dies sicher zu erwarten war.321 Obwohl erstinstanzlich das OLG entscheidet, kann der Beklagte solche Einwendungen vorbringen und ist nicht darauf beschränkt, selbständige Vollstreckungsgegenklage nach Vollstreckbarerklärung zu erheben.322 Ist die eingewandte Gegenforderung aber streitig und unterliegt einer Schiedsabrede, so darf das OLG nicht darüber entscheiden, sondern muss sein Verfahren bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts über die Gegenforderung aussetzen.323 Ist die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, stellt das Gericht in seiner Ent- 188 scheidung fest, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist (§ 1061 II ZPO). Wird ein für vollstreckbar erklärter ausländischer Schiedsspruch im Ausland 189 aufgehoben, kann beantragt werden, die deutsche Vollstreckbarerklärung ebenfalls aufzuheben (§ 1061 III ZPO).
5. Verfahren der Vollstreckbarerklärung Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung richtet sich für Schiedssprüche jeder 190 Art einheitlich nach § 1063 ZPO. Danach gilt ein Beschlussverfahren mit fakultativer mündlicher Verhandlung. Diese ist anzuordnen, wenn Aufhebungsgründe iS des § 1059 II ZPO geltend gemacht werden, also bei ausländischen Schiedssprüchen Anerkennungsversagungsgründe vorgebracht werden oder ausdrücklich eine mündliche Verhandlung beantragt wird. Ist im Ausland bereits ein Aufhebungsverfahren anhängig, kann das Gericht 191 das Verfahren der Vollstreckbarerklärung bis zu dessen Abschluss aussetzen oder anordnen, dass die Gegenpartei Sicherheit leisten muss (Art VI UNÜ).324
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BGH WM 2006, 1121 (Tz 9ff) = SchiedsVZ 2006, 278. BGH WM 2010, 2236 (Tz 8) = SchiedsVZ 2010, 330. BGH WM 2010, 2236 (Tz 9) = SchiedsVZ 2010, 330. BGH WM 2010, 2236 (Tz 12) = SchiedsVZ 2010, 330 (Spetzler); dazu auch Weyer IBR 2010, 725. 324 Vgl G. Ghikas, A principal approach to adjourning the decision to enforce, ArbInt 22 (2006), 53.
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192 Das Gericht kann im einseitigen Verfahren eine Sicherungsvollstreckung anordnen.325 Der Gegner kann diese durch Sicherheitsleistung abwenden. 193 Ist der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung säumig, kann der Antrag nicht analog § 330 ZPO abgelehnt werden, vielmehr ist trotz der Säumnis sachlich über den Antrag zu entscheiden.326 194 Entgegen der früheren BGH-Rechtsprechung kann nicht alternativ dazu ein ausländisches Exequatururteil, das einen Schiedsspruch bestätigt und für vollstreckbar erklärt, im Inland anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden327 (s o § 12 Rz 13, 147). 195 Ein Schiedsspruch über die zu erstattenden Kosten kann unabhängig von der zugrunde liegenden Kostengrundentscheidung für vollstreckbar erklärt werden.328
6. Zuständigkeit 196 Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ist das Oberlandesgericht (§ 1062 I Nr 4 ZPO). Fehlt ein deutscher Schiedsort, ist das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, sich Vermögen des Antragsgegners oder der mit Schiedsklage in Anspruch genommene oder betroffene Gegenstand befindet, hilfsweise das Kammergericht in Berlin (§ 1062 II ZPO). 197 Soweit ein Staatsvertrag nichts anderes bestimmt, ist mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung (oder nachträglich)329 der inländische oder ausländische Schiedsspruch im Original oder in beglaubigter Abschrift330 vorzulegen. Einer deutschen Übersetzung bedarf es nicht.331 Auch aus Art IV (2) UNÜ folgt nicht zwingend das Erfordernis der Vorlage einer Übersetzung, wenn das Gericht der Sprache des Schiedsspruches mächtig ist.332 Die Beglaubigung kann vom prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt der Partei vorgenommen werden (§ 1064 I ZPO). Sind Existenz und Inhalt des Schiedsspruchs unstreitig, kommt es auch nach Art IV (1) (a) UNÜ auf den Nachweis der Authentizität nicht an.333 Bei einer Divergenz der Parteibezeichnung zwischen Schiedsvereinbarung und Schiedsspruch sind Parteiidentität bzw Universalsukzession in der Form des Art IV UNÜ nachzuweisen.334 325 Vgl A. Sessler/T. Schreiber SchiedsVZ 2006, 119. 326 BGH SchiedsVZ 2006, 161, 162. 327 So zu Recht BGH NJW 2009, 2826; dazu Kröll SchiedsVZ 2010, 213; Geimer IPRax 2010, 346; bereits Dolinar, FS Schütze, 1999, S 187. 328 OLG München SchiedsVZ 2012, 156, 158. 329 Weigand/Haas Art IV UNÜ Rz 6; MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art IV UNÜ Rz 3f. 330 Vgl OGH IPRax 2000, 429 (dazu Haas, S 432, 433). 331 BGH IDR 2004, 42 (Gebhardt). 332 Schweiz. BG EWiR Art IV UNÜ 1/12, 739 (Vogl). 333 BGH IPRax 2001, 458 (dazu Krapfl, S 443) = NJW 2000, 3650, 3651; BGH RIW 2001, 538, 539; Weigand/Haas Art IV Rz 15. 334 OGH IPRax 2000, 429, 431 (dazu Haas, S 432, 435).
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Der Beschluss über die Vollstreckbarerklärung ist für vorläufig vollstreckbar 198 zu erklären (§ 1064 II ZPO); aus dem Schiedsspruch kann also vollstreckt werden, obgleich die Vollstreckbarerklärung der Rechtsbeschwerde nach § 1065 ZPO unterliegt. Zur Sicherung gegen eine Aufhebung kann auch ein nicht vollstreckungsfähiger Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt werden.335 Umstritten ist die Gerichtszuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung in 199 Frankreich. Teilweise wird vertreten, nur das TGI de Paris (Tribunal de grande instance in Paris) könne angerufen werden. Andere Autoren wollen den Sitz des Vollstreckungsgegners für die Bestimmung des zuständigen Gerichts heranziehen. Wieder andere wollen die allgemeinen Regeln der Art 14 und 15 des Code Civil anwenden. Letztere Ansicht dürfte in der französischen Rechtsprechung den Vorzug erhalten haben.336
7. Versagungsgründe Nach § 1061 I 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung auslän- 200 discher Schiedssprüche generell nach dem UNÜ 1958. Soweit dieses im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten nicht anwendbar ist, gelten seine Regeln insoweit als nationales Recht (s o Rz 183). Die Versagungsgründe bestimmen sich somit allgemein nach Art V UNÜ. Zweifelhaft ist, ob der Schiedsbeklagte mit Einwendungen präkludiert ist, 201 wenn er mögliche Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe zur Geltendmachung während des Schiedsverfahrens oder durch Anrufung der Gerichte am Sitz des Schiedsgerichts nicht wahrgenommen hat.337 Um ein effektives Schiedsverfahren zu gewährleisten, hat der BGH lange Zeit eine Rüge von Mängeln des Schiedsverfahrens im Rahmen des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nur zugelassen, wenn es der betroffenen Partei nicht möglich oder nicht zumutbar war, den Mangel im Schiedsverfahren oder durch Anrufung der Gerichte des Erststaats im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens geltend zu machen.338 Diese sog Präklusionsrechtsprechung hat er nunmehr ausdrücklich aufgegeben.339 Art V I lit a UNÜ sehe keine derartige Einschränkung vor. Ausnahmsweise sind Einwendungen gegen die Vollstreckbarerklärung nicht 202 zu berücksichtigen, wenn die Berufung auf die Einwendung auf einem widersprüchlichen Verhalten des Antragsgegners beruht. Hierfür reicht es aber nicht aus, dass der Antragsgegner bewusst davon abgesehen hat, die Aufhebung des Schiedsspruchs im Ursprungsstaat zu betreiben.340 335 336 337 338
BGH SchiedsVZ 2006, 278 (Wolff/Falk). Gaillard, Juris Classeur, Droit International, Fasc. 586–10, No 13. Gegen Präklusion OLG Schleswig RIW 2000, 706, 708 (v Werder). BGHZ 52, 184, 188 f; BGH RIW 2001, 458, 460 (noch zu §§ 1044, 1045 ZPO aF); OLG Karlsruhe SchiedsVZ 2006, 282 (W. Gruber); vgl Linke, FS Schlosser, S 503 (zur Aufrechnung). 339 BGHZ 188, 1 = NJW 2011, 1290 = ZIP 2011, 302 = JR 2012, 115 (Elsing); dazu Ch. Zarth EWiR § 1061 ZPO 1/11, 199; Schütze RIW 2011, 417. 340 BGH RIW 2008, 474, 475 (Tz 15ff).
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203 Nach Art V (1) UNÜ sind die Versagungsgründe nur auf Rüge der betroffenen Partei zu beachten; lediglich der ordre public des Anerkennungsstaats und die fehlende objektive Schiedsfähigkeit, die damit eng zusammenhängt, werden nach Art V (2) UNÜ von Amts wegen geprüft. Unabhängig davon kann der Antragsgegner im Verfahren der Vollstreckbarerklärung ein Anerkenntnis abgeben.341 204 Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und subjektive Schiedsunfähigkeit. Nach Art V (1) (a) UNÜ ist die Anerkennung auf Rüge zu versagen, wenn die Parteien keine gültige Schiedsvereinbarung nach Art II UNÜ geschlossen haben342 (s o Rz 17ff), wenn eine Partei nach ihrem Personalstatut nicht schiedsfähig war (s o Rz 44ff) oder wenn die Schiedsvereinbarung nach dem maßgeblichen Recht ungültig ist. Maßgeblich ist primär das von den Parteien vereinbarte Recht, hilfsweise das Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist.343 Bei der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung ist das Gericht in keiner Weise an Feststellungen des Schiedsgerichts zu seiner Zuständigkeit gebunden.344 205 Ist eine Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher mißbräuchlich, so ist der Schiedsspruch auch dann nicht anzuerkennen, wenn sich der Verbraucher im Schiedsverfahren nicht auf die Unwirksamkeit berufen hat.345 206 Die Rechtswahl der Parteien bedarf keiner Form, sondern kann auch konkludent erfolgen. Das hilfsweise anwendbare Recht des Schiedsortes (lit a) ist mit dem Recht des Landes, in dem das Schiedsverfahren stattfand (lit d), identisch. Die Prüfung des Schiedsspruchs nach Art 33 ICC-Rules (2012) durch den „Schiedsgerichtshof“ führt nicht dazu, dass jeder nach ICC-Regeln erlassene Schiedsspruch in Paris ergangen wäre.346 Aus der Reihung der Unwirksamkeitsgründe ergibt sich, dass das Schiedsvertragsstatut nicht Fragen der subjektiven Schiedsfähigkeit regelt. 207 Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw des Gebots eines fairen Verfahrens. Nach Art V (1) (b) UNÜ kann die unterlegene Partei rügen, dass sie von der Bestellung der Schiedsrichter oder dem Schiedsverfahren nicht ausreichend informiert war oder sonst ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte.347 Soweit eine derartige Verletzung des rechtlichen Gehörs zugleich gegen den ordre public verstößt, ist der Mangel nach Art V (2) (b) UNÜ auch von Amts wegen zu beachten.
341 OLG Frankfurt BB 2001, Beil 7, S 23. 342 Vgl OLG Bremen MDR 2009, 465; OLG Frankfurt IPRax 2008, 517 (dazu Schlosser, S. 497); Weigand/Haas Art V Rz 15; P. Schlosser IPRax 2008, 497. 343 Vgl Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 ZPO Rz 77f; MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 UNÜ Art V Rz 20ff; Weigand/Haas Art V Rz 16ff. 344 Supreme Court of the United Kingdom EWiR Art 5 UNÜ 1/11, 29 (Vogl). 345 EuGHE 2006, I-10421 = NJW 2007, 135 = SchiedsVZ 2007, 46 (G. Wagner). 346 Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 Rz 78. 347 Vgl A. Reiner ZfRV 2003, 52.
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Ob ein Mangel vorliegt, ist in autonomer Auslegung des Art V (1) (b) UNÜ unter Berücksichtigung des Schiedsverfahrensrechts gem Art V (1) (d) UNÜ zu bestimmen.348 Ein Verfahrensverstoß bzw dessen Kausalität wird nur bejaht, wenn die betrof- 208 fene Partei sonst keine Gelegenheit hatte, ihre Rechte zu wahren.349 Bejaht wurde ein Mangel etwa bei der fehlenden Gelegenheit zur Äußerung vor einer Verlängerung der Entscheidungsfrist für die Schiedsrichter nach Art 30 II ICC Rules (2012)350 oder wenn vergessen wurde, der Partei einen Schriftsatz zuzuleiten.351 Kompetenzüberschreitungen des Schiedsgerichts sind Versagungsgrund nach 209 Art V (1) (c) UNÜ. Eine solche Kompetenzüberschreitung liegt vor, wenn das Schiedsgericht über einen Streitgegenstand urteilt, der nicht von der Schiedsvereinbarung oder einer nachfolgenden Vereinbarung erfasst ist. Ob die Parteien den Streitgegenstand nur global festlegen müssen oder ob das Schiedsgericht an gestellte Anträge fest gebunden ist oder von sich aus auf Veränderungen des Sachverhalts reagieren kann, richtet sich nach dem anwendbaren Verfahrensrecht.352 Hält sich der Schiedsspruch innerhalb der Grenzen des Schiedsverfahrensrechts (zB durch Zubilligung von Zinsen ohne Antrag), liegt kein Schiedsspruch „ultra petita“ vor.353 Die Grenzen der Schiedsabrede überschreitet das Schiedsgericht aber auch, 210 wenn es nach Billigkeit entscheidet, ohne dazu nach dem anwendbaren Verfahrensrecht ermächtigt zu sein.354 Eine Entscheidung nach der lex mercatoria ist nach französischer und österreichischer Ansicht stets zulässig, solange sie nicht ausdrücklich untersagt ist355 (s o Rz 128). Ob eine Entscheidung nach der lex mercatoria eine Rechtsentscheidung ist, ist nach dem anwendbaren Schiedsverfahrensrecht zu entscheiden. Ist dies das deutsche Recht, so liegt nach hM eine Kompetenzüberschreitung vor, wenn die Parteien das Schiedsgericht nicht ausdrücklich ermächtigt haben, nach der lex mercatoria bzw nach Billigkeit zu entscheiden.356 Eine Überschreitung der Kompetenz liegt auch vor, wenn das Schiedsgericht 211 willkürlich ein anderes als das von den Parteien gewählte materielle Recht 348 MüKo/Adolphsen § 1061 ZPO Anh 1 Art V UNÜ Rz 26ff; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 28f. 349 Vgl Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 ZPO Rz 82; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 37, 38. 350 BGHZ 104, 178 = NJW 1988, 3090. 351 OLG Hamburg RIW 1975, 432. 352 Vgl Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 ZPO Rz 115. 353 Vgl Eberl SchiedsVZ 2003, 109. 354 MüKo/ZPO/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art V UNÜ Rz 39; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 48. 355 Cour d’Appel de Paris, Clunet 109 (1982), 931; österr. OGH RIW 1983, 868, 870; vgl Goldman, FS Lalive, 1993, S 241; zum deutschen Recht ebenso Schroeder/Oppermann ZVglRWiss 99 (2000), 410, 436ff. 356 Triebel/Petzold RIW 1988, 245, 250; Gottwald, FS Nagel, S 54, 64f; W. Lorenz, FS Neumayer, 1985, S 407, 428; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 52.
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anwendet, wenn es nach Festlegung des Verfahrensgegenstandes hiervon abweicht oder eine nach materiellem Recht unzulässige Rechtsfolge anordnet.357 212 Fehler bei Bildung des Schiedsgerichts oder im Schiedsverfahren sind Versagungsgrund nach Art V (1) (d) UNÜ.358 Maßgeblich und zu beachten ist primär das von den Parteien vereinbarte Verfahrensrecht, auch die Verfahrensordnung eines institutionellen Schiedsgerichts. Inwieweit die Parteien bei ihrer Vereinbarung von zwingenden Normen des vereinbarten staatlichen Schiedsverfahrensrechts abweichen können, ist streitig. Immerhin muss der ordre public des Anerkennungsstaats gewahrt bleiben. Bei Verstoß gegen zwingende Regeln des Sitzstaats kann der Schiedsspruch dort aufgehoben werden, muss aber bis zur Aufhebung in anderen Staaten anerkannt werden.359 In jedem Fall darf die Anerkennung nur versagt werden, wenn ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt.360 Ein Schiedsspruch, der entgegen der Verfahrensordnung nur von zwei Schiedsrichtern eines dreiköpfigen Kollegiums gefällt wurde, kann nicht anerkannt werden.361 Einwände gegen die Besetzung des Schiedsgerichts können nur erhoben werden, wenn zuvor vor dem Schiedsgericht ein Ablehnungsverfahren nach § 1037 ZPO durchgeführt wurde.362 213 Nach der in Deutschland hM ist ein völlig anationaler Schiedsspruch nicht anzuerkennen,363 sofern es ihn überhaupt geben kann. 214 Fehlen oder Wegfall der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs ist Versagungsgrund nach Art V (1) (e) UNÜ. Ob der Schiedsspruch verbindlich geworden ist, ist nach dem auf ihn anwendbaren Verfahrensrecht nicht autonom zu bestimmen.364 Bei Schiedssprüchen institutioneller Schiedsgerichte ist die Verfahrensordnung des Schiedsgerichts heranzuziehen. Sieht das anwendbare Recht auch die Verbindlichkeit von Zwischenschiedssprüchen vor, ist auch diese anzuerkennen. 215 Die Möglichkeit einer Aufhebungsklage nimmt dem Schiedsspruch noch nicht seine Verbindlichkeit; aber auch insoweit entscheidet das ausländische Verfahrensrecht.365 Für Frankreich meint Sandrock, dass ein Schiedsspruch, der noch mit „recours en annulation“ (Art 1504 I, 1506 V, 1502 CPC) angefochten wer-
357 Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 ZPO Rz 119; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 50, 109. 358 Vgl T. Varady, Can proceedings „not in accordance with the agreement of the parties“ be condoned?, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 467. 359 Vgl Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 Rz 122. 360 Schwab/Walter, 7. Aufl 2005, Kap 24 Rz 21, Kap 57 Rz 13. 361 BGH SchiedsVZ 2008, 195 = RIW 2008, 643. 362 OLG Dresden BB 2001, Beil 6, S 18; vgl Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 74. 363 Schwab/Walter, 7. Aufl 2005, Kap 30 Rz 8, Kap 41 Rz 21; MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art V UNÜ Rz 50; Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 8; vgl Th. Rensmann, Anationale Schiedssprüche, 1997. 364 Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 ZPO Rz 126ff; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 78; vgl BayObLG SchiedsVZ 2003, 142; Plaßmeier SchiedsVZ 2004, 234. 365 Der Eintritt der Verbindlichkeit kann im Rechtsbeschwerdeverfahren beachtet werden, BGH RIW 2001, 538, 539f.
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den kann oder bereits angefochten worden ist, noch nicht anerkannt und vollstreckt werden kann.366 Ist der Schiedsspruch von der zuständigen Behörde367 aufgehoben worden, ist 216 ihm nach Art V (1) (e) UNÜ ebenfalls grds die Anerkennung zu versagen.368 Auf den Grund der Aufhebung kommt es nicht an.369 Allerdings ist der Meistbegünstigungsgrundsatz des Art VII Abs 1 UNÜ zu beachten. Danach kann sich jede Partei auf das innerstaatliche Recht oder auf Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, berufen (s u Rz 234, 250f). Soweit gleichzeitig das Europäische Übereinkommen anwendbar ist, ist die Aufhebung daher nur beachtlich, wenn sie auf einem der in Art IX (1) EuÜ genannten Gründe beruht (Art IX [2] EuÜ). Unbeachtlich ist danach die Aufhebung wegen eines ordre public-Verstoßes. Das Fehlen von objektiver Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes (s o Rz 25ff) 217 ist nach Art V (2) (a) UNÜ von Amts wegen zu beachten. Fehlt die Schiedsfähigkeit nach dem Recht des Anerkennungsstaats, ist die Anerkennung zu versagen. Das Statut der Schiedsvereinbarung ist nicht mit heranzuziehen.370 Nach deutschem Recht sind alle vermögensrechtlichen Ansprüche schiedsfähig (§ 1030 V 1 ZPO). Schiedsunfähigkeit nach dem auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Recht ist dagegen nach Art V (1) (a) UNÜ nur auf Rüge zu prüfen. Ordre public des Anerkennungsstaats. Bei einem Verstoß des Schiedsspruchs 218 dagegen ist die Anerkennung ebenfalls von Amts wegen zu versagen, Art V (2) (b) UNÜ. Bezieht sich der Verstoß nur auf einen abtrennbaren Teil, kommt auch eine Teilanerkennung in Betracht.371 Nicht entscheidend ist, ob zwingendes Recht nicht oder falsch angewendet wurde, sondern ob das Ergebnis der Entscheidung noch tragbar ist oder nicht. § 1044 II Nr 2 ZPO aF stellte darauf ab, ob die Anerkennung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insb mit den Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist.372 Die Aufhebung dieser Regel hat insoweit sachlich nichts geändert. Vielmehr ist wie in anderen Ländern zwischen einem ordre public intern (Beachtung jeglicher zwingender Rechtsnorm) und einem ordre public international zu unterscheiden.373 Der Verstoß kann materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art sein. 366 Vgl Sandrock, FS Trinkner, 1995, S 669, 671ff; Oberhammer, FS Kerameus, 2009, S 969. 367 Vgl MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh Art V UNÜ Rz 61; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 82ff. 368 Vgl OLG München SchiedsVZ 2012, 339. 369 Vgl Termorio v Electranta, 487 F.3d 928 (2007) (Nichtanerkennung nach Aufhebung, weil kolumbianisches Recht Vereinbarung von ICC-Rules nicht ausdrücklich zuließ). 370 Vgl Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 ZPO Rz 43; Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 100ff. 371 Vgl österr. OGH IPRax 2006, 496 (dazu Spickhoff, S 522). 372 Für Berücksichtigung der EMRK und der EU-Grundrechte Charta bei der Auslegung des ordre public Arnold/Meindl CYArb 1(2011), 87, 100ff. 373 Vgl Weigand/Haas Art V UNÜ Rz 105f; MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art V UNÜ Rz 69.
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219 Selbst offensichtliche Rechtsanwendungsfehler sind grds nicht als ordre public-Verstoß zu werten.374 Für materielle Rechtsverstöße gelten die allgemeinen zu Art 6 EGBGB entwickelten Grundsätze. Die Anerkennung eines Schiedsspruchs, der zur Zahlung von Schmiergeldern im internationalen Handel verurteilt, verstößt gegen den (französischen) ordre public.375 Die Aufhebung eines Schiedsspruchs durch französische Gerichte ist jedoch sehr selten. Eine Studie, die alle diesbezüglichen Urteile der Cour d’appel de Paris zwischen 1981 und 1990 erfasst, zeigt, dass das Gericht 46mal wegen Verstoßes gegen den ordre public angerufen wurde, ein Verstoß jedoch nur in zwei Fällen anerkannt wurde.376 Ein Schiedsspruch, der zu punitive damages verurteilt, verstößt gegen den ordre public, soweit der zuerkannte Betrag nicht mehr als Schadensausgleich (plus Kostenersatz) verstanden werden kann.377 Auch Schiedssprüche, die RICO-Schadenersatzansprüche zuerkennen, verstoßen im gleichen Umfang gegen den deutschen ordre public378 (s o § 12 Rz 175). Der österreichische OGH hat einen Schiedsspruch aufgehoben, weil er zwingendes österreichisches Steuerrecht nicht beachtet hat, was wohl zu weit geht.379 Dagegen hat der EuGH zu Recht entschieden, dass ein Schiedsspruch bei Verstoß gegen zwingendes EG-Kartellrecht (Art 101, 102 AEUV; früher Art 81 EGV) aufzuheben bzw nicht anzuerkennen ist.380 Nicht gegen den ordre public verstößt ein Schiedsspruch, der auf die lex mercatoria gestützt ist.381 Bei einem Schiedsspruch gegen einen Verbraucher ist von Amts wegen zu prüfen, ob die zugrunde liegende Schiedsklausel nach Art 6 I der Richtlinie 93/13/EWG v 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen unverbindlich und damit unwirksam ist.382 Ein ausländischer Schiedsspruch gegen eine nicht börsenterminfähige Person ist anzuerkennen, wenn diese konkret nicht aufklärungsbedürftig war.383 Ein Schiedsspruch, der zur Zahlung einer nach Insolvenzrecht anfechtbaren Forderung verurteilt, verstößt nicht gegen den ordre public,384 wohl aber ein (inländischer) Schiedsspruch, 374 So in USA: Brandeis Intsel v Calabrian Chemicals, 656 F.Supp. 160 (SDNY 1987); Note, Manifest disregard of the law in international commercial arbitration, Col.J.Transn.L. 28 (1990), 449. 375 Cour d’appel de Paris, Rev.arb. 1994, 359. 376 Gaillard, Droit International 11, Juris Classeur Fasc. 586–10, Nr 88. 377 Vgl K. Stein EuZW 1994, 18; K. Beucher/J. Sandage, US Punitive Damages Award in German Courts, Vanderbilt JTransn.L. 1991, 967. 378 Kühn, FS Glossner, 1994, S 193. 379 Österr. OGH RIW 1999, 789 (mit Anm Seidl-Hohenveldern); krit. Gamauf ZfRV 2000, 41, 45. 380 EuGHE 1999, I-3055 (Eco Swiss China Time v Benetton International) = EuZW 1999, 565 (mit Anm Spiegel) = NJW 1999, 3549; vgl Eilmansberger SchiedsVZ 2006, 5; K. Hilbig, Das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot im internationalen Handelsschiedsverfahren, 2007; A. Komninos, in Basedow/Franq/Idot, International Antitrust Litigation, 2012, S 213ff. 381 Schroeder/Oppermann ZVglRWiss 99 (2000), 410, 434f. 382 EuGHE 2006, I-10421 (Claro v Centro Móvil Milenium) = IPRax 2008, 515 (dazu Schlosser, S 497); EuGHE 2009, I-9579 (Asturcom Telecommunicaciones) = SchiedsVZ 2010, 110; dazu Hilbig SchiedsVZ 2010, 74. 383 BGH WM 1998, 1176, 1177; aA wohl Schütze, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl 2007, § 24 VIII Rz 105. 384 BayObLG SchiedsVZ 2004, 319.
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der eine Insolvenzforderung feststellt, die nicht zuvor zur Tabelle angemeldet worden war.385 An verfahrensrechtlichen Verstößen fallen hierunter nach der deutschen Rspr. 220 Fälle des Fehlens eines wirksamen Schiedsvertrags, die Wahl einer ungehörigen Rechtsordnung, Verletzungen des rechtlichen Gehörs, Fälle der Abhängigkeit des Schiedsrichters386 und der Erlass eines Schiedsspruchs ohne Begründung, sofern dies nicht nach dem vereinbarten Verfahrensrecht zulässig ist. Die Mitwirkung eines Beraters bei der Beratung und Abfassung des Schiedsspruchs hindert danach nicht dessen Anerkennung und Vollstreckung.387 Ein Verstoß kann sich aber aus Verstößen gegen Grundanforderungen an ein 221 rechtsstaatliches Verfahren ergeben, zB aus Verstößen gegen die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts, die Wirksamkeit des Rechtsschutzes, das Gebot rechtlichen Gehörs, die Gleichheit der Parteien oder sonstige Anforderungen an ein faires Verfahren.388 Kein Verstoß gegen Nr 2 liegt vor, wenn es sich um einen Schiedsspruch der Handelskammer eines osteuropäischen Staats handelt.389 Ebenso ist es, wenn die deutsche Partei keinen Deutschen als Schiedsrichter bestellen konnte.390 Kleinere Mängel reichen nicht aus. Das folgt bereits aus dem Wort „offensichtlich“. Bei einem innerdeutschen Fall wurde es als ordre public-Verstoß gewertet, dass ein Schiedsspruch eine Insolvenzforderung feststellt, die nicht zuvor in gleicher Weise nach Grund und Höhe zur Insolvenztabelle angemeldet wurde.391 Verfahrensmängel werden aber nur dann als ordre public-Verstoß gewertet, 222 wenn die betroffene Partei den Mangel weder im schiedsgerichtlichen Verfahren noch durch Rechtsbehelf an das staatliche Gericht des Erststaats in zumutbarer Weise rügen konnte. Ein ordre public-Verstoß liegt also nur vor, wenn Abhilfe nach Sachlage nicht möglich war oder ohne Erfolg versucht worden ist.392 Ebenso wie bei inländischen Schiedssprüchen (s o Rz 181) kann die Vollstreck- 223 barerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs durch Berufung auf nachträglich entstandene materielle Einwendungen nicht abgewehrt werden.393 Insoweit ist Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zu erheben. Ob eine Ein-
385 BGHZ 179, 304 = NJW 2009, 1747 = ZZP 123 (2010), 85 (Leipold). 386 Vgl BGH IPRax 2001, 580 (dazu Sandrock, S 550). 387 BGHZ 110, 104 = RIW 1990, 493 = IPRax 1991, 245 (dazu Schlosser, S 218); BGHZ 98, 70, 73 = NJW 1986, 3027. 388 Baur, FS Guldener 1973, S 1; Marx, Der verfahrensrechtliche ordre public, S 84ff; Wunderer, Der deutsche „ordre public d’arbitrage international“, 1993, S 68ff, 167ff, 259ff. 389 BGHZ 52, 184 = RIW/AWD 1969, 328 = WM 1969, 945. 390 BGHZ 55, 162 = RIW/AWD 1971, 235 (Pfaff) = WM 1971, 387; OLG Hamm RIW 1994, 1052/53. 391 BGH ZZP 123 (2010), 85 (Leipold). 392 BGH RIW 2001, 458 = IPRax 2001, 580 (dazu Sandrock, S 550) = EWiR Art 5 UNÜ 1/01 (Kröll). 393 AA Zöller/Geimer, § 1060 ZPO Rz 9f.
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wendung zulässig oder präkludiert ist, ist anhand der lex fori (in Deutschland nach § 767 II ZPO) zu entscheiden.394 224 Umgekehrt kann der Grundsatz von Treu und Glauben dazu führen, dass Einwendungen gegen die Vollstreckbarerklärung unbeachtlich sind, wenn ihnen der Gegeneinwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht.395
8. Ausländische Schiedsvergleiche 225 Ausländische Schiedsvergleiche können grds nicht (mehr) für vollstreckbar erklärt werden. Das deutsche Recht sieht den Schiedsvergleich nicht mehr als Titel vor, sondern ist zum Schiedsspruch mit vereinbartem Inhalt in § 1053 ZPO übergegangen.396 Ein Verfahren für die Vollstreckbarerklärung von Schiedsvergleichen ist nicht mehr vorgesehen. Grds kann daher ein ausländischer Schiedsvergleich nicht für vollstreckbar erklärt werden; die begünstigte Partei kann nur im Inland auf Leistung aus dem Vergleich klagen.397 226 Eine Ausnahme gilt nur insoweit, als bilaterale Verträge Schiedsvergleiche Schiedssprüchen gleichstellen. In diesem Fall sind sie in Deutschland wie Schiedssprüche zu vollstrecken. Diese Gleichstellung findet sich in Art 9 III deutsch-schweizerisches Abkommen, Art 8 III deutsch-italienisches Abkommen, Art 13 II deutsch-belgisches Abkommen, Art 12 deutsch-österreichischer Vertrag, Art 14 deutsch-griechischer Vertrag und Art 52 II deutsch-tunesischer Vertrag. Folgeänderungen der deutschen Ausführungsgesetze zu diesen Verträgen ändern sämtlich nichts an der Möglichkeit der Vollstreckbarerklärung der Schiedsvergleiche.
9. Doppelexequatur des Schiedsspruch-Exequatururteils 227 Der BGH hat 1984 entschieden, dass ein ausländisches Exequatururteil, das einen Schiedsspruch bestätigt, im Inland für vollstreckbar erklärt werden kann.398 Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, der ausländische Schiedsspruch sei einem Urteil nicht voll gleichzustellen und gehe zudem nach USamerikanischer merger-Doktrin in dem Exequatururteil voll auf.399 Gleichzeitig hat er freilich entschieden, dass diese (angebliche) merger-Wirkung die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs selbst nicht ausschließe.400 Beides passt nicht recht zusammen. Zudem besteht auch keine Notwendigkeit, dem
394 MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art V UNÜ Rz 14. 395 BGH RIW 2008, 474 = SchiedsVZ 2008, 196 = IPRax 2009, 167. 396 Vgl Gottwald, Symposium für Schlosser, 2001, S 31; Mankowski ZZP 114 (2001), 37. 397 Schwab/Walter, 7. Aufl 2005, Kap 30 Rz 41. 398 BGH NJW 1984, 2765 = IPRax 1985, 157 (dazu Schlosser, S 151) = RIW 1984, 557 (m Anm Schütze S 734). 399 Ablehn Dolinar, FS Schütze, S 187. 400 BGH NJW 1984, 2763 = IPRax 1985, 158 (dazu Schlosser, S 151) = RIW 1984, 644 (Mezger).
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Gläubiger auf diese Weise zwei Titel zur Verfügung zu stellen.401 Diese Rechtsprechung hat der BGH inzwischen zu Recht aufgegeben.402 Auch international ist es hM, dass nur ein Schiedsspruch, nicht aber eine Entscheidung über einen Schiedsspruch anerkannt werden kann, und zwar unabhägig davon, ob es sich um eine bloße Exequaturentscheidung handelt oder eine Entscheidung, die den Schiedsspruch nach der lex fori in sich aufgenommen hat.403
VIII. Anerkennung und Vollstreckung nach Vertragsrecht 1. New Yorker UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen Schrifttum: J. Adolphsen, in Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 3, Anh 1 zu § 1061 ZPO, 4. Aufl 2013, S 508; A. J. van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981; A. J. van den Berg, Consolidated Commentary New York Convention, YBCA 16 (1991), 463; A. J. van den Berg, 50 years of the New York Convention, 2009; Bredow, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Bd II, Nr 714 (Stand 1991); Haas, in: Weigand, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration (Part 3), 2. Aufl 2009; Haas, Schiedsgerichte in Erbsachen und das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, SchiedsVZ 2011. 289; Heß, Sportschiedsgerichte im Lichte der New Yorker Konvention, ZZPInt 3 (1998), 457; P. Kindler, „Cherry Picking“ and Good Faith in German arbitration Law: Two Recent Decisions on the Most-Favoured treatment Clause, FS Kaissis, 2012, S 481; H. Kronke/P. Nacimiento/D. Otto/N.Ch. Port, Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, A Global Commentary on the New York Convention, 2010; L. Mistelis/L. Shore/M. Sasson, International Arbitration Treaties, 3rd ed, 2011; D. Otto, Die Auslegung von Art IV Abs 1 des New Yorker Schiedsgerichtsübereinkommens im Lichte der Rechtsprechung des OGH, FS Simotta, 2012, S 417; R. Wolff, The New York Convention on the recognition and enforcement of foreign arbitral awards, 2013.
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Das UN-Übereinkommen (UNÜ) ist die wichtigste Regelung der internationa- 229 len Schiedsgerichtsbarkeit. Es vereinheitlicht die Regeln über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche und hat inzwischen fast weltweite Bedeutung. Es gilt im Verhältnis von Deutschland zu Ägypten, Afghanistan (seit 28.2.2005), Albanien (25.9.2001), Algerien, Antigua und Barbuda, Argentinien, Armenien (29.12.1997), Aserbaidschan (29.5.2000), Australien, Bahamas (20.3.2007), Bahrain, Bangladesch, Barbados, Belgien, Belize, Benin, Bolivien, Bosnien-Herzegowina, Botsuana, Brasilien (5.9.2002), Brunei Darussalam, Bulgarien, Burkina Faso, Chile, China (einschl Macau), Cook Islands (12.4.2009), Costa Rica, Dänemark, Dominica, der Dominikanischen Republik (10.7.2002), Dschibuti, Ecua401 Krit Schütze ZVglRWiss 104 (2005), 427, 440f. 402 BGH NJW 2009, 2826 = SchiedsVZ 2009, 285; dazu Geimer IPRax 2010, 346; Kröll SchiedsVZ 2010, 213. 403 Vgl T. Einhorn, The recognition and enforcement of foreign judgments on international commercial arbitration awards, Yearbook of Private Intern. Law 12 (2010), 43.
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dor, der Elfenbeinküste, El Salvador (26.2.1998), Estland, Fiji (26.12.2010), Finnland, Frankreich, Gabun (15.3.2007), Georgien, Ghana, Griechenland, Guatemala, Guinea, Haiti, Honduras (1.1.2001), Hongkong, Indien, Indonesien, Iran (13.1.2002), Irland, Island (24.2.2002), Israel, Italien, Jamaica (25.9.2002), Japan, Jersey (26.8.2002), Jordanien, Kambodscha, Kamerun, Kanada, Kasachstan (18.2.1996), Katar (30.3.2003), Kenia, Kirgisistan (18.3.1997), Kolumbien, Korea (Republik), Kroatien, Kuba, Kuwait, Laos (15.9.1998), Lesotho, Lettland, Libanon (9.11.1998), Liberia (15.12.2005), Liechtenstein (5.10.2011), Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malaysia, Mali, Malta (20.9.2000), Marokko, den Marshall Inseln (21.3.2007), Mauretanien (30.4.1997), Mauritius (17.9.1996), Mazedonien, Mexiko, Moldau (17.12.1998), Monaco, der Mongolei, Montenegro (3.6.2006), Mosambik (seit 9.9.1998), Nepal (4.3.1998), Neuseeland, Nicaragua (23.12.2003), den Niederlanden, Niger, Nigeria, Norwegen, Österreich, Oman (26.5.1999), Pakistan (12.10.2005), Panama, Paraguay (5.10.1997), Peru, den Philippinen, Polen, Portugal (einschl. Macau), Ruanda (29.1.2009), Rumänien, Russland, Sambia (12.6.2002), San Marino, St. Vincent und den Grenadinen (11.12.2000), Saudi Arabien, Schweden, der Schweiz, Senegal, Serbien, Simbabwe, Singapur, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Surinam, Syrien, Tansania, Thailand, Trinidad und Tobago, Tadschikistan (12.11.2012), Tschechische Republik, Türkei, Tunesien, Uganda, der Ukraine, Ungarn, Uruguay, den USA, Usbekistan, dem Vatikan, Venezuela, den Vereinigten Arabischen Emiraten (19.11.2006), dem Vereinigten Königreich, Vietnam, Weißrussland, der Zentralafrikanischen Republik und Zypern. 230 Nach Art I (1) Satz 1 ist das UN-Übereinkommen auf die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen404 anzuwenden, die in Rechtstreitigkeiten zwischen natürlichen oder juristischen Personen in dem Hoheitsgebiet eines anderen Staats als desjenigen ergangen sind, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird. Wie bei dem Genfer Abkommen wird auf das Territorium als entscheidendes Kriterium abgestellt.405 Satz 2 desselben Absatzes wendet sich an die Vertreter, die von dem ausländischen Verfahrensrecht ausgehen, um den Schiedsspruch als ausländischen zu qualifizieren. Das UN-Übereinkommen ist nämlich auch auf solche Schiedssprüche anzuwenden, die in dem Anerkennungsstaat nicht als inländische anzusehen sind. Da Deutschland inzwischen ganz zur Sitztheorie übergegangen ist, sind alle hier ergangenen Schiedssprüche unabhängig vom angewandten Verfahrensrecht als inländisch anzusehen.406 Art I (1) S 2 ist in Deutschland daher nunmehr ohne Bedeutung. 231 Zweifelhaft ist, ob es anationale Schiedssprüche (sog floating awards) gibt und ob das UNÜ auf sie anwendbar ist. Solange der Sitz des Schiedsgerichts bestimmbar ist, ist der Schiedsspruch aber der Rechtsordnung des Sitzstaats zuzuordnen, unabhängig davon, ob die Parteien sich auf diese Rechtsordnung
404 Zu den Anforderungen s Weigand/Haas Art I Rz 46ff. 405 Weigand/Haas Art I Rz 3ff; MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 1 Art I UNÜ Rz 9. 406 MüKo/Adolphsen § 1061 ZPO Anh 1 Art I UNÜ Rz 11.
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verständigt haben, und unabhängig davon, ob die Rechtsordnung des Sitzstaats eine Aufhebung „internationaler“ Schiedssprüche vorsieht.407 Nach Art I (3) UNÜ kann jeder Vertragsstaat auf der Grundlage der Gegensei- 232 tigkeit erklären, dass er das Übereinkommen nur auf solche Schiedssprüche anwenden werde, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats ergangen sind. Von dieser Möglichkeit hatte Deutschland zunächst Gebrauch gemacht, den Vorbehalt aber im Anschluss an den SchiedsVfG 1997 zurückgenommen.408 Überdies kann jeder Vertragsstaat den Vorbehalt machen, dass er nur solche 233 Schiedssprüche anerkennen werde, die auf Streitigkeiten beruhen, welche nach seinem innerstaatlichen Recht als Handelssachen angesehen werden. Art VII UNÜ sieht für das Verhältnis des UNÜ zu anderen die Anerkennung 234 und Vollstreckung von Schiedssprüchen betreffenden Verträgen das Meistbegünstigungsprinzip vor. Nach Abs 1 bleibt die Gültigkeit mehrseitiger oder zweiseitiger Verträge unberührt und wird keiner beteiligten Partei das Recht genommen, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen.409 Dabei wird ausdrücklich abgestellt auf Verträge, die die Vertragsstaaten vor dem In-Kraft-Treten des UN-Übereinkommens geschlossen haben. Dieser Meistbegünstigungsgrundsatz wirkt sich im Anwendungsbereich von Art II UNÜ,410 aber auch von Art IX EuÜ aus (s u Rz 250f). Ein ausländischer Schiedsspruch kann daher auch dann für vollstreckbar erklärt werden, wenn die Schiedsvereinbarung zwar nicht Art II UNÜ, wohl aber § 1031 ZPO genügt.411 In Frankreich ist die Aufhebung eines ausländischen oder internationalen Schiedsspruchs nach Art 1502 CPC grds irrelevant.412 Die Anerkennung eines aufgehobenen Schiedsspruchs verstößt nicht gegen den ordre public.413 Auch in den USA kann ein im Heimatstaat aufgehobener Schiedsspruch weiterhin vollstreckt werden.414 In Deutschland sind die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung günstiger. Deshalb bedarf es hier keiner Vorlage der Schiedsvereinbarung und keiner Übersetzung des Schiedsspruchs.415
407 Vgl Weigand/Haas Art I UNÜ Rz 26ff. 408 BGBl 1999 II, 7. 409 BGH IPRax 2006, 266 (dazu Geimer, S 233); OLG Hamm RIW 1994, 1052/53; Reithmann/Martiny/Hausmann, Intern. Vertragsrecht, 7. Aufl, 2010, No 6591. 410 BGH IPRax 2006, 266 (dazu Geimer, S 233). 411 BGHZ 187, 126 = SchiedsVZ 2010, 332; Kindler, FS Kaissis, 2012, S 481, 482ff. 412 Cour de Cass., Rev.arb. 1994, 327 (Hilmarton) (dazu Besson/Pittet Bull ASA 1998, 498); Cour de Cass., Rev.arb. 1997, 395 (Chromalloy); Bajons Croat.Arb.Yearb. 7 (2000), 55; krit. Sandrock, FS H. Stoll, 2001, S 661, 684ff. 413 Cour de Cass., Rev.arb. 1994, 327; vgl Gaillard JDI 125 (1998), 645. 414 Weinacht ZVglRWiss 98 (1999), 139, 151ff; vgl Giardina, Liber amicorum Böckstiegel, S 205; R. Mosk/R. Nelson JIntArb 18 (4) (2001), 463; D. Freyer JIntArb 17 (2) (1999), 2; Erecinski JPS 3 (1989), 14. 415 BGH SchiedsVZ 2003, 281 (Kröll); dazu auch Heidkamp IHR 2004, 17.
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2. Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 235 Schrifttum: Glossner, 40 Jahre Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, RIW 2001, Heft 5 (Die erste Seite); D. Hascher, European Convention on International Commercial Arbitration of 1961, YCA 36 (2011), 504; Klein, Das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, ZZP 76 (1963), 342; Mezger, Das Europäische Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit, RabelsZ 1965, 231ff; H. Moller, Der Vorrang des Übereinkommens über Schiedsgerichtsbarkeit vor dem Europäischen Übereinkommen über Handelsschiedsgerichtsbarkeit, EWS 1996, 297; MüKo/Adolphsen, ZPO, Bd 3, 4. Aufl 2012, § 1061 Anh 2, S 560.
236 Das Europäische Übereinkommen (EuÜ) gilt im Verhältnis von Deutschland zu folgenden Staaten: Albanien (seit 25.9.2001), Aserbaidschan (17.4.2005), Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Burkina Faso, Dänemark, Frankreich, Italien, (ehem) Jugoslawien, Kasachstan (18.2.1996), Kroatien, Kuba, Lettland (18.6.2003), Luxemburg, Mazedonien, Moldau (3.6.1998), Montenegro, Österreich, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, der Slowakei, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik, der Türkei, der Ukraine, Ungarn und Weißrussland. 237 Im Gegensatz zu dem Genfer Abkommen und dem UN-Übereinkommen geht das EuÜ von dem Schiedsvertrag aus. Damit soll die Anerkennung und Vollstreckung aller Schiedssprüche, die auf einem solchen Schiedsvertrag beruhen, innerhalb der Vertragsstaaten gewährleistet werden.416 Trotz seiner Bezeichnung ist das Übereinkommen nicht auf die europäischen Staaten begrenzt, sondern für alle Staaten offen.417 Sein Hauptanliegen geht dahin, die Mitwirkung staatlicher Gerichte oder Behörden zu beschränken. Damit sollte es vornehmlich auf die Bedürfnisse des Ost-West-Handels zugeschnitten werden.418 Art II EuÜ betont deswegen, dass juristische Personen, die nach dem für sie maßgebenden Recht juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, Schiedsvereinbarungen schließen können. 238 Schiedsvereinbarungen, auf die das EuÜ anzuwenden ist, setzen zweierlei voraus: Sie müssen von natürlichen oder juristischen Personen geschlossen werden, die bei Abschluss der Vereinbarung ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz in verschiedenen Vertragsstaaten haben. Die Schiedsvereinbarung muss sich auf die Regelung von bereits entstandenen oder künftig entstehenden Streitigkeiten aus internationalen Handelsgeschäften beziehen. Der Begriff ist nicht festgelegt worden. Ein internationales Handelsgeschäft liegt grds vor, wenn Leistungen über Staatsgrenzen hinweg erbracht werden sollen. Das EuÜ findet aber auch Anwendung, wenn zwischen Parteien verschiedener Vertragsstaaten ein Handelsgeschäft über eine in einem Drittland zu erbringende Leistung abgeschlossen wird. 416 Schlosser Rz 76. 417 Mezger RabelsZ 1965, 289. 418 Mezger RabelsZ 1965, 234; Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 163ff.
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Bei dem internationalen Handelsgeschäft wird nicht auf die Kaufmannseigen- 239 schaft der handelnden Personen abgestellt, denn an die Personen werden keine anderen Voraussetzungen geknüpft, als dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in verschiedenen Vertragsstaaten haben müssen. Ein internationales Handelsgeschäft kann vorliegen, wenn die Ware die Staatsgrenze überschreitet, wenn der Verkäufer an einem Ort im Ausland erfüllen muss, wenn der Käufer in fremder Währung zahlen muss, wenn die Parteien sich einem ausländischen materiellen Recht unterwerfen.419 Der Begriff des „internationalen Handelsgeschäfts“ ist weit auszulegen, sofern die vertragsschließenden Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in verschiedenen Vertragsstaaten haben. Es versteht sich von selbst, dass dieser Begriff nicht iS einer nationalen Gesetzgebung zu verstehen ist.420 Hinsichtlich der Form der Schiedsvereinbarung überschreitet Art I (2) (a) EuÜ 240 die Grenzen des UNÜ ganz erheblich. Die Schiedsabrede oder Klausel kann von den Parteien unterzeichnet sein. Es genügt, wenn sie in Briefen, Telegrammen oder Fernschreiben, die gewechselt worden sind, enthalten ist. Hierbei handelt es sich um ein Problem des Beweisrechts. Im Verhältnis zu den Staaten, die in ihrem Recht für Schiedsvereinbarungen nicht die Schriftform fordern, genügt jede Vereinbarung, die in den nach diesen Rechtsordnungen zulässigen Formen geschlossen ist. Im Gegensatz zum UNÜ lässt also das EuÜ mündlich nach § 1027 II ZPO geschlossene Schiedsvereinbarungen zu. Es ist zweifelhaft, ob dies ein echter Fortschritt ist, denn eine mündliche Schiedsvereinbarung bringt ein erhebliches Beweisrisiko mit sich. Nach Art III EuÜ können auch Ausländer zu Schiedsrichtern bestellt werden. 241 Die Regelung ist heute praktisch ohne Bedeutung, da entgegenstehendes einzelstaatliches Recht nicht mehr besteht. Art III EuÜ hindert aber nicht, dass die Verfahrensordnungen institutioneller Schiedsgerichte abweichende Regelungen enthalten.421 Nach Art IV EuÜ haben die Parteien die Wahl zwischen einem ständigen und 242 einem ad-hoc Schiedsgericht. Im ersten Fall wird das Verfahren nach der Schiedsgerichtsordnung des ständigen Schiedsgerichts bestimmt. Für den zweiten Fall sieht Art IV ein umständliches Verfahren vor, bei dem die Mitwirkung der staatlichen Gerichte bei der Bildung des Schiedsgerichts, der Festlegung des Ortes, an dem das Schiedsgericht tagen soll, und bei der Bestimmung der Verfahrensregeln ausgeschaltet und den Präsidenten der Handels419 Mezger RabelsZ 1965, 240, spricht von einem Rechtsverhältnis, das mit verschiedenen Ländern verknüpft ist, und erwähnt dabei die Verbringung von Waren, Anlagemitteln, Kapitalgütern oder Dienstleistungen von einem Land in das andere; Schlosser Rz 78, erwähnt darüber hinaus ua Lizenzverträge, gemeinsame wissenschaftliche oder technologische Forschungs- und Entwicklungsverträge, Verlagsverträge, Verträge über künstlerische Leistungen – wie internationale Tourneen, Rundfunk- und Fernsehübertragungen, Verträge über Film- und Schallplattenproduktion, Handelsvertreter- und Kommissionsverträge. 420 So zu Recht Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 167; v Hoffmann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1970, 49. 421 Stein/Jonas/Schlosser, Anh § 1061 ZPO Rz 177.
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kammern bzw einem besonderen Komitee übertragen werden. Immerhin ist beachtenswert, dass den Präsidenten der Handelskammern der Vertragsstaaten ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wird. Es kann aber bezweifelt werden, ob damit der nationalstaatliche Einfluss ausgeräumt worden ist. 243 Die Zusammensetzung der Komitees und das Verfahren zu deren Bildung ergibt sich aus der Anlage zu dem EuÜ. Selbstverständlich bleibt es den Parteien überlassen, alle Fragen hinsichtlich der Bildung des Schiedsgerichts, des Tagungsortes, des anzuwendenden Verfahrensrechts selbst zu regeln. Die Lösung des EuÜ für ad hoc-Schiedsgerichte ist harter Kritik ausgesetzt.422 244 Nach Art V EuÜ müssen Einreden gegen die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts grds bereits mit der Einlassung zur Hauptsache vorgebracht werden. Im späteren Verfahren vor dem Schiedsgericht kann die Unzuständigkeit grds nicht mehr gerügt werden. Auch in einem späteren Verfahren vor dem staatlichen Gericht kann die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nicht mehr erhoben werden. Das staatliche Gericht kann jedoch die Entscheidung des Schiedsgerichts, in der die Einrede der Verspätung verworfen worden ist, überprüfen. 245 Art V (3) EuÜ gibt dem Schiedsgericht die Kompetenz-Kompetenz, dh über das Bestehen oder die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Diese ist dem Schiedsgericht jedoch – wie im deutschen Recht – nur vorbehaltlich einer Überprüfung durch das staatliche Gericht erteilt. Insoweit handelt es sich nicht um eine echte Kompetenz-Kompetenz.423 246 Art VI EuÜ regelt die Fälle, in denen vor einem staatlichen Gericht die Einrede der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts erhoben wird, und in denen das Gericht eines Vertragsstaats über das Bestehen oder die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung zu entscheiden hat. Die Schiedsfähigkeit der Parteien hat es nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, zu beurteilen. Sonstige Fragen werden beurteilt: a) nach dem Recht, dem die Parteien die Schiedsvereinbarung unterstellt haben; b) falls die Parteien darüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Staats, in dem der Schiedsspruch ergehen soll; c) falls die Parteien darüber nichts bestimmt haben, welchem Recht die Schiedsvereinbarung unterstellt wird, und falls im Zeitpunkt, in dem das staatliche Gericht mit der Frage befasst wird, nicht vorausgesehen werden kann, in welchem Staat der Schiedsspruch ergehen wird, nach dem Recht, welches das angerufene Gericht nach seinen Kollisionsnormen anzuwenden hat. Das angerufene Gericht kann einer Schiedsvereinbarung die Anerkennung versagen, wenn die Streitigkeit nach seinem Recht nicht schiedsfähig ist. 422 Mezger RabelsZ 1965, 254, klagt über den viel zu langen Art IV; Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 178, hält das System der Hilfestellungen für sehr kompliziert. 423 Vgl BGH NJW-RR 1988, 1526 = JZ 1989, 201 Anm W. Bosch.
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Nach Art VII EuÜ steht es den Parteien frei, das materielle Recht zu bestim- 247 men, welches das Schiedsgericht anwenden soll. Haben die Parteien nichts vereinbart, so hat das Schiedsgericht das Recht anzuwenden, auf das die Kollisionsnormen hinweisen, von denen auszugehen das Schiedsgericht jeweils für richtig erachtet. Die Bestimmungen des Vertrags und die Handelsbräuche müssen dabei berücksichtigt werden. Das Schiedsgericht kann nach Billigkeit entscheiden, wenn dies dem Willen 248 der Parteien entspricht und wenn das für das schiedsrichterliche Verfahren maßgebende Recht es gestattet (Art VII [2]). International ist streitig, ob ein Schiedsspruch ohne besondere Ermächtigung primär unter Berufung auf internationale Handelsbräuche gefällt werden kann. In Frankreich und England wird eine solche Anwendung der „lex mercatoria“ losgelöst von jeder sonstigen nationalen Rechtsordnung akzeptiert.424 In Deutschland ist man dagegen überwiegend der Ansicht, dass die lex mercatoria keine eigenständige Rechtsquelle bildet und ein Schiedsspruch, der Handelsbräuche nicht nur „berücksichtigt“, sondern isoliert auf sie abstellt, auf einem Verfahrensfehler beruht, wenn die Parteien das Schiedsgericht dazu nicht besonders ermächtigt haben.425 Art VII EuÜ stellt eine Vermutung dafür auf, dass die Parteien die Begründung 249 des Schiedsspruchs verlangen, es sei denn, sie verzichten ausdrücklich auf eine Begründung oder sie haben sich einem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen, wonach es nicht üblich ist, Schiedssprüche zu begründen.426 Hierdurch soll offenbar auf die englische Übung Rücksicht genommen werden. Wenn danach Schiedssprüche nicht begründet werden, so mag dies ua darauf beruhen, dass die Schiedsrichter nach englischem Recht in besonderem Maße durch die staatlichen Gerichte überwacht werden.427 Insb können die Schiedsrichter über Rechtsfragen, auch über die der Zuständigkeit des Schiedsgerichts, die Entscheidung des staatlichen Gerichts einholen. Da nach der Grundkonzeption des EuÜ alle Schiedssprüche unter den Ver- 250 tragsstaaten anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden sollen, ist die Anerkennung und Vollstreckung indirekt geregelt. Sie ergibt sich unter Berücksichtigung der vorstehend erörterten Artikel, insb aus Art IX. Wird ein unter dieses Übereinkommen fallender Schiedsspruch im Ursprungsland aufgehoben, so bildet dies in einem anderen Vertragsstaat nur dann einen Grund, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, wenn die Aufhebung in dem Staat, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, ausgesprochen worden ist, und wenn sie auf einem von im Einzelnen aufgeführten Gründe beruht: dabei werden unter a) bis d) dieselben Gründe aufgeführt, die in Art V (1) UNÜ unter a) bis d) genannt sind (s o Rz 200ff). Dabei hat lediglich 424 Vgl Deutsche Schachtbau v Rakoil [1987] 2 AllER 760 (H.L.); Kappus IPRax 1990, 133. 425 Lorenz, FS Neumayer, 1985, S 407, 428; vgl MüKo/Adolphsen § 1061 ZPO Anh 2 Art VII EuÜ Rz 13f; s o Rz 192f. 426 Mezger RabelsZ 1965, 282, hat diese Bestimmung scharf kritisiert. 427 Klein, Considérations, 134.
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unter d) auf die Ausschaltung der nationalen Gesetzgebung Rücksicht genommen werden müssen. Eine Aufhebung aus Gründen des nationalen ordre public des Ursprungslandes ist danach irrelevant.428 251 In Art IX (2) EuÜ wird auf das UNÜ Bezug genommen. Für Staaten, die sowohl Vertragsstaaten des UNÜ als auch des EuÜ sind, hat Art IX (1) EuÜ die Wirkung, die Anwendung des Art V (1) (e) UNÜ auf die Aufhebungsgründe zu beschränken, die in Abs 1 dieses Artikels aufgezählt sind. Es ist danach möglich, dass Schiedssprüche, die in ihrem Ursprungsland aus anderen als in Art IX (1) (a) bis (d) EuÜ aufgeführten Gründen aufgehoben worden sind, in einem anderen Vertragsstaat anerkannt und vollstreckt werden können.429 252 Haben sowohl der Ursprungsstaat als auch der Anerkennungsstaat das UNÜ und das EuÜ ratifiziert, so kann wegen der Versagungsgründe für die Anerkennung auf Art V UNÜ zurückgegriffen werden. Ein solcher Rückgriff ist nicht möglich, wenn beide Staaten lediglich Vertragsstaaten des EuÜ sind, denn dann müsste der Schiedsspruch in seinem Ursprungsland zunächst aufgehoben sein. Ist dies nicht der Fall, so ist zu prüfen, ob aus den übrigen Artikeln des EuÜ ein Versagungsgrund hergeleitet werden kann. Ist das auch nicht der Fall, so könnte die Anerkennung und Vollstreckung aus dem Schiedsspruch dennoch versagt werden, wenn dieser gegen die öffentliche Ordnung des Anerkennungsstaats verstieße.430 253 Das Verhältnis des EuÜ zu anderen mehr- oder zweiseitigen Verträgen regelt Art X (7) EuÜ. Danach lassen die Bestimmungen dieses Übereinkommens die Gültigkeit mehrseitiger oder zweiseitiger Verträge, welche die Vertragsstaaten auf dem Gebiete der Schiedsgerichtsbarkeit geschlossen haben oder noch schließen werden, unberührt.431 Im Gegensatz zum UNÜ erfasst das EuÜ auch zukünftige Verträge. Schlosser432 erklärt diese Ausnahme damit, dass dieses Übereinkommen nur einen ganz beschränkten Teilausschnitt aus dem Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit regelt. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, denn das EuÜ hat eine möglichst weite Basis für die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen unter den Vertragsstaaten schaffen wollen. Es ist Schlosser aber darin zuzustimmen, dass das EuÜ die Vertragsstaaten nicht daran hindern will, mit dritten Staaten oder in anderen multinationalen Vereinbarungen eine umfassendere Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu schaffen. 254 Das Pariser Zusatzabkommen zu dem EuÜ v 17.12.1962433 wurde abgeschlossen, weil sich das EuÜ in mancher Hinsicht als zu schwerfällig für westlich
428 Vgl OGH IPRax 2000, 314 (dazu Reiner, S 323). 429 Mezger RabelsZ 1965, 296; Schlosser Rz 665 spricht insoweit von hinkenden Schiedssprüchen. 430 So zu Recht Klein ZZP 76 (1963), 342; über das Zusammenwirken des UNÜ und des EuÜ im Einzelnen vgl Schlosser Rz 97. 431 Vgl H. Moller EWS 1996, 297. 432 Recht der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rz 97. 433 BGBl 1964 II, 449.
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orientierte Staaten erwies.434 Danach sind die Abs 2 bis 7 des Art IV des EuÜ durch folgende Vorschrift ersetzt worden: „Enthält die Schiedsvereinbarung keine Angaben über die Gesamtheit oder einen Teil der in Art IV (1) bezeichneten Maßnahmen, so werden die bei der Bildung oder der Tätigkeit des Schiedsgerichts etwa entstehenden Schwierigkeiten auf Antrag einer Partei durch das zuständige staatliche Gericht behoben.“
Dieses Abkommen gilt für Deutschland im Verhältnis zu Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg und Österreich.
3. Genfer Protokoll und Genfer Abkommen Nach Art VII (2) UNÜ treten das Genfer Protokoll und das Genfer Abkommen 255 zwischen den Vertragsstaaten des UNÜ außer Kraft. Beide Abkommen haben nur noch einen marginalen Anwendungsbereich. Das Genfer Protokoll v 24.9.1923 gilt noch im Verhältnis zu Irak, Mauritius und Myanmar (Birma). Das Genfer Abkommen v 26.9.1927 gilt noch im Verhältnis zu Anguilla und Myanmar (Birma). Da Deutschland den Gegenseitigkeitsvorbehalt für das UNÜ aufgegeben hat (§ 1061 I ZPO), ist das UNÜ auch gegenüber Schiedssprüchen aus den angegebenen Staaten anzuwenden, sofern GP oder GA nicht im Einzelfall anerkennungsfreundlicher sind.435 Zu Einzelheiten s 6. Aufl, § 16 Rz 176 ff.
4. Investitionsstreitigkeiten a) Weltbank-Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.3.1965 Schrifttum: E. Baldwin/M. Kantor/M. Nolan, Limits to enforcement of ICSID awards, JIntArb 23 (2006) (1), 1; K.-H. Böckstiegel, Aktuelle Probleme der Investitions-Schiedsgerichtsbarkeit aus der Sicht eines Schiedsrichters, SchiedsVZ 2012, 113; A. Broches, Selected Essays. World Bank, ICSID, and other subjects, 1995, S 161ff; H. Bubrowski, Das Verhältnis zwischen internationalen Investitionsschiedsverfahren und nationalen Gerichtsverfahren, 2013; Buß, Zwischen Immunität und Rechtsschutz. Das Inspection Panel innerhalb der Weltbankgruppe, RIW 1998, 352; K. Diel, Interessengerechter – Effizienter – Verlässlicher: Konkurrierende Formen der Internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, DAJV – Newsletter 2011, 20; A. Dimolitsa, The intervention of amici curiae in investor-state arbitration, FS Kerameus, 2009, S 277; A. Escher, WeltbankSchiedszentrum: Zuständigkeit für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, RIW 2001, 20; A. Escher/P. Nacimiento/Ch. Weissenborn, Investment Arbitration and the Participation of State Parties in Germany, in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2007, Part IV, S 1013; M. Füracker, Relevance and Structure of Bilateral Investment Treaties, SchiedsVZ 2006, 236; E. Gaillard/Y. Banifatemi, Annulment of ICSID Awards, 2004; E. Gaillard/Y. Banifatemi, Jurisdiction in Investment Treaty Arbitration, 434 Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 206. 435 Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 229.
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
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257 Das Washingtoner Übereinkommen von 1965436 (ICSID-Ü) hat eine sichere (völkerrechtliche) Grundlage dafür geschaffen, dass Streitigkeiten zwischen einem Staat und einem privaten Investor durch private Schiedsgerichte gelöst werden können. Der Investor ist nicht mehr auf den diplomatischen Schutz seines eigenen Staats angewiesen, sondern kann gegen den ausländischen Staat direkt ein privates Schiedsverfahren einleiten.437 Das Übereinkommen ist inzwischen von 158 Staaten gezeichnet und davon von 147 Staaten ratifiziert worden. Vertragsstaaten sind derzeit (Ende 2012) Ägypthen, Afganistan, Albanien, Algerien, Argentinien, Armenien, Asebaidschan, die Bahamas, Bahrain, Bangladesh, Barbados, Belgien, Benin, Bosnien und Herzegowina, Botsuana, Brunei Darussalam, Bulgarien, Burkinan Faso, Burundi, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Elfenbeinküste, El Salvador, Estland, Fiji, Finnland, Frankreich, Gabun, Gambia, Georgien, Ghana, Grenada, Griechenland, Guatemala, Guinea, Guyana, Haiti, Honduras, Irland, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Jemen, Jordanien, Kambodia, Kamerun, Kap Verde, Kasachstan, Katar, Kenia, 436 BGBl 1969 II, 369; 4 I.L.M. 532 (1965). 437 Redfern/Hunter Rz 8.09; vgl OLG Frankfurt IPRax 2013, 83.
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Anerkennung und Vollstreckung nach Vertragsrecht
§ 18
Kolumbien, Komoren, Kongo (Demokr. Rep.), Kongo (Rep.), Korea, Kosovo, Kroatien, Kuwait, Lesotho, Lettland, Libanon, Liberia, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mazedonien, Mikronesien, Moldau, Mongolei, Mozambique, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Österreich, Oman, Pakistan, Panama, Papua Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Sambia, Samoa, Saudi Arabien, Schweden, Schweiz, Sengal, Serbien, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Slowenien, Solomonen, Somalia, Spanien, Sri Lanka, St. Kitts & Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Südsudan, Sudan, Swasiland, Syrien, Tansania, TimorLeste, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschad, Tschechische Republik, Türkei, Tunesien, Turkmenistan, Uganda, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Weißrussland, Zentralafrikanische Republik und Zypern. (Venezuela war von 1993 bis 2012 Vertragsstaat). Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Schiedsgerichts nach dem ICSID-Übereinkommen ist, dass zwischen dem investierenden und dem Heimatstaat des Investors ein bilateraler Investitionsschutzvertrag (BIT) geschlossen wurde.438 Der Investor muss zu den nach diesem Vertrag geschützten Investoren gehören439 und die Investition muss nach dem Vertrag geschützt sein.440 Aus dem BIT erwirbt der Investor das Recht, gegen den investierenden Staat ein Schiedsverfahren einzuleiten, ohne dass sein eigener Vertrag mit dem Staat oder seiner Untereinheit eine Schiedsklausel enthalten müsste.441 Um ein Schiedsverfahren einzuleiten, muss der Investor nach Art 25 ICSID-Ü zwar darlegen, dass sich der Rechtsstreit direkt aus der Investition ergibt und eine schriftliche Schiedsvereinbarung mit dem Vertragsstaat oder einer seiner Untergliederungen oder Organe besteht (Art 25 I ICSID-Ü). Aus dem BIT ergibt sich aber vielfach, dass das Schiedsangebot in dem BIT zusammen mit seiner schriftlichen Inanspruchnahme durch den Investor zum Abschluss einer schriftlichen Schiedsvereinbarung iSv Art II UNÜ führt.442 Art 344 AEUV steht innerhalb der EU der Zulässigkeit eines solchen Schiedsverfahrens nicht entgegen.443 Da die Kompetenz zum Abschluss von BIT in der EU nun bei der Union und nicht mehr bei den einzelnen Mitgliedstaaten liegt, soll durch VO festgelegt
438 Redfern/Hunter Rz 8.13f. 439 Redfern/Hunter Rz 8.16ff; M. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 9. Aufl 2011, § 23 Rz 10. 440 Redfern/Hunter Rz 8.23ff; M. Herdegen (Fn 435) § 23 Rz 11ff. 441 Vgl Art 10 des Deutschen Mustervertrags über die Förderung … von Kapitalanlagen 2009, IPRax 2011, 206, 211. 442 Ecuador v Chevron, US Court of Appeals, 2d Cir. (17.3.2011), p 13; vgl OLG Frankfurt IPRax 2013, 83, 87 (Tz 74). 443 OLG Frankfurt IPRax 2013, 83, 87 (Tz 76ff) (dazu Tietje, S 64).
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werden, unter welchen Voraussetzungen die EU oder ein einzelner Mitgliedstaat bei einer Investor – Staat – Streitigkeit in Anspruch genommen werden kann.444 Das Schiedsgericht soll den Streit nach dem vereinbarten Recht entscheiden. Fehlt eine solche Vereinbarung, hat es das Recht des Vertragsstaats (einschließlich dessen IPR) sowie die einschlägigen Regeln des Völkerrechts anzuwenden (Art 41 ICSID-Ü).445 Die BIT regeln weitere Einzelheiten. Regelmäßig ist vorgesehen, dass eine Enteignung nur gegen schnelle, angemessene und effektive Entschädigung zulässig ist.446 Kapitel IV ICSID-Ü regelt in den Artikeln 36 bis 55 das Schiedsverfahren im Einzelnen.447 Nach Art 44 ICSID-Ü ist das Schiedsverfahren grds nach den ICSID Arbitration Rules (idF v 10.4.2006) durchzuführen. Nach Art 53 ICSID-Ü ist der Schiedsspruch für die Partei bindend und unterliegt keiner Berufung und auch keinem anderen Rechtsmittel als denen, die in dem Übereinkommen vorgesehen sind. Nach Art 54 ICSID-Ü erkennt jeder Vertragsstaat jeden im Rahmen dieses Übereinkommens erlassenen Schiedsspruch als bindend an und sorgt für die Vollstreckung der darin auferlegten finanziellen Verpflichtungen in seinem Hoheitsgebiet, als handele es sich um ein rechtskräftiges Urteil eines seiner innerstaatlichen Gerichte. Auf die Vollstreckung des Schiedsspruchs sind die Rechtsvorschriften für die Vollstreckung von Schiedssprüchen anzuwenden, die in dem Staat gelten, in dessen Hoheitsgebiet die Vollstreckung begehrt wird (für Deutschland s Art 2 Zustimmungsgesetz v 25.2.1969, BGBl II S 369; s o Rz 183ff).
b) Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen InvestitionsGarantie-Agentur (MIGA) vom 11.10.1985 258 Zweck der MIGA ist es, Garantien gegen nichtkommerzielle Risiken von Direktinvestitionen in Entwicklungsländern anzubieten. Der Versicherungsschutz der MIGA eröffnet im Streitfall automatisch die internationale Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Investor und Gastland (Art 57 MIGA-Ü mit Annex II).448 Auch für Garantie- bzw Rückversicherungsverträge wird ein Schiedsgericht vereinbart (Art 58 MIGA-Ü).449 Hierfür bestehen besondere MIGA Rules of Arbitration.450
444 445 446 447
KOM (2012) 335 endg. Vgl Redfern/Hunter Rz 8.47ff. Redfern/Hunter Rz 8.79ff. Dafür bestehen besondere Arbitration Rules, s Geimer/Schütze, IRV, (Lfg. 18), S. 721.1; zur Frage der wirksamen Schiedsvereinbarung s Lanco International v The Argentine Republic, 40 ILM 453 (2001). 448 BGBl. 1987 II S. 454. 449 Vgl Geimer/Schütze, IRV (Lfg. 14, 1991) S 724.3f. 450 Abgedruckt in Geimer/Schütze, IRV, S 725.1.
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5. Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) In Art 28ff COTIF (idF v 3.6.1999)451 sind Schiedsgerichte zur Beilegung von 259 Streitigkeiten vorgesehen. Nach Art 32 § 2 sind Schiedssprüche gegenüber Beförderungsunternehmen und Kunden in jedem Vertragsstaat vollstreckbar, sobald die in dem Staat, in welchem die Vollstreckung erfolgen soll, vorgeschriebenen Förmlichkeiten erfüllt sind. Eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruches ist unzulässig.
6. Bilaterale Verträge a) Deutsch-schweizerisches Abkommen vom 2.11.1929 Maßgebend ist Art 9. Dieser nimmt seinerseits Bezug auf das Genfer Abkom- 260 men. Da die Schweiz dem UNÜ beigetreten ist, ist das Genfer Abkommen außer Kraft getreten. Dennoch behält das deutsch-schweizerische Abkommen seine Wirksamkeit, weil das Genfer Abkommen und das UNÜ auf Schiedsvergleiche nicht anzuwenden sind. Nach Art 9 III des deutsch-schweizerischen Abkommens werden die vor einem Schiedsgericht abgeschlossenen Vergleiche in derselben Weise wie Schiedssprüche vollstreckt.452 Hierbei ist noch eine Besonderheit zu beachten. Hinsichtlich des Schiedsspruchs stellt das Genfer Abkommen lediglich darauf ab, ob dieser auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats ergangen ist. Aus dem Wortlaut von Art 9 III ergibt sich, dass es bei dieser territorialen Beziehung hinsichtlich der Schiedsvergleiche geblieben ist. Es kommt also lediglich darauf an, dass der Schiedsvergleich vor dem Schiedsgericht auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaats abgeschlossen worden ist.453
b) Deutsch-italienisches Abkommen vom 9.3.1936 Art 8 dieses Abkommens enthält dieselbe Vorschrift für Schiedssprüche und 261 Schiedsvergleiche wie das deutsch-schweizerische Abkommen. Die Problematik ist dieselbe. Da auch Italien Mitgliedstaat des UNÜ ist, gilt insoweit dasselbe wie zu Rz 260. Daran ändert nichts, dass Italien auch noch Vertragsstaat des EuÜ ist, denn auch dieses bezieht sich nicht auf Schiedsvergleiche. Von Art 8 des deutsch-italienischen Abkommens sind also nur die ersten beiden Absätze hinfällig geworden.454 Streitfragen sind daraus entstanden, dass die italienische Praxis neben dem 262 „arbitrato rituale“ den sog „arbitrato irrituale“ entwickelt hat. Bei letzterem handelt es sich um eine Entscheidung von Schiedsrichtern, die lediglich obligatorische Bedeutung für die Parteien hat, dh für die Durchsetzung eines solchen Schiedsspruchs in Deutschland bleibt nur die Zahlungsklage aufgrund der Entscheidung, wobei der „lodo irrituale“ als abstraktes Schuldversprechen 451 452 453 454
BGBl 2002 II, 2149. Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 221. Vgl insoweit Schlosser Rz 814. Vgl Schlosser Rz 85 und 814.
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
gewertet werden kann.455 – Das OLG Hamburg456 hatte entschieden, dass ein „lodo irrituale“ nach dem UNÜ anerkannt, aber nicht für vollstreckbar erklärt werden kann. Der BGH hat diese Zwitterstellung aufgehoben und entschieden, dass das UNÜ auf einen „lodo irrituale“ nicht anzuwenden ist.457 Dieser Ansicht ist zu folgen. Das neue italienische Schiedsrecht von 1994 befasst sich nur mit dem arbitrato, nicht aber mit dem „arbitrato irrituale“.
c) Deutsch-belgisches Abkommen vom 30.6.1958 263 Dieses Abkommen ist in § 15 Rz 139f behandelt. Nach Art 13 werden Schiedssprüche, die in dem Hoheitsgebiet des einen Staats ergangen sind, in dem Hoheitsgebiet des anderen Staats anerkannt und vollstreckt, wenn sie in dem Ursprungsland vollstreckbar sind, wenn ihre Anerkennung nicht der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaats zuwiderläuft und wenn die vorgelegte Ausfertigung des Schiedsspruchs die für die Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Es wird weder nach einem gültigen Schiedsvertrag noch nach einem ordnungsgemäßen Schiedsgerichtsverfahren gefragt.458 264 Nach Art 16 berührt dieses Abkommen nicht andere Übereinkommen oder Abkommen, die für beide Staaten gelten oder gelten werden. Infolge der Meistbegünstigungsklausel des UNÜ behält das deutsch-belgische Abkommen für Schiedssprüche seine Gültigkeit. Im Allgemeinen ist das deutsch-belgische Abkommen besonders anerkennungsfreundlich. Das EuÜ könnte dann angewendet werden, wenn der Schiedsspruch in seinem Ursprungsland noch nicht für vollstreckbar erklärt worden ist. 265 Auf Schiedsvergleiche (Art 13 II) bleibt das deutsch-belgische Übereinkommen anwendbar, weil diese weder im UNÜ noch im EuÜ geregelt sind.
d) Deutsch-niederländischer Vertrag vom 30.8.1962 266 Art 17 beschränkt sich auf den kurzen Satz, dass sich die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach den Verträgen, die zwischen beiden Staaten jeweils in Kraft sind, bestimmen. Die Schiedsvergleiche sind nicht genannt. Daraus folgt, dass aus deutschen Schiedsvergleichen in den Niederlanden nicht vollstreckt werden kann. (Vgl den gemeinsamen Bericht der Unterhändler zum deutsch-niederländischen Vertrag zu Art 17. Als Begründung wird angegeben, dass dem niederländischen Recht ein Schiedsvergleich unbekannt ist.) Im Verhältnis der beiden Vertragsstaaten gilt das UNÜ. Wegen der darin enthaltenen Meistbegünstigungsklausel kann auf die möglicherweise günstigere nationale Verfahrensordnung zurückgegriffen werden. Zu Recht weist Schlosser459 auf die unterschiedlichen Fristen wegen der Anfechtung des
455 456 457 458 459
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Walter RIW/AWD 1982, 698. OLG Hamburg IPRax 1982, 146 (dazu Wenger, S 135). BGH RIW 1982, 210 = NJW 1982, 1224. Stein/Jonas/Schlosser Anh § 1061 ZPO Rz 224. Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rz 87.
Anerkennung und Vollstreckung nach Vertragsrecht
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Schiedsspruchs vor den staatlichen Gerichten hin. Das unter Rz 246 behandelte Problem des „lodo irrituale“ besteht auch in den Niederlanden als „bindend advies“ und in Spanien als „arbitraje libre“. Im deutsch-niederländischen Rechtsverkehr hat es – soweit ersichtlich – bisher keine Rolle gespielt.460
e) Deutsch-österreichischer Vertrag vom 6.6.1959 Nach Art 12 bestimmen sich die Anerkennung und Vollstreckung von Schieds- 267 sprüchen nach dem Übereinkommen, das zwischen beiden Staaten jeweils in Kraft ist. Die vor einem Schiedsgericht abgeschlossenen Vergleiche werden den Schiedssprüchen gleichgestellt. Zwischen beiden Staaten gelten das UNÜ und das EuÜ. Im Übrigen gilt das zu Rz 260 Ausgeführte. Ein Schiedsgericht mit Sitz in Österreich kann empfohlen werden, wenn es sich um ein deutschtürkisches Schiedsgericht handelt, weil ausschließlich zwischen Österreich und der Türkei ein Abkommen (v 22.6.1930) über die Vollstreckungshilfe besteht.461
f) Deutsch-griechischer Vertrag vom 4.11.1961 Der Vertrag ist unter § 15 Rz 143f behandelt worden. Nach Art 14 erfolgt die 268 Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach dem Übereinkommen oder Abkommen, das zwischen den beiden Vertragsstaaten jeweils in Kraft ist. Vor einem Schiedsgericht abgeschlossene Vergleiche werden den Schiedssprüchen gleichgestellt. Zwischen beiden Vertragsstaaten gilt das UNÜ. Im Übrigen gilt das zu Rz 260 Ausgeführte.
g) Deutsch-tunesischer Vertrag vom 19.7.1966 Dieser Vertrag ist in § 15 Rz 182ff behandelt worden. Nach Art 47 ist eine 269 Schiedsvereinbarung – unter der eine schriftliche Schiedsabrede oder Klausel verstanden wird, sofern diese von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen, Telegrammen oder Fernschreiben, welche die Parteien gewechselt haben, oder die in einer Niederschrift des Schiedsgerichts enthalten ist – nur unter folgenden Voraussetzungen anzuerkennen: 1. wenn das Rechtsverhältnis, aus dem die Streitigkeit entsteht, nach dem Recht des Anerkennungsstaats als Handelssache anzusehen ist; 2. wenn die eine Partei bei Abschluss der Vereinbarung ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in dem einen Staat, die andere in dem anderen Staat hatte; 3. wenn die Streitigkeit nach dem Recht des Anerkennungsstaats schiedsfähig ist. Nach Art 51 werden Schiedssprüche, die aufgrund einer nach Art 47 anzuer- 270 kennenden Schiedsvereinbarung ergangen sind, in jedem der beiden Staaten
460 Vgl Wenger IPRax 1982, 135, 137 N 16. 461 Vgl v. Hoffmann IPRax 1981, 30, 31.
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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit
anerkannt und vollstreckt. Die in Art 52 genannten Versagungsgründe beziehen sich auf den Verstoß des Schiedsspruchs gegen die öffentliche Ordnung des Anerkennungsstaats; darauf, dass die Streitigkeit nach dem Recht des Anerkennungsstaats nicht schiedsfähig ist; wenn der Schiedsspruch durch betrügerische Machenschaften erwirkt worden ist; wenn der unterlegenen Partei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist. Liegt keine gültige Schiedsvereinbarung vor, so kann eine Partei, die sich auf das Schiedsverfahren eingelassen hat, die den Mangel kannte und ihn nicht gerügt hat, sich nicht mehr darauf berufen. Das Gleiche gilt, wenn im Ursprungsland des Schiedsspruchs eine Aufhebungsklage abgewiesen worden ist. 271 Schiedsvergleiche, die vor einem Schiedsgericht geschlossen worden sind, stehen Schiedssprüchen gleich (Art 52 II).
h) Deutsch-amerikanisches Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsabkommen vom 29.10.1954 272 Nach Art VI (2) dieses Abkommens462 darf Schiedsverträgen nicht lediglich deshalb die Anerkennung versagt werden, weil sich der für die Durchführung des Schiedsverfahrens bestimmte Ort außerhalb des Gebiets des anderen Vertragsstaats befindet oder weil ein oder mehrere Schiedsrichter nicht seine Staatsangehörigen sind. In dem Verfahren zur Vollstreckbarerklärung, das vor den zuständigen Gerichten eines Vertragsteils anhängig gemacht wird, soll ein ordnungsmäßig aufgrund solcher Verträge ergangener und nach den Gesetzen des Ortes, an dem er gefällt wurde, endgültiger und vollstreckbarer Schiedsspruch als bindend angesehen werden. 273 Das Gericht muss ihn nach Art VI (2) S 3 für vollstreckbar erklären, außer wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde. US-amerikanische Schiedssprüche dürfen also nur einer ordre public-Kontrolle unterzogen werden.463 Der für vollstreckbar erklärte Schiedsspruch steht hinsichtlich der Wirkungen und der Vollstreckung einem inländischen Schiedsspruch gleich (S 4). Es besteht Einverständnis, dass ein außerhalb der USA ergangener Schiedsspruch vor den Gerichten eines Staats der USA nur im gleichen Maße Anerkennung genießt wie Schiedssprüche, die in einem anderen Staat der USA erlassen worden sind (S 5). Das Exequatur im Ursprungsland ersetzt wie bei dem deutsch-belgischen Abkommen alle weiteren Voraussetzungen. 274 Da für beide Vertragsstaaten das UNÜ gilt, steht den Parteien die Meistbegünstigungsklausel des Art VII offen. Sie können die für sie günstigste Möglichkeit für die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs wählen.
462 BGBl 1956 II, 488. 463 MüKo/Adolphsen, § 1061 ZPO Anh 6, Dt.-amerik. Vertr. Art VI Rz 2; Schütze ZVglRWiss 104 (2005), 427, 440.
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Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland
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i) Deutsch-sowjetisches Handels- und Schifffahrtsabkommen vom 25.4.1958 Nach Art 8 dieses Abkommens464 konnten natürliche Personen, juristische 275 Personen und Handelsgesellschaften der Bundesrepublik Deutschland und natürliche und juristische Personen der UdSSR (jetzt Russlands) vereinbaren, dass die aus Verträgen in Handelssachen entstehenden Streitigkeiten der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden. Das Abkommen gilt inzwischen nicht mehr, und zwar weder im Verhältnis zur Russischen Föderation noch im Verhältnis zu anderen Nachfolgestaaten der UdSSR.465
IX. Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland Soweit staatliche Gerichte in Schiedsverfahren eingreifen, diese kontrollieren, 276 Hilfsfunktionen zugunsten des Schiedsgerichts ausüben oder Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, befolgen sie ihr jeweiliges staatliches Prozessrecht. Vor allem Kenntnisse über das Schiedsrecht am Sitz der Gegenpartei sind daher von erheblicher Bedeutung. Die nachfolgende Übersicht soll insoweit einen ersten Einstieg ermöglichen: Afrikanische Staaten: A. Asouzu, ArbInt 1999, 1; A. Asouzu, International Commercial Arbitration and African States, 2001. Amerikanische Staaten: Accord des Mercosur sur l’arbitrage commercial international, Buenos Aires, 23.7.1998, Rev. arb. 2004, 743; The (Panama) InterAmerican Convention on International Arbitration of January 30, 1975 (Text in: 14 ILM 336 (1975); vgl J. Jackson Jr., JIntArb 8 (3) (1991), 91; J. Kleinheisterkamp, International Commercial Arbitration in Latin America. Regulation and Practice in Mercosur, 2005; J. B. Lee, L’arbitrage commercial international dans le Mercosur, Rev. arb. 2004, 565; F. Mantilla Serrano, Le traitement legislative de l’arbitrage en Amérique Latine, Rev arb 2005, 561; G. Santiago Tawil, Arbitration in Latin America, IDR 2004, 15. Arabische Staaten: El Abdah, Arbitration with the Arab Countries, 1990; Krüger RPS 2/01 (Beiheft z. BB), S 2; N. Najjar, L’arbitrage dans les pays Arabes face aux exigences du commerce international, 2004; Saleh, Commercial Arbitration in the Arab Middle East, 2. Aufl 2005. Asien: M. Moser, Arbitration in Asia, 2nd ed 2011; Ph. McConnaughay/Th. Ginsburg/S. Ali, International Arbitration in Asia, 2012; M. Moser/J. Choong, Asia Arbitration Handbook, 2011; M. Polkinghorne/D. Fitz Gerald, Arbitration 464 BGBl 1959 II, 222. 465 S. Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 243 Fn 3. Durch diese Entwicklung ist BGHZ 166, 278 = SchiedsVZ 2006, 161, 163 (Weißrussland) = NJW 2007, 772 überholt.
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in Southeast Asia, JIntArb 18 (1) (2001), 101; Simpson/Thatcher and Bartlett, Comparison of Asian International Arbitration Rules, 2003. 278 Belgien: Ph. de Bournonville, Droit judiciaire: L’arbitrage, 2000; H. van Houtte/M. Looyens, Law and Practice of International Arbitration, in: Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 1997, 161–210; J. Linsmeau, L’arbitrage volontaire en droit privé belge, 1991; H. Verbist, Die Aufhebungsklage gegen Schiedssprüche in internationalen Schiedsverfahren in Belgien, FS Sandrock, 2000, S 993; M. Storme/Demeulenaere, International Commercial Arbitration in Belgium, 1989. Brasilien: Gesetz Nr 9.307 v 23.9.1996 betreffend das Schiedsverfahren, IPRax 1998, 399; vgl N. Blackaby, Arbitration and Brazil, ArbInt 2001, 129; M. Ferreira dos Santos, Arbitration in Brazil, JIntArb 2004, 493; J. Lee/E. Goncalves/C. Valenca Filho, Arbitration of Brazil: Law and Practice, 2012; S. Lopes, Arbitration Procedures in Brazil, in: S. Rodriguez/O. Prell, International Judicial Assistance in Civil Matters, 1999, S 27; D. de Norouha Goyos Jr./V. de Moraes Dantas, Ratification of Foreign Judgments and Arbitration Awards in Brazil, ebda, S 39; J. Samtleben, Das neue brasilianische Gesetz über die Schiedsgerichtsbarkeit, RIW 1998, 33; J. Samtleben, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Deutschland und Brasilien, ZZPInt 16 (2011), 425; v Schlabrendorff/Rützel, Das neue brasilianische Schiedsverfahrensgesetz, IPRax 1998, 376; P. Sester/R. Benevenuto, Schiedsgerichtsbarkeit im brasilianischen Handels- und Gesellschaftsrecht, RIW 2010, 680. 279 Chile: Ley sobre Arbitraje Comercial Internacional No 19.971 v 30.9.2004. Volksrepublik China: T. Beuchert/D. Laumann/E. Towfigh, Schiedsgerichtsbarkeit in der Volksrepublik China, RIW 2002, 902; J. Glatter, RIW, Beil 2 zu H. 6/1996, S 11; R. Guillaumond, L’arbitrage en Chine, 2001; D. Hantke, China ist anders: Neue ICC-Schiedsklausel, SchiedsVZ 2007, 36; R. Peerenboom, Seek Truth from Facts: An Empirical Study of Enforcement of Arbitral Awards in the PRC, AmJCompL 49 (2001), 249; J. Tao, Arbitration Law and Practice in China, 3rd ed 2012; J. Trappe, Änderung der Regeln über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit der VR China, RIW 1998, 871; W. Wang, Distinct features of arbitration in China, JIntArb 23 (2006) (1), 49; J. Yu/A. Neelmeier, CIETAC Arbitration Rules 2012 – Another move forward, SchiedsVZ 2012, 134; B. Zhao, Vollstreckung von Schiedssprüchen in der VR China, RIW 2010, 198; B. Zhao/B. Buxbaum, Enforcement of Foreign Judgments and Arbitral Awards in China, in: Rodriguez/Prell, International Judicial Assistance, 1999, S 45; C. Zhou, Neue Entwicklungen im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit und der Schiedskommissionen in der VR China, RIW 2008, 686. 280 Dänemark: K. Hertz, Danish Arbitration Act 2005, 2005; E. Smith, Some aspects about regulation of arbitration in Denmark, in: Storme/Gomez Lara, XII Congreso Mundial de Derecho Procesal, Vol II, 2005, 59. 281 England: N. Andrews, The framework of English Arbitration, in Stürner/Kawano, International Contract Litigation, Arbitration …, 2011, S 83; Haas, Die Reform des englischen Schiedsverfahrensrechts, ZZPInt 1997, 409; R. Harbst, 926
Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland
§ 18
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§ 19 Internationale Zwangsvollstreckung Inhaltsübersicht I. Einführung 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Grundsätze der internationalen Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . 2 3. Inlandsvollstreckung gegen Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4. Vollstreckung von Fremdwährungsverbindlichkeiten . . . . . . . 15 II. Voraussetzungen der internationalen Zwangsvollstreckung 1. Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsimmunität . . . . . 4. Inlandswirkung der Vollstreckung im Ausland . . . . . . . . . . .
16 18 24 34
III. Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung . . . . . . . . . . 41 V. Die einzelnen Vollstreckungsarten 1. Internationale Sachpfändung und Herausgabevollstreckung . . a) Sachpfändung . . . . . . . . . . . . . b) Herausgabevollstreckung . . . 2. Immobiliarvollstreckung gegen ausländische Schuldner . . . . . . . 3. Internationale Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung
44 45 48 53
a) Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung . . . . . b) Vollstreckung vertretbarer Handlungen . . . . . . . . . . . . . . c) Vollstreckung unvertretbarer Handlungen oder Unterlassungen . . . . . . . . . . . d) Europäische Entscheidungen über die elterliche Verantwortung. . . . . . . . . . . . . . . e) Unterlassungsvollstreckung f) Schadenersatz wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Sachaufklärung und Vermögensauskunft . . . . . . . . . . 4. Internationale Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Belegenheit der Forderung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pfändung einer im Ausland zahlbaren Forderung bei der inländischen Niederlassung einer Bank?. . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzüberschreitende Kontenpfändung in der EU . . . . . d) Freezing Injunction . . . . . . . . e) Unpfändbarkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Pfändung sonstiger Rechte . . 5. Grenzüberschreitende Gläubigeranfechtung . . . . . . . . . . . . . . .
57 60
63
68 70 72 73 78 79
96 98 110 112 114 116
VI. Zwangsvollstreckung im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
I. Einführung 1. Schrifttum 1
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Einführung
§ 19
rung und Zwangsvollstreckung ausländischer Titel in der Europäischen Union, 2009, S. 91; Bourel, Conflits de juridiction, Immunités de juridiction et d’exécution, Juris-Cl. Droit Intern. Fasc. 581–50 (1993), No 206–246; Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, 1992; D. Campbell, International Execution against Judgments Debton, 3 Vol (Loseblattausgabe); G. Cuniberti, Le principe de territoriablité des voies d’execution, JDI 135 (2008), 963; Dahlhoff, Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen exterritoriale Schuldner in Deutschland, BB 1997, 321; Gärtner, Probleme der Auslandsvollstreckung von Nichtgeldleistungsentscheidungen im Bereich der EG, 1991; R. Geimer, Über die Vollstreckungsgewalt der Staaten in Zivil- und Handelssachen, FS Kerameus, Bd. 1, 2009, S 379; U. Göranson, Actio pauliana outside bankruptcy and the Brussels Convention, Essays in honour of Voskuil, 1992, 89; Gottwald, Die internationale Zwangsvollstreckung, IPRax 1991, 285; Gottwald, Prozessuale Zweifelsfragen der geplanten EU-Verordnung in Unterhaltssachen, FS Lindacher, 2007, S 13; H. Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, 1999, S. 724; U. P. Gruber, Das neue internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FamRZ 2005, 1603; M. Heese, Sachaufklärung mittels exterritorialer Handlungsvollstreckung, ZZP 124 (2011), 73; B. Heß, Auslandssachverhalte im Offenbarungsverfahren, Rpfleger 1996, 89; B. Heß, Study on the making more efficient the enforcement of judicial decisions within the European Union (No JAI/A3/2002/02) (Fassung v 18.2.2004); B. Heß, Die Europäische Kontenpfändung aus der Perspektive eines Europäischen Vollstreckungsrechts, FS Kropholler, 2008, S 795; B. Heß, Different enforcement structures, in van Rhee/Uzelac, Enforcement and enforceability, 2010, S 41; Hök, Grenzüberschreitende Forderungs- und Kontopfändung, MDR 2005, 306; Hök, Saisie de compte et de créance transfrontalière, Rev.crit. 2006, 301; Hornung, Die Zustellung an den Schuldner (im Ausland) bei Forderungspfändung, DGVZ 2004, 85; van Houtte, Die Vollstreckungsimmunität der Bankguthaben einer Botschaft, IPRax 1986, 50; H. Huber, Verarrestierung von Wertpapieren, welche durch inländische Banken im Ausland verwahrt werden, SchwJZ 1969, 149; Jacobsson/Jacob, Trends in the Enforcement of Non-Money Judgments and Orders, 1988; Jahr, Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, in: LdR Zivilverfahrensrecht, 1989; Jauch, Inländische Immobiliarvollstreckung gegen ausländische Schuldner, ZfIR 1999, 330; P. Kaye, Methods of Execution of Orders and Judgments in Europe, 1996; P. Kaye, Situs of Debts and Jurisdiction to Make Orders of Garnishee, JBl 1989, 449; M. Kengyel/V. Harsági, Grenzüberschreitende Vollstreckung in der Europäischen Union, 2011; W. Kennett, The Enforcement of Judgments in Europe, 2000, S 249ff; W. Kennett, Enforcement: General Report, in: Storme, Procedural laws in Europe, 2003, 81; Kerameus, Geldvollstreckungsarten in rechtsvergleichender Betrachtung, FS Zeuner 1994, S 389; Kerameus, Rechtsvergleichende Bemerkungen zur Urteilsvollstreckung, FS G. Lüke, 1997, S 337; Kerameus, Enforcement in the international context, RdC 264 (1997), 181; Kerameus, Garnishment in a comparative perspective, GS Lüderitz, 2000, S 385; Kerameus, Distribution Proceedings and Relationships among Creditors, Liber amicorum Siehr, 2000, S 311; Kerameus, Development of Enforcement Proceedings in a Comparative Perspective, FS Schumann, 2001, S 259; Kerameus, Enforcement of non-money judgments and orders in a comparative perspective, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 107; Kerameus, Actual problems of Enforcement Law in the European Union, FS Schlosser, 2005, S 355; Kleiner, Bankdepot – auswärtsliegende Titel und deren Pfändung bzw Verarrestierung, Schweiz.JZ 1968, 211; Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, S 171; Kotrschal, Die grenzüberschreitende Vollstreckung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in Geldforderungen ausländischer Drittschuldner, BKR 2009, 38; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998; Kröll, Neuere Entwicklungen im französischen Recht der Vollstreckung in das Vermögen ausländischer Staaten, IPRax 2002, 439; Krumscheid, Pfändung aus ausländischen Titeln als Sicherungsmaßnahme vor Zustellung des Exequaturbeschlusses, RIW 2003, 389; A. Kunze/D. Otto, Internationale Zwangsvollstreckung – Zuständigkeit, rechtliche Grenzen und Gegenmaßnahmen, IPRax 2010, 557; J. Lange, Internationale Rechts- und Forde-
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Internationale Zwangsvollstreckung
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2. Grundsätze der internationalen Zwangsvollstreckung Eine grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung gibt es (derzeit noch) nicht. 2 Weder vollstreckt ein ausländischer Staat unmittelbar auf Ersuchen eines deutschen Gerichts einen deutschen Titel, noch vollstreckt ein deutsches Vollstreckungsorgan einen ausländischen Titel, wie es in § 791 ZPO vorausgesetzt wird. Erst recht gibt es grds keine Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen in einem Staat, die ein anderer Staat ausführt. Allerdings gibt es in der EU Bestrebungen eine grenzüberschreitende Offenba- 3 rung des Schuldnervermögens1 und eine grenzüberschreitende Forderungsbeitreibung durch eine vorläufige Kontenpfändung2 einzuführen. Die internationale Zwangsvollstreckung wird danach von folgenden Grundsät- 4 zen beherrscht: Territorialitätsgrundsatz. Jeder Staat kann (derzeit) Zwangsmaßnahmen nur innerhalb seines eigenen Staatsgebiets anordnen und durchsetzen.3 Die Zwangsvollstreckung ist also auf im Inland belegenes Vermögen beschränkt.4 Bei international operierenden Schuldnern findet eine internationale Koordination nicht statt. Lex fori-Prinzip: Aufgrund seiner Hoheitsgewalt legt jeder Staat selbst fest, un- 5 ter welchen Voraussetzungen, in welchen Formen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen und welche vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe (§§ 731, 767, 771, 805 ZPO) zur Verfügung stehen.5 Die Wirkungen der ausländischen Entscheidung erstrecken sich nicht auf die im Heimatstaat möglichen Vollstreckungswirkungen und -formen.6 Die ausländische Entscheidung wird vielmehr wie eine inländische vollstreckt. Das Vollstreckungsmittel des Vollstreckungsstaats (zB Offenbarungsversicherung, persönliche Haft des Schuldners) steht auch zur Verfügung, wenn der Urteilsstaat diese Art der Vollstreckung nicht kennt.7 Die Ersatzpflicht nach §§ 717, 945 ZPO tritt auch ein, wenn ein nicht rechtskräftiger ausländischer Titel im Inland vollstreckt und dann im Ursprungsstaat aufgehoben wird.
1 Grünbuch Effiziente Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Europäischen Union v 6.3.2008, KOM (2008) 128 endg.; dazu A. Bruns ZEuP 2010, 809. 2 Vorschlag für eine Verordnung des Europ. Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen v 25.7.2011, KOM (2011) 445 endg. (abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 187); dazu Folgenabschätzung der Kommission, SEC (2011), 937 final. 3 Geimer, IZPR, Rz 3200; Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 213. 4 Vgl BGH JZ 2011, 858, 859 m. Anm. H. Roth. 5 Kerameus RdC 264 (1997), 181, 376ff; vgl BGH (IX ZR 130/10, 20.12.2012) (Rz 17). 6 Treibmann S 143; Geimer, IZPR, Rz 3239. 7 Kerameus, FS G. Lüke, S 337, 340; Kerameus, RdC 264 (1997), 181, 386.
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Internationale Zwangsvollstreckung
Die jeweilige lex fori legt fest, ob und in welcher Weise der Gläubiger pfändbares Vermögen des Schuldners ermitteln kann.8 Die lex fori legt auch fest, welche Gegenstände pfändbar bzw unpfändbar sind9 und wie die Unpfändbarkeit geltend zu machen ist. 6
Gleichbehandlung von Inlands- und Auslandsgläubigern bzw Inlands- und Auslandsschuldnern, Art 3 I GG. Ausländer haben also den gleichen Vollstreckungsanspruch gegen den Staat wie Inländer.10
7
Soweit nicht ein Europäischer Vollstreckungstitel vorliegt, werden ausländische Titel erst nach Vollstreckbarerklärung im Inland auf der Grundlage der inländischen Vollstreckungsklausel vollstreckt. Nach deutschem und europäischem Recht wird jede anerkennungsfähige Entscheidung auch vollstreckt. Dagegen ist die Vollstreckung nach (autonomem) common law auf Urteile auf Leistung einer bestimmten Geldsumme beschränkt.11
8
Sind die formalen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt, hat der Gläubiger einen Vollstreckungsanspruch gegen den Staat. Dieser darf ihn nicht ins Ausland verweisen, weil dort die Vollstreckung einfacher oder schneller zu bewirken sei.12
9
Die materiell-rechtlichen Folgen einer Inlands- oder Auslandsvollstreckung (Erfüllung; Einrede der Sicherheit) richten sich nach dem anwendbaren materiellen Recht.
3. Inlandsvollstreckung gegen Ausländer 10
Nach dem lex fori-Prinzip erfolgt die Zwangsvollstreckung gegen Ausländer im Inland nach den gleichen Grundsätzen wie gegen Inländer.
11
Allerdings leben ausländische Eheleute nach Art 15, 14 EGBGB ggf in einem Güterstand nach ausländischem Heimatrecht. Da das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht nur auf Güterstände des BGB abstellt, ist nach den Grundsätzen der Substitution (s o § 1 Rz 51) zu entscheiden, welche Regeln bei der Vollstreckung gegen Vermögen von Ehegatten, das fremdem Güterrecht untersteht, anzuwenden ist.13
12
Die Besitzvermutung nach § 739 ZPO iVm § 1362 BGB gilt in Deutschland auch für ausländische Eheleute und eingetragene Lebenspartner, da sie unabhängig vom Güterstand anwendbar ist.14 8 9 10 11 12 13 14
Zu Unterschieden in Europa s Prévault, FS Deutsch, S 987, 991. Vgl Prévault, FS Deutsch, S 987, 989, 992. Geimer, IZPR, Rz 3236. Airbus Industrie GIE v Patel, English High Court (Q.B.), ILPr 1996, 465. Geimer, IZPR, Rz 3242. Mansel, FS W. Lorenz, S 689, 707. Stein/Jonas/Münzberg, 22. Aufl 2002, § 739 ZPO Rz 12; MüKo/Heßler, 4. § 739 ZPO Rz 22f.
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Voraussetzungen der internationalen Zwangsvollstreckung
§ 19
Besteht ein Güterstand, der gemeinschaftliches Eigentum mit uU gemeinsa- 13 mer Verwaltung vorsieht, ist im Wege der Anpassung bzw Substitution analog den §§ 740, 741 ZPO zu entscheiden, ob es eines Leistungstitels gegen einen oder beide Ehegatten oder eines Leistungstitels gegen den einen und eines Duldungstitels gegen den anderen bedarf.15 Der ausländische Güterstand entscheidet auch, ob an einem Grundstück Mit- 14 eigentum der Ehegatten zu Bruchteilen besteht, in das selbständig vollstreckt werden kann, oder ob das Grundstück nur insgesamt verwertet werden kann (vgl §§ 860, 864 II ZPO). Ob das eine oder andere vorliegt, ist im Wege funktionaler Äquivalenz zu entscheiden. Nach hM ist etwa die italienische Errungenschaftsgemeinschaft einer deutschen Gütergemeinschaft gleichzustellen, so dass in das Gesamtgut nur auf Grund eines Titels gegen beide Ehegatten vollstreckt werden kann.16
4. Vollstreckung von Fremdwährungsverbindlichkeiten Zahlungsansprüche in ausländischer Währung sind ebenso zu vollstrecken 15 wie solche, die auf inländische Währung lauten.17 Auch ein Valutagläubiger kann daher direkt in körperliche Sachen und Forderungen pfänden. Der Erlös fällt stets in inländischer Währung an und ist dann entsprechend dem Wechselkurs zZ der Zahlung auf die Forderung zu verrechnen.18 Eine unmittelbare Befriedigung in ausländischer Währung findet nur statt, wenn der Gerichtsvollzieher im Einzelfall ausländische Zahlungsmittel pfändet und gem § 815 ZPO direkt an den Gläubiger abliefert. Soll wegen einer Fremdwährungsforderung eine Zwangshypothek in ein inländisches Grundbuch eingetragen werden, so kann die Forderung der Währung eines EU- bzw EWR-Staats eingetragen werden, soweit dies durch Rechtsverordnung zugelassen worden ist (§ 28 GBO).19 Bei anderen Währungen ist eine Höchstbetragshypothek mit einem Höchstbetrag in Euro einzutragen.20 Bei einer Zwangsverwaltung ist § 158a ZVG zu beachten: Wiederkehrende Leistungen werden danach stets in inländischer Währung erbracht.
II. Voraussetzungen der internationalen Zwangsvollstreckung 1. Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels im Inland Vor Beginn einer Inlandsvollstreckung ist der ausländische Titel im Inland grds 16 für vollstreckbar zu erklären. Voraussetzung dafür ist stets, dass er im Inland 15 BGH NJW-RR 1998, 1377 = WM 1998, 1591 (Gütergemeinschaft niederländischen Rechts) (dazu Anm Rauscher WuB VI E. § 740 ZPO 1.98); AG Menden FamRZ 2006, 1471 (Gütergemeinschaft italienischen Rechts); Mansel, FS W. Lorenz, S 689, 709ff; Rauscher Rpfleger 1988, 89. 16 OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1593. 17 Vgl Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, 1999, S 724ff; Schefold § 115 Rz 375ff. 18 Schefold § 115 Rz 383, 396. 19 Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, S 436ff, 442ff. 20 Schefold § 115 Rz 384.
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Internationale Zwangsvollstreckung
anzuerkennen ist. Vgl § 723 II 2 ZPO; Art 33, 45 I EuGVO/LugÜ; Art 23, 26 EuUnthVO; Art 5 HUVÜ 1973; Art 2 HUVÜ 1958; Art 21, 31 II EheGVO; Art 7ff Sorgerechtsübereinkommen 1980; Art 39, 43 EuErbVO. 17
ZPO, EuGVO bzw LugÜ und EheGVO regeln die Anerkennung als Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung; die Unterhaltsübereinkommen und das Sorgerechtsübereinkommen sehen die Anerkennungsvoraussetzungen als unmittelbare Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung vor. In jedem Fall wird die Anerkennungsfähigkeit im Verfahren der Vollstreckbarerklärung inzident geprüft. Eine selbständige Anerkennung ist zulässig (nach § 256 ZPO bzw Art 33 II EuGVO/LugÜ und Art 21 III EheGVO, aber keine Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung).
2. Europäische Vollstreckungstitel 18
a) Die Vollstreckbarerklärung entfällt für Europäische Vollstreckungstitel oder gleichgestellte Titel. Nach der VO (EG) Nr 805/2004 v 21.4.200421 können Titel über unbestrittene Forderungen im Ursprungsstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden (Art 6 EuVTVO). Ist dies geschehen, ist der Titel anzuerkennen und ohne Vollstreckbarerklärung in den anderen EUMitgliedstaaten (außer Dänemark) zu vollstrecken (Art 5 EuVTVO) (s o § 14 Rz 44).
19
b) Auch der Europäische Zahlungsbefehl22 ist, sobald er im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, ohne weitere Vollstreckbarerklärung auch in den anderen Mitgliedstaaten zu vollstrecken (Art 19 EuMahnVO) (s o § 14 Rz 73).
20
c) Gleiches gilt für Urteile, die im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen nach der VO (EG) Nr 861/2007 ergangen sind. Nach Art 20 I EuGFVO werden diese Urteile ohne Vollstreckbarerklärung in den anderen EU-Mitgliedstaaten vollstreckt. Vorzulegen ist lediglich eine Ausfertigung des Urteils und der Bestätigung nach Art 20 II EuGFVO sowie ggf eine Übersetzung dieser Dokumente in eine Amtssprache des Vollstreckungsstaats (Art 21 II EuGFVO) (s o § 14 Rz 87).
21
d) Europäische Vollstreckungstitel sind auch Unterhaltstitel aus EU-Mitgliedstaaten, die an das Haager Protokoll gebunden sind, gem Art 17 EuUnthVO (VO (EG) Nr 4/2009), wenn sie ab dem 18.6.2011errichtet wurden (Art 75 I, 76 III EuUnthVO) (s o § 14 Rz 93).
22
e) Nach der Neufassung der EuGVO (VO [EU] Nr 1215/2012 v 12.12.2012) sind alle Entscheidungen eines EU-Mitgliedstaats in Zivil- und Handelssachen in Verfahren, die ab dem 10.1.2015 eingeleitet werden, oder auf sonstige Titel, die ab diesem Datum dort errichtet werden, kraft Gesetzes Europäische Vollstreckungstitel (Art 39, 58 I Unterabs 2, 59, 66 I EuGVO nF) (s o § 14 Rz 56). Der Schuldner kann aber beantragen, dass die Vollstreckung wegen Vorliegens eines Anerkennungsversagungsgrundes versagt wird (Art 45, 46 ff EuGVO nF). 21 ABl EG Nr L 143/15. 22 VO (EG) Nr 1896/2006 v 12.12.2006 (ABl EU Nr L 399/1).
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§ 19
f) Schließlich werden Entscheidungen eines EU-Mitgliedstaats (ohne Däne- 23 mark) über das Umgangsrecht und über die Rückgabe eines (entführten) Kindes nach Art 41, 42 EheGVO in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckt, wenn das Gericht des Ursprungsstaats darüber eine „Bescheinigung über das Umgangsrecht“ bzw eine „Bescheinigung über die Rückgabe des Kindes“ ausgestellt hat (s o § 14 Rz 93).
3. Vollstreckungsimmunität Die Vollstreckung darf in keinem Fall die Immunität eines ausländischen 24 Staats oder einer internationalen Organisation, insb die Wahrnehmung der diplomatischen oder konsularischen Aufgaben beeinträchtigen. Aus dem Immunitätsverzicht für das Erkenntnisverfahren oder dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung folgt nicht, dass der ausländische Staat einen Verzicht auf seine Vollstreckungsimmunität erklärt hätte.23 Das Fehlen von Vollstreckungsimmunität folgt auch nicht aus dem Abschluss eines Prozessvergleichs, der Verpflichtung in vollstreckbarer Urkunde oder aus einer gerichtlichen Entscheidung, die „vollstreckbar“ ist.24 Die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission und 25 eines Konsulats ist zu beachten, vgl Art 22, 24, 27, 30 WÜD und Art 31, 33, 35 WÜK.25 Aus einem allgemeinen Immunitätsverzicht in Bedingungen einer Staatsanleihe folgt kein Verzicht auf die Vollstreckungsimmunität diplomatisch geschützter Botschaftsgrundstücke oder Botschaftskonten.26 Im Rahmen des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität von 26 1972 (s o § 2 Rz 19f) ist eine Vollstreckung gegen den ausländischen Staat (in Deutschland auch gegen die Länder) stets unzulässig. Der Staat ist aber nach Art 20 des Übereinkommens verpflichtet, eine rechtskräftige Entscheidung zu erfüllen, sofern nicht eines der üblichen Anerkennungshindernisse vorliegt. Nach Art 21 kann er auf Feststellung seiner Erfüllungspflicht verklagt werden.27 Die Zwangsvollstreckung aus einem privatrechtlichen Titel gegen einen aus- 27 ländischen Staat ist (außerhalb des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität) nur in Gegenstände zulässig, die im Gerichtsstaat belegen sind und nicht hoheitlichen Zwecken dienen.28 Eine Vollstreckung in öffentlichrechtliche Gebührenansprüche aus der Einräumung von Überflugrechten,29
23 24 25 26
BGH WM 2006, 41 = SchiedsVZ 2006, 44, 46f (Raeschke-Kessler). AA Weller Rpfleger 2006, 364, 366. Vgl G. Walter, Waseda-FS, 771. Vgl BVerfGE 117, 141, 153f = RIW 2007, 206 = NJW 2007, 2605; KG NJOZ 2004, 3382. 27 Vgl Kronke IPRax 1991, 141, 145f; Geimer, Anerkennung, 1995, S 160f. 28 Vgl BVerfGE 46, 342 = NJW 1978, 485 (dazu Bleckmann, S 1092) = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern); BGH WM 2005, 2274 = SchiedsVZ 2006, 44; BGH WM 2008, 2302. 29 BGH RIW 2006, 60 = SchiedsVZ 2006, 47 (Raeschke-Kessler) = NJW-RR 2006, 198.
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Internationale Zwangsvollstreckung
Ansprüche auf Rückerstattung von Umsatzsteuer,30 in ausländische Steueroder Zollforderungen31 oder in Auszahlungsbeträge aus Anleihen ist daher unzulässig, wenn diese Beträge hoheitlichen Zwecken (wie Währungssicherung oder Haushaltssanierung) dienen.32 Selbst eine Mietzinsforderung aus der Vermietung eines Ladenlokals im Russischen Haus in Berlin soll vollstreckungsimmun sein.33 Hat der ausländische Staat dagegen eine Immobilie auf ein rechtlich selbständiges Staatsunternehmen übertragen, so kann in dieses Grundstück vollstreckt werden.34 Auch eine Pfändung in zweckgebundene Förderungsmittel der EU-Kommission ist unzulässig.35 Mit dieser Linie ist es kaum vereinbar, dass untere griechische Gerichte die Versteigerung des Grundstücks des Goethe-Instituts in Athen zur Befriedigung eines Titels über SS-Opfer-Entschädigung zunächst zugelassen hatten.36 28
Im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung genießt der ausländische Staat keine Vollstreckungsimmunität. Zulässig ist daher die Zwangsversteigerung von Grundstücken, die im Eigentum eines staatlichen Wirtschaftsunternehmens stehen.37 Ebenso zulässig ist die Pfändung in Zentralbankkonten, die ein Staatsunternehmen eines ausländischen Staats im Inland unterhält, wenn das Guthaben aus nichthoheitlicher Tätigkeit des Unternehmens entstanden ist, und zwar auch dann, wenn das Guthaben staatsintern zur Verwendung im Staatshaushalt bestimmt ist.38 Ausländische Staatsbanken selbst genießen als Wirtschaftsunternehmen in Deutschland grds keine Vollstreckungsimmunität. Art 92 Nr 11 schweizer. SchKG ordnet freilich an, dass Vermögenswerte einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen, unpfändbar sind.39
29
Nach Eintritt der Staatsinsolvenz kann der ausländische Staat eine Vollstreckung ggf unter Berufung auf völkerrechtlichen Notstand abwehren.40
30
Die französische Cour de Cassation hat aus der Vereinbarung einer ICCSchiedsklausel, in der sich der Staat verpflichtet, den Schiedsspruch zu erfüllen, abgeleitet, dass der betreffende Staat insoweit auf Vollstreckungsimmunität verzichtet.41
30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
KG IPRax 2006, 164 (dazu Fassbender, S 129); vgl Weller Rpfleger 2006, 364, 369. Offen gelassen von BGH RIW 2011, 157 (m. Anm. Bollacher/Evke de Groot). LG Frankfurt a.M. RIW 2001, 308. BGH RIW 2010, 72; krit M. Weller RIW 2010, 599; billigend BVerfG NJW 2012, 293, 295. BGH WM 2008, 2302. EuGHE 2001, I-4219 (Cotecna) = NJW 2001, 3109. ). BGH WM 2008, 2302. Vgl BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766. Vgl Walter, IZPR der Schweiz, S 80f. LG Frankfurt JZ 2003, 1010 (Reimisch). Cour de Cass (6.7.2000) JDI 2000, 1054 (Creighton v Etat du Quatar); krit Kröll IPRax 2002, 439, 443.
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Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung
§ 19
Nach Ansicht des OLG Köln soll die diplomatische Vollstreckungsimmunität einer Eintragung einer nur sichernden Arresthypothek nicht entgegenstehen.42 Aber diese Ansicht ist mit Art 22 III WÜB nicht vereinbar. Handelsschiffe unterliegen der Vollstreckung in Zivilsachen durch einen Küs- 31 tenstaat nur wegen Verbindlichkeiten, die für das Schiff selbst oder wegen seiner Durchfahrt im Küstenstaat entstanden sind (Art 28 II SeerechtsÜ).43 Kriegsschiffe und Staatsschiffe, die nicht dem Handel dienen, sind dagegen grds immun (Art 32 SeerechtsÜ). Gegen ein Mitglied einer NATO-Truppe oder eines zivilen Gefolges darf nach 32 Art VIII NATO-Truppenstatut nicht wegen eines Anspruchs aus einer dienstlichen Angelegenheit vollstreckt werden. Wegen außerdienstlicher Ansprüche ist eine Vollstreckung dagegen zulässig.44 Das Vollstreckungsorgan hat die Vollstreckungsimmunität selbständig zu prü- 33 fen; an die Auffassung des Gerichts im Erkenntnisverfahren ist es nicht gebunden.45
4. Inlandswirkung der Vollstreckung im Ausland Ausländische Vollstreckungsakte sind keine nach § 328 ZPO anzuerkennende 34 Entscheidungen; ein etwa erforderlicher Vollzug im Inland findet daher nicht statt. Eine im Ausland ausgebrachte Lohnpfändung soll nach hM keine Wirkung gegenüber dem inländischen Lohnanspruch eines in Deutschland ansässigen Arbeitnehmers46 haben (s aber u Rz 86ff). Dagegen sind die schuld- und sachenrechtlichen Wirkungen wirksamer Ho- 35 heitsakte des Vollstreckungsstaats auch in anderen Staaten anzuerkennen (s u Rz 47, 87), sofern sie nicht dem ordre public des Anerkennungsstaats widersprechen.47 Insoweit verhält es sich wie bei der Anerkennung von Enteignungen. Wird eine Forderung im Ausland erst gepfändet, nachdem der Drittschuldner 36 auf Klage des Schuldners zur Leistung verurteilt wurde, muss der Drittschuldner die drohende Verpflichtung zur doppelten Zahlung mit Hilfe der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) abwehren.48
III. Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung Für Rechtsbehelfe und Klagen gegen ein Vollstreckungsverfahren sind ausschließlich die Gerichte des Staats zuständig, in dem das Verfahren anhängig 42 43 44 45 46 47 48
OLG Köln IPRax 2006, 170 (krit dazu Fassbender, S 133). BGBl 1994 II, 1811. Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl 2010, Rz 46. Walter, FS Waseda Universität, S 771, 785. BAG ZIP 1996, 2031 = IPRax 1997, 335 (krit. dazu Schack, S 318) = NZA 1997, 334. Vgl Geimer, Anerkennung, 1995, S 103; M. Schimrick, S 135ff, 182. M. Schimrick, S 183f; A. Kunze/D. Otto IPRax 2010, 557.
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37
§ 19
Internationale Zwangsvollstreckung
ist. Art 22 Nr 5 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 5 EuGVO nF ordnen dies ausdrücklich an. Im deutschen Recht gehören hierher Erinnerung (§ 766 ZPO), Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) und Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO). Gläubigeranfechtung49 und Abänderungsklage (§§ 323ff ZPO) (bzw Abänderungsantrag nach §§ 238ff FamFG) gehören nicht hierher. Auch Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung (§ 717 ZPO) fällt nicht unter Art 22 Nr 5 EuGVO/LugÜ50 bzw Art 24 Nr 5 EuGVO nF. 38
Das auf Vollstreckungsabwehrklage im Ursprungsstaat ergehende Urteil hat keine unmittelbare Auswirkung auf die Vollstreckbarkeit des Titels im Inland; die inländische Vollstreckungsabwehrklage ist parallel zulässig, kann aber analog § 148 ZPO bis zur Entscheidung im Ursprungsstaat ausgesetzt werden (s o § 15 Rz 63).
39
Wird in einem Erststaat des EuGVO- bzw LugÜ-Systems Vollstreckungsabwehrklage erhoben, ist eine zweite Vollstreckungsabwehrklage in Deutschland gegen den für vollstreckbar erklärten Titel nach Art 27 EuGVO/LugÜ bzw Art 29 EuGVO nF unzulässig. Wird dem Titel die Vollstreckbarkeit im Erststaat genommen, so kommt bisher lediglich eine Aufhebung der inländischen Vollstreckbarerklärung nach § 27 AVAG in Betracht.51 (Wie die Aufhebung des Titels bzw der Wegfall seiner Vollstreckbarkeit im Rahmen der neu gefassten EuGVO geltend zu machen ist, muss noch festgelegt werden.)
40
Eine Restschuldbefreiung im Ausland kann der Schuldner gegenüber der Inlandsvollstreckung mittels Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend machen.52
IV. Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung Schrifttum: Ch. Schreiber, Die Haftung des Vollstreckungsgläubigers im internationalen Zivilrechtsverkehr, 2008.
41
Art und Umfang der Haftung wegen ungerechtfertigter Vollstreckung richten sich kollisionsrechtlich nach der jeweiligen lex fori.53 Bei einer Vollstreckung in Deutschland haftet der Gläubiger demnach gem § 717 II, III ZPO.
42
Sowohl der Schadenersatzanspruch als auch der Erstattungsanspruch sind deliktisch zu qualifizieren (vgl Art 4 I Rom II-VO) und können daher im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art 5 Nr 3 EuGVO/LugÜ, Art 7 Nr 2 EuGVO nF bzw § 32 ZPO) geltend gemacht werden.54 Die Klage kann danach 49 EuGHE 1990, I-27 (Reichert v Dresdner Bank) = IPRax 1991, 45 (dazu Schlosser, S 29); EuGHE 1992, I-2149 (Reichert v Dresdner Bank) = IPRax 1993, 26 (dazu Schlosser, S 17). 50 Vgl MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 46. 51 Vgl Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S 512ff. 52 BGH NJW 2008, 3640 = DGVZ 2009, 39; krit. Ch. Paulus DGVZ 2010, 98. 53 Geimer IZPR, Rz 3287; aA Ch. Schreiber, S 71ff, 90ff (für deliktsrechtliche Qualifikation). 54 BGHZ 189, 320 = ZZP 124 (2011), 377, 378 (Tz 10) (Ch. Schreiber); Ch. Schreiber, S 54ff, 68f.
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Die einzelnen Vollstreckungsarten
§ 19
dort erhoben werden, wo die Partei ungerechtfertigt an die Gegenpartei geleistet hat.55 Ist vollstreckt worden, liegt der Gerichtsstand im Vollsteckungsstaat. Hat der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet, so kommt auch eine Zuständigkeit im Wohnsitzstaat des Schuldners in Betracht.56 Außerdem kann der Anspruch auch im allgemeinen Beklagtengerichtsstand 43 nach Art 2 EuGVO/LugÜ, Art 4 EuGVO nF bzw §§ 12, 13, 17 ZPO geltend gemacht werden.57 Bei einer ungerechtfertigten Vollstreckung aus einem europäischen Vollstreckungstitel ändert sich nichts an diesen Zuständigkeiten. Art 22 Nr 5 EuGVO/LugÜ bzw Art 24 Nr 5 EuGVO nF sind dagegen nicht anwendbar, weil die Schadenersatzklage nicht auf Abwehr der Zwangsvollstreckung als solche gerichtet ist.58
V. Die einzelnen Vollstreckungsarten 1. Internationale Sachpfändung und Herausgabevollstreckung Schrifttum: K. Fohrer/P. Mattil, Der „grenzüberschreitende“ dingliche Arrest im Anwendungsbereich des EuGVÜ, WM 2002, 840; H. Huber, Verarrestierung von Wertpapieren, welche durch inländische Banken im Ausland verwahrt werden, SchwJZ 65 (1969), 149; A. Kunze/D. Otto, Internationale Zwangsvollstreckungszuständigkeit, rechtliche Grenzen und Gegenmaßnahmen, IPRax 2010, 557.
44
a) Sachpfändung International zuständig ist nur der Staat, in dem die bewegliche oder unbeweg- 45 liche Sache belegen ist. Nur dort können die Sachen weggenommen (§ 808 ZPO), Grundstücke verwertet werden. Das Recht des Vollstreckungsstaats bestimmt zugleich die Vollstreckungsgrenzen (in Deutschland: §§ 811f ZPO; § 865 ZPO; § 765a ZPO).59
46
Verbringt der Schuldner eine bereits gepfändete Sache unzulässig ins Ausland, 47 bleibt das Pfändungspfandrecht grds bestehen.
b) Herausgabevollstreckung Ist eine Sache für den Auslandsgläubiger im Inland wegzunehmen oder eine 48 Wohnung im Inland zu räumen, wird dies zunächst problemlos durch den inländischen Gerichtsvollzieher durchgeführt (§§ 883, 885 ZPO). Die bewegliche Sache hat der Gerichtsvollzieher dann dem Gläubiger bzw dessen Vertreter zu übergeben oder an die ausländische Adresse des Gläubigers auftragsgemäß zu versenden. 55 56 57 58 59
BGHZ 189, 320 = ZZP 124 (2011), 377, 382 (Tz 21). Ch. Schreiber, S 62ff. Ch. Schreiber, S 55, 67f. Ch. Schreiber; S 52ff; MüKo/Gottwald Art 22 EuGVO Rz 46. Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 215.
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§ 19
Internationale Zwangsvollstreckung
49
Befindet sich die herauszugebende bewegliche Sache oder ein herauszugebendes Kind im Vollstreckungsstaat, so kann die Herausgabevollstreckung dort problemlos betrieben werden.
50
Umgekehrt wird etwa eine ausländische Entscheidung, die die Herausgabe eines Kindes an den anderen Elternteil anordnet, nach §§ 108, 110, 88ff FamFG im Inland vollstreckt, soweit nicht § 44 IntFamRVG eingreift (s u Rz 69).60
51
Zweifelhaft ist dagegen, ob bei Belegenheit der Sache im Ausland oder Auslandsaufenthalt des Kindes eine Inlandsvollstreckung durchgeführt werden kann, indem die Herausgabe als unvertretbare Handlung durch Anordnung von Zwangsgeld oder Zwangshaft nach § 888 ZPO vollstreckt wird.61
52
Ein solches Umfunktionieren ist im Inland unzulässig62 und sollte es daher auch im Verhältnis zum Ausland sein, zumal dadurch Schutzvorschriften der konkreten Herausgabevollstreckung unterlaufen werden könnten, insb bei der Herausgabevollstreckung in Wohnraum.
2. Immobiliarvollstreckung gegen ausländische Schuldner 53
Eine Hypothek über eine Forderung in ausländischer Währung ist nur im Rahmen des § 28 GBO zulässig. Die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines Grundstücks, dessen Eigentümer seinen Wohnsitz im Ausland hat, folgt grds den allgemeinen Regeln des ZVG.
54
Hat der Gläubiger über ein Grundpfandrecht eine vollstreckbare Urkunde (§§ 794 I Nr 5, 800 ZPO), so kann die Einleitung der Zwangsversteigerung gleichwohl schwierig sein, weil dieser Titel dem Schuldner nach § 750 ZPO ins Ausland zuzustellen ist. Gegebenenfalls kann es sich daher empfehlen, in der Grundschuldurkunde einen Zustellungsverzicht zu vereinbaren oder den Schuldner zu verpflichten, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.63
55
Zur Immobiliarvollstreckung bei ausländischem Güterstand s o Rz 11, 14.
56
Frei
3. Internationale Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung Schrifttum: F. Eichel, Gerichtsgewalt und internationale Zuständigkeit für die Vollstreckung nach §§ 887ff. ZPO bei ausländischem Leistungsort, IPRax 2013, 146; J. Grothaus, Inlandsvollstreckung mit Auslandswirkung – Die inländische Vollstreckung von Handlungs- und Unterlassungsentscheidungen mit ausländischem Leistungsort, 2010; M. Heese, Sachaufklärung mittels extraterritorialer Handlungsvollstreckung, ZZP 124 (2011), 73.
60 61 62 63
Vgl BGHZ 88, 113 = NJW 1983, 2775. Dafür Schack, IZVR, Rz 1073. Ebenso Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rz 57.12, 57.14. Jauch ZfIR 1999, 330, 332.
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Die einzelnen Vollstreckungsarten
§ 19
a) Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung Soweit die Willenserklärung mit Eintritt der Rechtskraft (wie nach deutschem 57 Recht gem § 894 ZPO) als abgegeben gilt, handelt es sich dennoch um eine vereinfachte Vollstreckungswirkung. Die Vollstreckungsfiktion tritt in einem anderen Staat also nicht mit der bloßen ipso iure-Anerkennung ein, vielmehr muss die ausländische Entscheidung zuvor für vollstreckbar erklärt werden.64 Streitig ist, ob die Erklärung im Inland rückwirkend auf den Tag der im Ausland eingetretenen Rechtskraft65 oder erst mit Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung66 als abgegeben gilt. Kennt das Recht des Urteilsstaats keine § 894 ZPO entsprechende Regel, son- 58 dern hält es den Schuldner durch Zwangsmaßnahmen zur Abgabe der Erklärung an, so wird das Urteil im Inland doch nicht nach den Regeln über die Handlungsvollstreckung (§ 888 ZPO) vollstreckt, vielmehr gilt die Erklärung mit der rechtskräftigen Vollstreckbarerklärung im Inland als abgegeben.67 Ist eine Willenserklärung nach einem deutschen Titel vor einer ausländischen 59 Behörde abzugeben und erkennt diese die fiktive Abgabe nach § 894 ZPO nicht an, so sollte man freilich den Ausweg über die Handlungsvollstreckung nach § 888 ZPO zulassen, bevor man den Gläubiger auf Schadenersatzansprüche nach Maßgabe des anwendbaren Rechts verweist (vgl § 893 ZPO).68
b) Vollstreckung vertretbarer Handlungen In nationalen Fällen kann der Gläubiger vom Prozessgericht ermächtigt wer- 60 den, die Handlung auf Kosten des Schuldners vorzunehmen, und zugleich kann der Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten verurteilt werden, § 887 ZPO. Dies gilt auch, wenn die vertretbare Handlung selbst im Ausland vorzunehmen und damit das Betreten eines Grundstücks des Schuldners im Ausland verbunden ist. Gegen eine Verurteilung zu den Kosten der Ersatzvornahme bestehen auch in diesen internationalen Fällen keine Bedenken.69 Diese Kostenentscheidung kann nach allgemeinen Regeln im In- oder Ausland vollstreckt werden. Auch zur Duldung der Ersatzvornahme im Ausland kann der Schuldner im In- 61 land verurteilt werden. Diese Duldung ist eine unvertretbare Handlung bzw Unterlassung und kann im Inland durch Beugezwang nach § 890 ZPO indirekt
64 So Gottwald IPRax 1991, 285, 290; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rz 55.50; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard/Lakkis, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl 2010, § 12 Rz 7; aA Geimer, FS Georgiades, 2005, S 489, 496. 65 Dafür Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rz 55.50. 66 So Treibmann S 127. 67 Vgl Zöller/Geimer § 722 Rz 9 b. 68 So Schack, IZVR, Rz 1082; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rz 55.50. 69 BGH RIW 2010, 328, 329 (Tz 13ff) = ZZP 124 (2011), 123; dazu Heese ZZP 125 (2011), 73 u Eichel IPRax 2013, 146.
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§ 19
Internationale Zwangsvollstreckung
erzwungen werden, sofern die Handlung oder Unterlassung im Ausland nicht unzulässig ist.70 62
Lediglich die reale Duldung unter Zwangsanwendung im Ausland (durch Gewaltanwendung oder Ordnungshaft) kann nur von den Vollstreckungsorganen am Ort erzwungen werden. Das deutsche Gericht kann daher den Gläubiger nicht ermächtigen, einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen, um in Rom beim Schuldner Auszüge aus dessen Büchern zu fertigen.71
c) Vollstreckung unvertretbarer Handlungen oder Unterlassungen 63
Unstreitig kann der in den §§ 888, 890 ZPO vorgesehene Beugezwang zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung gegenüber einem ausländischen Beklagten auch im Inland angeordnet und vollstreckt werden. Hierin liegt kein Übergriff in die ausländische Hoheitsgewalt.72 In europäischen Fällen ergibt sich aus Art 49 EuGVO/LugÜ (bzw Art 55 EuGVO nF), dass die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats für die Festsetzung von Zwangsgeldern international zuständig sind.73
64
Zweifelhaft ist dagegen, ob das bei Zuwiderhandlung angedrohte und festgesetzte Zwangsgeld auch durch Vollstreckung in Auslandsvermögen beigetrieben werden kann. Da die Zwangsgeldanordnung Vollstreckungsmaßnahme ist, scheidet nach allgemeinen Regeln ihre Durchsetzung im Ausland aus.
65
Inwieweit hiervon Art 49 EuGVO/LugÜ (bzw Art 55 EuGVO nF) eine Ausnahme bildet, ist streitig. Vorbild der Regelung ist Art 7 des deutsch-niederländischen Vertrags von 1962. Dieser sieht ausdrücklich vor, dass deutsche Gerichte für eine entsprechende niederländische Entscheidung eine Vollstreckungsklausel erteilen, freilich erst, wenn die tatsächlich verwirkte Zwangssumme festgesetzt worden ist. Bei der Schaffung von Art 43 EuGVÜ/LugÜ 1988 mag man an diese Regelung und die astreinte des französischen Rechts74 gedacht haben. Die Bestimmung spricht aber allgemein von „Zwangsgeld“ ohne Beschränkung auf das dem Gläubiger Zufließende.
66
Nach einer Ansicht soll die Bestimmung auf das deutsche Zwangsgeld nicht anzuwenden sein, weil es öffentlich-rechtlicher Art ist, dem Justizfiskus zufließt und dieser nicht im Ausland vollstrecken dürfe.75
70 OLG Stuttgart ZZP 97 (1984), 487; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S 367; Geimer, IZPR, Rz 3226f, 3229; aA OLG Düsseldorf NJOZ 2004, 3377, 3379 (keine Anwendung von § 888 ZPO auf vertretbare Handlungen). 71 Geimer/Schütze/Safferling IRV, Art 16 EuGVÜ Rz 27. 72 OLG Hamburg IPRspr. 2005, Nr 177, S 486; OLG Düsseldorf NJOZ 2004, 3377, 3379f; OLG Köln RIW 2003, 71; Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 216. 73 BGH RIW 2010, 328, 329 (Tz 16). 74 Vgl E. du Rusquec, Astreintes, Juris Cl. Procédure Civile, Fasc. 2140 (1993); Kerameus, Essays in honor of A. v. Mehren, 2002, S 107. 75 So Treibmann, S 156ff; Bruns ZZP 118 (2005), 3, 15.
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Eine weitere Ansicht will den deutschen Titel im Ausland durch eine französische Astreinte-Anordnung ergänzen.76 Die Gegenansicht hält sich an den Wortlaut der Bestimmung und verweist 67 darauf, dass andernfalls eine Gleichbehandlung der internationalen Handlungsvollstreckung in der EU nicht gewährleistet ist.77 Dieser Ansicht hat sich der BGH angeschlossen. Mit Beschluss v 25.3.2010 hat er ausdrücklich festgestellt, dass die Justizbeitreibungsordnung einer Vollstreckung des Ordnungsgeldes gem § 890 ZPO im Ausland nicht entgegenstehe.78 Mit Urteil v 18.10.2011 hat auch der EuGH bestätigt, dass die Vollstreckung eines deutschen Ordnungsgeldes eine Zivil- und Handelssache ist.79
d) Europäische Entscheidungen über die elterliche Verantwortung Schrifttum: U. P. Gruber, Das neue Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FamRZ 2005, 1603, 1609; K. Schulte-Bunert, Die Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung nach der VO (EG) 2201/2003 in Verbindung mit dem IntFamRVG, FamRZ 2007, 1608; A. Schulz, Das Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FamRZ 2011, 1273, 1278.
68
Solche Entscheidungen sind im Rahmen der Art 28ff, 41f EheGVO im Inland 69 zu vollstrecken. Vorgesehen sind aber nicht die Zwangsmittel nach § 95 FamFG iVm §§ 888, 890 ZPO. § 44 IntFamRVG regelt die Voraussetzungen für die Festsetzung von Ordnungsgeld, Ordnungshaft oder für die Gewaltanwendung vielmehr eigenständig.80 Ordnungsgeld kann danach auch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die Handlung oder Unterlassung wegen Zeitablaufs nicht mehr durchgesetzt werden kann.
e) Unterlassungsvollstreckung Sieht man Ordnungsgeld und Ordnungshaft trotz ihres Namens nicht als Beu- 70 gemittel, sondern als echte Strafen an, die nur bei Verschulden verhängt werden dürfen,81 so könnte das Zwangsgeld zwar im Fall des § 888 ZPO, nicht aber im Fall des § 890 ZPO im EU-Ausland beigetrieben werden. Eine solche Unterscheidung ist aber nicht sinnvoll. Von der dogmatischen Einordnung der Ordnungsmittel des § 890 ZPO sollte auch keine konkrete Lösung von Einzelfragen abhängen.82 76 So Schack, IZVR, Rz 1081; vgl auch Kerameus RdC 264 (1997), 181, 394ff. 77 MüKo/Gottwald, Art 49 EuGVO Rz 4; Geimer/Schütze EuZVR, Art 49 EuGVO Rz 2; Kropholler/v. Hein Art 49 EuGVO Rz 1 (aE); Lindacher, FS Gaul, 1997, S 399, 407; Schlosser Art 49 EuGVO Rz 8. 78 BGHZ 185, 124 (Tz 11ff) = NJW 2010, 1883 = IPRax 2012, 72 (dazu Bittmann, S 62). 79 EuGH (C-406/09, Realchemie Nederland) ZIP 2012, 344; dazu Mankowski EWiR 2012, 85; St. Arnold ZEuP 2012, 315. 80 Vgl Gruber FamRZ 2005, 1603, 1609f. 81 So wohl Schack, IZVR, Rz 1083. 82 So auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl 2010, § 73 III (S 993); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rz 55.47.
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Internationale Zwangsvollstreckung
Der deutsche Unterlassungstitel sollte daher im Ausland nach den dortigen Regeln, ein bereits festgesetztes deutsches Ordnungsgeld wie eine Geldforderung in Zivilsachen vollstreckt werden.83 Soweit die Durchsetzung auf das Inland beschränkt ist, bestehen keine Bedenken gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld bzw Ordnungshaft.84
f) Schadenersatz wegen Nichterfüllung 72
Bleibt die Handlungs- bzw Unterlassungsvollstreckung erfolglos, kann dem Gläubiger ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung zustehen. Nach § 893 II ZPO ist dieser vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. Nach § 802 ZPO handelt es sich um einen ausschließlichen Gerichtsstand, doch gilt dies nur im nationalen Rahmen. Auf § 893 II ZPO kann daher zwar eine internationale Entscheidungszuständigkeit gestützt werden,85 doch hat diese keinen ausschließlichen Charakter.86
g) Sachaufklärung und Vermögensauskunft Schrifttum: Grünbuch v 7.3.2008 zur effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vermögenstransparenz des Schuldners, KOM (2008) 128 endgültig.
73
In Deutschland besteht die Pflicht zur Vermögensauskunft nach § 802c ZPO bereits vor einem erfolglosen Pfändungsversuch87, eine objektbezogene Offenbarungsversicherung nur bei erfolgloser Herausgabevollstreckung nach § 883 II ZPO. Hat der Schuldner Vermögen im Ausland oder hat er die herauszugebende Sache ins Ausland geschafft, muss er auch das Auslandsvermögen88 und den Verbringungsort im Ausland angeben.
74
Schuldner der Vermögensauskunft kann auch eine Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland sein. Die internationale Zuständigkeit für die Abnahme folgt dann einer analogen Anwendung der §§ 899, 21 ZPO.89 Offenbarungspflichtig ist bei juristischen Personen der gesetzliche Vertreter, nicht ein inländischer Generalbevollmächtigter. Auch die Ladung zur Abgabe der Auskunft muss dem gesetzlichen Vertreter zugestellt werden.
75
Größere Bedeutung haben freezing orders (früher Mareva injunctions), die die englischen Gerichte schon vorab nach Einleitung eines Hauptsacheverfahrens erlassen (s o § 17 Rz 113f). Durch einstweilige Anordnung wird hier verfügt,
83 So auch BGH RIW 2010, 328 = ZZP 124 (2011), 123 (Tz 18). 84 BGH RIW 2010, 328 = ZZP 124 (2011), 123, 125; dazu Heese ZZP 124 (2011), 73, 75ff. 85 BGH NJW 1997, 2245. 86 G. Vollkommer IPRax 1997, 323, 325; Zöller/Geimer, IZPR, Rz 40; Geimer, IZPR, Rz 877, 1283; aA BGH NJW 1997, 2245. 87 Vgl M. Würdinger JZ 2011, 177; MüKo/Wagner § 802c Rz 2. 88 Heß Rpfleger 1996, 89, 91; Zöller/Stöber, § 807 ZPO Rz 19; Schlosser RdC 284 (2000), 155. 89 LG Zwickau IPRax 1996, 193 (dazu Rauscher, S 179); Heß Rpfleger 1996, 89f; Soergel/ Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 214.
950
Die einzelnen Vollstreckungsarten
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dass der mutmaßliche Schuldner sein in England befindliches oder gar sein weltweites Vermögen schon vor Verurteilung zur Leistung zu offenbaren und der Verfügungsbefugnis eines Zwangsverwalters (receiver) bis zur Entscheidung über die Leistungsklage zu unterstellen habe.90 Völkerrechtlich ist gegen solche Anordnungen nichts einzuwenden.91
76
Immer noch streitig ist die Frage, ob solche Anordnungen über Art 32, 38ff 77 EuGVO/LugÜ bzw Art 39ff EuGVO nF auch im Inland zu vollstrecken und die Befugnisse des receiver im Inland anzuerkennen sind. Zwar geht eine solche Vollstreckung über den üblichen Inlandsrechtsschutz hinaus, so bestehen dagegen doch keine Bedenken. Deshalb sind auch solche englischen Anordnungen anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.92
4. Internationale Forderungspfändung Schrifttum: Th. Audétat, Die internationale Forderungspfändung nach schweizerischem Recht, 2007; H. Kotrschal/N. Stalberg, Die grenzüberschreitende Vollstreckung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen in Geldforderungen ausländischer Drittschuldner, insbesondere in ausländische Bankguthaben, BKR 2009, 38; D. Mühlhausen, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen deutscher Gerichte in Bankguthaben von Inländern bei Auslandsfilialen, WM 1986, 957; M. Schimrick, Die unmittelbare grenzüberschreitende Forderungsvollstreckung im internationalen und europäischen Rechtsraum, 2012; L. Sonnabend, Der Einziehungsprozess nach Forderungspfändung im internationalen Rechtsverkehr, 2007. Grünbuch v 24.10.2006 zur effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung, KOM (2006) 618 endgültig; Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen v 25.7.2011, KOM (2011) 445; Heß, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, § 10 Rz 155ff.
78
a) Belegenheit der Forderung im Inland Nach dem Territorialitätsgrundsatz kann nur eine im Inland belegene Forderung gepfändet werden. Belegenheit einer Forderung ist freilich nur fiktiv durch rechtliche Anordnung festzulegen. § 23 S 2 ZPO ordnet an, dass Forderungen am Wohnsitz des Forderungsschuldners93 oder am Ort einer Realsicherheit belegen sind. Die Pflicht eines Inländers, im Ausland Steuer- oder Zollforderungen zu bezahlen, soll gleichwohl nur in dem betreffenden ausländischen Staat belegen sein.94
90 Vgl Republic of Haiti v Duvalier (1989) 2 WLR 261; Derby & Co. Ltd. v Weldon (1989) 2 WLR 412. 91 Vgl Schlosser, FS W. Lorenz, 1991, S 497, 503f. 92 OLG Karlsruhe ZZPInt. 1996, 91 m Anm Zuckerman/Grunert. 93 BGH (IX ZR 130/10, 20.12.12) (Rz 18); ebenso in England: Kaye JBl 1989, 449f. 94 BGH JZ 2011, 858, 859 (abl H. Roth) = RIW 2011, 157 (Bollacher/Evke de Groot).
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§ 19 80
Internationale Zwangsvollstreckung
Hinzu tritt die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nach § 828 II ZPO: (1) am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners im Inland, (2) am Ort von Inlandsvermögen des Schuldners. Hieraus folgt:
81
Haben Schuldner und Drittschuldner Wohnsitz/Sitz im Inland, so kann der Auslandsgläubiger problemlos pfänden.
82
Problemlos ist auch der Fall, dass der Schuldner Wohnsitz/Sitz im Ausland hat, der Drittschuldner aber Wohnsitz/Sitz im Inland. Denn dann bedarf es zur Vollstreckung keiner Vornahme von hoheitlichen Handlungen im Ausland.95 Für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zuständig ist das Vollstreckungsgericht am Sitz des Drittschuldners.96 Die Inlandszustellung an den Drittschuldner ist problemlos. Nach § 829 II 3 ZPO kann die Auslandszustellung an den Schuldner durch eine Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 184 I 2 ZPO) ersetzt werden.97
83
Eine Vorpfändung kann dem Auslandsschuldner generell durch Aufgabe zur Post zugestellt werden (§ 845 I 4 ZPO).
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Werden Bankguthaben des Schuldners bei einer Bank mit Sitz im Inland gepfändet, soll sich die Beschlagnahmewirkung auf das Inland beschränken und nicht Konten bei einer Zweigniederlassung im Ausland erfassen.98 Auf das Forderungsstatut selbst kommt es nicht an.
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Ist eine inländische Dienststelle oder Zahlstelle eines ausländischen Staats Drittschuldner, so ist der Erlass eines Zahlungsverbotes ausgeschlossen. Wird der Lohn durch Vermittlung einer deutschen Behörde bezahlt und wird diese von einem deutschen Vollstreckungsorgan ersucht, nicht an den Schuldner, sondern an den Pfändungsgläubiger zu zahlen, so darf die deutsche Behörde dem (gem §§ 835, 836 ZPO) Folge leisten (Art 35 lit a ZANTS). Wird der Lohn dagegen nicht durch Vermittlung einer deutschen Behörde bezahlt, so wird der gepfändete Lohn von den Behörden der Truppe oder des zivilen Gefolges bei der zuständigen Stelle hinterlegt (Art 35 lit b ZANTS).
86
Allerdings gibt es Staaten, die die Forderungsbelegenheit anders festlegen, etwa nach dem Wohnsitz des Schuldners (so früher die Schweiz; anders jetzt Art 167 III schweiz. IPRG 1987 für Forderungen des Gemeinschuldners). Meist werden Forderungspfändung und Überweisung als rechtliche Einheit behandelt.
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Wird die Forderung in solchen Fällen doppelt gepfändet, so ist grds vom Prioritätsprinzip auszugehen.99 Gegenüber der nachrangigen Pfändung hat der 95 M. Schimrick, S 95. 96 OLG Saarbrücken IPRax 2001, 456 (krit. E. Jestaedt, S 438: Verstoß gegen Art 3 II EuGVÜ). 97 Vgl Hornung DGVZ 2004, 85, 87. 98 Vgl Kuwait Oil Tanker Corp v Quabazad [2003] I.L.Pr. 45 (H.L.); Zondler AJP/PJA 2005, 573. 99 Vgl M. Schimrick, S 124, 191ff.
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Die einzelnen Vollstreckungsarten
§ 19
Drittschuldner ein Leistungsverweigerungsrecht.100 Hat er bereits auf die erste Pfändung hin geleistet, ist er frei geworden.101 Zulässig muss es auch sein, dass der Drittschuldner in solchen Fällen die Forderung für die beteiligten Pfändungsgläubiger nach § 372 BGB hinterlegt.102 International zweifelhaft ist, ob der Drittschuldner sich trotz vorrangiger Pfän- 88 dung auf eine zeitlich nachfolgende zwangsweise Tilgung seiner Forderung im Ausland berufen kann, die er nicht verhindern kann. Das Reichsgericht103 hat die Frage verneint. Dagegen hob das englische House of Lords sogar einen vorrangigen garnishee order auf, nachdem der Drittschuldner, die Shell International, nachwies, dass der Schuldner, die National RAK-Oil, gegen ihn in Ras Al Khaimah unabwendbar vollstrecken werde.104 Hat der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, der Dritt- 89 schuldner Wohnsitz/Sitz dagegen im Ausland, so ist streitig, ob eine Forderungspfändung im Inland zulässig ist. Nach § 828 II, 1. Fall ZPO kann ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 90 ergehen, weil der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Manche meinen, da sich die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner richte, liege in der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegenüber dem Drittschuldner keine hoheitliche Maßnahme; dem Drittschuldner werde lediglich mitgeteilt, dass er aufgrund der Pfändung nicht mehr befreiend an den Schuldner leisten könne.105 In dem Erlass und der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbe- 91 schlusses ins Ausland liegt kein völkerrechtswidriger Akt.106 Freilich ist die Ansicht, der Drittschuldner werde lediglich von bereits eingetretenen Rechtswirkungen zu seinem Schutz benachrichtigt, mit § 829 III ZPO nicht vereinbar. Denn erst die Zustellung an ihn hat nach deutschem Recht pfandrechtsbegründende Wirkung. Es ist deshalb Sache des Auslandes, ob es bei der Perfektion eines deutschen Hoheitsaktes mitwirkt oder nicht.107 Häufig verweigert das Ausland diese Mitwirkung. Tatsächlich sieht Art 13 I HZustÜ 1965 ebenso wie Art 4 HZÜ 1954 vor, dass der ersuchte Staat die Zustellung ablehnen darf, wenn er sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte zu gefährden. Nach einer Änderung der §§ 28, 59 ZRHO v 23.3.1999 (jetzt §§ 29, 84 ZRHO 100 Vgl RGZ 36, 355; krit Gronstedt, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, 1994, S 106ff. 101 Vgl M. Schimrick, S 129 (Erlöschen nach Maßgabe der lex causae, Art 12 I lit b Rom I-VO). 102 BGH IPRax 1985, 154; krit. Gronstedt, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, 1994, S 112. 103 RGZ 77, 250. 104 Deutsche Schachtbau- und Tiefbaugesellschaft v Shell International, ILM 27 (1988), 1032. 105 Schack, IZVR, Rz 1086; Geimer IZPR, Rz 408, 408b und Rz 612; Soergel/Kronke Art 38 EGBGB Anh Rz 214. 106 M. Schimrick, S 65ff, 92f. 107 Vgl Schima, FS Dölle, S 341, 348f; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl 2005, Rz 39; Hök Rev.crit. 2006, 301.
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§ 19
Internationale Zwangsvollstreckung
nF) lassen die Landesjustizverwaltungen die Auslandszustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an ausländische Drittschuldner aber zu. Es hängt dann von der Kooperationsbereitschaft des Empfängerstaats ab, ob die Forderungspfändung mit der Zustellung an den ausländischen Drittschuldner wirksam wird. Im Verhältnis zu Österreich soll diese Bereitschaft jedenfalls gegeben sein.108 92
In England hält man den Erlass einer garnishee order in Bezug auf eine „foreign debt“ zwar für zulässig, sieht aber vom Erlass ab, wenn der Drittschuldner sonst in die Gefahr gerät, doppelt zahlen zu müssen.109
93
Ein Ausweichen auf eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr 2 ZPO, eine fiktive Inlandszustellung durch Aufgabe zur Post (§ 184 I 2 ZPO) oder eine formlose Briefzusendung sind unzulässig.
94
Dagegen meint Schack,110 an die Stelle der vom Ausland verweigerten Mitwirkung für die förmliche Zustellung könne eine öffentliche Zustellung gem § 185 Nr 3 ZPO treten. Eine solche Zustellung ist nach Art 10 (a) HZustÜ 1965 zulässig, sofern der Empfangsstaat dem nicht, wie Deutschland, widersprochen hat.
95
Die Inlandspfändung einer Forderung gegen einen ausländischen Drittschuldner ist danach in folgenden Fällen möglich: (1) Der Drittschuldner hält sich im Inland auf, so dass eine Inlandszustellung an ihn nach § 177 ZPO zulässig ist. (2) Das Unternehmen des Drittschuldners unterhält im Inland eine unselbständige Zweigniederlassung, und die Forderung hat Bezug zu dieser Niederlassung. Dass eine Pfändung im Ausland gegenüber der Hauptniederlassung in diesen Fällen keine Inlandswirkung haben soll,111 ist kaum begründbar. (3) Es wird eine dinglich gesicherte Forderung gepfändet, bei der die dingliche Sicherung im Inland belegen ist. Nach hM bedarf es hier, etwa bei der Pfändung einer Hypothekenforderung, grds überhaupt keiner Zustellung an den Drittschuldner.112 (4) Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird innerhalb der EU unmittelbar durch die Post per Einschreiben mit Rückschein zugestellt (Art 14 EuZustVO; § 183 I Nr 1 ZPO). (5) Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird auf Ersuchen des Vollstreckungsgerichts durch die Behörden des ersuchten Staats oder die deutsche diplomatische oder konsularische Vertretung zugestellt (§ 183 I Nr 2 ZPO). 108 Vgl Gottwald IPRax 1999, 395, 396. 109 Kuwait Oil Tanker Co. v Qabazard, English High Court [2001] ILPr 719; strenger das H.L. [2003] ILPr 45; vgl Mack IPRax 2005, 553, 557. 110 IZVR Rz 1087. 111 So aber BAG ZIP 1996, 2031, 2033f = IPRax 1997, 335 (dazu ablehnend Schack. S 318, 321) = NZA 1997, 334. 112 Vgl Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl 2010, Rz 1810.
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Die einzelnen Vollstreckungsarten
§ 19
(6) Hat der Drittschuldner lediglich sonstiges vollstreckungsfähiges Vermögen im Inland, scheidet de lege lata der Erlass eines deutschen Pfändungsbeschlusses aus.113 (7) Leistet der Drittschuldner auf die Pfändung und Überweisung hin nicht und wird er auf Klage des Gläubigers im Einziehungsprozess (vgl § 836 ZPO) hin verurteilt, so ist diese Entscheidung ohne jede Einschränkung in den anderen EU-Mitgliedstaaten bzw Vertragsstaaten nach Art 33ff EuGVO/LugÜ (bzw Art 36 EuGVO nF) anzuerkennen und gem Art 38ff EuGVO/LugÜ für vollstreckbar zu erklären114 bzw künftig nach Art 39 EuGVO nF kraft Gesetzes vollstreckbar.
b) Pfändung einer im Ausland zahlbaren Forderung bei der inländischen Niederlassung einer Bank? Da die juristische Person und ihre inländische Zweigniederlassung eine Ein- 96 heit bilden, kann die Forderung danach sowohl im Inland wie im Ausland gepfändet werden. Vorrang hat die zeitliche frühere Pfändung mit den Wirkungen der jeweiligen lex fori.115 In der Praxis wird aber im Auslandsgeschäft meist ein ausschließlicher Ge- 97 richtsstand am Zahlungsort vereinbart. Zwischen Kaufleuten ist eine solche Gerichtsstandsvereinbarung nach deutschem autonomem Recht gültig (§ 38 I ZPO); im Rahmen von Art 23 EuGVO/LugÜ (bzw Art 25 EuGVO nF) ist sie stets zu beachten. Eine solche Vereinbarung hindert zunächst die Pfändung als solche nicht. Der Pfändungsgläubiger kann aber nach Pfändung und Überweisung nur die Rechte des Schuldners geltend machen (§ 836 ZPO). Er kann den Drittschuldner daher (vorbehaltlich einer rügelosen Einlassung) nicht im Inland, sondern nur am vereinbarten Gerichtsstand im Ausland auf Leistung verklagen. Eine gesetzliche Prozessstandschaft aufgrund eines inländischen Überweisungsbeschlusses wird im Ausland aber als Akt der Zwangsvollstreckung idR nicht anerkannt.116 Diese Möglichkeit ist daher praktisch meist verschlossen.
c) Grenzüberschreitende Kontenpfändung in der EU Schrifttum: Häcker, Die geplante EU-Verordnung zur grenzüberschreitenden vorläufigen Kontopfändung, WM 2012, 2180; B. Hess, Die Europäische Kontenpfändung aus der Perspektive eines Europäischen Vollstreckungsrechts, FS Kropholler, 2008, S 795; B. Hess, Der Vorschlag der EU-Kommission zur vorläufigen Kontenpfändung – ein weiterer Integrationsschritt im europäischen Zivilverfahrensrecht, FS Kaissis, 2012, S 399; M. Schimrick, Die unmittelbar grenzüberschreitende Forderungsvollstreckung im internationalen und europäischen Rechtsraum, 2012, S 273; B. Sujecki, Grenzüberschreitende Kontenpfändung in der EU, EWS 2011, 414.
113 114 115 116
Schack IPRax 1997, 318, 321. Vgl M. Schimrick, S 185ff. OLG Hamburg NiemZ 1902, 271; Schack IPRax 1997, 318, 321. Schack IZVR, Rz 1090.
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§ 19 99
Internationale Zwangsvollstreckung
Der Vorschlag einer Verordnung für die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen … v 15.12.2005117 sah in E Art 34 eine grenzüberschreitende Lohn- oder Kontenpfändung wegen einer Unterhaltsforderung vor. Dieser Vorschlag war aber unausgereift118 und ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren für die EuUnthVO fallen gelassen worden.
100 Einen verbesserten Vorschlag für eine vorläufige grenzüberschreitende Kontopfändung hat die EU-Kommission am 25.7.2011 vorgelegt.119 Nach E Art 6ff kann der Gläubiger danach beim Gericht der Hauptsache den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung beantragen, wenn (1) die Forderung gegenüber dem Antragsteller begründet ist und (2) ohne die vorläufige Pfändung die Gefahr besteht, dass der Antragsgegner das Geld von dem Bankkonto abhebt, anderweitig verwendet oder verschiebt (E Art 7 I). Besitzt der Antragsteller bereits einen vollstreckbaren Titel, kann er dadurch das Bestehen seiner Forderung nachweisen (E Art 7 II). Der Antrag ist auf einem (vollständig ausgefüllten) Formular zu stellen (E Art 8). Der Pfändungsbeschluss wird grds ohne Anhörung des Gegners erlassen (E Art 10). 101 Das Gericht kann vom Antragsteller Sicherheitsleistung für einen etwaigen Schaden des Antragsgegners verlangen (E Art 12). 102 Wird der Pfändungsantrag noch vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens gestellt, muss das Verfahren innerhalb der vom Gericht festgelegten Frist, spätestens innerhalb von 30 Tagen, eingeleitet werden, andernfalls wird die vorläufige Kontopfändung widerrufen (E Art 13). 103 Liegt bereits ein Vollstreckungstitel vor, so kann der Antragsteller bei dem dafür zuständigen Gericht beantragen, auch den Beschluss über die vorläufige Kontopfändung zu erlassen (E Art 14). 104 Der Beschluss über die vorläufige Kontopfändung wird in allen EU-Staaten anerkannt und ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckt (E Art 23). 105 Der Beschluss wird der kontoführenden Bank zugestellt, bei einer Inlandszustellung nach inländischen Regeln, bei einer grenzüberschreitenden Zustellung nach der EuZVO Nr 1393/2007 (E Art 24). 106 Die Bank unterrichtet die zuständige Behörde und den Antragsteller, innerhalb von drei Tagen, ob und inwieweit Gelder auf dem Konto vorläufig gepfändet wurden (E Art 27). 107 Beträge innerhalb der nationalen Pfändungsfreigrenzen sind von der Beschlagnahmewirkung ausgenommen (E Art 32).
117 KOM (2005) 649 endgültig; vgl Heß JZ 2001, 573, 579; Heß, Study …, S 91ff. 118 Krit Gottwald FS Lindacher, 2007. 119 KOM (2011) 445 (abgedruckt in Jayme/Hausmann, 16. Aufl 2012, Nr 187); vgl Hess FS Kaissis, 2012, S 399; M. Schimrick, S 273ff.
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Die einzelnen Vollstreckungsarten
§ 19
Der Antragsgegner kann sich gegen eine zu Unrecht angeordnete vorläufige 108 Kontopfändung sowohl im Ursprungsstaat (E Art 34) als auch im Vollstreckungsstaat (E Art 35) zur Wehr setzen. Die Behörde des Vollstreckungsstaats setzt die Vollstreckung des Beschlusses aus, wenn der Antragsgegner ausreichende Sicherheit leistet (E Art 38).
109
d) Freezing Injunction Die Schwierigkeiten, die sich bei der Forderungspfändung ergeben, wenn eine 110 Zwangswirkung im Ausland eintreten soll, vermeidet das englische Recht, indem es ein lediglich gegen den Schuldner persönlich wirkendes Einziehungsverbot auch für seine Auslandsforderungen erlässt (Worldwide Freezing Injunction) (s o Rz 75).120 Im Fall Duvalier wurde die Anordnung sogar erlassen, obgleich der Hauptprozess der Regierung von Haiti gegen Duvalier auf Rückerstattung veruntreuten Vermögens in Frankreich anhängig war. Verbunden wird das Verfügungsverbot regelmäßig mit dem Gebot, jede Ver- 111 schiebung von Vermögenswerten über Ländergrenzen zu unterlassen und zugleich Auskunft über Natur, Belegenheit und Wert des Vermögens zu geben.121
e) Unpfändbarkeit der Forderung Soweit eine Forderungspfändung danach möglich ist, ist konkret zu beachten, inwieweit die Forderung unpfändbar ist.
112
Die Unpfändbarkeit kann sich bereits aus den Regeln über die Vollstreckungsimmunität des ausländischen Staats ergeben (s o Rz 24ff).122 Bei der Inlandspfändung gilt der Sozialschutz nach den §§ 850ff ZPO unabhängig vom Forderungsstatut; eine Kumulation empfiehlt sich schon aus praktischen Gründen nicht. Eine Forderung ist aber auch unpfändbar, soweit sie nicht abtretbar ist (§ 851 113 ZPO). Die Nichtabtretbarkeit kann sich aus dem Forderungsstatut ergeben. Sie ist auch vom Vollstreckungsstaat zu beachten.123 Derartige Fragen spielen eine größere Rolle bei der Pfändung sonstiger Vermögenswerte (§ 857 ZPO). Über ihre Pfändbarkeit entscheidet das Sachstatut.
120 Republic of Haiti v Duvalier (1989) 2 WLR 261; Derby v Weldon (1989) 2 WLR 413. 121 Schlosser, FS Lorenz, 1991, S 497, 503. 122 BGH RIW 2006, 60. 123 Schack IZVR, Rz 1065.
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§ 19
Internationale Zwangsvollstreckung
f) Pfändung sonstiger Rechte 114 Für die Pfändung sonstiger Rechte gelten die Regeln über die Forderungspfändung entsprechend (§ 857 I ZPO). Soweit bei ihnen ein Drittschuldner fehlt, wird die Pfändung mit Zustellung an den Schuldner (§ 857 II ZPO) wirksam. Gesellschaftsanteile an einer BGB-Gesellschaft oder einer Personengesellschaft sind pfändbar (§ 859 ZPO) und am Sitz der Gesellschaft belegen. Die Mitgesellschafter sind jeweils als Drittschuldner anzusehen.124 Der Gesellschaftsanteil an einer GmbH ist ebenfalls am Sitz der Gesellschaft belegen; nach hM wird die GmbH selbst als Drittschuldnerin behandelt.125 Sieht der pfändende Staat den GmbH-Anteil jedoch als drittschuldnerloses Recht an, so ist der Anteil auch ohne Zustellung an die GmbH gepfändet.126 115 Aktien und andere Wertpapiere sind dagegen wie bewegliche Sachen zu pfänden, vgl §§ 808 II, 821ff ZPO.
5. Grenzüberschreitende Gläubigeranfechtung 116 Die internationale Zuständigkeit für die Gläubigeranfechtungsklage richtet sich nach allgemeinen Regeln, auch soweit es sich um die Rückgewähr eines anfechtbar übertragenen Grundstückes handelt; weder Art 22 Nr 1 EuGVO/ LugÜ (bzw Art 24 Nr 1 EuGVO nF) noch § 24 ZPO greifen insoweit ein.127 117 Nach welcher Rechtsordnung Voraussetzungen und Wirkungen der Gläubigeranfechtung zu beurteilen sind, ist streitig. Der BGH hat auf die Rechtsordnung abgestellt, der der zu befriedigende Anspruch untersteht.128 118 Diese Anknüpfung führt zu unterschiedlichen Lösungen, je nachdem, welchem Recht der nicht befriedigte Anspruch untersteht. Aus der Sicht des Leistungsempfängers sollte dagegen ein einheitlicher Maßstab gelten. Deshalb ist auf das Sachstatut abzustellen, nach dem die anzufechtende Rechtshandlung vorgenommen wurde.129 119 Denkbar ist auch die Anknüpfung an das Recht des Staats, in dem die Vollstreckungschancen vereitelt wurden. Geboten ist einerseits ein Gleichlauf mit der Insolvenzanfechtung. Andererseits ist möglicherweise eine Zerlegung in Teilfragen geboten. Ob wegen einer unbefriedigten Forderung Gläubigeranfechtung
124 125 126 127 128
Zöller/Stöber, § 859 ZPO Rz 3, 7. Zöller/Stöber § 859 ZPO Rz 13. Vgl Schack IPRax 1997, 318, 322. Vgl OLG Düsseldorf IPRax 2000, 534, 536 (dazu Kubis, S 501). BGHZ 78, 318 = NJW 1981, 522 = IPRax 1981, 130 (dazu Großfeld, S 116); vgl auch LG Berlin IPRax 1995, 323 (dazu Hohloch, S 307). 129 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard Zwangsvollstreckungsrecht, § 35 Rz 159; J. Schmidt-Räntsch, Die Anknüpfung der Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkursverfahrens, 1984.
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Zwangsvollstreckung im Ausland
§ 19
zulässig ist, sollte danach dem Forderungsstatut entnommen werden, die Anfechtungsgründe und Fristen dagegen dem Recht des Verfügungsstaats.130 Gesetzlich geregelt ist das internationale Anfechtungsrecht durch das EGInsO, 120 dessen Regelung zum 1.1.1999 in Kraft getreten ist. § 19 AnfG131 lautet danach: „Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgebend, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen.“
VI. Zwangsvollstreckung im Ausland – Dänemark: G. Rump Christensen, Is the system of civil enforcement up-to- 121 date? Trends of development and review in Denmark, RHDI 50 (1997), 521. – England: N. Andrews/R. Turner, The system of enforcement of civil judgments in England, in: van Rhee/Uzelac, Enforcement and enforceability, 2010, S 127; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl 2006, Rz 59.34ff; J. Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England und Schottland, 2. Aufl 2005; A. Grothaus, Die englische Zwangsvollstreckung und der Schutz der Familie, 1999; B. Honold, Die Pfändung des Arbeitseinkommens, 1998; W. Kennett, The Enforcement Review: A Progress Report, C.J.Q. 20 (2001), 36. – Finnland: R. Konlu, Enforcement in Finland, RHDI 50 (1997), 537. – Frankreich: Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl 2006, Rz 59.1ff; C. Burkardt, Der Schutz der Familie in der französischen Zwangsvollstreckung, 1996; M. Chardon, Enforcement in France, in van Rhee/Uzelac, Enforcement and Enforceability, 2010, S 147. – Italien: Baur/Stürner/Bruns, Rz 59.57ff; E. Silvestri, The devil is in the detail: Remarks on Italian enforcement procedures, in van Rhee/Uzelac, Enforcement and Enforceability, 2010, S 207. – Österreich: Baur/Stürner/Bruns, Rz 59.142ff; Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht, 5. Aufl 2009. – Polen: J. Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, 2005. – Russland: V. Yarkov V. Abolonin, Enforcement in Russia, in van Rhee/Uzelac, Enforcement and Enforceability, 2010, S 217. – Schweden: U. Jacobsson, Enforcement proceedings in Sweden, RHDI 50 (1997), 483. – Schweiz: Baur/Stürner/Bruns, Rz 59.126ff. – Spanien: Baur/Stürner/Bruns, Rz 59.70ff. – USA: Baur/Stürner/Bruns, Rz 59.103ff; N. Pajic, Avenues for Enforcement and execution of judgements in the United States, in: van Rhee/Uzelac, Enforcement and enforceability, 2010, S 237. 130 Schack IZVR, Rz 1101ff. 131 Vgl M. Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Aufl 2000.
959
§ 20 Internationales Insolvenzrecht Inhaltsübersicht I. Allgemeine Grundfragen 1. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlagen a) Europäisches Recht . . . . . . . . b) Deutsches Recht . . . . . . . . . . c) UNCITRAL Model Law . . . . d) Sonstige Regelwerke . . . . . . . 3. Universalitätsprinzip a) Universalitätsgrundsatz . . . . b) Beschränkte Universalität . . c) Territorialitätsgrundsatz . . . . 4. Lex fori concursus . . . . . . . . . . . 5. Anerkennung ausländischer Verfahren a) Automatische Anerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Anerkennung . . . . . 6. Konzerninsolvenzen. . . . . . . . . . II. Internationale Insolvenzverfahren in Deutschland 1. Internationale Zuständigkeit . . a) Internationale Zuständigkeit für Hauptinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Für Sekundär- und Partikularverfahren . . . . . . . . . . . . . . (1) Nach europäischem Recht (2) Nach deutschem Recht . . c) Internationale Zuständigkeit für Annexverfahren . . . . 2. Eröffnungsverfahren und Wirkungen der Verfahrenseröffnung a) Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . b) Antragsbefugnis und Antragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicherungsmaßnahmen. . . . . d) Beschlagnahme des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Befugnisse der Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Prozessunterbrechung . . . . . . g) Prozessführung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . 3. Abwicklung grenzüberschreitender Verfahren . . . . . . . . . . . . . a) Forderungsanmeldung . . . . . . b) Verwertung ausländischen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . .
960
1 2 10 11 12 15 17 18 19
22 25 29
33
35 47 48 58 62
70 71 72 75 76 81 85 87 88 91
c) Zusammenarbeit zwischen Insolvenzverwaltern . . . . . . . d) Zusammenarbeit der Insolvenzgerichte . . . . . . . . . . . . . . e) Insolvenzplan/Sanierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verfahrensbeendigung . . . . . g) Restschuldbefreiung . . . . . . . III. Insolvenzkollisionsrecht 1. Allgemeines Schrifttum . . . . . . 2. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verträge in der Insolvenz. . . . . . 4. Sicherungsrechte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufrechnung in der Insolvenz . 6. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . 7. Insolvenzarbeitsrecht . . . . . . . . 8. Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . 9. Gesellschafterdarlehen . . . . . . . 10. Insolvenzverschleppungshaftung, Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Insolvenzrecht a) Sicherungsmaßnahmen . . . . b) Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beendigung des Verfahrens. . d) Insolvenzplan und Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . e) Anerkennung von Annexentscheidungen . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung nach autonomem deutschen Recht a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der Anerkennung . . . d) Vollstreckung ausländischer Insolvenzentscheidungen . . . 4. Auslandswirkung des deutschen Insolvenzverfahrens . . . .
99 102 105 106 107 109 110 112 113 117 120 121 124 125
127
129 130 131 140 141 145
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V. Sonderbereiche 1. Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Bankeninsolvenz . . . . . . . . . . . . 154 3. Versicherungsinsolvenz . . . . . . 157
Allgemeine Grundfragen
§ 20
I. Allgemeine Grundfragen 1. Schrifttum Geimer, Internationales Zivilprozessrecht (14. Teil), 6. Aufl 2009, S 1171; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997; Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechts-Handbuch (§§ 129–135), 4. Aufl 2010; B. Heß, Europäisches Zivilprozessrecht (§ 9), 2010, S 493; J. Holzer, Grundzüge des internationalen Insolvenzrechts, in Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gierl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht (Kap 12), 5. Aufl 2012, S 1045; P. Kindler/J. Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, (Loseblatt 2010); Leonhardt/Smid/Zeuner, Internationales Insolvenzrecht, 2. Aufl 2012; McBryde/Flessner/Kortmann, Principles of European Insolvency Law, 2003; P. Oberhammer, Internationales Insolvenzrecht: Strukturen und Perspektiven, General Report, XI World Congress of Procedural Law, 2011; H. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht (§§ 23–27), 5. Aufl 2010, S 377; St. Smid, Internationales Insolvenzrecht, 2012; Trautmann/Westbrook/Gaillard, Four models for international bankruptcy, AmJCompL 41 (1993), 573; B. Wessels, International Insolvency Law, 3rd ed 2012; B. Wessels/B. Markell/J. Kilborn, International Cooperation in Bankruptcy and Insolvency Matters, 2009; Westbrook/Booth/Paulus/Rajak, A global view of business insolvency systems, 2010; Westphal/Götker/Wilkens, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 2005; Wood, Principles of International Insolvency, 2nd ed 2007.
1
2. Rechtsgrundlagen a) Europäisches Recht Zur EuInsVO: I. v. Boehmer, (Deutsches) Internationales Inssolvenzrecht im Umbruch, Diss. Göttingen 2006; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung, 2002; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl 2010, S 1192; Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht – ein noch junges Rechtsgebiet, in Roth, Europäisierung des Rechts, 2010, S 53; Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechts-Handbuch (§ 130), 4. Aufl 2010, S 2289; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht/Undritz, EuInsVO, 3. Aufl 2009, S 2089; Hass/Huber/Gruber/Heiderhoff, EU-Insolvenzverordnung, 2005; J. Haubold, Europäische Insolvenzverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap 32, 2. Aufl 2010, S 1845; B. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, 2010, S 493; U. Huber, Inländische Insolvenzverfahren über Auslandsgesellschaften nach der Europäischen Insolvenzverordnung, FS W. Gerhardt, 2004, S 397; Jauch/Vallender/Dahl, European Insolvency Law, 2012; P. Mankowski, Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Kölner Schrift, 3. Aufl 2009, Kap 47, S 1467; P. Mankowski, Internationale Nachlassinsolvenzverfahren, ZIP 2011, 1501; P. Mankowski, Der ordre public im europäischen und im deutschen Internationalen Insolvenzrecht, KTS 2011, 185; I. Merorach, European Insolvency Law in a Global Context, JBL 7 (2011), 660; Moss/ Fletcher/Isaacs, The EC Regulation on Insolvency Proceedings, 2nd ed 2009; Münchener Kommentar zum BGB/Kindler, Bd 11, 5. Aufl 2010, IntInsR, S 836; Münchener Kommentar zur InsO/Reinhart, Bd 3, 2. Aufl 2008, S 1099; K. Pannen, Europäische Insolvenzverordnung, 2007; Ch. Paulus, Europäische Insolvenzverordnung, 3. Aufl 2010; Pinterich/Pröbsting, Europäisches Insolvenzreccht, 2011; Rauscher/Mäsch, Europäisches Zivilprozessrecht, Bd 4, Bearb 2010, S 859; St. Smid, Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Wien 2002; M. Virgos/F. Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice, 2004; J. Thieme, Rom I und Insolvenzverträge, FS v. Hoffmann, 2011, S 483; Ch. Thole, Vertragsgestaltung im Schatten des Insolvenzrechts – Prolegomena zu einer Systematik der insolvenzbezogenen Verträge, KTS 2010, 383; Ch. Thole, Die Anerkennung von (außerinsolvenzlichen) Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren im Europäischen Verfahrensrecht, FS Simotta, 2012, S 613; Vallender/Undritz/Stephan, Pra-
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2
§ 20
Internationales Insolvenzrecht
xis des Insolvenzrechts (Kap 15 Internationales Insolvenzrecht), 2012, S 912; Wimmer/ Wenner/Schuster, FK-InsO, 7. Aufl 2013, Anh I, S 3065. Zur Reform: Vorschlag für eine VO zur Änderung der VO (EG) Nr 1346/2000 über Insolvenzverfahren (12.12.2012), KOM (2012) 744 endg.; Report from the Commission to the European Parliament … on the application of Council Regulation (EC) No 1346/2000 … (12.12.2012), KOM (2012) 743 endg.; European Parliament, Report with recommendations to the Commission on insolvency proceedings (17.10.2011), A7-0355/2011. Ch. Paulus, EuInsVO: Änderungen am Horizont und ihre Auswirkungen, NZI 2012, 297; M. Prager/Ch. Keller, Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der EuInsVO, NZI 2013, 57; St. Reinhart, Die Überarbeitung der EuInsVO, NZI 2012, 304; R. de Weijs, Harmonisation of European Insolvency Law and the need to tackle two common problems, InternInsolRev 21 (2012), 67; B. Wessels, Ten Key Novelties in the future EU Insolvency Regulation; B. Wessels, On the future of European Insolvency Law, Insol Lecture of 11.10.2012.
3
Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sind heute im zunehmenden Maße grenzüberschreitender Natur. Bricht ein international tätiges Unternehmen zusammen, ist eine wirtschaftlich sinnvolle Abwicklung oder Sanierung nur möglich, wenn die beteiligten Staaten nach aufeinander abgestimmten Regeln vorgehen. Das gilt weltweit, ganz besonders aber in der EU als einem echten Binnenmarkt. Ohne eine Koordinierung der Abwicklung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen ist der Binnenmarkt noch nicht vollendet. Ein erster Entwurf eines Europäischen Konkursübereinkommens von 1980 ging von einem europäischen Einheitsverfahren aus. Den Unterschieden im materiellen Recht sollte durch die Bildung rechnerischer Untermassen Rechnung getragen werden. Obwohl die Unternehmen ja selbst auch mit einem von Staat zu Staat verschiedenen Rechnungswesen (territorial begrenzten Buchführungen, also ständigen Untermassen) arbeiten, erschien dieses Modell als zu schwierig.1 Vor allem wurde befürchtet, dass der Schutz nationaler Gläubiger dabei zu kurz kommen würde.
4
Das Istanbuler Europäische Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses v 5.6.19902 enthielt bereits die heutige Kompromisslösung der sog beschränkten Universalität.3 Ein Insolvenzverfahren sollte generell universale Wirkung haben, auf Antrag sollte aber aus Gründen der Praktikabilität oder des Schutzes nationaler (bevorrechtigter) Gläubiger ein (national begrenztes) Sekundärverfahren eröffnet werden können.
5
Erst nachdem die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen mit dem Vertrag von Amsterdam v 2.10.1997 Gemeinschaftsaufgabe geworden war, konnte die Europäische Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates über Insolvenzverfahren v 29.5.20004 (EuInsVO) verabschiedet werden. Sie gilt für alle EU-Mitglied-
1 Vgl Schack, IZVR Rz 1148 („hoffnungslos kompliziert“). 2 Abgedruckt bei Wimmer, FK-InsO, 7. Aufl 2013, Anh 5 nach § 358. 3 Vgl I. Metzger, Die Umsetzung des Istanbuler Konkursübereinkommens, 1994; St. Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht, 2001, S 63ff. 4 ABl EG 2000 Nr L 160/1.
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Allgemeine Grundfragen
§ 20
staaten (außer Dänemark). Nach hM gilt die EuInsVO nur für die Beziehungen innerhalb der EU, nicht dagegen für den Auslandsbezug zu einem Drittstaat.5 Auf der Grundlage dieser Verordnung besteht in der EU seit 31.5.2002 ein ein- 6 heitliches Recht für die grenzüberschreitende Abwicklung von Insolvenzverfahren. Insolvenzverfahren in diesem Sinne sind nur die in Anhang I zu Art 2 lit a aufgeführten Verfahren. Wird in einem EU-Mitgliedstaat ein anderes Liquidations- oder Sanierungsverfahren eröffnet, findet nicht die EuInsVO, sondern das autonome internationale (Insolvenz-)Recht Anwendung.6 Außergerichtliche Vergleichsverträge (zur Sanierung eines Unternehmens) im Vorfeld der Insolvenz werden von der EuInsVO nicht erfasst; als Schuldverträge fallen sie unter die Rom I-VO.7
7
Der deutsche Gesetzgeber hat zur EuInsVO Durchführungsregeln in Art 102 8 EGInsO erlassen.8 Die EuInsVO hat die Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzen in der 9 EU erheblich erleichtert, doch haben sich rasch verbesserungsbedürftige Punkte gezeigt. Auf Initiative des Europäischen Parlaments hat die Kommission daher am 12.12.2012 einen Vorschlag zur Reform der EuInsVO vorgelegt.9 Hauptinhalt dieses Vorschlags sind die folgenden Punkte: (1) Einbeziehung von Vorinsolvenzverfahren und Verfahren mit Eigenverwaltung, (2) Verbesserung der Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit, (3) Möglichkeit zur Ablehnung der Eröffnung eines Sekundärverfahrens, Verbesserung der Koordination von Haupt- und Sekundärverfahren sowie Abschaffung des Erfordernisses, dass das Sekundärverfahren Liquidationsverfahren sein müsse, (4) Verbesserung der EU-weiten Publizität der Verfahren und Erleichterung der Forderungsanmeldung und (5) Einführung von Regeln zur Koordinierung von Insolvenzverfahren gegenüber Konzernunternehmen.
b) Deutsches Recht Schrifttum: F. Cranshaw/Ch. Paulus/N. Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, Bd 2, 2. Aufl 2012, S 2371; O. Liersch, Deutsches Internationales Insolvenzrecht, NZI 2003, 302; D. Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, 2004; Ch. Paulus, Deutsches Internationales Insolvenzrecht (§§ 335ff. InsO und Art 102 EGInsO), in Kölner Schrift zum Insolvenzrecht, 3. Aufl 2009, Kap 46, S 1430; St. Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, 2004. 5 Vgl MüKoBGB/Kindler Art 1 EuInsVO Rz 25ff. 6 LAG Düsseldorf NZI 2011, 874 (Mankowski); vgl Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 9. 7 J. Thieme, FS v. Hoffmann, 2011, S 483; Ch. Thole, FS Simotta, 2012, S 613, 617. 8 Vgl Cranshaw, in Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, § 335 InsO Rz 13ff; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 104ff. 9 KOM (2012) 744; vgl Ch. Paulus BB 2013, Heft 4 Die Erste Seite.
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Internationales Insolvenzrecht
Die §§ 335 ff InsO finden nur dann Anwendung, wenn das Insolvenzverfahren neben Deutschland nur Drittstaaten, also Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO, betrifft.10 Das autonome deutsche Recht ist inhaltlich weitgehend parallel zur EuInsVO ausgestaltet, doch ist die Zusammenarbeit mit Drittstaaten förmlicher geordnet,11 insb bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Insolvenzentscheidungen (s § 353 InsO).
c) UNCITRAL Model Law 11
Schrifttum: I. Fletcher, Insolvency in private international law, 2nd ed 2005; L. Ch. Ho, Cross-Border Insolvency: A commentary on the UNCITRAL Model Law, 3rd ed 2012; S. C. Mohan, Cross-border Insolvency Problems: Is the UNCITRAL Model Law the Answer? IIRev 21(2012), 199; Smid/Thurner, UNCITRAL-Model Law on Cross Border Insolvency, 2000; Wimmer, Die UNCITRAL-Modellbestimmungen über grenzüberschreitende Insolvenzen, ZIP 1997, 2220.
Das UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency12 wurde am 15.12.1997 von der UN-Vollversammlung verabschiedet und allen Mitgliedstaaten zur Übernahme empfohlen. Eine Reihe wichtiger deutscher Handelspartner hat dies seither getan, etwa Argentinien, Australien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, Neuseeland, Südafrika und die USA13, so dass eine Kenntnis dieses Model Law in internationalen Fällen häufig unerlässlich ist.14 Auch England hat das Model Law im Verhältnis zu Drittstaaten übernommen. Ergänzt wurde das Model Law am 2.12.2004 durch den Legislative Guide on Insolvency Law.15 Dieser Leitfaden wurde am 6.12.2010 durch einen „Part three adressing the treatment of enterprise groups in insolvency“16 sowie am 16.12.2009 um den UNCITRAL Practice Guide on Cross-Border Insolvency Cooperation17 ergänzt. Schließlich hat das UNCITRAL Sekretariat am 13.9.2012 eine „Note“ über „Interpretation and application of selected concepts of the UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency relating to centre of main interests (COMI)“ vorgelegt.18
d) Sonstige Regelwerke 12
Der deutsch-österreichische Konkursvertrag v 25.5.1979 ist ab dem 31.5.2002 vollständig durch die EuInsVO ersetzt worden. Gleiches gilt für den deutschniederländischen Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen v 30.8.1962 (s o § 15 Rz 170).
10 Braun/Kammel, Praxis der Insolvenz, § 38 Rz 23; MüKoInsO/Reinhart, Vor §§ 335ff. InsO Rz 3. 11 Cranshaw, in Cranshaw/Paulus/Michel, § 335 Rz 29, 32, 35. 12 Text in ZIP 1997, 2224 u FK-InsO, 6. Aufl 2011, Anh 3 nach § 358 InsO. 13 S J. Howell, International Insolvency Law, 42 Int’l Law 113 (2008). 14 Vgl Gottwald/Kolmann, InsR-Hdb, § 134 Rz 7ff; FA-InsR/Holzer Kap 12 Rz 66aff. 15 Resolution 59/40; vgl FA-InsR/Holzer Kap 12 Rz 79ff. 16 Resolution 65/24 (A/RES/65/24); vgl FK-InsR/Holzer Kap 12 Rz 82ff. 17 Resolution 64/112 (A/RES/64/112). 18 A/CN.9/WG.V/WP.107.
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Allgemeine Grundfragen
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Bayern und Württemberg haben im 19. Jahrhundert mit Schweizer Kantonen Konkursverträge abgeschlossen. Ob diese Verträge noch fortgelten oder nicht, ist umstritten.19 Inhaltlich haben sie jedenfalls keine größere Bedeutung.
13
Für international tätige Unternehmen sind auch die Verträge von Montevideo 14 von 1940 zwischen einigen südamerikanischen Staaten, das Nordische Konkursübereinkommen zwischen den skandinavischen Staaten, das NAFTAÜbereinkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko und der afrikanische Uniform Act Organizing Collective Proceedings for Wiping Off Debts (OHADA) von Relevanz.
3. Universalitätsprinzip a) Universalitätsgrundsatz Da sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen Vermögen nicht nur in ei- 15 nem Staat, sondern oft in vielen Staaten verstreut besitzen, hat sich in den letzten Jahrzehnten die Ansicht durchgesetzt, dass das Vermögen als wirtschaftliche Einheit grds auch in einem Verfahren durch einen Verwalter effizient abgewickelt werden sollte. Dieses Verfahren sollte weltweite Wirkung haben, Gläubiger aus allen Staaten sollten daran gleichberechtigt teilnehmen können und gleichberechtigt befriedigt werden.20 Die EuInsVO, das deutsche Recht, das UNCITRAL-Modellgesetz, aber auch die meisten anderen modernen Insolvenzrechte folgen inzwischen im Ansatz dem Universalitätsprinzip. Der einzelne Gesetzgeber kann die universelle Wirkung aber nur anstreben. 16 Tatsächlich tritt sie nur ein, soweit das Ausland diese Wirkung akzeptiert, das Verfahren anerkennt und insb dem im Ausland bestellten Verwalter volle Handlungsbefugnis im Inland einräumt.
b) Beschränkte Universalität Nachteil eines strikten Universalitätsprinzips ist, dass kleinere und mittlere 17 Gläubiger ihre Forderungen ggf in einem weit entfernten Ausland in fremder Sprache anmelden, feststellen lassen und mit unverhältnismäßigen Kosten an dem ausländischen Verfahren teilnehmen müssen.21 Zu ihrem Schutz wird die Universalität deshalb meist eingeschränkt und die Möglichkeit national begrenzter Sekundär- oder Partikularverfahren zugelassen (s Art 3 II, 27ff EuInsVO; §§ 354ff InsO). Da es aber darum geht, ein einheitliches Unternehmen sinnvoll abzuwickeln oder zu sanieren, sollten diese Verfahren nicht isoliert voneinander betrieben werden, sondern in aufeinander abgestimmter, koordinierter Weise ablaufen (s u Rz 47ff, 95f).22 Vielfach werden Sekundärverfah19 Dafür Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 134 Rz 23ff; dagegen MüKoInsO/Reinhart, Vor §§ 335ff InsO Rz 73. 20 Geimer IZPR, Rz 3382f; Heß IZPR § 9 Rz 2; Schack IZVR, Rz 1144. 21 Cranshaw, in Cranshaw/Paulus/Michel, § 335 InsO Rz 3; Geimer IZPR, Rz 3394f; Schack IZVR, Rz 1147. 22 FA-InsR/Holzer Kap 12 Rz 20ff; MüKoBGB/Kindler Vor Art 1 EuInsVO Rz 14.
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Internationales Insolvenzrecht
ren allerdings nicht aus rein praktischen Gründen eröffnet, sondern um Vorzugsrechte für nationale Gläubiger durchzusetzen.23 Dem Schutz der nationalen Gläubiger stehen freilich erhöhte Kosten (für Gerichte und mehrere Verwalter) und die Schwierigkeiten eines wirtschaftlich effizienten einheitlichen, zumindest eines koordinierten Vorgehens (s Art 31ff EuInsVO; § 357f InsO) gegenüber,24 nicht zuletzt weil die nationalen Verfahren teilweise unterschiedliche Ziele verfolgen.25 Zwischen diesen Vor- und Nachteilen ist im Einzelfall abzuwägen.
c) Territorialitätsgrundsatz 18
Eine Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzen nach dem Territorialitätsprinzip, bei dem jedes in einem Staat belegene Vermögen unabhängig von seiner grenzüberschreitenden Nutzung selbständig, unabhängig und unkoordiniert verwertet wird, kann den Anforderungen an eine wirtschaftlich sinnvolle, effiziente Insolvenzabwicklung dagegen kaum gerecht werden und verhindert praktisch jede Sanierung eines international tätigen Unternehmens.
4. Lex fori concursus 19
Die gleichen Gründe, die eine Universalität des Verfahrens nahelegen, gebieten praktisch auch eine einheitliche Durchführung des Insolvenzverfahrens prinzipiell nach der jeweiligen lex fori concursus. Jeder nationale Amtsträger (sei es Richter, Rechtspfleger, Insolvenzverwalter), aber auch die Parteien und ihre Vertreter sind nur mit dem eigenen nationalen Verfahrensrecht vertraut; eine Abwicklung nach von Fall zu Fall unterschiedlichen Verfahrensordnungen wäre praktisch nicht möglich.26 Das Prinzip der lex fori concursus liegt der EuInsVO (Art 4), aber auch dem autonomem deutschen Recht (§ 335 InsO) zugrunde.
20
Da Voraussetzungen und Folgen eines Insolvenzverfahrens zwingendes (öffentliches) Recht sind, scheidet eine direkte Parteidisposition über die anwendbare lex fori concursus aus.27 Durch Wohnsitz-/Sitzverlegung im Vorfeld der Insolvenz kann aber ggf die Anwendung eines günstigeren Insolvenzrechts erreicht werden (sog forum shopping).
21
Das lex fori-Prinzip findet seine Grenzen aber darin, dass die nationalen materiellen Rechte (Kreditsicherheiten, Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht usf) nicht vereinheitlicht sind und ein danach erworbenes Recht geschützt werden muss und nicht durch die (zufällige) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Staat zerstört werden darf. Soweit das Insolvenzrecht auch in materielle Rechte eingreift, sehen deshalb alle Insolvenzrechte erhebliche Ausnahmen vom lex fori-Prinzip vor (s Art 5–15 EuInsVO; §§ 349–352 InsO).
23 24 25 26 27
Krit Geimer IZPR, Rz 3384. Vgl Geimer IZPR, Rz 3393; Hess IZPR § 9 Rz 3. Hess EuZPR § 9 Rz 4. Holzer, in FK-InsO, Kap 12 Rz 5; Geimer IZPR, Rz 322. Cranshaw, in Cranshaw/Paulus/Michel, § 335 InsO Rz 1.
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Allgemeine Grundfragen
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5. Anerkennung ausländischer Verfahren a) Automatische Anerkennung Damit ein Insolvenzverfahren tatsächlich die beabsichtigte universelle Wir- 22 kung haben kann, muss es in den anderen Staaten, in denen sich Vermögen des Schuldners befindet, anerkannt werden. Vor allem müssen die anderen Staaten die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vorläufigen und endgültigen (ausländischen) Insolvenzverwalters anerkennen. Innerhalb der EU (Art 16 I EuInsVO), aber auch nach autonomem deutschen Recht (§ 343 I InsO) ist dies der Fall. Automatische Anerkennung bedeutet wie bei Gerichtsentscheidungen in Zi- 23 vil- und Handelssachen unmittelbare Wirkungserstreckung (s o § 12 Rz 22, 112 ff). Innerhalb der EU ist diese Wirkungserstreckung vorgesehen (Art 17 I EuInsVO). Ein in einem Mitgliedstaat bestellter Verwalter darf seine Befugnisse nach dem Recht des Eröffnungsstaats auch in allen anderen Mitgliedstaaten ausüben, solange dort kein Sekundärverfahren eröffnet wurde (Art 18 I EuInsVO). Seine Rechtsstellung muss der Verwalter lediglich durch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Entscheidung, durch die er bestellt wurde, oder durch eine sonstige gerichtliche Bescheinigung nachweisen (Art 19 EuInsVO). Das autonome deutsche Recht folgt dieser Lösung auch im Verhältnis zu Drittstaaten (§§ 343, 347 I InsO).28
24
b) Formelle Anerkennung Da die Wirkungen einer Verfahrenseröffnung und die Befugnisse eines Insol- 25 venzverwalters von Staat zu Staat im Einzelnen divergieren, kann es insoweit zu Unsicherheiten kommen. Um diese zu vermeiden, gehen das UNCITRALModellgesetz (ML) und die Staaten, die es übernommen haben, einen anderen Weg. Sie möchten einen einheitlichen Standard für eine grenzüberschreitende Kooperation bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren schaffen.29 Der ausländische Verwalter erhält Zugang zu Gericht (Art 9 ff ML) und kann 26 und muss die Anerkennung seines Verfahrens beantragen (Art 15 I ML). Dazu muss er nur beglaubigte Abschriften der Beschlüsse über die Verfahrenseröffnung und seine Bestellung, ggf in Übersetzung (Art 15 II, IV ML), vorlegen. Über die Anerkennung ist so rasch wie möglich zu entscheiden (Art 17 III ML). Schon nach Antragstellung kann der ausländische Verwalter die einstweilige 27 Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner, den Schutz des im Anerkennungsstaat belegenen Schuldnervermögens, Schutz gegen Verfügungen über das Schuldnervermögen sowie die Zurverfügungstellung aller zur Verwaltung des Schuldnervermögens notwendigen Informationen verlangen (Art 19 ML). Nach der formellen Anerkennung darf der ausländische Verwalter einheitliche, 28 standardisierte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse ausüben (Art 20 I ML): 28 Cranshaw, in Cranshaw/Paulus/Michel, § 335 InsO Rz 34. 29 Gottwald/Kolmann, InsR-Hdb, § 134 Rz 9.
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Internationales Insolvenzrecht
(1) Maßnahmen der Einzelvollstreckung gegen den Schuldner werden eingestellt, (2) die Verfügungsbefugnis des Schuldners über sein Vermögen wird suspendiert; er kann sein Vermögen nicht mehr in ein anderes Land transferieren.30
6. Konzerninsolvenzen 29
Schrifttum: M. Becker, Kooperationspflichten in der Konzerninsolvenz, 2012; Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht, 2008; Holzer, Die Empfehlungen der UNCITRAL zum nationalen und internationalen Konzerninsolvenzrecht, ZIP 2011, 1894; International Insolvency Institute, Guidelines for Cooperation of Multinational Enterprise Group Insolvencies, Paris, June 2012; I. Merovach, INSOL Europe’s proposals on groups of companies (in cross-border insolvency): a critical appraisal, IIRev 21 (2012), 183; Pannen, Aspekte der europäischen Konzerninsolvenz, FS Haarmeyer, 2013, S 205; Rotstegge, Konzerninsolvenz, 2007; K. Schmidt, Konzerninsolvenzrecht, KTS 2010, 1; K. Siemon/F. Frind, Der Konzern in der Insolvenz – Zur Überwindung des Dominoeffekts in der (internationalen) Konzerninsolvenz, NZI 2013, 1; UNCITRAL, Legislative Guide on Insolvency Law, Part Three: Treatment of enterprise groups in insolvency, 2010; U. Wolf, Der europäische Gerichtsstand bei Konzerninsolvenzen, 2012.
30
Unternehmen, die in anderen Staaten langfristig und in erheblichem Umfang tätig werden wollen, gründen dort zumeist selbständige Tochtergesellschaften. Mutter- und Tochtergesellschaft sind zwar rechtlich selbständig, häufig besteht aber eine enge wirtschaftliche Verflechtung (bei Produktion, Vertrieb oder Finanzierung), so dass die Insolvenz eines Konzernunternehmens häufig auf die anderen durchschlägt. Daher stellt sich die Frage, wie eine Verfahrenskoordination, die der bisherigen wirtschaftlichen Verflechtung Rechnung trägt, sichergestellt werden kann.
31
Obwohl Konzerngestaltungen in der Praxis allgemein üblich sind, kennen weder EuInsVO,31 UNCITRAL-ML noch das autonome deutsche Recht32 Regeln über das Vorgehen bei Konzerninsolvenzen. Da es eine einheitliche Abwicklung bzw Sanierung aller Konzernunternehmen erleichtert, wird in der Praxis vielfach versucht, alle Verfahren bei einem Insolvenzgericht zu konzentrieren und einen Verwalter für alle Konzernunternehmen zu bestellen. Im EurofoodFall33 hat der EuGH aber entschieden, dass der wirtschaftliche Mittelpunkt und damit die internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts (Art 3 I EuInsVO) für jedes Konzernunternehmen selbständig zu ermitteln ist. Dies erschwert ein einheitliches Vorgehen und legt eine gesetzliche Regelung nahe.34
32
Der Reformvorschlag zur EuInsVO35 hält an der Selbständigkeit der Insolvenzverfahren über die einzelnen Konzernunternehmen fest, sieht in einem neuen
30 Gottwald/Kolmann, InsR-Hdb, § 134 Rz 14; FK-InsR/Holzer Kap 12 Rz 72. 31 Vgl Paulus, EuInsVO, Einl Rz 43ff, Art 3 Rz 30ff. 32 S aber Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v 3.1.2013, Beilage 1 zu ZIP 2013 Heft 2. 33 EuGHE 2006, I-3813 (Eurofood) = NZI 2006, 360; dazu Mankowski BB 2006, 1753; Smid DZWIR 2006, 325. 34 Vgl Holzer ZIP 2011, 1894. 35 KOM (2012) 744 (S 33 ff).
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Internationale Insolvenzverfahren in Deutschland
§ 20
Kapitel IVA (Art 42a ff) aber detaillierte Kooperations- und Kommunikationspflichten zwischen den Verwaltern und den Gerichten vor.36
II. Internationale Insolvenzverfahren in Deutschland 1. Internationale Zuständigkeit Die EuInsVO erfasst jedes „Gesamtverfahren“, das eine Insolvenz des Schuld- 33 ners voraussetzt, zu einem Vermögensbeschlag und zur Bestellung eines Insolvenzverwalters führt (Art 1 I EuInsVO). Die erfassten Verfahren sind in Anhang A zur EuInsVO aufgelistet. Danach fällt jedes in Deutschland zu eröffnende Insolvenzverfahren mit internationalem Bezug (zu einem EU-Mitgliedstaat einschl. von Drittstaaten)37 in den Anwendungsbereich der EuInsVO, auch Verfahren mit Eigenverwaltung.38 Dies gilt auch für Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff InsO), da nach Art 4 II lit a EuInsVO die lex fori concursus darüber entscheidet, bei welchen Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist.39 Vorinsolvenzverfahren zur Schuldenanpassung und besondere Verfahren mit Eigenverwaltung sind derzeit nicht erfasst. Bei der Reform der EuInsVO sollen sie in E Art 1 I ausdrücklich einbezogen werden.
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a) Internationale Zuständigkeit für Hauptinsolvenzverfahren Schrifttum: A. Albrecht, Problemstellungen bei der Insolvenz ausländischer Unternehmensformen in Deutschland, FS Haarmeyer, 2013, S 1; M. d’Avoine, Internationale Zuständigkeit des deutschen Insolvenzgerichts bei offenkundiger „Rückkehroption“ des ehemals selbständig wirtschaftlich tätigen Schuldners, NZI 2011, 310; N. Carstens, Die internationale Zuständigkeit im europäischen Insolvenzrecht, 2005; G. Cesare Giorgini, Le centre des intérêts principaux du débiteur insolvable en droit comparé, RIDC 2012, 867; M. de Cristofaro, Forum shopping and Insolvency of Groups of Companies in the European Insolvency Regulation, in: Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency, Intellectual Property Litigation, Arbitration and Ordre Public, 2011, 39; H. Eidenmüller, Rechtsmissbrauch im Europäischen Insolvenzrecht, KTS 2009, 137; P. Huber, Probleme der Internationalen Zuständigkeit und des forum shopping aus deutscher Sicht, in Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, S 1; M. Lupoi, A (Not so Simple Matter of Jurisdiction: the Relationship between Regulations (EU) No 1346/2000 and No 44/2001, in Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency, Intellectual Property Litigation, Arbitration and Ordre Public, 2011, 63; P. Mankowski, Gläubigerstrategien zur Fixierung des schuldnerischen Centre of Main Interests (COMI), ZIP 2010, 1376; I. Mevorach, Jurisdiction in Insolvency: A study of European Courts’ Decisions, 6 36 Dafür bereits M. de Cristofaro, Forum shopping and insolvency of groups of companies in the European Insolvency Regulation, in Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency …, 2011, 39ff, 58ff. 37 Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 11; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 1 EuInsVO Rz 9; MüKoInsO/Reinhart Art 1 EuInsVO Rz 16; aA bei reinem Drittstaatbezug Pannen/Pannen Art 1 Rz 120f. 38 Vgl Kübler/Dreschers, HRI-Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, 2012, § 20 Rz 46. 39 AG Düsseldorf ZInsO 2012, 1278.
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JPIL (2010), 327; Ph. Reuß, „Forum shopping“ in der Insolvenz: Missbräuchliche Dimension der Wahrnehmung unionsrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, 2011; St. Smid, Verfahren bei Zweifeln an der Internationalen Zuständigkeit des deutschen Insolvenzgerichts, FS Simotta, 2012, S 545; A. Stadler, International Jurisdiction under the Regulation 1346/2000/EC on Insolvency Proceedings, in Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency, Intellectual Property Litigation, Arbitration and Ordre Public, 2011, 13; F. VL. Westpfahl, Die Praxis der grenzüberschreitenden Konzerninsolvenz, FS Görg, 2010, S 569; Ch. v. Wilcken, Forum Shopping?, EuLF 2-2011, 71; U. Wolf, Der europäische Gerichtstand bei Konzerninsolvenzen, 2012.
36
Nach Art 3 I 2 EuInsVO besteht eine internationale Zuständigkeit für die Eröffnung eines Hauptverfahrens (wie nach § 3 InsO) bei den Gerichten des Staats, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (COMI). Da es nur ein Hauptverfahren geben kann, hat jeder Schuldner nur einen derartigen Mittelpunkt. Werden in mehreren Staaten Insolvenzanträge gestellt und bejahen die Gerichte in Zweifelsfällen ihre Zuständigkeit, so entscheidet das Prioritätsprinzip.40 Das erste eröffnete Verfahren sperrt die Eröffnung weiterer Hauptverfahren (Art 17 I EuInsVO) (s u Rz 134).
37
Wie dieser Mittelpunkt bei juristischen Personen und Gesellschaften zu verstehen ist, ist im Detail nach wie vor zweifelhaft.41 Die englischen Gerichte haben anfangs eine „mind of management theory“ vertreten, also darauf abgestellt, wo die strategische Willensbildung eines Unternehmens erfolgte. Dies führte bei Konzernunternehmen dazu, dass am Sitz der Muttergesellschaft ein Insolvenzverfahren nicht nur über diese, sondern zugleich über alle Tochtergesellschaften eröffnet werden konnte.42
38
Diese Auslegung hat der EuGH in dem Eurofood-Urteil v 2.5.200643 zurückgewiesen. Auszugehen sei mit dem Wortlaut von Art 3 I 2 EuInsVO im Zweifel vom satzungsmäßigen Sitz jeder Einzelgesellschaft. Diese Vermutung könne nur aufgrund objektiver, für Dritte feststellbarer Elemente widerlegt werden (s Erwägungsgrund 13).44 Hierfür reicht die Belegenheit von Immobilien in einem anderen Mitgliedstaat als dem des satzungsmäßigen Sitzes nicht aus, erforderlich sei vielmehr eine Gesamtbetrachtung. Befindet sich die Hauptverwaltung am satzungsmäßigen Sitz, so scheide eine anderweitige Bestimmung des „Mittelpunktes“ aus.45 Dieses Urteil ließ Raum für zahlreiche divergierende Interpretationen.
40 Schack IZVR Rz 1161; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 130 Rz 32; FK-InsO/Wenner/ Schuster Art 3EuInsVO Rz 18; MüKoInsO/Reinhart Art 3 EuInsVO Rz 58. 41 Vgl HambKomm/Undritz Art 3 EuInsVO Rz 2ff, 74ff (breite Fallübersicht); MüKoBGB/Kindler Art 3 EuInsVO Rz 14ff, 18ff; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 130 Rz 20ff. 42 A. Stadler, in Stürner/Kawano, S 13, 18ff; Mankowski, Kölner Schrift Kap 47 Rz 53ff; krit Schack IZVR, Rz 1163. 43 EuGHE 2006, I-3813 = NZI 2006, 360. 44 High Court of Justice London, [2009] EWHC 3199 (Ch); dazu Knof EWiR Art 3 EuInsVO 1/10, 563. 45 EuGH („Interedil“), Schlußanträge der Generalanwältin, ZIP 2011, 918; dazu J. Schmidt EWiR Art 3 EuInsVO 2/11, 345.
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In dem Interedil-Urteil v 20.10.2011 hat der EuGH die Bestimmung des „Mit- 39 telpunkts der hauptsächlichen Interessen“ iSv Art 3 I 2 EuInsVO präzisiert.46 Auszugehen sei vom Ort der Hauptverwaltung;47 befinde sich dieser am satzungsmäßigen Sitz, so sei dieser unwiderleglich als „Mittelpunkt“ anzusehen. Fallen Hauptverwaltung und satzungsmäßiger Sitz auseinander, komme es darauf an, ob bei einer Gesamtbetrachtung aller von Dritten überprüfbaren Faktoren darauf zu schließen ist, dass die Verwaltung der Interessen der Gesellschaft, aber auch die Kontrolle des Managements nicht am Satzungssitz, sondern am Ort der Hauptverwaltung stattfindet. Verlegt eine Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz vor Stellung eines Insolvenzantrages, wird vermutet, dass sich ihr neuer „Mittelpunkt“ am neuen satzungsmäßigen Sitz befindet.48 Hat eine Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb ohne Abwicklung einfach eingestellt, so bestimmt sich der „COMI“ für einen späteren Insolvenzantrag nach dem Ort, an dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bei Geschäftseinstellung bestand.49 Auch eine Zwischenholding hat entsprechend der Eurofood-Entscheidung grds 40 ihr eigenes COMI. Tritt sie aber nach außen nur unter der Adresse ihrer einzigen Tochtergesellschaft auf, ist es berechtigt, ihren „Mittelpunkt“ am Sitz der Tochter anzusiedeln.50 Eine Vermögensvermischung allein rechtfertigt es nicht anzunehmen, dass die 41 abhängige Gesellschaft keinen eigenen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen hat. Ein Insolvenzverfahren kann deshalb nicht allein wegen der Vermögensvermischung auf die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft erstreckt werden.51 Soll das Verfahren gegen eine Gesellschaft nicht am satzungsmäßigen Sitz eröffnet werden, muss der Antragsteller Tatsachen vortragen, die geeignet sind, die gesetzliche Vermutung des Art 3 I 1 EuInsVO zu widerlegen. Wie der „COMI“ bei natürlichen Personen zu bestimmen ist, sagt die EuInsVO nicht. Manche stellen auf den Wohnsitz, andere auf den gewöhnlichen Aufenthalt,52 wieder andere auf den autonom bestimmten „Lebensmittelpunkt“ ab.53 Da auf die faktischen Umstände abzustellen ist, erscheint es am einfachsten, schon jetzt (wie bei der geplanten Reform, s u Rz 43) auf den gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen.54 Für selbständig Tätige ist aber auf den 46 EuGH (20.10.2011, C-396/09) (Interedil) ZIP 2011, 2153 = NZI 2011, 990 (Mankowski). 47 Ebenso FK-InsR/Holzer Kap 12 Rz 37. 48 EuGH (20.10.2011, C-396-09) (Interedil) ZIP 2011, 2153, 2157 (Tz 56); dazu Ch. Paulus EWiR Art 3 EuInsVO 3/11, 745. 49 BGH ZIP 2012, 139 = NZI 2012, 151. 50 AG Mönchengladbach ZInsO 2011, 1752; zust. Mankowski EWiR Art 3 EuInsVO 1/12, 21. 51 EuGH (15.12.2011, C-191/10) (Rastelli v Hidoux) NZI 2012, 148 (Mankowski); dazu Paulus EWiR 2012, 87. 52 Hess EuZPR § 9 Rz 19. 53 MüKoInsO/Reinhart Art 3 EuInsVO Rz 43. 54 AG Köln NZI 2009, 133; Mankowski, Kölner Schrift Kap 47 Rz 31ff; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 3 EuInsVO Rz 7; HambKomm/Undritz Art 3 EuInsVO Rz 46.
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Ort ihrer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit abzustellen.55 Wird dieser vor Antragstellung verlegt, besteht die Zuständigkeit am neuen Aufenthaltsort.56 43
Bei der Reform der EuInsVO soll Art 3 I EuInsVO neu gefasst werden. Nach Art 3 I 1 soll folgender Satz eingefügt werden: „Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen gilt der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist.“ Erst danach soll für Gesellschaften die bisherige Vermutung zugunsten des satzungsmäßigen Sitzes folgen. Zusätzlich soll für natürliche Personen folgender Unterabsatz 3 eingefügt werden: „Bei einer natürlichen Person, die eine selbständige oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, gilt als Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen ihre Hauptniederlassung; bei allen anderen natürlichen Personen gilt als Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts.“
44
Art 3 EuInsVO regelt nur die internationale Zuständigkeit; die örtliche Zuständigkeit folgt in Deutschland aus Art 102 § 1 EGInsO.57
45
Da die Amtsermittlung nach § 5 InsO einen zulässigen Insolvenzantrag voraussetzt, muss der Antragsteller die entsprechenden Tatsachen darlegen und beweisen.58 Hat das Gericht Zweifel, wo sich der COMI des Schuldners befindet, kann es mit der Klärung unanfechtbar59 einen Sachverständigen beauftragen.
46
Bei der Reform der EuInsVO soll in E Art 3b I, II klargestellt werden, dass das Gericht, hilfsweise der bestellte Verwalter von Amts wegen zu prüfen haben, ob sie gem Art 3 EuInsVO zuständig sind. Außerdem sollen Gläubiger oder Parteien mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat das Recht erhalten, gegen die Eröffnungsentscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen (E Art 3b III EuInsVO).
b) Für Sekundär- und Partikularverfahren 47
Schrifttum: R. Dammann/F. Müller, Eröffnung eines Sekundärverfahrens in Frankreich gem Art 29 lit a EuInsVO auf Antrag eines „schwachen“ deutschen Insolvenzverwalters, NZI 2011, 752; Ch. Dawe, Der Sonderkonkurs des deutschen Internationalen Insolvenzrechts, 2005; U. Ehricke, Probleme der Verfahrenskoordination, in Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, S 127; A. Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht, Die Abstimmung von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren nach der EuInsVO, 2010; B. Pogacar, Rechte und Pflichten des Hauptverwalters im Sekundärverfahren, NZI 2011, 46; A. Seidl/A. Paulick, Sekun55 BGH NZI 2007, 344 (Tz 14f); MüKoBGB/Kindler Art 3 EuInsVO Rz 41; HambKomm/ Undritz Art 3 EuInsVO Rz 18; s aber BGH IPRspr 2006 Nr 265 (S 616) (Leitung zweier deutscher Gesellschaften, Anwaltskanzlei und Wohnsitz in Schweden). 56 EuGHE 2006, I-701 (Staubitz-Schreiber) = IPRax 2006, 149 (dazu Kindler, S 114); MüKoBGB/Kindler Art 3 EuInsVO Rz 33. 57 Vgl Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 105f. Überblick über die örtlichen Zuständigkeiten in den anderen EU-Mitgliedstaaten bei Pannen/Pannen Art 3 Rz 14. 58 So St. Smid, FS Simotta, 2012, S 545, 546 ff, 557. 59 BGH NZI 2012, 823 (Esser).
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därinsolvenzverfahren und Sanierungsinsolvenzplan: Das Zustimmungserfordernis des Art 34 Abs. 2 EuInsVO, ZInsO 2010, 125; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen, 1998.
(1) Nach europäischem Recht Nach Art 3 II EuInsVO darf ein Sekundärverfahren (mit Wirkung für das Ver- 48 mögen in dem betreffenden Mitgliedstaat) nur eröffnet werden, wenn der Schuldner dort eine Niederlassung besitzt. Dies setzt nach Art 2 lit h EuInsVO voraus, dass der Schuldner in diesem Mitgliedstaat kumulativ Personal und Vermögen zu geschäftlichen Zwecken einsetzt.60 Auf die Frage, wo sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, kommt es insoweit nicht an.61 Inländisches Vermögen (Bankkonto, Grundstück) genügt nicht. Im Anwendungsbereich der EuInsVO ist ein Rückgriff auf § 354 II InsO unzulässig.62 Eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft ist keine Niederlassung.63 Als Zweitverfahren wird das Sekundärverfahren auf Antrag ohne erneute Prü- 49 fung der Insolvenz des Schuldners eröffnet (Art 27 S 1 EuInsVO).64 Dies gilt jedoch nicht, wenn das Hauptverfahren ein Sanierungsverfahren ist; hier darf das Gericht des Zweitstaats prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt.65 Ist das Sanierungsverfahren aber als Insolvenzverfahren in Anh A zur EuInsVO aufgeführt, so kann unabhängig vom Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit ein Sekundärverfahren eröffnet werden.66 Den Eröffnungsantrag kann nach Art 29 EuInsVO der Verwalter des Hauptver- 50 fahrens sowie jede Person stellen, die in dem Staat des beabsichtigten Sekundärverfahrens ein Antragsrecht hat.67 Als Verwalter des Hauptverfahrens ist insoweit nicht nur der endgültige Insolvenzverwalter, sondern auch jeder „schwache“ oder „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter anzusehen.68 Wird ein Sekundärverfahren eröffnet, richtet sich seine Abwicklung ganz nach 51 dem Recht des jeweiligen Eröffnungsstaats, Art 28 EuInsVO. Zur Masse des Sekundärverfahrens gehört das gesamte gem Art 2 lit g EuInsVO in dem betreffenden Mitgliedstaat befindliche Vermögen. Die Verwaltungsbefugnis des Se60 BGH NZI 2012, 725; Ch. Dawe, S 145ff; Hess EuZPR § 9 Rz 24; bloßer Immobilienbesitz und dessen Verwaltung genügt nicht (AG Deggendorf NZI 2013, 112; aA LG Hildesheim NZI 2013, 110; krit Anm Köster/Hemmerle). 61 BGH ZIP 2012, 782; dazu Ch. Paulus EWiR Art 3 EuInsVO 4/12, 315. 62 BGH ZIP 2011, 389, 390 = NZI 2011, 120; dazu Mankowski EWiR Art 3 EuInsVO 1/11, 185. 63 Schack IZVR, Rz 1166; FK-InsO/Schuster/Wenner Art 2 EuInsVO Rz 24; MüKoBGB/ Kindler Art 2 EuInsVO Rz 27f. 64 Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 179; FK-InsO/Schuster/Wenner Art 27 EuInsVO Rz 6. 65 GA Kokott EuGH („Handlowy“) ZIP 2012, 1133, 1139; dazu Ch. Paulus EWiR Art 27 EuInsVO 1/12, 385. 66 GA Kokott EuGH („Handlowy“) ZIP 2012, 1133, 1137 (Tz 53ff). 67 Ch. Dawe S 150ff; Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 180. 68 Dammann/Müller NZI 2011, 752, 756.
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kundärverwalters bezieht sich auf diese Masse. Zusätzlich darf der Sekundärverwalter nach der Verfahrenseröffnung in einen anderen Mitgliedstaat verbrachte bewegliche Gegenstände zurückholen und auch in anderen Mitgliedstaaten Anfechtungsklage erheben (Art 18 II EuInsVO).69 52
Zweck des Sekundärverfahrens ist es, dem Verwalter des Hauptverfahrens die Abwicklung des Hauptverfahrens zu erleichtern, aber auch die Interessen nationaler Gläubiger (Vorrechte etc) zu wahren. Zulässig ist es, den Verwalter des Hauptverfahrens auch zum Verwalter des Sekundärverfahrens zu bestellen.70
53
Da die sachgerechte, effiziente Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit jeder Eröffnung eines Sekundärverfahrens schwieriger wird, soll das Gericht im Sekundär-Mitgliedstaat bei der Reform der EuInsVO das Ermessen erhalten, die Entscheidung über die Eröffnung des Sekundärverfahrens zu vertagen oder ganz abzulehnen, wenn der Hauptverwalter den einheimischen Gläubigern zusagt, sie so zu behandeln, als wäre ein Sekundärverfahren eröffnet worden, und sich an diese Zusage hält (E Art 29a II EuInsVO). Dadurch soll eine schon jetzt teilweise geübte Praxis legalisiert werden.
54
An allen Sekundärverfahren kann sich jeder in- und ausländische Gläubiger beteiligen und seine Forderung anmelden (Art 31 I EuInsVO).
55
Die Verwalter von Haupt- und Sekundärverfahren haben zusammenzuarbeiten (Art 31 II EuInsVO; s u Rz 95, 99ff). Ein Verwalter eines Sekundärverfahrens hat dem Verwalter des Hauptverfahrens Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung und Verwendung der Masse des Sekundärverfahrens zu machen (Art 31 III EuInsVO).
56
Ausnahmsweise kann vor dem Hauptverfahren ein territorial begrenztes unabhängiges Partikularverfahren eröffnet werden (Art 3 IV EuInsVO). Ein Partikularverfahren ist nur zulässig, wenn in dem Staat, in dem der Schuldner sein COMI hat, (1) die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens objektiv unmöglich ist71 oder (2) ein Gläubiger mit Wohnsitz in dem Niederlassungsstaat oder aufgrund einer niederlassungsbezogenen Forderung die Eröffnung beantragt. Für die Unmöglichkeit genügt nicht, dass die Befugnis zur Stellung eines Insolvenzantrags eingeschränkt ist.72 In diesem Fall muss das Vorliegen eines Insolvenzgrundes geprüft werden, die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung unter Berücksichtigung des weltweit belegenen Vermögens.73 Kommt es zur Eröffnung des Hauptverfahrens, wird das Partikularverfahren zum Sekundärverfahren, Art 36 EuInsVO. 69 Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 183ff; MüKoBGB/Kindler Art 18 EuInsVO Rz 14ff. 70 Hess EuZPR § 9 Rz 55. 71 Vgl MüKoBGB/Kindler Art 3 EuInsVO Rz 71; Ch. Dawe, S 194ff. 72 EuGH (17.11.2011, C-112/10, Procureur-general Antwerpen v Zaza Retail) ZIP 2011, 2415; dazu J. Schmidt EWiR Art 3 EuInsVO 4/11, 807. 73 FK-InsO/Wenner/Schuster Art 3 EuInsVO Rz 29; aA (für Zahlungsunfähigkeit) MüKoBGB/Kindler Art 3 EuInsVO Rz 74ff; (auch für Überschuldung bei § 354 ZPO) Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 96.
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Nach Art 17 II EuInsVO kann in einem Sekundär- bzw Partikularverfahren eine Schuldbefreiung beschlossen werden. Diese hat aber in anderen Staaten nur gegenüber den Gläubigern Wirkung, die hierzu zugestimmt haben. Die Befugnisse eines Partikularinsolvenzverwalters sind auf den Eröffnungs- 57 staat begrenzt. Im Ausland belegenes Vermögen, auch Ansprüche, unterliegen nicht seiner Amtsgewalt.74
(2) Nach deutschem Recht Abweichend vom europäischen Recht kann nach § 354 InsO ein Partikularver- 58 fahren schon bei Vorhandensein beliebigen Vermögens eröffnet werden; eine Niederlassung muss der Schuldner hier nicht besitzen. In letzterem Fall muss aber ein besonderes Interesse für eine Verfahrenseröffnung bestehen.75 Dies ist gegeben, wenn der Gläubiger im Ausland voraussichtlich schlechter gestellt wird als bei einem inländischen Verfahren (§ 354 II 1 InsO). Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes ist besonders zu prüfen (s o Rz 56). Um die Gleichbehandlung der Gläubiger zu gewährleisten, sind die Vorschrif- 59 ten über die Restschuldbefreiung im Partikularverfahren (abweichend von Art 17 II EuInsVO) nicht anwendbar (§ 355 I InsO).76 Ein Insolvenzplan kann nur bestätigt werden, wenn alle Gläubiger zustimmen (§ 355 II InsO). Das Partikularverfahren kann als selbständiges Verfahren eröffnet werden. 60 Wird das ausländische Hauptverfahren anerkannt, kann das Verfahren auch als Sekundärverfahren durchgeführt werden (§ 356f InsO).77 In diesem Fall hat der inländische Verwalter mit dem ausländischen Verwalter zusammenzuarbeiten (§ 357 InsO). Sofern im inländischen Sekundärverfahren ein Überschuss erzielt wird, ist er 61 an den ausländischen Verwalter des Hauptverfahrens herauszugeben (§ 358 InsO).
c) Internationale Zuständigkeit für Annexverfahren Schrifttum: W. Hau, Masseanreicherung und Gläubigerschutz im Europäischen Insolvenzrecht, in Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht, 2008, S 79; J. Lüttringhaus/J. Weber, Aussonderungsklagen an der Schnittstelle von EuGVVO und EuInsVO, RIW 2010, 45; L. Klöhn/O. Berner, Zur internationalen Zuständigkeit für insolvenzbezogene Annexverfahren, ZIP 2007, 1418; V. Lorenz, Annexverfahren bei internationalen Insolvenzen, 2005; M. Lupoi, A (not so simple matter of) jurisdiction: the relationship between Regulations (EU) No 1346/2000 and No 44/2001, in Stürner/Kawano, Cross Border Insolvency …, 2011, 63; P. Mankowski, Insolvenznahe Verfahren im Grenzbereich zwischen EuInsVO und EuGVVO, NZI 2010, 508; P. Mankowski./Ch. Willemer, Die inter-
74 KG NZI 2011, 729, 730 (Mankowski). 75 FK-InsO/Wenner/Schuster § 354 Rz 11; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 95; Ch. Dawe S 156ff. 76 FK-InsO/Wenner/Schuster § 355 Rz 2; MüKoInsO/Reinhart § 355 Rz 4ff; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 97. 77 FK-InsO/Wenner/Schuster § 356 Rz 3; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 99f.
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nationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen, RIW 2009, 669; D. Stoecker/ Ph. Zschaler, Internationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen, NZI 2010, 757; M. Stürner, Jurisdiction for avoidance claims of insolvent investment undertakings – procedural aspects of the Phoenix saga, FS Kaissis, 2012, S 975; Ch. Thole, Negative Feststellungsklagen, Insolvenztorpedos und EuInsVO, ZIP 2012, 605; J. Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im Internationalen Zivilverfahrensrecht. Die internationale Zuständigkeit bei Klagen gegen Gesellschafter und Gesellschaftsorgane vor und in der Insolvenz, 2011; Ch. Willemer, Vis attractiva concursus und die Europäische Insolvenzverordnung, 2006.
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Die EuInsVO kennt grds keine Zuständigkeit der Gerichte des Eröffnungsstaats für alle insolvenzbezogenen Verfahren (sog vis attractiva concursus), sieht aber in Art 25 I Unterabs 2 EuInsVO vor, dass Entscheidungen, „die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen“ wie Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung des Insolvenzverfahrens anzuerkennen sind. Der EuGH hat hieraus mit Urteil v 12.2.2009 den Schluss gezogen, dass aus Art 1 II EuGVO und Art 25 EuInsVO eine internationale Zuständigkeit für Annexverfahren (konkret für Insolvenzanfechtungsklagen des Insolvenzverwalters) abgeleitet werden müsse. Mangels anderweitiger Regeln wendet der EuGH insoweit Art 3 I EuInsVO analog an.78
64
Bei der Reform der EuInsVO soll diese Rechtsprechung in einem neuen Art 3a (Zuständigkeit für im Zusammenhang stehende Klagen) kodifiziert werden. Nach Art 3a I soll für die von Art 25 I Unterabs 2 erfassten Fälle eine internationale Zuständigkeit des Mitgliedstaats begründet werden, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Steht die Klage aber in engem Zusammenhang mit einer anderen Klage gegen denselben Beklagten, soll der Verwalter befugt sein, beide Klagen vor einem nach der EuGVO (VO Nr 44/2001 – Brüssel I-VO) zuständigen Gericht zu erheben (Art 3a II). Der erforderliche Zusammenhang soll in Art 3a III wortgleich mit Art 28 III EuGVO definiert werden.
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Hat der Anfechtungsgegner seinen satzungsmäßigen Sitz in einem Mitgliedstaat, sind die Gerichte des Staats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, auch für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen den Anfechtungsgegner zuständig.79 Offen ist, ob das Gericht des Staats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, auch für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner mit Wohnsitz in einem Drittstaat zuständig ist.80 Nach dem Ideal einer einheitlichen Zuständigkeitsordnung und dem Wortlaut von Art 3 EuInsVO sollte die Frage freilich bejaht werden. Besteht sonst keine örtliche Zuständigkeit, ist das Streitgericht am Sitz des eröffnenden Insolvenzgerichts örtlich zuständig.81
78 EuGHE 2009, I-767 (Seagon v. DekoMarty) = NJW 2009, 2189; dazu Ch. Thole ZEuP 2010, 904; Mankowski/Willemer RIW 2009, 669; Stoecker/Zschaler NZI 2010, 757; Hess EuZPR § 9 Rz 11; OLG Naumburg NZI 2011, 136; dazu Knof EWiR Art 13 EuInsVO 1/11, 709. 79 BGH RIW 2009, 565. 80 Zweifelnd (Vorlage an EuGH) BGH ZIP 2012, 1467 = RIW 2012, 798 (Paulus). 81 BGH RIW 2009, 565, 566 (Tz 11ff).
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Ob diese Zuständigkeit auch für konkurrierende Anspruchsgrundlagen gilt, et- 66 wa für Ansprüche wegen Verstoß gegen Kapitalerhaltungsregeln oder wegen ungerechtfertigter Bezeichnung, ist zweifelhaft. Die Frage ist dem EuGH vorgelegt worden.82 Dagegen findet die EuGVO auf eine auf einen Eigentumsvorbehalt gestützte 67 Aussonderungsklage Anwendung; diese fällt nicht unter die Ausnahme in Art 1 II lit b EuGVO.83 Überwiegend wird auch der Streit um ein Absonderungsrecht der EuGVO unterstellt.84 Für eine Haftungsklage gegen den GmbH-Geschäftsführer nach § 64 GmbHG 68 wird teilweise ebenfalls eine Annexzuständigkeit nach Art 3 EuInsVO befürwortet. Alternativ kommen freilich auch Zuständigkeiten nach Art 5 Nr 3, ggf auch nach Art 5 Nr 1a EuGVO (künftig Art 7 Nr 2, ggf Art 7 Nr 1a) in Betracht.85 Kündigungsschutzklagen stehen nicht in derart engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren, dass sie als Annexverfahren und unter die Zuständigkeit nach Art 3 EuInsVO einzuordnen wären.86
69
2. Eröffnungsverfahren und Wirkungen der Verfahrenseröffnung Schrifttum: St. Smid, Grenzüberschreitende Insolvenzverwaltung in Europa, FS Geimer, 2002, S. 1215; S. Mock, Vergütung des Insolvenzverwalters in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren, FS Haarmeyer, 2013, S 157.
a) Insolvenzfähigkeit Nach Art 4 II 2 lit a EuInsVO bestimmt die jeweilige lex fori concursus, wel- 70 che Art von Schuldnern insolvenzfähig ist. In Deutschland richtet sich dies folglich nach § 11 InsO.87 Nationale Unterschiede bestehen in Bezug auf Nichtkaufleute und den Nachlass.88 Eine Private Limited Company englischen Rechts mit COMI in Deutschland ist hier insolvenzfähig.89 Nicht insolvenzfähig sind in Deutschland Bund, Länder und juristische Personen des öffentlichen Rechts nach Maßgabe des Landesrechts (§ 12 InsO). Ausländische Staaten sind nach Völkerrecht nicht insolvenzfähig; für ausländische Staatsunternehmen gelten dagegen die allgemeinen Regeln.
82 LG Essen ZIP 2011, 875. 83 EuGHE 2009, I-8421 (German Graphics) = NZI 2009, 741; dazu Mankowski NZI 2010, 508; Lüttringhaus/Weber RIW 2010, 45; Z. Crespi Reghizzi, Yearbook PIL 12 (2010), 587. 84 Laukemann IPRax 2013, 150, 152; FK-InsO/Schuster/Wenner Art 3 EuInsVO Rz 40; Paulus Art 25 EuInsVO Rz 23 aA Pannen/Pannen Art 3 EuInsVO Rz 114; Gottwald/ Kolmann Ins-Hb, § 130 Rz 61. 85 Vgl OLG Köln NZI 2012, 52 (Mankowski). 86 BAG NZI 2012, 1011. 87 Schack IZVR Rz 1168; MüKoBGB/Kindler Art 4 EuInsVO Rz 15f. 88 Gottwald/Kolmann InsR-Hb, § 130 Rz 44. 89 Vgl BGH NJW 2005, 1648; OLG Nürnberg NZG 2008, 76 (in England gelöschte Ltd).
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b) Antragsbefugnis und Antragspflicht 71
Art 4 II 1 EuInsVO verweist insoweit auf die lex fori concursus. Nach deutschem Recht kann der Schuldner selbst, aber auch jeder inländische oder ausländische Gläubiger den Insolvenzantrag stellen (§ 13 I 2 InsO).90 Auch die Antragspflicht ergibt sich aus der jeweiligen lex fori concursus, in Deutschland aus § 15a InsO.91
c) Sicherungsmaßnahmen 72
Ist ein Gericht zur Insolvenzeröffnung zuständig (Art 3 EuInsVO), so ist es auch befugt, im Insolvenzeröffnungsverfahren die nach seinem eigenen Recht (Art 4 I EuInsVO) zulässigen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Solche Sicherungsmaßnahmen haben nicht nur nationale Wirkungen, sondern sind nach Art 25 I Unterabs 3 EuInsVO in allen anderen EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen.92
73
Der in einem EU-Mitgliedstaat bestellte vorläufige Verwalter kann nach Art 38 EuInsVO in allen anderen Mitgliedstaaten (ergänzend) Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens in dem betreffenden Staat entsprechend der dortigen lex fori (in Deutschland gem § 21 InsO) beantragen.93 Nach wohl hM ist dies nur zulässig, wenn sich in dem Zweitstaat eine Niederlassung befindet, also ein Sekundärverfahren eröffnet werden könnte.94 Vom Zweck der Regelung her sollte aber auch die Beschlagnahme eines bloßen Bankkontos in einem Zweitstaat zulässig sein.95
74
Ob und inwieweit Drittstaaten deutsche Sicherungsmaßnahmen anerkennen, richtet sich nach deren lex fori concursus. Die in einem Drittstaat nach Stellung eines Insolvenzantrags erlassenen Sicherungsmaßnahmen werden in Deutschland grds anerkannt (§ 343 II InsO).96 Wurde in einem Drittstaat ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, so kann dieser nach § 344 InsO im Inland die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO beantragen, soweit diese zur Sicherung des von einem inländischen Sekundärverfahren erfassten Vermögen erforderlich erscheinen. Sinn der Regelung ist es, die im Inland wirkenden Sicherungsmaßnahmen über den im Ausland bereits angeordneten Umfang hinaus zu erweitern.97
90 Schack IZVR Rz 1170. 91 Vgl MüKoInsO/Reinhart Art 4 EuInsVO Rz 7f; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 4 EuInsVO Rz 25ff. 92 Gottwald/Kolmann InsR-Hb, § 130 Rz 45, 56; MüKoInsO/Reinhart Art 25 EuInsVO Rz 9, 13. 93 Paulus, EuInsVO, 3. Aufl 2010, Einl Rz 64f, Art 38 Rz 1ff. 94 MüKoInsO/Reinhart Art 38 EuInsVO Rz 8. 95 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 130 Rz 47; FK-InsO/Schuster/Wenner Art 38 EuInsVO Rz 6; HambKomm/Undritz Art 38 EuInsVO Rz 3. 96 FK-InsO/Wenner/Schuster § 343 Rz 37; MüKoInsO/Reinhart § 343 Rz 47. 97 FK-InsO/Wenner/Schuster § 344 Rz 1; krit MüKoInsO/Reinhart § 344 Rz 1ff.
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d) Beschlagnahme des Vermögens Ein Hauptinsolvenzverfahren nach der EuInsVO hat universale Wirkung, er- 75 fasst also das gesamte Vermögen des Schuldners (Erwägungsgrund 12 S. 2). Eine entsprechende Beschlagnahmewirkung ist in allen EU-Staaten ohne jede Förmlichkeit anzuerkennen. Dies gilt auch für die Beschlagnahme von Grundstücken und die Eintragung eines Insolvenzvermerks im Grundstücksregister.98
e) Befugnisse der Insolvenzverwalter Nach Art 4 II 2 lit c EuInsVO bestimmt die lex fori concursus über die Befug- 76 nisse des Insolvenzverwalters. Gem § 148 InsO hat ein deutscher Insolvenzverwalter eines Hauptverfahrens die gesamte Insolvenzmasse (im Inland und im Ausland) in Besitz zu nehmen und zu verwalten.99 Nach Art 18 I 1 EuInsVO darf der in einem EU-Mitgliedstaat bestellte Verwalter seine Befugnisse auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten ausüben, solange dort kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Er kann daher über das dort belegene Schuldnervermögen verfügen und es grds auch aus dem Gebiet des bisherigen Lagestaats entfernen (Art 18 I 2 EuInsVO); er muss aber das Recht des Lagestaats beachten (Art 18 III EuInsVO). Damit die Eröffnung eines Sekundärverfahrens ggf entbehrlich wird, soll bei 77 der Reform der EuInsVO die schon vielfach geübte Praxis legalisiert werden, wonach der Verwalter den Gläubigern zusichern kann, dass ihre Verteilungsund Vorzugsrechte im Hauptverfahren so berücksichtigt werden als wäre ein Sekundärverfahren eröffnet worden (E Art 18 I 3, 4 EuInsVO). Kommt es zu Sekundärverfahren, so sind alle Verwalter verpflichtet, die in ih- 78 rem Verfahren angemeldeten Forderungen auch in allen anderen Verfahren anzumelden, soweit dies (für eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung) als zweckmäßig erscheint (Art 32 II EuInsVO).100 Die Verwalter von Haupt- und Sekundärverfahren sind berechtigt, wie ein 79 Gläubiger an allen anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken und an den Gläubigerversammlungen teilzunehmen (Art 32 III EuInsVO). Dazu gehört, dass der Verwalter angemeldete Forderungen bestreiten101 und für die von ihm angemeldeten Forderungen (entsprechend § 341 III InsO) auch das Stimmrecht ausüben (sofern der Gläubiger nicht widerspricht).102 Die Verwalter von Haupt- und Sekundärverfahren haben sich gegenseitig über zu unterrichten, was für das jeweils andere Verfahren von Bedeutung sein kann
98 Vgl Steinmetz/Lozano Giménez NZI 2010, 973. 99 Geimer IZPR Rz 3433; Schack IZVR Rz 1178. 100 Vgl MüKoBGB/Kindler Art 32 EuInsVO Rz 7ff; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 32 Rz 6ff. 101 Pannen/Herchen, EuInsVO, Art 32 Rz 44. 102 FA-InsO/Holzer Kap 12 Rz 33; MüKoInsO/Reinhart Art 32 Rz 14; Pannen/Herchen EuInsVO Art 32 Rz 45.
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(Art 31 I 1 EuInsVO). Darüber hinaus haben sie bei ihrer Arbeit zusammenzuarbeiten (Art 31 II EuInsVO). Verwalter von Sekundärverfahren müssen dem Hauptinsolvenzverwalter Gelegenheit geben, Vorschläge zur Verwertung der Masse des Sekundärverfahrens zu unterbreiten (Art 31 III EuInsVO).
f) Prozessunterbrechung 81
Schrifttum: D. Buntenbroich, Unterbrechung eines Rechtsstreits bei ausländischen Insolvenzverfahren …?, NZI 2012, 547; B. Kasolowsky/M. Steup, Insolvenz in internationalen Schiedsverfahren – lex arbitri oder lex fori concursus, IPRax 2010, 180; St. Kröll, Arbitration and insolvency, in Ferrari/Kröll, Conflict of Laws in International Arbitration, 2011, S 211; V. Lazic´, Cross-border insolvency and arbitration, Liber amicorum Bergsten, 2011, S 337; P. Mankowski, EuInsVO und Schiedsverfahren, ZIP 2010, 2478; Th. Pfeiffer, Insolvenzeröffnung und internationale Schiedsverfahren, FS Wellensiek, 2011, S 821.
82
Die Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem EU-Mitgliedstaat richten sich gem Art 4 II 2 lit f, Art 15 EuInsVO nach der jeweiligen lex fori des Staats, in dem der Prozess anhängig ist. In Deutschland werden danach staatliche Gerichtsverfahren, die die Insolvenzmasse betreffen, nach § 240 ZPO unterbrochen, auch wenn das Insolvenzverfahren selbst in einem anderen EU-Mitgliedstaat eröffnet worden ist und unabhängig davon, ob eine solche Wirkung im Eröffnungsstaat eintritt.103 Unterbrochen wird auch ein Kostenfestsetzungsverfahren zu einem Scheidungshauptverfahren, da der Kostenerstattungsanspruch in die Masse fällt.104 Erforderlich ist aber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die bloße Stellung eines Insolvenzantrags genügt nicht.105
83
Ein Schiedsverfahren in einem EU-Mitgliedstaat wird im Rahmen von Art 15 EuInsVO wie ein staatliches Gerichtsverfahren behandelt.106 Bei der Reform der EuInsVO soll dies durch eine Neufassung von Art 15 klar gestellt werden.
84
Ausländische Insolvenzverfahren in Drittstaaten haben nach § 352 InsO dieselbe Wirkung, wenn das ausländische Verfahren im Inland anzuerkennen ist (§ 343 InsO). Die Unterbrechungswirkung tritt unabhängig davon ein, ob der Insolvenzschuldner seine Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis im Eröffnungsstaat verliert. Soweit das Insolvenzverfahren aber im Eröffnungsstaat selbst keinerlei Einfluss auf dort anhängige Zivilverfahren hat, geht der BGH davon aus, dass das ausländische Recht keine Unterbrechungswirkung beansprucht und daher eine Verfahrensunterbrechung im Inland nicht gerechtfertigt ist. Entschieden wurde dies für ein schweizer Nachlassverfahren nach Art 295 I 1 SchKG.107
103 104 105 106
OLG Frankfurt ZInsO 2012, 1990; Schack IZVR Rz 1232. OLG Köln FamRZ 2012, 1669 (Madaus). OLG München NZI 2012, 1028. Court of Appeal England (Vivendi Universal) ZIP 2010, 2528; Mankowski ZIP 2010, 2478; Kasolowsky/Steup IPRax 2010, 180; Kröll, S 211, 225ff. 107 BGH NZI 2012, 572 (Tz 29ff, 43ff); dazu Buntenbroich NZI 2012, 547.
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g) Prozessführung des Insolvenzverwalters Schrifttum: M. Dahl/J. Thomas, Die Bindungswirkung von Schiedsklauseln in Insolvenzverfahren, NZI 2012, 534; G. Flecke-Giammarco/Ch. Keller, Die Auswirkung der Wahl des Schiedsorts auf den Fortgang des Schiedsverfahrens in der Insolvenz, NZI 2012, 529; M. Stürner, Gerichtsstandsvereinbarungen und Europäisches Insolvenzrecht, IPRax 2005, 416.
85
Die lex fori concursus bestimmt die Verwaltungsbefugnisse des Insolvenzverwalters (Art 4 II lit c EuInsVO). Als Teil dieser Verwaltungsbefugnis hat der deutsche Insolvenzverwalter auch die Prozessführungsbefugnis, nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland.108 In den EU-Mitgliedstaaten ist diese Prozessführungsbefugnis grds anzuerkennen, so lange in dem betreffenden Staat kein Sekundärverfahren eröffnet wurde (Art 18 I EuInsVO). Ob andere Staaten diese Befugnis anerkennen, richtet sich nach deren Recht. Der Insolvenzverwalter hat im Prozess keine anderen Rechte als zuvor der 86 Insolvenzschuldner. Soweit er Ansprüche des Schuldners einklagt, gelten die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der EuGVO; der Verwalter ist an Gerichtsstandsvereinbarungen des Schuldners gebunden.109 Hat dieser vor der Insolvenz eine Schiedsvereinbarung abgeschlossen, so ist der Insolvenzverwalter daran nach deutschem Recht grds gebunden.110
3. Abwicklung grenzüberschreitender Verfahren Schrifttum: S. Beck, Verwertungsfragen im Verhältnis von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren nach der EU-Insolvenzverordnung, NZI 2006, 609; S. Beck, Verteilungsfragen im Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren nach der EuInsVO, NZI 2007, 1; A. Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht, 2010; B. Keller, Zur Verwertung im Ausland belegenen Schuldnervermögens durch deutsche Insolvenzverwalter, 2010; P. Mankowski, Neues zur grenzüberschreitenden Forderungsanmeldung unter der EuInsVO, NZI 2011, 887; H.-P. Mansel, Grenzüberschreitende Restschuldbefreiung – Anerkennung einer (automatic) discharge nach englischem Recht und ordre public, FS v. Hoffmann, 2011, S 883; St. Schmidt-Ehemann, Die Haftung bei Insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft, 2010.
87
a) Forderungsanmeldung Nach Art 32 I, 39 EuInsVO bzw § 341 I InsO kann jeder Gläubiger (auch 88 Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger) seine Forderung nicht nur im Hauptinsolvenzverfahren, sondern auch in jedem Sekundärinsolvenzverfahren (auf einem Formblatt) anmelden.111 Damit er dieses Recht wahrnehmen kann, ist er darüber nach Art 40 EuInsVO vom Gericht oder dem bestellten Verwalter zu unterrichten. Soweit der Gläubiger seine Forderung nicht selbst anmel108 Schack IZVR, Rz 1179; Geimer IZPR, Rz 3478f; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 52. 109 Schack IZVR, Rz 1185; M. Stürner IPRax 2005, 416, 421. 110 BGH NZI 2008, 768; Dahl/Thomas NZI 2012, 534; s aber A. Kuhli SchiedsVZ 2012, 321. 111 Ch. Dawe, S 161ff; Geroldinger, S 312ff; MüKoBGB/Kindler Art 32 EuInsVO Rz 2ff.
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det, haben die Verwalter die bei ihnen angemeldeten Forderungen in den jeweils anderen Verfahren anzumelden, soweit dies zweckmäßig ist, um eine gleichmäßige Befriedigung aller zu erreichen (Art 32 II EuInsVO; § 341 II InsO). Allerdings darf der einzelne Gläubiger dem entsprechend dem nationalen Recht widersprechen. Schließlich dürfen Haupt- und Sekundärverwalter wie ein Insolvenzgläubiger in allen Verfahren mitwirken, insb an Gläubigerversammlungen teilnehmen (Art 32 III EuInsVO; §§ 341 III, 357 II InsO).112 89
Die Mehrfachanmeldung führt nicht zu mehrfacher Befriedigung, vielmehr sind in einzelnen Verfahren erhaltene Quoten bei weiteren Verteilungen anzurechnen (Art 20 II EuInsVO; § 342 II 2 InsO) (s u Rz 97).
90
Bei der Reform soll E Art 39 EuInsVO dahin ergänzt werden, dass jeder Gläubiger seine Forderung auch unter Verwendung elektronischer Mittel (soweit nach dem Recht des Eröffnungsstaats zulässig) anmelden darf und dabei keiner anwaltlichen Vertretung bedarf. Die Anmeldung soll künftig auf einem Standardformular erfolgen (E Art 40 II, 41 EuInsVO).
b) Verwertung ausländischen Vermögens 91
Ein eröffnetes Hauptverfahren erfasst nach dem Universalitätsprinzip das gesamte Vermögen des Schuldners (Unpfändbares ausgenommen, §§ 35, 36 InsO).113 Ob ein Gegenstand unpfändbar ist, richtet sich zwar gem Art 4 II 2 lit b EuInsVO nach dem Recht des Eröffnungsstaats,114 aus Gründen des Schuldnerschutzes sollten die Pfändungsschutzregeln des jeweiligen Lagestaats aber mit berücksichtigt werden.115 Ob die damit verbundene Beschlagnahme des Vermögens, Vollstreckungsverbot und Rückschlagsperre (§§ 81, 82, 88, 89 InsO) überall anerkannt werden, richtet sich jedoch nach dem jeweiligen ausländischen Recht.116
92
Der Verwalter eines EU-Hauptverfahrens darf das gesamte (in den EU-Mitgliedstaaten belegene) Vermögen des Schuldners verwerten und es zu diesem Zweck auch aus dem Lagestaat entfernen (Art 18 I 2 EuInsVO). Bei der Art und Weise der Verwertung hat der Verwalter aber das Ortsrecht des Lagestaats zu beachten (Art 18 III EuInsVO).117
93
Wird die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters in Drittstaaten nicht anerkannt, steht ihm nach Art 20 EuInsVO bzw § 342 InsO ein Herausgabeanspruch gegen jeden Gläubiger wegen ungerechtfertigt erlangter Sondervor-
112 Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 217; Pannen/Herchen Art 32 EuInsVO Rz 41ff. 113 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 38; vgl BGH v 20.12.2012 (IX ZR 130/10) (Rz 17). 114 Paulus, EuInsVO, 3. Aufl 2010, Einl Rz 70. 115 Hess EuZPR § 9 Rz 51; U. Haas FS Gerhardt, S 319, 323ff; ablehn MüKoBGB/Kindler Art 4 EuInsVO Rz 18; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 4 EuInsVO Rz 6. 116 Schack IZVR, Rz 1174; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 46. 117 Paulus, EuInsVO, 3. Aufl 2010, Einl 76f, Art 18 Rz 19f; Hess EuZPR § 9 Rz 57; Pannen/Riedemann Art 18 EuInsVO Rz 46ff.
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teile zu.118 Der Verwalter kann den Gläubiger ggf auch beauftragen, im Ausland gegen den Schuldner zu vollstrecken. Er kann dann Herausgabe des Erlangten im Inland nach § 667 BGB verlangen.119 Werden die Befugnisse des Verwalters in einem Drittstaat nicht anerkannt, so 94 hat ihn der Schuldner dabei zu unterstützen, dass der betroffene Vermögensteil ordnungsgemäß verwertet wird. Dazu hat er dem Verwalter Auskunft zu geben (§ 97 InsO) und soweit erforderlich Vollmacht zu erteilen, damit der Verwalter im Ausland im Namen des Schuldners vorgehen kann.120 Wird ein Sekundärverfahren eröffnet, steht die Verwertungsbefugnis über die 95 Masse des Sekundärverfahrens nur dem Sekundärverwalter zu. Er muss aber dem Hauptinsolvenzverwalter vor einer Verwertung Gelegenheit geben, Vorschläge für die Verwertung zu machen (Art 31 III EuInsVO).121 Dieser kann zusätzlich im Interesse der Gläubiger des Hauptverfahrens eine Aussetzung der Verwertung verlangen (Art 33 EuInsVO).122 Nach Art 3 III 2 EuInsVO ist jedes Sekundärverfahren ein Liquidationsverfah- 96 ren. Danach müsste der Sekundärverwalter die Sekundärmasse wirtschaftlich wenig sinnvoll immer verwerten, selbst wenn eine Sanierung des Unternehmens in einem Insolvenzplan (im Hauptverfahren) ansteht. Aus Art 2 lit c EuInsVO ergibt sich freilich, dass dies nicht so gemeint ist, da danach ein Liquidationsverfahren auch durch Vergleich beendet werden kann. Für ein deutsches Sekundärverfahren ist das Problem irrelevant, da in Deutschland nur ein ergebnisoffenes Einheitsverfahren zur Verfügung steht. Bei der Reform der EuGVO soll in Art 3 III der bisherige Satz 2 entfallen. Damit die Gläubiger grds gleich behandelt werden, muss ein Gläubiger eine 97 nach Eröffnung des Verfahrens erhaltene Befriedigung an den Verwalter herausgeben (Art 20 I EuInsVO),123 auch die in einem Haupt- oder Sekundärverfahren erhaltene Quote muss er sich bei einer weiteren Verteilung in anderen Verfahren anrechnen lassen (Art 20 II EuInsVO; § 342 II InsO);124 ein etwaiger Überschuss in einem Sekundärverfahren ist an den Verwalter des Hauptverfahrens abzuliefern (Art 35 EuInsVO; § 358 InsO).125 In einem Drittstaat darf der Insolvenzverwalter Schuldnervermögen nur nach seiner Anerkennung verwerten. 118 Geimer IZPR, Rz 3483; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 66ff; MüKoBGB/ Kindler Art 20 EuInsVO Rz 4ff. 119 Schack IZVR, Rz 1182. 120 Schack IZVR, Rz 1181; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 55. 121 Geroldinger, S 289ff; Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 203ff. 122 Mankowski, Kölner Schrift Kap 47 Rz 218ff; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 33 EuInsVO Rz 2ff. 123 Mankowski, Kölner Schrift Kap 47 Rz 166; Pannen/Riedemann Art 20 EuInsVO Rz 5ff. 124 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 92ff; MüKoBGB/Kindler Art 20 EuInsVO Rz 19ff. 125 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 152; Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 226; Ch. Dawe S 184ff.
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c) Zusammenarbeit zwischen Insolvenzverwaltern 99
Schrifttum: ALI u III, Guidelines applicable to Court-to-Court Communication in CrossBorder Cases, 2001; L. Czaja, Umsetzung der Kooperationsvorgaben durch die Europäische Insolvenzverordnung im deutschen Insolvenzverfahren, 2009, S 75ff; U. Ehricke, Die Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter bei grenzüberschreitenden Insolvenzen nach der EuInsVO, WM 2005, 397; U. Ehricke, Probleme der Verfahrenskoordination – Eine Analyse der Kooperation von Insolvenzverwaltern und Insolvenzgerichten, in Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht, 2008, S 127; H. Eidenmüller, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag, ZZP 114 (2001), 3; A. Geroldinger, Verfahrenskoordination im Europäischen Insolvenzrecht, 2010; Paulus, „Protokolle“ – ein anderer Zugang zur Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzen, ZIP 1998, 977; UNCITRAL, Practice Guide on Cross-Border Insolvency Cooperation 2009; B. Wessels, European Communication and Cooperation. Guidelines for Cross-Border Insolvency, 2007. H. Vallender, Zugang ausländischer Insolvenzverwalter zur Vorauswahlliste deutscher Insolvenzgerichte nach Art 102a EGInsO, ZIP 2011, 454;
100 Innerhalb der EU sind die Verwalter von Haupt- und Sekundärverfahren zur umfassenden Zusammenarbeit verpflichtet (Art 31 II EuInsVO). Sie haben sich über alle für das jeweilige Verfahren relevanten Vorgänge wie Forderungsanmeldungen, Bestreiten angemeldeter Forderungen, Insolvenzanfechtungen, Sanierungspläne etc zu informieren (Art 31 I EuInsVO).126 101 In der Praxis werden vielfach förmliche Kooperationsvereinbarungen, teilweise auch nur formlose Absprachen (sog protocols) getroffen.127
d) Zusammenarbeit der Insolvenzgerichte 102 Schrifttum: P. Busch/A. Remmert/St. Rüntz/H. Vallender, Kommunikation zwischen Gerichten in grenzüberschreitenden Insolvenzen, NZI 2010, 417; L. Czaja, Umsetzung der Kooperationsvorgaben durch die europäische Insolvenzverordnung im deutschen Insolvenzverfahren, 2009, S 237ff.
Die EuInsVO enthält derzeit keine Regelung über die Zusammenarbeit inländischer und ausländischer Insolvenzgerichte, etwa zur Klärung, welches Gericht nach Art 3 EuInsVO tatsächlich zur Verfahrenseröffnung zuständig ist, welche Vermögenswerte welchem Verfahren zuzuordnen sind, ob ggf die gleiche Person als Verwalter einzusetzen ist.128 Die EuInsVO verbietet eine solche (je nach Fallgestaltung sinnvolle) Zusammenarbeit aber auch nicht.129
126 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 130 Rz 71, § 133 Rz 101ff; Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 193ff; Czaja, S 75ff, 120ff; Geroldinger, S 271ff. 127 Vgl M. Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag, 2004; Paulus ZIP 1998, 977; Hess EuZPR § 9 Rz 61f. 128 Krit Paulus EuInsVO, Einl Rz 42. 129 Vgl Geroldinger, S 394ff; Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 211ff; FK-InsO/ Wenner/Schuster Art 31 EuInsVO Rz 3; aA wohl U. Ehricke, in Gottwald, S 127, 158ff (keine Rechtsgrundlage).
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Bei der Reform der EuInsVO soll die Kooperation und Kommunikation unter den Gerichten in E Art 31a und in E Art 31b zwischen Verwaltern und Gerichten neu geregelt werden.
103
Anders als die EuInsVO sieht § 348 II InsO (idF des ESUG) schon jetzt im An- 104 schluss an Art 25 UNCITRAL-ML vor, dass das deutsche Insolvenzgericht mit einem ausländischen Insolvenzgericht zusammenarbeiten kann, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung des ausländischen Verfahrens gegeben sind oder wenn sie geklärt werden müssen. Das deutsche Gericht darf dabei insb Informationen weitergeben, die für das ausländische Verfahren von Bedeutung sind. Das deutsche Recht ermächtigt zur Zusammenarbeit, verpflichtet aber nicht dazu.130
e) Insolvenzplan/Sanierungsverfahren Abschluss und Wirkungen eines Insolvenzplans richten sich nach der lex fori 105 concursus (Art 4 II 2 lit j EuInsVO). Eingriffe in Sicherungsrechte im Ausland (ohne Zustimmung des Betroffenen) scheitern aber an Art 5 I EuInsVO bzw § 351 InsO.131 Von der Zuständigkeit, einen Insolvenzplan zu bestätigen, ist die Zuständigkeit zu unterscheiden, ein „scheme of arrangement“ für ein solventes Unternehmen zu bestätigen. Der englische High Court of Justice hat hier seine Zuständigkeit auch dann bejaht, wenn das Unternehmen seinen Sitz nicht in England hat, aber die Mehrzahl der betroffenen Verbindlichkeiten englischem Recht unterliegt und der Fall insoweit hinreichende Verbindung zu England aufweist.132
f) Verfahrensbeendigung Voraussetzungen und Wirkungen der Beendigung eines Insolvenzverfahrens 106 richten sich innerhalb der EU gem Art 4 II 2 lit j EuInsVO nach der lex fori concursus.133 Alle insoweit ergangenen Entscheidungen des Gerichts eines EU-Mitgliedstaats sind in den anderen EU-Mitgliedstaaten ohne Weiteres anzuerkennen (Art 25 I 1 EuInsVO). Im Verhältnis zu Drittstaaten sollte dies idealiter nicht anders sein. Jedoch ist insoweit die Anerkennung der Inlandsmaßnahmen nicht gesichert, sondern muss vielfach erst besonders durchgesetzt werden.
130 Braun/Ehret, InsO, 5. Aufl 2012, § 348 Rz 5. 131 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 133 Rz 86. 132 BGHZ 188, 177 = ZIP 2011, 926; High Court of Justice (Chancery Division) London ZIP 2011, 1017 (Rodenstock); dazu Tschentscher EWiR Art 1 EuInsVO 1/11, 379. 133 GA Kokott EuGH („Handlowy“) ZIP 2012, 1133; dazu Ch. Paulus EWiR Art. 27 EuInsVO 1/12, 385.
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g) Restschuldbefreiung 107 Zu den Wirkungen der Beendigung eines Insolvenzverfahrens, die in allen EUMitgliedstaaten anzuerkennen sind (Art 4 II 2 lit j EuInsVO), gehört auch die Restschuldbefreiung.134 108 Ob die Restschuldbefreiung in einem Drittstaat Inlandswirkung hat, ist in der InsO nicht geregelt. Ist das dortige Insolvenzverfahren aber im Inland anzuerkennen, so sollte auch die Verfahrensbeendigung mit ihren Folgen umfassend anerkannt werden.
III. Insolvenzkollisionsrecht 1. Allgemeines Schrifttum 109 J. Bode, Die Europäische Insolvenzverordnung: Möglichkeiten und Grenzen der Wahl des Insolvenzstatuts im Rahmen der EuInsVO, 2011; I. Fletcher, Insolvency in Private International Law, 2nd ed 2005; Ch. Grochowski, Internationales Privatrecht und Geschäftsführerhaftung bei Insolvenzen von Auslandsgesellschaften, 2012; P. v. Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, 2011; W. Hau, Masseanreicherung und Gläubigerschutz im Europäischen Insolvenzrecht: Anfechtung, Eigenkapitalersatz und Durchgriffshaftung, in Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, S 79; J. Thieme, Rom I und Insolvenzverträge, FS v. Hoffmann, 2011, S 483; M.-Ph. Weller, Intertemporale Behandlung der Insolvenzverschleppungshaftung beim Insolvenzstatutenwechsel, FS Ganter, 2010, S 439.
2. Allgemeines 110 Hauptanliegen der EuInsVO war es, das Insolvenzkollisionsrecht in der EU weitgehend zu vereinheitlichen. Als Grundregel sieht Art 4 EuInsVO vor, dass die lex fori concursus regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Insolvenzverfahren eröffnet, wie es durchzuführen und zu beenden ist. Art 4 II EuInsVO zählt in einer Art Beispielskatalog auf, welche Fragen nach dieser Grundregel zu beurteilen sind.135 Art 4 II EuInsVO erfasst aber nicht alle sonstigen IPR-Fragen. Sie sind nach den allgemeinen IPR-Regeln zu beantworten.136 111 Für dingliche Rechte Dritter (Art 5 EuInsVO), für die Aufrechnung (Art 6 EuInsVO), den Eigentumsvorbehalt (Art 7 EuInsVO), Verträge über unbewegliche Gegenstände (Art 8 EuInsVO), Zahlungssysteme (Art 9 EuInsVO), den
134 FK-InsO/Wenner/Schuster Art 4 EuInsVO Rz 14; MüKoInsO/Reinhart Art 4 EuInsVO Rz 38; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 131 Rz 104; § 133 Rz 90ff; Schack IZVR Rz 1210ff; vgl Vallender, Wirkung und Anerkennung einer im Ausland erteilten Restschuldbefreiung, ZInsO 2009, 616. 135 Vgl Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 74ff; MüKoBGB/Kindler Art 4 EuInsVO Rz 14ff. 136 OLG Hamm IPRax 2012, 351 (dazu Limbach, S 320); dazu auch Mankowski EWiR Art 4 EuInsVO 1/12, 51.
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§ 20
Arbeitsvertrag (Art 10 EuInsVO), Gemeinschaftspatente und -marken (Art 12 EuInsVO) sowie für die Insolvenzanfechtung (Art 13 EuInsVO) und den Schutz gutgläubiger Dritterwerber (Art 14 EuInsVO) sieht die EuInsVO aber Sonderregelungen vor.
3. Verträge in der Insolvenz 112
Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, 1997.
Die Folgen der Insolvenzeröffnung auf schwebende gegenseitige Verträge ergeben sich aus der jeweiligen lex fori concursus, in Deutschland aus § 103 InsO,137 soweit sich nicht aus Art 8, 10 oder 11 EuInsVO ein anderes ergibt.
4. Sicherungsrechte in der Insolvenz Schrifttum: Ch. Bortz, Urheberrechtliche Lizenzen in nationaler und internationaler Insolvenz, 2012; U. Haas, Die Verwertung der im Ausland belegenen Insolvenzmasse, FS W. Gerhardt, 2004, S 319; O. Liersch, Sicherungsrechte im Internationalen Insolvenzrecht, 2001; O. Liersch, Sicherungsrechte im internationalen Insolvenzrecht, NZI 2002, 15; P. Mankowski, Verträge über unbewegliche Gegenstände im europäischen Internationalen Insolvenzrecht (Art 8 EuInsVO), FS Görg, 2010, S 273; C. Naumann, Die Behandlung dinglicher Kreditsicherheiten und Eigentumsvorbehalte nach Art 5 und 7 EuInsVO, 2004; A. Plappert, Dingliche Sicherungsrechte in der Insolvenz, 2008; St. Reinhart, Die Durchsetzung im Inland belegener Absonderungsrechte bei ausländischen Insolvenzverfahren, IPRax 2012, 417; Scherber, Europäische Grundpfandrechte in der nationalen und internationalen Insolvenz im Rechtsvergleich, 2004; J. Schmitz, Dingliche Mobiliarsicherheiten im internationalen Insolvenzrecht, 2011.
113
a) Dingliche Sicherheiten bleiben in der Insolvenz zwar grds erhalten. Den- 114 noch gibt es von Staat zu Staat Unterschiede bei der Verwertungsbefugnis oder dem Rang der Befriedigung. Nach der Sachnorm des Art 5 EuInsVO bzw des § 351 I InsO werden dingliche Rechte eines Gläubigers oder eines Dritten von der Insolvenz des Schuldners nicht berührt. (Dies gilt auch, wenn das Insolvenzverfahren vor dem Beitritt des Eröffnungsstaats zur EU eröffnet wurde, wenn sich die betreffenden Gegenstände zur Zeit des Beitritts im Eröffnungsstaat befanden.)138 Nach hM bedeutet dies, dass dingliche Rechte, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung belegen sind, ohne jede Beschränkung geltend gemacht werden können und auch nicht den Einschränkungen unterliegen, die ein Insolvenzverfahren in dem Lagestaat mit sich brächte.139 Sinnvoller wäre es, dem Verwalter jedenfalls die Nutzungs- und Verwertungsrechte einzuräumen, die generell am Belegenheitsort bestehen,140 ohne dass dort ein Sekundärverfahren eröffnet werden müsste.
137 Schack IZVR Rz 1193. 138 EuGH (C-527/10 v 5.7.2012, ERSTE Bank v Magyar Állam) ZIP 2012, 1815 = IPRax 2013, 175 (dazu Laukemann, S 150). 139 MüKoInsO/Reinhart Art 5 EuInsVO Rz 13; Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 132 Rz 30f; krit InsO/Wenner/Schuster Art 5 EuInsVO Rz 9; Hess EuZPR § 9 Rz 43f; Haas FS Gerhardt, S 319, 329. 140 Hierfür Schack IZVR, Rz 1200.
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§ 20
Internationales Insolvenzrecht
Will ein Gläubiger freilich in der Insolvenz eine Zwangsversteigerung gegen den Schuldner betreiben, so muss er zuvor seinen Titel nach §§ 750 II, 727 ZPO auf den verfügungsbefugten Insolvenzverwalter umschreiben lassen.141 115 Art 5 EuInsVO ist auch auf urheberrechtliche Lizenzen anwendbar. Der Lizenznehmer kann die Lizenz also auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter nutzen und auf ihren Bestand vertrauen.142 116 b) Der Eigentumsvorbehalt ist wirtschaftlich ein Sicherungsrecht, die EuInsVO regelt ihn aber besonders. Befindet sich die Vorbehaltsware nicht im Eröffnungsstaat, so bleiben die Rechte des Verkäufers von der Eröffnung unberührt (Art 7 I EuInsVO).143 Es bleibt also bei dem Recht des Belegenheitsstaats. Wird gegen den Vorbehaltsverkäufer ein Insolvenzverfahren eröffnet, bleibt das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers (wie nach § 107 I InsO) insolvenzfest (Art 7 II EuInsVO), ein Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters besteht nicht.144 Dieser Schutz soll auch dann erhalten bleiben, wenn nach dem Hauptverfahren in dem Lagestaat ein Sekundärverfahren eröffnet wird und nach dem Recht des Lagestaats keine Insolvenzfestigkeit bestünde.145 Art 7 EuInsVO erfasst nur den einfachen Eigentumsvorbehalt; der verlängerte und der erweiterte Eigentumsvorbehalt sind über Art 5 EuInsVO gesichert (s o Rz 114).
5. Aufrechnung in der Insolvenz 117 R. Bork, Die Aufrechnung im internationalen Insolvenzverfahrensrecht, ZIP 2002, 690; N. Gruschinske, Das europäische Kollisionsrecht der Aufrechnung unter besonderer Berücksichtigung des Insolvenzfalles, 2008; N. Gruschinske, Die Aufrechnung in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren, EuZW 2011, 171; Ch. Jeremias, Internationale Insolvenzaufrechnung, 2005.
Die Aufrechnung wirkt in der Insolvenz wie ein Sicherungsrecht und soll daher wie dieses durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht beeinträchtigt werden (vgl EuInsVO Erwägungsgrund 26). Nach Art 4 II 2 lit d EuInsVO regelt die lex fori concursus daher zwar die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung, eine nach dem Recht, das für die Forderung des Schuldners maßgeblich ist, zulässige Aufrechnung wird davon aber nach Art 6 I EuInsVO bzw § 338 InsO „nicht berührt“, bleibt also zulässig.146 Die Garantiefunktion der lex causae greift aber nur, wenn beide Forderungen einander zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung
141 BGH IPRax 2012, 427 (dazu Reinhart, S 417). 142 Ch. Bortz, S 222ff, 243. 143 MüKoBGB/Kindler Art 7 EuInsVO Rz 8ff; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 7 EuInsVO Rz 9f. 144 FK-InsO/Wenner/Schuster Art 7 EuInsVO Rz 12; MüKoBGB/Kindler Art 7 EuInsVO Rz 12. 145 MüKoInsO/Reinhart Art 7 EuInsVO Rz 9; MüKoBGB/Kindler Art 7 EuInsVO Rz 13ff; aA Paulus EuInsVO Art 7 Rz 11. 146 MüKoInsO/Reinhart Art 6 EuInsVO Rz 12; krit Schack IZVR, Rz 1203.
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Insolvenzkollisionsrecht
§ 20
bereits aufrechenbar gegenüberstanden.147 Das maßgebliche Forderungsstatut bestimmt sich nach dem allgemeinen IPR, also nach Art 17 Rom I-VO. Anwendbar sind dabei auch die insolvenzrechtlichen Regeln des Forderungsstatuts.148 (Ist Forderungsstatut das Recht eines Drittstaats, findet Art 6 EuInsVO keine Anwendung.) Ist die Aufrechnung nach der lex fori concursus zulässig, kommt es auf die lex causae nicht mehr an.149 Die lex causae schützt aber nach Art 6 II EuInsVO nicht vor einer Insolvenzan- 118 fechtung oder einer Unwirksamkeit der Aufrechnung aus anderen Gründen nach der lex fori concursus gem Art 4 II 2 lit m EuInsVO.150 Bei der Reform der EuInsVO soll ein neuer E Art 6a eingefügt werden. Danach 119 sollen Aufrechnungs- und Schuldumwandlungsvereinbarungen (netting agreements) ausschließlich dem jeweiligen Vertragsstatut unterliegen.
6. Insolvenzanfechtung R. Bork/J. Adolphsen, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, 2006, Teil 8, S 623 ff; A. Burgstaller, Zur Anfechtung nach der Europäischen Insolvenzverordnung, FS Jelinek, 2002, S 31; B. Göpfert, Anfechtbare Aufrechnungslagen im deutsch-amerikanischen Insolvenzrechtsverkehr, 1996; K. Huber, Das für die anfechtbare Rechtshandlung maßgebende Recht, FS W. Gerhardt, 2004, S 319; J. Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, 2005; M. Prager/Ch. Keller, Die Einrede des Art 13 EuInsVO, NZI 2011, 697; R. Stürner/Ch. Fix, Das maßgebliche Recht im Sinne des Artikel 13 EuInsVO – Bestimmung und Geltungsumfang, FS Wellensiek, 2011, S 833; A. Schall, Crossborder-Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, ZIP 2011, 2177; Ch. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht (§ 10), 2010, S 761 ff, 807 ff; Ch. Thole, Die Anwendung des Art 13 EuInsVO bei Zahlungen auf fremde Schuld, NZI 2013, 113; S. Zeeck, Das internationale Anfechtungsrecht in der Insolvenz, 2003; S. Zeeck, Die Anknüpfung der Insolvenzanfechtung, ZInsO 2005, 281.
Die Insolvenzanfechtung richtet sich gem Art 4 II 2 lit m EuInsVO grds nach der lex fori concursus. Allerdings ordnen Art 13 EuInsVO und § 339 InsO an, dass die Handlung dann nicht anfechtbar ist, wenn sie nach der lex causae in keiner Weise angreifbar ist.151 Verwiesen wird insoweit nicht nur auf die insolvenzrechtlichen Regeln des Wirkungsstatuts, sondern auch auf dessen allgemeine Regeln über Willensmängel und Sittenwidrigkeit. Die Anfechtung ist nur dann nicht möglich, wenn die Rechtshandlung nach all diesen Regeln des Wirkungsstatuts nicht angreifbar ist.152 Art 13 EuInsVO bildet freilich eine Einrede, auf die sich der Anfechtungsgegner berufen muss.153 Im Ergebnis
147 Bork ZIP 2002, 690, 694; MüKoInsO/Reinhart Art 6 EuInsVO Rz 11; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 6 EuInsVO Rz 3; Pannen/Ingelmann Art 6 Rz 8. 148 MüKoBGB/Kindler Art 6 EuInsVO Rz 5; MüKoInsO/Reinhart Art 6 EuInsVO Rz 9. 149 MüKoInsO/Reinhart Art 6 EuInsVO Rz 7. 150 MüKoInsO/Reinhart Art 6 EuInsVO Rz 13. 151 Vgl OLG Koblenz NZI 2011, 448, 449; OLG Stuttgart ZIP 2012, 2162. Gegen eine Anwendung auf Drittzahlungen Thole NZI 2013, 113. 152 FK-InsO/Wenner/Schuster Art 13 EuInsVO Rz 8; Schack IZVR, Rz 1207f. 153 Pannen/Dammann Art 13 Rz 13; HambKomm/Undritz Art 13 EuInsVO Rz 8f; Prager/Keller NZI 2011, 697, 701.
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Internationales Insolvenzrecht
führt diese Kumulation dazu, dass sich das anfechtungsfeindlichste Recht durchsetzt.154
7. Insolvenzarbeitsrecht 121 Nach Art 10 EuInsVO sowie § 337 InsO findet auf Arbeitsverträge ausschließlich das Arbeitsvertragsstatut (gem Art 8 Rom I-VO) Anwendung. Abzustellen ist primär auf die Rechtswahl im Arbeitsvertrag, hilfsweise auf das Recht am gewöhnlichen Arbeitsort, nochmals hilfsweise auf das Recht am Ort des gewöhnlichen Arbeitsantritts. Ist deutsches Recht Arbeitsvertragsstatut, so schließt dies eine Geltung von § 113 und § 125 InsO ein, auch wenn das Hauptverfahren selbst in England eröffnet worden ist.155 Ein Administrator englischen Rechts kann also mit den Arbeitnehmern in Deutschland einen Interessenausgleich gem § 125 InsO vereinbaren.156 Davon abweichend entschied das LAG Baden-Württemberg, dass sich Lohnansprüche deutscher Arbeitnehmer gegen die insolvente griechische Olympic Air wegen Annahmeverzugs gem Art 4 EuInsVO nach griechischem Recht richten und nicht von Art 10 EuInsVO erfasst werden.157 Ob Lohnansprüche ein Insolvenzvorrecht genießen oder nicht, richtet sich dagegen nach dem Recht des Eröffnungsstaats (EuInsVO Erwägungsgrund 28 S 2). Für das allgemeine Betriebsverfassungsrecht gilt der Territorialitätsgrundsatz.158 122 Insolvenzgeld (§ 165 SGB III) erhält der in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer (entsprechend Art 8a Richtlinie Nr 80/987/EWG v 20.10.1980 idF der Richtlinie 2002/74/EG v 23.9.2002)159 auch, wenn das Insolvenzereignis im Ausland eingetreten ist.160 123 Bei der Reform der EuInsVO soll in E Art 10a festgelegt werden, dass eine nach dem Wirkungsstatut notwendige Zustimmung des Gerichts zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses von dem Eröffnungsgericht zu erteilen ist, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat kein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
8. Gesellschaftsrecht 124 K. Pannen, Die „Scheinauslandsgesellschaft“ im Spannungsfeld zwischen dem ausländischen Gesellschaftsstatut und dem inländischen Insolvenzstatut, FS G. Fischer, 2008, S 403. 154 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 132 Rz 78; Hess EuZPR § 9 Rz 46; krit S. Zeeck ZInsO 2005, 2. 155 ArbG Frankfurt a.M. ZIP 2010, 1313. 156 BAG NZI 2012, 1011, 1014ff. 157 LAG Baden-Württemberg EzA-SD 2012, Nr 10. 158 Cranshaw, in: Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar, § 337 InsO Rz 12. 159 ABl EG Nr L 270/10. 160 Cranshaw, in: Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar, § 337 InsO Rz 14; Pannen/Dammann Art 10 Rz 10; MüKoBGB/Kindler Art 10 EuInsVO Rz 7; MüKoInsO/Reinhart Art 10 EuInsVO Rz 11ff.
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Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren
§ 20
Bei einer Scheinauslandsgesellschaft fallen Insolvenzstatut (Art 4 EuInsVO) und Gesellschaftsstatut auseinander. Im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten bestimmt sich das Gesellschaftsstatut nach der Gründungstheorie.161
9. Gesellschafterdarlehen Die Regeln über den Nachrang von Gesellschafterdarlehen (§ 39 I Nr 5 InsO) 125 gehören zum deutschen Insolvenzrecht und sind nach Art 4 EuInsVO auch auf ein im Inland durchgeführtes Insolvenzverfahren einer Gesellschaft mit Satzungssitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat anzuwenden.162 Wird über eine Kapitalgesellschaft in Deutschland ein Insolvenzverfahren er- 126 öffnet, finden die Regeln über den Eigenkapitalersatz (Nachrang der Gesellschafterdarlehen, § 39 I Nr 5 InsO) als Insolvenzrecht (Art 4 EuInsVO) auch dann Anwendung, wenn die Gesellschaft in einem anderen Staat der EU gegründet wurde. Die Regeln sind also insolvenzrechtlich zu qualifizieren.163
10. Insolvenzverschleppungshaftung, Existenzvernichtungshaftung Schrifttum: Berner/Klöhn, Insolvenzantragspflicht, Qualifikation und Niederlassungsfreiheit, ZIP 2007, 106; L. Renner, Insolvenzverschleppungshaftung in internationalen Fällen, 2007; Th. Strauß, Insolvenzbezogene Geschäftsleiterhaftung in europa, 2002.
127
Die Haftung wegen Insolvenzverschleppung ist deliktisch zu qualifizieren (Art 4 Rom II-VO), ist also auch bei ausländischem Gesellschaftsstatut anwendbar.164 Nachdem die Rechtsprechung die Existenzvernichtungshaftung jetzt aus dem 128 Gesellschaftsrecht gelöst hat und rein deliktsrechtlich (§ 826 BGB) einordnet, sollte sie auch international deliktsrechtlich (Art 4 Rom II-VO) qualifiziert werden.165
IV. Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren 1. Schrifttum J. Garašic´, Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren (2 Bde), 2005; B. Hess/B. Laukemann, Überlegungen zum ordre-public-Vorbehalt der Europäischen Insolvenzverordnung, FS Wellensiek, 2011, S 813; H.-P. Mansel, Grenzüberschreitende Restschuldbefreiung – Anerkennung einer (automatic) discharge nach englischem Recht und ordre public, FS v. Hoffmann, 2011, S 683; J. Ambach, Reichweite und Bedeutung von Art 25 EuInsVO, 2009; P. Mankowski, Keine Litispendenzsperre unter der EuInsVO, KTS 2009, 161 MüKoBGB/Kindler, IntGesR Rz 427 ff. 162 OLG Köln ZIP 2010, 2016; dazu Riedemann/Lesmann EWiR § 39 InsO 1/11, 19. 163 BGHZ 190, 364 = ZIP 2011, 1775 = NZI 2011, 818; dazu Bork EWiR 2011, 643; so bereits für die „Novellenregeln“ Pannen FS G. Fischer, 2008, S 403, 418; aA (Gesellschaftsrecht) FK-InsO/Wenner/Schuster Art 4 EuInsVO Rz 21. 164 Pannen FS G. Fischer, 2008, S 403, 416f; vgl MüKoBGB/Kindler IntGesR Rz 657ff; aA Berner/Klöhn ZIP 2007, 106, 111. 165 HambKomm/Undritz Art 4 EuInsVO Rz 22; Pannen FS G. Fischer, 2008, S 403, 423.
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Internationales Insolvenzrecht
453; P. Mankowski, Der ordre public im europäischen und im deutschen Internationalen Insolvenzrecht, KTS 2011, 185; H.-P. Mansel, Grenzüberschreitende Restschuldbefreiung – Anerkennung einer (automatic) discharge nach englischem Recht und ordre public, FS v. Hoffmann, 2011, S 683.
2. Europäisches Insolvenzrecht a) Sicherungsmaßnahmen 130 Gerichtliche Sicherungsmaßnahmen, die in einem EU-Mitgliedstaat angeordnet werden, sind gem Art 25 I Unterabs 3 EuInsVO automatisch anzuerkennen und für eine etwa erforderliche Vollstreckung im Verfahren nach Art 38ff EuGVO für vollstreckbar zu erklären (Art 25 I Unterabs 1 EuInsVO).166 Dies gilt auch für die Befugnisse des vorläufigen Verwalters.167 (Dass der vorläufige Verwalter nach EuInsVO Erwägungsgrund 16 S 4 in einem Niederlassungsstaat die dort vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen beantragen kann, steht dem nicht entgegen.)168 Eine vorläufige Insolvenzeröffnung nach § 21 II 1 Nr 2 InsO wird in Frankreich nicht als Insolvenzeröffnung iS von Art 16 EuInsVO, sondern nur als Sicherungsmaßnahme iS von Art 25 EuInsVO anerkannt.169
b) Eröffnung des Insolvenzverfahrens 131 Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (durch ein nach Art 3 zuständiges Gericht) ist gem Art 16 I EuInsVO (und Erwägungsgrund 22) in allen anderen EUMitgliedstaaten anzuerkennen, selbst wenn gegen den Schuldner in den betreffenden Mitgliedstaat kein Insolvenzverfahren eröffnet werden könnte. Eine Ausnahme besteht nur bei einem ordre public-Verstoß gem Art 26 EuInsVO. Die internationale Zuständigkeit gem Art 3 EuInsVO gehört dabei nicht zum ordre public. 132 Entscheidungen in Insolvenzverfahren in einem EU-Mitgliedstaat, insb der Eröffnungsbeschluss und seine Beschlagnahmewirkungen sind in allen anderen EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen. Die Anerkennung erfolgt nach Art 16, 17 EuInsVO bzw § 343 I InsO automatisch iS einer Wirkungserstreckung.170 Als Eröffnungsentscheidung ist bereits die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen unter Bestellung eines „starken“ vorläufigen Verwalters anzusehen.171 Einziges Anerkennungshindernis ist nach Art 26 EuInsVO ein (nur in Extremfällen zu bejahender) Verstoß gegen den nationalen ordre public.172 Ansonsten darf 166 Pannen/Riedemann Art 25 Rz 27ff. 167 FK-InsO/Wenner/Schuster Art 25 EuInsVO Rz 7; Paulus EuInsVO Art 25 Rz 10; aA MüKoBGB/Kindler Art 25 EuGVO Rz 23; Pannen/Riedemann Art 25 Rz 31. 168 Gottwald/Kolmann InsR-Hdb, § 133 Rz 69, 72. 169 Cour d’appel Colmar Rec. Dalloz 2010, 1262; dazu Mankowski, EWiR Art 16 EuInsVO 1/10, 543. 170 FA-InsR/Holzer Kap 12 Rz 38; MüKoBGB/Kindler Art 16 EuInsVO Rz 19; Pannen/ Pannen/Riedemann Art 16 Rz 2; Schack IZVR, Rz 1217, 1220; Mankowski, Kölner Schrift Kap 47 Rz 147. 171 EuGHE 2006, I-3854 (Eurofood) = NZI 2006, 360; AG Köln NZI 2009, 133, 135. 172 Vgl AG Nürnberg ZIP 2007, 83; AG Göttingen NZI 2013, 206; Pannen/Riedemann Art 26 Rz 12.
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Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren
§ 20
die Anerkennung nicht verweigert werden.173 Diese ordre public-Klausel darf aber nach hM nicht dazu verwendet werden, die internationale Zuständigkeit des Eröffnungsstaats nachzuprüfen.174 Insolvenzeröffnungen aus Drittstaaten werden nach § 343 I 1 InsO ebenfalls automatisch anerkannt, doch gilt dies nur, wenn der ausländische Staat nach dem Spiegelbildprinzip (s o § 12 Rz 152) zur Eröffnung zuständig war (§ 343 I 2 Nr 1 ZPO).175
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Als Folge der Anerkennung darf im Inland kein inländisches Hauptinsolvenz- 134 verfahren eröffnet werden (Art 102 § 3 EGInsO). Es gilt insoweit ein striktes Prioritätsprinzip. Als Zeitpunkt der Eröffnung gilt nach Art 2 lit f EuInsVO der Zeitpunkt, an dem die Eröffnungsentscheidung wirksam wird; endgültig muss sie nicht sein. Abzustellen ist zur Zeit auf den Erlass eines Vermögensbeschlags gegen den Schuldner, so dass als Eröffnung nicht nur der formelle Eröffnungsbeschluss (§ 27 InsO), sondern auch die Bestellung eines vorläufigen Verwalters mit Verfügungsbefugnis (§§ 21, 22 InsO) anzusehen ist.176 Ein dennoch eröffnetes Verfahren ist zugunsten des ausländischen Verfahrens wieder einzustellen (Art 102 § 4 I EGInsO) und bis dahin schwebend unwirksam.177 Im Inland darf auch keine Zwangsvollstreckung gegen das Vermögen des Schuldners erfolgen und kein Arrest mehr angeordnet werden.178 Sicherungsmaßnahmen sind nur noch zulässig, nachdem ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens gestellt wurde (Art 18 I 1 EuInsVO). Art 102 § 4 II EGInsO sieht allerdings vor, dass die vor Einstellung des inländi- 135 schen Verfahrens eingetretenen Wirkungen bestehen bleiben. Diese Regelung verstößt aber gegen Art 17 I EuInsVO. Jedenfalls bei einer bewussten Eröffnung des inländischen Insolvenzverfahrens in Kenntnis der Eröffnung in einem EUMitgliedstaat kann daher Art 102 § 4 II EGInsO keine Anwendung finden.179 Weitere Folge der Anerkennung ist der Vermögensbeschlag gegen den Schuld- 136 ner.180 Dementsprechend darf der ausländische Verwalter (auch der vorläufige) als Folge der Anerkennung alle Befugnisse nach dem Recht des Eröffnungs-
173 EuGHE 2010, I-417 (MG Probud Gdynia) = RIW 2010, 224, 227 = IPRax 2011, 589 (dazu Würdinger, S 562). 174 MüKoBGB/Kindler Art 3 EuInsVO Rz 49; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 26 EuInsVO Rz 9. 175 Geimer, IZPR, Rz 3514; HambKomm/Undritz § 343 Rz 1; MüKoBGB/Kindler § 343 InsO Rz 6, 12ff. 176 EuGHE 2006, I-3813 (Eurofood) = NZI 2006, 360; vgl MüKoBGB/Kindler Art 2 EuInsVO Rz 14ff; krit (nur formeller Eröffnungsbeschluss) MüKoInsO/Reinhart Art 2 EuInsVO Rz 8ff, 14f; nach FK-InsO/Wenner/Schuster Art 3 EuInsVO Rz 19 u HambKomm/Undritz Art 3 EuInsVO Rz 23ff soll dagegen jede Bestellung eines vorläufigen Verwalters genügen. 177 BGH RIW 2008, 640, 641 = ZZP 122 (2009), 339 (D. Eckardt). 178 EuGHE 2010, I-417 (MG Probud Gdynia) = ZIP 2010, 187; für „flexible“ Lösung dagegen Schack IZVR Rz 1230. 179 BGH RIW 2008, 640, 642 (Tz 26) = ZZP 122 (2009), 339, 343. 180 Pannen/Pannen/Riedemann Art 16 Rz 34; Schack IZVR Rz 1227; Mankowski, Kölner Schrift Kap 47 Rz 148.
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Internationales Insolvenzrecht
staats auch in den anderen EU-Staaten ausüben, solange dort nicht ein Sekundärverfahren eröffnet worden ist oder eine gegenteilige Sicherungsmaßnahme ergriffen wurde (Art 18 EuInsVO). Er darf insb im Inland belegenes Vermögen zur ausländischen Masse ziehen (Art 18 I 2 EuInsVO).181 Soweit er aufgrund der Eröffnungsentscheidung eine Herausgabevollstreckung gegen den Schuldners betreiben will, muss er diese Entscheidung gem Art 102 § 8 I EGInsO im Verfahren nach Art 25 I Unterabs 2 EuInsVO iVm Art 38ff EuGVO (s o § 15 Rz 8ff) für vollstreckbar erklären lassen. 137 Nach Art 25 III EuInsVO müssen im Ausland angeordnete Einschränkungen der persönlichen Freiheit oder des Postgeheimnisses nicht, können aber anerkannt werden.182 138 Soweit das ausländische Insolvenzverfahren danach anzuerkennen ist, dürfen im Inland keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen das Vermögen des Schuldners angeordnet werden, es sei denn das Recht des Eröffnungsstaats würde dies gestatten oder es liegt ein Ausnahmefall nach Art 5–15 EuInsVO vor.183 139 Wird ein englisches Insolvenzverfahren über das Vermögen eines deutschen Schuldners durchgeführt, so kann ein Verfahren zur Zwangsversteigerung eines massezugehörigen Grundstücks nur beantragt werden, nachdem der Vollstreckungstitel auf den englischen Insolvenzverwalter umgeschrieben und diesem zugestellt wurde.184
c) Beendigung des Verfahrens 140 Konsequenz der Anerkennung der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens ist nach Art 25 I EuInsVO, dass auch alle zur Durchführung und Beendigung des Verfahrens ergangenen Gerichtsentscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind.185
d) Insolvenzplan und Restschuldbefreiung 141 Gleiches gilt für einen gerichtlichen bestätigten Vergleich (Insolvenzplan). Welchen Inhalt der Insolvenzplan haben kann, bestimmt die lex fori concursus (Art 4 II 2 lit j). Stimmt die Gruppe der Absonderungsberechtigten (§ 222 I 2 Nr 1 InsO) dem Plan zu, so greift der Schutz des Art 5 EuInsVO nicht für den einzelnen Absonderungsberechtigten.186
181 Mankowski, Kölner Schrift Kap 47 Rz 150ff; MüKoInsO/Reinhart Art 18 EuInsVO Rz 6. 182 Vgl Pannen/Riedemann Art 25 Rz 49ff; FK-InsO/Wenner/Schuster Art 25 EuInsVO Rz 9f. 183 EuGHE 2010, I-417 (MG Probud Gdynia) = ZIP 2010, 187. 184 BGHZ 188, 177 = ZIP 2011, 926; dazu Gruber DZWIR 2011, 412; Wilhelm BB 2011, 1491. 185 EuGHE 2010, I-417 (MG Probud Gdynia) = ZIP 2010, 187; dazu J. Schmidt, EWiR Art 25 EuInsVO 1/10, 77. 186 So wohl Paulus EuInsVO Art 5 Rz 18.
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Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren
§ 20
Ergeht im Laufe des Verfahrens ein Beschluss über eine Restschuldbefreiung 142 (discharge), ist dieser ebenfalls nach Art 25 I EuInsVO anzuerkennen.187 Eine Ausnahme besteht nur in den Fällen des Art 25 III EuInsVO. Die Pflicht zur Anerkennung entfällt für das inländische Vermögen des Schuldners auch, soweit im Inland ein Sekundärinsolvenzverfahren gem Art 27 EuInsVO eröffnet worden ist. Sofern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem Drittstaat nach § 343 I InsO anzuerkennen ist, ist nach § 343 II InsO auch ein dort beschlossener Insolvenzplan oder eine dort gewährte Restschuldbefreiung anzuerkennen.188 Verlegt ein deutscher Schuldner sein Wohnsitz nur zum Schein nach England, 143 um dort einfacher eine Restschuldbefreiung zu erlangen, so verstößt die englische Restschuldbefreiung gegen den deutschen ordre public (Art 26 EuInsVO); die von der Restschuldbefreiung erfassten Forderungen sind daher in Deutschland durchsetzbar.189 Ein gerichtlich genehmigter Vergleichsplan nach englischem Gesellschafts- 144 recht über das Vermögen einer Versicherung („scheme of arrangement“) fällt nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO (§ 1 II EuInsVO). Er ist auch nicht nach § 88 Ia VAG, hilfsweise § 343 InsO anzuerkennen, da das Scheme of Arrangement-Verfahren kein Insolvenzverfahren ist.190
e) Anerkennung von Annexentscheidungen Nach Art 25 I Unterabs 2 EuInsVO sind auch Annexentscheidungen191 (s o 145 Rz 63ff) automatisch anzuerkennen und im Verfahren nach Art 38ff EuGVO (Art 31ff EuGVÜ) (s o § 15 Rz 8ff) für vollstreckbar zu erklären.192 Art 25 II EuInsVO ist eine Regel zur Klarstellung, dass jede Entscheidung entweder von EuGVO oder EuInsVO erfasst werden soll.193
3. Anerkennung nach autonomem deutschen Recht a) Schrifttum O. Gebler/D. Stracke, Anerkennung des US-Chapter-11-Verfahrens als Insolvenzverfahren, NZI 2010, 859; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003; Podewils, Zur Anerkennung von Chapter 11 in Deutschland, ZInsO 2010, 209.
187 H.-P. Mansel, FS v. Hoffmann, 2011, S 683, 685. 188 FK-InsO/Wenner/Schuster § 343 InsO Rz 40; MüKoBGB/Kindler § 343 InsO Rz 38. 189 LG Köln NZI 2011, 957 (Mankowski) = ZIP 2011, 2119; krit Vallender EWiR Art 26 EuInsVO 1/11, 775. 190 BGH NZI 2012, 425, 427 (Tz 24); Ch. Paulus ZIP 2011, 1077, 1080. 191 HambKomm/Undritz Art 25 EuInsVO Rz 4ff; Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 168; MüKoBGB/Kindler Art 25 EuInsVO Rz 15ff. 192 Pannen/Riedemann Art 25 Rz 36ff; MüKoInsO/Reinhart Art 25 EuInsVO Rz 18. 193 Pannen/Riedemann Art 25 44ff; Mankowski, Kölner Schrift, Kap 47 Rz 170.
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146
§ 20
Internationales Insolvenzrecht
Die EuInsVO hat Vorrang vor dem autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht.
b) Anerkennungsvoraussetzungen 147 Insolvenzverfahren in Drittstaaten werden nach § 343 InsO ebenfalls automatisch anerkannt. Voraussetzungen dafür sind: (1) Es muss sich funktional um ein Insolvenzverfahren handeln. (2) Dieses muss Auslandswirkung beanspruchen. (3) Das ausländische Insolvenzgericht muss international (nach deutschem Recht) zuständig sein194 und (4) das Verfahren im Ausland darf nicht gegen den deutschen ordre public verstoßen. Das US-amerikanische Recht kennt ein reines Liquidationsverfahren nach Chapter 7 sowie ein Reorganisationsverfahren nach Chapter 11. Auch dieses ist in Deutschland als Insolvenzverfahren anzuerkennen.195
c) Folgen der Anerkennung 148 Ein anzuerkennendes ausländisches Insolvenzverfahren ist im Inland öffentlich bekannt zu machen; auf Antrag des ausländischen Verwalters sind Verfügungsbeschränkungen im Grundbuch einzutragen (§ 346 InsO).196 Der ausländische Verwalter kann im Inland tätig werden. Dabei hat er seine Rechtsstellung durch eine beglaubigte Abschrift seiner Bestellung oder durch eine besondere Bescheinigung nachzuweisen (§ 347 InsO). 149 Wird ein anzuerkennendes ausländisches Insolvenzverfahren eröffnet, sind Verfügungen über inländische Grundstücke nach Maßgabe des § 349 InsO iVm § 878 BGB dennoch wirksam.197 Leistungen im Inland an den Schuldner sind wirksam, solange der Leistende die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens nicht kannte (§ 350 InsO).198 150 Dingliche Rechte im Inland werden durch die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens nicht berührt (§ 351 InsO), dh die Verfahrenseröffnung im Ausland hat keinerlei Wirkungen. Der Sicherungsgläubiger kann sie so verwerten, als gäbe es kein ausländisches Verfahren.199 194 Vgl MüKoBGB/Kindler § 343 InsO Rz 12ff; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 72; FKInsO/Wenner/Schuster § 343 InsO Rz 15ff. 195 BGH NZI 2009, 859 = ZIP 2009, 2217 („Schnellverschlusskappe“) = ZZP 123 (2010), 243 (Ch. Paulus); dazu O. Gebler/D. Stracke NZI 2010, 13. 196 MüKoBGB/Kindler § 346 Rz 4ff; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 78; ggf unter Angleichung FK-InsO/Wenner/Schuster § 346 InsO Rz 5. 197 Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 82; MüKoBGB/Kindler § 349 InsO Rz 3ff, 6. 198 FK-InsO/Wenner/Schuster § 350 InsO Rz 7f; MüKoBGB/Kindler § 350 Rz 5ff; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 84. 199 MüKoInsO/Reinhart § 351 InsO Rz 15; MüKoBGB/Kindler § 351 InsO Rz 8f; zweifelnd FK-InsO/Wenner/Schuster § 351 Rz 12; aA Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 86f.
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Sonderbereiche
§ 20
d) Vollstreckung ausländischer Insolvenzentscheidungen Ausländische Insolvenzentscheidungen aus Drittstaaten werden im Inland nur 151 vollstreckt, nachdem sie durch Vollstreckungsurteil gem §§ 722, 723 ZPO für vollstreckbar erklärt wurden (§ 353 InsO). Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten ist also an die Erfüllung erheblicher Förmlichkeiten geknüpft. Erfasst sind der Eröffnungsbeschluss, Entscheidungen über Pflichten des Schuldners, die Feststellung bestrittener Forderungen und die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans (Zwangsvergleichs).200 Da § 353 I InsO nicht auf § 723 II ZPO verweist, muss die anzuerkennende Entscheidung nicht rechtskräftig sein.201
4. Auslandswirkung des deutschen Insolvenzverfahrens Schrifttum: H. J. Miguens/H.P. Esser, Wirkungen eines deutschen Insolvenzverfahrens bei Vermögen im Ausland – Unterschiedliche Regelungsansätze im internationalen Insolvenzrecht am Beispiel Argentiniens, NZI 2011, 277.
152
Ein deutsches Hauptinsolvenzverfahren beansprucht weltweite Geltung (s o Rz 15). Innerhalb der EU-Staaten sichert die EuInsVO, dass dieser Anspruch automatisch anerkannt wird (Art 17 I EuInsVO). Ob und wie sich Wirkungen eines deutschen Insolvenzverfahrens auf Drittstaaten erstrecken, richtet sich freilich nach deren Recht. Folgt der Drittstaat dem UNCITRAL-ML muss der deutsche Verwalter erst eine Anerkennung seines Verfahrens beantragen (s o Rz 25ff).
V. Sonderbereiche 1. Schrifttum Chattopadhyay, Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, WM 2013, 405; Gottwald, Bankeninsolvenzen im europäischen Wirtschaftsraum, FS Georgiades, Athen 2005, S 823; Gottwald/Obermüller, InsolvenzrechtsHandbuch (§ 103 Bankinsolvenzen), 4. Aufl 2010, S 1772; Heiss/Gölz, Zur deutschen Umsetzung der Richtlinie 2001/17/EG … über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, NZI 2006, 1; Kollhosser/Goos, Das neue Insolvenzrecht im Versicherungsaufsichtsrecht, FS W. Gerhardt, 2004, S 487; Moss/Gabriel, EU Banking and Insurance Insolvency, 2006; Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten, 3. Aufl 2010; Stürner, Die europäische Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie für Banken und die deutschen Hypothekenbanken, FS Kirchhof, 2003, S 467; Wimmer, Die Richtlinien 23001/17/EG und 2001/24/EG über die Sanierung von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, ZInsO 2002, 897.
200 FK-InsO/Wenner/Schuster § 353 InsO Rz 3; MüKoInsO/Reinhart § 353 InsO Rz 4; MüKoBGB/Kindler § 353 InsO Rz 2. 201 MüKoInsO/Reinhart § 353 InsO Rz 9; Paulus, Kölner Schrift, Kap 46 Rz 90; FK-InsO/Wenner/Schuster § 353 Rz 6.
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§ 20
Internationales Insolvenzrecht
2. Bankeninsolvenz 154 Bankeninsolvenzen sind nach Art 1 II EuInsVO nicht von der EuInsVO erfasst. Insoweit hat die EG lediglich die Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten202 erlassen. Bankeninsolvenzen sind also in dem harmonisierten nationalen Recht geregelt, in Deutschland gelten die InsO und die §§ 45ff KWG. 155 Vorgesehen sind bankaufsichtliche Maßnahmen (durch die BAFin) in der Krise, die den Eintritt der Insolvenz verhindern soll (§§ 45ff KWG).203 Gelingt dies nicht, haben die Geschäftsleiter der Bank die (drohende) Insolvenz der BAFin anzuzeigen. Den Insolvenzantrag selbst kann nur diese stellen (§ 46b I 4 KWG). Bei Banken gibt es nur ein Hauptinsolvenzverfahren; Sekundärverfahren sind ausgeschlossen.204 156 Außerdem hat der europäische Gesetzgeber die Richtlinie 1998/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen vom 19.5.1998 erlassen.205 Nach Art 1 II EuInsVO gilt insoweit nicht die EuInsVO, sondern entsprechend Erwägungsgrund 27 zur EuInsVO nur das auf das betreffende System bzw den Markt anwendbare Recht. Zusammen mit Art 9 EuInsVO, § 340 III InsO sowie § 96 II InsO und § 1 XVI KWG soll dadurch erreicht werden, dass erteilte Zahlungsaufträge trotz Insolvenz noch ausgeführt werden und Aufrechnungen insolvenzfest sind.206 Um den Umgang mit systemrelevanten Banken in der Krise zu verbessern, hat die Kommission am 6.6.2012 den Vorschlag für eine Richtlinie zur Festlegung des Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen vorgelegt.207
3. Versicherungsinsolvenz 157 Auch Versicherungsinsolvenzen fallen nicht unter die EuInsVO (Art 1 II). Die EG hat insoweit die Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.3.2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen208 sowie die Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Par-
202 203 204 205 206 207 208
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ABl EG Nr L 125/15 v 5.5.2001. Vgl Gottwald/Obermüller, InsR-Hb § 103 Rz 2ff. FA-InsR/Holzer Kap 12 Rz 54, 57; Hess EuZPR § 9 Rz 67. ABl EG Nr L 166/45 v 11.6.1998. MüKoBGB/Kindler Vor Art 1 EuInsVO Rz 26ff. KOM (2012) 280 endg./2; vgl Chattopadhyay WM 2013, 405. ABl EG Nr L 110/28 v 20.4.2001.
Sonderbereiche
§ 20
laments und des Rates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)209 erlassen. Maßgebend ist also das jeweilige nationale Recht, in Deutschland die InsO sowie die §§ 81ff VAG.210 Auch bei Versicherungen gibt es nur ein Hauptinsolvenzverfahren; Sekundär- 158 verfahren sind ausgeschlossen (§ 88 Ia 1 VAG).211 Zum Schutz der Versicherungsforderungen erhalten diese ein absolutes Befriedigungsvorrecht aus einem besonders gebildeten Sicherungsvermögen (§ 66 I VAG).
209 ABl EG Nr L 335/1 v 17.12.2009; geändert durch die Richtlinie 2012/23/EU v 12.9.2012 (ABl EU Nr L 249/1 v 14.9.2012). 210 Krit zur Umsetzung Heiss/Gölz NZI 2006, 1. 211 FK-InsR/Holzer Kap 12 Rz 62; Kollhosser/Goos, FS Gerhardt, S 487, 504.
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Sachregister Die fetten Ziffern verweisen auf die Paragrafen, die mageren auf die Randziffern innerhalb der Paragrafen. Abänderung – ausländischer Entscheidungen 15, 246, 287ff, 315; 16, 29 – von Sorgerechtsentscheidungen 13, 52 Abänderungsantrag/-klage 4, 103; 6, 26; 15, 287ff, 315 Abgabe ins Ausland 4, 126, 128; 6, 203, 270 Ablehnungsgründe für Rechtshilfeersuchen – um Beweisaufnahmen 9, 27ff, 52ff, 76f, 117ff – um Zustellungen 8, 121ff, 149, 159, 167 Abstammungsverfahren 4, 77ff; 6, 119ff; 10, 169, 173, 178, 182; 12, 182 Abwehrgesetze 6, 311ff Act-clair Doktrin 1, 76 Act of State-Doctrin 2, 30 Acte sous seing privé 10, 136ff Action directe 3, 135, 235 Action of debt 16, 37ff Action upon the judgment 16, 23, 33 Adhäsionsverfahren 3, 94; 12, 53 Administration of Justice Act 1920 16, 51 Admirality jurisdiction 3, 529 Adoption, internationale – Anerkennung 11, 146 – Zusammenarbeit mit Ausland 7, 60 – Zuständigkeit 4, 80ff Adoptionswirkungsgesetz 4, 85; 13, 69ff ADSp 3, 322, 446 Ägypten 5, 94; 12, 196 Äthiopien 5, 94; 12, 196 Affidavits 10, 93, 163; 11, 70
Afghanistan 5, 94; 12, 196 Agenturgerichtsstand 3, 97ff, 426f Aktenübersendung 9, 92, 94 Albanien 5, 94; 12, 196 Algerien 3, 539; 5, 94; 12, 196 Alien Tort Claims Act 3, 527 American Arbitration Association 18, 77, 116 Amicus curiae 6, 79 Amsterdamer Vertrag 1, 59; 3, 8 Amtliche Auskunft 9, 92 Amtsgericht, Zuständigkeit zur Vollstreckbarerklärung 15, 128, 292 Amtsprüfung der Anerkennungsvoraussetzungen 12, 30, 158 Anationaler Schiedsspruch 18, 213, 231 Andorra 5, 94; 8, 175; 9, 161; 12, 196 Anerkenntnisurteil 12, 7 Anerkennung ausländischer Entscheidungen – Adoptionsentscheidung 13, 63f, 65ff – in arabischen Staaten 16, 107ff – Art und Weise der 12, 16ff, 106ff – automatische 12, 16; 13, 3ff – in Betreuungssachen 13, 87ff – in Civil Law Staaten des europäischen Rechtsraums 16, 72ff – in Common Law Staaten 16, 36ff – in Ehesachen 13, 3ff, 21ff – einstweiliger Maßnahmen 12, 8 – in Erbrechtssachen 13, 93ff, 96f – in formellem Verfahren 12, 17f; 13, 53 – der Gestaltungswirkung 12, 29, 127 – in Güterrechtssachen 13, 75f – insolvenzrechtlicher Annexentscheidungen 20, 145 1001
Sachregister
– internationaler Gerichte 12, 148 – der Interventionswirkung 12, 28, 128 – inzidente 12, 21, 110 – kraft Gesetzes 12, 16, 106ff – in Lateinamerika 16, 61ff – in Lebenspartnerschaftssachen 13, 4 – der materiellen Rechtskraft 12, 22, 116ff – in Ostasien 16, 116ff – in ost- und südosteuropäischen Staaten 16, 93ff – in Sorgerechtssachen 13, 45ff, 56ff, 61 – in Unterhaltssachen 13, 78ff – Versagungsgründe der 12, 30ff, 151ff; 15, 104, 131, 150ff, 200ff, 285f – der Vollstreckbarkeit 12, 136f; 14, 1ff – Wirkung der 12, 22ff, 112ff – von Zwischenentscheidungen 12, 9 Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren 20, 22ff, 25ff, 129ff Anerkennung ausländischer Personenstandsurkunden 13, 98 Anerkennung ausländischer Schiedssprüche 12, 13, 147; 18, 183ff Anerkennung deutscher Urteile im Ausland 16, 1ff Anerkennung von Ehescheidungen 13, 3ff, 22ff Anerkennungsfähige Entscheidungen 12, 5ff, 138ff Anerkennungsverfahren 12, 16ff, 106ff; 15, 266ff – für Auslandsadoptionen 13, 63, 65, 69f – für Ehescheidungen 13, 11ff, 21ff – selbständiges 12, 17, 109; 13, 11ff, 89, 91 Anerkennungsverträge 15, 101, 108ff, 139ff, 254ff, 365f
1002
Anerkennungsvoraussetzungen 12, 32ff, 151ff; 13, 14ff, 36; 15, 129, 261ff; 20, 132f, 147 Anerkennungswirkungen 12, 19, 22ff, 111ff; 20, 132, 148ff Anerkennungszuständigkeit 12, 80ff, 152ff; 13, 15, 36ff; 15, 150, 186ff, 277ff – internationale in Ehesachen 13, 15, 36ff; 15, 198 – bei Mehrrechtsstaaten 12, 155 Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters 3, 27; 20, 63 Angleichung 1, 44ff; 11, 20 Angola 5, 94 Anhörung der Parteien 9, 145; 15, 121 Annexkompetenz 3, 73, 80, 495 Annexverfahren – in Ehesachen 4, 13f – bei Insolvenzverfahren 20, 62ff, 145 Anordnung, einstweilige 15, 184 – einstweilige im Familienrecht 17, 61, 68, 69f, 71, 73, 76, 78, 81 Anpassung 1, 46, 53; 6, 20; 11, 20 Anrechnung ausländischer Insolvenzquote 20, 97 Anscheinsbeweis 10, 58 Anspruch – ausländisch öffentlich-rechtlicher 2, 28f; 6, 18 Anspruchsgrundlagenkonkurrenz 3, 73, 80, 495 Antigua und Barbuda 5, 94 Antisuit injunction 3, 231; 6, 301ff; 8, 125; 12, 42; 18, 155 Antrittszuständigkeit 4, 28 Anwalt – ausländischer 6, 408ff – deutscher 6, 401, 420ff – dienstleistender europäischer 5, 58; 6, 412 – niedergelassener europäischer 6, 409 – Verkehrs- 6, 432 – aus WHO-Staat 6, 413
Sachregister
Anwaltskosten 6, 404ff, 430 Anwaltsrecht, internationales 6, 400ff Anwaltsvergleich 14, 12; 15, 78 Anwaltsvertrag 6, 401ff Anwesenheit als Zuständigkeitsgrund 3, 505ff Apostille 8, 104 Arab Monetary Fund 5, 39 Arabische Staaten 16, 107ff; 18, 277 Arbeitnehmer ausländischer Botschaften 2, 10, 20 Arbeitsstreitigkeit 1, 6; 3, 23 Arbeitsvertrag, internationale Zuständigkeit 3, 169ff Argentinien 3, 542, 548; 5, 94; 12, 196 Armenien 5, 94 Arrest 12, 8, 68, 140 – gegen ausländische Staaten 2, 48 – internationaler 17, 30ff – von Luftfahrzeugen 17, 26 – persönlicher 17, 38 – in Seeschiffe 3, 107f; 15, 89; 17, 27 Arrestanspruch 17, 39ff Arrestgerichtsstand 3, 107f, 530ff Arrestgrund 17, 33ff Arrestpfändung 17, 46 Arrestverfahren 2, 48; 17, 43ff Arrestvollziehung 17, 28, 46ff Aserbaidschan 5, 94 Astreinte 19, 65, 66 Asylberechtigter 4, 27; 5, 4 Asylbewerber 4, 32 Attachment order 17, 139 Aufenthalt – einfacher 3, 505ff, 508ff; 4, 43 – gewöhnlicher 4, 42; 15, 187, 278f; 18, 238 Aufenthaltszuständigkeit 3, 35, 423f; 505ff, 509ff; 4, 30ff, 41ff – einseitige 4, 6, 33f Auffangzuständigkeit 4, 96 Aufforderung zur Rückkehr 6, 98 Aufhebung – inländischer Schiedssprüche 18, 179ff
– der Vollstreckbarerklärung 15, 73 Aufklärungspflichten, prozessuale 10, 17ff Aufrechnung – in der Insolvenz 20, 117ff – vor dem Schiedsgericht 18, 95, 157f – bei währungsverschiedenen Forderungen 6, 95 – Zulässigkeit der Prozessaufrechnung 3, 126, 228, 482, 493f; 6, 23ff, 211 Augenschein im Ausland 9, 143; 10, 168ff Ausforschungsbeweis 10, 46 Ausführungsbestätigung über Beweiserhebung 9, 30 Auskunftsansprüche – materielle 6, 19; 10, 35 – prozessuale 10, 17ff Ausländer – prozessualer Status 5, 1ff – Sprachkenntnisse 5, 130ff Ausländische Adoption, Anerkennung 13, 63f, 65ff Ausländische Urkunden 9, 111f; 10, 130ff Ausländischer Güterstand 19, 11 Ausländischer Staat – Immunität 2, 5ff – Immunitätsverzicht 2, 24 Ausländisches Recht – Ermittlung durch Schiedsgericht 18, 137 – Ermittlung durch staatliches Gericht 1, 19; 11, 1ff, 60ff – Folgen der Nichtermittelbarkeit 11, 45ff – Revisibilität 11, 52ff – als Tatsache 11, 23, 67, 71 Auslandsschulden, Londoner Abkommen über 15, 89 Auslandstätigkeit deutscher Rechtsanwälte 6, 420ff Auslandsunterhaltsgesetz 5, 133; 15, 249, 253f
1003
Sachregister
Auslandswährung, Leistung in 6, 88ff; 15, 243 Auslandszeuge 9, 138ff Auslandszustellung 8, 57ff, 87ff – keine Kostenerstattung 8, 73 Auslegung – autonome 3, 13ff, 23, 79; 4, 98; 8, 98; 9, 41; 12, 144 – einheitliche 3, 13ff – von Gerichtsstandvereinbarung 3, 467 Aussageverbot 9, 58 Aussageverweigerung 9, 58 Ausschließliche internationale Zuständigkeit 3, 221, 253ff, 410, 415, 457; 4, 9; 15, 197 Ausschlussfrist 6, 65 Aussetzung – des Verfahrens 6, 271; 8, 138f – des Verfahrens der Vollstreckbarerklärung 15, 63ff – der Vollstreckung eines Europäischen Vollstreckungstitels 14, 50f, 98 – wegen Vorgreiflichkeit eines ausländischen Verfahrens 6, 271 Australien 3, 559; 5, 94; 12, 196; 16, 57 Automatische Anerkennung 12, 16, 106; 13, 3, 53, 61, 63, 65, 74, 78, 80, 85, 87, 91, 93; 20, 130, 131, 140, 145, 147 Bagatellverfahren, europäisches 6, 30ff Bahamas 5, 95; 12, 197 Bangladesh 5, 95; 12, 197 Bank für internationalen Zahlungsausgleich 2, 94 Bankbürgschaft 5, 75 Barbados 5, 95; 12, 197 Bedürftigkeitsbescheinigung 5, 148 Beförderungsverträge, internationale Zuständigkeit 3, 152, 311ff, 317ff, 325, 326 Befriedigungsverfügung 17, 56ff Beherbergungsverträge 3, 267
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Behördenverkehr, unmittelbarer 8, 61, 96, 144f; 9, 12, 37 Belarus 5, 116 Belegenheit, der Forderung 19, 79 Belgien 5, 95; 8, 93; 9, 37; 12, 197; 15, 139ff; 17, 99; 18, 278 Benin 5, 95; 12, 197 Beratungshilfe 5, 121, 144 Berufsgeheimnis 10, 100ff Besatzungsrecht 2, 47 Bescheinigung – als Europäischer Vollstreckungstitel 14, 101ff – über Vollstreckbarkeit im Erststaat 14, 60; 15, 15f – über Zustellung der Klage 8, 72; 15, 15 – über Zustellung des Urteils 15, 96 Beschlagnahme des Vermögens 20, 75, 136 Beschlussverfahren – der Urteilsanerkennung 12, 17, 108f – der Vollstreckbarerklärung 15, 10ff, 249ff, 266ff, 322, 325, 330, 339ff, 346, 350, 362 Beschränkung der Vollstreckung eines Europäischen Vollstreckungstitels 14, 50, 68, 90 Beschwerde – gegen Ablehnung der Vollstreckbarerklärung 15, 69f, 133 – gegen Vollstreckbarerklärung 15, 58ff, 132 Besitzvermutung 19, 12 Bestätigung – als Europäischer Vollstreckungstitel 14, 3 – der Nichtvollstreckbarkeit eines Vollstreckungstitels 14, 43 Bestätigungsschreiben, kaufmännisches 3, 215, 471 Betreuungssachen 4, 123ff, 127f; 7, 65f Beweis – durch Augenschein 10, 168ff – ausländischen Rechts 11, 29ff
Sachregister
– Recht auf 10, 37 – durch Sachverständige 10, 187ff – durch Urkunden 10, 123ff – durch Zeugen 10, 76ff Beweisanordnung, exterritoriale 9, 7, 34f, 137ff; 17, 86 Beweisaufnahme 7, 3 – anwendbares Recht 9, 98ff, 133 – für das Ausland 9, 131, 146 – durch Beauftragte 9, 71ff – in besonderer Form 9, 21, 53, 98 – durch commissioners 9, 64, 71ff – durch diplomatische/konsularische Vertreter 9, 64ff, 97, 130ff, 134 – Ersuchen um 9, 12ff, 151, 157 – durch das ersuchte Gericht 9, 20ff, 56ff, 98ff – exterritoriale 9, 34f, 137ff – durch das Gericht im Ausland 9, 31ff, 134ff; 10, 3f – nach der Europäischen Beweisverordnung 9, 9ff – in europäischen Kleinstaaten 9, 161ff – nach dem Haager Beweisübereinkommen 9, 36ff – nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen 1954 9, 97ff – Hilfestellung für Schiedsgerichte 18, 163 – nach der lex fori 9, 21, 56, 98f; 10, 2ff – ohne Mitwirkung von Behörden des Aufnahmestaates 9, 131, 155 – Notwendigkeit der 10, 37ff – Parteiöffentlichkeit der 9, 23 – durch Sachverständige 9, 141f – für Schiedsverfahren 9, 93 – Teilnahme ausländischer Richter 9, 25, 63 – Teilnahme deutscher Richter im Ausland 9, 25, 135f – in Verwaltungssachen 9, 40 – Zulässigkeit der 10, 37ff Beweisbedürftigkeit 10, 42 Beweisführer 9, 112; 10, 166 Beweisführungslast 10, 75
Beweishilfe 7, 58 Beweislast 1, 14; 2, 23; 10, 67ff Beweislastumkehr 10, 74 Beweismaß 10, 54ff Beweismittel 10, 6, 76ff – ausländische Entscheidung als 12, 220 – -beschränkung 10, 6ff, 37ff, 78f, 91 – unerlaubt erlangte 10, 51ff Beweismittelbeschaffung aus dem Ausland 9, 137ff Beweisrecht 10, 2ff, 37ff, 53ff, 76ff Beweissicherung 9, 38; 17, 85ff Beweisthemenverbote 10, 46ff Beweisverfahren 10, 2ff – für ausländisches Recht 11, 2ff, 29ff – selbständiges 17, 84ff Beweiswürdigung, freie 10, 49ff, 57ff Beweiszuständigkeit, internationale 9, 2ff Bhutan 5, 95 Billigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts 18, 138, 248 Bindung – Dritter an Gerichtsstandsklauseln 3, 232ff – an tatsächliche Feststellungen des Erstrichters 12, 4, 77, 80, 86, 159, 184 BIT 18, 257 Blocking statutes 6, 311ff Blutprobe zur Vaterschaftsfeststellung 10, 182ff; 12, 182 Bolivien 5, 95; 12, 197 Borrowing statutes 6, 68 Bosnien 5, 95; 12, 197 Botswana 5, 95 Brasilien 3, 559; 5, 95; 8, 155; 10, 86, 112; 11, 63; 12, 160, 197; 16, 62; 18, 278 British Columbia 16, 54 Brüssel I-VO s EuGVO Brüssel IIa-VO s EheGVO Brunei 16, 124 Bulgarien 5, 95; 12, 197
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Sachregister
Bundesamt für Justiz 4, 73, 82; 7, 65; 15, 284, 298, 309 Burkina Faso 5, 95; 12, 197 Burundi 5, 95; 12, 197 CAS 18, 77, 114 Chile 5, 96; 12, 198; 18, 279 China 5, 96; 12, 198; 16, 121; 18, 77, 279 CIEC-Übereinkommen in Ehesachen 13, 21 CIETAC 18, 77, 118 CIM 3, 326; 15, 89; 18, 259 CISG 3, 62, 66, 215, 441; 10, 12, 68 CIV 3, 326; 15, 89; 18, 259 Claim form 8, 45 Class Action 6, 43; 8, 121; 12, 177; 18, 59 Claw-back Anspruch 6, 302, 316; 12, 222 CMR 3, 317ff; 5, 93; 6, 260; 15, 89, 92, 112ff Collateral estoppel 12, 122 COMI 20, 36ff Comitas gentium 1, 37; 7, 18, 39f Commercial activities 2, 22 Commissioners 7, 49, 52; 9, 64, 71ff Commodity arbitration 18, 16 Consent judgment 12, 149 Conservatoir beslag 17, 124 Construction arbitration 18, 110 Contempt of court 12, 39, 180 Convention on the Carriage of Goods by Sea (UN-) 3, 325 Costa Rica 5, 96; 12, 198 COTIF 3, 326; 15, 89; 18, 259 Courtoisie internationale 1, 37; 7, 18, 39 Cross examination 9, 53, 56; 10, 92 Cuba 5, 96; 12, 198 Culpa in contrahendo 3, 55 Dänemark 3, 9, 5, 97; 8, 54; 12, 3, 199; 18, 280; 19, 121 Damages – multiple 6, 315 – punitive 8, 98, 123; 12, 174
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– treble 12, 175 DDR-Rechtshilfeverträge 7, 6 DDR-Urteile 12, 150 Deed 10, 140 Delibationsverfahren 12, 106; 16, 80 Deliktsgerichtsstand 3, 78ff, 449ff, 526 Deni de justice 3, 405, 496 Depositions 10, 22, 119 Derogation 3, 192, 194, 459, 465, 539 Deutsch-amerikanisches Freundschaftsabkommen 5, 26; 18, 272ff Deutsch-belgisches Abkommen über die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen 6, 259; 15, 139ff; 18, 263ff Deutsch-britisches Abkommen über den Rechtsverkehr 5, 90; 7, 15; 8, 161ff; 9, 37, 70, 150ff Deutsch-britisches Abkommen über die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen 15, 141f Deutsch-griechischer Anerkennungsvertrag 6, 259; 15, 143ff; 18, 268 Deutsch-griechisches Rechtshilfeabkommen 7, 16; 8, 159f; 9, 148f Deutsch-israelischer Vertrag über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen 15, 145ff Deutsch-italienisches Abkommen über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen 6, 259; 15, 165ff; 18, 261f Deutsch-liechtensteinische Vereinbarung 7, 16 Deutsch-marokkanischer Rechtshilfe- und Rechtsauskunftsvertrag 7, 16; 8, 172ff; 9, 160; 11, 12f Deutsch-niederländischer Vertrag über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen 6, 259; 15, 169ff; 18, 266 Deutsch-norwegischer Vertrag über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen 6, 259; 15, 171ff Deutsch-österreichischer Vertrag über die Anerkennung gericht-
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licher Entscheidungen 6, 259; 15, 175ff; 18, 267 Deutsch-Schweizer Abkommen über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen 15, 178ff; 18, 260 Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag 7, 54f Deutsch-sowjetisches Handels- und Schifffahrtsabkommen 18, 275 Deutsch-spanischer Vertrag über die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen 6, 259; 15, 179ff Deutsch-türkisches Abkommen über den Rechtsverkehr 7, 16; 8, 158; 9, 147 Deutsch-türkisches Nachlassabkommen 4, 136f, 148; 7, 53; 13, 96; 15, 366 Deutsch-tunesischer Vertrag über Rechtsschutz 5, 132; 7, 16; 8, 166ff; 9, 158f; 15, 182ff; 18, 269ff Deutsche, eingebürgerte 4, 25 Deutsche Sprache 5, 164ff Deutsche Urteile in den USA 16, 8ff Devisenverträge, internationale 6, 84ff Dienstleistungen, Erfüllungsort für 3, 64, 68ff Dingliche Sicherheiten in Insolvenz 20, 114f Dinglicher Gerichtsstand 3, 256 Dinglicher Gerichtsstand kraft Sachzusammenhangs 3, 127 Diplomaten, Immunität 2, 57ff Direkte Zuständigkeit 3, 20 Direktklage gegen Versicherung 3, 135 Direktzustellung – durch Diplomaten 8, 74f, 111, 144 – durch Konsuln 8, 74, 111, 144 – im Parteiauftrag 8, 81ff, 113 – durch die Post 8, 76ff, 113ff, 144 Disclosure 6, 22; 10, 18, 28ff, 156f – Standard 10, 156 – vorprozessuale 10, 29 Discovery 6, 22; 10, 17ff – of documents 9, 79ff; 10, 21ff, 159
– Vorlageverordnung 9, 87 – zugunsten des Auslands 10, 27 DIS-Schiedsordnung 18, 77, 112 Doctrine of merger 18, 227 Doing business-Zuständigkeit 3, 512ff Dokument – elektronisches 10, 134 – fremdsprachige 5, 173 Dolmetscher 5, 169, 175ff Dolmetscherkosten 5, 176f Dominikanische Republik 5, 97; 12, 199 Dopingsperre 3, 88 Doppelexequatur – ausländischer Schiedssprüche 12, 147; 18, 227 – Unzulässigkeit 12, 13, 138 Doppelrelevante Tatsachen 3, 83, 408; 12, 159 Drittbeteiligung am Rechtsstreit 6, 72ff Drittschuldner 19, 82, 89 Drittstaat – und EuGVO 3, 34, 43ff, 67, 104, 119, 134, 142, 163, 175, 180, 191ff, 195, 257 – Unbeachtlichkeit seines ordre public 12, 179 Drittwiderspruchsklage 3, 283; 19, 37 Droit anational 18, 129 Dubai 5, 97 Dulden fremder Gerichtshandlungen 7, 40, 45, 46 Durchgriffszuständigkeit 3, 522 Echtheit – von Rechtshilfeersuchen 9, 52, 118 – von Urkunden 10, 130ff Ecuador 5, 98; 12, 200 EFTA-Gerichtshof 1, 85 EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 3, 6ff
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Sachregister
Ehefrau, einseitige Verstoßung 13, 32 EheGVO 4, 5ff; 13, 2ff Ehesachen 3, 26; 4, 5ff; 13, 1ff, 21ff; 15, 206; 16, 106 Ehetrennungsverfahren 4, 5ff, 22ff; 6, 96 Ehewohnung, einstweilige Anordnung 17, 76 Ehewohnungssachen 4, 86ff; 15, 349ff Eid der Partei als Beweismittel 9, 123; 10, 60, 62, 121f Eigentum, gemeinschaftliches 19, 13 Eigentumsvorbehalt in Insolvenz 20, 116 Eignungsprüfung für ausländische Rechtsanwälte 6, 411 Eilschiedsrichter 18, 170 Eilverfahren vor EuGH 1, 81 Eilzuständigkeit 17, 8ff Eingriff, körperlicher 10, 178, 182 Eingriffskondiktion 3, 57 Eingriffsnormen 12, 173; 18, 135f Einheitliches Europäisches Patent 3, 277 Einheitliches Patentgericht 1, 82ff; 3, 298 Einigungsstellen, Vergleiche vor 15, 78 Einlassung – fehlende als Anerkennungsversagungsgrund 12, 44ff, 163ff; 13, 18, 47 – rügelose 3, 241ff, 251f, 485ff; 18, 23 Einlassungsfrist 12, 67 Einrede – der Schiedsvereinbarung 12, 84; 18, 140ff – der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts 18, 244 Einschreiben mit Rückschein, Zustellung per 7, 28; 8, 76ff Einspruch gegen Zahlungsbefehl 6, 53
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Einstweilige Anordnung – zur elterlichen Sorge 17, 64ff – in Familiensachen 17, 61ff – auf Zahlung von Unterhalt 17, 69f, 71, 72ff Einstweilige Verfügung 12, 8, 140; 17, 49ff Einstweiliger Rechtsschutz 17, 1ff – Anwendung ausländischen Rechts 11, 41ff; 17, 19 – in Belgien 17, 99 – in England 17, 108ff – in Frankreich 17, 100 – internationale Zuständigkeit 17, 6ff – in Italien 17, 116ff – in Japan 17, 122 – in den Niederlanden 17, 123ff – in Österreich 17, 127f – durch Schiedsgericht 18, 169ff – in der Schweiz 17, 129ff – in Spanien 17, 134f – in USA 17, 136ff – Vollstreckung im Ausland 17, 20ff Einwendungen gegen Vollstreckbarerklärung 15, 26, 85, 224, 244; 15, 210; 18, 181, 223 Eisenbahnfrachtverträge 3, 326 Electronic discovery 10, 23 Elektronische Dokumente 10, 134 Elfenbeinküste 5, 98; 12, 200 El Salvador 5, 98; 12, 200 Elterliche Verantwortung 4, 41ff; 7, 61; 19, 68f Embargo preventio de bienes 17, 134 Empfangsberechtigung 8, 70 Empfangsbestätigung 9, 17 Empfangsstellen 8, 10, 61 England 3, 554; 5, 67; 6, 90, 266, 313ff; 8, 4, 19, 45; 9, 105, 108; 10, 5, 28, 88, 104, 140, 156, 177, 189; 11, 67; 16, 37; 17, 108ff; 18, 153, 281 Entmündigung im Ausland 5, 51 Entscheidung, anerkennungsfähige 12, 5ff, 138ff; 13, 3ff, 27; 14, 10ff, 73, 93 15, 259 – eheauflösende 13, 3ff
Sachregister
– in Ehesachen 13, 3ff, 27 – der freiwilligen Gerichtsbarkeit 13, 45ff, 62ff, 87ff – Heimatstaat- 13, 25 – inländische (Vorrang der) 12, 70, 171 – insolvenzrechtliche 12, 12; 20, 130, 131ff, 140, 141f, 145, 147 – Neben- 13, 35; 15, 33 – rechtskräftige 12, 138; 15, 149; 17, 93 – seegerichtliche 15, 116ff – in Sorgerechtssachen 15, 320ff – vorläufig vollstreckbare 12, 6, 139; 15, 183, 283 – Zwischen- 15, 35 Entscheidungszuständigkeit – in Familien- und Erbsachen 4, 5ff, 22ff, 41ff, 74ff, 77, 80, 86, 89, 92ff, 107, 109, 112f, 119, 124, 127, 130ff, 138 – in Zivil- und Handelssachen 3, 33ff, 40f, 505ff Entsende-Richtlinie 3, 177 Erbrechtssachen – Anerkennung von Entscheidungen 13, 93f, 96, 97; 15, 174, 180, 193, 362ff, 366 – internationale Zuständigkeit 3, 31; 4, 130ff Erbschein – deutscher 4, 149ff – europäischer 4, 140ff Erfolgshonorar 6, 405; 12, 34 Erfüllungsort – bei Dienstleistungen 3, 68ff – Gerichtsstand des 3, 49ff, 439ff; 6, 406 – Vereinbarung des 3, 65, 74f, 441ff – bei Versendungskauf 3, 66 – bei Warenkauf 3, 64ff Erfüllungspflicht, Klage auf Feststellung gegen Staat 19, 26 Erinnerung 3, 283 Ermittlung ausländischen Rechts – in anderen Staaten 11, 65ff
– ausländischen Rechts im Versäumnisverfahren 11, 39ff – in Deutschland 11, 29ff – beim einstweiligen Rechtsschutz 11, 41f Ersatzrecht 11, 47ff Ersatzzustellungen 8, 36ff Erscheinen, persönliches 5, 10 Ersuchen – um Auslandszustellung 8, 61, 101ff, 142ff, 159, 162f, 166, 172 – um Beweisaufnahme 9, 12ff, 47ff, 97ff, 134, 151 – um Übersendung von Akten und Urkunden 9, 94 Erwachsenenschutz-Übereinkommen 4, 124ff; 13, 87ff; 15, 330ff Estland 5, 98; 12, 200 Estoppel 12, 23, 122; 16, 40 Estoppel by record 10, 50, 141 EuGVO 3, 8ff; 12, 1ff; 15, 5ff EuGVO/EuGVÜ – Verhältnis zu anderen Übereinkommen 15, 88ff – Verhältnis zu Drittstaaten 3, 43ff EuGVO nF 3, 11, 44ff; 12, 31; 14, 55ff EuGVÜ 3, 6, 17f, 58f, 90, 113, 153, 183, 264; 12, 76 EuInsVO 20, 5ff, 53ff – Reform 20, 9, 46, 64, 78, 90, 119, 123 Europäische Beweisverordnung 7, 12; 9, 8ff Europäische Grundrechte Charta 1, 32, 88 Europäische Mediation 6, 3 Europäische Menschenrechtskonvention 1, 28, 32, 87; 10, 79 Europäische Schulen 2, 99 Europäische Union 1, 59f; 5, 38; 6, 311; 7, 11 Europäische Unterhaltsverordnung 4, 93ff; 7, 13 Europäische Vollstreckungstitel – nach EuGFVO 14, 86ff; 19, 20 – nach EuGVO nF 14, 55ff
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Sachregister
– über Kindesrückgabe 14, 100ff; 19, 23 – Umgangsentscheidungen 14, 100ff; 19, 23 – in Unterhaltssachen 14, 92ff; 19, 21 Europäische Zustellungsverordnung 8, 53ff Europäischer Gerichtshof 1, 65ff, 77 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 1, 86ff Europäischer Justizraum 15, 4 Europäischer Pfändungsbeschluss 19, 100 Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen 14, 1ff; 19, 18ff – Berichtigung und Widerruf 14, 40 – Bestätigung als 14, 3, 18ff – Rechtsbehelf gegen 14, 34 – und Vollstreckungsabwehrklage 14, 52 – Zustellungsvoraussetzungen 14, 23ff Europäischer Zahlungsbefehl 6, 47; 14, 72ff; 19, 19 – Überprüfung im Ursprungsstaat 14, 74ff – Verweigerung der Vollstreckung 14, 79ff Europäisches Bündelpatent 3, 275 Europäisches Einheitspatent 1, 82f; 3, 277 Europäisches Gericht erster Instanz 1, 66 Europäisches Justizielles Netz 1, 61; 7, 14, 68ff; 8, 63 Europäisches Nachlasszeugnis 4, 143; 13, 95 Europäisches Niederlassungsabkommen 5, 92 Europäisches Mahnverfahren 6, 47 Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht 11, 2ff Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstre-
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ckung von Entscheidungen über das Sorgerecht 15, 324 Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit 18, 235ff Europäisches Übereinkommen über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe 5, 156 Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität 2, 19, 38 Europäisches Übereinkommen zur Befreiung von Urkunden von der Legislation 10, 128f Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen 6, 30ff; 14, 86ff; 19, 20 Europäisches Zivilprozessrecht 1, 56ff; 3, 1ff; 4, 1ff, 40ff, 92ff, 109, 230ff; 6, 201ff; 8, 53ff; 14, 1ff, 6ff, 55ff, 71, 72ff, 86ff, 92ff, 100ff; 15, 5ff, 249ff, 320ff, 334, 338, 345, 362; 17, 3ff; 19, 98ff – Verhältnis zu Drittstaaten 3, 43ff, 119, 142, 175 Exemtion – s Immunität Exequaturentscheidung, ausländische 12, 13, 138; 15, 32, 232; 18, 227 Existenzvernichtungshaftung 20, 128 Exorbitante Gerichtsstände 1, 29; 3, 41ff, 433 Expert-witness 10, 187ff Extraterritoriale Beweisaufnahme 9, 6f, 34f, 137ff Extrinsic facts 10, 142 Fakturengerichtsstand 3, 218 Fakultatives Beschlussverfahren 15, 208, 292 Fakultatives Kollisionsrecht 11, 17 FamFG-Entscheidungen – Anerkennung 13, 2ff, 45ff, 62ff, 74, 75, 77ff, 87ff – Vollstreckung 15, 249ff, 320ff, 330, 334, 338, 345, 349, 352, 354ff
Sachregister
Familiensachen 4, 1ff, 40ff, 77, 86, 89, 92ff, 109ff, 113; 6, 95ff; 15, 319ff Familienverfahren, internationale 6, 95ff Ferienhaus/-wohnung 3, 262ff Feststellungsklage – zur Abwehr ausländischer Prozessführung 6, 308f – als Rechtsschutzform 6, 2 – bei Streit über Anerkennungsfähigkeit 12, 17f, 109 Fidschi 5, 99; 12, 201 Fiktive Inlandszustellung 8, 12ff, 16f, 57f Finanzierungsvertrag 3, 157 Finanztermingeschäft 18, 52 Finnland 5, 99; 12, 201; 16, 91; 19, 121 Fishing expeditions 10, 22 Flüchtlinge 4, 406; 5, 4 Floating award 18, 231 Forderungsanmeldung in der Insolvenz 20, 88ff Forderungspfändung 19, 78ff, 96f, 112f Foreign Judgment (Reciprocal Enforcement) Act 1933 16, 51 Foreign Limitation Periods Act 1984 6, 67 Foreign Sovereign Immunities Act, US 2, 21f Formeller ordre public 12, 38f, 176f Forum actoris 3, 519 Forum arresti 3, 433, 530 Forum legis 3, 528; 4, 111 Forum non conveniens 3, 21, 48, 412, 552; 4, 46f; 6, 266ff Forum shopping 1, 96; 3, 12, 48, 413, 553; 6, 305; 20, 20 Frachtforderung 3, 108, 445f Frankreich 3, 40; 5, 99; 6, 75, 317; 8, 16, 42, 93, 131; 9, 37, 100, 103, 109, 113; 10, 7, 60, 69, 89, 91, 101, 136, 138, 152, 172f, 192; 11, 76; 12, 201; 16, 73ff; 17, 100ff; 18, 129, 199, 282; 19, 121
Fraud 10, 96; 16, 43 Freezing order 12, 8, 35; 15, 34; 17, 18, 113; 19, 75, 110f Freie Beweiswürdigung 10, 57ff Freies Geleit 5, 11 Freiwillige Gerichtsbarkeit s FamFGEntscheidungen Fremdenrecht, prozessuales 1, 18; 5, 2ff Fremdsprachige Anträge 5, 165ff; 15, 12 Fremdwährungsklagen 6, 87ff Fremdwährungstitel – Vollstreckbarerklärung 15, 54, 243 – Vollstreckung 19, 15 Frist – für Beweisaufnahme 9, 20 – für Prozesshandlungen 6, 8 Gabun 5, 100; 12, 202 Gambia 5, 100; 12, 202 Garantieklage, Urteile 6, 77; 12, 27, 130f Gastarbeiter, Prozesskostensicherheit 5, 87 Gebühren – des Anwalts 6, 404 – der Vollstreckbarerklärung 15, 30 Gefährdungshaftung 3, 92 Gegenseitigkeit – und Rechtshilfe 7, 19, 31, 39f; 8, 151 – und Sicherheit für Prozesskosten 1, 54; 2, 107; 5, 94ff, 120, 134 – und Urteilsanerkennung 1, 33ff, 54; 7, 40f; 12, 187ff; 15, 2; 16, 4f, 9, 102, 120 – Verzicht bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen 12, 219; 13, 39 Geistliche Gerichte 13, 27 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 3, 276, 292 Gemeinschaftsmarken 3, 276, 289; 6, 115, 232 Gemeinschaftspatente 3, 297 Genfer Abkommen 18, 255 Genfer Protokoll 18, 255
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Georgien 5, 100; 12, 202 Gericht – geistliches 13, 27 – internationales 12, 148 – für den öffentlichen Dienst der EU 1, 67 Gerichtliche Vergleiche – s Prozessvergleich Gerichtsbarkeit – als Anerkennungsvoraussetzung 12, 151 – Immunität von 1, 16; 2, 4ff; 3, 407 – als Prozessvoraussetzung 3, 407 Gerichtssprache 5, 138, 147, 164ff Gerichtsstand – für Abänderungsantrag/-klage 4, 103 – für Adhäsionsklagen 3, 94 – Admiralty jurisdiction in rem 3, 529 – allgemeiner 3, 33ff, 419ff – für Arbeitsvertragssachen 3, 169ff – Arrest-/Quasi in rem jurisdiction 3, 530ff – ausschließlicher 3, 221, 253ff, 455f, 457 – für Berge- und Hilfelohn 3, 107ff – dinglicher 3, 127f, 256ff – von Due Process 3, 537 – der Erbschaft 4, 130ff, 139 – des Erfüllungsortes 3, 49ff, 439ff – exorbitanter 3, 42ff, 433 – Foreseeable effect within the state 3, 524 – des forum arresti 3, 532 – Forum legis 3, 528 – des früheren Wohnsitzes 3, 534 – der Gewährleistungs-/Interventionsklage 3, 120ff – des gewöhnlichen Aufenthalts 3, 423; 4, 6f, 30ff, 41ff, 74, 78, 80, 87, 90, 93, 111, 124, 127, 130, 133, 149 – zur Haftungsbeschränkung des Schiffseigentümers 3, 129 – für Haustürgeschäfte 3, 448 – Heimat- 3, 533 – bei Internetgeschäften 3, 145ff, 454
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– Kläger- 3, 41, 520, 536 – kraft Sachzusammenhangs 3, 127f, 490ff, 525 – der Niederlassung 3, 97ff, 426ff, 517 – Non-economic activity within the forum 3, 523 – Notzuständigkeit 3, 421, 496; 4, 97, 111, 135 – des Registrierungsortes 3, 529 – der rügelosen Einlassung 3, 168, 241ff – bei Schiffszusammenstößen 3, 327 – am Sitz der juristischen Person 3, 37, 425 – der Streitgenossenschaft 3, 111ff, 491, 521 – für Trust-Klagen 3, 105f, 210 – für Umweltschäden 3, 455 – der unerlaubten Handlung 3, 78ff, 449ff, 526ff – unerwünschte 1, 29; 3, 41ff, 433 – in Unterhaltssachen 4, 93ff, 107 – in Verbrauchersachen 3, 140ff – des Vermögens 3, 42, 430ff; 15, 20, 128, 153, 220 – in Versicherungssachen 3, 130ff – des Vertragsschlusses 3, 519 – bei Wettbewerbsverstößen 3, 86, 90, 453 – der Widerklage 3, 125f, 483, 492 – des Wohnsitzes 3, 33ff, 422, 425, 534f Gerichtsstandsklauseln – in AGB 3, 166, 208, 470, 475 – Form 3, 206ff, 469f, 550 – statutarische 3, 200, 209 Gerichtsstandskonzeptionen 3, 505ff Gerichtsstandsvereinbarung 3, 166, 185ff, 443f, 458, 538ff – in Arbeitssachen 3, 238f – Bindung Dritter 3, 232ff – nach CMR 3, 220 – im elektronischen Rechtsverkehr 3, 219 – nach Entstehung der Streitigkeit 3, 139, 166, 238, 478
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– – – –
in Erbrechtssachen 4, 132 Form 3, 206ff, 469f im Konnossement 3, 216 Missbrauchskontrolle 3, 166, 240, 475 – und rügelose Einlassung 3, 252 – in Sorgerechtssachen 4, 48f – Unabhängigkeit vom Hauptvertrag 3, 466 – in Unterhaltssachen 4, 94 – und Unterlassungspflicht 6, 305 – Unzulässigkeit in Ehesachen 4, 35 – in Verbrauchersachen 3, 166 – in Versicherungssachen 3, 139 – Wirksamkeit 3, 201ff, 224 Gesandtschaftsgebäude, Unverletzlichkeit des 2, 67ff Geschäftsführerhaftung 20, 68 Geschäftstätigkeit, laufende 3, 512ff Geschmacksmustergesetz 3, 392, 438 Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Bestandsstreitigkeiten 3, 268 Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz 20, 125f Gesellschaftsbeschlüsse, Wirksamkeit 3, 268ff Gesetzlicher Vertreter 5, 46, 49 Geständnis 10, 116ff Gestaltungswirkung, Anerkennung 12, 29, 127 Gewährleistungsklage 3, 120ff Gewaltschutzsachen 13, 74; 15, 334ff; 17, 78 Gewerbliche Schutzrechte 3, 115, 274ff Gewöhnlicher Aufenthalt 3, 424; 4, 42, 104, 133 Ghana 5, 100; 12, 202 Gläubigeranfechtung, grenzüberschreitende 3, 27; 19, 116ff Gleichbehandlung – von In- und Ausländern 5, 1ff; 19, 6 – im Insolvenzverfahren 20, 15, 97
Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht 3, 420; 4, 149; 12, 76 Gleichstellungstheorie 12, 25, 114 Griechenland 5, 100; 8, 91, 93; 10, 8, 90, 154, 175, 197; 12, 202; 15, 143f; 18, 283 Großbritannien 3, 541; 5, 67, 100; 8, 116, 161; 9, 80, 105, 150; 15, 141f; s England Gründungsrechtstheorie 5, 24ff Grundfragen des IZPR 1, 1ff Guadalajara-Zusatzübereinkommen 3, 313 Guatemala 5, 100; 12, 202 Guayana 5, 100 Günstigkeitsprinzip der Urteilsanerkennung 12, 4, 105; 15, 270 Güterrechtssachen 3, 26; 4, 19, 109ff, 112; 13, 75f; 15, 345ff, 355f Guinea 5, 100; 12, 202 Haager Adoptionsübereinkommen 4, 82; 7, 60 Haager Beweisübereinkommen 9, 36ff Haager Kinderschutzübereinkommen 4, 59ff; 7, 63f; 13, 57 Haager Minderjährigenschutz-Übereinkommen 4, 67ff; 13, 58 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht 13, 78, 80; 14, 93; 15, 248f Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht 15, 272ff Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen 4, 124ff; 7, 65; 13, 87ff; 15, 330ff Haager Übereinkommen über den Internationalen Zugang zur Justiz 5, 91, 157 Haager Übereinkommen über den Zivilprozess 4, 65, 99; 8, 58; 13, 200ff
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Haager Übereinkommen über die Anerkennung von 1971 13, 2 Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Ehescheidungen 13, 5 Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern 4, 68ff; 13, 40ff Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Unterhaltsentscheidungen 13, 20ff Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern 15, 253f Haager Übereinkommen über die internationale Nachlassverwaltung 4, 142 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung 4, 54ff; 13, 59 Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen 3, 300ff; 15, 101ff Haager Übereinkommen über internationale Zuständigkeit und Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen (Entwurf) 1, 63; 3, 301, 309f; 6, 267; 15, 101f Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legislation 10, 126 Haager Zustellungsübereinkommen 8, 85ff Haftung – der Inhaber von Kernenergieanlagen 3, 328; 15, 110 – der Inhaber von Reaktorschiffen 15, 111 Haftungsbeschränkung des Schiffseigners 3, 129 Haiti 5, 101; 12, 203 Halbe Schriftlichkeit 3, 211f
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Handelsbrauch – Beachtung durch Schiedsgericht 18, 133f – und Gerichtsstandsvereinbarung 3, 214ff Handelsgeschäft, internationales 18, 238 Handelsgesellschaften, Parteifähigkeit 5, 20ff Handelskammer, Präsident der 18, 242 Handelsschiff 19, 31 Handelsvertreter, selbständiger 3, 103 Handlungsort 3, 81 Handlungsvollstreckung 19, 60ff, 63ff Harmonisierung der Rechtsordnungen 1, 91 Hauptverwaltung, Ort der 3, 37, 425; 5, 22; 20, 38f Haushaltssachen 4, 86f; 15, 349ff; 17, 76 Haustürgeschäfte 3, 448 Hearsay evidence 10, 47, 92 Heilung von Zustellungsmängeln 8, 84, 141; 12, 63f, 169; 14, 31ff Heimatlose 4, 25 Heimatstaatentscheidungen in Ehesachen 13, 25 Heimatzuständigkeit 3, 533; 4, 6, 23ff, 125, 136 Herausgabe eines Kindes 4, 56ff; 14, 101; 19, 50, 69f Herausgabevollstreckung 19, 48ff Homologisierung 16, 62 Honduras 5, 101; 12, 203 Hongkong 5, 101; 12, 203; 16, 122; 18, 284 HZÜ 1905 5, 89; 7, 7 HZÜ 1954 5, 89; 7, 8 – Zusatzübereinkommen 7, 9 IBA Rules of Evidence 18, 99 ICC Paris 18, 77, 81, 107 ICSID 18, 77, 257ff Immaterialgüterrechte 3, 85, 274ff
Sachregister
Immobiliarvollstreckung gegen ausländische Schuldner 19, 53ff Immunität – absolute 2, 6 – ausländischer Staaten 2, 5ff; 19, 24ff – ausländischer Streitkräfte 2, 106ff – beschränkte 2, 7, 44 – von Diplomaten 2, 57ff – im Erkenntnisverfahren 2, 10, 36ff – der EU und ihrer Organe 2, 91 – der Europäischen Zentralbank 2, 94 – des Europarats 2, 95ff – funktionelle 2, 4, 58 – internationaler Organisationen 2, 81ff – von Konsuln 2, 70ff – von Mitgliedern der diplomatischen Mission 2, 69ff – von Mitgliedern der konsularischen Vertretung 2, 69ff – der NATO 2, 101 – von NATO-Truppen 2, 104ff – persönliche 2, 58 – von Regierungsmitgliedern 2, 31 – sachliche 2, 17 – von Sachverständigen der Internationalen Arbeitsorganisation 2, 89 – im Schiedsverfahren 18, 44ff, 50 – von Staaten 2, 5ff – von Staatsoberhäuptern 2, 31 – von Staatsorganen/Behörden 2, 32 – von Staatsschiffen 2, 50ff; 19, 31 – von Staatsunternehmen 2, 34 – der Vereinten Nationen und deren Bediensteten 2, 83 ff – Verstoß gegen 2, 45 – Verzicht auf 2, 24, 63 – Wirkungen der 2, 36ff, 76ff Incoterms 3, 65 Indexierung von Unterhaltstiteln 15, 242 Indien 5, 102; 12, 204; 16, 59; 18, 285 Indonesien 5, 202; 12, 204; 16, 127; 18, 285
Information im Internet 7, 70 Informationspflichten – prozessuale 10, 17ff – vorprozessuale 10, 29, 34 Initial disclosure 10, 21 Inlandsbeziehung, hinreichende 3, 415, 435; 12, 172 Inlandstätigkeit ausländischer Rechtsanwälte 6, 408ff Inlandsvertreter 5, 53ff, 60 Inlandsvollstreckung gegen Ausländer 19, 10ff Inlandswirkung der Vollstreckung im Ausland 19, 34f Insolvenzanfechtung 20, 63ff, 120 Insolvenzantrag 20, 71 Insolvenzarbeitsrecht 20, 121f Insolvenzfähigkeit 20, 70 Insolvenzgeld 20, 122 Insolvenzkollisionsrecht 20, 109ff Insolvenzplan 20, 105, 141ff Insolvenzrechtliche Entscheidungen 3, 27; 15, 36; 20, 130ff, 145, 146ff Insolvenztabelle, Eintragung in die 15, 170; 20, 78f, 151 Insolvenzverfahren 3, 27; 20, 33ff, 87ff, 129ff – Beendigung 20, 106, 140 Insolvenzverschleppungshaftung 20, 127 Insolvenzverwalter 3, 39; 20, 26ff, 76ff, 99ff, 136 – Pflicht zur Zusammenarbeit 20, 80 – Prozessführungsbefugnis 20, 85f Inter-American Convention on International Arbitration 18, 277 Inter-amerikanisches Übereinkommen über die extraterritoriale Gültigkeit ausländischer Urteile 16, 65 Internationale Anerkennungszuständigkeit 12, 80ff, 152ff; 13, 15, 36, 66, 88 Internationale Beweisaufnahme 1, 21; 9, 1ff Internationale Entscheidungszuständigkeit 3, 1ff, 400ff, 500ff; 4, 1ff,
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Sachregister
40ff, 77, 80, 86, 89, 92ff, 109ff, 113, 119, 123, 129ff – Nachprüfung auf Rechtsmittel 3, 407 – Nachprüfung bei Anerkennung 12, 81ff Internationale Forderungspfändung 19, 78ff Internationale Handelskammer Paris 18, 77, 107 Internationale Handlungsvollstreckung 19, 57ff Internationale Herausgabevollstreckung 19, 48ff Internationale Organisationen 2, 80ff Internationale Rechtshilfe 7, 2ff; 8, 1ff; 9, 1ff – und Völkerrecht 7, 23ff Internationale Sachpfändung 19, 45ff Internationale Unterlassungsvollstreckung 19, 63ff, 70f Internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren – Hauptverfahren 20, 35ff – Partikularverfahren 20, 56, 58 – Sekundärverfahren 20, 47ff, 60 Internationale Zustellung 1, 20; 8, 1ff, 54ff, 85ff, 142ff, 151ff, 158ff Internationale Zwangsvollstreckung 19, 1ff Internationales Privatrecht – deutsches 11, 17, 57 – Unterschiede zum IZPR 1, 39ff Internet, unerlaubte Handlung via 3, 86, 454 Interrogatories 10, 22, 32, 119 Interventionsklage 3, 136 Interventionswirkung 6, 74; 12, 28, 128; 18, 92 Investitionsschiedsgerichtsbarkeit 18, 256ff Investitionsschutzverträge 18, 42, 130, 257f Involuntary agent 8, 92 Inzidentanerkennung 12, 21, 110 IPR-Vorbehalt 12, 76; 15, 155, 204 Irak 3, 540; 5, 102; 12, 204; 18, 285
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Iran 5, 102; 12, 204; 18, 285 Irland 5, 102; 11, 71; 12, 204; 16, 53; 18, 285 Islamische Staaten 3, 359; 16, 107ff Island 5, 102; 12, 204; 16, 92 Israel 5, 102; 12, 204; 15, 146ff; 16, 58; 18, 285 Issue estoppel 12, 23, 122 Italien 3, 543; 5, 102; 8, 43, 153; 9, 100, 109, 113; 10, 9, 16, 61f, 71, 87, 91, 153, 174, 199; 11, 82; 12, 204; 15, 165ff; 16, 80ff; 17, 116ff; 18, 41, 285; 19, 121 IZPR, Begriff 1, 2ff – Unterschiede zum IPR 1, 39ff Jamaika 5, 103; 12, 205 Japan 3, 518, 551, 560; 5, 103; 6, 269, 423; 8, 115; 10, 33; 11, 83; 12, 205; 16, 117ff; 17, 116; 18, 286 Jemen 5, 103; 12, 205 Jordanien 5, 103; 12, 205; 16, 110; 18, 286 Jugendamtsurkunden, Anerkennung 15, 213, 308; 14, 12 Jura novit curia 11, 24 Jurisdiction to adjudicate 3, 404 Justizanspruch 3, 405; 5, 7f; 12, 103 Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen 7, 5, 11ff Justizverwaltungsakt im Rechtshilfeverfahren 7, 23; 8, 11 Kalifornien 3, 512, 547; 5, 66; 8, 34, 50; 10, 94; 11, 73 Kamerun 5, 104; 12, 206 Kanada 3, 358; 5, 104; 6, 318; 10, 32; 11, 73; 12, 206; 15, 310; 16, 54; 18, 287 Kap Verde 5, 104 Kapitalanlegermusterverfahren 6, 44f; 12, 10 Kartelldelikt 3, 89 Kasachstan 5, 104; 12, 206; 16, 95; 18, 287 Kaufmännisches Bestätigungsschreiben 3, 215, 471
Sachregister
Kaufmannseigenschaft 18, 239 Kenia 5, 104; 12, 206 Kernenergieanlagen 3, 328; 15, 110 Kernpunkttheorie 6, 205ff; 12, 26 Kinderschutz 7, 63f Kindesentführung 4, 54ff, 71ff; 7, 62 Kindesherausgabe 7, 61; 13, 54f; 15, 326ff – internationale Zuständigkeit 4, 41ff, 54ff, 62ff, 72f Kindschaftssachen 4, 40ff, 78ff; 13, 45ff Kirgisistan 5, 104; 16, 95 Klägergerichtsstand 3, 41 Klagbarkeit 2, 47; 6, 71ff Klage – Anforderungen 6, 7 – Arten 6, 2 – erneute 12, 19, 117 – im öffentlichen Interesse 6, 40ff Klagefrist 6, 83 Klauselerteilungsverfahren 13, 175; 15, 17, 156, 250, 268, 362 Körperliche Untersuchung 9, 113; 10, 36, 169, 176 Kollektiver Rechtsschutz 6, 40f Kollisionsnorm, prozessuale 1, 40; 5, 44 Kollisionsrecht 11, 17 Kollisionsrechtsordnung, zweite 1, 48 Kolumbien 5, 104; 12, 206; 16, 67; 18, 287 Kommanditgesellschaft 5, 20 Kompetenz-Kompetenz – des prorogierten Gerichts 3, 203f, 212, 231 – staatliches Gericht – Schiedsgericht 18, 146ff, 245 Konferenzraum, Miete, Zuständigkeit 3, 267 Kongo 5, 104; 12, 206 Konkurs 3, 27; 20, 3ff, 33ff, 129ff Konnexität – Prozessverbindung bei 6, 215ff – als Zuständigkeitskriterium 3, 113
Konnossement 3, 216, 233 Konsul – Befugnisse bei Rechtshilfe 7, 50ff – Beweisaufnahme durch 9, 130ff – Immunität 2, 69ff Konsularverträge 2, 74 Kontaktstellen 7, 72; 8, 63; 9, 19 Kontaktverbot 17, 78 Kontopfändung, grenzüberschreitende 19, 98ff Konzentrationslast 6, 207 Konzernunternehmen – Bindung an Schiedsklausel 18, 57 – Gerichtsstand 3, 101ff, 427f, 522 – Insolvenzzuständigkeit 20, 29ff, 37ff Konzessionsschutzverträge 18, 42 Kooperation – der Gerichte 7, 57ff – der Insolvenzgerichte 20, 102ff – der Insolvenzverwalter 20, 99ff Korea 5, 204; 12, 206; 18, 287 Kort geding 17, 123 Kosten – des Rechtshilfeverfahrens 8, 79; 9, 96 – des Schiedsverfahrens 18, 102f – der Vollstreckbarerklärung 15, 30, 134, 293 Kostenentscheidung, Vollstreckung – in Ehesachen 15, 338 – nach HZÜ 15, 119ff Kostenerstattung 6, 430ff – fehlende 12, 183, 216 Kostenfestsetzungbeschluss 15, 33 Kostenvorschuss für Schiedsverfahren 18, 96 Kreditinstitut, ausländisches 5, 31f Kreuzverhör 9, 21, 53, 56; 10, 92 Kriegsschiffe 2, 50ff; 19, 31 Kroatien 3, 8; 5, 104; 12, 206; 16, 103; 18, 287 Kulturgut, Wiedererlangung 3, 95f Kumulationstheorie 12, 25, 114 Kuwait 5, 104; 12, 206
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Sachregister
Ladung – ordnungsgemäße 12, 45ff, 57, 68, 167; 15, 155, 203, 281f – rechtzeitige 12, 45ff, 167; 15, 155 Landesjustizverwaltung 13, 22ff Landgericht 15, 207 Legislation von Urkunden (Befreiung) 10, 126 Leistungen, wiederkehrende 4, 98 Leistungsklage statt Vollstreckungsklage 15, 238 Leistungsverfügung – Anerkennung 17, 94, 96 – Erlass 17, 17, 49ff – Vollstreckbarerklärung 15, 31, 230; 17, 20ff, 94 Lebenspartnerschaftssachen 4, 119ff; 6, 112; 15, 354ff Lesotho 5, 105; 12, 207 Lettland 5, 105; 12, 207 Lex causae 3, 59f Lex fori concursus 20, 19ff, 110ff Lex fori-Prinzip 1, 42ff; 4, 23; 5, 53, 65, 68; 6, 2, 5ff; 7, 24; 8, 146; 9, 21, 26, 56, 131, 133, 152; 10, 2f, 5ff, 9, 57, 65, 76, 98, 144, 186, 198; 11, 48; 19, 5 Lex mercatoria 18, 123, 128ff Libanon 5, 105; 12, 207; 18, 288 Libyen 5, 105; 12, 207 Liechtenstein 5, 105; 6, 424; 8, 176; 9, 162; 12, 207; 16, 85; 18, 288 Litauen 5, 105; 12, 207 Litigation friend 5, 47 London Court of International Arbitration 18, 77, 108 Luftverkehrsgesetz 3, 315f Luganer Parallel-Übereinkommen 3, 7, 10, 19, 153, 180, 183; 12, 3ff, 76ff; 15, 5ff, 93ff Luxemburg 3, 40, 77; 5, 105; 8, 93; 12, 207 Luxemburger Auslegungsprotokoll zum EuGVÜ 3, 17f
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Madagaskar 5, 106; 12, 208 Mahnverfahren, grenzüberschreitendes 6, 2, 46ff, 57ff, 63, 92, 258 Malawi 5, 106 Malaysia 5, 106; 12, 208; 16, 124 Mali 5, 106 Malta 5, 106; 12, 208 Mareva injunction 11, 8; 15, 34; 17, 18; 19, 75, 110f; s freezing order Marken – Bestandstreitigkeiten 3, 274, 415 – Verhältnis nationale – Gemeinschaftsmarke 6, 232 Marokko 5, 106; 12, 208; 18, 289 Materieller ordre public 12, 32ff, 173ff; 13, 17, 45, 67 Mauretanien 5, 106; 12, 208 Mauritius 5, 106; 121, 208 Mazedonien 5, 106; 12, 208 Mediation 6, 3; 18, 15 Medidas Cautelares 17, 134 Mehrparteienschiedsverfahren 18, 60, 81 Mehrrechtsstaaten 12, 155 Mehrstaater 4, 12, 33 Meistbegünstigung bei Anerkennung von Schiedssprüchen 18, 234, 264, 274 Meistbegünstigung der Beweisperson 9, 59 Menschenrechtsverletzung, Klagen wegen 2, 12ff MERCOSUR-Staaten 3, 520; 16, 65 Mexiko 5, 106; 10, 85; 12, 208; 16, 64; 18, 289 Miete 3, 259 MIGA 18, 258 Militärflugzeuge 2, 50 Minderjährigenschutzabkommen 4, 42, 67ff; 6, 114; 13, 58 Mitwirkung – der Parteien bei der Ermittlung ausländischen Rechts 11, 32 – des Staatsanwaltes 6, 76, 99 – der Verwaltungsbehörde 6, 76, 99
Sachregister
MKAS 18, 117 Modelle, Streit über Gültigkeit 3, 274 Moldau 5, 106; 12, 208 Monaco 5, 106; 9, 163; 12, 208 Montenegro 16, 102 Montrealer Übereinkommen zum internationalen Luftfrachtrecht 3, 314ff; 15, 89 Morgengabe 4, 39; 6, 113 Muster, Streit über Gültigkeit 3, 274 Musterentscheid nach KapMuG 12, 10 Myanmar 18, 289 Nachlassabkommen, deutsch-türkisches 4, 136, 148; 13, 96 Nachlasszeugnis, Europäisches 13, 95 NATO-Truppen 2, 101ff; 19, 32 Ne bis in idem 12, 117f Nebenintervention 6, 5, 74 Negative Feststellungsklage 3, 91; 6, 70, 308ff Nemo tenetur accusare se ipsum 9, 129 Nepal 5, 107; 12, 209 Neuseeland 5, 107; 12, 209 Neutrales Forum 3, 187 New York 6, 86; 8, 51; 11, 73; 16, 33 Nicaragua 5, 107; 12, 209 Nichtanerkennung, Folgen der 12, 220ff Nichtanhörung – des Kindes 13, 46 – des Sorgeberechtigten 13, 48 Nichteinlassung des Beklagten 12, 44ff, 168; 13, 18; 15, 155 Nichtfeststellbarkeit des ausländischen Rechts 11, 45ff Nichtigkeitsklage bei gewerblichen Schutzrechten 3, 274ff Nichtrechtsfähige Vereine 5, 17f Niederlande 3, 531, 561; 5, 107; 6, 318; 8, 93; 9, 37; 10, 195; 12, 209; 15, 169; 16, 84; 17, 123ff; 18, 266, 290
Niederlassungszuständigkeit 3, 97ff, 426, 517ff; 15, 188 Niger 5, 107; 12, 209 Nigeria 5, 107; 12, 209; 18, 290 Non Governmental Organisation 5, 40ff Norwegen 5, 107; 12, 209; 15, 171f Notification 8, 100; 12, 54 Notzuständigkeit 3, 419, 421, 496; 4, 97, 111, 135 Oberlandesgericht 13, 42; 18, 196 Öffentliche Urkunde als Vollstreckungstitel 14, 12; 15, 75ff, 213, 231, 308 Öffentliche Zustellung 8, 14, 52, 88; 12, 49, 163; 15, 202, 282 Öffentlich-rechtliche Ansprüche 2, 28f; 6, 18 Ölverschmutzungsschäden 3, 330; 6, 83; 15, 109 Österreich 5, 108; 8, 38, 128, 152; 9, 57, 101, 121; 10, 108, 113; 12, 210; 15, 125; 17, 127f; 18, 291; 19, 121 Offenbarungsversicherung s Vermögensauskunft Oman 12, 210; 16, 113; 18, 291 Online Arbitration 18, 75 Online-Dienstleistung, Erfüllungsort 3, 61 Online Dispute Resolution 6, 38f Order Compelling Arbitration 6, 303 Ordre Public-Verstoß – und Anerkennung ausländischer Schiedssprüche 18, 218ff – und Anerkennung ausländischer Urkunden 15, 83 – und ausländische Insolvenz 20, 132 – und Rechtsanwendung 11, 21f – und Rechtshilfe 7, 21; 8, 121ff, 149; 9, 52, 128f – und Urteilsanerkennung 12, 32ff, 172ff; 13, 17; 15, 131, 155, 201, 205, 264, 286; 16, 19, 55, 60, 64ff, 68, 81, 96, 101, 103, 105, 109, 114, 117ff, 121
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Sachregister
Ordnungsgemäße Zustellung 12, 45ff, 57ff, 167 Organbeschlüsse 3, 270 Organisation, internationale – Immunität 2, 80ff – Parteifähigkeit 5, 37ff, 40ff Ortsbesichtigung 10, 179, 181 Pacht 3, 259 Pakistan 5, 109; 12, 211; 16, 114 Panama 5, 109; 12, 211 Paraguay 5, 109; 12, 211 Parallelverfahren im In- und Ausland 6, 264ff Pariser Zusatzabkommen 18, 254 Parol evidence rule 10, 15 Partei kraft Amtes 3, 39 Parteiautonomie 18, 123 Parteieid 9, 109f; 10, 60f, 114ff Parteierklärungen, Entgegennahme 9, 92 Parteifähigkeit – von Ausländern 5, 13ff – ausländischer Gesellschaften 5, 20ff, 33ff – ausländischer Staaten 5, 36 – von Bankzweigstellen 5, 31 – von Briefkastenfirmen 5, 23f – internationaler Organisationen 5, 37ff, 40ff Parteiöffentlichkeit 9, 23 Parteivernehmung 9, 54, 109f, 1454; 10, 109ff – Vorrang der 10, 110 Partikularinsolvenzverfahren 20, 17, 56, 58, 60 Partnerschaft für Frieden 2, 106 Patent 3, 274 – ausländisches 3, 415 – einheitliches europäisches 1, 83f; 3, 277, 298 – europäisches 6, 262 Perpetuatio fori 4, 44; 6, 285 Persönliche Gebrauchsgegenstände 6, 114; 17, 77 Persönliches Erscheinen 5, 10f Persönlichkeitsrecht 3, 87f
1020
Person – juristische 3, 37, 425; 5, 21, 33; 8, 30 – juristische des öffentlichen Rechts 2, 35; 3, 460; 18, 237 – natürliche 5, 14, 120; 8, 24, 28 Personal jurisdiction 3, 404, 524, 530 Personenstandsbücher 13, 9f Peru 5, 109; 12, 211; 16, 68ff Pfändung sonstiger Rechte 19, 114f – beweglicher Sachen 19, 45ff – von Forderungen 19, 78ff Philippinen 5, 109; 12, 211; 16, 125 Place of incorporation 3, 511 Polen 5, 109; 8, 40, 130; 9, 100, 121, 130, 154; 10, 151, 171, 196; 11, 85f; 12, 211; 16, 98; 18, 292; 19, 121 Portugal 5, 109; 12, 211; 18, 292 Postulationsfähigkeit 5, 53ff Postzustellung 8, 76f, 113f, 165 Power-Theorie der jurisdiction 3, 505 Präklusionswirkung, Anerkennung 12, 22, 120ff Präsident der Handelskammer, Mitwirkung bei ad hoc-Schiedsgerichten 18, 242f Preliminary injunction 17, 137 Preponderance of evidence 10, 55 Pre-trial discovery 9, 67ff; 12, 176 Prioritätsprinzip 6, 201; 20, 134 Privatgutachten 10, 194, 195; 11, 38 Privatscheidung 6, 108, 236; 13, 29ff, 33 Privileges des Zeugen 9, 58ff; 10, 162 Produkthaftung 3, 79 Prorogation 3, 185ff, 293, 412; 4, 48, 94, 132 – stillschweigende 3, 245 Prorogationsfreiheit 3, 197 – Beschränkungen der 3, 237ff Protection of Trading Interests Act 6, 313ff; 12, 222 Protective order 10, 38 Protokoll von Buenos Aires 16, 66 Protokoll von Las Leñas 16, 65
Sachregister
Provvedimento d’urgenza 17, 117, 120 Prozessarten 6, 2 Prozessaufrechnung 3, 126, 228; 6, 25, 244 Prozessbeeendigung 6, 28 Prozessfähigkeit – eines Ausländers 5, 48ff, 52 – juristischer Personen 5, 48 – nichtrechtsfähiger Handelsgesellschaften 5, 48 – nichtrechtsfähiger Vereine 5, 48 Prozessführung im Ausland 1, 92ff Prozessführungsbefugnis – gewillkürte 5, 68f – im IZPR 5, 61ff Prozesshandlungen, Fristen 6, 7ff Prozesskostenhilfe – Antrag nach HZÜ 1954 5, 151ff – für grenzüberschreitende Anträge in der EU 5, 136ff – für internationale Klagverfahren 5, 120ff – in Unterhaltssachen 5, 130ff – und Verjährungshemmung 5, 146 – für Vollstreckbarerklärung 5, 129ff; 15, 15, 71, 237, 303 – zur Vorbereitung von Auslandsverfahren 5, 144ff Prozesskostensicherheit 2, 107; 5, 70ff Prozesskostenvorschuss 5, 160ff; 17, 72ff Prozesskultur 1, 94 Prozessordnung, europäische 1, 58 Prozessprinzipien 6, 7 Prozessrecht, europäisches 1, 56ff; 3, 4ff Prozessrechtsvereinheitlichung 1, 56ff Prozessrechtsvergleichung 1, 90f Prozessstandschaft – Deutschlands 2, 103ff – des Pfändungsgläubigers 19, 97 – s Prozessführungsbefugnis – für Unterhaltsanträge 4, 108; 6, 116
Prozessunterbrechung durch Insolvenzverfahren 6, 272; 20, 81ff Prozessurteil, Anerkennung 12, 20, 143 Prozessvergleich, Anerkennung 12, 15, 149; 15, 15, 86f, 212 Prozessvollmacht 5, 54; 6, 9, 403 Prüfungsstellen für Rechtshilfeersuchen 7, 22f; 8, 8, 101ff, 126, 150 Punitive damages 12, 174 Qualifikation 1, 12ff, 44, 49f; 2, 11; 9, 41; 10, 66 – funktionelle 1, 44 – materiellrechtsfreundliche 1, 49 Quatar 5, 110 Quebec 16, 55 Rabbinatsscheidung 6, 106ff Reaktorschiffe 3, 329; 15, 111 Rechtliches Gehör – Pflicht zur Rechtsmitteleinlegung 12, 46, 51, 170 – Verletzung bei Verfahrenseinleitung 12, 44ff, 161ff Rechtsanwalt, ausländischer 6, 423ff; 11, 33 Rechtsbehelf – Pflicht zur Belehrung 14, 29 – Pflicht zur Einlegung 12, 51 – gegen Vollstreckungstitel nach EuVTVO 14, 34f – in der Zwangsvollstreckung 19, 37ff Rechtsbeschwerde an BGH 13, 44; 15, 51ff, 60, 344; 18, 198 Rechtshängigkeit im Ausland – Beachtung nach autonomem deutschen Recht 6, 233ff – in Ehe- und Sorgerechtssachen 6, 226ff – in Erbrechtssachen 6, 230f – nach EuGVO 6, 201ff – in Güterrechtssachen 6, 223ff – maßgeblicher Zeitpunkt 6, 214, 248ff, 227 – materielle Wirkungen 6, 256f
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Sachregister
– als negative Prozessvoraussetzung 6, 241ff – nach Staatsverträgen 6, 259ff – in Unterhaltssachen 6, 221f – und Urteilsanerkennung 12, 185 Rechtshilfe – besondere Form 7, 26 – internationale 1, 10, 35; 7, 2ff, 6; 9, 112; 10, 3, 166 – kraft Völkergewohnheitsrecht 7, 35ff – in Strafsachen 7, 3 – und Territorialitätsprinzip 7, 35ff – Verbürgung der internationalen 7, 38, 39ff – vertragslose 7, 18 – in Verwaltungssachen 7, 18; 9, 40 – als Verwaltungstätigkeit 7, 22f; 8, 11 – Voraussetzungen 7, 19ff – s Internationale Beweisaufnahme – s Internationale Zustellung Rechtshilfeabkommen, zweiseitige 7, 6ff, 15ff; 8, 158ff; 9, 147ff Rechtshilfeersuchen – Inhalt des 9, 48 – auf konsularischem Weg 7, 50ff; 9, 50 – Übermittlungswege für 9, 47ff – auf dem unmittelbaren Behördenweg 9, 50 Rechtshilfeordnung in Zivilsachen 7, 2ff Rechtshilfeverträge 7, 6ff; 8, 158ff; 9, 36ff, 97ff, 147ff Rechtskraft – Anerkennung 12, 22, 116ff – europäischer Begriff 12, 20, 22 – formelle 15, 229 – kollisionsrechtliche Relativität 12, 126 – von Vorfragen 12, 23f – zugunsten Dritter 12, 124 – zu Lasten Dritter 12, 123 Rechtskraftpräklusion 12, 22f, v120ff
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Rechtsnachfolger – Bindung an Gerichtsstandsvereinbarung 3, 232 – Bindung an Schiedsvereinbarung 18, 56 Rechtsöffnungsentscheid 12, 8 Rechtsquellen des IZPR 1, 15ff Rechtsschein der Niederlassung 3, 103 Rechtsschutz – einstweiliger 11, 41ff; 17, 12f; 18, 166ff – einstweiliger vor ausländischen Gerichten 17, 97ff – Formen 6, 2ff, 17ff – Verzicht auf 3, 464 Rechtsvereinheitlichung 1, 90 Rechtswahl 11, 27ff, 46; 18, 123ff Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Ausland 18, 276ff Regierungsmitglieder, Immunität 2, 33 Registereintragung 3, 273; 6, 103 Registrierung ausländischer Entscheidungen im VK 15, 42 Regla de Buenos Aires 3, 542 Regressansprüche – des Frachtführers 3, 323 – nach Unterhaltsleistung 4, 100 – des Versicherers 3, 104 Reiseverträge 3, 152, 267 Remise au parquet 7, 42; 8, 16f, 95, 132, 171; 12, 62 Request for admission 10, 22, 120 Restatement Second of Conflict of Laws 16, 34 Restgesellschaft 5, 24 Restschuldbefreiung 20, 107f, 142f Restzuständigkeit 4, 15, 50 Revisibilität ausländischen Rechts 11, 52ff Révision au fond (Verbot der) 12, 76, 87f, 116; 15, 236, 286; 16, 7 Rheinschifffahrtsakte, revidierte 1, 11; 15, 89 Richtlinie 87/5/EG 6, 420
Sachregister
Richtlinie 98/26/EG 20, 156 Richtlinie 98/27/EG 6, 41 Richtlinie 2001/17/EG 20, 157 Richtlinie 2004/48/EG 10, 19; 17, 92 Ruanda 5, 111; 12, 212 Rückgabe – eines Kindes 4, 56f; 13, 54ff, 61; 14, 101; 15, 322 – persönlicher Gegenstände 6, 114 Rügelose Einlassung – vor Schiedsgericht 18, 23 – vor staatlichem Gericht 3, 168, 241ff, 485ff Rumänien 5, 111; 12, 212; 16, 97; 18, 293 Russland 5, 111; 8, 154; 11, 84; 12, 212; 16, 94; 18, 117, 292; 19, 121 Sachen, bewegliche 3, 64 – unbewegliche 3, 256; 15, 192 Sachpfändung 19, 45ff Sachverständigenbeweis 9, 144ff, 141f; 10, 187ff – über ausländisches Recht 11, 34ff, 69 Sachverständiger 5, 169; 7, 43; 10, 188, 198ff; 11, 36, 37 – ausländischer 9, 142 – inländischer 9, 34, 141 Sambia 5, 112; 12, 213 San Domingo 5, 112 San Marino 5, 112; 9, 163; 12, 213 Satzung und Gerichtsstandsklausel 3, 200 Saudi-Arabien 5, 112; 12, 213 Schadensersatz – wegen Nichterfüllung nach erfolgloser Vollstreckung 19, 72 – für ungerechtfertigte Vollstreckung 17, 55; 18, 173; 19, 5, 41f – für unzulässige Klage 3, 230, 484; 18, 156 Schadensregulierungsbeauftragter 3, 135; 8, 59
Scheidung – durch ausländische Verwaltungsbehörde 13, 27, 30 – einverständliche 6, 105 – durch Gerichtsentscheidung 6, 17 – Privat- 6, 108, 236; 13, 30ff – Rabbinats- 6, 110, 108 – Talaq- 6, 108f Scheidungsfolgen 6, 111 Scheidungsurteil, Anerkennung – nach EheGVO 13, 2ff – in England 16, 51 – nach FamFG 13, 21ff – in USA 16, 30 – in Türkei 16, 106 Scheidungsvereinbarung 6, 106 Scheidungsverfahren – Beteiligung der Verwaltungsbehörde 6, 76, 101 – Beteiligung des Staatsanwalts 6, 76, 101 – internationale 6, 97ff Scheidungsverschulden 13, 6 Scheinauslandsgesellschaft 5, 23; 20, 124 Scheme of Arrangement 3, 27; 12, 12, 81; 20, 144 Schiedseinrede 12, 84; 18, 140ff Schiedsfähigkeit – objektive 18, 25ff, 217 – subjektive 18, 44ff, 204, 246 Schiedsgericht – Ad hoc- 18, 78 – Dissenting opinion 18, 100 – Einstweiliger Rechtsschutz 18, 169ff – Fehler bei Bildung 18, 212 – institutionelles 18, 76ff – Kompetenz-Kompetenz 18, 146ff – Kompetenzüberschreitung des 18, 209 – Mehrparteien- 18, 60ff, 81 – Rechtswahl durch 18, 127 – Sitz des 18, 86f – Verfahren des 18, 88ff
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Schiedsgerichtsbarkeit, internationale 1, 24; 3, 29f; 18, 1ff – Rechtsnatur 18, 2ff Schiedsgerichtsordnungen 18, 106ff Schiedsgutachten 18, 16 Schiedsklage 18, 89 Schiedsklausel in Testament 18, 74 Schiedsorganisationen 18, 77, 107 Schiedsrichter – Abberufung von 18, 160f – Ausländer als 18, 241 – Bestellung der 18, 84ff – Ersatzbestellung von 18, 159 – Unabhängigkeit der 18, 83 Schiedsrichtervertrag 18, 85 Schiedsspruch – Anationaler 18, 213, 231 – Anerkennung 12, 13, 147; 18, 183ff, 228ff, 235ff, 257, 260, 261, 263, 270, 272ff – Aufhebung 18, 179ff, 216, 250 – Begründung 18, 220, 249 – nach Billigkeit 18, 210, 248 – Erlass 18, 100 – inländischer/ausländischer 18, 175f – Rechtskraft 18, 104 – Registrierung des 18, 104 – Verbindlichkeit 18, 214 – Verstoß gegen ordre public 18, 218ff – Zwischen- 18, 214 Schiedsvereinbarung 17, 15; 18, 10ff – anwendbares Recht 18, 64ff – und Armut der Partei 18, 53 – Auslegung 18, 69ff – Bindung Dritter 18, 56ff – und einstweiliger Rechtsschutz 17, 15; 18, 167ff – Form 18, 17ff, 240 – und Insolvenz 18, 54; 20, 86 – Selbständigkeit der 18, 24, 147ff – Vollmacht zum Abschluss 18, 55 – Wirksamkeit 18, 11f, 204 Schiedsverfahren 18, 75ff – Beweisrecht 18, 98ff, 163ff – Fehler des 18, 207ff – Kosten 18, 102f
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– Kostenvorschuss 18, 96 – und rechtliches Gehör 18, 207 – in der Sache anwendbares Recht 18, 122ff, 247 – staatliche Hilfsverfahren 18, 163ff – Verfahrensrecht 18, 75ff Schiedsvergleich 15, 139, 168; 18, 225, 260, 265, 266, 2667, 268, 271 Schiffbarmachung der Mosel, Vertrag über 15, 89 Schiffszusammenstöße, Gerichtsstand 3, 327; 15, 89 Schlichtungsvereinbarung, internationale 18, 14 Schottland 6, 90; 9, 157; 10, 31; 18, 294 Schriftform – bei Gerichtsstandsvereinbarungen 3, 207ff, 478 – bei Schiedsvereinbarungen 18, 17ff Schriftsätze in fremder Sprache 5, 165ff Schuldausspruch im Scheidungsurteil 6, 102; 11, 68 Schweden 3, 519; 5, 112; 8, 39, 129, 153; 9, 100, 107, 108, 122; 10, 63, 72, 150, 170, 191; 11, 79; 12, 213; 16, 87ff; 18, 294; 19, 121 Schweigepflicht 10, 100f Schweiz 3, 496, 544; 5, 112, 134; 6, 316; 9, 37, 106; 11, 64, 81; 12, 213; 15, 126, 178; 16, 86; 17, 129; 18, 26, 77, 113, 294 Schweizerische Schiedsordnung 18, 77, 113 Search order 12, 8; 17, 115 Seefrachtverträge 3, 325 Seegerichtliche Entscheidungen 15, 116ff Sekundärinsolvenzverfahren 20, 17, 47ff, 58ff, 95f, 99ff – Ermessen zur Eröffnung 20, 53 Selbständiges Beweisverfahren 17, 84ff; 18, 167 Senegal 5, 112; 12, 213 Sequestro giudiziario 17, 117 Serbien 5, 112; 12, 213; 16, 102
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Service out of the jurisdiction 3, 516 Sicherheitsleistung – beim einstweiligen Rechtsschutz 17, 17 – für Prozesskosten 5, 70ff; 6, 36, 94 – vor Vollstreckung im Zweitstaat 14, 45, 50; 15, 67, 72 Sicherstellungsbeschlagnahme sequestro conservatio 17, 117, 119 Sicherungsbeschlagnahme, Italien 17, 118 Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts 20, 72ff, 130 Sicherungsrechte in der Insolvenz 20, 113ff Sicherungsvollstreckung 15, 49f, 158 Sierra Leone 5, 112; 12, 213 Simbabwe 12, 213 Singapur 5, 112; 12, 213; 16, 124; 186, 294 Sitz des Schiedsgerichts 18, 86 Sitz juristischer Personen 3, 37; 5, 22, 27ff Sitzzuständigkeit 3, 37ff Slowakei 5, 112; 12, 213 Slowenien 5, 112; 12, 213; 16, 104; 18, 294 Somalia 5, 112; 12, 213 Sondervermögen, öffentlich-rechtliches 3, 439, 458 Sonstige Familiensachen 4, 113ff; 15, 352f, 359 Sonstige Rechte, Pfändung 19, 113ff Sorge, elterliche 4, 40ff; 15, 320; 17, 67 Sorgerechtssachen – Anerkennung von Entscheidungen 13, 45ff, 54, 56ff, 61; 16, 31 – Rechtshängigkeit 6, 226ff – Vollstreckbarerklärung 15, 320ff, 324, 327 – Zuständigkeit 3, 26; 4, 40ff Sortenschutz 3, 295 Soziale Sicherheit 3, 28 Sozialversicherung 3, 131
Spanien 5, 112; 8, 44; 10, 70, 83, 139, 155, 176, 194; 11, 75; 12, 213; 15, 179ff; 17, 134f; 18, 294; 19, 121 Special appearance 3, 488 Special examiners 7, 43; 9, 71, 155f Spiegelbildprinzip 12, 152 Sportschiedsgerichtsbarkeit 18, 77, 114 Sprache – im Prozess 5, 165ff – im Rechtshilfeverkehr 5, 147, 153, 174; 8, 27, 51, 65ff, 77ff, 95, 103. 109; 9, 15, 51 – bei Vollstreckbarerklärung 15, 130 Spruchverfahren 3, 271 Sri Lanka 5, 112; 12, 213 Staat – ausländischer 2, 5ff; 5, 36, 50; 8, 31 – nicht anerkannter 5, 36 Staatenloser 4, 26; 5, 4, 82 Staatsangehörigkeit, Zuständigkeit kraft 3, 40; 4, 6, 10, 12, 23ff, 80, 111, 120, 125, 127, 136 Staatsanwalt 6, 78, 99; 15, 133 Staatsimmunität 2, 1ff – und Menschenrechtsverletzungen 2, 12ff – im Schiedsverfahren 2, 26; 18, 44ff, 50 – bei Vollstreckung 19, 24ff Staatsoberhaupt, Immunität 2, 31 Staatsschiffe 2, 50ff; 19, 31 Staatsunternehmen, Immunität 2, 34 Standard disclosure 10, 156 Statutarische Schiedsklausel 18, 73 Stockholmer Schiedsgerichtsinstitut 18, 77, 119 Straßengüterverkehr (CMR) 3, 317ff; 15, 112ff Stream-of-commerce-jurisdiction 3, 515 Streitgegenstand 18, 209 – europäischer 6, 205ff Streitgenossenzuständigkeit 3, 111ff, 491
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Streitkräfte, ausländische 2, 101ff Streitverkündung 3, 229; 6, 69, 74; 18, 92 Streitverkündungswirkung 12, 28, 128 Streudelikt 3, 84 Stufenantrag/-klage 6, 19 Substitution 1, 51; 19, 11 Subunternehmer, keine Bindung an Prorogation des Hauptunternehmers 3, 232 Sudan 5, 112; 12, 213 Südafrikanische Republik 5, 122; 12, 213; 15, 310 Sühneversuch 6, 98; 9, 92 Summary Judgement 16, 54 Surinam 5, 112 Swasiland 5, 112; 12, 213 Swiss (Arbitration) Rules 18, 113 Syrien 5, 112; 12, 213; 16, 109; 18, 294
Transnational Rules of Civil Procedure 1, 5, 57, 62 Treble damages 12, 175 Trennung von Tisch und Bett 4, 38; 6, 107, 111 Trennungsunterhalt 6, 114 Trinidad und Tobago 5, 113; 12, 214 TRIPS-Übereinkommen 10, 19; 17, 24 Tronc commun 18, 131 Trust – Bedingungen und Gerichtsstand 3, 105ff, 210 – Sitz 3, 38 Tschad 5, 113; 12, 214 Tschechische Republik 5, 113; 9, 37; 12, 214; 16, 101; 18, 295 Türkei 4, 136f; 5, 113; 11, 87; 12, 214; 16, 105f; 18, 295 Tunesien 5, 113; 12, 214; 15, 182ff; 16, 111; 18, 295
Taiwan 12, 214; 16, 121; 18, 295 Talaq-Scheidung 6, 106f Tansania 5, 113; 12, 214 Tatbestandswirkung ausländischer Entscheidungen 12, 29, 132f Tatsache, doppelrelevante 3, 83, 408; 12, 159 Teilanerkennung 12, 134 Teilnahme ausländischer Richter an Beweisaufnahme 9, 25, 63 Telekonferenz s Videokonferenz Temporary Restraining Order 17, 138 Territorialitätsgrundsatz 7, 35f; 9, 2ff, 134ff; 19, 4, 79; 20, 18 Thailand 5, 113; 12, 214; 16, 123 Theorie der Wirkungserstreckung 12, 22, 112f; 20, 23, 132 Third Party Complaint 6, 5, 77 Third Party Notice 6, 77 Timesharing – Verträge 3, 152, 260 Togo 5, 113; 12, 214 Torpedoklage 6, 206 Transient Jurisdiction 3, 508ff
Ubiquitätstheorie 3, 81 Übereinkommen der Arabischen Liga über die Vollstreckung von Urteilen 16, 108 Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) 3, 220, 317ff; 5, 93; 6, 249; 15, 89; 18, 125 Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr (COTIF) 3, 326; 15, 89; 18, 259 Übereinkommen über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen vom 8.9.1967 13, 21 Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland 5, 133; 15, 294ff Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie 2, 18; 3, 328 Übereinkommen über Staatenimmunität, Europäisches 2, 38f Übereinkommen zur Befreiung von Urkunden von der Legislation in
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Sachregister
den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft 10, 127 Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe 15, 89; 17, 27 Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen 3, 327; 15, 89 Übermittlungsstellen 8, 61 Übermittlungsweg – für Beweisersuchen 9, 16ff, 47ff, 97, 151, 158 – für Zustellungsersuchen 8, 10, 61ff, 101ff, 142f, 158ff Übernahmeersuchen 4, 46, 66 Übersetzungserfordernis – bei Europäischen Vollstreckungstiteln 14, 45, 61 – bei Klagezustellung 8, 65ff, 105, 109 – bei Vollstreckbarerklärung 15, 16, 130, 266 Uganda 5, 114; 12, 215 Ukraine 5, 114; 12, 215; 16, 95; 18, 296 Umbrella rule 3, 437 Umgangsrecht 4, 41, 45; 13, 54ff; 14, 101ff; 17, 67 Umwelteinwirkungen, Gerichtsstand der 3, 455 UNCITRAL Arbitration Rules 18, 79, 120 UNCITRAL Model Law on CrossBorder Insolvency 20, 11, 25ff UNCITRAL Schlichtungsordnung 18, 121 UN-Convention on the Carriage of Goods by Sea 3, 325 Unerlaubte Handlungen 3, 78ff Unerwünschte Gerichtsstände 1, 29ff; 3, 41ff Ungarn 3, 8; 5, 114; 12, 215; 16, 96; 18, 296 Uniform Conflict of Laws-Limitation Act 1982 6, 68
Uniform Foreign-Money Claims Act 6, 89 Uniform Foreign Money-Judgment Recognition Act 16, 10ff Universalitätsprinzip 20, 15ff Unklagbarkeit 2, 47; 6, 81ff Unpfändbarkeit 19, 112f Unterbrechung durch ausländisches Insolvenzverfahren 6, 272f; 20, 81ff Unterbringung von Kindern 7, 61, 63 Unterhalt – per einstweiliger Anordnung 17, 69ff – im Kindschaftsverfahren 4, 93, 105f; 17, 71 – im Scheidungsverbund 4, 18, 36 Unterhaltsansprüche – des Kindes 6, 118f – Rechtshilfe bei Durchsetzung 7, 15; 15, 294ff Unterhaltssachen – Auskunftspflicht 10, 149 – Gerichtsstand 3, 30; 4, 92ff – Klageart 6, 118 Unterhaltstitel, Anerkennung von 13, 78f, 80ff, 83, 85, 86; 15, 185; 16, 60 Unterlagen für Vollstreckbarerklärung – von Gerichtsentscheidungen 15, 15ff, 93ff, 161, 266, 291, 363 – von Schiedssprüchen 18, 197, 234 Unterlassungsklage – Gerichtsstand 3, 72, 90f, 278 – gegen Prozessführung im Ausland 6, 307 – vorbeugende 3, 90, 452 Unterlassungsvollstreckung 19, 63ff, 70f Unternehmer, Gerichtsstand in Verbrauchersachen 3, 162f Untersuchung, körperliche und geistige 9, 113; 10, 182ff
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UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen (UNÜ) 18, 228ff UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland 5, 133; 7, 17; 15, 294ff UN-Übereinkommen über Staatenimmunität 2, 1 UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) 3, 62, 441; 10, 12, 68 Unvereinbarkeit von Entscheidungen 12, 69ff, 73ff, 171; 13, 19f Urheberrechtsverletzung 3, 115 Urkunden – ausländische 10, 130 – ausländische öffentliche 10, 123, 130 – gesiegelte 10, 140 – inländische 10, 123 – öffentliche 10, 123, 130, 139; 13, 7; 15, 213 – private 10, 133, 135, 136, 139 – Übersetzung fremdsprachiger 5, 165ff, 173; 10, 145 – s Vollstreckbare Urkunden – Vorlage aus Ausland 9, 11, 85, 111f, 144f – über die Zustellung des Titel 14, 24 Urkundenbeweis 9, 139; 10, 40, 123ff Urkundenprozess 6, 2; 11, 29 Urkundenübersendung 9, 92, 94 Urkundenvorlagepflicht 9, 11, 85, 111f Urkundenvorlageverordnung 9, 87f Urteilsinhalt 6, 14 Uruguay 5, 114; 12, 215 US Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) 2, 21 USA 3, 501, 510, 546f, 560; 5, 115; 6, 27, 43, 68, 76, 88, 422; 8, 5, 20ff, 49, 118, 120; 10, 21, 92, 119f, 148, 179ff, 188; 11, 72; 12, 216; 15, 310; 16, 8ff; 17, 136; 18, 40, 91, 296; 19, 121 Usbekistan 5, 114
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Vaterschaftsfeststellung 6, 119; 10, 173ff Vatikan 5, 115; 12, 216 Venezuela 5, 115; 12, 216; 16, 71; 18, 297 Verantwortung, elterliche 4, 41; 13, 45 Verbandsklagen 3, 91, 267; 6, 41ff Verbindungsrichter 7, 62, 73 Verbrauchersachen 3, 140ff; 12, 81; 14, 22 Verbundverfahren 6, 117, 120 Verbundzuständigkeit 4, 18f, 36f, 105f; 6, 116f Verein, nichtrechtsfähiger 5, 48 Vereinigte Arabische Emirate 5, 115; 12, 216; 16, 112; 186, 297 Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland 5, 100; 12, 216; 15, 141f Verfahren zur Trennung von Tisch und Bett 4, 38; 6, 105, 109; 13, 3 Verfahrenseinleitendes Schriftstück 12, 44ff, 161ff; 13, 18; 14, 21 Verfahrensgrundsätze, rechtsstaatliche 12, 38ff, 176ff Verfahrenshilfe 7, 3 Verfahrenskostenhilfe s Prozesskostenhilfe Verfahrensnorm, sachrechtsbezogene 1, 51 Verfahrenstheorie (zur Nationalität des Schiedsspruchs) 18, 175 Verfahrensübernahme 7, 3 Verfahrensverzögerung durch Schiedsgericht 18, 162 Verfügung, einstweilige 6, 305; 12, 8, 68, 140; 15, 149; 17, 49ff Vergleiche als vollstreckbare Titel 12, 15; 15, 213, 259; 18, 265, 266 Verhältnis staatliches Gericht – Schiedsgericht 18, 139ff Verhandlung, mündliche 5, 139ff Verjährung, Hemmung 6, 64ff – durch Auslandsklage 6, 69, 257; 12, 133
Sachregister
– durch Mahnverfahren 6, 258 – durch Schiedsklage 18, 90 Vermögensauskunft 3, 284; 19, 73ff Vermögensbeschlag 20, 75, 136 Vermögensgerichtsstand 3, 42, 430ff; 12, 155; 15, 20, 56, 153 Vermögenschäden 3, 89 Vermögensverwertung durch Insolvenzverwalter 20, 91ff Vermutung – gesetzliche 10, 43, 67, 123 – tatsächliche 10, 44, 58 Versäumnisentscheidung 12, 7; 15, 146, 282 Versagung der Vollstreckung Europäischer Vollstreckungstitel 14, 63ff Versagungsgründe der Anerkennung – gerichtlicher Entscheidungen 12, 32ff, 151ff; 15, 131, 150ff, 200ff, 261ff – von Schiedssprüchen 18, 190, 200ff, 252, 270 Versendungskauf 3, 66ff Versicherungsinsolvenz 20, 157f Versicherungssachen 3, 130ff, 429; 12, 81 Versöhnungsfrist 6, 97 Versorgungsausgleich 3, 26, 28; 4, 89ff Verstoßung der Ehefrau 11, 232 Verträge in der Insolvenz 20, 112 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 3, 56 Vertrag zugunsten Dritter 3, 234 Vertragsgerichtsstand 3, 50ff, 440 Vertragsschluss, elektronischer 3, 219 Verwaltungsbehörde, Eheaufhebungsantrag 6, 78, 99 Verwaltungshilfe zur Durchsetzung von Unterhalt 7, 59; 15, 298ff Verweisung ins Ausland 4, 46f, 66; 6, 29, 270 Verwertung durch Insolvenzverwalter 20, 91ff
Verwirkung der Anerkennung/Nichtanerkennung 13, 40 Verzicht auf Rechtsschutz 3, 464 Videokonferenz 6, 8; 7, 58; 9, 21, 35, 140 Vietnam 12, 216; 16, 126; 18, 297 Völkergewohnheitsrecht 1, 26, 30; 7, 35, 47; 12, 111 Völkerrecht 1, 25ff; 7, 25ff; 11, 58; 12, 102; 18, 130 – allgemeines 2, 5; 5, 7 Vollstreckbare Urkunden 12, 15, 149; 15, 75ff, 231, 321, 362 Vollstreckbarerklärung – Antrag 15, 12f – aufgehobener Schiedssprüche 18, 216, 234, 250f – Aufhebung 15, 73 – ausländische Schiedsvergleiche 18, 225f, 260, 261, 265, 267, 271 – ausländischer Schiedssprüche 18, 183ff, 190ff – Entbehrlichkeit bei Europäischen Vollstreckungstiteln 14, 1ff, 56ff – von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 15, 1ff, 93ff, 99ff, 119ff, 156ff, 207ff, 215ff; 19, 7, 16ff – in Erbrechtssachen 15, 361ff – güterrechtlicher Entscheidungen 15, 345ff – in Unterhaltssachen 15, 249ff, 252, 253ff, 311ff, 357 – insolvenzrechtlicher Entscheidungen 15, 36; 20, 130ff, 151 – Kosten 15, 30, 135 – von Kostenentscheidungen in Ehesachen 15, 338ff – durch Notar 15, 82 – von Sorgerechtsentscheidungen 15, 320ff, 358 – unbestimmter Titel 15, 242 – Verfahren der 15, 10ff, 93ff, 215ff, 249ff, 266ff, 291f, 308f, 317, 325ff, 331f, 339ff, 347f, 350f, 362ff, 367f; 18, 196ff; 20, 151
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Sachregister
– Versagungsgründe der 15, 10, 28, 45, 131, 163, 209ff, 235, 250, 262, 266ff, 342, 364 Vollstreckbarkeit im Erststaat 15, 15, 76, 95, 161, 266, 291, 363 Vollstreckung – ausländischer einstweiliger Maßnahmen im Inland 17, 20ff, 93ff – ausländischer Insolvenzentscheidungen 20, 136, 151 – ausländischer Schiedssprüche 18, 183ff – ausländischer Urteile in Common Law Staaten 16, 35ff – Europäischer Vollstreckungstitel 14, 44ff, 59ff – von Fremdwährungsverbindlichkeiten 15, 243; 19, 15 – aus öffentlichen Urkunden und Prozessvergleichen 15, 74ff – von Schiedssprüchen 18, 179ff, 183ff – unvertretbarer Handlungen 19, 63 – vertretbarer Handlungen 19, 60 Vollstreckungsabwehrklage 3, 283; 14, 52ff, 70, 83ff, 91, 99; 15, 244 Vollstreckungsanspruch 19, 8 Vollstreckungsbescheid 15, 40 Vollstreckungshilfe 2, 113; 7, 3; 15,127 Vollstreckungsimmunität 2, 49, 113; 19, 24ff Vollstreckungsklage 15, 11, 215ff Vollstreckungsklausel – Aufhebung 15, 73 – Erteilung 15, 52, 56 Vollziehung – der einstweiligen Verfügung 17, 54 – einstweiliger Maßnahmen des Schiedsgerichts 18, 171f Vorabentscheidungsverfahren – vor EFTA-Gerichtshof 1, 85 – vor EuGH 1, 68ff Voraussetzungen der internationalen Zwangsvollstreckung 19, 16ff Vorbeugende Unterlassungsklage 3, 90, 452
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Vorfragenbindung 12, 23, 122 Vorläufig vollstreckbare Entscheidungen 12, 6, 139 Vorlagepflicht – materiellrechtliche 10, 166ff – prozessuale 10, 144ff – von Urkunden 9, 112; 10, 144ff Vorlage-Verordnung 9, 87 Vormundschaft 4, 75f Vorpfändung 19, 83 Vorprozessuale Vorlagepflichten 10, 29, 34, 157 Vorvertragliches Schuldverhältnis 3, 55, 79 Vorwirkung der Rechtshängigkeit 6, 71, 256 Vouching-in 6, 76; 12, 129 Währungsbeschränkung 6, 96 Wahlkonsulatsbeamte 2, 73 Waiver of service of process 8, 22ff Warenzeichen 3, 274 Warschauer Abkommen zum internationalen Luftverkehr 3, 311ff; 15, 89 Wartefrist für Wiederverheiratung 6, 102 Weißrussland 5, 116 Weltbank-Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten 18, 77, 256ff Wesenseigene Zuständigkeit 1, 53; 3, 417 Wesensfremde Entscheidungswirkungen 12, 115 Widerklage 3, 125, 138, 227, 483, 492; 6, 25; 15, 194; 18, 94 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 6, 12; 8, 134 Wiederversöhnung 6, 98 Wiener Regeln (Schiedsgerichtsordnung) 18, 77, 115 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen 2, 58 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen 2, 70
Sachregister
Willenserklärungen, Vollstreckung von 19, 57ff WIPO 18, 77, 109 Wirkungserstreckung, Anerkennung als 12, 22, 112; 20, 23 Witnesses statement 10, 88 Wohnsitz 3, 23ff, 171, 422, 478; 15, 56; 19, 74, 82, 89 Wohnsitzgerichtsstand 3, 33ff, 422 Wohnungszuweisung 4, 88; 6, 115 Wortprotokoll 9, 21, 56 Zahlungsbefehle, schweizerische 6, 62 Zaire 5, 117; 12, 217 Zentralafrikanische Republik 5, 117; 12, 217 Zentralbanken 2, 11, 29, 35; 19, 28 Zentrale Rechtshilfebehörden 8, 94f, 101; 9, 32f, 47ff Zeugenbeweis 6, 100; 9, 102ff; 10, 7, 76ff, 102, 107 – Abgrenzung zur Parteivernehmung 9, 108 – durch Auslandszeugen 9, 138ff – durch commissioners 7, 43 – gesetzlicher Ausschluss 10, 7ff, 77 Zeugeneigenschaft 2, 111; 9, 108 Zeugenermittlung 9, 92 Zeugenfähigkeit 9, 102ff; 10, 76, 81 Zeugenvernehmung 9, 56 Zeugnisverweigerungsrecht 2, 111f; 9, 13, 27, 58f, 104; 10, 97ff Zinsen 6, 15; 15, 242 Zivil- und Handelssachen 3, 23ff; 9, 38; 12, 11 ZRHO 7, 2ff; 8, 150 Zugang zu Gericht 1, 30ff; 5, 7ff Zugewinnausgleich 17, 80ff Zusammenarbeit, internationale gerichtliche 7, 5 – in der EU 1, 59ff; 20, 102 Zusatzübereinkommen von Guadalajara 3, 313 Zusatzübereinkommen zum Haager ZPÜ 7, 9; 8, 96
Zusatzvereinbarungen zum HBÜ 9, 37 Zuständigkeit – für Abstammungsverfahren 4, 77 – für Adoptionssachen 4, 77, 80ff – des Amtsgerichts für Vollstreckbarerklärung 15, 249, 292, 314, 325, 332, 340 – Antritts- 4, 409 – für Arbeitsverträge 3, 169ff – nach Art 5–7 EuGVO/LugÜ 3, 47ff – Aufenthalts- 3, 423; 4, 5ff, 30ff, 41ff, 93, 130 – ausschließlich internationale 3, 255ff; 9, 125; 15, 154 – ausschließliche 3, 221, 253ff; 4, 9; 8, 121, 167; 12, 81 – Begriff der internationalen Zuständigkeit 3, 402ff – in Betreuungssachen 4, 123f, 127 – Beweis-, internationale 9, 2ff – deutsche internationale 1, 17; 3, 401ff – direkte 3, 20ff – Durchgriffs- 3, 522 – in Ehesachen 4, 4ff, 20ff – in Ehewohnungssachen 4, 86 – für einstweilige Maßnahmen 4, 51; 17, 6ff, 30, 50ff, 62ff – für Erbscheinsverfahren 4, 140ff, 148, 149 – für Güterrechtssachen 4, 109, 112 – für Haushaltssachen 4, 86 – in rem 3, 529 – indirekte 15, 186, 277; s Anerkennungszuständigkeit – internationale 3, 20f, 300ff, 402ff, 500ff; 4, 5ff, 22ff, 40ff, 74f, 77, 80, 86, 89, 93ff, 107, 109, 113, 119, 123, 130ff; 19, 116 – bei Kindesentführung 4, 54ff – in Kindschaftssachen 4, 40ff, 74ff – konkurrierende internationale 3, 410 – gegenüber Konzerngesellschaften 3, 522; 20, 30ff, 38ff
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Sachregister
– kraft Sachzusammenhangs 3, 127f, 490 – in Lebenspartnerschaftssachen 4, 119ff – Notzuständigkeit 3, 44, 419, 421; 4, 97, 111, 135; s auch Restzuständigkeit – örtliche 3, 164, 497; 4, 17, 78, 81, 112, 118 – quasi in rem 3, 530ff – Restzuständigkeit 4, 15f, 50 – sachliche 12, 206 – für sonstige Familiensachen 4, 113 – in Sorgerechtssachen 4, 40ff, 59, 71, 74ff – für Streitigkeiten über den Sortenschutz 3, 295 – für Streitigkeiten über Gemeinschaftsgeschmacksmuster 3, 292 – für Streitigkeiten über Gemeinschaftsmarken 3, 289 – für Streitigkeiten über Gemeinschaftspatente 3, 297 – System der direkten 3, 20ff – für Unterhaltssachen 3, 30; 4, 93ff, 107f – in Verbrauchersachen 3, 140ff – Vereinbarung durch Nichtkaufleute 3, 198 – in Versicherungssachen 3, 130ff – für Versorgungsausgleichssachen 4, 89 – wesenseigene 1, 53; 3, 417 – in Zivil- und Handelssachen 3, 419ff Zuständigkeitsentscheidung des Erstrichters, Bindung an 12, 80ff Zuständigkeitserschleichung 3, 414 Zustellung im Rechtsvergleich 8, 2ff Zustellung, internationale – Ablehnungsgründe 8, 121ff, 149 – an Angehörige des Entsendestaates 7, 50 – durch Aufgabe zur Post 5, 56; 7, 41; 8, 12, 91 – an ausländischen Staat 2, 37ff; 8, 31
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– Auslands- 8, 57, 87 – außerhalb von Staatsverträgen 8, 33, 151ff – Begriff der 8, 100 – in besonderer Form 8, 110, 144, 147 – bilaterale Besonderheiten 8, 144, 158ff – direkte Postzustellung 8, 10, 26, 76f, 113f – durch diplomatische Vertreter 8, 74f, 111ff, 142 – durch einfache Übergabe 8, 166 – durch Einschreiben mit Rückschein 7, 28 – Entscheidung über Art und Weise der 8, 148 – Ersatz- 8, 36ff, 70; 12, 58 – nach der EU-Verordnung 8, 52ff – fiktive Inlands- 8, 57; 12, 49 – förmliche 8, 28, 108, 146f – formlose 8, 105ff, 145 – gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke 8, 86 – als Hoheitsakt 8, 3, 57 – nach HZÜ 1954 8, 142ff – an jedem Ort 8, 18 – durch konsularische Vertreter 7, 50; 8, 112, 142, 166 – auf konsularischem/diplomatischem Weg 8, 74ff, 112, 142, 162 – durch Mitwirkung von Behörden 8, 8, 11, 144 – nach NATO-TS 2, 110f – nur in der Wohnung 8, 18 – öffentliche 8, 14, 52, 88; 12, 59, 163; 15, 282 – ordnungsmäßige 12, 45, 161ff – und ordre public 8, 52, 61, 121f, 149 – durch die Post 8, 111ff, 165 – auf privatem Wege 8, 19, 164 – im Rechtshilfeverkehr 8, 61ff – rechtzeitige 8, 137; 12, 47f, 65, 167
Sachregister
– durch schriftliches Zeugnis der ersuchten Behörde 8, 127 – späterer Schriftsätze 12, 55 – Sprache der 8, 27; 12, 50, 166 – unmittelbar im Parteiauftrag 8, 81ff – im unmittelbaren Behördenweg 8, 143 – verfahrenseinleitender Schriftstücke 8, 12; 12, 44ff, 162ff – im Verhältnis zu den europäischen Kleinstaaten 8, 175ff – von Versäumnisurteilen 8, 140 – in Verwaltungssachen 8, 99 – der Vollstreckungsklausel 15, 56f – über „Zentrale Behörden“ 8, 94, 101 Zustellungsantrag 8, 32, 102f Zustellungsbescheinigung 8, 72 Zustellungsbevollmächtigter 5, 56ff; 7, 41; 8, 12, 30, 90; 15, 13 Zustellungsersuchen, deutsche 8, 7, 101ff Zustellungsgebühren 8, 73 Zustellungsmängel, Heilung von 8, 84, 141; 12, 63ff, 169ff Zustellungsmethoden 8, 2ff Zustellungsort 8, 70
Zustellungssystem, englisches 8, 19 Zustellungsverordnung der Europäischen Union 8, 53ff Zustellungszeitpunkt 8, 71 Zustellungszeugnis 8, 72, 104, 127 Zwangsarbeiter 2, 15 Zwangsgeld 15, 31; 19, 64ff Zwangsmaßnahmen zur Unterstützung konsularischer Beweisaufnahme 9, 69, 73, 156 Zwangsvergleich, Anerkennung 15, 170; s auch Insolvenzplan Zwangsvollstreckung 3, 282f; 9, 95; 19, 2ff, 44ff – gegen ausländische Staaten 2, 48ff; 19, 24ff, 85 – im Ausland 19, 121 – Voraussetzungen der internationalen 19, 16ff Zweigniederlassung 3, 98ff, 137, 160, 163 – inländische 5, 30ff Zwischenentscheid des Schiedsgerichts zur Zuständigkeit 18, 151 Zwischenstaatliches Zivilprozessrecht 1, 9 Zypern 5, 117; 12, 217; 18, 298
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